Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 27 / 03.07.2006
Aschot Manutscharjan

Die provozierte Krise

Der Atomkonflikt mit dem Iran
Nicht das zivile Atomprogramm des Irans stellt die eigentliche Gefahr für die internationale Sicherheit dar, sondern die Politik der Regierenden in Teheran. So lautet die Grundthese der beiden "Zeit"-Redakteure Gero von Randow und Ulrich Ladurner in ihrem lesenwerten Buch "Die iranische Bombe". Die Autoren betonen in ihrem informativen und objektiven Hintergrundbericht, dass Irans Präsident Mahmud Achmadinedschad bewusst eine Dauerkrise rund um die Atombombe provoziere, weil er glaubt, so das Überleben des Mullah-Regimes und die Ziele der Islamischen Revolution langfristig zu sichern.

Warum will der Iran in den Besitz der Atombombe gelangen? Um auf diese Frage antworten zu können, erläutern von Randow und Ladurner die Entstehungsgeschichte der aktuellen Auseinandersetzung in der Region. Zuerst thematisieren sie das nukleare Wettrüsten zwischen Pakistan und Indien, um sich anschließend dem Konflikt zwischen den USA und dem Iran zu widmen. Und sie beleuchten die Rolle des "Vaters der pakistanischen Bombe", Abdul Qadir Khan, der mit Duldung der CIA das technische Geheimnis der Zentrifugen "lösen" konnte, das er später an Libyen und den Iran weitergab. Ohne falsche Rücksichtnahme prangern die Autoren die völkerrechtswidrige Politik der USA gegenüber Iran an: Alles fing an, als die CIA 1953 den demokratisch gewählten iranischen Ministerpräsidenten Mohammed Mossadegh aus dem Amt putschte. Hätte Washington damals auf jedwede Einmischung verzichtet, wäre 1979 möglicherweise der von Washington protegierte Schah Resa Pahlewi nicht durch die Islamische Revolution gestürzt worden. Ob Ajatollah Chomeini dann noch die Islamische Republik Iran hätte gründen können, darf bezweifelt werden.

Dass dieses Engagement inzwischen selbst in den USA kritisch bewertet wird, zeigen Äußerungen der früheren Außenministerin Madeleine Albright. Im März 2000 verwies sie auf die Mitverantwortung und "besondere Rolle" Washingtons beim "Sturz des populären Premierministers". Zugleich erinnerte Albright an die amerikanische Unterstützung des Schahs, der die Opposition "brutal unterdrückte". Vor diesem Hintergrund müssten die USA "ihren Anteil an Verantwortung übernehmen", forderte die US-Außenministerin. Gleichwohl brachte auch die Clinton-Regierung keine Annäherung zwischen den USA und dem Mullah-Regime zustande. Denn das von Washington verfolgte Ziel, Demokratie und Marktwirtschaft weltweit zu fördern, passte Teheran nicht ins Konzept.

Des Weiteren analysieren Gero von Randow und Ulrich Ladurner mit großer Sachkenntnis das Iran-Bild in den US-Medien, außerdem die Politik der USA im Mittleren Osten. Daneben erfährt der Leser interessante Details über die Tätigkeit der Internationalen Atomenergie Behörde (IAEA) in Wien. Dass Europa im Zuge des Atomstreits mit dem Iran schlecht wegkommt, entspräche der bisherigen Rolle der Europäer. Wie schon beim so genannten "kritischen Dialog" glaube Brüssel immer noch an einen möglichen Deal mit den Islamisten. Leider liefern die Autoren keine überzeugende Erklärung für die Haltung der Europäischen Union. Auch werden die Hintergründe der aktuellen Politik Russlands im Konflikt nicht dargelegt.

Dafür finden sich vier "erstrebenswerte" Szenarien und sieben Empfehlungen der Autoren, die wohl Ausdruck des Wunsches sind, die internationale Sicherheitspolitik selbst mitzugestalten. In ihren Empfehlungen reagieren Gero von Randow und Ulrich Ladurner frei nach dem Motto "was wäre, wenn" auf eine bereits wieder veraltete Lage und schaden damit ihrer ansonsten guten Arbeit. In einer Wochenzeitung wären ihre Empfehlungen besser platziert, nicht aber in einem Buch, das längerfristig gültige Szenarien eröffnen will.

