Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 19 / 08.05.2006
mpi, suk, vom

Krankenkassen erwarten steigende Beiträge

Anhörung zum Haushaltsbegleitgesetz 2006
Haushalt. Die gesetzlichen Krankenkassen rechnen mit einer deutlichen Beitragssatzerhöhung, falls die Bundesregierung bei der Kürzung des Bundeszuschusses für so genannte versicherungsfremde Leistungen bleibt. In der öffentlichen Anhörung des Haushaltsausschusses zum Haushaltsbegleitgesetz 2006 (16/752) am 4. Mai machten eingeladene Experten ferner deutlich, dass die geplante Mehrwertsteuererhöhung nicht notwendig sei. Eine Konsolidierung des Bundeshaushaltes sei auch durch Ausgabenkürzungen und durch einen Abbau von Steuervergünstigungen erreichbar. Der Vorsitzende des Beamtenbundes warnte bei gleichem Anlass vor einer Kürzung des Weihnachtsgeldes für Beamte.

Der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK, Klaus Jacobs, sagte, er erwarte für das kommende Jahr eine Erhöhung um 0,4 und für 2008 um 0,5 Beitragspunkte. Er fügte hinzu, dies sei notwendig, um die zusätzliche Belastung der Kassen von insgesamt knapp 9 Milliarden Euro für beide Jahre auszugleichen. Neben der geplanten dreiprozentigen Mehrwertsteuererhöhung zum 1. Januar 2007 schlagen nach Auffassung der Arbeitsgemeinschaft der Spitzenverbände der Krankenkassen vor allem die vorgesehenen Änderungen beim Bundeszuschuss zu Buche.

Der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht vor, den Bundeszuschuss für Leistungen wie Mutterschutzgeld und Krankenausfallgeld bei Erkrankung eines Kindes im kommenden Jahr von heute 4,2 Milliarden Euro auf 1,5 Milliarden Euro zu kürzen und ihn im Jahr 2008 ganz zu streichen. Der Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik an der Universität Köln, Eckart Bomsdorf, äußerte die Erwartung, dass mit dieser Maßnahme der Druck auf die Kassen, "für eine echte Strukturreform zu sorgen", wachsen werde.

In der Sitzung warnten mehrere Arbeitsmarktexperten zudem vor einem massiven Abbau von Minijobs, falls es bei der geplanten Erhöhung des Arbeitgeber-Pauschalbeitragssatzes von 25 auf 30 Prozent bleibt. Der Zentralverband des Deutschen Handwerks wies die Abgeordneten darauf hin, dass in der Folge für den Bund ein Finanzierungsproblem entstehen könnte. Im September 2005 hätten 462.000 Empfänger von Arbeitslosengeld II einen Minijob gehabt. Fielen viele davon weg, müssten in diesem Bereich vom Bund höhere Leistungen erbracht werden.

Ausgabenkürzungen notwendig

Bei der Anhörung hatten zuvor andere Sachverständige verlangt, zur Konsolidierung des Bundeshaushalts verstärkt auf Ausgabenkürzungen statt auf Steuererhöhungen zu setzen. Das Haushaltbegleitgesetz 2006 sieht unter anderem vor, den allgemeinen Mehrwertsteuersatz und den Regelsatz der Versicherungssteuer zum 1. Januar 2007 von 16 auf 19 Prozent anzuheben. Gleichzeitig will die Regierung den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung um zwei Prozentpunkte auf 4,5 Prozent senken. Diese Absenkung will sie mit einem Prozent aus dem Aufkommen der Mehrwertsteuererhöhung finanzieren.

Johannes Hoffmann von der Deutschen Bundesbank hielt einen stärkeren Fokus auf den Abbau von Steuervergünstigungen für geboten. Auch wenn mit Hilfe des Haushaltbegleitgesetzes die Drei-Prozent-Neuverschuldungsgrenze des Maastrichter Vertrages wieder eingehalten werden könne, so würde dies keine Entwarnung bedeuten. Eine Kürzung des Konsolidierungsumfangs wäre nicht angezeigt, so Hoffmann. Die Politik sei gefordert, angesichts von Staatsausgaben in Höhe von fast der Hälfte des Bruttoinlandsprodukts die Möglichkeit zur Ausgabenkürzung zu berücksichtigen. Auch aus Sicht des Chefvolkswirts der Allianz Gruppe und der Dresdner Bank, Michael Heise, wäre die geplante Mehrwertsteuererhöhung nicht erforderlich, wenn Ausgabendisziplin gewahrt würde, um die Maastricht-Verschuldungsgrenze zu erreichen. Im Hinblick auf die Verantwortung für künftige Generationen wäre es nach Meinung Heises besser, die Ausgaben zu senken statt Steuern zu erhöhen.

