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15. Wahlperiode
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   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * * * *

   33. Sitzung

   Berlin, Dienstag, den 18. März 2003

   Beginn: 12.00 Uhr

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Guten Tag, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Wir alle haben, glaube ich, das Gefühl, dass, während wir hier zusammensitzen, entscheidende Dinge passieren, die uns wie auch die Bevölkerung sehr stark beschäftigen. Auch wir kennen das Gefühl von Ohnmacht. Aber wenn einer diesem Gefühl nicht nachgeben darf, dann sind das die Parlamentarier. Deswegen ist es richtig, dass wir unsere Arbeit tun. Wir werden aber das, was im Moment alle beschäftigt und was die Welt in diesen Tagen möglicherweise verändern wird, in der Generaldebatte sicherlich ausführlich besprechen.

   So wollen wir nun mit unserer Arbeit beginnen und ich rufe Tagesordnungspunkt I auf:

Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2003 (Haushaltsgesetz 2003)

- Drucksachen 15/150, 15/402 -

(Erste Beratung 14. Sitzung)

   Wir kommen zur Beratung der Einzelpläne. Zunächst stimmen wir über die drei Einzelpläne ab, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Ich rufe auf:

Einzelplan 01

Bundespräsident und Bundespräsidialamt

- Drucksachen 15/551, 15/572 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Herbert Frankenhauser
Klaas Hübner
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin

   Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 01 ist damit mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, der FDP-Fraktion sowie der beiden fraktionslosen Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau bei Enthaltung der CDU/CSU-Fraktion angenommen.

   Ich rufe auf:

Einzelplan 02

Deutscher Bundestag

- Drucksachen 15/552, 15/572 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Johannes Kahrs
Paul Breuer
Franziska Eichstädt-Bohlig
Jürgen Koppelin

   Wer stimmt für den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 02 ist mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen.

   Ich rufe auf:

Einzelplan 03

Bundesrat

- Drucksachen 15/553, 15/572 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Petra-Evelyne Merkel
Albrecht Feibel
Franziska Eichstädt-Bohlig
Otto Fricke

   Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschussfassung? - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch der Einzelplan 03 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

   Ich rufe nun auf:

Einzelplan 08

Bundesministerium der Finanzen

- Drucksachen 15/558, 15/572 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme
Bernhard Brinkmann (Hildesheim)
Klaas Hübner
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

Einzelplan 32

Bundesschuld

- Drucksache 15/570 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

Einzelplan 60

Allgemeine Finanzverwaltung

- Drucksache 15/571 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Hans-Joachim Fuchtel
Walter Schöler
Antje Hermenau
Dr. Günter Rexrodt

Einzelplan 20

Bundesrechnungshof

- Drucksachen 15/567, 15/572 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Anja Hajduk
Iris Hoffmann (Wismar)
Bernhard Kaster
Otto Fricke

   Zu Einzelplan 32 liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor. Zu Einzelplan 60 liegen je ein Änderungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen und der Fraktion der CDU/CSU sowie zwei Entschließungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor. Über die Entschließungsanträge werden wir am Donnerstag nach der Schlussabstimmung abstimmen.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. - Widerspruch höre ich keinen. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache.

(Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP] meldet sich zur Geschäftsordnung)

- Es liegt eine Meldung für eine Rede zur Geschäftsordnung vor. Bitte, Herr Thiele.

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

   Sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, Sie haben die Aussprache gerade eröffnet. Wir beantragen, die Aussprache zu unterbrechen, bis der Finanzminister anwesend ist. Ich halte es für einen ungewöhnlichen Vorgang, dass der Bundeshaushalt erörtert wird und der Finanzminister, der sogar sprechen soll, nicht anwesend ist. Ich bitte, die Sitzung bis zu seinem Erscheinen zu unterbrechen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

   Es wurde beantragt, die Sitzung zu unterbrechen. - Mir wird Einverständnis im ganzen Hause signalisiert. Ist das richtig oder gibt es weitere Meldungen zur Geschäftsordnung? - Das ist nicht der Fall. Hiermit stelle ich Einvernehmen in der Frage einer Sitzungsunterbrechung fest. Es wird Ihnen bekannt gegeben, wann die Sitzung wieder eröffnet wird.

(Unterbrechung von 12.06 bis 12.10 Uhr)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

   Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet. Der Finanzminister ist inzwischen eingetroffen. Er bittet um das Wort für eine persönliche Erklärung.

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

   Meine Damen und Herren, meine Verspätung tut mir Leid. Aufgrund eines Staatsbesuches - ich weiß im Moment nicht, welcher - waren die Kreuzungen an der Behrenstraße und Unter den Linden für eine längere Zeit vollständig gesperrt. Eine solche Verspätung ist ansonsten nicht meine Art.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

   Ich kann die Aussprache nun eröffnen. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dietrich Austermann für die CDU/CSU.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! In den letzten Monaten hat auch in Deutschland die Außenpolitik in der politischen Debatte eine überragende Rolle gespielt. Die Lage spitzt sich heute zu. Die Verantwortung für diese Krise und ihre Zuspitzung tragen Saddam Hussein und diejenigen in seinem Lande, die den Terror unterstützen. Um der Menschen willen hoffen wir auf eine letzte Chance für den Frieden.

   Unabhängig von der außenpolitischen Lage bleibt die Verpflichtung, im Inland die Dinge in Ordnung zu bringen. Angesichts der wirtschaftlichen Folgen der letzten zweieinhalb Jahre Rot-Grün, nach 1 400 Tagen Finanzpolitik unter Hans Eichel, nach fünf Haushaltsplänen aus seiner Feder und erst recht in dieser politischen Lage muss man immer mehr den Eindruck gewinnen: Was hier von Rot-Grün veranstaltet wird, ist sinnlos.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Man kann das mit den Worten überschreiben, dass der im Dezember vorgelegte Bundeshaushalt an Realitätsferne nicht zu überbieten ist, dass der Haushalt wegen dieser Realitätsferne das Vertrauen der Bürger und Investoren in Deutschland weiter zerstört und dass wir daraufhin eine Entwicklung in unserem Land haben, die jeder Bürger in seinem Portemonnaie spürt und die immer mehr Arbeitslose persönlich erleiden und ertragen müssen. Es gibt kein Vertrauen mehr in die Haushaltspolitik des Bundes. Bundesbank, Bundespräsident und Bundesrechnungshof fordern Kurskorrekturen, die aber nicht getroffen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das Frappierende an dieser Situation ist, dass der Bundesfinanzminister, der die Menschen vor der Bundestagswahl belogen und betrogen hat - -

(Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD - Franz Müntefering [SPD]: Das ist ja ein guter Start! Die Arroganz, die Sie hier vorbringen, könnten Sie sich ersparen!)

- Herr Müntefering, für eine Schätzabweichung von 11 Milliarden Euro im Haushalt gibt es keine andere Erklärung als die, dass hier die Wahrheit vorsätzlich verdreht worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dies wurde mit dem Nachtragshaushalt fortgesetzt, der im November vorgelegt wurde und bei dem die Schätzungen wieder um einen fast zweistelligen Milliardenbetrag von der Realität abgewichen sind.

   Ich glaube, es ist deutlich geworden, dass jede Zahl, die in der letzten Zeit vom Finanzministerium genannt worden ist, mit der Realität nichts mehr zu tun hat. Das ist deshalb dramatisch, weil viele Investoren darauf vertrauen wollen, dass es mit der wirtschaftlichen Entwicklung in unserem Lande vorangeht, und in diesem Vertrauen fast täglich neu enttäuscht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie haben Ende letzten Jahres eine scheinbar positive Veränderung in Ihrem Haushalt nur deshalb erreicht, weil Sie vor allen Dingen im Osten den zweiten Arbeitsmarkt konzeptionslos und brutal zusammengeknüppelt und Mittel eingespart haben, um nicht einen zu hohen Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit ausweisen zu müssen.

   Auch haben Sie, Herr Eichel, die Einnahmen aus der Mineralölsteuer in Höhe von 1 Milliarde Euro noch schnell in das Jahr 2002 vorgezogen.

(Hans Eichel, Bundesminister: Nein!)

- Doch, das hat Ihr Staatssekretär im Haushaltsausschuss zugegeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Sie haben Ende Dezember 2002 1 Milliarde Euro eingezogen, um die Bilanz etwas zu schönen. Dies hatte im Januar dieses Jahres entsprechende Konsequenzen in Form von Steuermindereinnahmen.

   Ein weiterer Punkt, an dem man feststellen muss, dass all die vorhandenen Vorgaben, mit der Realität nicht mehr in Einklang zu bringen sind, ist das Finanzierungskonzept für die Fluthilfe, das grandios gescheitert ist.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ein Unsinn! Woher wissen Sie denn das?)

Steuermehreinnahmen, die das Ganze decken sollten, sind nicht eingetreten. Jetzt finanzieren Sie die Hilfe für den Wiederaufbau in den neuen Bundesländern über höhere Schulden. Der Bundesbankgewinn wäre in der Tat das bessere Finanzierungsmodell gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Meine Damen und Herren, die Haushaltspolitik wird zunehmend irrational. Sie ist kaum noch nachvollziehbar.

(Beifall der Abg. Dr. Angela Merkel [CDU/CSU])

Mit einer immer stärkeren Belastung von Bürgern und Betrieben sollen Konjunktur und Investitionen angekurbelt werden.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das versteht kein Mensch mehr!)

Das begann am Jahresanfang mit einer Fülle von Steuer- und Energiepreiserhöhungen, die jeder Bürger in seinem Portemonnaie spürt. Dann setzte es sich - Herr Müntefering, Sie können gleich wieder aufschreien; ich möchte das Ganze fast „Steuerterror“ nennen - mit dem Plan fort, 48 neue Steuern zu erheben bzw. Steuerveränderungen vorzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dabei ging es zum Teil um Kinderkram - von der Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Blumen bis zu allen möglichen anderen Regelungen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

Damit wollten Sie eine Verbesserung der Haushaltssituation erreichen.

   Sie haben diesem Haushalt ein Steuervergünstigungsabbaugesetz mit Mehreinnahmen unterstellt, obwohl Sie genau wissen, dass dieses so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz im Bundesrat überhaupt keine Chance hat. Sie rechnen damit, durch die Abgeltungsteuer mehr Geld einzunehmen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Weil wir für Steuergerechtigkeit sind! Das ist doch klar!)

- Wenn das, was Sie hier in Deutschland seit zweieinhalb Jahren machen,

(Joachim Poß [SPD]: Sie tragen doch auch Verantwortung in den Ländern und in den Kommunen!)

Steuergerechtigkeit ist, dann fragen Sie doch bitte die Wähler in Hessen, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und - am letzten Sonntag - in Kiel, ob sie das, was Sie machen, für gerecht halten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Die Bundesregierung rechnet laut Jahreswirtschaftsbericht mit einem geringeren Wachstum. Im Haushaltsentwurf findet dies aber keine Widerspiegelung.

(Hans Eichel, Bundesminister: Das stimmt nicht!)

Sie ziehen im Haushalt keine Konsequenzen. Immer mehr kurzfristige Kredite werden aufgenommen, damit jetzt schnell Geld vorhanden ist. Dabei verschiebt man die Belastung, die sich aus diesen kurzfristigen Krediten ergibt, in die Zukunft. Unverändert nehmen die konsumtiven Ausgaben zu. Die Verschuldung steigt. Der Rückgang der Investitionen zeigt eine Lastenverschiebung in die Zukunft.

   Eine Fülle von Haushaltsposten, von der Kohle bis zur Raumfahrt, werden in diesem Jahr zu niedrig angesetzt. Dies tut man in der Hoffnung, dass die Antragsteller - man muss sich in der Tat einmal mit Vertretern der Ruhrkohle AG unterhalten - in diesem Jahr das Geld, auf das sie ein Recht haben, nicht einfordern werden. Nein, man könnte sich auf den ehemaligen Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Herrn Gabriel, beziehen - die älteren Niedersachsen unter Ihnen werden sich noch an ihn erinnern -,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

der von „Voodoo-Ökonomie“ gesprochen hat, als er die Finanzpolitik von Herrn Eichel beschrieben hat.

   Ich frage: Welche Konsequenzen wurden in den Haushaltsberatungen aus diesem unglaublichen Haushaltsentwurf gezogen? Insgesamt gab es eine Veränderung um 300 Millionen Euro. Auf dem Papier wurden Mehrausgaben durch Steuermehreinnahmen gegenfinanziert, die - ich habe davon gesprochen - überhaupt nicht realistisch sind. Neue globale Minderausgaben wurden eingeplant, andere ausgeplant. Die restliche globale Minderausgabe in Höhe von 1 Milliarde Euro wird noch eingespart werden müssen. Im Bereich von Forschungs- und Verkehrsinvestitionen wurden Kürzungen vorgesehen.

   Ich möchte den Metrorapid, weil er die Kollegen aus Nordrhein-Westfalen interessiert, als Beispiel nennen. Man hat dem Land Nordrhein-Westfalen für dieses Jahr 80 Millionen Euro zugesagt. Wie sind diese Mittel aufgebracht worden? Im Verkehrsetat hat man für diese Mehrausgabe eine Minderausgabe in der gleichen Höhe vorgesehen. Das bedeutet, dass alle anderen Verkehrsträger - von der Schiene über die Straße bis zur Wasserstraße - jetzt das Geld für ein nicht haushaltsreifes und unsinniges Projekt aufbringen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Der Verkehrsetat wurde zurechtgestutzt bzw. zusammengestutzt, obwohl im Verkehrsetat eine Mehreinnahme in Höhe von 1 Milliarde Euro aus der Maut veranschlagt ist. Vielleicht können Sie sich noch daran erinnern, dass vor zwei oder drei Jahren davon gesprochen wurde, in Deutschland solle ein Anti-Stau-Programm aufgelegt, werden, sodass künftig auf allen Autobahnen durchgängig und ständig auf drei oder vier Spuren gefahren werden könne. Was findet man von diesem Anti-Stau-Programm im diesjährigem Haushalt erstmals wieder? Es ist ein Betrag in Höhe von 20 Millionen Euro.

Von diesen 20 Millionen Euro - das sind, glaube ich, zwei oder drei kleinere Straßenbauprojekte irgendwo in Deutschland - muss man ausgehen, wenn man berücksichtigt, dass der Verkehrsetat insgesamt reduziert worden ist. Das heißt: Es wird weniger für Infrastruktur in Deutschland ausgegeben, obwohl durch die Mautgebühren 1 Milliarde Euro mehr zur Verfügung stehen soll.

   Eichel hat trotz der im Jahreswirtschaftsbericht von 1,5 auf 1 Prozent reduzierten Wachstumserwartungen praktisch keine Anpassung der Haushaltseckwerte vorgenommen. Die wesentlichen Schätzansätze wurden aus anderen Gründen nur geringfügig verändert. Mittlerweile haben alle kompetenten Institute deutlich gemacht, dass sie davon ausgehen, dass es in diesem Jahr weder ein Wachstum von 1,5 Prozent noch von 1 Prozent geben wird. Das Kieler Institut für Weltwirtschaft schätzt 0,4 Prozent, das RWI 0,6 Prozent, die OECD hat ebenfalls eine Reduzierung angekündigt. Das alles soll ohne jede Wirkung auf den Haushalt der Bundesrepublik Deutschland sein? Wie kann man da den Finanzminister noch ernst nehmen?

   Wir wissen, dass er am Freitag mit dem Bundeskanzler und dem Bundesaußenminister nach Brüssel marschieren muss. Ich bezeichne das als Canossagang, weil es bedeutet, dass Deutschland darum bitten muss,

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Sie wissen doch ganz genau, dass das etwas anderes ist!)

dass man trotz der absehbaren Überschreitung der Maastricht-Kriterien kein Strafverfahren zu gewärtigen hat. Vielleicht sagen Sie etwas dazu, Herr Eichel, was eigentlich der Anlass dieses Termins ist und wie es mit dem Maastrichter Vertrag in Einklang zu bringen ist,

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Das ist der Europäische Rat!)

dass Ihnen die EU-Kommission diesen Nachlass für schlechte Arbeit gewähren will. Wir werden in diesem Jahr aufgrund der veränderten wirtschaftlichen Daten Steuerausfälle von mindestens 4 Milliarden Euro haben. Wir werden Mehrausgaben bei der Bundesanstalt für Arbeit in der Größenordnung von etwa 5 Milliarden Euro haben. Wenn Sie sich die Bilanz nach zwei Monaten ansehen, Herr Kollege, dann werden Sie sehen, dass der Bundesanstalt für Arbeit, die nach Regierungsverdikt mit einem Nullzuschuss in diesem Jahr auskommen soll, bisher schon 1,6 Milliarden Euro fehlen.

   Wenn ich nur diese beiden Daten zusammennehme, dann heißt das, dass die Nettokreditaufnahme des Bundes um 10 Milliarden Euro über dem veranschlagten Soll, also bei rund 30 Milliarden Euro, liegt. Alfred Boss vom Institut für Weltwirtschaft geht davon aus, dass wir bei einem Wachstum von 1 Prozent deutlich über 30 Milliarden Euro liegen würden. Das heißt - die Dramatik der Situation ist gar nicht hoch genug einzuschätzen -: Der Bundesfinanzminister wird zum zweiten Mal nacheinander einen Haushalt vorlegen, der der Verfassung nicht entspricht,

(Zuruf von der SPD: Das konnte Theo Waigel besser!)

er wird zum zweiten Mal einen Haushalt vorlegen, der nicht im Einklang mit europäischem Recht steht. Ich glaube, es wird deutlich, dass das Königsrecht des Parlaments, über den Haushalt zu beschließen und die Entscheidungen zu treffen, die Vertrauen in die Zukunft schaffen sollen, die zwischen Investitionen und Konsum abwägen und deutlich machen, in welche Richtung unser Land in diesem Jahr marschieren soll, zur Farce verkommt, wenn Daten auf dem Tisch liegen, die mit der Realität nichts zu tun haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   10 Kilo Papier, 3 500 Seiten, aber nicht eine einzige Andeutung dazu, wie es mehr Chancen für die Menschen in diesem Land geben soll. Dass mit Steuermindereinnahmen und bei der Bundesanstalt für Arbeit mit Mehrausgaben zu rechnen ist, kann gar nicht bestritten werden.

   Ein weiteres Risiko für diesen Haushalt liegt in der Sozialversicherung. Auch da sind nach 1 400 Tagen Hans Eichel Defizite in allen Bereichen zu beklagen, und zwar bei der Pflegeversicherung, bei der gesetzlichen Krankenversicherung und - was haushaltswirksam ist - bei der Rentenversicherung sowie bei der Sozial- und Jugendhilfe. Überall haben wir eine Defizitwirtschaft, nachdem wir 1998 eine andere Situation hatten.

(Lachen bei der SPD - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Lächerlich!)

- Es ist unbestreitbar, dass die Pflegeversicherung heute noch davon lebt, dass wir einen Überschuss erwirtschaftet haben, der aus den Rücklagen von 1998 resultiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es ist unbestreitbar, dass die gesetzliche Krankenversicherung - ich sehe den Kollegen Seehofer an - im Jahr 1998 Überschüsse hatte, und es ist unbestreitbar, dass auch die Rentenfinanzen 1998 in Ordnung waren,

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

und zwar aufgrund einer Rentenreform, nach der Sie sich heute, da die Zeitungen jeden Tag fragen, wie hoch denn der Beitrag in diesem Jahr sein wird, die Finger lecken.

(Widerspruch bei der SPD - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Alzheimer!)

   Angesichts der Tatsache, dass wir schon jetzt damit rechnen müssen, dass der Bund wegen der wegbrechenden Schwankungsreserve bei der Rente in Anspruch genommen wird, ist mir völlig unverständlich, wie man aufseiten der Koalition dicke Backen machen kann.

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wissen Sie, wie hoch die Schwankungsreserven ausgelastet waren?)

Die Folgen einer fehlerhaften Finanz-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik für die Nettokreditaufnahme sind unübersehbar. Ich will das noch einmal deutlich machen, weil der Finanzminister gerne den Eindruck erweckt, er habe nun einen anderen Kurs eingeschlagen, der in die richtige Richtung führe und etwas mit Konsolidierung zu tun habe. Viele Wirtschaftsfachleute empfehlen in der Tat, er möge seinen Konsolidierungskurs fortsetzen. Ich kann das nur so deuten, dass sich diese Fachleute nicht mit den Haushaltsdaten beschäftigt haben.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)

   Lassen Sie mich eines konkret feststellen, Herr Minister Eichel: Die Gesamtausgaben liegen in diesem Jahr um 16 Milliarden Euro höher als 1998. Das ist ein Plus von 6,7 Prozent.

(Lachen des Bundesministers Hans Eichel - Hans Eichel, Bundesminister: Das ist unglaublich!)

- Ich will nicht darauf eingehen, wofür es spricht, wenn man in dieser Situation bei klaren Fakten vor sich hin grinst. - Die Investitionsquote hat ein historisches Tief erreicht. Die Ausgaben für den Arbeitsmarkt liegen auf einem Rekordniveau. Die Nettokreditaufnahme - ich habe das bereits ausgeführt - liegt zum zweiten Mal oberhalb der Grenze, die die Verfassung zulässt. Wir haben im vergangenen Jahr eine Rekordverschuldung gehabt und es ist davon auszugehen, dass auch in diesem Jahr die Maastricht-Kriterien verletzt werden.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

   Spricht das alles für einen Konsolidierungskurs oder für einen geordneten Haushaltskurs?

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nein!)

Nein, vielmehr wird der Schuldenstand in diesem Jahr mit voraussichtlich 825 Milliarden Euro um 80 Milliarden Euro höher liegen als 1998. Das ist deshalb interessant, weil Sie im gleichen Zeitraum den Menschen 70 Milliarden Euro mehr an Steuern aus der Tasche gezogen und außerdem noch 50 Milliarden Euro durch den Erlös aus der Versteigerung der UMTS-Lizenzen eingenommen haben.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Leider wahr! - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schlimme Wahrheit!)

Trotz dieser zusätzlichen Rekordeinnahmen durch die Privatisierung ist eine so kümmerliche Bilanz dieser Finanz- und Haushaltspolitik zu ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Die rot-grüne Perspektive ist - soweit man sie aus dem Haushalt ableiten will - nicht zukunftsorientiert. Die Ausgaben für den Konsum steigen, die Investitionsausgaben sinken. Die Investitionsquote liegt ohne die Fluthilfe deutlich unter 10 Prozent. Die Bundesregierung erhöht den Staatsverbrauch bzw. die Staatsquote, um sich vor notwendigen Reformen zu drücken.

   Die Regierungserklärung des Bundeskanzlers, die in Teilbereichen durchaus eine Kursbegradigung, wenn auch leider keine Kurskorrektur ist und die in Teilbereichen die Rechtslage von 1998 wieder herstellt und dies als großartigen Erfolg feiert, ist in der Summe ihrer Ankündigungen leider nicht angetan, in Deutschland wieder die Dynamik herbeizuführen, die es 1998 in der wirtschaftlichen Entwicklung gegeben hat. Das entscheidende Kriterium für eine erfolgreiche Finanz- und Haushaltspolitik muss darin bestehen, ob die Regierung - soweit sie als staatliche Instanz dazu imstande ist - einen Beitrag dazu leistet, dass die wirtschaftliche Entwicklung aufwärts verläuft, oder ob sie weiter auf der Stelle tritt.

   Wir sind - um das gleich festzuhalten - eindeutig gegen das schuldenfinanzierte Investitionsprogramm, das gestern im Haushaltsausschuss im Einzelnen konkret vorgestellt wurde. Die Zinsen sind ohnehin auf einem historischen Tiefstand. Das Programm kann deshalb nur eine nutzlose Subvention bedeuten. Die Investoren werden zwar die Zinsverbilligungen mitnehmen, aber keinen Cent mehr investieren. Es wird nicht einmal zu einem Strohfeuer kommen. Denn das Stroh ist nass; Kredite sind bereits jetzt extrem billig. Ein Kreditprogramm für hoch verschuldete Gemeinden bringt nichts. Diese Gemeinden brauchen vielmehr frisches Geld und eigene Einnahmen.

   Die von Ihnen betriebene Politik in Bezug auf Gewerbesteuer, Gewerbesteuerumlage, Finanzausgleich, Ökosteuer und Grundsicherung bedeutet, dass Sie den Bürgermeistern der Gemeinden die Beine wegschlagen und ihnen anschließend eine Gehhilfe zur Miete anbieten. Das tragen wir nicht mit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])

   Als wir im Haushaltsausschuss des Bundestages die Freistellung der Kommunen von der Fluthilfe gefordert haben, haben Sie abgelehnt. Immerhin: Jetzt soll dieses Vorhaben doch umgesetzt werden. Wir haben die Aufstockung der Mittel für die Forschungsgesellschaften - die Max-Planck-Gesellschaft, die Fraunhofer-Gesellschaft, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und andere - nach dem mit den Ländern vereinbarten Schlüssel gefordert.

Sie haben das im Haushaltsausschuss abgelehnt. Der Bundeskanzler hat zwar am letzten Freitag an dieser Stelle gesagt, das wolle man machen. Er hat bloß das Jahr 2003 ausgespart. Die Mittel sollen also in diesem Jahr noch nicht zur Verfügung gestellt werden. Ich halte das für eine unglaubliche Täuschung der Bürger.

   Wir wollten beim Haushalt eine Reihe von Veränderungen durchsetzen: Stärkung der öffentlichen Investitionen, insbesondere der Verkehrsinvestitionen, Erhöhung der Städtebauförderung und Stärkung der Ausgaben im Bereich Bildung und Forschung. Es geht um Investitionen in die Zukunft, die zurzeit dramatisch vernachlässigt werden. Wir wollten des Weiteren ein nationales Raumfahrtprogramm, mehr Mittel für Meeresforschung und Meerestechnik sowie für die Werften. Wir wollten vor allen Dingen den neuen Bundesländern eine größere Chance geben, über höhere Ausgaben zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur beizutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollten außerdem eine Erhöhung der Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Agrarstruktur und Küstenschutz“. Wir wollten auch den Verteidigungsetat anheben. Es kann doch nicht richtig sein, dass der Bundesaußenminister von einer Stärkung des Militärischen spricht, dass aber der Verteidigungsetat durch klammheimliche Zusagen, die gegeben werden mussten, immer weiter sinkt.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Jawohl!)

   An all diesen Stellen wollten wir Akzente in Richtung Zukunft setzen. Sie haben das alles abgelehnt. Sie haben die Verantwortung für den vorliegenden Haushaltsentwurf zu tragen, der mit der Realität nichts zu tun hat.

   Die Denkzettel bei den letzten drei Wahlen, bei den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen sowie bei der Kommunalwahl in Schleswig-Holstein, sind offensichtlich noch lange nicht genug. Die Bürger haben erkannt: Die jetzige Regierung hat es aufgegeben, einen Beitrag zu einer Finanzpolitik zu leisten, die der Zukunft zugewandt ist. Eichel hat es schon immer verstanden, die Zahlen zu verdrehen. Ich glaube, Herr Minister, wenn Sie heute Bilanz ziehen und versuchen, das, was vorliegt, mit der Realität in Einklang zu bringen, dann werden Sie feststellen müssen, dass Sie von ihr meilenweit entfernt sind. Wer so weit von der Realität entfernt ist wie Sie, der hat zumindest als Minister in einem Ministerium nichts zu suchen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Walter Schöler.

Walter Schöler (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Kollege Austermann hat soeben in der ihm eigenen Art - wir sind es ja nicht anders gewohnt - den Pinsel tief in schwarze Farbe getaucht und Schwarzmalerei betrieben, wie sie falscher nicht sein kann. Wie gesagt, Herr Kollege Austermann, ich bin von Ihnen überhaupt nichts anderes gewohnt. Wir alle wissen, dass Sie einer der unbegabtesten Propheten in unserem Land sind; denn mit einer Fülle falscher Einschätzungen und kaum noch zu zählender unsinniger Forderungen nach Nachtragshaushalten in den letzten Jahren haben Sie sich selber doch völlig disqualifiziert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Austermann hat noch am 19. Dezember des letzten Jahres in diesem Hause vorhergesagt, die Bundesanstalt für Arbeit benötige 2002 einen Bundeszuschuss in Höhe von 10 Milliarden Euro. Benötigt hat die Bundesanstalt tatsächlich gut 5 Milliarden Euro. Herr Austermann, Sie lagen also um gut 50 Prozent daneben. Das ist eine satte Quote für eine Fehleinschätzung. Die Nettokreditaufnahme haben Sie knapp zwei Wochen vor dem Jahresultimo auf 40 Milliarden Euro geschätzt. Hier lagen Sie um 8 Milliarden Euro neben der tatsächlich benötigten Summe. So sehen Ihre Fähigkeiten der Einschätzung aus. Sie selbst tragen mit Ihren Fähigkeiten zur Disqualifizierung Ihrer Grundaussagen bei, die Sie hier gemacht haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])

- Herr Rexrodt, das ist die Realität.

   Ich möchte bei der Realität bleiben. Wir verkennen keineswegs die schwierige Lage, in der wir alle sind. Das hat auch der Bundeskanzler in seiner Rede am letzten Freitag deutlich gemacht. Wenn man sieht, welch ein zerrissenes Bild die Unionsspitze in der Debatte über die Regierungserklärung abgegeben hat, dann lässt das erwarten, dass es angesichts der unterschiedlichen Meinungen und Mehrheiten, die es in diesem Hause und im Bundesrat gibt, nicht leichter werden wird, in den wichtigen Zukunftsfragen zu den vom Bundeskanzler aufgezeigten Lösungen zu kommen. Aber die Menschen erwarten in den wesentlichen Fragen mehr Einvernehmen zwischen Regierung und Opposition, zumindest mehr als das, was Sie heute Morgen hier gezeigt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wer die Lösung nur aus seiner Interessenlage betrachtet - Sie haben das eben getan; auch die Stellungnahmen der Opposition zur Freitagsrede, die wir alle kennen, die schon vorab verkündeten Stellungnahmen zum Haushalt 2003 sowie die Stellungnahmen von Interessenverbänden, ich nehme da keinen Verband aus, sind dementsprechend -, der liegt absolut falsch. Wir brauchen einen strikten Konsolidierungskurs und wir brauchen die Stärkung der Zukunftsaufgaben.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Von Konsolidierung können wir hier nichts erkennen! Steuererhöhungen!)

