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15. Wahlperiode
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   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * * * *

   29. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 21. Februar 2003

   Beginn: 9.15 Uhr

   29. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 21. Februar 2003

   Beginn: 9.15 Uhr

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 8 a und 8 b auf:

8. a) Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen
(Steuervergünstigungsabbaugesetz - StVergAbG)

- Drucksache 15/119 -

(Erste Beratung 12. Sitzung)

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen und Ausnahmeregelungen
(Steuervergünstigungsabbaugesetz - StVergAbG)

- Drucksachen 15/287, 15/312 -

(Erste Beratung 19. Sitzung)

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)
- Drucksachen 15/480, 15/481 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Schultz (Everswinkel)
Dr. Michael Meister
Kerstin Andreae
Dr. Andreas Pinkwart

bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
gemäß § 96 der Geschäftsordnung
- Drucksache 15/487 -
Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Dr. Andreas Pinkwart, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Eigenheimerwerb nicht erschweren - weitere Belastungen für Beschäftigte und Betriebe der Bauwirtschaft und für Familien vermeiden

- Drucksachen 15/33, 15/480, 15/481 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Schultz (Everswinkel)
Dr. Michael Meister
Kerstin Andreae
Dr. Andreas Pinkwart

   Zu den Gesetzentwürfen liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU und der Fraktion der FDP vor. Über die Gesetzentwürfe stimmen wir später in einer namentlichen Abstimmung ab.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesminister Hans Eichel das Wort.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

   Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einer wirtschaftlichen Schwächephase, in der wir uns ohne Zweifel befinden,

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Erhöhen wir die Steuern!)

brauchen wir eine Politik der Verlässlichkeit und eine Politik der Wachstumsförderung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen als ein zwingender, aber natürlich nicht zureichender Bestandteil. Das heißt, auch hier muss finanzpolitisch Kurs gehalten werden. Denn das einfache Ausweichen in zusätzliche Schulden durch eigene Entscheidung - man kann das übrigens zurzeit in den Vereinigten Staaten beobachten; die Wirtschaftswissenschaftler üben daran Kritik - heißt nichts anderes, als die zukünftigen Spielräume, die wir uns in den letzten Jahren erarbeitet haben, wieder zu verengen.

   Deswegen haben wir für dieses Jahr eine Haushaltskonzeption auf den Tisch gelegt, die dazu führt, dass wir unter der Voraussetzung - ich nenne ausdrücklich die Bedingungen; diese waren stets klar, werden aber immer wieder unterschlagen -, dass wir in diesem Jahr ein Wirtschaftswachstum von 1 Prozent haben,

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das werden wir nicht haben!)

die Kriterien des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes gerade noch einhalten können.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Denken Sie an gestern! Versprechen Sie nicht zu viel! - Elke Wülfing (CDU/CSU): Auch ich wäre da vorsichtig!)

Das sollten wir alle anstreben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zu diesem Zwecke haben wir ein Haushaltskonzept vorgelegt, in dem Einsparungen überwiegend auf der Ausgabenseite vorgesehen sind, und zwar in den Bereichen, in denen es nicht konjunkturschädlich, aber sozial auch nicht einfach ist.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Wir reden hier über Steuern, Herr Minister!)

- Ich komme sofort zu diesem Thema. Aber Sie können sich nicht aus diesem Zusammenhang herausstehlen, sehr verehrte Frau Kollegin. - Keine Zuschüsse an die Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen ist in der Tat ein harter Weg. Aber er muss gegangen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir brauchen zudem den Abbau von Finanzhilfen, von Subventionen. Genau dies tun wir.

   Es ist übrigens eine spannende Veranstaltung, wenn man sich Ihre Praxis ansieht. Als Sie Subventionsberichte vorgelegt haben, waren Sie im Hinblick auf die Definition dessen, was eine Subvention ist, sehr vorsichtig. Umso verschwenderischer sind Sie heute mit den Angaben, welche Finanzmittel man einsparen könne, wenn man Subventionen abbaut. Hätten Sie zu Ihrer Regierungszeit die Subventionen richtig definiert, wären wir einen kleinen Schritt weiter.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Finanzhilfen sinken von 11,4 Milliarden Euro - dies war der Betrag im letzten Jahr Ihrer Regierungszeit - auf 7,8 Milliarden Euro in diesem Jahr, das heißt um mehr als 30 Prozent. Was nicht gekürzt, sondern aufgestockt wird - das ist in dieser Situation richtig -, sind die Investitionen. Das gilt für alle Zukunftsaufgaben.

   Subventionen gibt es nicht nur auf der Ausgabenseite, sondern auch auf der Einnahmeseite. Sie sind im Steuerrecht in großem Maße vorhanden.

Das sind nämlich all die Sonderregelungen, die Lobbygruppen für ihren Bereich durchgesetzt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   So weit - abstrakt - folgen Sie von der Opposition in Ihren Programmen dieser Argumentation. Sie reden die ganze Zeit davon, man müsse alle Sondertatbestände abbauen, man müsse die Basis der Besteuerung ordentlich verbreitern

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das machen Sie doch nicht!)

und anschließend die Steuersätze senken.

(Zurufe von der CDU/CSU: Gleichzeitig!)

Das ist wunderbar. Aber wenn es konkret wird - darüber werden wir gleich reden -, sind Sie jedes Mal nicht dabei, sondern klemmen sich hinter jede Lobbygruppe und verteidigen deren spezielles Privileg im Steuerrecht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir werden die Konsolidierung der Staatsfinanzen nicht alleine über die Ausgabenseite erreichen. Wir brauchen auch eine Stabilisierung und Verbreiterung der Steuerbasis. Das ist übrigens gemeinsame Programmatik aller in diesem Hause vertretenen Parteien. Ich prüfe jetzt bei Ihnen ab, inwieweit Ihnen das Ernst ist.

   Das Gesetz, über das wir heute reden, ist Bestandteil der Haushaltsstrategie, die ich eben geschildert habe und die übrigens für den Gesamtstaat gemacht werden muss. Die Verantwortung dafür, dass wir unsere Verpflichtungen im Rahmen des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes einhalten, haben der Bundestag und der Bundesrat. Der Bund darf übrigens ab dem Jahre 2004 - das ist das Zugeständnis, das ich den Ländern gemacht habe - nur noch 45 Prozent des gesamtstaatlichen Defizits, das dann nach Maastricht noch zulässig ist, haben. Das betrifft den Bundeshaushalt und die sozialen Sicherungssysteme. Damit wissen wir, welche enorme Konsolidierungsaufgabe wir zu leisten haben.

   55 Prozent verbleiben für die Länder. Zu den Ländern gehören verfassungsrechtlich die Gemeinden. Das bedeutet erstens, dass wir eine Mitverantwortung haben, soweit es um Bundesgesetze geht, und zweitens, dass 55 Prozent der Verantwortung für das gesamtstaatliche Defizit bei den Ländern und mit ihnen bei den Kommunen liegen. Das wird sich erweisen müssen, wenn jetzt über dieses Gesetz entschieden wird.

   Meine Damen und Herren, diesem Gesetz liegen vier Prinzipien zugrunde.

   Erstes Prinzip. Wir müssen die Besteuerung, die wir vorschreiben, auch durchsetzen. Es kann nicht wie bei dem sein, was man der Name ist falsch gewählt - die Spekulationsteuer nennt, aber bei der einjährigen Begrenzung, wo wir die Besteuerung nicht durchsetzen können. Vor dem Verfassungsgericht wird die Verfassungswidrigkeit dieser Regelung beklagt, weil 95 Prozent der Betroffenen ihre Gewinne, die sie versteuern müssen, nicht melden.

   Ich sage das Folgende nicht, um einen Streit vom Zaune zu brechen, sondern weil ich darum werbe und weiß, dass wir Mehrheiten im Bundestag und im Bundesrat brauchen und dass sie unterschiedlich gelagert sind: Es geht nicht um den gläsernen Bürger. Es interessiert mich überhaupt nicht, was auf den Konten der Bürger passiert. Es geht auch nicht um die Bundesverwaltung, sondern um Länderverwaltungen. Aber über zwei Dinge sollte doch in diesem Hause Einvernehmen bestehen:

   Zum einen darf nichts strafrechtlich Relevantes auf den Konten passieren,

etwa im Zusammenhang mit Geldwäsche und Drogenhandel. So etwas müssen wir bekämpfen; das kann doch nicht streitig sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben es erst am Ende der vergangenen Wahlperiode geschafft, das wirklich durchzusetzen. So lange hat Deutschland gebraucht, um die internationalen Standards anzuwenden, um Drogenhandel und Geldwäsche im Finanzsystem richtig zu bekämpfen. Ich hatte unter meinen Finanzministerkollegen keinen leichten Stand und musste sagen: Deutscher Föderalismus und anderes stehen dem im Weg.

