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15. Wahlperiode
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   41. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 11. April 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

   41. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 11. April 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! - Ich stelle fest, dass die SPD-Fraktion noch nicht anwesend ist. Ich habe keine Nachricht.

(Monika Griefahn (SPD): Die Fraktionssitzung läuft noch! - Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Dann stimmen wir ab! - Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Da es um das Ergebnis des Vermittlungsausschusses, also eine einvernehmliche Sache geht, unterbreche ich die Sitzung im Interesse dieser Einvernehmlichkeit für fünf Minuten.

(Unterbrechung von 9.01 bis 9.02 Uhr)
(Die Abgeordneten der SPD-Fraktion betreten den Sitzungssaal)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich stelle fest, dass wir die fünf Minuten nicht brauchen. Die Sitzung ist also eröffnet.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sehr gut!)

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung um die Ergebnisse des Vermittlungsausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz, Drucksache 15/841, und zum Zwölften SGB-V-Änderungsgesetz, Drucksache 15/840, sowie um einen interfraktionellen Antrag zum wirtschaftlichen Umgang mit Versichertengeldern bei Arzneimitteln erweitert werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe die Zusatzpunkte 12 und 13 auf:

ZP 12 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen
und Ausnahmeregelungen (Steuervergünstigungsabbaugesetz - StVergAbG)

- Drucksachen 15/119, 15/287, 15/312, 15/480, 15/481, 15/612, 15/841 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Joachim Poß

ZP 13 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (Zwölftes SGB-V-Änderungsgesetz - 12. SGB V ÄndG)

- Drucksachen 15/27, 15/74, 15/120, 15/167, 15/278, 15/298, 15/840 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch

   Das Wort zur Abgabe einer Erklärung hat der Kollege Wilhelm Schmidt.

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD):

Guten Morgen, Herr Präsident, meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir haben ein interessantes, ein heftiges, ein umfangreiches Vermittlungsverfahren hinter uns, das sich mit zwei Komplexen befasst hat. Der eine Komplex betraf das SGB. Hier war insbesondere das Ziel, bei der DRG-Abrechnung in den Krankenhäusern, also der Fallpauschalenabrechnung, eine Stabilisierung zu erzielen, aber auch, bei den Arzneimittelpreisen und den Verwaltungsausgaben der Krankenhäuser eine Eingrenzung der ausufernden Kosten zu erreichen.

   Das ist nur zu einem Teil gelungen. Ich bin dennoch dankbar dafür, dass wir immerhin ein Ergebnis erzielt haben, das wir heute gemeinsam im Bundestag beschließen werden und das auch im Bundesrat eine Mehrheit finden wird.

   Denn das Ergebnis des Vermittlungsausschusses hat immerhin dazu geführt, dass wir in Bezug auf die Fallpauschalen - mit einigen Ausnahmen - 700 zusätzliche Krankenhäuser in diesem Land dazu bringen werden, das neue, das moderne System anzuwenden. Ich glaube, das ist ein wichtiger Schritt nach vorne, der auch Vertrauen in die von der Koalition im vorigen Jahr erreichte Neuordnung des Abrechnungssystems schafft.

   Das Zweite, was damit zusammenhängt, ist, dass wir die Mitverantwortung der Krankenkassen noch mehr als bisher stärken wollen, nämlich bei den von ihnen selbst zu gestaltenden Ausgaben.

   Wir bedauern sehr, dass wir insbesondere im Bereich der Scheininnovation im Arzneimittelsektor nicht zu einem gemeinsamen Ergebnis gekommen sind. Hier hätten wir uns eine größere Mitverantwortung der Pharmaindustrie gewünscht. Diese war durch die Blockade der Union leider nicht zu erzielen.

   Wir haben uns aber dann darauf verständigt, dass wir diesen Teil - das liegt Ihnen heute als Entschließungsantrag vor - noch nacharbeiten werden, dass er in eines der nächsten Gesetze zur Gesundheitspolitik aufgenommen und dort behandelt wird. Er wird dann hoffentlich zu einem positiven Ergebnis geführt.

Wir wollen außerdem die Krankenkassen über die Aufsichtsbehörden zu einer stärkeren Einhaltung ihrer Sparauflagen bringen. - Das ist das Ergebnis der Beratungen über den vorliegenden Entwurf eines SGB-V-Änderungsgesetzes. Ich bitte um entsprechende Beschlussfassung im Parlament.

