Das Parlament
Mit der Beilage aus Politik und Zeitgeschehen

Das Parlament
Nr. 39 / 25.09.2006
Alexander Weinlein

Marsch in die historische Mission

Bundeswehr richtet sich auf mehrjährigen Einsatz im Libanon ein
Acht Kriegsschiffe der Bundeswehr mit einer Besatzungstärke von über 1.000 Soldaten sind auf dem Weg in Richtung Libanon. Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) verabschiedete am 21. September den aus zwei Fregatten, zwei Versorgungsschiffen und vier Schnellboten bestehenden Marineverband. Ende dieser Woche wird er sein Einsatzgebiet vor der Küste des Libanons erreichen, um dort Waffenlieferungen über See an die Hisbollah im Libanon zu unterbinden - notfalls mit Gewalt. Einen Tag zuvor hatte der Bundestag die Beteilgung an der UN-Mission im Libanon (UNIFIL) beschlossen.

Das Ergebnis der Abstimmung über die Beteiligung Deutschlands an der UNIFIL-Mission war eindeutig: In der namentlichen Abstimmung stimmten 442 Bundestagsabgeordnete für den Einsatz, 152 votierten mit Nein und fünf Parlamentarier enthielten sich der Stimme. Gegen den Einsatz stimmte geschlossen die Linksfraktion, die Mehrheit der FDP-Fraktion - acht Liberale stimmten mit Ja - sowie zwölf Abgeordnete der Union, 32 der SPD und sechs Parlamentarier der Grünen.

Im Zentrum der vorangegangenen Debatte standen vor allem zwei Fragen. Ist die besondere Verantwortung, die Deutschland wegen seiner Geschichte für Israel und dessen Existenzrecht empfindet, ein Argument für oder gegen ein militärisches Engagement in der Krisenregion? Und kann Deutschland vor diesem Hintergrund im Konflikt zwischen Israel, dem Libanon und der Hisbollah jene Neutralität wahren, auf die sich die UNO bei ihren Einsätzen beruft?

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte vor dem Plenum noch einmal die "historische Dimension" des Bundeswehreinsatzes und warb eindringlich um eine breite Zustimmung: Die militärische Umsetzung der UN-Resolutuon 1701, mit der die Waffenruhe zwischen der Hisbollah und Israel und die volle Souveränität des Libanon gewährleistet werden soll, sei "zwingend notwendig".

Merkel verwies darauf, dass die deutsche Beteiligung sowohl von der libanesischen als auch von der israelischen Regierung ausdrücklich begrüßt worden sei. Die entsprechende Bitte des israelischen Ministerpräsidenten Olmert sei zwar nicht allein das relevante Kriterium, aber ein "in seiner Bedeutung nicht hoch genug zu bewertendes Zeichen des Vertrauens in Deutschland, in das Land, in dessen Namen vor 73 Jahren die Vernichtung der Juden und kurze Zeit später der Zweite Weltkrieg begannen". Die Bundeskanzlerin fügte hinzu: "Ja, wir sind nicht neutral und wir wollen auch gar nicht neutral sein. Deutschlands Außen- und Sicherheitspolitik seit 1949 war nie neutral. Sie war, ist und bleibt wertegebunden. Wertegebunden ist das Gegenteil von Neutralität."

Auch der FDP-Partei- und Fraktionsvorsitzende Guido Westerwelle betonte, dass das Existenzrecht Israels und seine Sicherheit für die deutsche Außenpolitik konstitutiv sei. Eine Neutralität gegenüber Israel könne es nicht geben. Aber: "Genau diese Neutralität, eben im Konfliktfalle nicht Partei zu ergreifen, wird von deutschen Soldaten verlangt, wenn sie als Teil der Vereinten Nationen an diesem Einsatz teilnehmen." Westerwelle verteidigte die Entscheidung seiner Fraktion, mehrheitlich gegen die Beteiligung Deutschlands an der UNIFIL-Mission zu stimmen. Es sei "nicht ehrenrührig, Zweifel an der Richtigkeit dieses Einsatzes zu haben". Zweifel hegen die Liberalen auch an den konkreten Bedingungen, unter denen die deutschen Soldaten ihren Auftrag erfüllen sollen: "Wir sollen den Waffenschmuggel aufspüren, aber die Waffen nicht konfiszieren", kritisierte Westerwelle. "Die Marine darf nicht beschlagnahmen, was sie finden soll."

