Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 39 / 25.09.2006
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Arbeitszeitregelung auf der Kippe

Klinikärzte

Gesundheit. Die Krankenhäuser sehen die fristgerechte Umsetzung der neuen Arbeitszeitregelung für Ärzte zum 1. Januar 2007 massiv in Gefahr. Als einen Grund führten die Krankenhausverbände in einer öffentlichen Anhörung des Gesundheitsausschusses am 20. September unter anderem Finanzierungsprobleme an. Sie unterstützten deshalb genauso wie die Bundesärztekammer und der Marburger Bund einen Antrag der FDP-Fraktion (16/670), wonach die bis 2009 vorgesehenen Mittel zur Verbesserung der Arbeitszeitbedingungen in Krankenhäusern bereits in diesem Jahr abgerufen werden können. Dabei handelt es sich um 300 Millionen Euro. Der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser unterstrich, dies wäre zumindest "ein Tropfen auf den heißen Stein". Trotz Nachfragen aus allen Fraktionen konnten die Verbände jedoch nicht sagen, wie hoch der finanzielle Bedarf für die Umsetzung der Arbeitszeitregelung insgesamt sei. Die jüngsten Tarifabschlüsse würden die Kosten allerdings in die Höhe treiben.

Den höchsten Ansatz machte die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG): bis Ende dieses Jahres müssten die Kliniken Kostensteigerungen von 1,5 Milliarden Euro hinnehmen. Mit den bislang vorgesehenen jährlich 100 Millionen Euro von 2003 bis 2009 könne laut DKG "ein halber Arzt pro Krankenhaus" finanziert werden. Die gesetzlich geforderte Verbesserung der Arbeitszeitbedingungen der Klinikärzte sei damit nicht zu bewerkstelligen.

Gestützt sehen sich die Krankenhausverbände durch das neue, bisher unveröffentlichte "Krankenhaus Barometer". Darin kommt das Deutsche Krankenhaus-Institut (DKI) zu dem Ergebnis, dass Mitte 2006 40,2 Prozent der Krankenhäuser neue Arbeitszeitmodelle eingeführt haben. Im Vergleich zum Vorjahr sei dies nur eine Steigerung um drei Prozentpunkte. Allerdings führten den DKI-Angaben zufolge bisher lediglich 23 Prozent der Krankenhäuser gesetzeskonforme Arbeitszeitmodelle in allen Fachabteilungen ein. Bei weiteren 32 Prozent seien neue Arbeitszeitmodelle in Planung, 18,9 Prozent hätten noch keine konkreten Planungen zur Umsetzung des Arbeitszeitgesetzes. Keine Angaben machten 8,9 Prozent der Krankenhäuser. Laut "Krankenhaus Barometer" ist die mangelnde Umsetzung neuer Arbeitszeitmodelle auch auf die mangelnde Akzeptanz der betroffenen Ärzte zurückzuführen. Zudem hätten viele Kliniken Probleme, den Mehrbedarf an Ärzten zu decken. Gut 28 Prozent der Kliniken gaben in der DKI-Studie an, derzeit offene Stellen nicht besetzen zu können.

Zu ganz anderen Schlussfolgerungen kamen der Verband der Angestellten-Krankenkassen und der Arbeiter-Ersatzkassen-Verband. Es sei nicht gewährleistet, dass die Gelder zur Verbesserung der Arbeitszeitbedingungen eingesetzt würden, betonten die Krankenkassen-Spitzenverbände. Nach ihren Erfahrungen hätte nur ein Viertel der Kliniken die bislang vergebenen Gelder zu Recht bekommen. Zur Überprüfung, ob die Gelder bestimmungsgemäß verwendet werden, müssten die Kliniken verpflichtet werden, wirksame Nachweise wie Dienstpläne und Stellenschlüssel beizubringen. Außerdem sei es notwendig, die Kontrollen zu erhöhen. Dieser Forderung schloss sich auch die Dienstsleistungsgewerkschaft ver.di an, die die Aufsichtsbehörden der Länder in der Pflicht sieht.

Ursprünglich sollte die Anpassung des Arbeitszeitgesetzes gemäß der EU-Arbeitszeitrichtlinie bereits zum 1. Januar 2004 erfolgen. Nach mehrmaligem Verschieben endet die Umsetzungsfrist nun zum 31. Dezember 2006.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
© Deutscher Bundestag und Bundeszentrale für politische Bildung, 2006.