   Komplizierter und umfangreicher waren die Verhandlungen über das Steuerpaket. Ausgangspunkt war das Steuervergünstigungsabbaugesetz. Wir werden an dieser Stelle nicht nachlassen, die Implikationen dieses Gesetzentwurfs weiterzuverfolgen. In diesem Zusammenhang gibt es zwei Schwerpunkte. Der eine ist, dass wir für mehr Steuergerechtigkeit sorgen wollen. Das ist uns, gemessen an dem heute vorliegenden Ergebnis, nur zum Teil gelungen, weil die Union in der Frage der Steuergerechtigkeit nicht mitgezogen hat. Wir finden das nicht in Ordnung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Der zweite Schwerpunkt ist: Wir wollen dafür sorgen, dass auch die Kassen der öffentlichen Hand, also die von Bund, Ländern und Kommunen, einen zusätzlichen Faktor der Steuerung und Unterstützung erhalten. Ich formuliere das so, weil die Materie sehr kompliziert ist.

   Das Entscheidende im Hinblick auf die Steuergerechtigkeit ist aber, dass wir uns über die Unternehmensbesteuerung verständigen konnten. Das ist richtig und wichtig. Wir wollten die Steuerschlupflöcher schließen, die in den letzten Jahren gerade von Großunternehmen missbräuchlich genutzt worden sind. Das wird durch den vorliegenden Kompromiss erreicht. Dafür danken wir.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir danken insbesondere denjenigen, die diesen Kompromiss in der Vorphase der Verhandlungen herbeigeführt haben. Das sind die beiden Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück. Ich möchte daran erinnern, dass insbesondere in der CDU/CSU-Fraktion, aber auch in der FDP-Fraktion fundamentaloppositionelle Ansätze zu erkennen waren. Diese konnten überwunden werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP)

Darüber bin ich sehr froh, und zwar auch deswegen, weil sich Herr Merz und andere sehr frühzeitig in die Ecke der beleidigten Leberwürste zurückgezogen haben. Herr Merz, nun tun Sie so, als ob Sie die großen Sieger wären. Ich sage Ihnen: Es ist zwar ein wichtiger, aber nur kleiner Erfolg erzielt worden. Wir würden gerne mehr erreichen und werden darin durch die Protokollerklärung, die auch von der Bundesregierung unterstützt wird und die wir zur Kenntnis geben, bestätigt.

   Das, was wir nicht erreicht haben, bleibt auf der Agenda des politischen Handelns, nämlich zum Beispiel die Frage der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen und Gewinnen aus Aktienspekulationen. Auch das muss von uns weiterhin politisch behandelt werden. Sonst schaffen wir keine Steuergerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte noch hinzufügen, dass wir das, was wir bei der Eigenheimzulage geplant hatten, tendenziell weiterverfolgen müssen. Die Frage, wie wir Subventionen in diesem Land beibehalten können, muss von uns allen in gemeinsamer Verantwortung weiterbehandelt werden. Ich weise darauf hin, dass wir uns im Vermittlungsausschuss deswegen neben dem Schließen von Steuerschlupflöchern für Unternehmen im Bereich der Körperschaftsteuer darauf verständigt haben, dass wir auch bei den Fragen der Europarechtswidrigkeit der Gesellschafterfremdfinanzierung, der Tonnagesteuer, der Besteuerung von Veräußerungsgewinnen von Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen, von Abwehrmaßnahmen im deutschen Außensteuergesetz, der Verlustrechnungssysteme, des Verbots des Verlustabzugs bei Dividenden und Veräußerungsgewinnen von den Betriebsausgaben und des Verlustabzugs von stillen Gesellschaftern weiterhin gemeinsam - nicht, dass Sie sich abseilen! - am Ball bleiben. All das werden wichtige Aspekte der kommenden Diskussionen in diesem Hause sein.

   Wir haben, wie ich finde, einen Minimalkonsens erreicht, mit dem man insgesamt gesehen nicht ganz zufrieden sein kann. Aber das, was erreicht worden ist, ist in Ordnung. Deswegen tragen wir diesen Kompromiss mit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Volker Kauder, CDU/CSU-Fraktion.

(Joachim Poß (SPD): Ich bin gespannt, ob er das erklärt, was er vorgestern Abend gesagt hat!)

Volker Kauder (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Nach den vielen schlechten Nachrichten über die hohe Arbeitslosigkeit, über einen unausgeglichenen Bundeshaushalt und über neue Schulden, die gemacht werden müssen, kommt heute eine gute Nachricht aus dem Deutschen Bundestag und nachher auch aus dem Bundesrat:

(Zuruf von der SPD: Verantwortungslosigkeit!)