Das ist die richtige Antwort auf die augenblicklich sicherlich schwierige wirtschafts- und finanzpolitische Situation. Wir werden der Wirtschaft mit dem vom Bundeskanzler am Freitag vorgestellten Programm zusätzliche kräftige Impulse geben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es ärgert Sie natürlich, dass wir sofort handeln. Es ärgert Sie, dass wir auch im Haushalt 2003 sofort reagiert haben. Das gilt für die Bauwirtschaft, die wir mit einem 15-Milliarden-Euro-Programm unterstützen. Damit helfen wir vor allem kleineren Unternehmen, mittelständischen Betrieben.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das Stroh zündet nicht, Herr Schöler!)

Außerdem werden wir die Finanzausstattung der Gemeinden in diesem Jahr um annähernd 2 Milliarden Euro verbessern. Damit werden kommunale Handlungsspielräume und die Investitionsmöglichkeiten wieder besser.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Nichts da! Die sind doch hoch verschuldet!)

   Von unseren Konsolidierungsmaßnahmen weichen wir deshalb keinen Jota ab.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Diese Maßnahmen sind solide finanziert. Die Nettokreditaufnahme des Bundes wird deshalb um keinen einzigen Euro steigen.

   Die Beratungen des Bundeshaushalts 2003 haben sich angesichts veränderter Konjunkturentwicklungen und auch angesichts der reduzierten Wachstumserwartungen schwierig gestaltet. Das geben wir zu. Dabei hatten sich die Koalitionsfraktionen das ehrgeizige Ziel gesetzt, die im Regierungsentwurf enthaltene globale Minderausgabe von 1,3 Milliarden Euro durch gezielte Einsparungen zu einem großen Teil aufzulösen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts ist verändert worden, Herr Kollege!)

Dieses Ziel haben wir erreicht - Sie haben das nicht für möglich gehalten - und das ärgert Sie. Das hat auch der Redebeitrag von Herrn Austermann heute gezeigt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Was wir getan haben, war ein schmerzhaftes Unterfangen und sicherlich auch mit einem Lernprozess verbunden, sogar in den Ministerien. Wir werden uns mit einer globalen Minderausgabe dieser Größenordnung im Haushaltsausschuss künftig wahrscheinlich nicht mehr befassen müssen; denn diejenigen, die im Kabinett für eine solche Ausgabe stimmen, werden nicht davon ausgehen können, dass sie verschont bleiben. Das zu erkennen war nun einmal ein schmerzhafter Prozess.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die Nettokreditaufnahme ist unverändert!)

Es ist uns gelungen, die globale Minderausgabe auf knapp 400 Millionen Euro zu reduzieren. Das ist ein Betrag, der unserer Meinung nach im Haushaltsvollzug eingesammelt werden muss.

   Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie blieben bei den Beratungen im Haushaltsausschuss doch jeden Beitrag zur Aufarbeitung der Probleme schuldig. An unserer Kernarbeit haben Sie sich doch überhaupt nicht beteiligt!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Typisch!)

Von Ihnen kamen keine konstruktiven Vorschläge. Herr Fuchtel, nennen Sie mir einen einzigen! Stattdessen setzen Sie auf Miesmacherei und auf populistische Forderungen nach ungedeckten Ausgaben. Herr Austermann hat seinen Wunschkatalog gerade noch einmal vorgetragen. Sie haben im Haushaltsausschuss Ausgabeanträge mit einem Volumen von annähernd 3 Milliarden Euro gestellt, und das ohne dafür eine seriöse Deckung anbieten zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Umso wichtiger ist das Ergebnis unserer Beratungen:

   Erstens. Es bleibt - das haben Sie gar nicht für möglich gehalten - bei der Nettokreditaufnahme von 18,9 Milliarden Euro. Das ist die geringste Neuverschuldung seit der Wiedervereinigung.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das steht doch nur auf dem Papier!)

Es ist eine Reduzierung gegenüber dem Vorjahr um immerhin 13 Milliarden Euro. Das macht eines klar: Wir bleiben auf Konsolidierungskurs.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])

   Zweitens. Wir halten am Ziel eines ausgeglichenen Haushalts ohne Neuverschuldung bis 2006 fest.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Welches 2006?)

- Das Jahr 2006, lieber Steffen! Wir werden das bei anderer Gelegenheit sicherlich noch einmal diskutieren können.

   Allerdings wissen wir - das muss ich auch sagen -, dass der Weg dorthin äußerst steil und auch schwieriger geworden ist. Deshalb ist er nur bei strikter Ausgabendisziplin und bei einer wirtschaftlichen Erholung zu meistern. Die Ausgaben konnten mit 248,2 Milliarden Euro nahezu unverändert auf dem Niveau des Regierungsentwurfs gehalten werden. Sie liegen damit im Übrigen um 0,4 Prozent niedriger als 2002. Wenn man zur besseren Vergleichbarkeit die Sonderbelastung aus dem Hochwasserhilfefonds herausrechnet, dann zeigt sich, dass die Ausgaben gegenüber dem Vorjahr sogar um 1,9 Prozent gesunken sind. Das ist ein deutlicher Indikator für Haushaltskonsolidierung.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Steuererhöhung ist das, was Sie da vorlegen!)

Diese Zahlen werden nicht trügen.

   Das gilt im Übrigen - nächster Punkt - auch für die mittelfristige Betrachtung. Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt - er betrug 1999 noch 12,5 Prozent - ist inzwischen auf 11,3 Prozent gesunken. Der Bund hat in diesem Zeitraum den Anteil seiner Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt also um 1,2 Prozentpunkte zurückgeführt. Das sind fast 30 Milliarden Euro. Das widerlegt eindeutig Ihr ständig wiederholtes Gerede davon, der Bund konsolidiere nur auf der Einnahmeseite, aber er spare nicht. Das ist nicht der Fall.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Auf der Einnahmeseite hatten wir Mindereinnahmen zu verkraften. Nach der Korrektur der Wachstumsannahmen Anfang des Jahres war eine Neuschätzung der Steuereinnahmen notwendig. Im Vergleich zur Novemberschätzung 2002 ergeben sich daraus Steuerausfälle von rund 1 Milliarde Euro. Außerdem haben wir den Ansatz für die Privatisierungserlöse um 700 Millionen Euro gesenkt.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer kauft euch noch was ab?)

Wir halten das für eine reale Haushaltspolitik.

   Diesen Mindereinnahmen stehen aber auch Mehreinnahmen in Höhe von 2,1 Milliarden Euro aus der geplanten Kapitalrückholaktion gegenüber. Im Zusammenhang mit der geplanten Neuregelung der Zinsbesteuerung bieten wir denen, die in der Vergangenheit ihre steuerlichen Pflichten nicht erfüllt haben - Sie sollten einmal kritisieren, in welchem Maß das geschehen ist, und zwar in der Zeit, als Sie an der Regierung waren -,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

die Möglichkeit zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit an, allerdings befristet. Bis zum 31. Dezember sind 25 Prozent und in dem Halbjahr danach 35 Prozent zu zahlen.

   Angesichts der riesigen Auslandsguthaben haben wir äußerst vorsichtig geschätzt. Davon, dass im Rahmen dieser Aktion mindestens 20 Milliarden Euro in Deutschland nacherklärt werden, können wir aber zu Recht ausgehen. Bei einer pauschalen Abgabe von 25 Prozent bedeutet das bei diesem Volumen Einnahmen von 5 Milliarden Euro. Davon erhält der Bund rund 2,1 Milliarden Euro, erhalten die Länder 2,1 Milliarden Euro und die Gemeinden immerhin 750 Millionen Euro, die einen Teil des 2-Milliarden-Paketes ausmachen.

   Während Ihrer Regierungszeit - ich muss es noch einmal sagen, Herr Fromme - sind diese Milliardenbeträge an den Steuerkassen vorbei ins Ausland gewandert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diejenigen, die sich daran beteiligt haben, egal ob als Inhaber des Kapitals oder als Berater - die muss man hier auch einmal erwähnen -, sollten - ich kann dazu nur raten - die sich ihnen nun bietende Chance der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit wirklich nutzen.

   Herr Austermann hat die Verfassungsmäßigkeit des Haushalts bezweifelt. Dazu kann ich nur feststellen: Der Haushalt ist auch verfassungsfest. Die Nettokreditaufnahme liegt mit 18,9 Milliarden Euro

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf dem Papier! - Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Auf dem Papier!)

wesentlich unter dem Investitionsvolumen von 26,7 Milliarden Euro und damit deutlich unter der Verschuldungsgrenze, die das Grundgesetz in Art. 115 zieht.

   Mit dem Haushalt leistet der Bund - das haben Sie ebenfalls falsch gesagt, Herr Austermann - auch seinen Beitrag zur Einhaltung der EU-Stabilitätskriterien. Dabei sind die Arbeitsmarktreform, das Steuervergünstigungsabbaugesetz und Reformen in der Sozialversicherung die wesentlichen Bausteine zur Reduzierung des deutschen strukturellen Defizits, so wie es die EU fordert.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht!)

   Auch bei einer Wachstumsannahme von nur noch 1 Prozent liegen wir noch unterhalb der magischen Dreiprozentgrenze, wenn nicht nur der Bund, sondern auch die Bundesländer und die Gemeinden einen strikten Konsolidierungskurs fahren. Das setzt voraus, dass die unionsgeführten Länder bei den Beratungen im Vermittlungsausschuss die mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz erzielbaren Einsparungen in der Höhe mittragen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt haben wir also Schuld für Ihre miese Politik!)

- Steffen Kampeter, wenn das eure einzige Schuld wäre, dann ginge es ja noch, aber es gibt noch ganz andere Dinge in der Vergangenheit, für die ihr die Verantwortung zu tragen habt.

   Die CDU/CSU steht in den Ländern auch in erheblichem Maß in der Mitverantwortung.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

Was für ein Verhalten wird da an den Tag gelegt? Unser Gesetz zur Steuervereinfachung und zum Abbau von ungerechtfertigten Vergünstigungen und Subventionen zu kritisieren, die daraus erzielbaren Einnahmen durch die Landesfinanzminister in den Länderhaushalten veranschlagen zu lassen

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie wissen, dass das nicht zutrifft, Herr Kollege Schöler!)

und anschließend im Bundesrat das Gesetz zu blockieren, das ist Doppelzüngigkeit, die Sie und die von ihnen geführten Bundesländer betreiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Damit - das sage ich Ihnen - werden Sie von der Opposition nicht weiterkommen. Ich bin davon überzeugt: Sie werden letztlich im Vermittlungsausschuss einer Einigung - dazu müssen wir kommen - zustimmen.

   Im Übrigen: Unsere Konsolidierung geht nicht, wie Sie gesagt haben, zulasten von Wachstum und Beschäftigung; denn die Investitionen übersteigen in einem erheblichen Maß - um 1,7 Milliarden Euro - den Ansatz des Vorjahres übersteigen sie um 1,7 Milliarden Euro. Wichtige Vorhaben in den Bereichen Familie, Infrastruktur, Bildung und Forschung haben wir auf hohem Niveau verstetigt oder sogar verstärkt. Am Beispiel der Forschungstitel, die Sie angesprochen haben - wir haben uns eine Zusammenstellung sämtlicher Forschungstitel des Bundeshaushalts fertigen lassen -, können wir nachweisen, dass wir diese über alle Einzelpläne hinweg seit 1998 von rund 6 auf 7 Milliarden Euro erhöht haben. Der Bereich Forschung und Bildung hat sogar eine Steigerung von rund 7 auf insgesamt 10 Milliarden Euro erfahren. Das können Sie im Haushalt nachlesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Rot-Grün setzt damit seine wachstumsstärkende Reformpolitik fort. Die Bundesregierung will grundlegende Reformen, die zur Regierungszeit von CDU/CSU und Kanzler Kohl noch Tabus waren. Wir werden diese Reformen durchsetzen. Ich nenne nur die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe und die Reform im Gesundheitswesen. Das sind dringend erforderliche Reformen,

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dass Ihnen das jetzt endlich mal auffällt!)

die wir jetzt anpacken und in den nächsten Wochen und Monaten beraten werden.

   Zentralen Stellenwert hat auch die Gemeindefinanzreform. Sie haben hier gerade das Hohelied des Jammerns der Kommunen vorgetragen. Diese Gemeindefinanzreform gibt den Kommunen wieder eine tragfähige Grundlage. Der Bundeskanzler hat mit seiner Rede Klarheit geschaffen, wofür ich sehr dankbar bin. Als ersten Schritt erhalten die Gemeinden 2 Milliarden Euro,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Im Haushalt steht nichts!)

die sich aus der Stornierung des Beitrages für die Flutopferhilfe, dem Steuervergünstigungsabbaugesetz und der Auslandskapitalrückholaktion ergeben.

(Hans-Joachim Fuchtel [CDU/CSU]: Wo steht das?)

- Herr Fuchtel, fuchteln Sie hier nicht so herum! Die Gesetzentwürfe werden eingebracht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Der 1. Januar 2004 ist ein unverrückbares Datum für diese Gemeindefinanzreform. Es wird eine erneuerte Gewerbesteuer geben, die die Einnahmen verstetigt und den Gemeinden mehr Eigenverantwortung gibt. Die vorgesehene Ausweitung des Kreises der Steuerpflichtigen ist nicht nur geeignet, die Kommunen aus ihrer Abhängigkeit von nur noch ganz wenigen Steuerzahlern zu befreien. Herr Professor Peffekoven hat hierzu vor einigen Tagen ausdrücklich erklärt, dass kommunale Abgaben für die Bürger und die örtliche Wirtschaft auch spürbar sein müssen, damit diese ihrer Verantwortung für das Gemeinwesen gerecht werden.

(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist ja eine tolle Argumentation!)

- Das hat Professor Peffekoven gesagt. Ich weiß nicht, warum Sie ihm widersprechen wollen.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Na! Herr Peffekoven selbst hat aber kein gutes Haar an Ihrer Finanzpolitik gelassen!)

   Im Übrigen werden wir - auch das ist angekündigt - die Kommunen ab dem 1. Januar 2004 von der Zahlung für die arbeitsfähigen Sozialhilfeempfänger entlasten.

   Sie haben es jahrelang versäumt, eine Gemeindefinanzreform anzupacken. Wir führen diese Reform jetzt durch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Wann denn? Wie denn? Wo denn? Wer denn?)

Ihre letzte Reform auf diesem Gebiet erfolgte 1970, um das einmal in Erinnerung zu rufen. Sie haben es in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit vollkommen verpasst, eine entsprechende Reform anzugehen. Deshalb sage ich Ihnen: Konjunkturpessimismus ist nicht angebracht, er ist sogar schädlich. Was Sie machen, ist nicht in Ordnung. Sie machen mies, statt mitzumachen. Aber Mitmachen ist jetzt die Devise.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, es ist nicht daran herumzudeuteln: Der im Jahreswirtschaftsbericht 2003 angenommene Anstieg des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahresschnitt auf rund 1 Prozent liegt um 1,5 Prozent unter den Erwartungen, die wir noch vor einem Dreivierteljahr hatten. Das ist ein Wert, der uns prognostiziert worden war, den wir uns also nicht selber ausgedacht haben. Deshalb hat der Bundesfinanzminister, deshalb hat die Bundesregierung nach ihrem ersten Entwurf im September gehandelt und den Dezemberentwurf korrigieren müssen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo denn?)

Dieser Entwurf beinhaltet auch ein umfassendes Paket von ausgabenmindernden und einnahmenverbessernden Maßnahmen zum Ausgleich der konjunkturbedingten Belastungen.

   Ich erinnere an das Hartz-Konzept. Durch dessen Umsetzung werden die in der Arbeitsmarktpolitik eingesetzten Mittel effizienter verwendet. Mit weniger Mitteln wird mehr erreicht, um Voraussetzungen für Mehrbeschäftigung in der Zukunft zu schaffen. Auf dieser Grundlage wollen wir trotz der Verschlechterung am Arbeitsmarkt ohne Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit auskommen und den Ansatz für die Arbeitslosenhilfe einhalten. Auch Sie wissen, dass man im Kessel einen gewissen Druck halten muss, damit Maschinen funktionieren. Diesen Druck erzeugen wir mit unseren Maßnahmen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Macht doch gar keinen Haushalt! Das ist am besten!)

   Den zweiten Teil des Konsolidierungspakets im Haushalt bilden Maßnahmen zur Stabilisierung der Steuereinnahmen. Durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz werden Schlupflöcher und ökonomisch wie ökologisch ungerechtfertigte Ausnahmeregelungen beseitigt. Das mag Sie zwar stören, weshalb Sie es Steuererhöhungsgesetz nennen; wir aber nennen das eine gerechtere und transparentere Systematik im Steuerrecht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist Ihnen letzten Freitag eingefallen!)

Außerdem wird damit sichergestellt, dass die Steuereinnahmen sich wieder etwa parallel zum Wachstum entwickeln und sich nicht weiter davon abkoppeln. Sie zeigen hier nur populistische Verweigerungshaltung; das hat Ihr Beitrag klar gemacht.

   Im Übrigen: Hätte die Kohl-Regierung rechtzeitig mit der Konsolidierung begonnen, statt dies sträflich zu versäumen,

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das ist ein alter Hut!)

hätten Sie eine ehrliche, gerechte Lastenverteilung auch im Rahmen der Finanzierung der vereinigungsbedingten Kosten vorgenommen, so stünden wir heute wesentlich besser da.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Hätten wir eine andere Regierung, dann stünden wir besser da! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

- Herr Kampeter, es ist schon sehr erstaunlich, dass Sie sich angesichts der hemmungslosen Verschuldungspolitik während Ihrer Regierungszeit heute als Mahner für eine solide Haushaltspolitik profilieren wollen und gleichzeitig den Bürgern völlig unsolide, weil nicht finanzierbare Versprechen machen. Mit uns und mit Hans Eichel ist der Marsch in den Schuldenstaat gestoppt worden, nicht mit Ihnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Im Gegensatz zu Ihren Behauptungen sind unsere Ansätze für Investitionsmaßnahmen so hoch wie lange nicht mehr. Aus Zeitgründen will ich mir die Einzelheiten ersparen. Im Übrigen werden die Kolleginnen und Kollegen der Fachbereiche zu den verschiedenen Investitionen noch das Wort ergreifen.

   Ich will nur einen Punkt aus dem Verkehrsbereich aufgreifen, Herr Kollege Austermann: Jetzt kritisieren Sie, dass der Metrorapid in Nordrhein-Westfalen von der Bundesregierung finanziert werden soll.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist eine Straßenbahn!)

Wir haben dafür eine VE in Höhe von 2,3 Milliarden Euro eingestellt. Sie hätten es noch vor einigen Wochen doch gar nicht für möglich gehalten, dass wir in diesem Jahr vorzeitig und erstmalig Barmittel in Höhe von 80 Millionen Euro einsetzen.

   Seien Sie im Übrigen bitte vorsichtig: Wir haben auch eine Zusage an Bayern gemacht; diese Zusage gilt. Ich weiß ganz genau, auch von Mitgliedern der Bayerischen Staatsregierung, dass sie es sich nicht mehr erlauben werden, in der Weise, wie Sie es hier kritisieren

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist ja eine miese Drohung! - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Soll das eine Drohung sein!)

- das ist keine Drohung -, auf Nordrhein-Westfalen zu zeigen. Alle werden froh und dankbar sein,

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nein, das ist falsch!)

sowohl in Nordrhein-Westfalen als auch in Bayern, wenn wir diese Maßnahmen mitfinanzieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Eine schnelle S-Bahn!)

- Sagen Sie Ihrem Ministerpräsidenten Stoiber, dass es eine bessere S-Bahn sei, die zum Münchener Flughafen gebaut werden soll!

   Meine Damen und Herren, Sie sehen also: Mit Investitionen in vielen Bereichen wird Deutschland für die Herausforderungen der Zukunft fit gemacht. Bei den anstehenden weitreichenden Strukturreformen scheuen wir keine Konflikte mit Interessengruppen. Es geht darum, überkommene Strukturen aufzubrechen, die zu hohen Effizienzverlusten geführt haben.

   Rot-Grün wird sich bei den anstehenden Reformvorhaben auf die Veränderungsbereitschaft der Bürgerinnen und Bürger stützen. Wir wissen, dass wir uns auf die Ihre nicht stützen können; die Bürgerinnen und Bürger sind jedoch zu viel mehr Maßnahmen bereit, als Sie hier suggerieren wollen.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das werden wir dann sehen!)

Konsolidierung und sinnvolle Reformen der sozialen Sicherungssysteme schaffen Vertrauen in die Zukunft und stärken das Wachstumspotenzial unseres Landes. Deshalb gibt es zu unserer Politik der Erneuerung auf lange Sicht keine Alternative.

   Meine Damen und Herren, ich möchte noch Gelegenheit nehmen, mich abschließend beim Finanzminister und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern seines Hauses für die Zusammenarbeit zu bedanken, ebenso beim Sekretariat des Haushaltsausschusses.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich schließe in diesen Dank alle Mitglieder des Haushaltsausschusses ein, auch wenn das Abstimmungsverhalten unterschiedlich war. Mein besonderer Dank gilt unserem Vorsitzenden, der sicherlich zu einem positiv veränderten Klima bei den Beratungen beigetragen hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Wir wissen auch zu schätzen, dass Sie bereit waren, den Antrag mitzutragen, die Beratungen des Haushalts, die inhaltlich nicht reduziert werden, um einen Tag zu verkürzen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das Kompliment geben wir gern zurück!)

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Günter Rexrodt für die FDP-Fraktion.

Dr. Günter Rexrodt (FDP):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Schöler, Sie haben in der Sache den Mund wirklich sehr voll genommen. Sie haben von Doppelzüngigkeit gesprochen. Wer ist denn hier doppelzüngig? Auf der einen Seite sprechen Sie vom Festhalten am Konsolidierungskurs und von Stabilität. Auf der anderen Seite knüpft der Herr Bundesfinanzminister das Einhalten der Defizitkriterien an Voraussetzungen und Bedingungen, von denen wir alle wissen, dass sie nicht einzuhalten sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir brauchen uns in diesem Land nur umzuschauen: Wer erwartet in diesem Jahr 1 Prozent Wirtschaftswachstum und keinen signifikanten Anstieg der Arbeitslosigkeit? Sie wollen 2,1 Milliarden Euro durch die so genannte Steueramnestie einnehmen. Außerdem gehen Sie in Ihrem Rechenwerk davon aus, dass rund 1,6 Milliarden Euro durch das so genannte Steuervergünstigungsabbaugesetz eingespart werden.

(Albrecht Feibel [CDU/CSU]: Das ist lächerlich!)

Das ist schon an einer Hürde gescheitert und wird bald endgültig scheitern.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Das ist auch gut so!)

   Das Rechenwerk ist mit dem Vorlegen des Haushalts heute schon Makulatur, Herr Bundesfinanzminister.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deutschland wird die Defizitkriterien von Maastricht wieder nicht einhalten. Wir haben unsere Schularbeiten nicht gemacht. Die Finanzpolitik, einstmals das Vorzeigeprojekt rot-grüner Politik, ist kläglich gescheitert.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Der Bundeskanzler hat am letzten Freitag in seiner spät- und halbeinsichtigen Grundsatzrede wie folgt formuliert:

Deshalb halten wir am Ziel der Haushaltskonsolidierung ... fest. Nur: Dieser Pakt darf nicht statisch interpretiert werden.
(Elke Ferner [SPD]: Recht hat er!)
Er lässt Raum ... für Reaktionen auf unvorhergesehene Ereignisse.
(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist eine falsche und höchst gefährliche Aussage,

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Unsinn!)

abgesehen davon, dass an der wirtschaftlichen Entwicklung hier in Deutschland nichts unvorhergesehen war. Wir haben es vielmehr seit langem gewusst und davon gesprochen.

(Lothar Mark (SPD): Aber nichts gemacht!)

   Das Entscheidende, Herr Kollege Mark, ist: Der Stabilitäts- und Wachstumspakt lässt keinen anderen Spielraum als den des Einsatzes der so genannten automatischen Stabilisatoren.

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ja!)

Das sind bestimmte zinspolitische, fiskalpolitische und ausgabenpolitische Maßnahmen

(Elke Ferner [SPD]: Wir wissen das!)

mit dem Ziel, die vorgegebenen Defizitkriterien einzuhalten, aber nicht zu verletzen, wie Sie das wollen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Es widerspricht dem Geist und den Buchstaben dieses Vertrages, hier Raum für Interpretation zu sehen. Das ist Mauschelei und ein Zerstören von wichtigen Basiselementen der Wirtschafts- und Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD)

   Weil ich hier riesige Gefahren sehe, will ich mit großem Nachdruck sagen, was von Rot-Grün an dieser Stelle hineingemogelt wird. Die Bundesbank, eine, wie wir wissen, in der Spitze sozialdemokratisch besetzte Institution, schreibt in einem Papier vom Februar dieses Jahres - also ganz aktuell -:

Nur eine klare finanzpolitische Linie, die eine auf Ausgabenbegrenzung ausgerichtete ... Konsolidierungsperspektive aufweist, kann bei Konsumenten und Investoren bestehende Befürchtungen weiterer Belastungen seitens der Finanzpolitik ausräumen und ... Vertrauen schaffen.
(Lothar Mark [SPD]: Genau das machen wir!)

Das klingt ein bisschen wissenschaftlich, aber es trifft den Nagel auf den Kopf. Die deutsche Wirtschaft leidet unter einer Vertrauenskrise. Die Verbraucher sind verunsichert. Deutschland ist gegenüber seinen Partnerländern zurückgefallen.

   Die Realität des Jahres 2003, Herr Eichel, wird darin bestehen, dass wir einen Nachtragshaushalt haben werden, verbunden mit einer signifikanten Erhöhung der Nettoneuverschuldung. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

   Wenn es nach Herrn Fischer ginge, dann würden die Kosten für die Aufrüstung in Europa - er begründet das europapolitisch - auch noch eingebaut werden. Das kostet Geld.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

So sicher wie das Amen in der Kirche werden wir eine höhere Nettoneuverschuldung und einen Nachtragshaushalt haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sie müssen da gar nicht so erstaunt schauen. Das haben wir schon in der letzten Haushaltsdebatte gesagt. Sie haben das zurückgewiesen; aber es ist eingetreten und es wird wieder eintreten. Wir bedauern das. Einen solchen Haushalt unter diesen Bedingungen vorzulegen und dann noch davon zu sprechen, die Kriterien einhalten zu können, ist einfach eine Täuschung des Parlaments und der Öffentlichkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Denken Sie an meine Worte: Es wird kein Jahr dauern, Herr Eichel.

   Die Bundesregierung ist im Übrigen nicht nur in der Finanzpolitik, ihrem Vorzeigeprojekt, sondern vor allem auch - die Finanzpolitik liefert hierfür den rechentechnischen Nachweis - in der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik gescheitert.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)

   Arbeitsplätze entstehen dann, wenn ausreichend investiert wird.

(Lothar Mark [SPD]: Aber wir können nicht investieren bei den hohen Zinszahlungen! Wir zahlen 40 Milliarden Zinsen!)

Die Investitionsneigung in unserem Lande ist seit Jahren zu niedrig und in letzter Zeit sogar rückläufig. Investitionen leiden unter Unsicherheit. Sie werden wegen einer unsteten, unkalkulierbaren und widersprüchlichen Politik verzögert oder unterlassen. Investitionen versprechen zu wenig Ertrag. Die Politik der Unstetigkeit geht auf die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition zurück.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich bin so fair, zu sagen: Sie haben es mit Ihren unseligen Arbeitsmarktgesetzen - das war 1999 und 2000 -, mit Ihrer am Ende als ungerecht und verkorkst wahrgenommenen Steuerreform, mit Ihrer bürokratischen Rentenreform und mit Ihrem Unvermögen, die Lohnnebenkosten, so wie Sie es lauthals angekündigt hatten, zu senken - die Aufzählung dieser Versäumnisse ließe sich beliebig fortsetzen -, nicht auf diese Unsicherheit angelegt. Aber zu verantworten haben Sie sie.

   Vorhalten lassen müssen Sie sich in diesem Zusammenhang, Herr Kollege Schöler, dass jeder Reformansatz der alten Koalition in der Steuerpolitik, in der Sozialpolitik und in der Ostförderung - ich gebe zu, da war nicht alles Gold, was glänzte - von den Sozialdemokraten und den Grünen mit demagogischen Argumenten bekämpft und blockiert worden ist. All das, was verändert werden sollte, wurde blockiert und mit demagogischen Argumenten in die Ecke gestellt. So kann man keine Politik betreiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Nun muss und will der Bundeskanzler - wir haben seine Rede vom Freitag letzter Woche noch im Ohr - dieses Land in eine andere Richtung bewegen. Halbherzig muss er das tun. Wir Liberalen haben seit vielen Jahren davon gesprochen, was zu tun und was zu lassen ist.

(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: „Gesprochen“ ist richtig! - Elke Ferner [SPD]: 16 Jahre lang! - Weiteren Zuruf von der SPD: Was war denn zu Ihrer Regierungszeit?)

Sie bewegen sich nun in diese Richtung; das ist der Punkt. Sie wollen doch nicht etwa sagen, dass Sie sich in lafontainesche Kategorien begeben? Sie begeben sich in Kategorien, die von der anderen Seite des Hauses seit Jahren vertreten werden. Nur, Sie tun sich schwer dabei; das merken wir.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wie schreibt die Bundesbank: Die hartnäckige Wirtschaftsflaute habe tief greifende gesellschaftspolitische Ursachen. Kennzeichnend dafür seien eine niedrige Geburtenrate

(Dr. Thea Dückert [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die gibt es erst seit Rot-Grün? So ein Quatsch!)

und überzogenes Anspruchsdenken. Die „verbandsstaatlichen und exekutiv-konsensualen Formen der Politik verhindern vielfach notwendige Reformen; die Folgen sind Beharrung und Besitzstandsdenken“.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)

   Meine Damen und Herren, die Bündnisse für alles und jedes waren erklärtermaßen Kernpunkt der Politik in der vorigen Legislaturperiode. Diese Bündnisse für alles und jedes und damit auch Ihre Politik sind gescheitert.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Nun soll alles besser werden, hat der Bundeskanzler gesagt;

(Alexander Bonde [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Recht hat er!)

zunächst einmal mit einem Konjunkturprogramm. Dies wird - bei der KfW - kreditfinanziert; die dafür notwendigen Zinsverbilligungen kommen aus dem Haushalt. In Bezug auf den Wohnungsbau wird nichts passieren; da wird es Mitnahmeeffekte geben. Bei den Kommunen wird deshalb nichts geschehen, weil die Kommunen hoch verschuldet sind und diese Kredite gar nicht bedienen können.

