Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 30 - 31 / 24.07.2006
Aschot Manutscharjan

Kampf in und um die Dritte Welt

Der KGB im Kalten Krieg

Der Kalte Krieg kann in der Dritten Welt gewonnen werden - so entschied das Politbüro der KPdSU und übertrug dem Komitee für Staatssicherheit (KGB) 1961 die Aufgabe, dort den "Kampf zwischen den beiden Systemen" zu führen. Zu diesem spannenden Thema hat Christopher Andrew, Zeithistoriker an der Universität Cambridge, ein Standardwerk vorgelegt. Darin hat er die politische Entwick-lung während des Kalten Krieges in der Dritten Welt ausführlich analysiert - in Lateinamerika, Afrika, und Asien einschließlich des Nahen und Mittleren Ostens. Die schon bekannten Ereignisse dieser Zeit werden unter Einbeziehung der Aktivitäten des KGB teilweise neu bewertet. Die geheimen Informationen aus dem Geheimdienst-Archiv hatte der Ko-Autor des Buches, KGB-Oberst Wassilij Mitrochin, beschafft, bevor er 1992 zu den Briten übergelaufen war.

Obwohl die Motive des vor kurzem verstorbenen KGB-Oberst wohl nie ins Licht kommen werden, wurde Mitrochin von offizieller Seite in Großbritannien als Mensch mit einem "bemerkenswerten Pflichtgefühl und Mut" gewürdigt, der "die Wahrheit über die wahre Natur des KGB und dessen Aktivitäten ans Licht" gebracht habe. Auch Andrew bezeichnet seinen Ko-Autor als einen "heimlichen Dissidenten" und nennt Mitrochins "bemerkenswertes" Werk in einem Atemzug mit Bulgakows "Der Meister und Margarita". Dessen ungeachtet betont Andrew in seinem Vorwort, dass Mitrochin die Arbeit eines Historikers im Kern nicht verstanden habe, da seiner Meinung nach allein seine Dokumente die "Wahrheit" enthielten.

Die "Spionage-Geschichten" werden mit einem umfassenden wissenschaftlichen Apparat unterfüttert. Dabei ordnet und bewertet Andrew die Rolle des Geheimdienstes neu. So verweisen die von Mitrochin besorgten Kopien aus dem KGB-Archiv auf Dutzende "aktive Maßnahmen" in der Dritten Welt, die von verdeckten Medienmanipulationen bis zu Attentaten und organisierten Revolutionen reichen. Dem Leser wird klar, welchen enormen Wert der KGB auf die Desinformation legte und dass er damit in der Regel auch Erfolg hatte. Hinzukamen die Beschaffung von Informationen und deren Analyse, die allerdings durch die ideologische Brille bewertet werden mussten. So konnte es geschehen, dass der KGB wie die CIA vom rasanten Machtverfall des Schahs im Iran überrascht wurde. Zudem verschlief der KGB den "Seitenwechsel" des Ägyperts Anwar al-Sadats wie auch die Kriegsausbrüche im Nahen Osten.

Angesichts dieser Pannen und Fehleinschätzungen kommt Andrew zu Recht zu dem Urteil, dass der KGB keineswegs der "beste Geheimdienst" der Welt gewesen sei. Schließlich war er allein für die katastrophale Militärintervention in Afghanistan verantwortlich. So bestätigt "Das Schwarzbuch des KGB 2" die Rolle des KGB-Vorsitzenden und Politbüromitglieds Jurij Andropow bei dieser Aggression, der die Informationen für Generalsekretär Leonid Breschnew manipuliert und das Politbüro davon überzeugt hatte, es handele sich um einen leicht zu lösenden Auftrag.

Auseinandersetzung mit China

Ins Visier des KGB geriet auch die Volksrepublik China und stufte sie als "wichtigen Gegner ein". Um die 6.400 Kilometer lange sowjetische Grenze zum "Reich der Mitte" zu sichern, stationierte der Kreml dort ein Drittel seiner Militärmacht. Wie Andrew süffisant bemerkt, empörte man sich in Moskau zutiefst über die "dreisten" Versuche Pekings, sich zur rivalisierenden Macht des Weltkommunismus aufzuschwingen.

Lesenswert sind im "Schwarzbuch des KGB 2" die Schilderungen der Aktionen in der VR China vor und während der "Kulturrevolution". So genehmigte das Politbüro dem KGB, in der "Uigurischen Autonomen Region Sinkiang" einen Separatisten-Aufstand vorzubereiten. Die vom KGB finanzierte Zeitung "Stimme Ostturkestans" rief die Uiguren auf, "sich gegen den chinesischen Chauvinismus zusammenzuschließen" und einen "unabhängigen freien Staates" auszurufen. Dieser Nadelstich ging auf den sowjetisch-chinesischen Grenzkonflikt im Jahr 1969 zurück. Seitdem führte der KGB einen psychologischen Krieg gegen China. Dazu gehörte auch das Gerücht, wonach die UdSSR einen Präventivanschlag gegen die chinesischen Nuklearanlagen vorbereite. Die unmittelbare Folge dieser Aktion war die Annährung Pekings an die USA unter Präsident Richard Nixon.

Eine hervorragende Ergänzung zum "Schwarzbuch des KGB 2" ist die Studie des langjährigen Sowjet-union-Experten der CIA, Milt Bearden, die er zusammen mit dem zweifachen Pulitzer-Preisträger James Risen vorgelegt hat. Besonders lesenswert und informativ ist die Darstellung der Auseinandersetzung zwischen CIA und KGB zurzeit des Afghanistan-Krieges. Allerdings sind die beiden amerikanischen Autoren weniger ambitioniert als Mitrochin und verzichten richtigerweise darauf, den Geheimdiensten die entscheidende Rolle in der Politik zuzuschreiben.

Uneingeschränkt zustimmen kann man dem Fazit beider Bücher: Obwohl der KGB in den Ländern der Dritten Welt eine Reihe taktischer Siege verbuchen konnte, gelang ihm nie ein strategischer Sieg gegenüber den USA. Letztlich gelang es dem KGB in seinem eigenen Reich nicht einmal mehr, den Zerfall der Sowjetunion zu verhindern.

Christopher Andrew / Wassili Mitrochin: Das Schwarzbuch des KGB 2. Moskaus Geheimoperationen im Kalten Krieg. Propyläen Verlag, Berlin 2006; 878 S., 26 Euro.

Milt Bearden / James Risen: Der Hauptfeind. CIA und KGB in den letzten Tagen des Kalten Krieges. Siedler Verlag, München 2004; 669 S., 28 Euro.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.