   Zum anderen müssen wir gemeinsam der Auffassung sein, dass die steuerlich relevanten Tatbestände der Besteuerung auch zugeführt werden müssen. Da ist mir jedes Mittel, wie wir es ganz einfach hinbekommen, recht.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Da ist Ihnen jedes Mittel recht! Das ist wahr!)

Dabei geht es gar nicht darum, dass der Staat auf die Konten gucken soll. Das ist nicht das Thema. Aber schauen Sie sich bitte an, wie das in den Vereinigten Staaten, in Großbritannien, in Frankreich, in Spanien, in Schweden geregelt wird. Warum haben wir dann solche Probleme?

   Ich biete eine konstruktive Debatte darüber an, wie wir es so einfach wie irgend möglich erreichen, dass wir ganz schlicht die steuerbaren Tatbestände wie bei der Lohnsteuer so auch bei der Kapitalertragsteuer erfassen, ohne den gläsernen Bürger zu schaffen. Darauf kommt es an.

   Zweites Prinzip. Unternehmen, die Gewinne machen, sollen auch Steuern zahlen. Sie haben im Wahlkampf einen Punkt zu Recht benannt: die Körperschaftsteuer. Sie haben das meiner Meinung nach aber nicht mit den richtigen Argumenten getan. Wir sind jedoch darauf eingegangen und erwarten jetzt, dass es dazu eine konstruktive Debatte gibt.

   Bei dieser Gelegenheit will ich darauf hinweisen, dass nur in wenigen Ländern dieser Erde Verlustvorträge in der Form vorgenommen werden können, wie das in Deutschland möglich ist. Das ist ein zentraler Punkt, über den wir reden müssen.

   Ein anderer Punkt betrifft die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Organschaft. Es ist völlig in Ordnung, wenn Unternehmen, die wirtschaftlich eng miteinander verbunden sind, die Verluste und Gewinne gegeneinander verrechnen können; denn anderenfalls würden wir sie zwingen, sich in Stammhauskonzerne umzuwandeln. Wir sollten mit dem Steuerrecht nicht die Rechtsform und die Organisationsform der Unternehmen präjudizieren.

(Lachen bei der CDU/CSU)

   Der Weg, den wir in diesem Bereich mit unserer Steuerreform gegangen sind, ist in Ordnung. Nicht in Ordnung dagegen ist, wenn sich Unternehmen, die wirtschaftlich nichts miteinander zu tun haben, durch Gründung von Tochtergesellschaften in die Lage versetzen, Gewinne und Verluste gegeneinander zu verrechnen. Das ist ein zentrales Thema.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zum dritten Prinzip. Wir müssen dafür sorgen, dass der ermäßigte Mehrwertsteuersatz so eingesetzt wird, wie er ursprünglich gemeint war, nämlich um eine soziale Komponente bei der Mehrwertsteuer zu haben. Das trifft auf Grundnahrungsmittel, kulturelle Grundbedürfnisse sowie den öffentlichen Personennah- und künftig auch auf den öffentlichen Personenfernverkehr zu.

   Wenn ich mir Ihren Subventionsbericht ansehe, dann wird deutlich, dass Sie dort Klientelismus betreiben. In Ihrem Subventionsbericht von 1998 ist die Steuervergünstigung bei der Mehrwertsteuer für Zahntechniker als Subvention geführt werden. Ich möchte von Ihnen wissen, wie Sie sich hierzu verhalten: Sie selber haben in Ihrer Regierungszeit den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Zahntechniker im Subventionsbericht als Subvention geführt.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das ist nicht Gegenstand dieses Gesetzes!)

   Wenn Sie dem jetzt nicht nachkommen, dann kann ich Ihnen voraussagen, wie die Diskussion um die Reform im Gesundheitswesen laufen wird - sie ist schon im Gange; Sie sind schon auf den Leim gegangen -: Dadurch, dass der einen Gruppe der ermäßigte Mehrwertsteuersatz zugestanden wird - die Zahntechniker sind die Einzigen im Gesundheitswesen -, wird die Tür natürlich weiter aufgemacht und alle anderen Gruppen im Gesundheitswesen wollen das Gleiche für sich beanspruchen. Ich habe schon gelesen, dass Sie im Kampf mit der Pharmaindustrie und den Apothekern nachgeben wollen - das ist ganz einfach - und auch Medikamente in den ermäßigten Mehrwertsteuersatz lassen wollen. So werden Sie eine Reform der Sozialsysteme, eine Begrenzung der Lohnnebenkosten und eine Senkung der Steuer- und Abgabenlast nie hinbekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn es müssen in den Systemen die Rationalisierungs- und Effizienzreserven gehoben werden und es darf nicht zusätzliches Geld in das System hineingesteckt werden. Wenn wir das machen, dann haben wir diese Auseinandersetzung bereits verloren. Wenn Sie diesen Weg gehen, dann reden Sie bitte nicht mehr von einer Finanzpolitik, die wachstumsfördernd ist und die strukturelle Defizite abbauen wird.

   Ich komme nun auf bestehende Gemeinsamkeiten zurück. Es gibt aber eine gemeinsame Position aus Ihrer Regierungszeit und aus unserer. Sie sind auf die Probe gestellt, ob Sie auch jetzt noch zu ihr stehen und sie durchhalten.

   Viertes und letztes Prinzip. Es geht um den Abbau von Steuervergünstigungen. Die Sache ist ganz einfach: Jeder, der den Normalsatz bezahlt, bezahlt diese mit. Die größte Vergünstigung - damit bin ich wieder beim Thema Subvention - ist die Eigenheimzulage. Diese steht im Subventionsbericht der Bundesregierung von 1998.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Erklären Sie doch einmal, wie sie da reingekommen ist!)

Nun machen Sie, da Sie die ganze Zeit sagen, Subventionsabbau sei die Lösung, doch Ernst damit. Führen Sie diesen doch wenigstens in den Bereichen durch, die Sie selber als Subvention definiert haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Elke Wülfing (CDU/CSU): Denken Sie überhaupt nicht an die Menschen?)

   Der Gedanke der Eigentumsförderung ist richtig; das ist gar keine Frage. Die Eigentumsförderung ist aber falsch bei einem Wohnungsmarkt, der in Deutschland zum größten Teil durch ein Überangebot gekennzeichnet ist. Jährlich 10 Milliarden Euro an Subventionen hineinzugeben ist weitaus schlimmer als das, was beim Bergbau passiert. Beim Bergbau, dem einzigen großen Subventionsempfänger, werden die Subventionen jährlich zurückgefahren. Das müssen wir festhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Sie sind herzlich eingeladen, an dieser Stelle wenigstens Ihre Positionen, die Sie in Ihrer Regierungszeit vertreten, aber nicht umgesetzt haben, mit uns zusammen umzusetzen. Vielleicht fällt Ihnen auf, dass es dabei um eine viel stringentere grundsätzlichere Linie geht, bei der man anpacken muss.

   Ich kann verstehen: Eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage ist natürlich sehr viel leichter und schöner, wenn man gleichzeitig die Steuersätze senken kann.

Die finanzielle Lage lässt dies aber nicht zu. Trotzdem wird es fast dazu kommen; denn die nächste Stufe der Steuersenkung wird zum 1. Januar 2004 umgesetzt, und das meiste von dem, worüber wir hier diskutieren, wird auch erst zu diesem Zeitpunkt in Kraft treten. Das bedeutet, dass die Änderungen allenfalls mit einem halben oder einem Jahr Vorsprung, spätestens aber zum Zeitpunkt einer weiteren Steuersenkung gültig werden. Dann werden die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage und die Senkung der Steuersätze gleichzeitig erfolgen. Auch das war übrigens eine gemeinsame Position. Man wird sehen, wie es aussieht, wenn es Ernst wird.

   Ein finanzpolitisches Ziel ist, das strukturelle Defizit in einem Gesamtkonzept so zurückzuführen, dass wir auch bei einem Wachstum von einem Prozent die Maastricht-Kriterien gerade noch einhalten können. Das sollte jedem in diesem Hause einen eigenen Einsatz Wert sein, zumal weil es eine gemeinsame Position beim Stabilitäts- und Wachstumspakt war

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Elke Wülfing (CDU/CSU): Sie zocken die Bürger immer weiter ab!)

Ich sage ausdrücklich, dass dafür auch der Bundesrat verantwortlich ist, in dem Sie die Mehrheit stellen.

   Meine Damen und Herren, wir sorgen für eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, eine Befestigung der Steuerbasis, eine Vereinfachung des Steuerrechts und Steuersenkungen. Eine solche Politik müsste auch in einer gemeinsamen Verantwortung möglich sein. Ich will darauf hinweisen, dass das jetzt Sache des Bundesrates ist. Der Bundestag - dafür bin ich dankbar - wird den Gesetzentwurf heute mit der Mehrheit der Koalition verabschieden. Angesichts Ihrer eigenen Position sind Sie eingeladen, sich sehr sorgfältig zu überlegen, ob Sie gegen dieses Gesetz wirklich derart Front machen wollen. Sie verleugnen damit eine Reihe Ihrer eigenen Positionen.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das soll nicht Ihre Sorge sein!)