   Sie sagen - zunächst noch folgerichtig -: Wir wollen die Finanzlage der Kommunen verbessern. - Das ist schön. Wir waren aber immer der Meinung, dass man die Finanzlage der Kommunen dadurch verbessern sollte, dass die Gewerbesteuer abgeschafft und den Kommunen ein Hebesatzrecht bei der Einkommensteuer und der Körperschaftsteuer eingeräumt wird. Das tun Sie nicht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie wollen bei der Gewerbesteuer Veränderungen vornehmen; das wird wieder nach hinten losgehen. Herr Eichel, ich sage Ihnen: Das ist keine gute Politik.

Nun zur Bundesanstalt für Arbeit. Die Bundesregierung geht von 4,1 Millionen Arbeitslosen aus. Leider werden wir mehr haben. Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt sind für die Bundesanstalt nicht vorgesehen. Wenn wir uns die Januar- und Februarzahlen dieser Institution angucken, dann sehen wir, dass sie aber bereits darauf hindeuten: Leider wird es gewaltige Zuschüsse geben müssen, Herr Eichel, die Sie nicht in den Haushalt eingestellt haben.

(Walter Schöler [SPD]: Warten Sie es doch erst einmal ab!)

   Dabei würdige ich positiv die Anstrengungen des neuen Präsidenten Gerster und seiner Mannschaft,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Na ja!)

diesen traditionsbelasteten Moloch Bundesanstalt für Arbeit mit Organisations- und Führungsmethoden, die sich in der Wirtschaft bewährt haben, in einen modernen Dienstleistungsbetrieb zu verwandeln. Das Konzept der Personal-Service-Agenturen ist prinzipiell richtig. Ich glaube auch, dass es bessere Vermittlungserfolge geben wird, weil ein neuer Wind weht. Das muss gesagt werden. Aber eine bessere Bundesanstalt ist das eine, richtige Weichenstellungen in der Arbeitsmarktpolitik sind das andere.

(Beifall bei der FDP)

   Hier gebietet es wiederum die Fairness, zu sagen, dass die Rede des Bundeskanzlers wichtige Vorschläge enthält, zum Beispiel die Zusammenfassung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Es ist richtig, verbesserte Anreize für die Eingliederung von Langzeitarbeitslosen vorzusehen. Auch bei den Vorschlägen zum Kündigungsschutz sind erste wichtige Schritte getan worden, aber wiederum nur halbherzige. Das Ganze scheitert daran, dass Sie keine Veränderungen im Tarifrecht wollen, die für uns Liberale der Kernpunkt für eine Reform des Arbeitsmarkts sind.

(Beifall bei der FDP)

Der Flächentarifvertrag schafft eben nicht, wie der Bundeskanzler sagt, gleiche Konkurrenzbedingungen in einer Branche. Er bewirkt das Gegenteil und deshalb bedarf es gesetzlicher Maßnahmen, um auf betrieblicher Ebene zu besseren Vereinbarungen zu kommen. Diese gesetzlichen Veränderungen müssen schnell stattfinden. Wir haben das immer gefordert. Sie sind der Schlüssel zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit.

(Beifall bei der FDP - Walter Schöler [SPD]: Wir machen mit! Wir machen es!)

   Wenn es einen gibt, der mit Herz und Seele dagegen arbeitet, dann sind es die Gewerkschaften, eine Institution, der Sie seit Jahrzehnten verbunden sind. Sie sind mittlerweile eine strukturkonservative Einrichtung.

(Zuruf von der SPD: In welcher Welt leben Sie eigentlich?)

Jede Bewegung und jede Veränderung wird von den Gewerkschaften blockiert und das ist die Ursache für die Arbeitslosigkeit in diesem Land.

(Beifall bei der FDP)

   Noch einige wenige Bemerkungen in Stichworten, weil ich nicht mehr Zeit habe: Nichts ist so überfällig wie die Reform des Rentensystems. Da sind Sie auf halber Strecke stehen geblieben. Im Gesundheitssystem sind Sie noch gar nicht voran gekommen. Jetzt verwendet der Bundeskanzler Begriffe,

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Wo ist er denn?

die wir seit Jahren predigen: Wettbewerb der Kassen, Durchforstung der Leistungen, Selbstbehalt und die Frage, ob es so viele Kassen geben muss. Das alles sagen wir seit Jahrzehnten. Bei Ihnen ist das alles nur halbherzig.

(Elke Ferner [SPD]: Warum haben Sie denn 16 Jahre lang geruht?)

Ich bin Liberaler. Wir haben immer dafür gekämpft.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD)

Wir haben auch in der Union nicht immer den notwendigen Rückhalt gehabt, aber wir haben es immer gewollt und immer dafür gekämpft.

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP], an die SPD gewandt: Sie wollen es doch gar nicht! Wo ist denn die Vorlage?)

Nur ihr habt auf einen Schelm immer anderthalbe gesetzt. Und jetzt geht ihr kleinlaut und halbherzig diesem Kurs hinterher. Das ist die Tatsache.

(Beifall bei der FDP)

   Meine Damen und Herren, dieser Bundesregierung sieht man an: Sie sind die Getriebenen, nicht die Treibenden. Das gilt auch für Sie, Herr Eichel, der Sie uns ein Rechenwerk vorlegen, an das Sie selbst nicht glauben können. Das Parlament müsste Ihnen bei diesem Haushalt antworten: Thema verfehlt, Wiedervorlage in drei Monaten auf realistischer Grundlage.

(Beifall bei der FDP)

   Wir Freien Demokraten sagen Ihnen das heute, wir sagen es Ihnen sehr deutlich

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Es wird auch so kommen!)

und Sie werden sehen, dass wir leider Recht haben werden, Herr Eichel, weil Sie mit Ihrer Politik, auch mit Ihrer Finanzpolitik, vor allem aber mit Ihrer Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, total gescheitert sind. Jetzt sind Sie die Getriebenen. Die Menschen im Lande sehen das und halten Sie nicht mehr für glaubwürdig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Antje Hermenau vom Bündnis 90/Die Grünen.

Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Es sind ziemlich ernste Zeiten, in denen wir über den Bundeshaushalt debattieren. Um das Gedächtnis der FDP aufzufrischen:

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zwischen 1982 und 1998 sind die Lohnnebenkosten von 34 Prozent auf 42 Prozent angestiegen, Herr Rexrodt. Wahrscheinlich haben Sie das vergessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es liegt ja auch schon fünf Jahre zurück.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Herr Rexrodt hat hart gearbeitet, dass es so hoch geht!)

   Nachdem ich mir Ihre Rede angehört habe, muss ich sagen: Sie haben ein solides Feindbild; daran haben Sie jahrelang gemeißelt, spätestens seit fünf Jahren sind Sie an der Arbeit. Aber das hilft uns hier nicht weiter.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Der Haushalt ist in einer schwierigen Lage. Es gab schon früher schwierige Haushaltsjahre: Die deutsche Einheit musste verkraftet werden.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ach, nein?)

1997 ging es um Maastricht. Auch dieses Jahr war schwierig. Ich bin lange genug im Ausschuss, um das einschätzen zu können.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was war es denn diesmal?)

   Herr Rexrodt, wir sind nicht mit dem Prinzip der Nachhaltigkeit gescheitert, jetzt muss es sich bewähren. Die Debatte darüber - das gebe ich gern frank und frei zu - hat in beiden Koalitionsfraktionen fast ein halbes Jahr gedauert. Wir haben aber die Kraft und den Mut aufgebracht, um am Prinzip der Nachhaltigkeit der Staatsfinanzen festzuhalten, damit das öffentliche Leben solide und tragfähig finanziert werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Und wie habt ihr das geschafft?)

   Das manifestiert sich auch im Haushalt 2003. Das erkennen Sie daran, dass wir an der Nettoneuverschuldung von 18,9 Milliarden Euro festgehalten haben, obwohl es viele gab, auch in den eigenen Reihen, die gern mehr Schulden aufgenommen hätten. Wir werden versuchen, das Niveau zu halten.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Obwohl die Realität eine andere ist!)

   Wir haben versucht, das Sparpaket umzusetzen. Sie haben Störfaktoren eingebracht, indem Sie im Bundesrat versuchten, den Steuervergünstigungsabbau zu hintertreiben. Wir mussten das im Haushalt schultern und noch mehr Einsparungen vornehmen, um Ihre Drohgebärden zu verarbeiten. Aber auch das haben wir gemacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir haben sogar Zukunftsinvestitionen stabilisieren können. Das betrifft die Bereiche Integration - sie müsste Ihnen eigentlich politisch am Herzen liegen -, erneuerbare Energien, Mittelstandsförderung und Ganztagsschulen.

(Walter Schöler [SPD]: Alles Fremdwörter!)

Damit ist ein wesentlicher Punkt für das strukturelle Defizit benannt. Wenn man die Ganztagsbetreuung nicht gewährleisten kann, steht man automatisch vor dem Problem, dass Frauen keiner Beschäftigung nachgehen und damit am Bruttosozialprodukt nicht teilhaben können.

(Walter Schöler [SPD]: Alles Fremdwörter für die Union!)

Vergleichen wir uns doch mit Frankreich: Dort ist die Frauenerwerbsquote eine ganz andere als in Deutschland. Das hat etwas mit Ganztagsbetreuung zu tun, ob Ihnen das politisch passt oder nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das ist doch Sache der Länder! Gebt ihnen das Geld! - Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Gebt den Ländern das Geld! Warum tut ihr es nicht?)

   Da gerade auf der Investitionsquote herumgehackt wurde, möchte ich einen Vergleich zwischen den konsumtiven Ausgaben und den Investitionen vornehmen - das wird ein historischer Exkurs -: 1995 lagen die Investitionen bei 38 Milliarden Euro, das ist eine Menge Geld. 1998 wurden sie bereits von der alten Regierung auf 29,2 Milliarden Euro herunterkorrigiert,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wo lagen sie im letzten Jahr?)

und zwar aus verschiedenen Gründen. Wir fahren seit drei Jahren einen Konsolidierungskurs in den Haushalten. Trotzdem haben wir in diesem Jahr die Investitionen auf 26,7 Milliarden Euro,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist weniger als 29 Milliarden Euro!)

also nur ein wenig unter dem Niveau von 1998, festgelegt. Dazu gehören noch die 3,4 Milliarden Euro - das wissen Sie auch, Herr Austermann -, die aufgrund des Investitionsförderungsgesetzes an die Länder verteilt worden sind.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ein historisches Tief!)

Wenn Sie die noch drauflegen, kommen wir auf über 30 Milliarden Euro. Wenn man ganz fair und sauber rechnet, kann man noch 2,5 Milliarden Euro abziehen, die im Flutopferfonds enthalten sind. Das will ich auch gern machen; denn wir sind dann immer noch bei einer sehr guten, erklecklichen Investitionsquote von ungefähr 28 Milliarden Euro.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Historisches Tief! Kläglich, nicht erklecklich!)

- Sie können so viel dazwischenbrüllen, wie Sie wollen, Herr Austermann, die Zahlen sprechen eine eigene Sprache.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist richtig! - Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Die niedrigste Investitionsquote seit Bestehen der Bundesrepublik!)

   Es wurde immer gefragt: Was sind eigentlich Ziel und Zweck der nachhaltigen Finanzpolitik? Diese Frage hat die Kanzlerrede beantwortet.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Um Gottes willen!)

Es geht um unsere Zukunft.

   Frau Merkel stand hier am Rednerpult und meinte voller Verve, es gehe der CDU/CSU und ihr um Deutschland. Wenn man der Rede zugehört und sie mit der von Herrn Stoiber verglichen hat, dann musste man sich fragen: Meinte Frau Merkel das vergangene Deutschland? Herr Stoiber war am vergangenen Freitag deutlich mehr allgemeinwohlorientiert und zukunftsweisender als Frau Merkel.

   Offensichtlich haben Sie politisch überhaupt noch nicht entschieden, ob Sie versuchen wollen, diese Regierung durch Fundamentalopposition - hier muss ich als Grüne natürlich feixen; Sie werden das verstehen - zu stürzen - Herr Glos hat es, glaube ich, so formuliert: Die müssen weg, mit allen demokratischen Mitteln -;

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Guter Satz!)

oder ob Sie begriffen haben, dass die Situation so ernst ist - das hat Herr Henkel Ihnen bereits nahe gelegt -, dass Sie jetzt kooperieren müssen, auch wenn Ihnen das politisch vielleicht nicht gefällt.

   Sie wollen gern zurück an die Macht; das kann ich verstehen, aber im Moment steht das nicht zur Debatte. Sie können sich aber in produktiver Weise über Ihre Einflussnahme im Bundesrat an der Macht beteiligen, das steht Ihnen offen und diese Möglichkeit sollten Sie meines Erachtens auch ergreifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wenn wir die Reformen, die der Kanzler zum Teil in seiner Rede am Freitag angekündigt hat, nicht durchführen, ergibt sich für die Haushaltplanung der nächsten Jahre eine schwierige und düstere Perspektive. Man muss davon ausgehen, dass dann bereits im Jahre 2006 ungefähr 60 Prozent aller Ausgaben des Bundes trotz niedrigen Zinsniveaus nur noch für Zinszahlungen und für den Rentenzuschuss ausgegeben werden müssen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das sind heute schon 70 Prozent!)

Dann bleiben nur noch 40 Prozent für Investitionen in die Gegenwart und in die Zukunft. Das ist zu wenig. Deswegen müssen wir diese Reformen machen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann fangt endlich an!)

   Der wesentliche Punkt dabei ist: Man muss diese Reformen parallel durchführen. Man darf sie nicht in der Hoffnung auf den nächsten Konjunkturaufschwung verschieben.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Woher soll der bei dieser Politik denn kommen?)

Ich glaube, dass ist die Denkschleife, in der Sie immer verharren. Das ist genau der Fehler.

   Die Menschen - egal in welchem Land - haben längst begriffen, dass die fetten, friedensreichen Zeiten für die Industriestaaten offensichtlich erst einmal vorbei sind.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie haben begriffen, was Rot-Grün bedeutet! - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Rot-Grün macht arm!)

Das erkennen Sie an dem Anwachsen der Sparquoten; übrigens auch in Amerika. Die Sparquote ist im letzten Jahr auch in den USA gestiegen und das ist ein ganz untypisches Verhalten für den amerikanischen Konsumenten.

   Wenn man das weiß, kann man nicht mit Rezepten aus den 70er-Jahren versuchen, irgendwelche Strohfeuer zu entfachen, sondern man muss nachhaltig sowie solide und tragfähig durchfinanzieren und die Reformen machen, um die Staatsausgaben auf Dauer senken zu können. Das ist kein schöner Prozess, er ist aber überlebensnotwendig. Deswegen packen wir ihn an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Bei den letzten zwei Jahrzehnten der deutschen Finanzpolitik handelt es sich um eine Geschichte des Anhäufens von Schulden und des Hoffens auf bessere Zeiten. Es gab eine Art Verschuldungsoptimismus, der immer darin gipfelte, dass man seine Finanzpolitik nach den Konjunkturzyklen ausrichtete. Das muss man durchbrechen. Denn unabhängig von den Konjunkturzyklen ist die Verschuldung immer stetig angewachsen. Damit hat man das Problem für jeden deutlich erkennbar beschrieben: Die klassischen Instrumente versagen inzwischen. Das haben Sie an Japan und auch an den USA gesehen.

   Inzwischen steuert auch Frankreich um. In den letzen Tagen hat der französische Finanzminister Mer deutlich gemacht, dass jetzt auch darüber diskutiert wird, ob man das Steuersenkungspaket, das Präsident Chirac versprochen hat, wirklich durchführen kann. Es werden Ausgabenkürzungen vorgenommen. Das wurde bereits angekündigt. Ich wette mit Ihnen: Spätestens zum Jahresende werden wir auch aus Paris Ankündigungen einer Strukturreform hören.

   Die Konservativen in Frankreich haben sich längst der Diskussion über eine nachhaltige Finanzpolitik angeschlossen. Die einzige konservative Partei in Europa, die ich kenne und die das noch nicht macht, ist die CDU/CSU in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist ja nicht mehr ernst zu nehmen!)

   Es ist ganz wesentlich, sich die zwei Prozesse vor Augen zu führen, die mit unterschiedlichem Tempo und unter unterschiedlicher Verantwortung laufen. 1997, dem Maastricht-Jahr, haben wir einen Teil unserer Haushaltskompetenz nach Brüssel abgegeben. Das weiß auch jeder. Das hatte auch seine Vorteile. So ist zum Beispiel die Gemeinschaftsverpflichtung auf bestimmte Ziele sehr segensreich, sodass die Nationalregierungen versuchen müssen, Kurs zu halten, weil man in der Gruppe sonst immer wieder rechtfertigen muss, warum man das nicht tut. Das halte ich für sehr vernünftig. Demgegenüber muss zum Beispiel bei externen Schocks wie jetzt vielleicht einem anhaltend hohen Ölpreis und anderen Dingen durch die Irakkrise in Brüssel eine gemeinsame Lösung für einen Konjunktureinbruch im Euroraum gefunden werden.

   Heute treffen wir hier die Berliner Entscheidung über den nationalen Haushalt, der nach bestem Wissen und Gewissen sowie Einschätzungsvermögen das widerspiegelt, was im Moment Realität ist. Sie werden verstehen, dass Konjunkturfragen, die sich aus der Irakkrise ergeben, in Brüssel und frühestens im Sommer, wenn man einschätzen kann, welche Auswirkungen diese Krise auf den EU-Raum wirklich gehabt hat, beantwortet werden. Insofern halte ich es für unredlich, diese beiden Debatten miteinander zu vermischen und uns zu unterstellen, dass wir den Konsolidierungskurs verlassen würden. Das trifft einfach nicht zu.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Den haben Sie gar nicht richtig beschritten! Sie sind ja noch gar nicht drauf!)

   Einen Teil der finanz- und strukturpolitischen Souveränität haben wir an die EU abgegeben. Den anderen Teil müssen wir selber wahrnehmen. Ich habe mir einmal angesehen, wie Mitte der 80er-Jahre der Dollarkurs drastisch eingebrochen ist, weil es in den Vereinigten Staaten von Amerika ein Zwillingsdefizit gegeben hat, also ein Haushaltsdefizit und ein Leistungsbilanzdefizit. Das heutige Haushaltsdefizit der USA ist ein bisschen niedriger als damals; jedoch ist das heutige Leistungsbilanzdefizit sogar noch höher. Das kann heißen, dass die USA damit für Europa als langfristiger Konjunkturmotor ausfallen. Das müsste Ihnen eigentlich klar sein.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Um so mehr brauchen wir einen eigenen Boom!)

   Ich habe vorhin von einem Ansteigen der Sparquote der amerikanischen Bevölkerung gesprochen. Asien hat sich noch nicht erholt. Asien hat vor zehn Jahren, als ein Krieg ausbrach, den Rückgang der US-Konjunktur auffangen müssen und kann das nicht noch einmal.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Trotzdem ist der Export der einzige Motor, der läuft!)

Das alte Europa hat sich - wie ich finde - diesem Krieg im Irak nicht nur aus politischer Weitsicht, sondern auch aus ökonomischer Klugheit verweigert. Ich finde, das ist völlig korrekt. Dieses Argument ist angemessen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Schon im Maastricht-Vertrag ist festgelegt, wie man damit umgehen muss, wenn im europäischen Konjunkturraum ein Rückgang des Bruttoinlandsprodukts um mindestens 0,75 Prozentpunkte zu verzeichnen ist. Diese Situation könnte - das habe ich schon erwähnt - in diesem Jahr durchaus eintreten. Man könnte, wenn man wollte - das ist schon jetzt geregelt; man muss nichts ändern -, die strikte Ausgabendisziplin aussetzen. Ich halte aber nichts davon, im Kaffeesatz zu lesen, um herauszufinden, ob und inwieweit Effekte auf den europäischen Konjunkturraum durchschlagen werden. Wenn nur einzelne Länder betroffen sind, dann müssen nur diese damit umgehen. Wenn dagegen wirklich der gesamte EU-Raum betroffen sein sollte, dann muss es eine EU-weite Regelung dazu geben. Das ist aber vielleicht erst im Frühling oder im Sommer zu erwarten.

   Das darf man, wie ich glaube, aber nicht als Freibrief benutzen. Das gilt auch für unsere Bundesländer. Wenn ich mir ansehe, was im Rahmen des nationalen Stabilitätspakts versucht wurde festzulegen, dann muss ich feststellen, dass das vollkommen unbefriedigend ist. Es gibt keine Sanktionsbewehrung. Der Ministerpräsident von Sachsen, Herr Milbradt, hat den Vorschlag gemacht, eine Sanktionsbewehrung einzuführen. Die Bundesländer, die mehr Schulden machen, als sie eigentlich dürften, müssten dann Strafe zahlen, so wie das Deutschland, Frankreich oder Portugal eventuell in Brüssel machen müssen.

   Eine Sanktionsbewehrung gibt es allerdings nicht. Man hat sich nur darauf geeinigt, dass der Bund 45 Prozent zum Defizit beitragen dürfe und die Länder 55 Prozent. Diese 55 Prozent wurden unter den Ländern aber nicht aufgeteilt. Kein Land weiß also genau, wie viele Schulden es machen darf.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Roten machen jedenfalls am meisten!)

Jedes Land wurstelt nur so vor sich hin. Mecklenburg-Vorpommern hat bereits erklärt, dass es in diesem Jahr die angestrebte Höhe der Neuverschuldung deutlich überschreiten werde. Niedersachsen hat einen Doppelhaushalt gemacht und befindet sich auch in 2003 empfindlich nah an der Maastricht-Grenze. Auch in Hessen ist das der Fall. So kann es aber natürlich nicht funktionieren.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Frau Kollegin Hermenau, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?

Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich glaube, dass der Kollege Schauerte nach meiner Rede sicherlich eine Kurzintervention machen wird. Ich will nun keine Frage von ihm beantworten. Wir diskutieren schon oft genug miteinander.

   Für mich ist es wesentlich, darauf zu achten, dass die Bundesländer ihrer Verantwortung nachkommen. Ich habe Ihnen schon gesagt: Das haben auch Sie in der Hand. Sie können mitmachen. Sie werden in Ihrer Fraktion - es war doch kein Zufall, dass Frau Merkel und Herr Stoiber am Freitag so unterschiedlich akzentuierte Reden gehalten haben -

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bauen Sie doch keinen Popanz auf!)

noch Diskussionen darüber führen müssen, wie produktiv Sie mitarbeiten oder wie lange Sie sich noch verweigern wollen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ich darf noch nicht einmal eine Frage stellen!)

Das müssen Sie entscheiden. Ihre Haltung wird sich aber im nationalen Stabilitätspakt niederschlagen. In diesem Rahmen werden wir sie erkennen.

   Ich komme noch einmal auf die Nebelkerzen zu sprechen, die hier gerne geworfen werden. Ich gehe nicht näher auf die „Bild“-Zeitung ein, die versucht hat zu suggerieren, dass es nur darum gehen müsse, die Steuern zu senken. Die Steuerquote in Deutschland liegt im Moment bei 21,5 Prozent. Diese Höhe ist nicht problematisch. Das wirkliche Problem ist die Abgabenlast. Das hat die FDP messerscharf erkannt; Herr Thiele hat das in der ersten Lesung deutlich gesagt. Das ist völlig korrekt: Wir haben nicht unbedingt ein Problem mit den Steuern, sondern ein Problem mit den Lohnnebenkosten. Insofern ist die Opposition hinsichtlich des Abbaus der Steuervergünstigungen nicht ganz stringent. Die Lohnnebenkosten sind zwischen 1982 und 1998 - das habe ich eben schon beschrieben - von 34 auf 42 Prozent angestiegen. Dagegen hat die FDP zumindest nicht lautstark protestiert. Das müssen Sie konzedieren, Herr Thiele. Das muss man festhalten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Walter Schöler [SPD]: Da war Herr Brüderle ja noch gar nicht da!)

   Wenn Sie sich die Reformagenda ansehen, dann müssen Sie feststellen, dass die Haushälter ihr Ziel eingehalten haben und einen sehr knapp bemessenen Haushalt vorgelegt haben. Wir hatten in beiden Koalitionsfraktionen viele Anfeindungen auszuhalten; denn jeder wollte gerne ein wenig mehr an Bewegungsspielräumen haben. Wir haben strenge Vorgaben gemacht. Es ist ein Sparhaushalt und deswegen knapp bemessen. Das war die Voraussetzung dafür, dass die Reformagenda klar und deutlich formuliert werden konnte. Natürlich werden wir keinen Zuschuss für die BA einstellen, damit der Reformdruck erhalten bleibt. Wir wollen doch nicht so tun, als ob wir unseren eigenen Reformen nicht trauen würden. Das hätten Sie vielleicht gerne, aber wir sehen das anders. Wir wollen erreichen, dass die Reformen umgesetzt werden.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das hat mit Realität nichts zu tun!)

- Herr Austermann, abgerechnet wird am Schluss. Das wissen Sie. Am 31. Dezember 2003 reden wir weiter.

   Die Reformagenda ist der richtige Weg. Herr Rürup wird heute mit der Schlagzeile in der „Financial Times“ zitiert, er wolle gerne die jungen Arbeitnehmer spürbar entlasten. Das ist genau der Punkt, auf den es ankommt. Darum geht es bei der Absenkung der Lohnnebenkosten. Darum geht es, wenn wir darüber sprechen, dass Strukturreformen vorgenommen werden müssen. Die Abgabenlast muss abgesenkt werden. Arbeit muss billiger werden. Sie können zu Recht behaupten, das hätten Sie schon immer gesagt. Dagegen habe ich nichts einzuwenden. Aber man muss es auch tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Die FDP hat letzte Woche einen Entschließungsantrag zur Rede des Bundeskanzlers eingebracht.

(Rainer Brüderle [FDP]: Sehr gut! - Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Guter Antrag!)

In diesem Antrag steht:

Subventionen und Zuwendungen müssen umgehend linear um 20 Prozent gekürzt werden.

Das klingt super schick und richtig sparpolitisch.

   Die größte Zuwendung in Deutschland ist der Rentenzuschuss, den wir aus dem Bundeshaushalt finanzieren.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Wer hat den erhöht?)

Ich habe einmal ausgerechnet, was die Umsetzung Ihres Antrages bedeuten würde. Bei den Zuwendungen zum Rentenzuschuss würde es zu Kürzungen in Höhe von 16 Milliarden Euro kommen.

(Elke Ferner [SPD]: Die wollen den Rentnern ans Geld! - Gegenruf des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach Gottchen!)

Das würde bedeuten, dass die Renten innerhalb weniger Monate um 7,5 Prozent gekürzt würden. Bei einer unterstellten Rente von 500 Euro ergäbe sich eine Kürzung um 37,5 Euro und bei einer Rente von 1 000 Euro ergäbe sich eine Kürzung um 75 Euro. Wir reden nicht von einem langsamen Anstieg oder von Nullrunden. Ich sage es ganz konkret: Sie wollen die Renten um 7,5 Prozent kürzen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt wissen wir endlich, was ein Milchmädchen ist! - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Da haben Sie sich aber verrechnet!)

Das war Ihr Vorschlag in Ihrem Entschließungsantrag.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Eine weitere interessante Sache ist Ihr Vorschlag, die Subventionen zu kürzen. Die Chance hatten Sie. Die größte Subvention ist mit 8 Milliarden Euro die Eigenheimzulage.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dass Ihnen das aus ideologischen Gründen nicht passt, kann ich verstehen!)

Sie vergleichen sie immer mit der Steinkohlensubvention. Diese ist deutlich niedriger als die Eigenheimzulage.

   Die Union kam im Haushaltsausschuss mit sehr vielen Erhöhungsanträgen

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und Kürzungsanträgen!)

und hat in der Endrunde bei der allgemeinen Finanzplanung und Bundesschulden versucht, dem mit unsoliden Finanzierungsvorschlägen entgegenzutreten. Bei den Gewährleistungen haben Sie eine Einnahmeverbesserung von 1 Milliarde Euro vorgeschlagen. Das ist massiv konjunkturabhängig. Herr Austermann, hier widersprechen Sie sich selber; das ist unsolide. Wenn Sie zweifeln, dass sich die Konjunktur erholt, können Sie nicht mit Hinweis auf die Konjunktur eine Einnahmeverbesserung bezogen auf die Gewährleistung vorschlagen; das geht nicht.

   Des Weiteren haben Sie eine Absenkung des Disagios vorgeschlagen und eine globale Minderausgabe eingebracht. Das war eine klare Unterveranschlagung der Zinsausgaben. Auch das ist unsolide. Wir haben schon niedrige Zinsen. Viel niedriger werden sie nicht mehr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer hat die denn am Montag gekürzt?)

   Bei der IT-Ausrüstung haben Sie eine globale Minderausgabe vorgeschlagen. Das ist die Rasenmähermethode. Meine Meinung ist: Wenn man die Bürokratie effizienter machen und den Bürokratieabbau vorantreiben will, dann sollte man den Mitarbeitern nicht die Computer wegnehmen. Das kann aber jeder für sich entscheiden.

   Heute stand in der Zeitung, das Kardinal Georg Sterzinsky zur Finanzkrise des Berliner Erzbistums gesagt hat:

Ich gestehe, dass ich notwendige Entscheidungen nicht getroffen oder nicht durchgesetzt habe.
(Walter Schöler [SPD]: Das ist auch ein Schwarzer! - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: So weit ist Herr Eichel noch nicht!)

Diese Entschuldigung ist nobel. Alle Parteien in diesem Haus sollten jetzt genug Mut und Kraft aufbringen, um sich auch so verhalten zu können.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Eichel muss jetzt die Osterbeichte ablegen!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Friedrich Merz von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Vielleicht geht es dem einen oder anderen so wie mir. Ich habe in diesen Minuten das Gefühl, dass im Deutschen Bundestag zum jetzigen Zeitpunkt eigentlich andere Themen diskutiert werden müssten als der Bundeshaushalt 2003 in zweiter und dritter Lesung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn ich Sie alle hier so sehe - vor allem die Regierungsbank -, dann kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass es Ihnen vielleicht ganz recht ist, dass diese Karikatur eines Bundeshaushaltes in dieser Woche im Schatten einer internationalen Krise durchgebracht werden kann, ohne dass es die verdiente öffentliche Aufmerksamkeit findet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist unangemessen! - Walter Schöler [SPD]: Das ist eine Unverschämtheit! Das ist eine typisch merzsche Unverschämtheit! Lümmel!)