Wir haben verhindert, dass auf die Menschen in diesem Land neue Steuererhöhungen herniedergehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Kollege Schmidt, das, was Sie als einen Minimalkonsens bezeichnet haben, ist die gute Botschaft, die an diesem Tag ins Land hinausgeht. Wir von der Union haben Wort gehalten. Denn wir haben immer - sowohl vor als auch nach den Landtagswahlen - gesagt, dass wir keine Steuererhöhungen wollen, weil sie für die Wirtschaft in diesem Land Gift sind, dass wir aber einen Punkt, an dem Sie einen ganz schlimmen Fehler gemacht haben, korrigieren wollen: Dies betraf die Körperschaftsteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich habe meinen Ohren fast nicht getraut, als ich im Vermittlungsausschuss gehört habe, was Ministerpräsident Steinbrück gesagt hat. Er hat nämlich begründet, warum man bei der Körperschaftsteuer etwas tun muss. Er hat so gesprochen, als ob die SPD nie ein solches Gesetz, das zu diesen Ausfällen geführt hat, verabschiedet hätte. Ich habe gedacht, dass er so spricht, wie wir dies die ganze Zeit getan haben. Es war ein schwerer Fehler, der jetzt korrigiert wird. Aber mehr wird nicht getan. Es wird zu mehr Steuergerechtigkeit zurückgefunden, sodass sich alle - nun auch wieder die großen Unternehmen - gleichmäßig an den Kosten beteiligen, die der Staat hat, weil er die Infrastruktur zur Verfügung stellt. Mehr wird nicht getan. Dazu haben wir uns bekannt. Deswegen bleibt es bei dem Satz: Die Union hat Wort gehalten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Dass wir Wort gehalten haben, wird nirgendwo noch deutlicher als an dem Punkt, den wir aus der so genannten Resolution bzw. der Erklärung der Bundesregierung am Schluss haben herausverhandeln können. Ich meine das Thema AfA. Man stelle sich vor, dass die SPD in einer Zeit, in der wir alle wollen, dass Mittelstand und Handwerk investieren, bereit gewesen wäre, dem Mittelstand und dem Handwerk Geld zu entziehen, wodurch Investitionen noch schwieriger geworden wären.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt doch gar nicht!)

Das haben wir verhindert. Dies ist eine gute Nachricht aus dem Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben also ein gutes Ergebnis erzielt, das so aussieht, wie es die Union immer beabsichtigt hat. Wenn Sie, Herr Kollege Schmidt, häufiger auf die Union hören, wird die Situation in diesem Land auch besser.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)

   Wir haben uns im Vermittlungsverfahren darauf verständigt - auf diese Erklärung warten Sie ja -, dass noch eine Reihe von Prüfaufträgen von der Bundesregierung ausgeführt werden. Sie haben sie genannt. Es handelt sich um die Neuregelung der Gesellschafterfremdfinanzierung, die Beseitigung von Gestaltungsmodellen, die Tonnagesteuer, die Beseitigung des Organschaftsverbots für Lebens- und Krankenversicherungsunternehmen und noch ein paar andere Punkte, die in der Erklärung der Bundesregierung enthalten sind.

   Ich sage Ihnen hier und heute vor dem Deutschen Bundestag zu, dass wir es begrüßen, dass diese Überprüfungen durchgeführt werden, und dass wir uns an den daraus eventuell folgenden gesetzlichen Initiativen konstruktiv beteiligen werden. Wir werden mit Ihnen zusammen prüfen, ob die Dinge richtig laufen.

(Franz Müntefering (SPD): Das wäre ja das erste Mal, dass Sie das machen! Versprechen Sie nicht zuviel!)