   Mit einiger Verwunderung habe ich gesehen, dass einige Bundesländer, die offiziell erklären, gegen dieses Gesetz zu sein, die Einnahmen aus diesem Gesetz gleichwohl schon in ihren Haushalt für dieses Jahr eingestellt haben.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Hört! Hört!)

Hessen hat zum Beispiel 140 Millionen Euro in seinen Haushalt eingestellt.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Noch vor der Wahl!)

- Ja, noch vor der Wahl. - Die Begründung lautete, dass die Körperschaftsteuer reformiert werden soll.

   Meine Damen und Herren, wenn das gesamte Gesetz, das hier vorliegt, vollständig umgesetzt wird, bringt es dem Land Hessen in diesem Jahr nicht 140 Millionen Euro, sondern 122 Millionen Euro. Was heißt das eigentlich? Ich bin sehr darauf gespannt, wie sich das Land Hessen angesichts der 140 Millionen Euro, die es aufgrund der Steuerrechtsänderung bei der Körperschaftsteuer in den Haushalt 2004 eingestellt hat, damit es überhaupt einen verfassungsmäßigen Haushalt zuwege bringen kann, im Bundesrat verhalten wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Übrigens: Auch das Saarland hat seine Einnahmen aus diesem Gesetz bereits in den Haushalt eingestellt.

   Das heißt aus meiner Sicht, dass wir nicht so weit auseinander liegen, wie die wahlkämpfenden Politiker gelegentlich glauben machen wollen.

   Wir alle brauchen nämlich eine Befestigung der Steuerbasis. Damit es nicht zu falschen Zuweisungen kommt - daran sollten auch Sie von der Opposition im Deutschen Bundestag kein Interesse haben -, will ich hier mit Nachdruck festhalten, dass die Länder die Verantwortung für die Kommunalhaushalte haben. Wir machen Vorschläge, die auch für die Kommunal- und die Länderhaushalte gut sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ein Witz!)

Das Spiel läuft aber nicht so, dass der Bund und der Bundesfinanzminister die Verantwortung für alle Defizite tragen und die Länder sich zurücklehnen und ihren konstruktiven Beitrag nicht leisten.

   Ich bin auf den weiteren Ablauf des Gesetzgebungsvorhabens gespannt. Ich bin mir sicher, dass wir uns im Vermittlungsausschuss wiedertreffen werden. Möglicherweise wird es danach vernünftigere Ergebnisse geben, als mancher aus der Oppositionen mit seinen Beiträgen heute behaupten wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

   Ich erteile dem Kollegen Michael Meister, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann (FDP))

Dr. Michael Meister (CDU/CSU):

   Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister Eichel hat sein Statement zu Recht mit dem Hinweis auf die deutsche Wachstumsschwäche - das Restwachstum lag im vergangenen Jahr bei 0,2 Prozent - begonnen. Allerdings haben Sie vergessen, darauf hinzuweisen, wer diese Wachstumsschwäche verursacht hat.

   Ihre Politik hat dafür gesorgt,

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Unsinn!)

dass wir das vergangene Jahr mit einem Wachstum von 0,2 Prozent abgeschlossen haben. Es liegt in Ihrer Verantwortung, dass es in Deutschland vier Jahre lang permanent Steuererhöhungen gegeben hat. Damit haben Sie dafür gesorgt, dass das Wachstum in Deutschland so niedrig ausfällt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD)

   Im Jahreswirtschaftsbericht der Bundesregierung wurde gerade die Wachstumserwartung für das Jahr 2003 von 1,5 Prozent auf 1 Prozent reduziert. Die Forschungsinstitute gehen von niedrigeren Werten aus. Die Sachverständigen in der Anhörung am 15. Januar haben uns vorausgesagt: Wenn dieses Gesetz ins Bundesgesetzblatt aufgenommen wird, wird das Wachstum noch einmal um 0,5 Prozent zurückgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Joachim Poß (SPD): Der Lügenmeister!)

Das heißt, dieses Gesetz ist ein Beitrag, um die Wachstumsschwäche zu verstärken. Er fördert eben nicht Wachstum und Wirtschaft, Herr Bundesfinanzminister.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Unsere Forderung an die Bundesregierung ist: Wir brauchen eine Politik für mehr Wachstum und mehr Beschäftigung, keine Politik gegen Wachstum und Beschäftigung. Wenn Sie heute über 40 Steuererhöhungen beschließen, dann ist das in dieser Lage ein fatales Signal an die Wirtschaft und die Konsumenten in diesem Land. Nehmen Sie von diesen Steuererhöhungen Abstand! Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück! Befestigen Sie durch mehr Wachstum die Steuerbasis, die Sie angesprochen haben!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Bundesfinanzminister, Sie haben zu Recht gefordert: Wir brauchen eine Politik der Verlässlichkeit. Wir brauchen mehr Vertrauen. Unsere Steuerpolitik soll bei den Handelnden in der Wirtschaft durch mehr Verlässlichkeit Vertrauen schaffen. - Das Wirtschaftsklima in der Bundesrepublik Deutschland wird durch die Diskussion, die diese Koalition und diese Bundesregierung in der Steuerpolitik führten, massiv beschädigt. Herr Bundeskanzler Schröder würde, wenn er anwesend wäre, von einer Steuerkakophonie in den letzten sechs Monaten sprechen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sehr gut!)

Kein Mensch konnte verfolgen, was dieser Gesetzentwurf tatsächlich enthielt, weil sich die Meldungen über den Inhalt täglich geändert haben. Dadurch haben Sie dazu beigetragen, dass wir in Deutschland keine Politik der Verlässlichkeit mehr haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Nehmen wir einmal die Meldung zur Eigenheimzulage vom Anfang dieser Woche. Zunächst hatten Sie vor, diese Regelung rückwirkend zum 1. Januar dieses Jahres in Kraft treten zu lassen. Jetzt geben Sie bekannt, dass die Neuregelung erst am Tage der Verkündung in Kraft treten werde. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben die jungen Menschen in Deutschland, die Wohneigentum schaffen wollen, über sechs Monate lang verunsichert. Sie haben den Brand gelegt. Nachdem das Haus abgebrannt ist, betätigen Sie sich als Feuerlöscher. Es ist unglaubwürdig, wenn Sie von dieser Stelle aus mehr Verlässlichkeit fordern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wenn Sie von mehr Verlässlichkeit in der Politik sprechen, dann schauen Sie sich einmal das Thema der Privatnutzung von Dienstwagen an. Kein Mensch in Deutschland kann Ihnen sagen, welches Recht für die Privatnutzung von Dienstwagen gerade gilt. Einerseits müssen die Menschen das Recht beachten, das heute im Bundesgesetzblatt steht. Andererseits müssen sie auch das berücksichtigen, was möglicherweise rückwirkend zum Jahresanfang, wenn dieser Gesetzentwurf verabschiedet wird, beschlossen wurde. Herr Bundesfinanzminister, das ist vertrauensschädigend. Ziehen Sie diese Regelung zurück, um Vertrauen und Verlässlichkeit wieder herzustellen!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Bundesfinanzminister, Sie haben vergessen, die Lage am Arbeitsmarkt zu erwähnen. Die Zahl der Arbeitslosen betrug im Januar 4,62 Millionen. Seit Mitte des letzten Jahres gibt es eine dramatische Steigerung. Der Chef der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg, Herr Gerster, hat für diesen Monat eine weitere Steigerung der Arbeitslosenzahlen angekündigt. Der Zielwert dieser Bundesregierung - ich will ihn einmal in Erinnerung rufen - lag nicht bei 4,62 oder 5 Millionen Arbeitslosen. Sie haben versprochen, die Zahl der Arbeitslosen auf 3,5 Millionen zu senken.

(Simone Violka (SPD): Sie wollten die Arbeitslosenzahlen halbieren!)

   Mit Ihrer Politik werden die Menschen 16 Milliarden Euro weniger in der Tasche haben. Sie wollen dieses Geld den Konsumenten in diesem Land entziehen, die kaum noch konsumieren, weil sie total verunsichert sind. Sie wollen das Geld den Unternehmen entziehen, die schon jetzt kaum noch investieren und bald noch weniger investieren können. Sie entziehen auch der kommunalen Ebene massiv Geld, die ebenfalls Investitionen benötigt, welche aber nicht getätigt werden können. Durch eine solche Politik des Geldentzugs schaffen Sie eine noch höhere Arbeitslosigkeit in Deutschland. Kehren Sie um und nehmen Sie dieses Gesetz zurück! Machen Sie endlich eine Politik für mehr Beschäftigung und mehr Wachstum in diesem Lande!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich bedaure, dass Herr Bundeswirtschaftsminister Clement heute Morgen nicht anwesend ist. Er hat uns in vielen Reden verkündet, dass unser Land dringend mehr Flexibilität, mehr Freiheit und Bürokratieabbau braucht. Mit diesem Gesetzentwurf sollen so genannte Kontrollmitteilungen für über 300 Millionen Konten mit Kapitalerträgen eingeführt werden. Das wird heute mit diesem Gesetz beschlossen. Das fällt nach Ihrer Aussage unter das Stichwort Bürokratieabbau.