   Meine Damen und Herren, die Trostlosigkeit des Haushaltes wird nur noch durch die Trostlosigkeit derer, die auf der Regierungsbank Platz genommen haben, unterboten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Bundesminister und eine Hand voll Staatssekretäre zeigen, wie ernst die Regierung der Bundesrepublik Deutschland diese Debatte nimmt.

(Hans Eichel, Bundesminister: Hier sitzen 100 Prozent Minister mehr!)

- Entschuldigung, Herr Minister, hier sitzen zwei Bundesminister. Immerhin sind wir jetzt bei 10 Prozent des Bundeskabinetts angekommen. Ich gratuliere Ihnen herzlich.

(Walter Schöler [SPD]: Auch das ist falsch gerechnet! Es ärgert Sie vielleicht, dass das Kabinett für Sie nicht anwesend ist!)

   Wenn der Bundesfinanzminister gleich das Wort ergreift, werden wir hier vermutlich wieder einige der in mehreren Reden lang erprobten und vorgestanzten Formulierungen über die Solidität der Staatsfinanzen und den guten Weg, auf dem wir uns alle befinden, seit Rot-Grün dieses Land regiert, hören. Vielleicht erlauben Sie mir, zu dem, was gleich von ihm zu erwarten ist - Herr Eichel hat in der Regel immer dieselbe Rede in der Tasche, wenn er hier ans Rednerpult geht -, einige Bemerkungen zu machen.

Sie werden behaupten, dass wir seit dem Regierungswechsel 1998 auf dem Weg heraus aus der Schuldenfalle sind. Herr Bundesfinanzminister, seit Sie Ihr Amt von Ihrem Vorgänger Oskar Lafontaine übernommen haben, haben Sie den Gesamtschuldenstand des Bundes nicht gesenkt, sondern drastisch erhöht. Sie haben einen Schuldenstand von 743 Milliarden Euro übernommen. Ausweislich Ihrer Finanzplanung für das Jahr 2003 liegt der zu erwartende Schuldenstand bei 814 Milliarden Euro. Sie müssen damit rechnen - darauf komme ich gleich zu sprechen -, dass sich dieser Schuldenstand um noch einmal 10 Milliarden Euro erhöht.

(Walter Schöler [SPD]: Noch ein Prophet!)

Das heißt im Klartext: Vier Jahre Rot-Grün haben dafür gesorgt, dass die Gesamtverschuldung des Bundes um rund 80 Milliarden Euro angestiegen ist. So sieht der rot-grüne Weg aus der Schuldenfalle aus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Nun haben wir alle am letzten Freitag eine große Rede des Herrn Bundeskanzlers gehört.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Erwartet, nicht gehört!)

- Richtig, nach seinem eigenen Urteil. Wenn ihn schon keiner lobt, dann muss er sich eben selber loben. Das hat er am Wochenende dann auch getan; er hat sich ja selbst Noten gegeben.

   Wir haben eine große Rede erwartet; er selbst meint, eine große Rede gehalten zu haben. Wir haben uns am Wochenende die Frage gestellt: Was haben die Ausführungen des Bundeskanzlers nun für Auswirkungen auf den Bundeshaushalt? Das, was er am letzten Freitag angekündigt hat, wird zum Teil tief greifende Veränderungen haben, die auf den Bundeshaushalt 2003 Auswirkungen hätten haben müssen. Aufschluss darüber, wie ernst die Koalitionsfraktionen diese Rede nehmen, gibt ein heute vorliegender Änderungsantrag, der sich auf das Haushaltsgesetz 2003 bezieht. Dort heißt es:

Der Bundestag wolle beschließen:
In § 1

- gemeint ist das Haushaltsgesetz -

wird die Angabe „248 200 000 000“ durch die Angabe „248 199 000 000“ ersetzt.

Ende des Änderungsantrages.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

   Die rot-grüne Koalition nimmt die Rede des Bundeskanzlers vom Freitag der letzten Woche so ernst, dass sie das Haushaltsgesetz des Jahres 2003 um sage und schreibe 1 Million Euro korrigiert. Wir haben eine wirklich bedeutungsvolle Rede gehört.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Das volkswirtschaftliche Wunder, das wir durch diese Änderung zu erwarten haben, schlägt sich in den Ankündigungen nieder, die mit dieser 1 Million Euro verbunden sein sollen: Damit sollen 800 Millionen Euro Fluthilfe an die Gemeinden zurückgezahlt werden. Damit soll ein Programm aufgelegt werden, mit dem Investitionen in die Infrastruktur der Gemeinden im Umfang von 7 Milliarden Euro zinsverbilligt werden. Damit soll ein Programm für die Bauindustrie aufgelegt werden, mit dem Investitionen in Wohnraum, in Infrastruktur usw. in Höhe von 8 Milliarden Euro zinsverbilligt werden. Alles in allem hat das eine volkswirtschaftliche Wirkung von über 15 Milliarden Euro. Demgegenüber steht ein Änderungsantrag mit einem Volumen von 1 Million Euro. In dieser Bundesregierung sitzen wahre Finanzpolitiker.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Walter Schöler [SPD]: Das ist absolut dummes Zeug!)

   Wir werden vermutlich vom Bundesfinanzminister gleich hören, dass ein großer Teil der Probleme, die im Bundeshaushalt nach wie vor zu bewältigen sind, mit der falschen Finanzierung der deutschen Einheit zusammenhängt. Die falsche Finanzierung der deutschen Einheit ist eine Entschuldigung, die nicht nur die rot-grüne Koalition seit viereinhalb Jahren vor sich herträgt, sondern die in diesen Tagen auch in öffentlichen Meinungsäußerungen von verschiedensten Seiten immer wieder vorgetragen wird. Ich nehme diese Vorwürfe auf, weil diese Behauptung nicht unwidersprochen stehen bleiben kann.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Richtig!)

   Zur Erinnerung: Das, was 1989/1990 und in den Folgejahren gemacht werden musste, konnte zum damaligen Zeitpunkt in seiner Dimension niemand wirklich voraussagen.

(Lachen des Abg. Jörg Tauss [SPD] - Volker Kauder [CDU/CSU]: Doch, Herr Tauss!)

- Als Reaktion auf den Kollegen Tauss will ich daran erinnern, dass es die beiden Ministerpräsidenten Schröder und Lafontaine gewesen sind - insbesondere der Letztgenannte -, die im Zuge der Verhandlungen über den Einheitsvertrag im Jahre 1990 im Bundesrat versucht haben, eine Protokollerklärung durchzusetzen, derzufolge der Erlös aus der Tätigkeit der Treuhandanstalt - ich habe mich nicht versprochen: der Erlös! - zwischen Bund und Ländern hälftig aufgeteilt werden sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Als die Treuhandanstalt am 31. Dezember 1993 ihre Tätigkeit eingestellt hat, stand nicht ein Erlös, sondern ein dreistelliges Milliardendefizit in den Büchern. Von dem Tag an war allerdings von einer Teilung zwischen Bund und Ländern bei den Damen und Herren der Sozialdemokraten nicht mehr die Rede. Auch das gehört zur historischen Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Heute, zwölf Jahre später, möge hier also bitte niemand sagen, dass der eine oder andere besser vorausgesehen hätte, welche Lasten zu schultern seien.

(Jörg Tauss [SPD]: Immer bei der Wahrheit bleiben!)

   Ich lege schon Wert darauf, dass dies gesagt wird, damit nicht ständig diese Behauptungen wiederholt werden: Das, was seinerzeit entschieden worden ist, bedeutete eine anteilige Finanzierung - nicht der Lasten der deutschen Einheit, sondern der Überwindung der deutschen Teilung - in etwa folgendem Verhältnis: ein Drittel durch höhere Steuern, ein Drittel durch höhere Verschuldung und ein Drittel über die sozialen Sicherungssysteme.

   Dies war in etwa die Größenordung, wie sie in den Jahren 1990 und 1991 politisch entschieden wurde. Danach wurde sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, zwar immer wieder von Ihnen kritisiert. Aber wenn Sie diese Planungen heute immer noch für falsch halten, dann spricht nichts dagegen, dass sie die Methode der Finanzierung der deutschen Einheit, die uns ja nach wie vor beschäftigt, heute ändern. Stellen Sie also entweder Ihre Kritik, die Sie hier mehrfach vorgetragen haben, ein oder ändern Sie die Methode! Aber hören Sie auf, hier ständig Märchen zu erzählen, um von Ihren eigenen Problemen abzulenken.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Gleich werden wir vom Bundesfinanzminister vermutlich hören, dass wenigstens die Zinslasten im Bundeshaushalt zurückgegangen sind;

(Jörg Tauss [SPD]: Die Zinsen kann man nicht mehr ändern!)

wahrscheinlich wird er versuchen, dies durch die Entwicklung der Zinssteuerquote zu belegen.

(Hans Eichel, Bundesminister: Das habe ich doch gar nicht vor!)

Auch dies, meine Damen und Herren, ist leider falsch. Wahr ist, dass die Zinssteuerquote gesunken ist. Richtig ist allerdings: Die Ursache dafür ist nicht eine niedrigere Verschuldung des Bundes. Vielmehr handelt es sich im Wesentlichen um drei Ursachen:

   Erstens: Vereinnahmung der UMTS-Lizenzerlöse. Ich kritisiere das nicht. Auch damals haben wir das nicht kritisiert, weil wir die Situation nicht richtig eingeschätzt haben. Aber heute wissen wir, dass das damalige Vorgehen eine schwere Belastung für die Branche darstellte und dass es so, wie es damals gemacht worden ist, falsch war. Sie haben 50 Milliarden Euro einkassiert. Über die Abschreibungen ging das übrigens zulasten der Länder und Kommunen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie haben sich geweigert, den Ländern und Kommunen auch nur einen einzigen Euro davon zurückzugeben, obwohl die Abschreibungen den Bund, die Länder und die Gemeinden betrafen. Sie haben diese 50 Milliarden Euro für sich vereinnahmt.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Ich habe immer geglaubt, das war eine unternehmerische Entscheidung! - Walter Schöler [SPD]: Freier Wettbewerb war das!)

   Zweitens profitieren Sie von einem sehr viel niedrigeren Zinsniveau als in den Jahren 1998 und 1999.

   Drittens - Herr Eichel, für die ersten beiden Punkte können Sie nichts, aber dies werfen wir Ihnen vor - haben Sie die Schuldenfinanzierung des Bundes weitgehend von Langläufern auf Kurzläufer umgestellt. Dies hat natürlich erhebliche Konsequenzen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Ja, warten Sie einmal ab!)

Im Augenblick profitieren Sie von dem sehr niedrigen Zinsniveau. Aber in dem Augenblick, wo die Zinsen im Zyklus der Zinsschwankungen wieder steigen, enden Ihre kurzfristigen Finanzierungen. So werden Sie Ihrem Nachfolger ein beträchtliches Zinsrisiko überlassen.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit!)

Meine Damen und Herren, dies sind die Gründe dafür, dass wir heute eine niedrigere Zinssteuerquote haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Vermutlich wird der Bundesfinanzminister in seiner Rede gleich voller Stolz darauf verweisen, dass wenigstens die Investitionsquote des Haushaltes gestiegen ist. Aber auch hier sieht die Realität leider anders aus, als sie von der rot-grünen Koalition immer wieder beschrieben und beschworen wird. Sie haben im Jahre 1998 eine Investitionsquote des Bundeshaushalts von 12,5 Prozent übernommen. Diese Investitionen - in die öffentliche Infrastruktur, in Wissenschaft und Forschung, also in all die Bereiche, die ein Land zukunftsfähig machen - sind seit Ihrem Regierungsantritt kontinuierlich zurückgeführt worden.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: 10,2 Prozent!)

   Zuerst lagen sie bei 11,6 Prozent, dann waren es 11,5 Prozent, daraufhin 11,2 Prozent und schließlich 9,9 Prozent. Jetzt berühmen Sie sich der 10,8 Prozent und verschweigen der Öffentlichkeit, dass darin etwa in der Höhe von einem Prozentpunkt reine Mittel für die Fluthilfe enthalten sind. Tatsächlich kommen wir im laufenden Haushalt ohne die Fluthilfe auf eine Investitionsquote von nur noch 9,8 Prozent. Das ist ein historischer Tiefstand - zu einem Zeitpunkt, wo wir eigentlich nicht weniger, sondern mehr in Forschung, Bildung und Infrastruktur investieren müssten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP -Walter Schöler [SPD]: Das tun wir!)

Da ich aus den Reihen der Sozialdemokraten Zurufe wie „Das machen wir auch!“ höre, möchte ich Ihnen einmal kurz die traurige Realität vorstellen, so wie sie bei den Betroffenen ankommt. Wir argumentieren hier zwar mit hohen Milliardenbeträgen, aber wie ist denn die Realität derer, die in den Forschungseinrichtungen unmittelbar von den Kürzungen betroffen sind, die Sie in diesen Tagen beschließen? Ausbau und Neubau von Hochschulen: minus 40 Millionen Euro; Europäische Weltraumorganisation: minus 20 Millionen Euro; naturwissenschaftliche Grundlagenforschung: minus 2,2 Millionen Euro; nationales Weltraumprogramm: minus 2,5 Millionen Euro; Forschung mit adulten Stammzellen - ein außergewöhnlich wichtiges Thema vor dem Hintergrund des bis heute nicht wirklich zu Ende diskutierten Streits um die Forschung an embryonalen Stammzellen; die Alternativforschung wurde vom Bundeskanzler immer wieder als besonders wichtig betont -: minus 5 Millionen Euro; Meeres- und Polarforschung: minus 2,5 Millionen Euro.

   Dann die großen Forschungsgesellschaften - was machen Sie mit diesen Gesellschaften? -: Max-Planck-Gesellschaft: minus 14 Millionen Euro; Zentren der Helmholtz-Gesellschaft: minus 36 Millionen Euro; Fraunhofer-Gesellschaft: minus 10 Millionen Euro; Forschungseinrichtungen der Leibniz-Gesellschaft: minus 6 Millionen Euro; Akademieprogramm: minus 1 Million Euro; schließlich die Deutsche Forschungsgemeinschaft: minus 7,5 Millionen Euro.

(Jörg Tauss [SPD]: Aufwuchs! Sie sollten Zahlen lesen können!)

   Sie können sagen, dass das alles kleine Beträge sind, die in der Gesamtschau des Haushalts nur wenig ausmachen, aber entscheidend ist doch, dass Sie den Forschungseinrichtungen in unserem Land zu einem Zeitpunkt, zu dem sie mehr bräuchten, jetzt die Mittel entziehen, die notwendig wären.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Merz, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt will sich der Tauss blamieren!)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Ja, bitte.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Herr Tauss.

Jörg Tauss (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident und lieber Herr Merz. Das gibt mir die Gelegenheit, einige Missverständnisse aufzuklären und Sie zu bitten, heute Mittag an der Debatte zum Forschungshaushalt teilzunehmen.

   Würden Sie bitte freundlicherweise zur Kenntnis nehmen, dass Ihre Aussage bezüglich der DFG schlicht falsch ist. Wir haben bei der DFG ausweislich des Haushaltsentwurfs 2003 einen Aufwuchs von 2,5 Prozent.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist der Entwurf! Ist reduziert worden!)

Dies entspricht - in exakten Zahlen - 17,684 Millionen Euro. Von einer Kürzung, wie Sie gerade gesagt haben, kann nicht die Rede sein. Würden Sie bitte die Zahlen zur Kenntnis nehmen?

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Herr Tauss, ich bin Ihnen außerordentlich dankbar, dass Sie ausnahmsweise nicht nur Zwischenrufe machen, sondern auch eine Zwischenfrage stellen.

   Nachdem der Bundeskanzler angekündigt hat, dass er die Ganztagsbetreuung in Deutschlands Schulen auch über den Bundeshaushalt finanzieren will, hat es Korrekturen im Einzelplan 30 - Bildung und Forschung - gegeben. Ich habe Ihnen hier aus der amtlichen Statistik der Bundesregierung vorgetragen und die genauen Kürzungen - in einem Gesamtvolumen von 72 Millionen Euro bei den einzelnen Positionen und mit einem Kürzungsbetrag von insgesamt 75 Millionen Euro - benannt, von denen die Einrichtungen betroffen sind.

(Joachim Poß [SPD]: Das hat er aber nicht gefragt!)

Sie haben gegenüber dem Haushaltsentwurf zur Finanzierung des Ganztagsbetreuungsprogramms die Kürzungen vorgenommen, die ich Ihnen gerade vorgetragen habe. Wir sagen: Das ist eine falsche Entscheidung, die Sie getroffen haben, weil sie schlecht ist für den Wissenschafts- und Forschungsstandort Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Die Frage kann er nicht beantworten! Wenn es konkret wird, wird es immer ärmlich mit Merz!)

   Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir, dass ich auf ein zweites Thema zu sprechen komme, das der Bundeskanzler ebenfalls am Freitag hier angesprochen hat, nämlich den Maastrichter Vertrag. Herr Bundesfinanzminister, wir erwarten, dass Sie vor dem Deutschen Bundestag gleich eine klare Aussage dazu machen, wie Sie beabsichtigen, die Risiken des Haushalts so unter Kontrolle zu halten,

(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: So ist es!)

dass Sie am Donnerstag der EU-Kommission gegenüber wirklich mit gutem Gewissen die Zahl vertreten können, die Sie dem Jahreswirtschaftsbericht zugrunde gelegt haben und nach der das Defizitkriterium nicht überschritten wird, sondern es bei einem Defizit von 2,8 Prozent verbleibt.

   Zur Erinnerung: Dass unsere kritischen Fragen nicht ohne Grund vorgetragen werden, zeigt das letzte Jahr. Wir haben im letzten Jahr sehr frühzeitig darauf hingewiesen, dass Sie ein immer größeres Risiko tragen, den Maastrichter Vertrag nicht erfüllen zu können. Sie haben diese Kritik auch von dieser Stelle aus abgebürstet und uns der Schwarzmalerei bezichtigt. Sie haben uns Pessimismus und eine Falschinformation der Öffentlichkeit vorgeworfen.

   In Wahrheit haben Sie die Öffentlichkeit falsch informiert, wie nicht zuletzt auch durch den Untersuchungsausschuss festgestellt worden ist. Sie sind vom Anfang des Jahres 2002 an von viel zu optimistischen Annahmen ausgegangen und haben deshalb am Ende des Jahres ein ziemliches Desaster erlebt. Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie auch im Jahr 2003 ein ziemliches Desaster erleben; denn was Sie jetzt mit 2,8 Prozent hier zugrunde legen, das hält einer Überprüfung schon heute, am 18. März 2003, nicht mehr stand.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich will Ihnen dazu nur einiges kurz vortragen: Sie gehen im Bundeshaushalt davon aus, dass die Bundesanstalt für Arbeit am Ende des Jahres keinen Zuschussbedarf haben wird. Schon zum Ende des Monats Februar liegt das Defizit der Bundesanstalt für Arbeit bei 1,5 Milliarden Euro. Wenn das Wachstum nur um 0,5 Prozentpunkte niedriger ausfallen wird als in der Größenordnung von 1 Prozent, die Sie zugrunde legen - Sie sind einer der wenigen, der noch von einem Wachstum in Höhe von 1 Prozent ausgeht; die Forschungsinstitute gehen durch die Bank von einem viel geringeren Wachstum aus -, dann werden Ihnen in jenem Haushalt 2,5 Milliarden Euro fehlen.

   In Ihrem Gesetzentwurf gehen Sie immer noch davon aus, dass das Steuervergünstigungsabbaugesetz zustande kommt. Sie erwarten durch dieses Gesetz Mehreinnahmen in Höhe von 3,4 Milliarden Euro insgesamt bzw. 1,6 Milliarden Euro für den Bund. Herr Bundesfinanzminister, schminken Sie sich doch endlich dieses Gesetz ab! Es wird nicht zustande kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Des Weiteren - das ist der besonderen Erwähnung wert - stellen Sie 5 Milliarden Euro aus der Nacherklärung finanzieller Mittel, die ins Ausland geflossen sind, im Rahmen Ihres Amnestiegesetzes in den Bundeshaushalt ein. Ich frage mich, ob Sie immer noch daran glauben, dass Sie dieses Gesetz so durchsetzen können, wie Sie es konzipiert haben, und dass Sie, falls Ihnen das gelingen sollte, tatsächlich Steuermehreinnahmen in einem solchen Umfang erzielen werden. Der Bundeskanzler hat einmal von 100 Milliarden Euro schwadroniert, die nach Deutschland zurückfließen würden. Sie, Herr Eichel, gehen jetzt von 20 Milliarden Euro aus. Wörtlich:

Die Bundesregierung erwartet, dass im Rahmen der angesprochenen gesetzlichen Maßnahmen rund 20 Milliarden Euro in 2003

- das ist im laufenden Jahr -

in Deutschland nacherklärt werden. Die Nacherklärung eines solchen Volumens führt zu Steuermehreinnahmen von 5 Milliarden Euro.

   Herr Bundesfinanzminister, es wird erst dann zum Rückfluss von finanziellen Mitteln nach Deutschland kommen, wenn die Steuern gesenkt werden und wenn eine Brücke in die Legalität gebaut wird.

(Dagmar Wöhrl [CDU/CSU]: Wenn die Menschen Vertrauen in die Regierung haben!)

Im Grunde stimmen wir hierin mit Ihnen ausdrücklich überein; wir haben bereits im vergangenen Jahr den Vorschlag gemacht, eine solche Regelung zu treffen. Der Bundeskanzler hat das übrigens auch vorgeschlagen. Seinerzeit hat es zwischen Ihnen beiden einen großen Streit gegeben. Jetzt gehen Sie offenbar dazu über, den Weg über eine Abgeltungsteuer in Verbindung mit einer entsprechenden Regelung ebenfalls zu befürworten. Aber die Mittel fließen nur dann zurück, wenn diejenigen, die das Geld nach Deutschland zurückbringen sollen, auch Vertrauen haben, ihr Geld in Deutschland einsetzen und investieren zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Volker Kauder [CDU/CSU]: Und wenn diese Regierung weg ist!)

   Glauben Sie im Ernst, dass dieses Vertrauen entsteht, wenn Sie an Ihrem Plan festhalten, in Deutschland flächendeckend Kontrollmitteilungen einzuführen? Glauben Sie im Ernst, dass dieses Vertrauen entsteht, wenn Sie mit Ihrer rot-grünen Mehrheit in diesem Hause bis heute nicht zu der Erkenntnis gefunden und den Mut aufgebracht haben, endgültig auch das Vermögensteuergesetz formell aufzuheben?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Carl-Ludwig Thiele [FDP])

   Ich sage Ihnen voraus: Wenn Sie bei diesen Vorhaben bleiben - ich wiederhole: wenn er vernünftig gestaltet wird, werden wir den Weg mitgehen, über eine solche Abgeltungsteuer mit einer entsprechenden Übergangsregelung für Fluchtkapital die Mittel nach Deutschland zurückzuholen -, werden Sie nur dann das notwendige Vertrauen schaffen, wenn Sie gleichzeitig unseren Anträgen folgen, erstens das Vermögensteuergesetz auch förmlich aufzuheben und zweitens auf Kontrollmitteilungen zu verzichten. Anders werden Sie keinen einzigen Euro zurückbekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Damit sind die Risiken des Bundeshaushaltes fast hinreichend beschrieben. Allein in den Positionen, die ich eben erläutert habe - das Defizit bei der Bundesanstalt für Arbeit, das geringere Wirtschaftswachstum, das Scheitern des Steuervergünstigungsabbaugesetzes und der Versuch, über die Abgeltungsteuer Kapital nach Deutschland zurückzuholen -, ist ein Risiko von 12 Milliarden Euro enthalten. Sie befinden sich mit 2,8 Prozent - das sind gerade 4 Milliarden Euro - nur knapp von der Überschreitung des Defizits entfernt. Herr Bundesfinanzminister, wenn Sie so weitermachen, dann werden Sie zum Jahresende - wenn Sie dann noch im Amt sind; wir haben alle damit gerechnet, dass Ihnen Herr Gabriel nachfolgen wird, aber das war wohl doch etwas zu arg -

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

wieder feststellen müssen, dass Sie keine Chance gehabt haben, den Maastricht-Vertrag einzuhalten. Wenn Sie das zugeben müssen, Herr Eichel, dann lassen wir Ihnen eines nicht durchgehen: dass das Wirklichkeit wird, was der Bundeskanzler am vergangenen Freitag angekündigt hat. Dieser nämlich hat ganz offen den Maastricht-Vertrag infrage gestellt und deutlich gemacht, dass die Bundesregierung nicht mehr die Absicht hat, sich an diesen Vertrag zu halten.

   An dieser Stelle hört aber der Spaß auf. Wir können uns auf innenpolitischer Ebene über viele Fragen streiten und Meinungsverschiedenheiten austragen. Aber wer wie diese rot-grüne Bundesregierung den Maastricht-Vertrag infrage stellt und nicht bereit ist, sich an das Korsett dieses Vertrags zu halten, das auch für konjunkturell schwierige Zeiten ausreichende Flexibilität bietet, gefährdet mehr als nur die Volkswirtschaft der Bundesrepublik Deutschland. Sie gefährden nicht nur in der Außenpolitik, sondern jetzt auch in der Finanzpolitik den Zusammenhalt innerhalb der Europäischen Union. Das aber lassen wir Ihnen nicht durchgehen, Herr Eichel.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat der Bundesminister Hans Eichel.

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zuerst möchte ich mich bei Ihnen allen im Deutschen Bundestag dafür bedanken, dass Sie bereit waren, die Tagesordnung für die Haushaltsberatungen so umzustellen, dass die zuständigen Mitglieder der Bundesregierung, das heißt der Kanzler, der Außenminister und der Finanzminister, am kommenden Freitag an der Sitzung des Europäischen Rates in Brüssel teilnehmen können. Das nämlich ist der alleinige Grund - und kein anderer, Herr Austermann -, weswegen ich am kommenden Freitag nicht im Hause sein kann. Herzlichen Dank, dass Sie bereit waren, das umzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Es ist keine Frage, selten sind Haushaltsberatungen unter so völlig unsicheren Rahmenbedingungen geführt worden, wie wir sie heute haben. Ich habe überlegt und erinnerte mich, dass es das letzte Mal vor zwölf Jahren eine vergleichbare Situation gab: Auch seinerzeit wurde der Bundeshaushalt - wie es nach einer Bundestagswahl traditionell der Fall ist - später, also nicht am Ende des Vorjahres, sondern in der ersten Hälfte des jeweiligen Folgejahres, verabschiedet. Damals brach der Golfkrieg aus und auch diesmal sind wir alle, glaube ich, nicht sehr optimistisch, dass es noch gelingen wird, den Krieg im Nahen Osten zu verhindern.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Es war schon vorher schlecht!)

- Natürlich war die Situation schon vorher schlecht. Ich werde noch auf Sie zurückkommen, Herr Kollege Austermann.

   Trotzdem sage ich: Es ist vernünftig, jetzt den Haushalt zu verabschieden, und zwar mit all den Risiken, Herr Kollege Rexrodt und Herr Kollege Merz, die er im Hinblick auf das laufende Jahr in sich birgt. Wir müssen bei diesen Risiken gegensteuern.

   Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung „Mut zum Frieden und Mut zur Veränderung“ am Freitag die notwendigen Veränderungen genannt. Die ersten Reaktionen belegen: Man hat in Deutschland kaum noch eine Chance, ungestört Politik zu machen - sei es, dass es gilt, eine Regierungserklärung vorzubereiten; sei es, dass ein Gesamtkonzept entwickelt werden soll. Im Wege von Indiskretion, Spekulationen oder schlicht Erfindungen - ich weiß, wovon ich rede; ich habe kürzlich gelesen, dass ich dem „Focus“ die meisten Dementis zugesandt habe; das ist richtig; denn da das, was ich dort lese, meistens Falschmeldungen sind, muss ich auch die meisten Dementis abgeben -

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

werden schon vorher alle Einzelheiten hin und her gewendet und wird alles zerpflückt. Kaum ein Konzept, das man präsentiert, wird deshalb in seiner Gesamtheit wahrgenommen. Wenn ich mir zum Beispiel die Reaktion des Vorsitzenden des Sachverständigenrates auf die Regierungserklärung und die Empfehlungen dieses Rates - diese waren außerordentlich positiv - ansehe, dann rate ich jedem, über diesen Punkt nachzudenken und dies - ich tue das - auch ernst zu nehmen; denn hier geht es um unsere Fähigkeit, Politik im Land zu artikulieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Hätten Sie sich wenigstens an deren Ratschläge einmal gehalten!)

- Nein, Herr Kollege.

   Wenn Sie sich die Reaktionen des Auslandes ansehen, dann stellen Sie fest, dass die Regierungserklärung dort ganz anders aufgenommen worden ist. Das war auch notwendig; denn der Blick des Auslandes auf Deutschland, ob zu Recht oder zu Unrecht - Herr Kollege Merz, ich komme gleich auf das Thema Wiedervereinigung kurz zurück, obwohl ich es eigentlich gar nicht vorhatte; da Sie aber auf eine Rede geantwortet haben, die ich nach Ihrer Einschätzung vermutlich halten werde, muss ich nachher noch ein paar Richtigstellungen vornehmen -, war bisher nicht positiv. Wir brauchen deshalb ein anderes Bild von Deutschland im Ausland. Die Frage, ob Deutschland reformfähig ist oder nicht, muss auch aus Sicht des Auslandes positiv beantwortet werden können. Der Bundeskanzler hat diese Frage positiv beantwortet, wissend welche Zumutungen das, was er vorgeschlagen hat, für dieses Haus, insbesondere für meine Partei, und für dieses Land beinhaltet. Darum herumzureden macht überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Das Kernproblem, vor dessen Lösung sich dieses Land selbst und viele der hier Anwesenden noch immer drücken, heißt alternde Gesellschaft. Dies ist das Problem unserer Generation. Die nächste Generation wird sich fragen: Was war da eigentlich los? Man hat wenig Kinder in die Welt gesetzt und hohe Schulden hinterlassen. Als wir die mit der alternden Gesellschaft und der Notwendigkeit der Vorsorge verbundenen Fragen kürzlich diskutiert haben, hat mein finnischer Kollege - übrigens, er ist ein Konservativer - berichtet, in seinen Wahlkampfveranstaltungen hätten ihm junge Leute gesagt: Wir zahlen entweder für die Rente oder für die Schulden; aber wir sind nicht bereit, für beides zu zahlen. Vor genau diesem Problem stehen wir.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Dann kehren Sie doch endlich um!)

- Ich komme darauf zu sprechen. Ihr Zwischenruf ist nicht so toll.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihre Rede ist nicht so toll!)

Sie werden das gleich merken.

