Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 38 / 18.09.2006
Kirsten Burckschat

Immer weniger gehen hin

Kommunalwahlen in Niedersachsen
Die Kommunalwahlen vom 10. September haben in Niedersachsen keine großen Überraschungen hervorgebracht. Die politischen Kräfteverhältnisse sind im Vergleich zur Kommunalwahl 2001 weitgehend gleich geblieben. Nach Auszählung der Stimmen aller Kreise und kreisfreien Städte erhielten die CDU 41,3 Prozent (-1,3), die SPD 36,6 (-2,0), Bündnis 90/Die Grünen 7,8 (+1,1), die FDP 6,7 (+0,5) und die sonstigen Parteien 7,6 (+5,9). Die Wahlbeteiligung lag bei 51,8 Prozent und sank damit auf einen neuen Tiefstand. Bei den Kommunalwahlen 2001 waren noch 56,2 Prozent der Wahlberechtigten zur Wahl gegangen.

Alle im Landtag vertretenen Parteien werteten die Wahl als Erfolg. Die CDU sieht sich nach den Worten von Generalsekretär Ulf Thiele als "Niedersachsenpartei" bestätigt. Trotz leichter Verluste und trotz der bundespolitischen Vorgaben sei sie als stärkste kommunalpolitische Kraft aus der Wahl hervorgegangen, sagte er. Der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion Wolfgang Jüttner deutete die Wahl anders: "Man sieht, dass Niedersachsen ein eher sozialdemokratisches Land ist." Die SPD habe zwar gegenüber der letzten Kommunalwahl Stimmen verloren, im Vergleich zur Landtagswahl aber wieder deutlich aufgeholt. Sie befinde sich in einer Konsolidierungsphase. "Wir sind der CDU im Nacken und können mit Blick auf die Landtagswahlen 2008 jetzt zum Angriff übergehen", so Jüttner.

Die Ergebnisse von CDU und SPD auf kommunaler Ebene zeigen, dass die CDU eher in der Fläche stark war. Sie konnte vor allem in ländlichen Gebieten und in ihren traditionellen Hochburgen im Norden und Westen des Landes punkten, wie im Emsland, dem Oldenburger Münsterland, Ammerland, Cloppenburg, Vechta, Rotenburg oder Stade. Die SPD dominierte hingegen im Süden und Osten Niedersachsens, im Harz, in Gifhorn, Peine und Schaumburg. Und sie lag in den meisten großen Städten vorne, wenngleich auch nicht überall so klar wie in der Landeshauptstadt Hannover. Hier ließ der SPD-Oberbürgermeisterkandidat Stephan Weil seinen Herausforderer Dirk Toepffer von der CDU mit 17,5 Prozentpunkten weit hinter sich. Braunschweig ist die einzige größere Stadt, in der sich mit Gert Hoffmann ein CDU-Bürgermeister auf Anhieb klar durchsetzen konnte.

In acht weiteren Städten und drei Landkreisen gab es keine eindeutigen Sieger im ersten Wahlgang. Sie werden bei der Stichwahl am 24. September ermittelt. Dabei wird in Osnabrück ein Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen CDU und SPD erwartet. Spannend wird es auch in Oldenburg. Denn dort haben die Grünen ein zweistelliges Ergebnis erzielt und stehen in der Streitfrage um den Bau eines Einkaufszentrums sachlich auf Seiten der CDU. Sie müssen sich nun entscheiden, ob sie den CDU-Kandidaten bei der Stichwahl mit einer Wahlempfehlung unterstützen. Auf Landesebene ist man in beiden Parteien bemüht, diese mögliche Schützenhilfe als kommunalen Einzelfall darzustellen, aus dem keine landespolitischen Schlussfolgerungen gezogen werden können. Eine Zusammenarbeit mit den Grünen vor Ort stelle das gute Verhältnis mit der FDP in anderen Orten und auf Landesebene nicht in Frage, betonte Thiele.

Auch für die Grünen gibt es "überhaupt keinen Anlass, schwarz-grüne Koalitionsdebatten zu führen oder sich für die CDU herauszuputzen", erklärte der Landesvorsitzende der Grünen, Raimund Nowak: "Wir wollen uns nicht an andere Parteien anpassen, sondern uns selbst profilieren." Entsprechend selbstbewusst präsentierten sich die Grünen nach der Wahl als drittstärkste Partei. Sie konnten insgesamt den größten Stimmenzuwachs vermelden. Das ehrgeizig formulierte Ziel, zweistellig zu werden oder gar einen Oberbürgermeister zu stellen, habe man aber eindeutig verfehlt, räumte Nowak ein. In Göttingen hatte der Fraktionschef der Grünen im Landtag, Stefan Wenzel, für das Oberbürgermeisteramt kandidiert. Mit einem Stimmenanteil von 19,9 Prozent konnte er am Ende aber nur einen Achtungserfolg erzielen.

FDP-Fraktionschef Philipp Rösler zog ebenfalls eine positive Bilanz für seine Partei. Das Wahlergebnis sei das beste seit 30 Jahren, sagte er. Außerdem seien die Liberalen stolz, in Harburg erstmals einen Landrat zu stellen. Insgesamt schaffte es die FDP jedoch nicht, dritte Kraft im Land zu werden. Die Gründe dafür sieht Rösler in dem Erstarken von freien Wählervereinigungen, die bei der Kommunalwahl vom System des Panaschierens und Kumulierens profitierten.

Ratlos gaben sich die Partei- und Fraktionsvorsitzenden angesichts der sehr geringen Wahlbeteiligung. Rösler sieht die Ursache dafür in der Unzufriedenheit der Bürger mit der Großen Koalition in Berlin. Grünen-Chef Nowak vermisst dagegen schillernde Persönlichkeiten in der Kommunalpolitik. Und in der CDU glaubt man, dass kommunale Themen nicht genügend polarisieren. Eine weitere Ursache sieht Generalsekretär Thiele in der Politik der Zentralisierung. Sie habe zu einer Schwächung der Kommunen geführt. Man müsse den Kommunen wieder Gestaltungsmöglichkeiten zurückgeben, damit sie interessantere Politik machen könnten, sagte er. Der SPD-Vorsitzende Garrelt Duin schließlich setzt auf mehr Bürgerbeteiligung. Seine Partei empfiehlt, künftig öfter Großprojekte zur Diskussion zu stellen, Volksbefragungen durchzuführen und Bürger sogar in die kommunalen Finanzplanungen einzubeziehen.

Die schlechte Wahlbeteiligung in Niedersachsen wird CDU und SPD wohl schon am kommenden Sonntag erneut Sorge bereiten, da zu Stichwahlen erfahrungsgemäß noch weniger Wähler erscheinen. Deshalb wollen die großen Parteien in dieser Woche noch einmal mit aller Kraft und mit Hilfe von Prominenz aus Berlin für ihre Landrats- und Bürgermeisterkandidaten werben.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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