(Zuruf von der SPD: Steuergerechtigkeit!)

Jedes Anlageinstitut muss die entsprechenden Erklärungen erstellen. Die Finanzverwaltung muss diese über 300 Millionen Erklärungen bearbeiten. Auch der Bürger muss sich damit auseinander setzen, wenn er seine Steuererklärung ausfüllen will.

   Das hat nichts mit Bürokratieabbau zu tun, sondern das ist Bürokratieaufbau. Dadurch entstehen zusätzliche Kosten und mehr Staat. Es wird damit zu einem Schnüffelstaat kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Lächerlich!)

   An dieser Stelle möchte ich mich einmal ganz konkret an die Bundestagsfraktion des Bündnisses 90/Die Grünen wenden. Meine Damen und Herren, Sie haben einen Ursprung. Ursprünglich haben Sie einmal gesagt, dass Datenschutz und informationelle Selbstbestimmung Werte sind, für die Sie in diesem Land kämpfen wollen. Frau Scheel hat bis zum gestrigen Tage in jedem Pressestatement verkündet, dass Bündnis 90/Die Grünen Kontrollmitteilungen nicht mittragen werden. Aber am letzten Mittwoch gingen bei der Abstimmung im Finanzausschuss Ihre Arme hoch. Auch heute werden Sie bei der namentlichen Abstimmung Ihre Arme heben. Sie verraten damit ihre eigenen Wurzeln. Sie vertreten nicht mehr Ihre ursprünglichen Ziele.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie kämpfen nicht mehr, wie etwa bei der Volksabstimmung Ende der 80er-Jahre, für den Bürger in diesem Land, sondern Sie sind zur Staatspartei geworden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Vor dem Hintergrund einer geplanten Zinsabgeltungsteuer sind Kontrollmitteilungen vollkommen überflüssig. Wir sind der Meinung, dass man auch bei anderen Kapitalerträgen zu einem Analogon zur Zinsabgeltungsteuer übergehen sollte. Dann brauchen wir auch an dieser Stelle keine Kontrollmitteilungen mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Die Befürchtungen, die Sie, Herr Bundesfinanzminister, allerdings wecken, wenn Sie jetzt Kontrollmitteilungen einführen, zeigen sich in der wabernden Debatte um die Vermögensteuer und in der wabernden Debatte um die Frage, ob man nicht auch Kapitalerträge als Bemessungsgrundlage für Sozialbeiträge heranziehen sollte.

(Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Vor diesem Hintergrund stärken Sie nicht den Finanzplatz Deutschland und den Kapitalmarkt in Deutschland, sondern schwächen ihn. Das hat nichts mit verlässlicher Politik zu tun. Sie zerstören an dieser Stelle Vertrauen und Verlässlichkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Da wir über das Thema Bürokratie sprechen, möchte ich auch einmal den Luftverkehr ansprechen. Hier haben Sie ja jetzt vor, dass grenzüberschreitende Flüge in Zukunft der Umsatzsteuer unterworfen werden sollen. Sie tun dies allerdings isoliert, nicht abgestimmt mit Ihren europäischen Partnern. Ich frage Sie: Was wollen Sie machen, wenn jemand ohne Zwischenlandung in Deutschland von Rom nach London fliegt? Wie wollen Sie beim Überflug über Deutschland den Umsatzsteueranteil erheben? Wollen Sie das Flugzeug zur Zwischenlandung zwingen?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

   Da die Umsatzsteuer ja bereits beim Ticketkauf entrichtet werden muss, frage ich Sie: Was machen Sie, wenn ein Flug plötzlich länger dauert, weil zum Beispiel der Flugplatz gesperrt ist oder eine Warteschleife geflogen werden muss? Wie berechnen Sie dann den inländischen Streckenanteil, Herr Bundesfinanzminister? Ihr Gesetzentwurf führt zu einer Wahnsinnsbürokratie und zerstört in Europa Vertrauen, weil Sie in einem isolierten Schritt vorgehen. So kann man keine verlässliche Steuerpolitik machen. Auch an dieser Stelle schaffen Sie wieder eine Menge Bürokratie.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Das Vertrauen haben sie in Europa schon zerstört!)

   Herr Bundesfinanzminister, nun komme ich auf den Punkt Haushaltskonsolidierung zu sprechen. Wir sind uns einig: Wir wollen den Vertrag von Maastricht einhalten.

(Simone Violka (SPD): Das ist ja etwas ganz Neues! Weiß das auch Herr Stoiber?)

- Wir, Frau Kollegin, hatten einen Bundesfinanzminister Theo Waigel, der den Vertrag von Maastricht und seine Kriterien nach einem harten Kampf in Europa durchgesetzt hat. Wir haben die Maastricht-Kriterien in den Haushaltsjahren bis 1998 eingehalten. Deshalb bekennen wir uns zu Maastricht und zur Haushaltskonsolidierung. Wir wollen den Vertrag einhalten und wir wollen die Haushaltskonsolidierung erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Bundesfinanzminister, Sie formulieren die Alternative: entweder höhere Steuern oder höhere Schulden. Ich antworte Ihnen an dieser Stelle: Wenn Sie die Politik, die Sie heute in diesem Gesetzentwurf vorschlagen, fortsetzen, dann werden Sie durch Ihren Beschluss am Ende sowohl höhere Steuern als auch höhere Schulden bekommen, weil Sie das Wachstum massiv schädigen und dadurch die Einnahmen, die Sie erwarten, überhaupt nicht realisieren können. Sie werden mit beidem enden: mit höheren Schulden und mit höheren Steuern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie bauen an diesem zentralen Punkt die falsche Alternative auf. Ihre Gedanken sind geprägt von rein fiskalistischem Denken.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): So ist es!)

Sie verlieren die volkswirtschaftlichen Zusammenhänge vollkommen aus dem Blick. Deshalb muss die Politik, die Sie hier einschlagen, scheitern.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das ist ohne Sinn und Zweck!)

   Wir fordern Sie auf - Sie nennen sich ja „Sparkommissar“ -, Folgendes zu tun: Fangen Sie endlich an, auf der Ausgabenseite des Bundeshaushaltes zu sparen, und behaupten Sie nicht, dass Steuererhöhungen Sparpolitik seien!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Fangen Sie endlich an, bei Bürgern und Unternehmen wieder Vertrauen zu schaffen! Sie haben dieses Vertrauen in den vergangenen vier Jahren massiv gestört. Fangen Sie an, am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft mehr Flexibilität zuzulassen! Bringen Sie Ihre Fraktion dazu, dass sie hierbei zustimmt und dass nicht nur Mitglieder der Bundesregierung darüber reden! Entlasten Sie endlich Wirtschaft und Arbeitsmarkt von unnötiger Bürokratie! Dann wird es in Deutschland vorangehen. Dann werden wir weniger Schulden und niedrigere Steuern haben. Das erreichen wir aber nicht durch das, was Sie hier vorschlagen.

   Sie haben über die Konsolidierung gesprochen. Daher möchte ich noch ein Wort zu Ihrem Finanztableau sagen. Wir haben dieses Finanztableau im Finanzausschuss intensiv diskutiert. Den Mitarbeitern Ihres Ministeriums ist es nicht gelungen, die Zahlen, die dort aufgeschrieben sind, zu erhärten. Deshalb möchte ich massiv bezweifeln, dass die Zahlen, die Sie in das Finanztableau aufgenommen haben, in irgendeiner Form fundiert sind. Es handelt sich um Beträge, die Sie aus der Luft gegriffen haben.

   Ich will noch einen weiteren Punkt ansprechen. Wir haben in der vergangenen Wahlperiode das Thema Altersvorsorge diskutiert. Sie haben seinerzeit zu Recht festgestellt - darin sind wir einer Meinung -, dass die betriebliche und die private Altersvorsorge gestärkt werden müssen.

   Was aber tun Sie mit diesem Gesetz? Wir wollen die Bürger ermuntern, mehr private Altersvorsorge zu betreiben, Sie aber besteuern den Wertzuwachs im privaten Bereich. Damit setzen Sie ein absolut kontraproduktives Signal, indem Sie denjenigen, der private Altersvorsorge betreibt, plötzlich an dieser Stelle mit einer Steuer belegen. Sie machen bei der beliebtesten Form der privaten Altersvorsorge, nämlich dem Wohneigentum, einen Einschnitt, indem Sie an die Eigenheimzulage herangehen, Herr Bundesfinanzminister.

