Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 20 / 15.05.2006
Richard E. Schneider

Würdigung von Gottfried Benn

Zum 50. Todestag des Dichters

In meinem Elternhaus hingen keine Gainsboroughs" - unter diesem Motto lud die Brandenburgische Landesvertretung beim Bund in Berlin am 9. Mai zu einer Lesung von Gedichten Gottfried Benns. Der Literaturkritiker Fritz Raddatz erinnerte an den umstrittenen und verehrten Berliner Dichter, den er "einen der Großen der deutschen Literatur" nannte, und dessen Tod sich am 7. Juli zum 50. Mal jährt.

Benns Gedichte leben von einer inneren Melancholie, einem fatalistischen Hingegeben-Sein an Umstände, deren Besserung jedoch wünschenswert wäre. Thematisch reicht die Palette Benns, der im "Zivilberuf Hautarzt war, weit hinein in "die Härte des Lebens, auch den Kampf ums Dasein, den er aber kaum bejahend schildert, sondern kritisch aus der Distanz wertet. Benns abwendendes Motto hieß "Leben - niederer Wahn, Traum für Knaben und Knechte…"

Raddatz beleuchtete eingehend, ähnlich wie in seiner 2003 erschienenen Benn-Biografie, das Verhältnis Benns zur Politik und zu seinen Schriftstellerkollegen Heinrich, Thomas und Klaus Mann sowie zu Bertold Brecht. Die Frage, ob für Benn, der während der Nazi-Zeit nicht emigrierte, sondern als Militärarzt dem neuen Regime "diente", nach Kriegsende 1945 eine öffentliche "Entschuldigung" sinnvoll und richtig gewesen wäre, erregte die Gemüter. Wahrscheinlich, so ein Zuhörer, sei für Benn eine solche Entschuldigung einfach zu billig gewesen. In diesem Zusammenhang berichtete Fritz Raddatz detailiert über ein Rundfunkgespräch, das Benn kurz nach Kriegsende mit dem Emigranten, Germanisten und Buchautor Peter de Mendelssohn führte, der dem Dichter offen vorwarf, sich gerirrt zu haben. Dürfen sich Dichter irren? Diese Frage wiederholte Raddatz, doch sie blieb im Raum unbeantwortet stehen.

Benn wurde nach 1945 von früheren Schriftstellerkollegen gemieden. Und nach seinem Tod 1956 wurde es still um dessen literarisches Werk. Seit einigen Jahren ändert sich das. In seinem Geburtsort Mansfeld wurde 2003 ein "Gottfried Benn-Förderkreis" gegründet, der sich dem Geburtshaus des Dichters annahm und es für Besucher herrichtete. Ziel der Initiative ist es, wie auch bei der ebenfalls am 9. Mai in der Stadt- und Landesbibliothek Potsdam eröffneten "Benn-Ausstellung", Leben und Werk Benns neu zu würdigen.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.