Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 30 - 31 / 24.07.2006
Annette Sach

Kunstwerken ein Gesicht geben

Fotografien von Jens Liebchen
Die Dame steht Kopf. Verkehrt gehängt sind die Werke „Friedrichs Frau am Abgrund“ und „Friedrichs Melancholie“ am Südportal des Reichstagsgebäudes garantiert nicht. Denn der Künstler Georg Baselitz pflegt seine Motive seit den 60er-Jahren grundsätzlich auf den Kopf zu stellen. Zudem hat er die Hängung seiner Werke selbst beaufsichtigt.

Der Fotokünstler Jens Liebchen hat ihn dabei mit der Kamera beobachtet – wie auch viele andere Künstler, die im Rahmen des Kunst-am-Bau-Projekts mit ihren Arbeiten im Reichtstagsgebäude und in den anderen Parlamentsgebäuden vertreten sind. Neben einer Gesamtschau namhafter deutscher Künstler entstand so eine ganz eigene Werkschau von Künstlerporträts – ein Querschnitt durch die aktuelle deutsche Kunstszene von renommierten Stars bis hin zu neuen noch eher unbekannten Talenten. Liebchen hat seine Künstler – darunter Gerhard Richter, Sigmar Polke, Jenny Holzer, Neo Rauch oder auch Sasha Bruskin – sowohl bei der Realisation als auch bei der Installation ihrer archtikturbezogenen Werke begleitet. Und er gibt den Objekten im Spannungsfeld von Kunst und Politik durch die Anwesenheit ihrer Macher ein anderes Gesicht. Denn die Assoziation des Betrachters beschränkt sich nicht allein auf das Kunstwerk, sondern bezieht die Persönlichkeit des Künstlers mit ein. Nicht umsonst hat Liebchen ein Studium der Ethnologie absolviert, was bei der Künstlerbetrachtung durchaus von Vorteil sein durfte. Unter dem Titel „Künstler und ihre Werke in den Bauten des Deutschen Bundestages“ sind seine Arbeiten noch bis 3. September im Kunstraum des Bundestages im Marie-Elisabeth-Lüders Haus zu sehen.

Seit dem Umzug des Bundestages nach Berlin hat  der 36-jährige Liebchen den „Kunstraum Parlamentsgebäude“ mit seiner Kamera begleitet. Bereits Mitte der 90-er Jahre hatte der Kunstbeirat des Bundestags beschlossen, den Reichstag und die Parlamentsgebäude mit Werken renommierter deutscher Künstler auszugestalten. Statt lediglich bereits vorhandene Werke zu kaufen, konnten die Künstler ihre eigenen Vorstellungen mit den jeweiligen Räumen verbinden. Entstanden ist so ein Zusammenspiel von Kunst und Politik, die in dieser Form einzigartig ist und schon daher Liebchens Ausstellung nicht allein für Kunstfreunde sehenswert macht.  


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.