   Ich möchte daran erinnern, dass Ihre Fraktion gemeinsam mit uns die Eigenheimzulage beschlossen hat, und zwar wohl wissend, dass wir damit eine Subvention beschließen. Das war der gemeinsame Wille des Gesetzgebers. Ich bin der Meinung, dass man deshalb zu diesem Willen auch stehen sollte.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Das ist eine echte Verschleierung! Erzählen Sie bitte den vollständigen Sachverhalt und machen Sie einen eigenen Vorschlag!)

- Herr Binding, Sie haben doch zugestimmt. Sie waren der Meinung, dass es richtig ist.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Machen Sie einen einzigen Vorschlag!)

Selbst Ihr Bundeskanzler hat im August in einem Interview mit „Heim und Garten“ gesagt: Wir - damit hat er wahrscheinlich die SPD-Fraktion und die Bundesregierung gemeint - wollen an der Eigenheimzulage in unveränderter Form festhalten.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ja, so ist das!)

Das war im August 2002. War das eine Täuschung? Hat er nicht gewusst, was er erzählt, oder hat er das gesagt, was eigentlich gelten sollte, was er aber vier Wochen später wieder vergessen hatte?

(Beifall bei der CDU/CSU - Katrin Dagmar Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist denn jetzt mit Ihrem Vorschlag? - Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Sie halten eine Täuschungsrede! Das muss man wirklich sagen!)

   Sie haben - damit möchte ich zum Schluss kommen - das Stichwort Subventionen angesprochen, Herr Bundesfinanzminister. Wir halten uns bei den Subventionen schlicht und ergreifend an das, was Sie als solche definieren. Sie als Bundesregierung verfassen schließlich den Subventionsbericht. Was darin erläutert ist, sind Subventionen, und was Sie nicht aufführen, sind keine Subventionen.

   Von den Maßnahmen, die Sie in Ihrem Gesetzentwurf vorsehen, sind 14 im Subventionsbericht aufgeführt; die anderen sind keine Subventionen. Wenn Sie jetzt der Auffassung sind, dass wir an Subventionen herangehen und die Bemessungsgrundlage der Besteuerung verbreitern sollten, dann sind wir unter der Voraussetzung mit Ihnen einer Meinung, dass Sie im gleichen Atemzug die Steuersätze senken. Das haben wir auf dem Petersberg vorgeschlagen und in diesem Hause mit unserer Mehrheit beschlossen. Dazu müssen Sie uns also nicht auffordern. Ihr Amtsvorgänger aus Ihrer Partei hat leider dafür gesorgt, dass dieses Gesetz niemals in Kraft getreten ist.

   Wenn Sie sich auf diesen von uns eingeschlagenen Weg begeben würden, dann hätten Sie uns auf Ihrer Seite. Diesen Weg würden wir mit beschreiten, weil dann in der Steuerpolitik in Deutschland tatsächlich etwas vorangehen würde.

   Ich darf Sie auffordern: Ziehen Sie dieses Gesetz zurück, um Schaden von dem deutschen Volk abzuwenden.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

   Das Wort hat nun Kollegin Christine Scheel, Bündnis 90/Die Grünen.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

   Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es war eine klassische Situation. Es war nämlich genau so, wie wir es von der Union seit Monaten kennen:

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Wir wollen die Wahrheit hören!)

nur Kritik und Blockade, aber kein einziger Vorschlag, wie Sie die Staatsfinanzen in Deutschland für alle Ebenen in Ordnung bringen wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Nicht durch Steuererhöhungen!)

   Sie versuchen wieder, zu suggerieren - das grenzt an Täuschung der Bürger und Bürgerinnen -,

(Zurufe von der CDU/CSU: Na, na, na! - Volker Kauder (CDU/CSU): Seien Sie mal vorsichtig! Eichel sitzt vor dem Lügenausschuss!)

dass der Abbau von Steuervergünstigungen eine Steuererhöhung sei. Das ist aber nicht der Fall. Vielmehr werden diejenigen, die Steuern nach ihrer Leistungsfähigkeit zahlen, insgesamt belastet. Das haben wir konzeptionell so angelegt und das ist im Bundesgesetzblatt für die Jahre 2004 und 2005 bereits verankert worden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Elke Wülfing (CDU/CSU): Warum erhöhen Sie dann die Steuern?)

   Es ist richtig, dass viele Bürger und Bürgerinnen nicht nur den Eindruck haben, dass unser Steuerrecht sehr kompliziert ist, sondern auch, dass es tatsächlich sehr kompliziert ist.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ach! - Elke Wülfing (CDU/CSU): Und warum machen Sie es dann noch komplizierter?)

Das bekommt man bei Veranstaltungen zu Recht von den Menschen zu hören. Dazu sage ich Ihnen: In Deutschland wurde jahrzehntelang Gesellschaftspolitik über das Steuerrecht geregelt. Es ist alles im Steuerrecht geregelt: von der Bauförderung über die Familienförderung und Kulturförderung bis hin zu der Frage, welche Belastungen behinderte Menschen steuerlich geltend machen können, und vieles mehr. Fast jede Lebenssituation ist steuerlich geregelt.

   Was wir in Deutschland brauchen, ist ein klares System, auf das wir mit der Senkung der Tarife und der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage hinarbeiten.

Das ist der einzige Weg, um zu einem vernünftigen Steuerkonzept in dieser Republik zu kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Reden Sie einmal zu diesem Gesetzentwurf! Das ist Bürokratieausbau!)

   Herr Meister, strengen Sie bitte Ihr Gedächtnis an. Es ist zwar richtig, dass wir uns in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Situation befinden,

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Ach nein!)

dass es eine Wachstumsschwäche gibt und die Stimmung in unserem Land nicht gut ist. Das stimmt und das muss man auch konstatieren. Deshalb darf man den Leuten aber nicht suggerieren, das Problem werde gelöst, indem wir Steuern, Abgaben und die Staatsquote senken und darüber hinaus jeder das bekommt, was er will. So kann man keine verantwortungsvolle Politik in diesem Land betreiben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich schaue nicht gern zurück, sondern lieber nach vorn, aber man muss auch sehen, dass wir in den 90er-Jahren zwei Jahre mit Minuswachstum zu verzeichnen hatten. Auch damals befanden wir uns in sehr schwierigen konjunkturellen Situationen und das wissen auch Sie sehr gut. Jetzt so zu tun, als sei Deutschland fast schon ein Entwicklungsland auf der untersten Stufe, ist unverantwortlich, und zwar nicht nur gegenüber den deutschen Investoren; es ist auch deshalb unverantwortlich, weil im außereuropäischen Bereich, aber auch innerhalb Europas dadurch zunehmend der Eindruck entsteht, als sei die Wirtschaft hier so am Boden, dass es sich für ausländische Investoren nicht mehr lohne, ihr Geld einzusetzen. Auch das hat überhaupt nichts mit Verantwortung zu tun. Sie sorgen mit Ihren Übertreibungen, die der Situation nicht angemessen sind, ausschließlich für eine miese Stimmung im Land.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Ihre Außenpolitik gefährdet die Wirtschaft!)

   Wir haben eine Empfehlung des Rates der Europäischen Union zum Abbau eines übermäßigen Defizits in der Bundesrepublik erhalten; diese ist unmissverständlich. Wir müssen bis zum 21. Mai dieses Jahres unser Konsolidierungspaket von insgesamt 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes umsetzen. Dabei handelt es sich um die bekannten 14,3 Milliarden Euro, über die immer geredet wird. Diesen Beitrag brauchen wir, um aus dem eingeleiteten Defizitverfahren herauszukommen.

   Es ist eine Kraftanstrengung, die hier vorgenommen werden muss. Der heute zu beschließende Gesetzentwurf ist ein Bestandteil davon. Der Minister hat auf die Haushaltssituation hingewiesen und die Einsparungen im Haushalt genannt. Wir wollen diesen Auftrag umsetzen, indem wir Steuerschlupflöcher schließen, steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten einschränken und Steuersubventionen abbauen. Das ist der Auftrag, den wir zu erfüllen haben und den wir zu erfüllen gewillt sind.

   Die Union und auch die FDP - bei Ihnen klingt es genauso - beantragen, den Gesetzentwurf abzulehnen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Jawohl! - Elke Wülfing (CDU/CSU): Das erwarten Sie auch von uns!)

Sie erweisen sich damit als Bewahrer und Bewahrerinnen, Frau Wülfing, von hohen Subventionen in diesem Land und Sie zeigen, dass Sie absolut kein Faible für die zwingend erforderliche Finanzpolitik in der Verantwortung gegenüber dem Bund, den Ländern und vor allen Dingen gegenüber unseren Kommunen haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Wir denken eher an die Bürger!)

