Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 27 / 03.07.2006
Ludwig Watzal

Universeller Missionsgedanke

Amerikanische Außenpolitik

Das Buch von Klaus Schwabe kommt gerade zum richtigen Zeitpunkt. Die ideologisch aufgeheizte Debatte der Schröder-Zeit ist zu Ende. Versachlichung unter der neuen Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zwar angesagt, aber auch Wachsamkeit ist geboten gegenüber einem US-Präsidenten George W. Bush, der durch eine "religiöse" Brille blickend meint, die Weltpolitik bestimmen zu können. Der Autor, Professor emeritus für Neuere Geschichte an der Technischen Universität in Aachen, konstatiert zu Recht einen Mangel an historischer Kenntnis und einem abgewogenen Urteil in Bezug auf die USA; dies gilt natürlich umgekehrt auch. Diese Defizite, gepaart mit der falschen Verwendung von Sprachsymbolen, hätten zu den Turbulenzen in den deutsch-amerikanischen Beziehungen beigetragen. Als Erklärung für die transatlantischen Verstimmungen können diese jedoch nicht allein herhalten.

Schwabes Werk ist gewichtig. Es stellt die amerikanische Außenpolitik im 20. Jahrhundert nicht nur historisch-deskriptiv dar, sondern analysiert diese auch im Kontext der Geschichte und der Ereignisse des 20. sowie des beginnenden 21. Jahrhunderts, das nach dem Willen Washingtons im Zeichen des "Kampfes gegen den Terrorismus" stehen soll. Dieser politischen Formel gegenüber ist Skepsis mehr als angebracht.

Die Macht des Präsidenten

Der Autor breitet in 14. Kapiteln eine Gesamtdarstellung der US-amerikanischen Außenpolitik aus, beginnend mit dem spanisch-amerikanischen Krieg von 1898 und endend mit der Präsidentschaft von George W. Bush. Wer das erste Kapitel des Buches liest, ist über das Verhalten der Bush-Regierung nicht überrascht. Gehört doch das imperialistische Gehabe nicht nur zu den fünf konstitutiven Elementen amerikanischer Außenpolitik, sondern stand geradezu Pate bei der kontinentalen Expansion sowie anderen Interventionen auf der internationalen Bühne: Neben dem imperial-expansionistischen sind dies der Isolationismus, die revolutionär-antikolonialistisch-emanzipatorische Tradition, der humanitäre Impuls sowie die demokratisch-missionarische Tradition. Alle für sich allein genommen sind hoch problematische Ratgeber einer Weltmacht. Schwabe setzt sie aber immer begründend für jedwedes außenpolitisches Verhalten ein.

Neben diese historischen Determinanten amerikanischer Außenpolitik treten die formalen: Die so genannten "checks and balances", die wechselseitige Kontrolle der verfassungsmäßigen Organe, sind ebenfalls historisch bedingt, und zwar als Reaktion gegenüber der "alten Welt". Neben dieser geschriebenen Verfassungswirklichkeit ist eine politische getreten, die dem Präsidenten durch so genannte "executive agreements" (Verwaltungsabkommen) und "executive agents" (vom Präsidenten ernannte Vertrauenspersonen, die keiner Kontrolle durch den Kongress unterliegen) eine außenpolitische Macht jenseits parlamentarischer Kontrolle verleihen. Sein größter Machtzuwachs erwuchs ihm aber durch die Rolle des Oberbefehlshabers der Armee. In dieser kombinierten Rolle kann er quasi Kriege wie den in Vietnam vom Zaun brechen - durch manipulierte Vorgänge im Golf von Tonking - oder den Irak-Krieg, der der Weltöffentlichkeit ebenfalls durch gefälschte Fakten des Geheimdienstes verkauft worden ist.

"Das Ringen zwischen Gut und Böse"

Schwabe analysiert alles dies in sachlich-nüchterner Professorenmanier. Sein Resümee, dass sich die Bush-Regierung selbst in ihrem "nation-building" in der Tradition des "universellen Missionsstrebens" befinde, überrascht doch sehr, da bis heute rhetorisch das "nation-building" im Irak nicht zu den primären Aufgaben dieser Regierung gezählt hat. Eher erinnert man sich an ein missionarisches Eiferertum eines Präsidenten Bush, der von "Kreuzzug", "Schurkenstaaten" und "Demokratisierung" des Nahen und Mittleren Ostens gesprochen hat. Bush sieht den Kampf der "zivilisierten Welt" gegen "die Schurkenstaaten" als "ein manichäisches Ringen zwischen Gut und Böse", so Schwab. Hat nicht gerade diese apokalyptische Rhetorik einen Teil der Europäer irritiert?

Klaus Schwabe hat sein Manuskript bei Ausbruch des Irak-Krieges fertig gestellt. Er kommt zu einer Feststellung, die jeder Regierung zu denken geben sollte, wenn für einen möglichen nächsten Waffengang "Willige" gesucht werden sollten: Bush habe mit seiner auf militärische Gewalt fixierten öffentlichen Selbstdarstellung im Vorfeld des Irak-Krieges sein Ziel, einen internationalen und inneramerikanischen Konsens zu finden, der ihn in seiner Kriegsabsicht unterstützt, gründlich verfehlt. Was den amerikanischen Konsens betrifft, irrt der Autor aber; den hatte Bush, wie das klare Abstimmungsergebnis beider Häuser des Kongresses und die Meinungsumfragen gezeigt haben.

Ein kleines Manko der ansonsten ausgezeichneten Gesamtdarstellung liegt in der Vernachlässigung des religiösen Eiferertums von George W. Bush und den Einflüsterungen seiner neokonservativen Ratgeber, die ihn - gegen einige kritische Stimmen aus der Regierung seines Vaters - zu einem Waffengang gedrängt haben. Aber für ideologisch Verblendete gelten die Gesetze der Vernunft wenig. Dieses Buch sei allen politisch Handelnden, Interessierten und besonders der politischen Bildung empfohlen, weil es neben der Kenntnis der US-amerikanischen Geschichte mit vielen historischen Parallelen aufwartet - kein Wunder bei einem so ausgewiesenen Historiker wie Klaus Schwabe.

 

Klaus Schwabe: Weltmacht und Weltordnung. Amerikanische Außenpolitik von 1898 bis zur Gegenwart. Schöningh Verlag, Paderborn 2006; 560 S., 44,90 Euro.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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