Das Parlament
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Das Parlament
Nr. 34 - 35 / 21.08.2006
Jürgen Kuri

Noch sind nicht alle Verbraucher ausgerüstet

Milliardenmarkt für Schutzsoftware

Die Zeiten sind günstig, sich auf Sicherheitssoftware zu spezialisieren. Der Markt ist groß, er reicht von besonderen Lösungen für Unternehmensnetze und geheimhaltungsrelevante Regierungssysteme über Verschlüsselungsanwendungen bis hin zum Softwarepaket, das dem Endverbraucher Rundum-Sorglos-Schutz für seinen heimischen Rechner verspricht. An die 50 Milliarden US-Dollar Umsatz jährlich wird der IT-Sicherheitsindustrie weltweit für die kommenden Geschäfte prognostiziert.

Ein großes Stück vom Kuchen schneiden sich die Hardware-Hersteller ab: Bekannte Namen aus der Netzwerkwelt, aber auch Spezialisten für Komplettlösungen wie SurfControl oder Internet Security Systems dürfen künftig auf jährliche Steigerungsraten von 10 bis 20 Prozent hoffen. 2005 legte beispielsweise der Markt für so genannte Security Appliances, also spezialisierte Hardware-Komplettlösungen für die Absicherung von Firmennetzen, und zugehörige Software um 15 Prozent zu und erreichte 4,3 Milliarden US-Dollar. Angeführt wurde er vom Netzausrüster Cisco, gefolgt vom Zweitplatzierten Juniper, ebenfalls Hersteller von Netzwerkequipment.

Aber auch reine Softwarehersteller und Dienstleis- ter, die Unternehmen Einrichtung und Verwaltung von Sicherungssystemen aus einer Hand anbieten, sind mit deutlich zweistelligen Umsatzsteigerungen dabei. Während Hersteller von IT-Sicherheitshardware und Firmenlösungen von den normalen Anwendern meist recht unbemerkt ihre Geschäfte machen, stehen die Anbieter von Antiviren-Software im Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit: Immer neue Massenepidemien von Viren, Würmern, trojanischen Pferden und wie die digitalen Schädlinge alle heißen, rücken Schutzsoftware ins Interesse einer breiten Anwenderschicht.

Vier Milliarden US-Dollar haben beispielsweise die Hersteller von Antiviren-Software im vergangenen Jahr umgesetzt. Das entspricht einem Zuwachs von 13,6 Prozent gegenüber 2004. Den Markt für Antivrus-Software teilen sich derzeit im Wesentlichen drei Unternehmen: Auf Symantec, McAfee und Trend Micro entfallen 86 Prozent aller Umsätze. Symantec hat im Jahr 2005 allein 4,14 Milliarden US-Dollar umgesetzt und einen Nettogewinn von 157 Millionen US-Dollar ausgewiesen.

Das Geschäft ist aber bei weitem nicht ausgereizt. Schätzungen gehen davon aus, dass trotz Warnungen lediglich 50 Prozent aller Anwender, die zu Hause einen Computer mit Internetzugang nutzen, auch eine Antiviren-Software installiert haben. Es gibt also noch einige Möglichkeiten für die Anbieter, ihre Umsätze in die Höhe zu treiben - und das auch bei den Unternehmen. Denn selbst bei den Profis, die es besser wissen müssten, sind Schutzmaßnahmen für die Firmennetze beileibe nicht immer selbstverständlich. Dies zeigt sich regelmäßig dann, wenn eine neue Epidemie digitaler Schädlinge auch die Rechner in Unternehmen befällt oder Cyberkriminellen der Klau vertraulicher Daten gelingt.

Die Prognosen für die IT-Sicherheitsindustrie scheinen also gut, doch der Markt befindet sich im Umbruch: Die Strategien der Cyberkriminellen ändern sich und der Eintritt von Microsoft in den Sicherheitsmarkt mischt die Karten neu. Die Schreiber von Viren und Würmern professionalisieren sich; sie gehen immer mehr dazu über, Schädlinge gezielt gegen einzelne Firmen zu entwickeln; sei es, um Geld erpressen zu können, sei es, um Industriespionage zu betreiben. Auch die heimliche Verseuchung von unzähligen ans Internet angeschlossenen Systemen mit trojanischen Pferden, die den Cyberkriminellen via so genannter Botnetze koordinierte Attacken auf Firmennetze ermöglichen, stellen die IT-Sicherheitsindustrie vor neue Herausforderungen. Nur wer mit seinen Lösungen auch individuell auf sehr gezielt entwickelte Bedrohungen reagieren kann, wird sich in Zukunft Hoffnung auf gute Geschäfte mit den IT-Spezialisten der Unternehmen machen können.

Noch gar nicht in letzter Konsequenz absehbar sind die Auswirkungen, die der Auftritt eines neuen Mitspielers im Markt für Sicherheitssoftware mit sich bringt. Microsoft hat vor einigen Wochen mit OneCare ein eigenes Antiviren-Paket speziell für Endverbraucher auf den Markt gebracht, vorerst noch nur in den USA. Kurz darauf folgte die Ankündigung von Antigen, einem Sicherheitspaket für den Einsatz in Unternehmen, und schließlich die Zusammenfassung der Schutzlösungen für Firmen unter dem Label "Forefront". Symantec und McAfee reagierten prompt und kündigten eigene Produkte an, die Microsofts Offerten Paroli bieten sollen. Selbst die EU wurde schon aufmerksam: Die zuständige EU-Kommissarin Neelie Kroes drohte bereits mit einem erneuten Wettbewerbsverfahren gegen Microsoft, sollte der Konzern beispielsweise Software zum Schutz vor Viren oder Spyware mit der für 2007 angekündigten neuen Windows-Version Vista bündeln.

Bislang geben sich die Konkurrenten von Microsoft noch gelassen. "Alle Antivirus-Unternehmen werden den Einstieg von Microsoft zweifelsohne fühlen", meint zwar Eugene Kaspersky, Chef des Antiviren-Herstellers Kaspersky Labs. Aber Unternehmen, die eine breite Produktpalette anböten und deren Softwarebasis qualitativ hochwertig sei, würden von negativen Auswirkungen weitgehend verschont bleiben. Die bislang gewohnten hohen Margen für die Hersteller werden aber durch den massiven Wettbewerbsdruck, den Microsoft auslöst, der Vergangenheit angehören. Und im Markt für den Schutz der Systeme von Privatanwendern werden langfristig nur die Firmen überleben, die Antiviren-Spam- und Phishing-Schutz zusammen mit Personal Firewalls aus einer Hand anbieten können.

Der Autor ist stellvertretender Chefredakteur des Computermagazins c't in Hannover.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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