   Mit dieser Blockadehaltung kommt die Union nicht aus der Verantwortung heraus. Jeder weiß, dass Sie in der Länderkammer die Mehrheit haben und eine unmittelbare Verantwortung dafür tragen, dass die Länderhaushalte verfassungskonform aufgestellt werden können. Sie tragen darüber hinaus Verantwortung für den mit der EU vereinbarten Konsolidierungskurs; denn die Länder stehen für 55 Prozent des gesamtstaatlichen Defizits. Aus dieser Verantwortung werden Sie nicht entlassen.

   Der Minister hat darauf hingewiesen - das war für uns sehr interessant -, dass die Länderhaushalte für das Jahr 2003 so aufgestellt wurden, als gäbe es dieses Gesetz bereits. Die Wählerinnen und Wähler sind doch im Wahlkampf, vor allem in Hessen, getäuscht worden. So hat Herr Koch das Geld, das ihm erst auf der Grundlage des zu verabschiedenden Gesetzentwurfs zur Verfügung stehen wird, bereits in seinen Haushalt eingestellt, obwohl er behauptet, den Gesetzentwurf im Bundesrat ablehnen zu wollen. Das ist keine verantwortungsvolle Politik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Sie wissen genau, dass das nicht stimmt!)

   Die Union hat angekündigt, den Bundesrat nicht für Parteipolitik zu missbrauchen.

(Volker Kauder (Bad Dürrheim) (CDU/CSU): Das müssen gerade Sie sagen! Das ist eine Lachnummer!)

Das heißt im Klartext, dass Sie sich konstruktiv - Verweigerung und Blockade sind kein Konzept - an der Sicherung der Einnahmen für alle Ebenen beteiligen. Das haben einige von Ihnen und auch einige der von CDU und CSU geführten Bundesländer zumindest eine Zeit lang angekündigt.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): An Steuererhöhungen beteiligen wir uns nicht! So ist das nun mal! Das machen wir nicht!)

Wenn man sich aber die aktuellen Diskussionen in den Medien und bei Veranstaltungen, an denen Unionsvertreter teilnehmen, anhört, dann kommt man zu dem Schluss, dass dies nur eine Pose zu sein scheint. Interessant wird es ja immer dann, wenn es konkret wird.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Unsinn machen wir nicht mit!)

   Die Vorstellungen der einzelnen Unionsvertreter gehen nämlich weit auseinander und vor allem wild durcheinander: Der Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, Herr Böhmer, und der Ministerpräsident des Saarlandes, Peter Müller, möchten wieder über eine Mehrwertsteuererhöhung diskutieren. Der baden-württembergische Finanzminister, Herr Stratthaus, möchte gerne - das ist ja eigentlich kein Fehler - Personalausgaben einsparen. Der bayerische Finanzminister Faltlhauser glaubt nicht, dass sich mit Subventionsabbau viel erreichen lasse, während Ministerpräsident Stoiber daran glaubt. Das alles finde ich eigenartig. Man merkt, dass hinter dem, was Sie vorschlagen - Sie sprechen immer von einer einheitlichen Linie; dabei kann die Uneinheitlichkeit jeden Tag nachgelesen werden -, kein Konzept steckt. Es handelt sich vielmehr um Einzelmeinungen, die, je nachdem woher der Wind gerade weht, von Ihrer Seite vorgetragen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Warten Sie es mal im Bundesrat ab!)

   Sie haben vorgeschlagen, bei den Subventionen pauschal zu streichen. Die einen reden von 10 Prozent, die anderen von 15 Prozent. Die FDP möchte neuerdings - das habe ich jedenfalls gehört -, dass 20 Prozent gestrichen werden. Ich bin gespannt, wie das weitergehen soll; denn auch Sie müssen einsehen, dass pauschale Kürzungen - das erkennt man, wenn man den Subventionsbericht liest - den Abbau von Subventionen und Steuervergünstigungen bedeuten. Laut Subventionsbericht steht die Eigenheimzulage an erster Stelle bei den 20 größten Steuervergünstigungen in der Bundesrepublik Deutschland. Meine Damen und Herren von der FDP-Fraktion, wenn Sie die Subventionen pauschal um 20 Prozent kürzen wollen, dann müssen Sie auch sagen, wo gekürzt werden soll. Aber darüber hört man überhaupt nichts. Es wird stattdessen einfach gesagt: Wir wollen pauschal 20 Prozent kürzen.

   Unter den 20 größten Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes befinden sich auch das Kindergeld - wir wollen das familienpolitisch sinnvoll regeln -, die Steuerfreiheit von Sonn-, Feiertags- und Nachtarbeitszuschlägen und die Arbeitnehmersparzulage. Sie können das alles selber im Subventionsbericht nachlesen, in dem das alles auf einer Seite zusammengefasst ist. Ich wünsche mir, dass die Zeitungen einmal darüber berichten, was Ihre Vorschläge eigentlich bedeuten. Dann wüsste die Bevölkerung endlich, dass die SPD zusammen mit uns vernünftig und zielgenau abbauen will, während Sie nach der Rasenmähermethode - Sie wollen die Existenzgründerdarlehen für kleine und mittlere Betriebe und die Mittel für die Forschung kürzen sowie die Gelder für den Wohnungsbau zusammenstreichen, was gerade von Herrn Meister sehr bedauert wurde und was er der Regierung vorgeworfen hat - kürzen wollen. Bloß, Sie sprechen die Maßnahmen, die Ihre Vorschläge zur Folge hätten, nicht an. Das finde ich unlauter. Man sollte auch sagen, was man will, und darf nicht so tun, als ob das alles unproblematisch wäre und als ob niemandem etwas weggenommen würde, sondern - im Gegenteil - noch etwas hinzubekäme. So geht das nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Noch im Wahlkampf hat die Union getönt, dass Großunternehmen wieder mehr Steuern zahlen müssten. Das hat mich schon damals gewundert; denn der Vorschlag der Union und der FDP, Subventionen und Steuervergünstigungen pauschal zu kürzen, macht ganz unmissverständlich klar - man muss sich nur die einzelnen Bereiche genau anschauen -, worum es geht: Sie wollen die kleinen und mittleren Unternehmen belasten und die großen außen vor lassen; denn Sie haben angekündigt, dass Sie unsere Vorschläge zur Körperschaftsteuer nicht unterstützen wollten, und das, obwohl große Unternehmen aufgrund Ihrer damaligen Gesetzgebung noch über 15 Milliarden Euro Guthaben verfügen.

Man muss eine Regelung finden, die gewährleistet, dass alle Unternehmen wenigstens von nun an ihren Beitrag zum Gemeinwohl leisten. Es darf nicht länger so sein, dass große Unternehmen jahrelang aufgrund von Verlustverrechnungen in einer Größenordnung von 250 Milliarden Euro überhaupt keine Steuern mehr zahlen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir sind der Auffassung, dass es richtig ist, dass in allen Ressorts Kürzungen hingenommen werden müssen. Das Kürzen von Ausgaben allein reicht aber nicht. Die Neuverschuldung in diesem Jahr ist - auch das muss man einmal klar sagen - die niedrigste seit der Wiedervereinigung. Wir müssen darüber hinaus die Einnahmeseite stärken. Sie reden immer nur - ohne dabei konkret zu werden - über die Ausgabenseite, nie aber über die Einnahmeseite. Sie müssen hier endlich einmal Farbe bekennen. Sie müssen einmal sagen, wie Sie die Ausgaben verringern und die Einnahmen erhöhen wollen.

   In den Ländern wurden die Bauinvestitionen drastisch, um mehr als 10 Prozent, zurückgefahren. So etwas macht doch keinen Sinn. Wenn die Baukonjunktur lahmt, dann darf man nicht auf den Bund zeigen, sondern dann muss man dafür sorgen, dass wir in diesem Land vernünftige und stabile Einnahmen haben. Wenn das der Fall ist, dann werden die Bauinvestitionen, die getätigt werden können - 80 Prozent der Bauinvestitionen werden auf kommunaler Ebene vorgenommen -, auch getätigt. Wir brauchen dieses Gesetz, um den Kommunen und den Ländern wieder mehr Investitionsmöglichkeiten und mehr Spielräume zu geben, also um unserer Verpflichtung insgesamt nachzukommen.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

   Ich erteile das Wort Kollegen Hermann Otto Solms, FDP-Fraktion.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

   Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Frau Scheel, wir reden heute über das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz. Herr Bundesfinanzminister, Sie haben Ihre Rede mit einigen Aussagen begonnen, denen alle in diesem Hause zustimmen können. Sie haben gesagt, wir brauchten eine Politik der Verlässlichkeit, eine Politik der Wachstumsförderung und wir müssten das Konvergenzkriterium „Haushaltsdefizit maximal 3 Prozent des Bruttoinlandsproduktes“ des europäischen Stabilitätspaktes einhalten. Das ist alles richtig.

