Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 38 / 18.09.2006
Karl-Otto Sattler

DocMorris muss vorerst schließen

Billig-Pharmazie im Saarland

Vorläufig wieder schließen muss der preisgünstige holländische Arzneiversandhändler DocMorris seine erste Filiale in Saarbrücken. Eine entsprechende Eilentscheidung traf jetzt das Verwaltungsgericht Saarlouis und gab damit der Klage mehrerer Apotheker statt. Im Kern ist der juristische Streit noch nicht entschieden: Das Hauptverfahren dreht sich um die Frage, ob sich DocMorris und der saarländische CDU-Gesundheitsminister Josef Hecken als Genehmigungsinstanz auf das EU-Recht mit seiner Garantie der Niederlassungsfreiheit berufen können oder ob das deutsche Recht Vorrang hat. Nach den hiesigen Gesetzen kann nur ein ausgebildeter Apotheker eine Pharmazie besitzen und betreiben und nicht eine Kapitalgesellschaft wie DocMorris. Auch darf ein Apotheker nicht mehr als vier Geschäfte sein Eigen nennen. Zukunft einer ganzen Branche Die Begründung der Richter für ihre Eilentscheidung: Die Einbußen, die bis zum Abschluss des Hauptverfahrens DocMorris als finanzstarkem Unternehmen durch die vorläufige Schließung der Dependance entstehen, seien geringer zu gewichten als die nach deutschem Recht untersagten Wettbewerbsnachteile, mit denen eingesessene Apotheken wegen der neuen Konkurrenz zu kämpfen hätten. Minister Hecken und DocMorris kündigten Beschwerde gegen das Saarlouiser Urteil an, worüber das Oberverwaltungsgericht zu befinden hat. Die Bundesvereinigung der Deutschen Apothekerverbände begrüßte die Entscheidung von Saarlouis als "wichtigen Etappensieg". Im August hatten Hecken und DocMorris vor dem Saarbrücker Landgericht noch gewonnen, das den Eilantrag auf Schließung der Filiale der holländischen Gesellschaft verwarf. Beim Streit im Saarland geht es um die Zukunft der gesamten deutschen Pharmaziebranche. Hecken, eine Reihe von Bundespolitikern sowie die Krankenkassen erhoffen sich von der Zulassung billiger Konkurrenten wie etwa DocMorris, die auf Medikamentenpreise diverse Rabatte gewähren, mehr Wettbewerb auf dem Arzneimittelmarkt und so Milliardeneinsparungen für Kassen und Patienten. Die Saar-SPD forderte nach dem Urteil von Saarlouis Hecken auf, eine Änderung des deutschen Apothekenrechts auf parlamentarischem Weg hierzulande und nicht über die EU zu betreiben. Das Vorgehen des Saarbrücker CDU-Ministers stößt auch bei der baden-württembergischen Regierung auf Kritik.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.