- Nein, Herr Müntefering, das ist nicht das erste Mal. Wollen wir doch einmal sagen, was wirklich passiert ist: Gott sei Dank haben wir im Bundesrat die Möglichkeit, den größten Unsinn, den Sie produzieren wollen, zu verhindern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bei Hartz I und Hartz II haben wir etwas Sinnvolles, was Sie nicht wollten, machen können. Wir haben nämlich gesagt, dass wir die Arbeitsverhältnisse so ordnen wollen, dass auch geringfügige Beschäftigung in diesem Land wieder eine Chance hat. Damit haben wir vielen Menschen die Gelegenheit gegeben, wieder etwas Geld dazuzuverdienen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Damit haben wir vielen Vereinen die Möglichkeit gegeben, ihre ehrenamtliche Arbeit wieder besser zu gestalten. Das war schon eine erste gute Tat. Heute folgt die zweite. Wenn Sie vernünftig bleiben, dann folgen noch weitere. Das tut diesem Land außerordentlich gut.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Krista Sager, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wenn wir das Vermittlungsergebnis bewerten, dann können wir eigentlich nur sagen: Zwei Seelen wohnen, ach, in meiner Brust. Oder: Man sieht es mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Gut ist, dass wir uns im Vermittlungsausschuss geeinigt haben, einige Schritte einzuleiten, um die öffentlichen Haushalte wieder handlungsfähig zu machen und auch um mehr Steuergerechtigkeit zu erreichen. Gut ist es natürlich auch, dass sich bei CDU und CSU die Totalblockierer nicht durchgesetzt haben, sondern dass dort ein bisschen Vernunft eingekehrt ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Auf der anderen Seite müssen wir aber auch ganz klar sagen: 4,4 Milliarden Euro sind für die Haushalte der Länder und Gemeinden zu wenig und das wird auch Sie wieder einholen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Irgendjemand muss es zahlen!)

   Die Steuerreform 2004/2005 wird - das kann man gar nicht laut genug sagen - zu massiven Steuerentlastungen führen;

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Warten Sie mal ab!)

deswegen ist es gut, dass heute auch Beschlüsse gefasst werden, die bewirken, dass große und international tätige Unternehmen einen Beitrag zur Finanzierung des Gemeinwesens leisten.

   Dabei geht es allerdings nicht nur um die Körperschaftsteuer. Zur Körperschaftsteuer sollte man auch sagen: Es geht nicht nur um Einnahmeausfälle durch den Systemwechsel - da wird es jetzt eine Verstetigung der Einnahmen geben -, sondern man wollte auch - das gilt auch für Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU -, einen international wettbewerbsfähigen Körperschaftsteuersatz. Wir haben es auch mit konjunkturellbedingten Einbrüchen zu tun.

   Unser Vermittlungsergebnis bewirkt auch - stimmen Sie zu, dass es in diesem Bereich Handlungsbedarf gibt! -, dass Umgehungstatbestände, also Möglichkeiten, durch Unternehmensgestaltung dafür zu sorgen, dass Gewinne nicht mehr steuerlich erfasst werden, eingeschränkt werden. Deswegen sind die neuen Regelungen der Mehrmütterorganschaft und des Verlustabzugs bei stillen Beteiligungen von Kapitalgesellschaften richtig. In diesem Zusammenhang ist die Dokumentationspflicht bei Verrechnungspreisen besonders wichtig. Es ist gut, dass Sie erkannt haben, dass man diese Umgehungen nicht länger dulden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Auch Sie haben gemerkt - leider war das nur ein erster Schritt -, dass man nicht immer wieder auf der einen Seite Mittel aus entsprechenden Bundesgesetzen in die Landeshaushalte, auch die der CDU-regierten Länder, einstellen kann, wenn man auf der anderen Seite diese Bundesgesetze im Bundesrat massiv bekämpft. Das ist in der Tat eine ziemlich komische Moral.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Akteure auf Landesebene haben dafür gesorgt - darüber bin ich froh -, dass auch Sie erkannt haben, dass man nicht mit Drohgebärden dauerhaft an dem Ast sägen kann, auf dem letztlich auch die CDU- und die CSU-regierten Länder sitzen. Sie können jetzt - das sage ich auch in Ihre Richtung, Herr Kauder - natürlich mit stolzgeschwellter Brust verkünden, was Sie alles verhindert haben;

(Beifall bei der CDU/CSU)

Herr Kauder, ich möchte aber, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern in den Ländern und in den Gemeinden dann auch erklären, warum ihre Kassen weiterhin so leer bleiben, wie sie jetzt sind. Das gehört zur Ehrlichkeit dazu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD -Volker Kauder (CDU/CSU): Sie sind eine Abzockerin!)

Auch diese Aufgabe sollten Sie einmal schultern!