Beschäftigt sich die oben vorgestellte Studie mehr mit dem internationalen Rahmen der Iran-Krise, konzentriert sich der Journalist Bruno Schirra auf die aktuelle Atompolitik des Mullah-Regimes und legt überzeugend dar, warum auf jeden Fall verhindert werden muss, dass Achmadinedschad in den Besitz von Atomwaffen gelangt. Schirra gehört zu den wenigen deutschsprachigen Journalisten, die sich im Nahen und Mittleren Osten nicht nur gut auskennen, sondern die sich mit hervorragenden Reportagen und politischen Analysen zur Entwicklung in der Region einen guten Namen gemacht haben.

Es ist ein Vierteljahrhundert her, dass Bruno Schirra den Iran zum ersten Mal bereiste. Das Land befand sich 1981 im zweiten Jahr der größten sozialen Revolution, die die islamische Welt bis dahin erlebt hatte. Die Anführer waren damit beschäftigt, ihren Sieg in eine Art permanenten Religionskrieg für den globalen Endsieg des Islams zu verwandeln. Auch wenn der Leser den abrupten Zeitsprüngen und plötzlichen Ortswechseln mitunter nur schwer folgen kann und selbst für banale Informationen "Vertreter westlicher Geheimdienste" oder "nahöstliche Sicherheitsexperten" bemüht werden, sind Schirras Buch viele Leser zu wünschen. Denn aufgrund seiner ausgezeichneten Kenntnisse des Landes kann er den Entwicklungsweg der iranischen Gesellschaft ebenso gut beurteilen wie die verschiedenen Phasen der Islamischen Revolution. Dabei beschreibt Schirra schonungslos die Verbrechen der Islamisten gegen das eigene Volk und warnt die Welt vor Präsident Achmadinedschad, der sich als Enkel von Imam Chomeini inszeniere. Zudem habe Achmedinedschad eine "unerschütterliche Grundwahrheit" verinnerlicht: Der Welt werde es besser gehen, wenn das "Kainsmal des Zionismus" und Israel ausgelöscht wären.

Mit großem Sachverstand bietet der Autor seinen Lesern einen kritischen Blick auf die Politik der drei letzten iranischen Präsidenten - den "Realisten" Rafsandschani, den im Westen beliebten, weil "sanften" Präsidenten Chatami und zuletzt Achmedinedschad. Allen dreien sei gemeinsam, dass sie an den Zielen der Islamischen Revolution festhielten, wenn sie sie auch mit unterschiedlichen Methoden zu erreichen suchten. Realistischerweise dämpft er die Hoffnung, im Iran existierten starke Reformkräfte. Tatsächlich befänden sich die reformorientierten Kräfte, beispielsweise die Jugend in Teheran, klar in der Minderheit, zumal sie über keine Machtinstrumente für einen Regimewechsel verfügten.

Laut Schirra begleitet eine Konstante Irans Politik seit der Islamischen Revolution 1979, und zwar die Urheberschaft und Unterstützung islamistischer Terrornetzwerke gegen Israel und die USA, allen voran die Hisbollah im Libanon oder die diversen Terrorgruppen in Irak. Denn Teheran will die USA aus dem Nachbarland "herausbomben, demütigen und bluten lassen". Es ist ein besonderes Verdienst Schirras, dass er die aktuelle iranische Politik im Irak erklärt und gleichzeitig darlegt, dass auf diesem Ersatz-Schauplatz der iranisch-amerikanische Krieg ausgetragen wird.

 

Gero von Randow / Ulrich Ladurner: Die iranische Bombe. Hintergründe einer globalen Gefahr. Verlag Hoffmann und Campe, Hamburg 2006; 175 S., 14,95 Euro.

Bruno Schirra: Iran. Sprengstoff für Europa. Econ Verlag, Berlin 2006; 332 S., 18 Euro.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.