   Nur, um Gottes willen, Herr Bundesfinanzminister, warum machen Sie keine Politik, die diesen Ansprüchen genügt?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Warum legen Sie uns hier dieses saumiserable Gesetz vor? Sie haben sich mit diesem Gesetz doch selbst beschädigt. Es hat keine Initiative der Bundesregierung gegeben, die das Ansehen der Bundesregierung so wie dieses Gesetz herabgesetzt hat. Das Beste, was Sie tun könnten, bevor dieses Gesetz im Bundesrat kassiert wird, ist, dass Sie es selbst zurückziehen. Aber Sie haben nicht den Mut, anzuerkennen, dass Sie hier etwas völlig Falsches getan haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Herr Bundesfinanzminister, schon der Name dieses Gesetzes - Steuervergünstigungsabbaugesetz - beinhaltet eine Täuschung. Mit diesem Gesetz sind über 40 Steuererhöhungen verbunden; dennoch nennen Sie es „Steuervergünstigungsabbaugesetz“. Sie wollen den Menschen damit suggerieren, Sie beseitigten Ungerechtigkeiten.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was meint denn die FDP, wenn sie von Subventionsabbau spricht?)

Das ist alles falsch. In Wirklichkeit vergrößern Sie die Anzahl der Ungerechtigkeiten, die in unserem Steuersystem stecken, und Sie belasten einzelne Sektoren einseitig. Dadurch vertiefen Sie die steuerliche Ungerechtigkeit, die es in Deutschland gibt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es beginnt also schon mit einem Täuschungsmanöver.

   Sie sagten, von diesem Gesetz sollte grundsätzlich eine wachstumsfördernde Wirkung ausgehen. Konjunkturpolitisch ist dieses Gesetz Gift. Es wird die Wachstumskräfte schwächen und nicht steigern. Dieses Gesetz wird auch keine strukturpolitischen Erfolge nach sich ziehen. Durch dieses Gesetz wird die Steuerstruktur nicht verbessert, allenfalls verschlimmbessert. Steuersystematisch ist dieses Gesetz durch und durch verfehlt; deswegen dürfen wir diesem Gesetz nicht zustimmen. Sie ermahnen uns, Gesamtverantwortung zu tragen. Das darf aber doch nicht geschehen, um falsche Gesetze zu beschließen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Die FDP-Fraktion wird wie die CDU/CSU-Fraktion - sie hat das durch den Kollegen Meister eben auch angekündigt - diesem Gesetz in diesem Hause nicht zustimmen; sie wird es ablehnen. Die FDP wird in allen Landesregierungen, an denen sie beteiligt ist, dafür sorgen, dass diesem Gesetz auch im Bundesrat nicht zugestimmt wird, dass es dort abgelehnt wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie mal, was Sie wollen!)

   Die FDP-Fraktion wird den Vermittlungsausschuss nicht anrufen. Wenn Sie im Vermittlungsausschuss einen letzten Rettungsversuch unternehmen wollen, dann haben Sie das zu verantworten. Die Bundesregierung kann den Vermittlungsausschuss anrufen. Wir werden das nicht tun, weil wir dieses Gesetz für durch und durch verfehlt halten.

   Sie haben jetzt zuletzt noch einige Änderungen vorgenommen. Sie haben die Belastungswirkung des Gesetzes von ursprünglich über 17 Milliarden Euro auf 15,4 Milliarden Euro gesenkt, indem Sie dem Gesetz einige Spitzen genommen haben oder Entscheidungen anderen Gesetzgebungsvorhaben überlassen, beispielsweise den zunächst vorgesehenen gewerbesteuerlichen Regelungen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wollten Sie doch auch!)

Die Entscheidung darüber überlassen Sie jetzt sinnvollerweise - das gebe ich zu - der Kommission zur Gemeindefinanzreform. Damit bleibt aber die Bedrohung der Einschränkung der gewerbesteuerlichen Organschaft. Das wäre eine völlig falsche Maßnahme. Zu glauben, jetzt sei die Öffentlichkeit zufrieden, weil Sie die Belastungswirkung um 10 Prozent reduziert haben, ist nun wirklich ein Irrtum. Das wird niemand zu würdigen wissen.

   Noch eine zusätzliche Bemerkung zu der Frage der Auswirkungen auf die Gemeinden. Wir haben uns letzte Woche damit befasst. Wir, die CDU/CSU und der Bundesrat - mit Zustimmung der FDP - haben beantragt, die Gewerbesteuerumlage von 30 Prozent wieder auf 20 Prozent zu senken. Das würde den Gemeinden in diesem Jahr Mehreinnahmen von gut 2 Milliarden bis 2,5 Milliarden Euro bringen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den armen Gemeinden gar nichts!)

- Das hätte den Gemeinden dies gebracht.

(Zuruf von der SPD: Doch nur den reichen, den armen gar nichts! - Weiterer Zuruf von der SPD: Aber nur den reichen Gemeinden!)

- Das würde den Gemeinden rund 2,5 Milliarden Euro zusätzlich bringen! Leugnen Sie die Wahrheit nicht ab! Das steht doch im Gesetz.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ihre Steuererhöhungsmaßnahmen führen jetzt zu einer Verbesserung der Finanzlage der Gemeinden um 283 Millionen Euro, also gerade 10 Prozent davon. Das ist auch eine Frage der Glaubwürdigkeit in der Diskussion um die Gemeindefinanzen, meine Damen und Herren. Da können Sie die Gemeindekämmerer nicht hinters Licht führen. Damit haben Sie sich an den Gemeindefinanzen schuldig gemacht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Von den Gemeindefinanzen - das wissen Sie so gut wie wir - hängt auch ein Gutteil der konjunkturellen Entwicklung ab. Von daher war das ein fundamentaler Fehler, den wir Ihnen nicht so einfach durchgehen lassen.

(Zuruf von der SPD: Wer will die Gewerbesteuer abschaffen? Das ist doch die FDP, oder?)

   Einige Regelungen in dem Gesetz sind auch systematisch völlig verfehlt. Das gilt insbesondere für die Einführung einer Mindestbesteuerung. Was heißt das denn? Das heißt, Unternehmen, die Verlustjahre hinter sich haben, können die Verluste, wenn sie wieder in die Gewinnzone kommen, nicht mehr voll verrechnen. Mit der Verrechnung dauert es so lange, bis sie wieder in eine Verlustphase kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Bis sie pleite sind!)

Das wird bei vielen Unternehmen, die eine geringe Eigenkapitalbasis haben, unweigerlich zur Insolvenz führen, weil sie die Steuern dann aus der Substanz, aus dem Eigenkapital, zahlen müssen. Im Übrigen mindert das ihre Kreditfähigkeit.

   Wir waren gestern Abend beim Sparkassenverband. Da ist uns gesagt worden, dass etwa 50 Prozent der kleineren und mittleren Unternehmen mit einem Umsatz von bis zu 500 000 Euro, also die ganz kleinen, überhaupt kein Eigenkapital haben. Alle die stehen ohnehin auf der Kippe. Deren Probleme verschärfen Sie mit solch unsinnigen Maßnahmen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Zur Eigenheimzulage ist schon einiges gesagt worden. Vorgesehen ist ja nicht nur die Kürzung der Eigenheimzulage, sondern auch eine Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen im Wohnungsbau. Das führt natürlich dazu, dass dieser Branche, die ohnehin auf dem Boden liegt, einzusätzlicher Dämpfer verpasst wird und dass noch einmal Zehntausende von Arbeitnehmern entlassen werden müssen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): So ist es!)

   Was soll die Sache mit der Dienstwagenbesteuerung? Wen treffen Sie damit? Es sind doch nicht die S-Klasse-Fahrer, sondern es sind die kleinen Handelsvertreter und die Monteure im Außendienst.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sozialdienste!)

Das sind diejenigen, die die Wirtschaft am Leben halten. Denen verteuern Sie den Dienstwagen um 50 Prozent. Sie müssen das einmal richtig lesen! Das wird um 50 Prozent teurer. Die Auswirkung auf die Automobilindustrie will ich gar nicht ansprechen. Eine solche Maßnahme ist einfach dumm. Sie ist überhaupt nicht verständlich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Zu den Einschränkungen bei den Werbegeschenken. Jetzt haben Sie das korrigiert und die Grenze von 40 auf 30 Euro gesenkt. Das macht doch überhaupt keinen Sinn. Wen trifft das im Wesentlichen? Das trifft den deutschen Weinbau und kleine Werbegeschenkehersteller. Warum soll diese kleine Branche jetzt die Zeche bezahlen? Das ist Rosinenpickerei. Das ist doch keine vernünftige ordnungspolitische Finanzpolitik, die Sie damit machen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Mit den Umsatzsteuererhöhungen treffen Sie einseitig die Landwirschaft.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): So ist es!)

Während der Steuersatz auf Futter für Haustiere niedrig bleibt, sollen die landwirtschaftlichen Vorprodukte wie Nutzvieh, Futtermittel, Saatgut usw. mit höheren Steuersätzen belastet werden.

Das ist angesichts der überaus schwierigen Situation, in der sich die Land- und Forstwirtschaft ohnehin befindet, völlig unakzeptabel. Dieser Gesetzentwurf ist verfehlt.