Diese Regelung findet sich zwar nicht im Antrag der Bundesregierung, ist aber in den so genannten "rules of engagement" festgelegt. Diese Einsatzregeln, auf die sich die am UNIFIL-Einsatz beteiligten Nationen geeinigt haben, sind als vertraulich eingestuft, konnten aber von den Abgeordneten in der Geheimschutzstelle des Bundestages eingesehen werden. Demnach sollen Schiffe innerhalb der libanesischen Hoheitsgewässer, auf denen geschmuggelte Waffen gefunden werden, in einen libanesischen Hafen eskortiert und den libanesischen Behörden übergeben werden. Dies bestätigte eine Sprecher der Marine gegenüber "Das Parlament".

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Gert Weisskirchen, hielt Westerwelle entgegen, die FDP entziehe sich ihrer Verantwortung. Wenn die Liberalen einerseits dem Völkerrecht Geltung verschaffen wollten, dann müssten sie auch die Kraft aufbringen, die militärischen Mittel einzusetzen, um die UN-Resolution 1701 umzusetzen.

Wie in allen Debatten über Auslandseinsätze der Bundeswehr, beharrte die Linksfraktion auch diesmal auf ihrem prinzipiellen Nein gegenüber einem militärischen Engagement. Lothar Bisky warf der Bundesregierung vor, sie setze in der Außenpolitik zunehmend auf militärische Optionen. Bei den Bürgern setze sich der Eindruck fest: "Wenn die Politik Konflikte scheinbar nicht mehr lösen kann, werden Truppen in Marsch gesetzt." Mit Blick auf den UNIFIL-Einsatz der Bundeswehr sagte Bisky: "Wenn wir uns militärisch exponieren, sind wir Teil des Problems und gefährden unsere Rolle als Mittler zwischen Israel und der arabischen Welt."

Diese Haltung brachte der Linksfraktion heftige Kritik von Seiten der Grünen ein. Links zu sein, bedeute, "sich international für den Frieden zu engagieren", argumentierte Jürgen Trittin. Er verwies auf das Beispiel der Mitte-Links-Regierung in Italien, die mit Unterstützung der Kommunisten 3.000 Soldaten für die UNIFIL bereitstellte. Es sei auch nicht angebracht, militärische und politische Lösungen ständig gegeneinander zu stellen: "Es gibt keine Friedenslösung und keine Verhandlungslösung, wenn man diesen fragilen Waffenstillstand nicht absichert."

Die Libanon-Mission der Vereinten Nationen, an der sich Deutschland mit bis zu 2.400 Soldaten beteiligen wird, ist zunächst bis zum 31. August 2007 begrenzt. Insgesamt sollen 15.000 UNIFIL-Soldaten im Südlibanon und vor der Küste stationiert werden. Doch schon jetzt zeichnet sich ab, dass die UNIFIL wohl auf Jahre in der Region stationiert bleiben muss, um einem Friedensprozess eine realistische Chance zu geben. Sowohl Vertreter der Bundesregierung wie der Koalitionsfraktionen haben dementsprechend schon jetzt ihre Bereitschaft signalisiert, das Mandat für die Bundeswehr im kommenden Jahr zu verlängern.


Ausdruck aus dem Internet-Angebot der Zeitschrift "Das Parlament" mit der Beilage "Aus Politik und Zeitgeschichte"
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