Steuererhöhungen wider die Vernunft

In das gleiche Horn stieß Karl Heinz Däke vom Bund der Steuerzahler. Eine Mehrwertsteuererhöhung in Zeiten steigender Steuereinnahmen widerspreche jeder ökonomischen Vernunft, klagte Däke. Der Bund, der noch an 402 Unternehmen beteiligt sei, könnte weiter privatisieren, wobei die Erlöse ausschließlich zur Schuldentilgung verwendet werden sollten. Die jährliche Steuerverschwendung beim Bund schätzte Däke auf 10 bis 12 Milliarden Euro.

Der Präsident des Bundesrechnungshofes, Dieter Engels, sprach dagegen von lediglich 2 Milliarden Euro Steuerverschwendung. Mit dem Subventionsabbau allein ist seiner Meinung nach eine kurzfristige Haushaltskonsolidierung nicht möglich. Das Einsparvolumen werde häufig überschätzt. Zwar sei die Eigenheimzulage gestrichen worden, doch zeigten sich die Einspareffekte erst über mehrere Jahre verteilt. Auch der Kompromiss zur Finanzierung des Kohlenbergbaus könne nicht von heute auf morgen gekippt werden. Die strukturellen Haushaltsprobleme seien aber so groß, dass mit der Sanierung begonnen werden müsse.

Nils Busch-Petersen, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Berlin-Brandenburg, hielt den "Vorzieheffekt" der Konsumenten, die Anschaffungen in diesem Jahr vornähmen, um der höheren Mehrwertsteuer zu entgehen, für eine Legende. Wenn es ihn überhaupt gebe, dann habe er keine nachhaltige Wirkung.

Als Alternative zur Mehrwertsteuererhöhung schlug Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin eine höhere durchschnittliche Belastung der Kapitaleinkommen und des Vermögens vor. Auch die kommunale Grundsteuer und die Erbschaftsteuer seien in Deutschland relativ niedrig.

Die Akzeptanz der Dienstrechtsreform sei "erheblich gefährdet", sollte der Bundestag das Haushaltsbegleitgesetz wie geplant verabschieden. Davor warnte der Vorsitzende des Beamtenbunds, Peter Heesen in derselben Anhörung. Geplant ist nämlich auch, die jährliche Sonderzahlung des Bundes für Besoldungs- und Versorgungsempfänger (Weihnachtsgeld) für die Jahre 2006 bis 2010 zu halbieren und die Bankzulage bei der Deutschen Bundesbank stufenweise zu kürzen und teilweise ganz abzuschaffen.

Heesen wies darauf hin, die Beamten hätten in den vergangenen Jahren eine "unterproportionale Einkommensentwicklung" hinnehmen müssen. Nachdem sie 2005, 2006 und 2007 auf eine lineare Einkommensentwicklung verzichten müssten und die vereinbarte Einmalzahlung von 300 Euro im vergangenen Jahr bereits ausgeblieben, die Arbeitszeit aber erhöht worden sei, bedeuteten die geplanten Einschränkungen bei den Sonderzahlungen der Beamten eine "zweite Nettokürzung". Dies sei "nicht vermittelbar".

Laut einer Unterrichtung (16/1369) erklärt sich unterdessen die Bundesregierung bereit, die Vorsteuerpauschale für Landwirte von neun auf 10,7 Prozent und für Forstwirte von fünf auf 5,5 Prozent anzuheben. Dies geht aus ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates zum Regierungsentwurf hervor. Die Anhebung steht im Zusammenhang mit der geplanten Erhöhung des Mehrwertsteuersatzes von 16 auf 19 Prozent. mpi/vom/suk


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.