   Wenn wir aus der Krise herauswollen - auch das ist klar -, dann brauchen wir eine Stärkung der Wachstumskräfte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zurufe von der CDU/CSU: Ah!)

- Ja, natürlich.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ihr macht das Gegenteil!)

   Unsere Gesellschaft wird es in der Zukunft nur dann nicht mit ganz schwierigen Verteilungskämpfen zu tun haben, wenn wir die Wachstumskräfte stärken. Das hat viele Konsequenzen. Zum Beispiel muss der Sozialstaat erneuert, nicht abgebaut werden. Die mit Krankheiten und Alter verbundenen großen Risiken müssen solidarisch getragen werden; denn die meisten Leute können es sich nicht leisten, diese Risiken privat abzusichern. Wenn das geschehen ist, muss man sich der Frage stellen: Was kann mit Eigenvorsorge, mit mehr Eigenverantwortung geleistet werden?

   Herr Rexrodt, ich habe mich in die Materie Gesundheitswesen mittlerweile ein Stück eingearbeitet. Alle mit den Sozialsystemen, mit den Länderhaushalten und mit den Kommunalhaushalten verbundenen Probleme - ich komme darauf später im Zusammenhang mit Maastricht noch zu sprechen - werden beim Bundesfinanzminister abgeladen. Das nicht zu tun macht erforderlich, dass man sich mit diesen Fragen etwas genauer beschäftigt. In keinem anderen System erlebe ich ein solches Maß an Staatswirtschaft wie im Gesundheitswesen. Das hat Schwarz-Gelb zu verantworten.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Überschüsse! Wer hat denn immer von „kaputtsparen“, von „sozialer Härte“ geredet? - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Ihr habt immer einen draufgesetzt!)

   In welcher Marktwirtschaft gibt es denn Mehrbesitzverbote? In welcher Marktwirtschaft gibt es denn Preisspannenverordnungen? Dass der Hersteller einen Preis festsetzt, ist in Ordnung. Dass aber der Staat dem Großhandel und anschließend dem Einzelhandel - in diesem Fall denke ich an die Apotheker - den Preis vorschreibt, das haben doch Sie erfunden. Das ist wirklich eine erstaunliche Leistung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die Kartellbildung und die Vermachtung in diesem Bereich sind das allergrößte Problem. Schauen Sie sich einmal an, welche Lobbyarbeit Sie in diesem Zusammenhang gemacht haben! Wenn Sie das getan haben, dann unterhalten wir uns noch einmal. Ihre Lobbyarbeit - dies für diejenigen, die es ganz genau wissen wollen - lässt sich sogar an Namen festmachen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Da ist also eine ganze Menge zu tun. Ich komme auf dieses Thema gleich an einer anderen Stelle, wenn ich über Subventionsabbau sprechen werde, zurück. Was man sagt, ist immer richtig, wenn es im Allgemeinen bleibt. Wenn die eigene Klientel von etwas betroffen ist, dann gilt plötzlich genau das Gegenteil von dem, was man vorher gefordert hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben also eine Menge zu tun.

   Ein Stück soziale Verantwortung haben wir schon. Wir meinen: Wer mehr verdient, der kann auch ein bisschen mehr beitragen als derjenige, der weniger verdient.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Siehe Körperschaftsteuer!)

- Auch darauf komme ich zu sprechen.

   Wir müssen bei den sozialen Sicherungssystemen eine ganze Menge ändern, damit die Lohnnebenkosten sinken. Nur dann werden die sozialen Sicherungssysteme altersfest, armutsfest und zukunftsfest sein.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Dann fangen Sie doch einmal an!)

Natürlich ist ebenso am Arbeitsmarkt eine Menge zu tun. Der Kern des Kündigungsschutzes darf allerdings nicht verändert werden. Kündigungsschutz besteht in erster Linie, damit die Betriebe und die Arbeitnehmer berechenbare Rahmenbedingungen haben; das ist richtig. Wer eine Familie gründen, also Kinder in die Welt setzen will, wer die Entscheidung trifft, ein Häuschen zu kaufen, der trifft eine Entscheidung für Jahrzehnte und muss eine gewisse Sicherheit für seine Lebensplanung haben. Das sollten Sie nicht ganz vergessen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Kollege Rexrodt, übrigens wollen auch die Arbeitgeberverbände den Flächentarif, und zwar aus guten Gründen.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Leider ja!)

- Ich weiß nicht, ob man solche Vorschriften immer bekämpfen soll. Unser Grundgesetz kennt übrigens die Koalitionsfreiheit, wie Sie wissen.

   Wenn Sie den Flächentarifvertrag und die Gewerkschaften für die Arbeitslosigkeit verantwortlich machen, dann sage ich Ihnen: Was zurzeit an Arbeitsplatzabbau in den Banken passiert - das ist ein ganz willkürlich herausgegriffenes Beispiel -, hat weder etwas mit dem Flächentarifvertrag noch mit den Gewerkschaften zu tun.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das ist die Wirtschaftssituation!)

Also: Bitte nicht so einseitig!

(Beifall bei der SPD)

   Wir haben zu entbürokratisieren.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Kennen Sie Ihre eigenen Gesetzentwürfe? Wovon reden Sie?)

Das wird im Kabinett noch spannend werden, weil der Kollege Clement, der Kollege Schily, Frau Kollegin Zypries und ich das im jeweiligen Zuständigkeitsbereich sehr intensiv betreiben. Wo endet das? Das endet damit, dass der Einzelne bereit sein muss, für kleine Risiken auch wieder selbst ein bisschen mehr Verantwortung zu übernehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Fangt an! Senkung der Staatsquote! Senkung der Abgabenquote! Senkung der Steuerquote! - Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nur Mut!)

Wenn eine Gesellschaft auch die allerprivatesten Bereiche mit Paragraphen regeln und absichern will -  Sie tun das ja auch, indem Sie entsprechende Anträge stellen -, wenn gesagt wird - das war wirklich toll, Herr Kollege Brüderle -, dann, wenn es an den Aktienmärkten runtergehe, solle der Staat das ersetzen, dann produziert die Gesellschaft den ganzen Wust an Bürokratie selbst, den sie nachher beklagt und in dem sie erstickt.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Bundesminister, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brüderle?

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Ja, gern.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Herr Brüderle.

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Minister Eichel, sind Sie bereit, einzuräumen, dass das, was Sie eben gesagt haben, schlichtweg falsch ist?

(Zuruf von der SPD: Nein!)

Ich habe nie gesagt, dass man Telekom-Aktionäre entschädigen soll. Ich habe vorgeschlagen, bei weiteren Privatisierungen Kleinaktionäre, die durchgehalten haben, etwa durch Frühzeichnerrabatte oder Mitarbeiterrabatte günstiger zu stellen. Eine solche Äußerung, wie von Ihnen behauptet, hat es von mir nie gegeben. Das ist schlichtweg Unsinn. Das wird auch nicht dadurch richtiger, dass Sie es wiederholen. Gegebenenfalls müssten Sie es belegen.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Unter Herrn Eichels Verantwortung ist der Vermögensverfall bei der Telekom eingetreten!)

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Herr Kollege Brüderle, ich bin gern bereit, ein Dementi Ihrerseits entgegenzunehmen. Ich habe das in der Zeitung gelesen. Wir werden das auch wiederfinden, denke ich, und dann zeige ich Ihnen das. Wenn Sie sagen, Sie hätten die Äußerung nicht gemacht, ist das in Ordnung. Wenn Sie das hier dementieren, dann nehme ich das natürlich so hin und werde das auch nicht wiederholen. Das ist selbstverständlich.

   Kommen wir nun zu unserer Finanzpolitik ganz unmittelbar und zum Haushalt.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ach so! Wie lange reden Sie schon?)

Zunächst eine Vorbemerkung, Herr Kollege Merz, zum Thema deutsche Einheit. Es ist nicht wahr, dass niemand gewusst hat, dass das etwas kostet.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das habe ich auch nicht behauptet!)

- Doch!

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt zitieren Sie den Kollegen Merz wieder falsch! - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Er zitiert schon wieder falsch!)

   Damit kommen wir zu sehr unterschiedlichen Konzepten. Sie wissen, dass wir - ich auch - in meiner Partei großen Ärger mit meinem unmittelbaren Amtsvorgänger, Herrn Lafontaine, haben. In einem Punkt aber hatte er Recht. Er hat damals darauf hingewiesen,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja, DDR zehntgrößte Industrienation!)

dass mindestens 100 Milliarden DM jährlich an Transfer notwendig seien, um den Aufbau Ost zu leisten.

   Wir haben vor der Wiedervereinigung, als die letzte Stufe der stoltenbergschen Steuerreform - wenn ich mich recht erinnere, ging es um 25 Milliarden DM - in Kraft treten sollte, gesagt: Lassen Sie das jetzt! Wir brauchen das Geld für den Aufbau Ost. - Sie, insbesondere unser früherer Bundeskanzler, haben damals - Sie wissen das - Illusionen geweckt, und zwar darüber, wie schnell es gehen könnte und mit wie wenig Aufwand das Ganze zu machen sein würde. Das war eine Illusion. Es ist eine Generationenaufgabe, mit der wir es zu tun haben. Das haben viele gewusst, zum Beispiel auch Karl Otto Pöhl. Das war ein Grund dafür, dass Karl Otto Pöhl den Präsidentenstuhl in der Deutschen Bundesbank ganz leise verlassen hat.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Er hat Inflation befürchtet, die nie eingetreten ist!)

   Es hat großen Streit gegeben. Sie haben fundamentale Fehler gemacht. Ich will nur auf einen Fehler hinweisen. Wir wollten den Aufbau Ost im privaten Bereich über Zulagen finanzieren. Sie haben ihn über übermäßige Sonderabschreibungen finanziert - eine unsinnige Maßnahme, die eine Fülle von negativen Folgen hatte.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was haben Sie im Bundesrat dazu gesagt? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Wir haben Ihnen vorher gesagt, dass wir es über Zulagen machen sollten.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben mitgemacht!)

Natürlich wollten wir in dieser Zeit nicht die Spielverderber sein.

(Unruhe bei der CDU/CSU)

   Was war die Folge dessen, was Sie gemacht haben? In allerkürzester Zeit entstanden Überkapazitäten in der Bauwirtschaft, die niemand gebraucht hat und an denen wir heute noch tragen. Die Sonderabschreibungen konnten nur von Beziehern höherer Einkommen - solche gab es im Osten gar nicht - in Anspruch genommen werden, sodass das Aufbauprogramm Ost ein Steuersparprogramm West war. Über Zulagen hätten wir dahin kommen können, dass die Menschen im Osten den Aufbau Ost selbst betreiben. Wenn das geschehen wäre, wären wir sozial ein ganzes Stück näher zusammen, als wir es nach Ihrer Politik sind. Sie haben die sozialen Folgen Ihrer Politik nicht abgeschätzt.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Unfug!)

Das ist doch das eigentliche Problem, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Eichel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Thiele?

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Nein, jetzt nicht mehr.

   Nun komme ich zur Treuhand. Da haben Sie Recht mit dem, was Sie gesagt haben. Aber mindestens ebenso sehr, wie damals Herr Ministerpräsident Schröder und andere geglaubt haben, die Treuhand umfasse etwas Werthaltiges, hat das leider auch Herr Kollege Waigel getan. Ich sage heute „leider“, weil das genau die Folge hatte, die Sie beschrieben haben: In den 90er-Jahren ist die Staatsverschuldung, eines der beiden Kernprobleme, an denen wir lange arbeiten werden, um 20 Prozent des Bruttoinlandsproduktes gestiegen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sagen Sie endlich einmal was zum Haushalt 2003!)

   Damit komme ich zum heutigen Haushalt und zu all Ihren Behauptungen. Von 1994 bis 1998

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, über heute wollen wir reden, über 2003!)

- ich komme darauf zurück - sind die Staatsschulden mit dem Sondervermögen um 230 Milliarden Euro gestiegen. In den letzten vier Jahren waren es noch etwas über 40 Milliarden Euro. Das ist ein Riesenunterschied, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Falsch!)

   Sie hatten von 1994 bis 1998 eine Nettokreditaufnahme, eine durchschnittliche Kreditfinanzierung Ihrer Haushalte von 13,1 Prozent. Wir haben trotz des Ausreißers im vergangenen Jahr eine durchschnittliche Kreditfinanzierung von 10,6 Prozent. Auf diese Zahlen waren Sie offenkundig nicht vorbereitet, Herr Kollege Merz. Das ist die Wahrheit, mit der wir es zu tun haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Tatsächlich sind die Staatsausgaben bei uns gesunken. Sie führen immer das Jahr 1998 an. Aber Sie wissen so gut wie ich, Herr Kollege Austermann, dass Ihre damalige Haushaltsplanung keine Wahrheit und Klarheit enthielt. Die Postunterstützungskassen waren nicht enthalten, die Mittel für das Saarland und Bremen waren nicht enthalten. Der Haushalt hatte eine Fülle von Fehlstellen. In Wirklichkeit war er viel höher, aber Sie haben ihn vor der Bundestagswahl anders vorgelegt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Er war allemal solider als das, was Sie jetzt vorlegen!)

   Wir haben konsolidiert und wir konsolidieren weiter. Ich sage einen ausdrücklichen Dank an die Haushälter der Koalitionsfraktionen. Ich gebe ihn sehr gerne zurück, Herr Kollege Schöler und Frau Kollegin Hermenau,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Klub der Ahnungslosen trifft sich!)

weil es natürlich außerordentlich anstrengend ist, den Konsolidierungskurs durchzuhalten; denn das Problem ist nicht in wenigen Jahren zu lösen,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das Problem wird immer größer!)

wenn in Jahrzehnten Schulden aufgebaut worden sind. Wenn die Gewohnheit bestand, jedes Jahr mehr Geld auszugeben, als man einnimmt, braucht man lange Zeit, um da wieder herauszukommen. Das ist leider wahr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir bleiben auf dem Weg. Dass das nicht einfach ist und im dritten Jahr konjunktureller Schwäche möglicherweise noch schwieriger wird, wird keinen Moment bestritten. Deswegen sage ich ganz ausdrücklich: Wir halten die Nettokreditaufnahme bei 18,9 Milliarden Euro, aber die Bedingungen müssen klar sein, die übrigens immer klar waren.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das können Sie nicht erfüllen, Herr Eichel! - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Weihnachten muss mit Ostern zusammenfallen, dann klappt das!)

- Herr Kollege Rexrodt, es macht keinen Sinn, alle paar Wochen neue Zahlen in die Welt zu setzen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aber einmal richtig!)

- Hören Sie einmal: Im Jahr 2000 war es andersherum. Als ich im Herbst die 1 ? Prozent als Wachstumsprognose genannt habe, waren wir am unteren Rand aller Prognosen. Dann sind wir auf 1 Prozent gegangen; damit befanden wir uns in der Mitte. Jetzt - da haben Sie Recht - gibt es schon Prognosen, die deutlich darunter liegen. Das ist nicht zu bestreiten. Es macht aber keinen Sinn, alle paar Wochen einen neuen Haushalt aufstellen zu wollen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aber gleich einen richtigen! Pessimistisch schätzen!)

- So richtig, Herr Austermann, wie Ihre Aussage am 19. Dezember, zwölf Tage vor Jahresende, als Sie gesagt haben, dass wir 40 Milliarden Euro neue Schulden machen. Da waren es nicht einmal 32 Milliarden Euro. Eine solche Fehleinschätzung wie Ihre hat es noch nie gegeben. Auf so etwas kann man sich also nicht verlassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Wie hoch war denn Ihre Fehlquote?)

   Verehrter Herr Kollege Austermann, auch der Kollege Faltlhauser im Bayerischen Landtag, mit dem ich manchmal streite, der aber in seinen Annahmen sauber und seriös ist, sagt: Es gibt nur eine solide Grundlage, auf der ich meine Haushalte aufbaue, und zwar die Steuerschätzung im Mai, mit der ich den Haushaltsplanentwurf mache, der ins Kabinett geht, und die Steuerschätzung im November, auf der ich die Verabschiedung im Landtag aufbaue. - So macht er es und so ist es auch hier immer gemacht worden, auch vor meiner Zeit. Das war richtig und so wird es weiterhin geschehen. Es macht keinen Sinn, auf Zahlen aufzubauen, die aus der Luft gegriffen werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Haben Sie den Haushalt denn an die Steuerschätzung angepasst?)

Es ist wahr, dass die 1 Prozent für das Wirtschaftswachstum 2003 risikobehaftet sind. Übrigens weiß keiner, was geschieht. Ich will jetzt bewusst nicht irgendwelche Spekulationen anstellen. Der Internationale Währungsfonds und die Europäische Kommission haben in unserem Auftrag solche Studien angestellt. Das hilft uns aber nicht weiter, weil wir jetzt in eine unter Umständen etwas makabre Diskussion geraten könnten; also lassen wir das und beschäftigen uns erst dann erneut damit, wenn und sofern die Situation dies erfordert. Auf jeden Fall ist klar: Mit der Maisteuerschätzung werden wir eine neue, günstigere oder ungünstigere Wachstumsannahme oder aber die Bestätigung der alten Schätzung haben; darauf aufbauend - je nachdem, was sich daraus ergibt - werden wir Korrekturnotwendigkeiten erkennen können und dann auch realisieren müssen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Einen Nachtragshaushalt!)

   Natürlich ist das, was Herr Kollege Clement und ich verabredet haben, nämlich keinen Zuschuss zur Bundesanstalt für Arbeit zu zahlen, ein wahnsinnig anstrengendes Programm für dieses Jahr; das kann nicht bestritten werden. Darin steckt ein Risiko.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was steckt denn in Hartz III?)

Es hat doch überhaupt keinen Zweck, darum herumzureden. Das ist einer der Gründe dafür, dass wir mit dem Zinsverbilligungsprogramm bei der KfW auch im ersten Arbeitsmarkt gegensteuern. Das gehört doch zusammen, meine Damen und Herren. So macht das dann auch einen Sinn.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Was steckt denn in Hartz III?)

   In Bezug auf die deutsche Entwicklung halte ich Folgendes fest: Es ist eher erstaunlich, dass wir im Januar und bei der Produktion und den Auftragseingängen eine durchaus respektable Entwicklung haben, die für sich genommen, wenn sie ungebrochen weiterginge, die 1 Prozent ohne weiteres rechtfertigte.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und wenn nicht?)

- Ich weiß es doch nicht. Wissen Sie es denn? Sie haben es nur 14 Tage vor Jahresende massiv verhauen. Deswegen wollen wir doch nicht auf Ihre Spekulationen setzen, Herr Kollege Austermann.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sie haben das ganze Jahr versemmelt!)

   Mit anderen Worten: Genauso wie für jeden Finanzminister und auch für Herrn Faltlhauser ist dies die vernünftige Grundlage, die von allen Schätzern erarbeitet worden ist. Übrigens war falsch, was Sie gesagt haben: Die Korrektur der Wachstumsannahme von 11/2 auf 1 Prozent aufgrund einer nachgeholten Steuerschätzung im Umlaufverfahren haben wir danach in den Haushalt eingearbeitet.

   Nun sage ich ausdrücklich: Es ist vernünftig, den Haushalt auf dieser Basis abzuschließen. Darin stecken natürlich viel Anstrengung und Arbeit sowie Annahmen, von denen wir heute wirklich nicht wissen können, ob sie im Jahresverlauf so eintreten werden. Wir können nur sagen, in welchem Feld wir uns bewegen. Allerdings setzen wir auch darauf, dass mit der Umsetzung des Hartz-Konzeptes - dabei musste übrigens auch der Finanzpolitiker manchmal sein Herz über die Hürde werfen -

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das Herz ist doch schon „verhartzt“!)

etwas ins Rollen kommt, was dann auch zu Bewegung am Arbeitsmarkt führt. Auch diese Hoffnung steckt selbstverständlich darin.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das versprechen Sie uns doch schon seit Jahren!)

   Zum zweiten Aspekt, meine Damen und Herren: Die Konsolidierung geht also voran.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

- Herr Austermann, wenn Ihrer Ansicht nach zwischen den 230 Milliarden Euro von 1994 bis 1998 bei Ihnen und den 40 Milliarden Euro von 1999 bis 2002 bei uns kein riesiger Unterschied besteht, dann können Sie mit Zahlen wirklich nicht umgehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie war das mit UMTS- und Steuermehreinnahmen?)

- Gut, nehmen wir die Einnahmen aus UMTS hinzu, die Sie auch gern noch ausgegeben hätten. Ich bin froh, dass ich sie für den Schuldenabbau eingesetzt habe; das musste ich auch erst durchkämpfen. Dann bleibt immer noch ein Verhältnis von 230 zu 90 Milliarden Euro, angesichts dessen Sie immer noch sehr schlecht aussehen. Deswegen haben Sie es auch nicht gern, wenn man ein wenig über die Aktivitäten redet, die unternommen wurden, solange Sie die Verantwortung trugen.

   Der zweite große Aspekt für die Finanzpolitik lautet: Die Qualität des Budgets muss besser werden. Wir brauchen also mehr Geld für die Zukunftsbereiche, aber nicht nur mehr Geld. Dazu gehören auch strukturelle Reformen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Alle unsere Anträge dazu haben Sie abgelehnt!)

Meine Damen und Herren, ich könnte mich totlachen, wenn ich mir allein ansehe, wie windig Ihr Investitionsbegriff ist. Wenn es Ihnen nämlich passt, dann rechnen Sie - so ist das im Bundeshaushalt; deswegen können Sie diese Elemente eigentlich gar nicht gebrauchen - die Gewährleistungen mit hinein. Was heißt denn das? Wenn unsere Schuldner ihre Schulden nicht bezahlen, dann müssen wir bezahlen; dies erhöht unsere Investitionen. Welch unsinnigen Investitionsbegriff legen Sie da zugrunde, meine Damen und Herren?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Auch unter diesem Aspekt sind wir sogar oben, obwohl bei uns die Gewährleistungen heruntergingen, weil wir zum Beispiel mit Russland Gott sei Dank einen Schuldner haben, der solide bezahlt. Das wäre sonst ein riesiges Haushaltsrisiko.

   Die Verkehrsinvestitionen haben einen historischen Höchststand erreicht. Es kommt doch nicht auf die Hochbauinvestitionen an

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Zum größten Teil Transfers!)

- sie wären in einem übersättigten Wohnungsmarkt völlig falsch -, sondern auf die Verkehrsinvestitionen.

   Was haben Sie, meine verehrten Damen und Herren, im Bereich Bildung und Forschung gemacht? Das habe ich mir nun gerade einmal herausgesucht, weil Sie das genannt haben, Herr Merz; das hätten Sie besser nicht getan. Das war die Sparbüchse meines Vorvorgängers Theo Waigel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Seit 1993 haben Sie den Etat kontinuierlich von damals umgerechnet 7,6 Milliarden Euro auf 7,2 Milliarden Euro im Jahr 1998 heruntergefahren. xxxx

Seit jenem Jahr geht der Etat für Bildung und Forschung kontinuierlich nach oben. Ich muss gleichzeitig dazu sagen, dass wir die Ausgaben für das BAföG aus diesem Etat ausgegliedert haben und dass wir die Kosten für die Ganztagsschulen zusätzlich eingestellt haben.

   Ich wiederhole: Während Sie 1998 7,2 Milliarden Euro für Bildung und Forschung im Haushalt hatten, haben wir an dieser Stelle jetzt knapp über 9 Milliarden Euro. Das ist der Unterschied zwischen Ihrem Reden und unserem Handeln.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Sie haben selbstverständlich Recht: Die Förderung von Investitionen in diesem Bereich gehört zur Sicherstellung der Zukunftsfähigkeit. Ich stimme dem Kanzler zu, dass wir noch nicht da sind, wo wir hin wollen. Wir sind zwar besser als die anderen großen Länder Europas, aber die kleinen Länder wie die skandinavischen Länder sind besser.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Verdoppelt war versprochen!)

Natürlich müssen wir in diesem Bereich weiter vorankommen. Aber jeder von Ihnen weiß doch: Wer solche Schulden auf dem Buckel hat und so viel Zinsen zahlen muss, der ist bei der Investitionsfähigkeit eingeschränkt. Man muss erst die Schulden mühselig zurückfahren

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Macht doch einmal!)

und darf keine neuen Ausgabenwünsche äußern, wie Sie das gemacht haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Nur Versprechen und sonst nichts! - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Deutschland hat solch einen Finanzminister nicht verdient!)

   Wir haben die Ausgaben für Bildung und Forschung nach oben gefahren. Aber in Bezug auf Ausbildungsplätze muss ich der Wirtschaft mit allem Nachdruck sagen: Die Verantwortung für die Ausbildungsplätze hat die Wirtschaft in Deutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Angesichts der Zumutungen, die der Kanzler den Arbeitnehmern und Arbeitslosen am vergangenen Freitag angekündigt hat, kann es nicht so sein, dass auf der anderen Seite die eindeutige Verpflichtung der Wirtschaft, allen ausbildungswilligen und ausbildungsfähigen jungen Menschen einen Ausbildungsplatz zu garantieren - dazu hat sich die Wirtschaft im Bündnis für Arbeit früher bekannt hat -, nicht erfüllt wird. Ich erwarte von allen Präsidenten der großen Wirtschaftsverbände, von allen Präsidenten der Industrie- und Handelskammern, von allen Präsidenten der Handwerkskammern und von den Obermeistern aller Innungen - viele haben das früher getan; ich hoffe, dieses Jahr wieder -, dass sie sich alle persönlich darum bemühen, dass alle jungen Leute einen Ausbildungsplatz bekommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Warum wollen Sie sie vorher knebeln?)

   Dritter Aspekt. Neben Schuldenreduzierung und Verbesserung der Qualität im Bereich Bildung und Forschung durch mehr Investitionen ist der Subventionsabbau ein wesentliches Element.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Oh!)

- Ja, sicher. Das ist für Sie ein blamables Kapitel, mein sehr verehrter Herr Kollege.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Finanzhilfen, die bei Ihnen ein Volumen von 11,4 Milliarden Euro hatten, sind in diesem Haushalt auf 7,7 Milliarden Euro gesunken. Das sind 30 Prozent weniger.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mit dem Kohlekompromiss! Da waren Sie doch dagegen! - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wer hat denn den Kohlekompromiss unterschrieben? Das waren doch nicht Sie, Herr Eichel!)

- Richtig. Sie haben Recht: Dazu gehört auch die Kohle; die Kohlesubvention wird ständig heruntergefahren, obwohl Sie ständig etwas anderes sagen. Wenn Sie bei den Agrarsubventionen nur einen Bruchteil dessen gekürzt hätten, was wir bei der Kohle ständig machen, dann sähe die Welt schon ganz anders aus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Bundesminister, Sie haben die vereinbarte Redezeit schon um über sechs Minuten überzogen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Er ist fertig!)

Sie dürfen als Bundesminister natürlich weiterreden, aber es geht zulasten der Redezeit Ihrer Fraktionskollegen.

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Ich werde sehr schnell diese Rede beenden. - Subventionsabbau ist ein Punkt auf der Ausgabenseite. Ich weise Sie aber darauf hin, dass es genauso auf der Steuerseite - das ist völlig widersprüchlich - Subventionen gibt. Sie haben zum Beispiel die Eigenheimzulage und den halben Mehrwertsteuersatz für Zahntechniker selber so definiert. Daran sieht man die Scheinheiligkeit Ihrer Argumentation: Wenn es ernst wird, stellen Sie sich vor jede Lobbygruppe. Vorher verkünden Sie Allgemeinplätze, denen aber hinterher keine Taten folgen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Der Bundesrat und der Bundestag - vielleicht weniger die Oppositionsfraktionen und Regierungsfraktionen in diesem Hause - haben eine gemeinsame Verantwortung. Deswegen sage ich Ihnen zum Schluss ganz klar: Wir werden unsere Verpflichtungen aus dem Stabilitätspakt erfüllen.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Na!)

Diejenigen, Herr Kollege Rexrodt, die wie Sie oder wie die CDU/CSU im vergangenen Herbst unter Inkaufnahme aller Brüche der europäischen Verantwortung noch Programme in zweistelliger Milliardenhöhe verkündet haben, können sich heute nicht als Wächter des Stabilitätspaktes aufspielen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben die Steuersenkung verschoben, um die Flutaufbauhilfe ohne Schulden zu finanzieren.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aber die Schulden kommen!)

Genau das ist passiert. Anderenfalls hätten wir 7 Milliarden Euro weniger in der Kasse. Sie haben aber ganz andere Versprechungen gemacht.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der Junge ist fertig!)

Wir bleiben dabei - die europäischen Finanzminister sind sich samt und sonders darin einig -: Der Pakt wird angewandt. Er ist ein ökonomisches Instrument. Die Anwendung liegt in europäischer Verantwortung, wobei einstimmig entschieden werden muss.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: 3 Prozent sind 3 Prozent!)

- Genau: 3 Prozent sind 3 Prozent. - Das heißt dann auch, Deutschland wird in diesem Jahr - das haben Sie vom Generaldirektor für Finanzen und Wirtschaft hören können -

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt tricksen Sie aber nicht herum!)

in einer Schwächephase, wenn also das Wachstum unter 1 Prozent liegt, nicht angehalten werden, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen. Dann wird hingenommen, dass wir das 3-Prozent-Kriterium überschreiten. Das ist nichts weiter als die Anwendung der automatischen Stabilisatoren.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wie lange geht das denn? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

   Dieser Generaldirektor ist übrigens derjenige, der unter Herrn Waigel federführend den Stabilitäts- und Wachstumspakt erarbeitet hat. Das müssten Sie eigentlich besser wissen als ich.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine rückwärts gewandte Rede ohne Perspektiven!)

   Mit anderen Worten: Die entscheidende Frage ist, ob wir uns im Ecofin oder im Rat der Staats- und Regierungschefs, im Europäischen Rat, bei der Anwendung des Vertrages dem Geist und dem Buchstaben dieses Vertrages einstimmig verpflichtet fühlen oder nicht. Die Bundesregierung tut das.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Na, na!)

Genauso haben wir uns die ganze Zeit über verhalten, selbst in Wahlkampfzeiten, als Sie Versprechungen gemacht haben, die mit nichts zu begründen waren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da haben Sie gelogen, dass sich die Balken gebogen haben!)

   Fazit: In diesem Haushalt wird die Konsolidierung konsequent weitergeführt.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Nichts zum Haushalt gesagt!)