   Zum Schluss noch eine Bemerkung zur Zinsabgeltungsteuer, zur Amnestie, zu Kontrollmitteilungen und zum Bankgeheimnis: Hier sind Sie auf dem richtigen Weg.

Präsident Wolfgang Thierse:

   Kollege Solms, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kuhn?

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

   Gern.

Präsident Wolfgang Thierse:

   Bitte schön, Herr Kuhn.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

   Herr Kollege Solms, wir sind hier, um Ihre Alternativvorschläge zu hören. Sie haben gesagt, dass Sie unseren Gesetzentwurf ablehnen. Das haben wir verstanden. Sie haben aber noch keinen Satz dazu gesagt, wie Sie mit den Haushaltsproblemen fertig werden wollen. Deswegen möchte ich Ihnen folgende Frage am Beispiel der Eigenheimzulage stellen: Sie sagen einerseits, Sie lehnen die Vorschläge der Regierung ab. Andererseits ist die FDP für eine 10- bzw. 20-prozentige pauschale Subventionskürzung. Die Eigenheimzulage ist die größte Position im Subventionshaushalt mit einem Volumen in Höhe von 10 Milliarden Euro. Eine Kürzung um 10 Prozent würde 1 Milliarden Euro und eine Kürzung um 20 Prozent würde 2 Milliarden Euro entsprechen.

(Zuruf von der FDP: Das ist keine Frage!)

Ich möchte von Ihnen wissen, wie diese Kürzung um 1 bzw. 2 Milliarden Euro bei der Eigenheimzulage konkret aussehen soll und worin der Unterschied zu den von uns vorgeschlagenen Kürzungen liegt.

   Es geht nicht, dass Sie hier wortreich zum Ausdruck bringen, was Sie nicht wollen, aber während der gesamten Ihnen zur Verfügung stehenden Redezeit - deswegen möchte ich die verlängern - nichts

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Frage!)

- das ist doch eine Frage; am Schluss steht ein Fragezeichen, darauf könnt ihr euch verlassen - darüber sagen, welche Alternative Sie in diesem Haus vorschlagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

   Herr Kuhn, ich bedanke mich für die Frage. Sie gibt mir zusätzliche Redezeit.

   Zunächst einmal haben wir hier über Ihren Gesetzentwurf zu diskutieren. Er steht zur Abstimmung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lothar Binding [Heidelberg] (SPD): Das ist billig!)

Wenn man die Regierungsmehrheit hat, muss man auch zu seiner Verantwortung stehen. Man kann die Verantwortung nicht auf die Opposition schieben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben die Verantwortung und müssen auch dazu stehen, und zwar müssen Sie, Frau Scheel, auch ehrlich dazu stehen,

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Sie auch!)

aber dazu komme ich gleich noch.

   Wir schlagen vor - dies war auch Teil unseres Wahlprogramms -, die Subventionen pauschal zu kürzen. Wir halten nichts von Ihrer Rosinenpickerei, mit der Sie die Gruppen belasten, von denen Sie glauben, dass es sich dabei nicht um Ihre Wähler handelt, aber nicht die Gruppen, von denen Sie glauben, dass es sich um Ihre Wähler handelt. Denken Sie an die Feiertagszuschläge. Diese Rosinenpickerei lehnen wir ab. Wir wollen, dass die Subventionen für alle gekürzt werden.

   Wenn Sie als Regierungskoalition, die Sie in diesem Hause noch die Mehrheit haben, den Vorschlag einbringen würden, alle Subventionen pauschal um 10 Prozent zu kürzen, würden wir Ihnen zustimmen. Wir würden Ihnen dabei helfen, die Lösungen im Einzelnen zu finden. Wenn Sie vorschlagen würden, alle Subventionen pauschal um 20 Prozent zu kürzen, dann würde - das garantiere ich Ihnen - die FDP-Bundestagsfraktion zustimmen. Das wäre eine saubere, solide Lösung.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

   Diese Lösung wäre auch konjunkturpolitisch richtig, denn dadurch würden die Ausgaben gesenkt und nicht die Einnahmen erhöht. Das ist entscheidend. Wir können die Haushalte nur auf der Aufgabenseite konsolidieren, nicht auf der Einnahmeseite, denn eine Konsolidierung auf der Einnahmeseite bedeutet immer eine Belastungserhöhung für die Bevölkerung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das dämpft das Wachstum und führt zu mehr Arbeitslosigkeit. Das ist der ordnungspolitisch unterschiedliche Ansatz zwischen Ihnen und uns.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich zum Schluss noch etwas zu Ihnen, Frau Kollegin Scheel, sagen, mittlerweile heißt sie die „doppelte Christine“:

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das doppelte Lottchen!)

Wir alle beobachten es schon seit langem. Sie sind Vorsitzende des Finanzausschusses, haben also ein herausgehobenes Amt inne. In diesem Amt haben Sie Verantwortung zu zeigen und zu übernehmen. Es geht nicht, dass Sie in Personalityshows, in der „Welt am Sonntag“ oder in anderen Zeitungen das Gegenteil von dem behaupten, was Sie hier im Finanzausschuss und im Bundestag tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zuruf von der CDU/CSU: Und zwar ständig!)

Das ist verantwortungslos.

(Abg. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Bevor Sie Ihre Frage stellen, möchte ich Ihnen ein jüngeres Zitat aus der „taz“ vom 21. Januar 2003 vorlesen:

Die grüne Finanzexpertin Christine Scheel will das Bankgeheimnis in seiner bisherigen Form schützen. ... Scheel hält Kontrollmitteilungen für „überflüssig“.

   Vorgestern haben Sie im Finanzausschuss genau das Gegenteil beschlossen.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): So ist das immer!)

Sie haben nämlich mit Ihren Kollegen für die Abschaffung des Bankgeheimnisses gestimmt. Damit haben Sie genau das Gegenteil von dem, was Sie gesagt haben, getan. Das ist unglaubwürdig und unverantwortlich, wenn man ein solches Amt innehat.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn man dieser Meinung ist, muss man das Amt zur Verfügung stellen. So ist das in der Politik nun einmal. Man muss zu seiner Verantwortung stehen.

   Ich muss noch ein Wort dazu sagen: Ich stelle ja mit Bewunderung fest, welche Engelsgeduld die Kolleginnen und Kollegen aus der SPD-Fraktion, die sich das gefallen lassen müssen, aufbringen; denn dieses Verhalten ist insbesondere in einer Koalition ausgesprochen unsolidarisch. Ich kann das auch deshalb sagen, weil ich in einer Koalition in einer verantwortungsvollen Position war und häufig Dinge mittragen musste, die mir nicht geschmeckt haben. Aber dazu muss man dann eben auch stehen. Das gehört dazu. Das ist eine Frage des Charakters.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

   Kollege Solms, gestatten Sie zum Schluss Ihrer Redezeit noch eine Zwischenfrage?

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

   Ja.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

   Herr Dr. Solms, es wird Ihnen nicht gelingen, mit solchen Aussagen einen Keil in die Koalition zu treiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte Sie fragen, warum eigentlich in den 29 Jahren, in denen Sie mit -regiert haben, all das, was Sie von sich gegeben haben - ich erinnere an das Steuertarifmodell 15, 25 und 35 sowie an die Senkung der Staatsquote und der Sozialversicherungsbeiträge auf 35 Prozent -, niemals Gesetzeskraft erlangt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Weil Sie es abgelehnt haben! - Abg. Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) nimmt wieder Platz)

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

   Würden Sie bitte stehen bleiben, damit mir die Zeit für die Antwort nicht angerechnet wird, Frau Kollegin?

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie war eh schon abgelaufen!)

Erinnern Sie sich an die Petersberger Beschlüsse und die daraus resultierende Steuerreform? Diese Steuerreform sah als Spitzensteuersätze bei der Körperschaftsteuer 35 Prozent und bei der Einkommensteuer 39 Prozent bei einem Eingangsteuersatz von 15 Prozent vor. Das heißt, wir waren ganz nahe dran.

(Lothar Binding [Heidelberg] (SPD): Aber es war nicht finanziert!)

Wir wollten in diesem Zusammenhang Subventionen kategorisch abbauen. Dieses Konzept hat der damalige Parteivorsitzende Oskar Lafontaine mit der damaligen Bundesratsmehrheit der SPD verhindert,

(Elke Wülfing (CDU/CSU): So ist es! - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht 29 Jahre lang!)

übrigens in einem Moment, als der hessische Ministerpräsident Hans Eichel bereits abgewählt war, aber missbräuchlich seine Stimme noch genutzt hat, um diese Steuerreform zu verhindern, obwohl er eigentlich das Vertrauen der Bevölkerung nicht mehr gehabt hatte. Auch das ist ein beredtes Beispiel für die Glaubwürdigkeit dieser Regierung.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 29. Sitzung - wird am
Montag, den 24. Februar 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15029
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