Dieser Haushalt tut mehr für Investitionen in Bildung und Forschung und mehr für den Subventionsabbau als jeder Haushalt zuvor und verdient deswegen nicht nur Zustimmung, sondern lässt auch die entsprechende Beteiligung der Länder, die haushaltsautonom sind, im Bundesrat erwarten. Was in Länderverantwortung nicht geschieht, müssen die Länder selber verantworten. Deren Verantwortung kann die Bundesregierung nicht übernehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Der Schulmeister gibt sich selber Noten!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Andreas Pinkwart von der FDP-Fraktion.

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister, wir haben soeben eine kurze Geschichtsstunde - man könnte auch sagen: Märchenstunde - zur deutschen Einheit erlebt.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Es waren doch die SPD-Ministerpräsidenten, die sich anlässlich der Entscheidung über das Föderale Konsolidierungsprogramm vom Bund die Stimmen haben abkaufen lassen. Allen voran Oskar Lafontaine war es gewesen, der sich für das Saarland eine milliardenschwere Bundesergänzungszuweisung hat durchreichen lassen, um für die deutsche Einheit stimmen zu können, der er vorher gewaltig entgegengetreten war. Das ist doch die Wahrheit in der Betrachtung der deutschen Einheit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jörg Tauss [SPD]: Wie war das denn mit Möllemann?)

   Ich möchte Ihnen einmal in Zahlen dokumentieren, was der Bundesfinanzminister hier vorgetragen hat.

(Unruhe bei der SPD)

- Wenn Sie zuhören würden, könnten Sie etwas lernen.

(Dr. Uwe Küster [SPD]: Proseminar! Möllemännchen! - Weitere Zurufe und Lachen bei der SPD)

Sie könnten dann zur Kenntnis nehmen, welche Defizitzahlen der Euroländer der Bundesfinanzminister, den Sie stellen, in einer öffentlichen Verlautbarung hat feststellen lassen. Hier muss Klartext gesprochen werden. Sie haben 1998, als Sie in die Regierung gekommen sind, ein öffentliches Defizit von minus 2,2 Prozent übernommen. Das entsprach exakt dem Defizit des Euroraums. Jetzt zitiere ich die Erklärung des Herrn Bundesfinanzminister vom Januar 2003; dies ist eine öffentliche Bekanntgabe der Defizitzahlen für den OECD-Raum. Da lesen wir: Italien minus 2,4 Prozent, Niederlande minus 0,8 Prozent, Spanien 0 Prozent, Schweden plus 1,4 Prozent und Finnland plus 3,6 Prozent. Die Bundesrepublik Deutschland ist in dieser Auflistung mit minus 3,8 Prozent das absolute Schlusslicht. - Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wenn der Bundesfinanzminister sagt, dass Rot-Grün auf Bundesebene einen Beitrag zur Haushaltskonsolidierung geleistet hat, tatsächlich sich aber das gesamtstaatliche Defizit seit 1998 dramatisch verschlechtert hat, dann ist das nur auf eines zurückzuführen: Sie haben die Belastung systematisch auf Länder und Kommunen abgewälzt und insgesamt mit Ihrer Politik das gesamtstaatliche Defizit erhöht.

   Sie, Herr Eichel, sind hier als Sparminister angetreten, aber immer dann, wenn eine kleine, eine mittlere oder auch eine größere Krise am Horizont aufzieht, setzen Sie auf Steuererhöhungen. Statt das Vertrauen in die Finanzmärkte zu stärken, haben Sie nach dem 11. September als erste Maßnahme die Tabak- und Versicherungssteuer erhöht. Statt die Flutwelle zum Anlass zu nehmen, Subventionen abzubauen, haben Sie die fest zugesagten Steuersenkungen verschoben. Statt in der schweren Konjunkturkrise, in der wir uns jetzt befinden, die Steuern zu senken, haben Sie gegen jeden wirtschaftlichen Sachverstand über 40 Steuererhöhungsmaßnahmen durch den Deutschen Bundestag gepeitscht. Sie, Herr Eichel, kämpfen mit dieser Politik gegen Ihre eigenen Windmühlen. Don Quijote lässt grüßen.

   Der Abbau von Steuervergünstigungen macht nur Sinn, wenn Sie gleichzeitig die Steuersätze senken. Das tun Sie aber nicht; Sie verschieben die Steuersenkung, die Sie fest zugesagt haben, und wollen jetzt die Bemessungsgrundlage verbreitern. Damit zerstören Sie bei den Verbrauchern und Investoren das Vertrauen in Ihre Politik. Damit gefährden Sie nicht nur Ihre eigenen Wiederwahlchancen, sondern Sie zerstören auch den konjunkturellen Pfad.

   Sie haben nicht nur die Stabilitätskriterien verfehlt, Sie haben vor allen Dingen auch den zweiten Teil - das ist auch Ursache für die schlechte wirtschaftliche Situation - des Stabilitäts- und Wachstumspakts verfehlt. Sie setzen nämlich keine hinreichenden Ansätze für die Förderung des Wachstums.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das haben Sie, Herr Eichel, am vergangen Mittwoch im Finanzausschuss offenbart. Sie haben dort nach einer gewissen Buchhaltermethode gesagt, ein Euro Minderausgabe durch Einsparung entspräche in der Wirkung genau einem Euro Mehreinnahme durch Steuererhöhung. Dieses Denken haben Sie auf Nachfragen mit Verteilungsgerechtigkeit begründet. Sehr geehrter Herr Eichel, wer Verteilungspolitik der Wachstumspolitik vorzieht - das scheint offensichtlich Ihr Kurs zu sein -, der wird am Ende nichts mehr zu verteilen haben. Das sehen wir an dem jetzt von Ihnen vorgelegten Haushalt 2003.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Antje Hermenau [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Chaostheoretiker!)

   Wir fordern Sie daher auf: Ziehen Sie Ihr Nettoeinkommenssenkungsgesetz endlich zurück, verzichten Sie auf Ihr Placeboprogramm zur Konjunkturstützung und stellen Sie endlich unmissverständlich klar, dass Sie die Steuern wirklich senken wollen! Ziehen Sie die letzte Steuerreformstufe vor, stellen Sie die Signale endlich auf Steuervereinfachung! Wenn Sie es mit der Steuervereinfachung, die auch von Herrn Bundeswirtschaftsminister Clement angekündigt worden ist, wirklich ernst meinen, Herr Bundesfinanzminister, dann vermag ich nicht zu verstehen, dass Sie uns im Finanzausschuss am Mittwoch noch erklärt haben, bei der Gemeindefinanzreformkommission zielten Sie darauf ab, entweder am alten Zopf festzuhalten oder aber, auch das könnten Sie sich sehr gut vorstellen, die Gewerbesteuer ganz abzuschaffen. Diese beiden Alternativen haben Sie uns am vergangenen Mittwoch vorgetragen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Pinkwart, kommen Sie bitte zum Schluss.

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

- Ich komme zum Schluss. - Noch am Mittwoch hat Ihre Finanzstaatssekretärin ausweislich von Presseberichten erklärt, die Bundesregierung ziele in der Gemeindefinanzreformkommission darauf ab, an der Gewerbesteuer festzuhalten. Am vergangenen Freitag hat der Bundeskanzler Sie mit seiner Erklärung auf die Beibehaltung und Reanimierung der Gewerbesteuer festgelegt. Sehr geehrter Herr Finanzminister, damit ist Ihre großartige Aufgabe als Vorsitzender der Gemeindefinanzreformkommission der Bundesregierung endgültig gescheitert. Sie setzen auf einen alten Gaul, statt endlich die deutsche Wirtschaft von der unnötigen, konjunkturanfälligen und überbürokratischen Gewerbesteuer zu entlasten.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Als nächste Rednerin hat das Wort die Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig von Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mich hat die bisherige Diskussion irritiert. Wir gehen in diesen Stunden auf den Irakkrieg zu und gleichzeitig stehen wir alle vor der schwierigen Aufgabe, Haushaltskonsolidierung und Beförderung des Wirtschaftswachstums zu leisten. Das ist keine Aufgabe, die nur eine Seite dieses Hauses erledigen muss und die andere nicht. Vor dieser Aufgabe stehen wir gemeinsam und daher muss ich sagen: Es irritiert mich ungemein, dass Sie Ihre alten Reden recyceln, statt mit Nachdenklichkeit und Einsicht Ihre eigene Mitverantwortung zur Lösung der Probleme - sie sind weiß Gott groß genug - ernst zu nehmen und sich aktiv und konstruktiv einzubringen. Das fehlt seit Jahr und Tag, das fehlt bis heute.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Sie begreifen einfach nicht, dass wir uns längst nicht mehr in den Zeiten dümmlicher Besserwisserei befinden, sondern dass wir in der Gesamtverantwortung stehen, um dieses Land durch das wirklich schwierige Fahrwasser, in dem wir uns innen- wie außenpolitisch befinden, zu steuern. Ich würde mir wirklich wünschen, dass wir endlich in diese Diskussion gemeinsam einsteigen. Ich sage es ganz konkret: Der Kanzler hat am letzten Freitag damit begonnen.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das war aber ein bisschen spät!)

Er hat Strukturreformen vorgeschlagen,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Viereinhalb Jahre Nachdenken! Da ist eine Maus herausgekommen!)

die auch einen Teil der Forderungen erfüllen, die Sie seit Jahr und Tag erheben. Insofern wäre es Ihre Aufgabe, sich auf diese Punkte konstruktiv zu beziehen.

   Kollege Rexrodt, Sie sagten: „Das war aber ein bisschen spät.“ Als Sie Ihre Forderungen aufgelistet haben, habe ich nur gedacht: Meine Güte, war die FDP nun 32 Jahre lang an der Regierung beteiligt, was hat sie von ihren eigenen Forderungen erfüllt?

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Immer das Gleiche, Frau Eichstädt-Bohlig!)

Davon ist nie viel zu hören und zu sehen gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hans Michelbach [CDU/CSU]: Die Platte hat einen Sprung!)

   Ich möchte deutlich sagen, um welche Zielkonflikte es geht; denn aus meiner Sicht ist die Situation zu ernst, um hier dauernd Pingpong zu spielen:

   Erstens. Der traditionelle Sozialstaat, der durch Umverteilung finanziert wird, ist an seine Grenzen gekommen.

Zweitens. Wir können Wirtschaftswachstum nicht auf Pump finanzieren, sondern brauchen eine ausgewogene Mischung aus Haushaltskonsolidierung und Stärkung der Wirtschaft.

(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Ganz neue Töne!)

   Das ist eine ganz schwierige Gratwanderung. Wir stellen uns diesen Aufgaben und müssen mühselig lernen, was das für harte Herausforderungen sind, gerade für Rot-Grün. Ich möchte Sie jedoch auffordern, das Ihrerseits zu verstehen; denn alle, Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, müssen ein Stück einbringen, damit die Bewältigung dieser Aufgaben in Zukunft gelingen kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Das heißt ganz deutlich: Wir verteidigen den Konsolidierungskurs, wir verteidigen ihn auch gegen Ihre Verführung, wir sollten mehr Schulden machen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das stimmt doch gar nicht! Das ist doch Unfug!)

- Schauen Sie sich doch Ihre Anträge an, Kollege Austermann. Allein im Verkehrsbereich haben Sie Anträge mit einem Umfang von über 1 Milliarde Euro Mehrkosten gestellt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir haben Kürzungen vorgesehen! - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Nachdenklich!)

Es ist wirklich unverschämt, mit welcher Scheinheiligkeit - -

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir waren ganz nachdenklich!)

- Jetzt bin ich es wirklich leid. Ich wollte eine konstruktive Rede halten,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt kommt die alte Eichstädt-Bohlig zum Vorschein! Genauso ist sie!)

aber ich lasse mir Ihr Verhalten nicht gefallen. Sie machen den großen Schwarzmaler und reden davon, die Regierung halte die Maastricht-Kriterien nicht ein, weil sie das Defizitkriterium nicht einhält, und gleichzeitig stellen Sie Forderungen, wir brauchten hier und da und dort mehr Geld. Allein im Verkehrsbereich handelt es sich um über 1 Milliarde Euro.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein!)

   Als Drittes dröseln Sie das Steuervergünstigungsabbaugesetz auf und tun so, als hätten Sie auf Länderebene nichts mit den Maastricht-Kriterien zu tun. Als Viertes beschweren Sie sich, die Bundesregierung würde in den Ländern und Kommunen nicht genügend Geld lassen. Diese Musik kennen wir in- und auswendig. Entweder haben Sie den PISA-Schulungskurs nicht kapiert oder Sie lügen die Bevölkerung systematisch an und streuen den Menschen Sand in die Augen, statt ehrlich zu sagen, was geht und was nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Das ist Ihre Verantwortung, Kollege Austermann. Das bezieht sich auch auf den Kollegen Merz und auf das, was er vorhin an Quatsch gesagt hat. Er kann offenbar nicht einmal die Haushaltsanträge, die eingebracht wurden, lesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist eine Unverschämtheit, zu sagen, dieser Haushalt sei eine Karikatur.

Dieser Haushalt ist die mühselige Gratwanderung, der wir uns stellen mussten. Ihre Verantwortung lag unter anderem darin, dass Sie uns einen Riesenschuldenberg hinterlassen haben. Wir wissen alle, dass er zum Teil der Vereinigung geschuldet ist.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Viereinhalb Jahre!)

Deswegen bringt es überhaupt nichts, hier ständig hinterherzutreten. Die Aufgabe muss gelöst und die Situation darf nicht durch Besserwisserei schlecht geredet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das war ein nachdenklicher Beitrag!)

   Sie behaupten ständig - das hat eben auch Herr Pinkwart gemacht -, wir würden die Steuern erhöhen. Sie haben noch gar nicht gemerkt, welch anspruchsvolles Steuerreformkonzept

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das hat außer Ihnen niemand gemerkt!)

wir längst beschlossen haben. Die ersten Schritte sind bereits eingeleitet. Fragen Sie sich lieber selbst, warum Sie die Steuern immer die Steuern hoch getrieben haben.

   Wir haben bereits den Eingangssteuersatz von 25,9 auf 19,9 Prozent und den Spitzensteuersatz von 53 Prozent auf 48,5 Prozent gesenkt.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das hätten Sie doch mit Petersberg alles machen können! Das haben Sie doch verhindert!)

Wie der Kanzler gesagt hat, werden wir diese Steuerreform in den Jahren 2004 und 2005 wie beschlossen weiterführen. Dann werden wir den Eingangssteuersatz auf 15 Prozent und den Spitzensteuersatz auf 42 Prozent senken. Seien Sie ehrlich: Sie sind unheimlich neidisch, dass Ihnen das in Ihrer Regierungszeit nicht gelungen ist, obwohl Sie das immer groß propagiert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Sie haben es doch torpediert!)

- Ja, Kollege Rexrodt, Sie sind gemessen an den Worten der Größte und gemessen an den Taten der Kleinste. Das muss man einfach einmal sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Uwe Küster [SPD]: Rexrodt als Zwerg Nase! - Gegenruf des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Lafontaine!)

   Ich bin in großer Sorge um den Streit in der Kommission zur Erarbeitung einer Gemeindefinanzreform. Momentan mündet das Engagement, die Gemeindefinanzen wirklich auf eine solide Basis zu stellen, in einem Hickhack, das der Problematik nicht angemessen ist. Kollege Rexrodt, ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, Ihrer Variante zu folgen, den Kommunen ein eigenes Einkommen- und Körperschaftsteuerhebesatzrecht zu geben. Das erhöht die Bürgermeisterkonkurrenz und den Streit zwischen den großen Kommunen, den Städten, die die großen sozialen und die mit entsprechend hoher Arbeitslosenquote verbundenen Probleme zu schultern haben, und den Umlandkommunen, für die sehr viel günstigere Bedingungen gelten.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das stimmt doch nicht!)

Die können sich dann einen niedrigen Hebesatz leisten, während die großen Städte auf jeden Euro angewiesen sind.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Das kann man so pauschal nicht sagen!)

   Richtig ist das, was wir propagieren, nämlich dass die Gewerbesteuer so weit stabilisiert wird,

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Die muss abgeschafft werden!)

dass dadurch die Grundfinanzierung der Kommunen bestritten werden kann. Werben Sie also nicht ständig für die Abschaffung und streuen Sie den Unternehmen diesbezüglich nicht Sand in die Augen. Die Kommunen brauchen diese Steuern dringend.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Sie wollen Steuererhöhungen!)

   Nur wenn es uns gelingt, diese Gemeindefinanzreform zum 1. Januar 2004 in konstruktiver Weise auf den Weg zu bringen, können wir den Kommunen das geben, was sie brauchen, um ihre Investitionen zu tätigen, was wir wiederum für die Wirtschaft brauchen.

   In diesem Sinne wünsche ich mir, dass Sie mit Ihrer Besserwisserei allmählich zum Schluss kommen und konstruktiv an den Aufgaben dieses Landes arbeiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie es nicht machen, werden wir weiter vorangehen und wir werden es schaffen. Die Einsicht wird es alle Beteiligten lehren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Auf Wiedersehen!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Hans Michelbach von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Hans Michelbach (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Es ist richtig: Die Menschen machen sich heute ernsthafte Sorgen: wegen eines kriegerischen Konfliktes, aber auch wegen der ökonomischen Abwärtsspirale und der zunehmenden Hilflosigkeit der Bundesregierung. Immer mehr Menschen in Deutschland erkennen: Deutschland wurde in den letzten 50 Jahren noch nie so schlecht regiert wie heute.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lachen bei der SPD)

Das gilt insbesondere für die Finanz-, Haushalts- und Wirtschaftspolitik.

   Herr Eichel, Sie haben heute nur noch eine für mich unredliche Verteidigungsrede gehalten. Bei der Einbringung des Bundeshaushaltes haben Sie keine neuen Perspektiven und keine neuen Ziele aufgezeigt. Sie haben sich nur noch verteidigt. Das ist zu wenig, Herr Bundesminister. Das führt zu keinem Aufbruch, sondern verstärkt nur die Abwärtsspirale. Sie sind der Abwärtsspiralenminister.

(Beifall bei der CDU/CSU - Walter Schöler [SPD]: Das ist Ihre Perspektive!)

Unsere Wirtschaft steckt in der schwersten Krise seit Jahrzehnten und das können Sie, Herr Bundesfinanzminister, nicht auf den bedauerlichen Konflikt im Irak schieben. Die Risiken, die dieser Haushalt enthält, sind hausgemacht. Jeden Tag gehen über 100 Firmen in die Pleite. Jeden Tag werden 6 000 Arbeitnehmer arbeitslos. Viele von diesen Menschen hätten heute Arbeit und würden Steuern zahlen, wenn Sie, Herr Eichel, nicht regieren würden. Das sind Tatsachen, heute anzusprechen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir haben es in Deutschland mit einer Abwärtsspirale zu tun, an deren Folgen wir leider noch sehr lange zu tragen haben werden: Die Staatsverschuldung ist auf einen Rekordwert von 1 300 Milliarden Euro gestiegen. Mit knapp 50 Prozent haben wir die vierthöchste Staatsquote der Welt. Der Staatsanteil frisst inzwischen 56 Prozent des Volkseinkommens auf. Der Stabilitäts- und Wachstumspakt sowie unsere gemeinsame europäische Währung werden zunehmend beschädigt. Der Wachstumsverlust gegenüber anderen Ländern in der EU wird immer größer. Mit einer durchschnittlichen Steuerbelastung von 36 Prozent sind wir europaweit Schlusslicht

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Mit einer Grenzsteuerbelastung von 29,8 Prozent liegen wir in der Europäischen Union auf dem vorletzten Platz. Von 100 Euro Arbeitslohn beansprucht unser Staat, Herr Eichel, leistungsfeindliche 66 Euro an Steuern und Abgaben. Beim Vergleich des durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommens sind unsere Bürger seit 1998 auf der Weltrangliste von Platz 7 auf Platz 13 abgestürzt. - Unsere Bürger sind durch Rot-Grün also immer ärmer geworden. Auch das ist eine Tatsache, die ich hier ansprechen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Auf diese Misere kennt Rot-Grün nur eine Antwort, die geradezu absurd ist: neue Steuererhöhungen, noch mehr Schulden und Flickschusterei durch viele Einzelgesetze. Was für ein Irrweg! Eine solche Politik treibt uns nur noch mehr in die Krise.

   Welches System hinter dieser Politik steckt, hat uns Herr Müntefering entwaffnend erklärt. Er hat gefordert, wir sollten weniger Geld für den privaten Konsum haben und dem Staat Geld geben, damit er seine Aufgaben erfüllen könne. Das ist nichts anderes als Staatswirtschaft à la DDR-Ökonomie. Das sind die Grundlagen Ihrer ökonomischen Arbeit!

(Zurufe von der SPD: Oh!)

   Zu Beginn dieses Jahres haben die Menschen bemerkt: Rot-Grün führt zu immer mehr Steuern, mehr Abgaben und mehr Belastungen. Eine Durchschnittsfamilie hat Monat für Monat bis zu 270 Euro weniger in der Tasche.

(Zuruf von der SPD: Ach!)

17 Milliarden Euro an Ökosteuer kassieren Sie bei den Bürgern und den Betrieben in diesem Jahr ab. Das muss deutlich werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lothar Mark [SPD]: Das ist gelogen!)

   Meine Damen und Herren, Deutschland braucht mehr Freiraum, mehr Markt, mehr Wettbewerb und nicht mehr Regulierung und mehr Belastung. Deutschland braucht einfach eine wachstumsorientierte Politik, die Unternehmern und Arbeitnehmern Entfaltungsmöglichkeiten lässt, die Leistungsbereitschaft fördert und nicht immer nur behindert.

(Elke Ferner [SPD]: Wo sind Ihre Vorschläge?)

   Herr Bundesfinanzminister Eichel, wenn Sie von Wachstumspolitik reden, dann ist das für mich so, als wenn eine bayerische Kuh vom Sonntag spricht. Die Widersprüchlichkeiten Ihrer Finanzpolitik gehen auf keine Kuhhaut, zumindest auf keine bayerische Kuhhaut: Sie erhöhen erst die Steuern, weil angeblich kein Geld vorhanden ist, und würgen so die Konjunktur ab, gleichzeitig machen Sie aber neue Schulden, um die Konjunktur wieder anzukurbeln. Der Bundeskanzler beharrte am Freitag auf den Steuererhöhungen durch das Steuervergünstigungsabbaugesetz und der Kürzung der Eigenheimzulage und kündigte am gleichen Tag ein Kreditprogramm für die Bauwirtschaft an. Mit der Erhöhung der Gewerbesteuerumlage entziehen Sie, Herr Bundesfinanzminister, den Kommunen in vier Jahren rund 10 Milliarden Euro und bieten ihnen gleichzeitig billige Kredite an.

Was denn nun, Herr Eichel? Sie sind vielleicht kein Spielverderber, wie Sie es vorhin gesagt haben, aber ein Mann voller Widersprüchlichkeiten in der Finanzpolitik. Das muss heute deutlich werden. Mit diesem Haushalt haben Sie die Realitäten der Finanzpolitik aus den Augen verloren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Deutschland braucht jetzt wirklich einen Weg aus der Wachstums- und Haushaltsfalle und keine finanzpolitische rot-grüne Gesundbeterei.

(Jörg Tauss [SPD]: Werden Sie mal konkret!)

Deutschland braucht einen Kurswechsel in der Finanzpolitik. Der Staat darf auf Dauer nicht mehr ausgeben, als er einnimmt; denn die Schulden von heute sind die Steuern von morgen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hierzu wird eine zielführende Gesamtkonzeption in der Finanz- und Steuerpolitik benötigt, die bei den Bürgern wieder Vertrauen und bei den Betrieben wieder Planungssicherheit schafft. Nur wer Vertrauen hat, nimmt Herausforderungen an und meistert sie. Ihr Problem in der Finanz- und Steuerpolitik ist, dass Sie jede Glaubwürdigkeit und jegliches Vertrauen verloren haben, weshalb die Bürger nicht mehr konsumieren und die Investoren nicht mehr investieren. Deshalb brauchen wir in der Steuer- und Finanzpolitik einen klaren Kurswechsel und eine klare ordnungspolitische Linie.

(Zuruf von der SPD: Wie? Herr Michelbach, sagen Sie einmal, wie!)

   Meine Damen und Herren, in der Steuerpolitik gibt es natürlich eine klare Lösung: Insbesondere muss auf neue Steuererhöhungen verzichtet werden. Natürlich müssen Sie auch die Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit stärker vorantreiben, um die Zahl der Beitragszahler zu erhöhen. Mehr Arbeitslose bedeuten weniger Beitragszahler, weniger Steuerzahler, weniger Kreativität und weniger aktive Menschen in unserem Land. Wenn Sie das Grundübel der Arbeitslosigkeit nicht besser anpacken, kann Deutschland nicht aus der Wachstums- und Haushaltsfalle herauskommen. Durch eine Senkung der Arbeitslosigkeit um nur 100 000 Personen kann ein Konsolidierungsbeitrag von 2,5 Milliarden Euro pro Jahr erwirtschaftet werden. Deshalb muss es wachstums- und beschäftigungsfördernde Maßnahmen geben. Das sind die Grundlagen für eine neue Finanz- und Steuerpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Auf neue Steuererhöhungen muss verzichtet werden und es muss ein zielführendes Steuerabbauprogramm mit einem klaren Plan für mehr Steuervereinfachungen und Steuergerechtigkeit geschaffen werden.

(Joachim Poß [SPD]: Sehr konkret!)

Dieses Gesamtsteuerkonzept muss natürlich inklusive aller Herausforderungen der Steuerpolitik erstellt werden.

(Florian Pronold [SPD]: Sagen Sie nur einen sinnvollen Satz!)

Natürlich muss mit diesem Konzept der Forderung des Bundesverfassungsgerichtes zur gleichen Besteuerung der Alterseinkünfte nachgekommen werden. Die Abgeltungsteuer auf Kapitaleinkommen ohne Kontrollmitteilungen sollte in den Bereich der Einkommensbesteuerung eingebettet sein.

(Florian Pronold [SPD]: Bitte nur einen vernünftigen und konkreten Satz!)

   Es ist ganz klar: Wir haben schon sehr lange eine Gesamtkonzeption in der Steuerpolitik gefordert. Hierzu gehört natürlich auch eine Gemeindefinanzreform. Als Substanzsteuer ist die Gewerbesteuer natürlich auch Teil der gesamtsteuerlichen Belastung. Mit Ihrer rot-grünen Steuerreform haben Sie die Mittelständler gegenüber den großen Kapitalgesellschaften massiv benachteiligt. Im Jahre 2000 haben die Kapitalgesellschaften noch 23 Milliarden Euro Körperschaftsteuer abgeführt. Im Jahre 2001 haben die Finanzminister 400 Millionen Euro ausgezahlt. Bei Ihnen ist aus einer Einnahmequelle ein Ausgabenposten geworden.

   Rot-Grün hat die Steuerbelastung insbesondere zulasten der mittelständischen Unternehmen umverteilt. Für die großen Kapitalgesellschaften gilt seit 2001 der definitive Steuersatz von 25 Prozent. Zuzüglich der Gewerbesteuerlast werden sie mit insgesamt 38 Prozent belastet.

(Joachim Poß [SPD]: Glauben Sie den Unsinn, den Sie erzählen, eigentlich selbst?)

Dagegen sollen 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland, die Personengesellschaften, erst 2005 auf 42 Prozent entlastet werden. Das haben sich diese Personengesellschaften auch noch teuer erkauft; denn gleichzeitig müssen sie aufgrund der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage die Mehrbelastung schon heute tragen. Ich nenne als Beispiel die Verschärfung der Abschreibungsfristen. Damit haben die Personengesellschaften die heutige Entlastung der Kapitalgesellschaften finanziert. Das ist ungerecht. Deswegen brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn sich die Mehrheit der Personengesellschaften innerlich verweigert und nicht mehr investiert.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg-Otto Spiller [SPD]: Dünner Beifall bei der Union!)

   Aus diesem Grunde rufe ich Sie zu einem vertrauensbildenden Steuermoratorium auf. Die Steuerpolitik in Deutschland bedarf eines Kurswechsels. Wir brauchen eine umfassende Reform unseres Steuersystems mit Abbau der Nachteile für den Mittelstand und einer wirklichen Nettoentlastung für Bürger und Betriebe, keine Steuererhöhungen. Das Ziel muss ein einfaches, transparentes, gerechtes und nachvollziehbares Einkommensteuerrecht mit niedrigen Steuersätzen und weitgehendem Verzicht auf Besteuerungsausnahmen sein.

   Hierzu gehört eine rechtsgültige Abschaffung der Vermögensteuer und eine Neuregelung der Erbschaftsteuer im Falle einer Unternehmensfortführung genauso wie eine Soforthilfe für die Kommunen, die zum 1. Januar 2004 eine wirtschafts- und ertragsbezogene Gemeindefinanzreform benötigen. Dies würde dann das erste Steuergesetz ohne neue Belastungen für die Wirtschaft sein. Wir brauchen keine neuen Steuererhöhungen unter dem Stichwort der Revitalisierung der Gewerbesteuer mit Substanzbesteuerung von Mieten, Pachten, Zinsen und Leasingraten! Das, was der Bundeskanzler zur Gemeindefinanzreform am Freitag vorgetragen hat, ist eine reine Steuererhöhung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Wir haben für die mittelständischen Firmen eine Steuererhöhung zwischen 30 und 40 Prozent ausgerechnet, wenn man die Besteuerung von Mieten, Pachten, Zinsen und Leasingraten hinzurechnet, wie das von den kommunalen Spitzenverbänden und vom Bundeskanzler vorgeschlagen wurde. Das ist der neue Irrweg. Wir brauchen eine Gemeindefinanzreform, mit der wirtschaftsbezogen eine gerechte Lösung nach den Erträgen geschaffen wird. Alles andere wäre eine neue Substanzbesteuerung, die die Betriebe letzten Endes in die Illiquidität führt. Vielmehr müssen Sie dafür sorgen, dass die Betriebe zahlungsfähig bleiben. Darum geht es.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Deutschland braucht ein neues Verhältnis zwischen Staat, Wirtschaft und Gesellschaft, das heißt ein gewandeltes Verständnis von Freiheit, Selbstverantwortung, Rechten und Pflichten. Insbesondere bei den Kommunalfinanzen muss es gerecht zugehen. Sie haben willkürlich eine Erhöhung der Gewerbesteuerumlage vorgenommen. Damit haben Sie die Kommunalfinanzen erheblich beschädigt. Daher dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Kommunen nicht mehr investieren.

   Als Soforthilfe müssen die willkürliche Erhöhung der Gewerbesteuerumlage und die Belastung der Kommunen durch das Flutopfersolidaritätsgesetz in allen Bundesländern zurückgenommen werden. Das heißt, wir müssen einen Kurswechsel hin zu weniger Staat mit Senkung der Staatsquote bis zum Jahr 2010 auf 40 Prozent und eine Haushaltskonsolidierung mit materiellem Budgetausgleich beim Gesamtstaat bis zum Jahr 2006 vornehmen.

(Lothar Mark [SPD]: Das ist eine Ausgabenvermehrung, so wie Sie das beantragen!)

Insbesondere brauchen wir eine Steuernettoentlastung für Arbeitnehmer und für den Mittelstand.

   Wir müssen Bürgern, Unternehmen und Kommunen wieder mehr Vertrauen und Handlungsfreiheit geben, statt ihre Leistungskraft immer mehr zu ersticken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie müssen den Bürgern, den Kommunen und den Unternehmen mehr Freiraum geben, damit sie konsumieren und investieren können. Das ist der richtige Ansatz. Die Bundesregierung und dieser Finanzminister hingegen betreiben tagtäglich eine wachstums- und mittelstandsfeindliche Politik.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Bernhard Brinkmann von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Bis vor gut zwei Stunden hatte ich wirklich noch die leise Hoffnung, dass man auf der rechten Seite dieses Hauses nicht nur kritisiert und polemisiert, sondern dass man dort bereit ist, sich an der Lösung der Probleme, die ohne Zweifel vorhanden sind, zu beteiligen. Das ist leider nicht der Fall. Im Gegenteil, weiterhin wird schlecht- und mies geredet und mit Zahlen jongliert, die einfach nicht der Wahrheit entsprechen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Sie sind einfach destruktiv!)

   Das möchte ich an zwei Beispielen deutlich machen. Der Kollege Michelbach stellt sich hier hin

(Jörg Tauss [SPD]: Unverschämt!)

und behauptet allen Ernstes,

(Zuruf von der SPD: Das glaubt er auch noch!)

dass eine Durchschnittsfamilie in Deutschland - ich füge hinzu: er meint bestimmt ein Ehepaar mit zwei Kindern - durch die Steuerpolitik der Bundesregierung eine monatliche Mehrbelastung in Höhe von 270 Euro hat. Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Kollege Michelbach, das ist jenseits jeglicher Wahrhaftigkeit und jenseits jeglicher Realität. Nehmen Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis.

(Beifall bei der SPD)

   Bevor Sie den Familien den Familienleistungsausgleich gezahlt haben, musste doch erst in Karlsruhe ein Urteil gesprochen werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für Sie wurde das Urteil gesprochen. Wir haben für die deutsche Durchschnittsfamilie 1 000 Euro bzw. 2 000 DM mehr Kindergeld gezahlt. Das haben Sie in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit nicht geschafft.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Die größte Steigerung des Kindergeldes war 1996!)

- Lieber Kollege Jochen Fromme, aus alter Verbundenheit sage ich: Heute bist du hier der beste und lauteste Zurufer. Lass das doch bitte.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Du kannst dich demnächst von diesem Pult hier vorne äußern.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das geht nur, wenn Herr Tauss nicht da ist! - Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Was sagen Sie Herrn Tauss?)

Man sieht förmlich, dass dein Gesicht rosa anläuft. Das tut der Gesundheit nicht gut. Du solltest das lassen. Dann können wir darüber in alter Verbundenheit - wir kennen uns ja schon viele Jahre - an anderer Stelle diskutieren.

   Die zweite Behauptung, die Kollege Michelbach - ich glaube, als Mittelständler - aufgestellt hat, schlägt dem Fass nun wirklich den Boden aus. Sie ist jenseits jeglicher Realität. Er behauptet allen Ernstes, dass 80 Prozent der Mittelständler in Deutschland den Spitzensteuersatz zahlen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Er muss lange Zeit nicht in seinem Wahlkreis gewesen sein. Herr Kollege Michelbach, die Mittelständler haben einen Gewinn vor Steuern, der in der Breite bei 50 000 Euro liegt. Sie zahlen einen Steuersatz in Höhe von 20 Prozent, nicht aber den Spitzensteuersatz. Nehmen Sie das doch bitte einmal zur Kenntnis und verbreiten Sie hier nicht ständig die Unwahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Uwe Küster [SPD]: Keine Ahnung!)

Auch durch ständiges Wiederholen wird das, was Sie sagen, nicht richtiger.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Ich habe von den Personengesellschaften gesprochen!)

   Nun sage ich etwas zum Kollegen Austermann. Von ihm bin ich ja seit November 2001 aus dem Haushaltsausschuss gewohnt, dass er es oft mit der Wahrheit nicht sehr genau nimmt oder Dinge erzählt, die nicht der Realität entsprechen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Vorsicht, sonst gibt es ein paar hinter die Ohren!)

- Wenn das eine Drohung gewesen sein soll, können wir unser Gespräch gleich gerne fortführen. Hören Sie aber lieber aufmerksam zu, Herr Kollege Austermann. Sie behaupten hier, dass die Bundesregierung seit 1998, also seitdem sie im Amt ist, nichts anderes getan hat, als Steuererhöhungen zu beschließen.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)

- Jochen, du wolltest doch nicht mehr dazwischenrufen. Lass das doch bitte.

   Dazu nenne ich Ihnen einige Punkte. Die Regierung aus CDU/CSU und FDP hat die Mineralölsteuer um 50 Pfennig erhöht und damit die deutsche Einheit und den Irakkrieg finanziert.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Und die Bahnreform!)

Trotz der fünf Stufen der Ökosteuer sind wir von derartigen Entwicklungen noch weit entfernt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Bahnreform!)

Sie haben die Mineralölsteuer erhöht, ohne dass damals auch nur ein Pfennig zurückgeflossen ist. Im Gegenteil, mit dieser Steuererhöhung mussten Sie seinerzeit letztendlich Ihr Wahlversprechen, das Sie nicht halten konnten

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ach Gottchen!)

- Sie wollten ja die deutsche Einheit aus der Portokasse finanzieren -, einlösen, um die entstandenen Belastungen tragen zu können.

   Es kommt aber noch viel schlimmer.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Haushaltsgesetz 2003!)

Sie haben eine Versicherungsteuer in Höhe von 5 Prozent geerbt. In den Jahren 1982 bis 1998 haben Sie, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Versicherungsteuer auf 15 Prozent verdreifacht. Aber Sie sprechen der Regierung allen Ernstes zu, eine Steuererhöhungsregierung zu sein.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja!)

- Herr Kollege Austermann, Sie haben die Versicherungsteuer von 5 auf 15 Prozent verdreifacht, um auch damit die Kosten der deutschen Einheit zu finanzieren.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Und was habt ihr mit der Tabaksteuer gemacht?)

   Ich möchte in Erinnerung rufen, welchen Terz und Tanz Sie hier veranstaltet haben, als wir die Versicherungsteuer wegen der Ereignisse des 11. September 2001 um 1 Prozentpunkt erhöht haben, um damit die gestiegenen Kosten für die innere Sicherheit zu finanzieren.

   Wer den Eingangssteuersatz und den Spitzensteuersatz auf Rekordhöhe getrieben hat,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Jetzt aber!)

wie Sie es getan haben, der sollte doch bitte zur Kenntnis nehmen, dass der Eingangssteuersatz durch die im Gesetzblatt stehende Steuerreform nach der fünften Stufe bei 15 Prozent und der Spitzensteuersatz bei 42 Prozent liegen wird. Auch hierzu sollten Sie sich einmal die Aussagen von Herrn Wiegard durchlesen, die er gestern in der „Berliner Zeitung“ zu diesem Thema getroffen hat.

   Herr Kollege Austermann, wer als Mitglied im Schattenkabinett von Herrn Steffel bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus solch eine Wahlniederlage einstecken musste, der sollte dieser Bundesregierung und den sie tragenden Fraktionen nicht vorwerfen, sie hätten nur Steuererhöhungen vorgenommen. Genau das Gegenteil ist der Fall.

   Ich will Ihnen noch anhand von vier Punkten, die Sie am 9. und 10. Februar auf Ihrer Klausurtagung beschlossen haben, sagen, wie unehrlich Sie mit der Bevölkerung umgehen: Absenkung des Spitzensteuersatzes auf unter 30 Prozent und des Eingangssteuersatzes auf unter 10 Prozent. Meine Damen und Herren, das sind Ausgaben von rund 30 Milliarden Euro gegenüber dem geltenden Recht. Aber es nimmt noch kein Ende: Aussetzen der nächsten Stufe der Ökosteuer; Mindereinnahmen von 3,5 Milliarden Euro. Einführung des Familiengeldes - das war der Wahlkampfschlager im Bundestagswahlkampf im Sommer letzten Jahres; man hört immer weniger davon; damit wollten Sie den Familien wirklich gewaltig Sand in die Augen streuen -; Mehrausgaben von 16 Milliarden Euro im ersten Jahr, weiter steigend dann, wenn die Endstufe erreicht wird, Mehrausgaben von 30 Milliarden Euro. Dann sollten für die Bundeswehr noch 1,5 Milliarden Euro obendrauf. Wenn man das alles addiert - das ist wichtig zu wissen -, dann kommt man auf Mehrausgaben von 50 Milliarden Euro, ohne dass Sie einen konkreten Vorschlag gemacht hätten, wie diese 50 Milliarden Euro Mehrausgaben gegenfinanziert werden sollen. Widersprüchlicher kann eine Finanzpolitik nicht sein.

(Beifall bei der SPD)

   Lassen Sie mich noch eine letzte Bemerkung zu den Lohnnebenkosten machen. Es ist völlig unstrittig unter uns - das setze ich voraus -, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden müssen. Wer aber von 1992 bis 1998 die Lohnnebenkosten in dieser Größenordnung hat ansteigen lassen,

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sie haben versprochen, dass durch die Ökosteuer die Lohnnebenkosten sinken!)

der sollte die Anpassung des Rentenversicherungsbeitragssatzes - Herr Kollege Fromme, da Sie viele Jahre Beamter waren, haben Sie das wohl nicht mitbekommen - von 19,1 Prozent auf 19,5 Prozent nicht in dieser Art und Weise kritisieren. Wer starke Schultern hat, muss mehr tragen; das ist keine Frage. Das kann man nicht ernsthaft bestreiten. Aber für breite Bevölkerungsschichten war das eine moderate Anpassung. Wer so eine Vergangenheit hat wie die rechte Seite dieses Hauses, was die Steigerung der Lohnnebenkosten angeht, sollte nicht in dieser Härte Kritik üben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich komme zum Schluss.

(Zuruf von der CDU/CSU: Gott sei Dank!)

Der Bundeshaushalt 2003, über den wir in dieser Woche in zweiter und dritter Lesung diskutieren, setzt die solide Finanzpolitik der Bundesregierung fort.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Oh!)

Wir laden Sie ein: Machen Sie mit! Wir brauchen mehr denn je Mitmacher statt Miesmacher.

   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das war die schlechteste Rede!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Michael Meister von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Michael Meister (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundesfinanzminister Eichel, Sie haben vorhin zu Recht den irritierenden Verlauf der Reformdebatte in Deutschland beklagt. Es war auch berechtigt, dass Sie Ihren Blick auf die Koalitionsfraktionen gerichtet haben; denn Irritationen in der Reformdebatte kommen nicht aus der Opposition, sondern aus den Regierungsfraktionen.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Sehr richtig!)

Von dort werden jeden Tag neue Vorschläge, Dementis, Korrekturen vorgetragen und es wird dafür gesorgt, dass durch diese Art der Reformdebatte jegliches Vertrauen in der Bevölkerung und der Öffentlichkeit zerstört wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das heißt, Sie müssen in Ihrer Koalition dafür sorgen, dass ein vernünftiges Klima geschaffen wird, und sollten an dieser Stelle nicht auf die Opposition verweisen.

   Zum Zweiten möchte ich Ihnen sagen: Sie haben seit Oktober letzten Jahres nur davon gelebt, jeden Tag neue Vorschläge zu Steuererhöhungen und Abgabenerhöhungen zu bringen. An einem Tag wird im Hause von Frau Schmidt dementiert, dass der Krankenkassenbeitrag steigt, am nächsten Tag wird es bestätigt. Dann wird im Arbeitsministerium debattiert, ob der Beitrag zur Rentenversicherung erhöht wird oder nicht. Herr Eichel kommt jeden Tag mit Listen von neuen Formen der Steuererhöhung. In dieser Form, Herr Bundesfinanzminister, gewinnen Sie kein Vertrauen und schaffen damit auch kein Klima für eine vernünftige Reformdebatte.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen: Wir beklagen, dass zwischen 2001 und 2003 über 110 000 Unternehmen in Deutschland Insolvenz angemeldet haben.

(Zuruf von der SPD: Wie viele sind denn neu gegründet worden?)

Wir führen eine mühsame Debatte, wie wir für Existenzgründer mehr tun können. Gleichzeitig findet in der Realität das genaue Gegenteil statt: Es werden ständig Existenzen vernichtet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Leider!)

   Ich stimme mit Ihnen darin überein, Herr Eichel, dass wir dringend etwas tun müssen, damit mehr Lehrstellen geschaffen werden. Das haben Sie völlig zu Recht angesprochen. Aber lassen Sie uns ein kleines Rechenbeispiel durchgehen: Wenn nur jedes vierte der 110 000 in Deutschland vernichteten Unternehmen in diesem Jahr einen einzigen Lehrplatz hätte schaffen können, dann wären das 25 000 zusätzliche Lehrstellen, deren Fehlen Sie zu verantworten haben, weil Sie gerade den Mittelstand ständig mit mehr Bürokratie und höheren Abgaben belastet und damit zur Insolvenz der Unternehmen und zu einem massiven Mangel an Ausbildungsplätzen in Deutschland beigetragen haben. Dafür tragen Sie die Verantwortung. An dieser Stelle können Sie nicht auf die Wirtschaft verweisen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Harald Leibrecht [FDP])

   Sie haben zu Recht angemahnt, dass wir eine konstruktive Debatte über die Frage führen sollten, wie die Wirtschaftsentwicklung verstärkt und die Finanzpolitik gestaltet werden können. Aber für eine konstruktive Debatte wäre es dringend notwendig, sich auf Zielvorgaben der Kennziffern der Finanzpolitik zu verständigen. Ich habe sowohl in der Regierungserklärung des Bundeskanzlers am vergangenen Freitag wie auch in Ihrer Rede, Herr Bundesfinanzminister, eine klare Vorgabe vermisst, welche Ziele Sie mit Ihrer Finanzpolitik verfolgen.

(Beifall des Abg. Hans Michelbach [CDU/CSU])

Welche Ziele wollen Sie erreichen?

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Es gibt keine! - Lothar Mark [SPD]: Konsolidierung!)

Wollen Sie die Staatsquote senken und, wenn ja, auf welchen Stand? Wir haben in dieser Frage die klare Aussage getroffen, dass wir sie unter 40 Prozent senken wollen.

(Zurufe von der SPD: Wie?)

   Wollen Sie die Sozialabgabenquote senken? Was ist Ihre Vorgabe an dieser Stelle? Unsere Vorgabe ist, sie unter 40 Prozent zu senken.

(Lothar Mark [SPD]: Wie machen Sie das?)

- Das ist zunächst einmal Ihre Aufgabe, Herr Mark. Definieren Sie erst einmal ein Ziel, das Sie erreichen wollen! Dann können wir einen Weg definieren, auf dem wir dieses Ziel erreichen wollen. Sie aber haben kein Ziel, sodass man auch keinen Weg finden kann, dieses Ziel zu erreichen. Das ist Ihr Manko.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wenn Sie kein Ziel haben, dann haben Sie auch keine Möglichkeit, Ihren Erfolg oder Misserfolg zu messen. Denn wenn man nicht weiß, wo man hin will, kann man auch nicht erkennen, wie weit entfernt man noch vom Ziel ist. Das ist Ihr zentrales Manko.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

   Was der Herr Bundeskanzler am Freitag vorgetragen hat, war kein geschlossenes Gesamtkonzept für Wirtschafts-, Finanz- und Arbeitsmarktpolitik, sondern ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen.

(Walter Schöler [SPD]: Das sieht Herr Seehofer ganz anders!)

Mit einem solchen Sammelsurium, das auch noch ständig variiert wird, gewinnt man aber kein Vertrauen. Sie befinden sich in einem Prozess der Selbstfindung, den Sie endlich abschließen sollten, und Sie sollten den Menschen klar und deutlich sagen, wohin Sie sie im nächsten Jahr führen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lothar Mark [SPD]: Verhaltener Beifall!)

   Das Steuervergünstigungsabbaugesetz ist bereits angesprochen worden. Mit einem solchen Gesetz, dem Sie ständig etwas hinzufügen, während Sie anderes wieder herausnehmen, und der ständigen Debatte darüber, um wie viele Milliarden Sie die Steuern erhöhen wollen, schaffen Sie kein Vertrauen, sondern Sie verunsichern die Menschen.

   Ich will am Beispiel Dienstwagen deutlich machen, wie Sie vorgehen. Im Zusammenhang mit diesem Thema erwarten Sie im dritten Monat dieses Jahres von den Menschen, dass sie ein doppeltes Steuerrecht beachten, nämlich das Gesetz, das Sie beschließen wollen, und das zurzeit geltende Recht. Mit solcher Art von Politik und Gesetzgebung kann man in diesem Lande kein Vertrauen gewinnen.

   Ich will Ihnen ein zweites Beispiel nennen, nämlich die Bauindustrie. Wenn Sie feststellen, Herr Bundesfinanzminister, dass der Abbau von 600 000 Arbeitsplätzen, der seit Mitte der 90er-Jahre in der Bauindustrie erfolgt ist, eine Normalisierung darstelle, dann ist das ein zynischer Umgang mit 600 000 Familien in diesem Land, den wir nicht akzeptieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir machen uns Sorgen um diese Menschen, ihren Arbeitsplatz und ihre Familien und bezeichnen das nicht als einen Normalisierungsprozess, wie Sie es getan haben. Deshalb lehnen wir auch die Mindestbesteuerung, die Sie im Blick haben, ab. Die Mindestbesteuerung wird gerade im Baubereich zu weiteren Unternehmensinsolvenzen führen.

   Auch der Abbau der Eigenheimzulage wird zu einem massiven Abbau von Arbeitsplätzen in diesem Bereich führen. Die Beschränkung der AfA wird zu einem weiteren Abbau von Arbeitsplätzen führen. Ich möchte den Menschen nicht erklären, dass ich das für normal halte. Ich halte das für schlimm und möchte etwas dagegen tun. Deshalb lehnen wir diese Politik ab, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])

   Der Herr Bundesfinanzminister hat leider zum Ausdruck gebracht, dass in seinem Haus bzw. an der Spitze des Hauses nicht volkswirtschaftlich gedacht wird. Vielmehr wird rein fiskalpolitisch gedacht und Buchhaltung betrieben. Zwar ist es in einem großen Unternehmen wie auch in einem Land wichtig, eine gute Buchhaltung zu haben. Aber eine ordentliche Buchhaltung ersetzt nicht die Strategie zur Lösung von Problemen. Es geht in Ihrem Haus nicht darum, die Lösung der Probleme mit einer guten Buchhaltung anzugehen, sondern Sie brauchen dringend eine Strategie, Herr Eichel. Das ist Ihr Problem. Wir verlangen, dass Sie endlich eine vernünftige Strategie vorlegen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Ute Kumpf [SPD]: Was wollen Sie von uns?)

   Lassen Sie uns einen Blick auf den Kapitalmarkt werfen. In diesem Bereich haben wir etwas Tolles erlebt. Der Herr Bundesfinanzminister hat von Vertrauensbildung und der Notwendigkeit gesprochen, Sicherheit zu schaffen und die Unsicherheit zu beenden. Ein weiterer Bundesminister, für Wirtschaft und Arbeit verantwortlich, hat an dieser Stelle ausgeführt, Kontrollmitteilungen seien überflüssig.

Zwei Tage später erklärt der Bundesfinanzminister im Finanzausschuss, Kontrollmitteilungen seien dringend erforderlich. Wieder zwei Tage später signalisiert der Bundeskanzler von diesem Rednerpult aus Gesprächsbereitschaft, und sagt: Wir können darüber reden, was wir machen. Wie soll denn angesichts einer solchen Debatte, in der sich innerhalb von vier Tagen drei maßgebliche Mitglieder der Bundesregierung unterschiedlich äußern, Vertrauen in den deutschen Kapital- und Finanzmarkt entstehen? Das ist doch eine Katastrophe, die nicht die Opposition und die Öffentlichkeit, sondern Sie persönlich und Ihre Kollegen zu verantworten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sie sind es, die die Unsicherheit vergrößern, die Angst schüren und dafür sorgen, dass das Vertrauen abnimmt. Die Kollegen Michelbach und Merz haben zu Recht gesagt, genau daran liege es, dass sich die Menschen beim privaten Konsum zurückhielten und dass die Unternehmen nicht investierten.

(Lothar Mark [SPD]: Nein, das kommt von Ihrer Fraktion!)

- Herr Mark, Sie haben uns vor der Bundestagswahl vorgehalten, die Unternehmen investierten nicht, weil sie uns zum Wahlsieg verhelfen wollten. Wenn das stimmen würde, dann müssten die Unternehmen doch längst begonnen haben, riesige Investitionen zu tätigen; denn die Bundestagswahl ist seit mehr als sechs Monaten vorbei. Aber jetzt behaupten Sie wieder, die Opposition sei schuld. Nein, Sie mit Ihrer Politik tragen die Verantwortung, dass kein Unternehmer glaubt, investieren zu können. Sie sind verantwortlich, nicht die Opposition!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie haben im Bundeshaushalt - das ist schon zu Recht angesprochen worden - die Folgen der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt - das gilt sowohl im Hinblick auf die fehlenden Beiträge als auch auf die Leistungen der Sozialkassen -, die Auswirkungen auf das Wachstum und die Entwicklung der Steuereinnahmen vollkommen unzureichend berücksichtigt. Von einem treu sorgenden Bundesfinanzminister und Haushälter erwarte ich, dass er sich realistischer Zahlen bedient, zumal die Risiken zum heutigen Zeitpunkt bekannt sind, also nicht in der fernen Zukunft liegen. Sie können von uns doch nicht verlangen, dass wir einem Bundeshaushalt zustimmen, dessen Grundlage mit den bekannten Risiken nicht in Einklang zu bringen ist. Das, was Sie hier tun, ist unsolide!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Eichel, Sie haben des Weiteren behauptet, dass Sie die Kollegen des Arbeitskreises „Steuerschätzung“ im Umlaufverfahren an der nachgeholten Steuerschätzung beteiligt hätten. Diese Aussage halte ich für eine Provokation der Mitglieder dieses Arbeitskreises. Denn man kann den Kollegen im Rahmen eines Umlaufverfahrens nicht mit einer 48-Stunden-Frist Zahlen vorlegen und sagen: Wenn Sie keine anderen vorlegen können, dann haben Sie zugestimmt. So kann man nicht miteinander umgehen. Deshalb weise ich die Behauptung zurück, dass hier ein vernünftiges Verfahren zur Ermittlung der Höhe der Steuereinnahmen stattgefunden habe. Das ist Ihre Lesart, aber nicht unsere.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich hätte mir gewünscht, dass Sie, Herr Bundesfinanzminister, am letzten Freitag und auch heute eine klare Aussage zum Steuervergünstigungsabbaugesetz getroffen hätten. Es wäre schön gewesen, wenn die Bundesregierung angekündigt hätte, dass sie dieses Steuergesetz zurückziehen werde. Auch heute hätten Sie Gelegenheit dazu gehabt. Damit hätten Sie Klarheit geschaffen, dass es in diesem Land keine weiteren Steuer- und Abgabenerhöhungen gibt. Ein solches Signal braucht man, wenn man für einen Aufbruch sorgen will, und keines, das dafür sorgt, dass niemand weiß, wie es weitergehen soll. Nicht durch Unsicherheit und Unklarheit, sondern nur mit klaren Aussagen gibt es einen Aufbruch. Die Gelegenheit, dafür zu sorgen, haben Sie leider versäumt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Frau Eichstädt-Bohlig, zum Thema Wachstum möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Es ist traurig, wenn Sie hier beklagen, dass es kein Wachstum gebe; denn Sie sind in den letzten zwei Jahrzehnten von einem Ort zum anderen gelaufen und haben gegen Wachstum polemisiert.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)

Sie haben dafür gesorgt, dass die Infrastruktur nicht ausgebaut worden ist. Aber eine funktionierende Infrastruktur ist für Wachstum notwendig.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

Es ist unredlich, wenn Sie zuerst gegen Wachstum polemisieren und die Schaffung entsprechender Voraussetzungen verweigern, um in der Regierungsverantwortung die Folgen Ihrer eigenen Politik zu beklagen. Sie haben mit Ihrer Ideologie und Ihrem Verhalten dafür gesorgt, dass wir heute in dieser Lage sind. Versuchen Sie bitte nicht, sich aus der Verantwortung zu stehlen!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Die Grünen sind das Grundübel!)

   Die Kommunen hatten in den letzten drei Jahren einen massiven Anstieg der Gesamtverschuldung zu verzeichnen. Die Gewerbesteuereinnahmen gehen seit 2000 netto kontinuierlich zurück. Das ist natürlich auch durch die von Rot-Grün zu verantwortende Erhöhung der Gewerbesteuerumlage bedingt. Auch die kommunalen Investitionen, ein Teil der gesamten öffentlichen Investitionen, sind in den letzten drei Jahren massiv eingebrochen. Gleichzeitig sind die sozialen Belastungen der Kommunen, die Pflichtaufgaben, die zu erfüllen sind, massiv gewachsen.

(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)

Hinzu kommt, dass Sie mit Ihrer Mehrheit im Bereich der Grundsicherung, der Integration und der Betreuung weitere Aufgaben auf die kommunale Ebene verlagert haben, ohne für eine hinreichende finanzielle Ausstattung zu sorgen. Das ist schlimm, wenn man sich den Staatsaufbau unseres Landes anschaut; denn Sie haben für mehr Staat und mehr Regulierung gesorgt, um die Länder und die Kommunen an die Kandare zu nehmen, anstatt den Kommunen, der Basis, die Chance zu geben, mehr Eigeninitiative und mehr Eigenverantwortung zu ergreifen. Es ist ein grundsätzlich falsches Denken, den Kommunen nicht mehr Freiheit einzuräumen.

   Zu dieser Freiheit gehört natürlich auch eine angemessene Finanzausstattung. Es kann doch nicht richtig gewesen sein, dass Sie im Finanzausschuss gesagt haben: Im Herbst dieses Jahres werden wir Berechnungsmodelle hinsichtlich der Gemeindefinanzreform vorlegen. Bis dahin wird der Gesetzgebungsprozess schon längst im Gange und nahezu abgeschlossen sein. Das heißt, Sie muten den Mitgliedern des Deutschen Bundestages, den Mitgliedern des Bundesrates und den kommunalen Kämmerern zu, Richtungsentscheidungen für die Zukunft der Kommunen zu treffen, ohne dass man die Auswirkungen dieser Entscheidungen überhaupt abschätzen kann. Es ist ein unmögliches Verfahren, im Blindflug eine Gemeindefinanzreform zu beschließen. Weichen Sie davon ab! Legen Sie die Berechnungen auf den Tisch! Wenn das geschehen ist, dann beraten wir fundiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie haben 1998 beschlossen, eine Gemeindefinanzreform durchzuführen. Das stand damals in Ihrem Koalitionsvertrag. Dann haben Sie fast vier Jahre lang nichts getan.

(Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Immer noch besser als 16 Jahre nichts getan!)

Mittlerweile arbeitet die Kommission und Sie sprechen jetzt davon, dass das die Gemeindefinanzreform regelnde Gesetz bis zum 1. Januar 2004 im Gesetzblatt verkündet sein müsse. Damit kann man leben. Besser wäre es aber gewesen, wenn Sie die Zeit vorher genutzt hätten und der Kommission jetzt nicht solche Vorwürfe machten. Eigentlich müsste man Ihnen Vorwürfe machen. Sie sind für die vierjährige Verzögerung verantwortlich.

(Beifall bei der CDU/CSU - Bernhard Brinkmann [Hildesheim] [SPD]: Immer noch weniger als 16 Jahre!)

Wegen dieser Verzögerung stehen wir jetzt unter Zeitdruck.

   Seit Monaten sagen Sie - Sie haben es am Mittwoch im Finanzausschuss noch einmal gesagt -, dass wir natürlich respektieren müssten, was die Mitglieder dieser Kommission erarbeiteten, damit auf Grundlage dieser Vorschläge ein vernünftiger Gesetzentwurf erarbeitet werden könne. Zwei Tage später sagte der Bundeskanzler: Was diese Kommission beschließt, interessiert mich nicht; ich werde eine Revitalisierung der Gewerbesteuer in Deutschland mit einer Substanzbesteuerung durchführen. Sie sagen, Sie könnten sich nicht äußern. Der Kanzler aber wischt die Arbeit der Kommission mit einem Satz beiseite, indem er sagt: Das interessiert mich alles nicht. Wofür haben Sie die Kommission überhaupt eingesetzt, wenn Sie deren Ergebnis sowieso nicht beachten wollen?

   Ich sage Ihnen eines: Mit der Union wird es eine Substanzbesteuerung in Deutschland nicht geben; wir werden das nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Rolle rückwärts, die der Kanzler hier am Freitag angekündigt hat, ist keine moderne, sondern eine vergangenheitsorientierte Wirtschaftspolitik. Das, was wir in den letzten drei Jahrzehnten überwinden wollten, wollen Sie rückgängig machen. Die Richtung, die Sie einschlagen, ist falsch. Das, was Sie vorhaben, werden wir nicht mitmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir fordern - das haben wir mehrmals beantragt und das werden wir auch weiterhin tun - als Soforthilfe für die Kommunen, dass die Gewerbesteuerumlage auf das Niveau abgesenkt wird, das es vor der Gewerbesteuerreform hatte.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In dieser Haushaltswoche liegt ein Antrag vor, den Kommunen den Anteil an der Flutopferhilfe, den sie erbracht haben, als Soforthilfe zurückzugeben, weil dieser Anteil nicht ausgeschöpft worden ist. Auch das wäre ein Stück Soforthilfe, die der Kanzler am Freitag angekündigt hat. Ich wiederhole: Dieser Antrag liegt in dieser Woche zur Abstimmung vor. Wir werden prüfen, ob der Bundeskanzler die SPD dazu bringt, diesen Antrag zu unterstützen, ob der Antrag eins zu eins umgesetzt wird oder ob der Bundeskanzler an dieser Stelle nur leeres Gerede produziert hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir sind der Auffassung, dass das kommunale Kreditprogramm falsch angelegt ist. Entweder wird durch dieses Programm die Neuverschuldung der öffentlichen Hand um 7 Milliarden Euro erhöht - das wäre nämlich dann der Fall, wenn es von den Kommunen tatsächlich in Anspruch genommen wird; das würde für Sie ein zusätzliches Problem im Hinblick auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien bedeuten; das müssen Sie natürlich berücksichtigen - oder Sie gehen davon aus - das haben Sie, Herr Eichel, gesagt -, dass dieses Programm lediglich zu Umfinanzierungen führt. Wenn es nur zu Umfinanzierungen kommt, dann werden Sie kein Problem mit der Einhaltung der Maastricht-Kriterien haben. Allerdings wird dieses Programm dann auch keine positiven Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung haben. Das muss man den Menschen klar sagen. Man sollte nicht sagen, wir nehmen keine Neuverschuldung vor, weil das sowieso keine positiven Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung in Deutschland habe, wenn man gleichzeitig so tut, als wäre dies der Fall. So geht es nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir wollen, dass das enge Band zwischen Wirtschaft und Kommunen erhalten bleibt. Wir wollen ein Hebesatzrecht. In dem von mir eben beschriebenen Sinne sind wir bereit, an einer Gemeindefinanzreform konstruktiv mitzuwirken. Das darf aber nicht dadurch geschehen, dass vernünftige Politik der letzten 30 Jahre rückgängig gemacht wird. Wir müssen darauf achten, dass es sich in Deutschland wieder lohnt, Unternehmen zu gründen. Wir dürfen keine Politik machen, die Unternehmen, Existenzgründer und Menschen, die etwas tun wollen, aus diesem Land vertreibt.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.

Jörg-Otto Spiller (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sie von der Union und der FDP haben Ihr Herz für die Steuerbürger und auch für die Konsolidierung des Haushalts entdeckt.

(Beifall des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP] - Zuruf von der CDU/CSU: Was kann man dagegen sagen?)

Schade nur, dass Sie es erst entdeckt haben, seit Sie keine Verantwortung mehr für die Bundespolitik tragen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In der Regierungsverantwortung haben Sie ganz anders gehandelt.

   Ich habe ein Stück Nachsicht mit Ihnen - die muss man vielleicht auch bei den Kollegen der Koalitionsfraktionen erbitten -,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Das muss nicht sein! - Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Das wollen wir gar nicht! - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das muss nicht sein!)

weil Sie so frisch zu diesen Erkenntnissen gekommen sind. Konvertiten neigen eben doch zu schrillen Tönen. Das ist so.

(Beifall bei der SPD - Joachim Poß [SPD]: Die neigen zu Übertreibungen!)

Ich freue mich trotzdem darüber, dass Sie sich neuerdings für die Steuerlast der Bürger und auch für die Höhe der Staatsverschuldung interessieren.

   Nur der guten Ordnung halber möchte ich daran erinnern, wie es eigentlich war, als im Bund noch die schwarz-gelbe Koalition regierte:

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Die Gegenwart ist auch zu hart! - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das kennen wir doch nun schon!)

Überforderung der steuerehrlichen Bürger,

(Widerspruch des Abg. Dr. Günter Rexrodt [FDP])

investitionsfeindliche Belastung der Unternehmen, Verwüstung des Steuerrechts durch Schlupflöcher,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der FDP: Oh!)

die Leistung bestrafte und Verluste belohnte,

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Von Petersberg mal was gehört?)

ein Schuldenberg von 740 Milliarden Euro oder umgerechnet 1,45 Billionen DM.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Um wie viel ist denn der kleiner geworden?)

   Dann möchte ich auch etwas zu der Legende sagen, dass die Verschuldung insbesondere mit der Finanzierung der deutschen Einheit zusammenhängt.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das haben wir wohl aus Jux und Dollerei gemacht!)

Das ist eine unfromme Legende. 1982 betrugen die Schulden des Bundes 350 Milliarden DM.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Aha! Helmut Schmidts Erblast!)

Bis 1990 hatten Sie die Schulden auf 700 Milliarden DM verdoppelt.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Gucken Sie sich mal an, was der Schröder in Niedersachsen gemacht hat! Der hat gar nicht so lange gebraucht!)

In der zweiten Halbzeit der Regierungszeit Kohls haben Sie die Schulden noch einmal verdoppelt, und zwar auf 1 450 Milliarden DM.

   Ich darf noch auf Folgendes hinweisen:

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: „Seit 1998“ kommt jetzt!)

Der Eingangssteuersatz

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ich kenne eine Frau, die viel dicker ist!)

betrug 1998 25,9 Prozent. Heute beträgt er 19,9 Prozent. Der Spitzensteuersatz betrug 1998 53 Prozent. Heute beträgt er 48,5 Prozent und im nächsten Jahr wird er 47 Prozent betragen.

   Wer sich von der Union oder von der FDP hier hinstellt und der Koalition von SPD und Grünen etwas über eine angemessene, volkswirtschaftlich solide und faire Steuer- und Finanzpolitik erzählen will,

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU], zur Regierungsbank gewandt: Da sitzt einer der Verhinderer!)

der sollte ganz leise Töne anschlagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Lafontaine, wo ist er denn?)

   Der Kollege Brinkmann hat schon auf Folgendes hingewiesen: Dass der normale Steuerzahler heute schlechter dasteht als zu Ihrer Regierungszeit,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Natürlich!)

ist eine Legende und eine Verdrehung der Tatsachen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ein Normalverdiener, ein Arbeitnehmer mit zwei Kindern, der 1998 5 000 DM brutto verdiente,

(Hartwig Fischer [Göttingen] [CDU/CSU]: Machen Sie nicht theoretische Berechnungen! Fragen Sie die Bürger!)

hatte damals netto 77 Prozent. Wenn er die Tarifsteigerungen mitgemacht hat, die im Arbeitnehmerbereich üblich waren, hat er von seinem Einkommen heute netto 80 Prozent.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

Das ist eindeutig mehr. Heute ist das Kindergeld in einer solchen Familie höher als die Lohnsteuer und darauf sind wir stolz.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Das merkt man an der Zufriedenheit der Menschen!)

   Lieber Herr Michelbach, das Stichwort Mittelstand ist ja eines, das Sie besonders lieben. Es ist ein Gebot der Ehrlichkeit, darauf hinzuweisen, dass mittelständische Unternehmer heute weniger Steuern zahlen als zu Ihrer Regierungszeit,

(Georg Schirmbeck [CDU/CSU]: Die machen auch keine Gewinne mehr! Die sind pleite! - Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Weil sie keine Gewinne mehr machen! - Lothar Mark [SPD]: Die sind bei Ihnen nur abgemolken worden!)

weil sie als Personenunternehmen die Gewerbesteuer pauschaliert auf die Einkommensteuerschuld anrechnen können und weil der Einkommensteuertarif heute niedriger ist als zu Ihrer Zeit.

   Herr Michelbach, Sie regen sich immer auf, weil die Kapitalgesellschaften angeblich so viel besser gestellt seien als die Personengesellschaften, was mittelstandsfeindlich sei.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: So ist es!)

Die Masse der Kapitalgesellschaften sind mittelständische Firmen in der Rechtsform einer GmbH. Sie müssen sich einmal bei Mittelstandskongressen umhören, wo vielleicht ehrlicher diskutiert wird. Auf der Teilnehmerliste finden Sie ganz überwiegend Gesellschafter oder Geschäftsführer der GmbHs. Sie folgen Ihrem lauten Gerede überhaupt nicht.

(Beifall bei der SPD)

   Wir werden unsere konsistente Politik fortsetzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Nein, bitte nicht!)

2004 - das steht schon im Gesetzblatt - wird der Einkommensteuertarif noch einmal gesenkt, ebenso wie 2005; auch das steht im Gesetzblatt.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Und 2003? - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Das stand letzes Jahr auch im Gesetzblatt! Kein Mensch glaubt Ihnen!)

   Es gibt allerdings eine Gruppe, der es heute schlechter geht, das sind die Steuersparkünstler, die Abschreibungskünstler. Für die haben Sie schon Ihr Herz entdeckt, als Sie noch Regierungsverantwortung getragen haben, und viel für sie getan. Leider hat das aber der Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft überhaupt nicht genutzt.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Schauen Sie einmal die ganzen Windradgesellschaften an! Alles Abschreibungsgesellschaften!)

   Unser Problem im Deutschen Bundestag ist, dass die Unionsfraktion und die FDP-Fraktion aus der Opposition heraus noch nicht zu einer verantwortungsvollen Mitarbeit gefunden haben. Wir haben eine Situation, die uns leider zwingt, Kompromisse erst auf der Ebene der Verhandlungen mit den Vertretern des Bundesrates im Vermittlungsausschuss zu schließen.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Gott sei Dank wird dadurch Schlimmeres verhindert!)

   Mich wundert ein bisschen, dass Sie heute genau das Gleiche erzählt haben wie bei der Debatte über das Gesetz zum Abbau von Steuersubventionen und Steuervergünstigungen.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Was wahr ist, ist wahr!)

Sie tun so, als gebe es überhaupt keine Chance, dass dieses Gesetz in seinem Kern in das Bundesgesetzblatt kommt.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ja, so ist es!)

Es wird aber dort landen, lieber Herr Austermann; denn die B-Länder, von der Union regiert, haben inzwischen einen großen Abstand zu Ihrer Fraktion, weil auch sie erkannt haben, dass sie mit Ihrer Fraktion keine gedeihliche Politik machen können.

   Als der bayerische Ministerpräsident vor ein paar Tagen in einem anderen Zusammenhang darauf hingewiesen wurde, dass auch aus den Reihen Ihrer Fraktion Kritik an seinen Äußerungen in der letzten Woche geübt worden sei, hat er gesagt, dass er das „Gesäusele“ nicht so wichtig finde.

(Heiterkeit bei der SPD - Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Da hat er Herrn Spillers Rede noch nicht gekannt!)

Dafür muss er ja einen Grund haben.

   Heute schreibt das „Handelsblatt“ einen Kommentar mit der Überschrift: „CDU/CSU-Zänkische Schwestern“:

Für die Union neigt sich die bequeme Zeit des bloßen Neinsagens dem Ende zu. ...
(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
Kaum aber wird es bei den Konservativen konkret, kracht es auch schon mächtig im Gebälk.
(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das ist das wenige, was einen Sozi heutzutage freut!)

Sie müssen ja doch irgendwelche Erkenntnisse haben.

   Man darf natürlich auch gespannt sein, wie wir in der nächsten Zeit das Vermittlungsverfahren konkret betreiben. Da haben sich schon mehrere geäußert: Herr Milbradt,

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Sehr guter Mann!)

der bayerische Finanzminister

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Auch ein guter Mann!)

und der thüringische Ministerpräsident, Herr Vogel. Alle haben sich in demselben Sinne geäußert. Natürlich wollen sie, dass ein Gesetz zustande kommt, das Bund, Ländern und Gemeinden zusätzliche Einnahmen bringt, weil sie das brauchen. Auch sie haben erkannt, dass es einen Bedarf zur Verstetigung des Körperschaftsteueraufkommens gibt.

(Jochen-Konrad Fromme [CDU/CSU]: Die Sie kaputtgemacht haben!)

   Es gibt Grund, über große Subventionen wie beispielsweise die Eigenheimzulage nicht nur nachzudenken, sondern in diesem Bereich auch Veränderungen durchzuführen.

   Letzte Bemerkung: In Bezug auf die Gemeindefinanzen gilt das Gleiche; Sie haben dazu einen ähnlich hohen Abstimmungsbedarf, dem Sie einmal nachkommen müssen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: 2003!)

Das ist eine ganz billige Masche. Sie haben hier schon mehrmals vorgetragen, die Gewerbesteuerumlage möge gesenkt werden. Als die bayerische SPD-Landtagsfraktion einen entsprechenden Antrag in den Bayerischen Landtag eingebracht hatte, das Land solle den Gemeinden entgegenkommen - die Länder bekommen von der Umlage nämlich viel mehr als der Bund -, wurde er glatt abgelehnt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt ist es beschlossen!)

   Ich bin auch gespannt, wie Sie sich gegenüber den kommunalen Spitzenverbänden verhalten werden, beispielsweise gegenüber dem Deutschen Städtetag, dessen Präsidentin die Frankfurter Oberbürgermeisterin ist, die im Kern unsere Position in Bezug auf die Zukunft der Gemeindefinanzen, nämlich die Gewerbesteuer zu revitalisieren, voll unterstützen. Es nutzt überhaupt nichts, hier billige Polemik zu machen. Wir müssen konkrete Entscheidungen für solide Finanzen und gerechte Steuern in diesem Lande treffen.

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Für Steuererhöhungen? - Immer wieder Steuererhöhungen?)

Wenn Sie dabei noch nicht mitmachen wollen, dann werden wir noch etwas auf Sie warten. Zum Glück ist es nicht unbedingt notwendig, dass Ihre beiden Fraktionen zustimmen; mit dem Bundesrat werden wir uns verständigen.

(Beifall bei der SPD - Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Der Mann gehört ins Theater, als Pantomime! - Ein guter Auftritt!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Gesine Lötzsch das Wort.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung darauf hingewiesen, dass nur das ausgegeben werden kann, was man auch einnimmt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ich weiß gar nicht, für wen sie spricht!)

- Ich soll sagen, für wen ich spreche? Das tue ich sehr gern. Ich bin Abgeordnete der PDS, meine Damen und Herren von der CDU. Ich kann das für Sie gern wiederholen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben ein Plakat mitgebracht?)

   Der Bundeskanzler hat mit seinem Hinweis darauf, dass man nur das ausgeben könne, was man einnimmt, Recht. Aber kaum jemand stellt in diesem Haus die Frage, warum wir eigentlich so wenig einnehmen. Ich halte es für eine der wichtigsten Aufgaben des Finanzministers, seine Einnahmen wenigstens zu sichern, wenn nicht gar zu erhöhen. In diesem Zusammenhang erleben wir ja erstaunliche Dinge.

   Anhand von Zahlen des Statistischen Bundesamtes habe ich mir angeschaut, wie sich die Einnahmen von Herrn Eichel entwickelt haben. Sie sehen hier - das ist kein Plakat, sondern eine Grafik; ich habe mich am Vorgehen von Herrn Eichel bei der Haushaltsdebatte im letzten Jahr orientiert - einen beispiellosen Absturz der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Das sind die PDS-Wahlergebnisse!)

1999 nahm der Bund noch 22,3 Milliarden Euro Körperschaftsteuer ein; 2000 waren es sogar 23,5 Milliarden Euro. Dann trat der Eichel-Effekt ein, der Absturz von 23,5 Milliarden Euro auf minus 426 Millionen Euro. Das heißt, die Unternehmen haben sogar Geld von den Finanzämtern zurückerhalten.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Daran haben Sie aber lange gebastelt!)

   Meine Damen und Herren, der Absturz, den ich Ihnen hier gezeigt habe, ist ein Desaster. Meiner Meinung nach reichte das aus, um den Finanzminister zu entlassen. Herr Scharping musste schon gehen, nur weil ihn ein gewisser Herr Hunzinger beim Hosenkauf und bei Waffengeschäften beraten hat. Jeder Vorstandschef eines Unternehmens, dem eine solche Grafik unter die Nase gehalten werden könnte, müsste beschämt seinen Hut nehmen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und was ist mit Frau Zimmer?)

Dafür muss man Erklärungen abgeben. Wie kann ein derartiger Einbruch bei den Einnahmen passieren, Herr Eichel? Ich könnte dafür zwei Erklärungen anbieten.

   Die erste Erklärung lautet: handwerkliches Versagen. Wenn dies zutrifft, Sie also nicht in der Lage sind, solche gewaltigen Einnahmeverluste zu verhindern, dann sind Sie mit dem Job des Finanzministers einfach überfordert. Hier wäre eine betriebsbedingte Kündigung gerechtfertigt. Dazu müssten Sie von der Koalition nicht einmal den Kündigungsschutz ändern.

   Die zweite Erklärung könnte lauten, dass Sie wissentlich und vorsätzlich so gehandelt haben, Herr Eichel. Damit hätten Sie den Absturz der Einnahmen billigend in Kauf genommen. Dann allerdings hätten Sie der Bundesrepublik einen schweren Schaden zugefügt und müssten nicht nur entlassen werden - dazu bräuchte man das Kündigungsschutzgesetz, wie gesagt, überhaupt nicht zu ändern -; vielmehr müssten Sie auch juristisch zur Verantwortung gezogen werden, denn wer gibt Ihnen das Recht, einfach einmal 23 Milliarden Euro zu verschenken?

   Ich kann mir keine Versicherung in der Bundesrepublik vorstellen, die bereit wäre, eine Haftpflichtversicherung für Ihren Job abzuschließen; das Risiko wäre einfach nicht kalkulierbar.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

   Der Eichel-Effekt, den ich Ihnen hier aufgezeigt habe, hat folgende Wirkungen: Erstens. Er führt zu einer gewaltigen Umverteilung von unten nach oben. Der normale Steuerbürger muss die Einnahmeverluste ausgleichen; er wird wieder zur Kasse gebeten. Zweitens. Mit den geringeren Einnahmen begründen Sie gleichzeitig die angeblich notwendigen sozialen Grausamkeiten, wie zum Beispiel die angedrohte Kürzung bei der Sozialhilfe.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

   Nun könnte man glauben, dass dieses gigantische Steuergeschenk von Herrn Eichel bei den begünstigten Unternehmen ein Feuerwerk an Investitionen hervorrufen müsste. Doch das ist nicht geschehen. Sie haben zwar die Steuern gesenkt, aber es sind keine neuen Arbeitsplätze entstanden. Wie viele Arbeitsplätze - das müssten Sie einmal ausführen - sind durch den Wegfall der Körperschaftsteuer entstanden? - Keine! Wenn Sie sich die dramatische Entwicklung der Arbeitslosigkeit im Lande anschauen, dann sehen Sie doch selbst, dass Sie nichts für Ihre Steuergeschenke bekommen haben. Im Gegenteil: Die Arbeitslosigkeit ist weiter gestiegen.

   Nach den Wahlen in Hessen und Niedersachsen werden wir quasi von einer großen Koalition von CDU, CSU, SPD und den Grünen regiert. CDU und CSU beherrschen den Bundesrat, SPD und Grüne haben noch die Mehrheit im Bundestag. Die Wähler, die Stoiber verhindern wollten und deshalb Schröder die Stimme gegeben haben, sehen sich getäuscht. Herr Stoiber sitzt mit im Regierungsboot und will zum Beispiel mal schnell den Kündigungsschutz für 8 Millionen Beschäftigte abschaffen.

   Ich finde diese informelle große Koalition besonders perfide, weil sie durch eine geschickte Arbeitsteilung den Menschen vorgaukelt, dass die rot-grüne Regierung doch nicht so unsozial ist, dass sie zwar hart, aber sozial gerecht vorgehen würde. Im Bundesrat werden dann durch die Mehrheit von CDU und CSU alle Maßnahmen für die Besserverdienenden herausgefiltert, sodass nur noch die sozialen Grausamkeiten übrig bleiben.

   Und die Grünen? Sie stehen hierbei nicht am Rande. Sie sehen den Niedergang der SPD, machen dieses Spiel mit und bereiten sich auf eine mögliche schwarz-grüne Koalition vor.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Gerade die Grünen fallen durch eine knallharte Klientelpolitik auf. Beispielsweise haben sie die Besteuerung von Aktienbesitz verhindert; denn sie wissen, wer ihre Wählerinnen und Wähler sind und was sie von ihnen erwarten: eine bessere Welt, aber bitte keine Abstriche am eigenen, etwas gehobenen Lebensstandard.

   Ich kann Ihnen das einmal an einem Beispiel zeigen, das Ihnen vielleicht pietätlos vorkommt, das aber alle irgendwann betrifft: das Sterbegeld. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Göring-Eckardt, ist der Meinung, dass man das Sterbegeld ganz abschaffen könnte, nachdem die rot-grüne Regierung es im letzten Jahr von 525 Euro auf 262,50 Euro halbiert hat. Natürlich wird Frau Göring-Eckardt nicht in Armut sterben. Sie bekommt als Abgeordnete des Deutschen Bundestages ein ordentliches Sterbegeld wie auch die Ministerkollegen. Beim Tode eines Beamten wird ein Sterbegeld in Höhe des Zweifachen der monatlichen Bezüge gezahlt. Beim Tod eines Ministers muss das Anderthalbfache reichen. Aber da sind wir schnell bei 25 000 Euro Sterbegeld, im Gegensatz zu dem Sterbegeld von 262,50 Euro. Das nennt man Wein trinken und Wasser predigen.

   Die Grünen haben ihre Wähler fest im Auge; nur die SPD hat anscheinend die eigenen Wählerinnen und Wähler vergessen:

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie war das bei Gysi?)

kein Wort mehr zu der Vermögensteuer, die Sie 1998 versprochen haben. Das wären immerhin 10 Milliarden Euro im Jahr. Der ehemalige Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Gabriel, wollte die Vermögensteuer noch einführen. Offensichtlich war er vom Kanzler ermutigt worden. Es war ein Testballon, dem der Kanzler kurz vor der Landtagswahl die Luft rausgelassen hat. Gabriel wurde vom Kanzler benutzt und fallen gelassen. Welcher sozialdemokratische Ministerpräsident wird sich nach diesem Lehrstück noch trauen, eine entsprechende Initiative zur Einführung der Vermögensteuer zu starten?

   Die PDS wird im Rahmen unserer Beratungen die Bundesregierung mit einem eigenen Antrag auffordern, in der Frage der Einführung der Vermögensteuer aktiv zu werden, um die Einnahmesituation der Länder zu verbessern. Wir brauchen für die Kommunen kein Kreditprogramm, wie es der Kanzler ausgeführt hat; denn das nutzt nur den reichen Kommunen. Wir brauchen vielmehr ein kommunales Investitionsprogramm, um den Kommunen frisches Geld in die Hand zu geben, um die soziale Infrastruktur zu verbessern und um Arbeitsplätze zu schaffen.

   Nicht zuletzt brauchen wir - das ist heute in der Debatte schon angesprochen worden - einen Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit, um zu verhindern, dass der zweite Arbeitsmarkt weiter zusammenbricht. In Anbetracht des desolaten Zustandes des ersten Arbeitsmarktes ist dieser zweite Arbeitsmarkt für die strukturschwachen Regionen im Osten und im Westen unverzichtbar.

   Entscheidend ist: Herr Eichel, erhöhen Sie die Einnahmen! Nutzen Sie die vorhandenen Reserven! Dabei werden Sie auch unsere Unterstützung haben.

   Herzlichen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos])

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaas Hübner, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN] - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Ein guter Torwart muss eine gute Rede abliefern!)

Klaas Hübner (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich vorab zwei Bemerkungen machen. Angesichts des bedauerlicherweise wohl doch heraufziehenden Irakkrieges scheint es mir wichtig zu sein, auf zwei Besonderheiten im Bundeshaushalt einzugehen. Wir haben auf der einen Seite den Plafond im Verteidigungshaushalt gehalten und auf der anderen Seite im Haushalt des Bundesinnenministers die für die Durchführung von Antiterrormaßnahmen notwendigen Mittel zur Verfügung gestellt. Mir ist es wichtig, dass wir bei allen Konsolidierungszwängen, denen wir unterliegen und die dazu führen, dass wir überall sparen, bei der inneren und der äußeren Sicherheit und damit bei der Sicherheit unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht sparen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Kollege Austermann, Sie haben heute eine Rede nach dem Motto „Wünsch dir was“ gehalten. Anhand eines Beispiels aus dem Verteidigungshaushalt möchte ich zusammenfassend darstellen, wie Ihre Politik funktioniert. Es ist so, dass die Fachpolitiker der Union, die geschätzten Kollegen Schmidt und Raidel, im Rahmen des Verteidigungshaushaltes den im Regierungsentwurf vorgesehenen Kapiteln für Universitäten der Bundeswehr, Sanitätswesen, Fernmeldewesen, Quartiersmeisterwesen und Flugtechnisches Gerät zugestimmt haben.

   Nun weiß ich, dass wir Haushälter oftmals Forderungen von Fachpolitikern abwehren müssen, weil die Finanzlage es so verlangt. Es ist mir aber relativ unbekannt, dass wir als Haushälter etwas drauflegen. Sie haben in einer Haushaltsausschusssitzung entgegen dem Rat Ihrer Fraktionskollegen gerade für diese Bereiche 48 Millionen Euro mehr gefordert. Das kommt mir so vor: Ein Kreditkunde geht zur Bank und sagt: Ich möchte ein Haus finanziert bekommen. Die Bank fragt dann: Kann es nicht noch ein bisschen mehr sein? Kann es nicht noch ein bisschen teurer sein? Eine Bank kann dazu sagen: Das sind Peanuts. - Ich denke aber, mit dieser Art der Haushaltspolitik haben Sie uns ein faules Ei in das haushaltspolitische Nest gelegt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte insbesondere auf die Situation in den neuen Bundesländern eingehen, darauf, wo in diesem Haushalt die neuen Bundesländer besondere Berücksichtigung finden.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: In negativer Hinsicht!)

In den neuen Bundesländern gibt es ein Problem: Dort, wo sich Industrien entwickelt haben, sind sie in der Regel als verlängerte Werkbänke ausgeprägt. Hier müssen wir gegensteuern. Wir müssen versuchen, die Firmen wieder in die Lage zu versetzen, eigene Produkte zu generieren, damit sie in der Wertschöpfungskette eine höhere Position einnehmen. Darum haben wir in diesem Jahr die Mittel für das Inno-Regio-Programm, mit dem gerade dieser Aspekt gefördert werden soll, das Netzwerk also zwischen innovativen Forschungsfirmen vor Ort und Produktionsfirmen, noch einmal um 4,5 Prozent auf insgesamt 68 Millionen Euro aufgestockt.

   Wir haben des Weiteren die Zuwendungen für die Forschungseinrichtungen der blauen Liste um weitere 2 Millionen Euro angehoben, damit in den neuen Bundesländern Innovationen entstehen können.

   Wir haben - auch das gehört aus meiner Sicht in diesen Zusammenhang - die in Verbindung mit dem Investitionsförderungsgesetz bereitgestellten Mittel in Höhe von rund 3,4 Milliarden Euro in Sonderhilfen des Bundes umgewandelt. Das heißt, vorher hatte der Bund bei Investitionen in den neuen Bundesländern immer ein Mitspracherecht. Jetzt können die Länder im Rahmen ihrer Haushalte eigenverantwortlich über Investitionen entscheiden. Diese Mittel können sie nutzen, um innovative Firmen zu fördern. Da sind sie jetzt aber gefordert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ein weiterer Brennpunkt in den neuen Bundesländern ist selbstverständlich das gesamte Thema Jugend. Wir haben das Sonderprogramm zur Schaffung zusätzlicher Ausbildungsplätze in den neuen Ländern mit 91 Millionen Euro auf hohem Niveau verstetigt. Ich muss ganz ehrlich sagen - dies sage ich als Unternehmer -: Dies ist mir fast peinlich; denn früher gehörte es normalerweise zum Ethos eines jeden Kaufmanns bzw. Unternehmers, seiner gesellschaftlichen Verantwortung auch dadurch gerecht zu werden, dass er für fachlichen Nachwuchs sorgt und Ausbildungsplätze schafft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe daher sehr, dass es das letzte Mal so ist, dass wir ein Sonderprogramm dieser Art auflegen müssen.

   Wir haben darüber hinaus das BAföG für Schülerinnen und Schüler sowie für Studierende erhöht - auch das betrifft insbesondere die Jugendlichen in den neuen Bundesländern -, damit Chancengleichheit besteht. Wir haben - auch das ist ein Teil der Jugendarbeit - die Mittel im Goldenen Plan Ost um noch einmal 2,5 Millionen Euro auf 10 Millionen Euro aufgestockt. Ich sage das weil der Goldene Plan Ost den Ausbau von Sportstätten umfasst und gerade in den neuen Bundesländern der Sport im Rahmen der Jugendarbeit eine enorme Rolle spielt. Deswegen ist meines Erachtens der Weg, den wir hier gehen, gerade für die Jugend richtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Auch beim Punkt „Direktinvestitionen“ haben wir etwas zu bieten. Ich weise auf den Stadtumbau Ost hin. Wir haben durch Umschichtungen im Verkehrshaushalt - der Minister wird es in dieser Woche ankündigen - Straßeninfrastrukturmaßnahmen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro gerade in Regionen, die strukturschwach sind - Schwerpunkt Ostdeutschland -, vorgezogen.

Damit wollen wir versuchen, speziell im Osten weitere Investitionen zu generieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wissen, dass wir in Deutschland vor sehr einschneidenden Reformen stehen. Wir wissen auch, dass ein besserer Zeitpunkt Mitte der 90er-Jahre gewesen wäre und dass die Kohl-Regierung diesen Zeitpunkt seinerzeit verschlafen und diese Probleme auf die nächsten Generationen verschoben hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Im Gegensatz dazu ist es eine ganz alte sozialdemokratische Tugend, dass wir uns darum bemühen, dass es unseren Kindern mindestens genauso gut, möglichst aber besser geht als uns heute. Darum verschieben wir die Probleme nicht auf die nächsten Generationen, sondern halten am Konsolidierungskurs fest.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir dokumentieren damit: Wir haben Vertrauen in die Gesellschaft, wir haben Vertrauen in die Menschen dieser Gesellschaft, und darum vertreten wir die Auffassung, dass wir die Probleme, die heute anstehen, auch heute zu lösen haben.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Hübner, das war Ihre erste Rede in diesem Hause. Ich gratuliere Ihnen ganz herzlich dazu.

(Beifall)

   Ich schließe die Aussprache zu diesem Tagesordnungspunkt. Wir kommen zu den Abstimmungen.

   Zunächst Abstimmung über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Abstimmung über den Einzelplan 32, Bundesschuld, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/636? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/637? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit der gleichen Mehrheit wie soeben abgelehnt.

   Wir kommen jetzt zur Abstimmung über den Einzelplan 32, Bundesschuld, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 32 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Abstimmung über den Einzelplan 60, Allgemeine Finanzverwaltung, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf Drucksache 15/617? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/638? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

   Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 60 in der Ausschussfassung mit der soeben beschlossenen Änderung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 60 ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Abstimmung über den Einzelplan 20, Bundesrechnungshof, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Einzelplan 20 ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 33. Sitzung - wird morgen,
Mittwoch, den 19. März 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15033
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