   Dass Sie hier in den letzten Tagen mit stolzgeschwellter Brust verkündet haben, es sei Ihre große Leistung gewesen, manches verhindert zu haben, wird Sie wieder einholen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Das gilt auch für die Eigenheimzulage. Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesländer, gerade auch die von Ihrer Seite, diskutieren längst über die Eigenheimzulage. Wenn Sie einen pauschalen Subventionsabbau durchführen wollen - das hat Herr Koch ja angekündigt -, dann müssen Sie einmal erklären, dass der pauschale Subventionsabbau bei der Eigenheimzulage, wenn der dann konkret wird, etwas völlig anderes ist als die konkreten Maßnahmen, die wir jetzt vorgeschlagen hatten. Da werden Sie noch gucken!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Nach diesem ganzen Spiel, das wir bei der CDU/CSU erlebt haben, möchte ich Frau Merkel einen gut gemeinten Rat geben: Passen Sie auf, Frau Merkel, dass Sie sich nicht in die Rolle der Meckertante treiben lassen, während Herr Koch im Bundesrat den Retter der Nation spielt!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU)

Dabei können Sie mit Sicherheit - das kann ich Ihnen jetzt schon prophezeien - nur die Verliererin sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie haben in den Spiegel geschaut!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Hermann Otto Solms, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die FDP-Fraktion wird dem Zwölften SGB-V-Änderungsgesetz zustimmen. Sie wird dem Steuervergünstigungsabbaugesetz auch mit den Änderungen, die gestern vereinbart worden sind, widersprechen.

(Beifall bei der FDP)

   Zugegebenermaßen ist der Kompromiss besser als das völlig verfehlte Steuervergüngstigungsabbaugesetz der rot-grünen Koalition.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sehr gut!)

Das wäre ökonomisch das Falscheste gewesen, was man hätte tun können. Aber erklären Sie mir bitte einmal die Logik! Warum sollen dann, wenn 15 Milliarden Euro Steuererhöhungen nach dem Steuervergünstigungsabbaugesetz falsch waren, die beiden Pakete mit zusammengerechnet 8 Milliarden Euro Steuererhöhungen gut sein?

(Beifall bei der FDP - Volker Kauder (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

Diese Mathematik kann mir niemand erklären.

   Dieser Kompromiss mit erheblichen Steuererhöhungen ist volkswirtschaftlich verfehlt und konjunkturpolitisch verheerend. Er wird die Arbeitslosigkeit steigern und nicht senken.

(Beifall bei der FDP)

Es ist klar, dass Sie sich jetzt gegenseitig loben, weil Sie das Ergebnis wechselseitig unterstützen. Es handelt sich aber trotzdem um eine große Koalition der ökonomischen Unvernunft, mit der wir es heute zu tun haben.

(Beifall bei der FDP)

   Ich weiß, dass sich einige Ministerpräsidenten aus Sorge um ihren Haushalt auf dieses Spiel eingelassen haben, weil sie die Hoffnung haben, mehr Steuermittel zu bekommen.

(Jörg Tauss (SPD): Weil es die Realität ist!)

Ich kann ihnen aber versprechen: Das wird nicht eintreten. Die ausgerechneten Mehreinnahmen für die Haushalte infolge der Steuererhöhungen werden nicht eintreten,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Da hat er Recht!)

weil die volkswirtschaftliche Wirkung dieser Maßnahmen so schlecht ist. Die wirtschaftliche Entwicklung wird noch einmal zusätzlich gedämpft. Es wird weniger investiert. Mehr Arbeitsplätze werden ins Ausland verlagert. In Deutschland muss mehr Arbeitslosigkeit entstehen.

(Beifall bei der FDP)

   Das Schlimme ist ja, dass Sie alle das wissen. Sie alle haben es vielfach erklärt. Fangen wir mit Bundesfinanzminister Hans Eichel an. Noch bis zur Bundestagwahl galt bei ihm, dass über eine Rückführung der Steuerbelastung und der Kreditaufnahme Wachstum und Beschäftigung verbessert werden sollten. Das war Hans Eichels Finanzpolitik mit Leitplanken. Davon haben wir nach der Bundestagswahl schon gar nichts mehr gehört.

   Hören Sie sich einmal die Zitate an! Ich habe eine unendliche Fülle von Zitaten hier, will Ihnen aber nur wenige zu Gehör bringen. Der Haupttäter war Ministerpräsident Koch. Deswegen möchte ich ihn privilegieren und ihn hier als Ersten zitieren. Am 1. Oktober 2002 heißt es in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ beispielsweise - ich zitiere -:

Für falsch und kontraproduktiv halten Milbradt und Koch die Diskussion über Steuererhöhungen ... Koch sagte, schon die Diskussion

- über Steuererhöhungen nämlich -

signalisiere dem Mittelstand und der ausländischen Wirtschaft, daß die politische Mehrheit in Deutschland immer noch nicht begriffen habe, was das „Gebot der Stunde“ sei.
(Beifall bei der FDP)

   In dem Fernsehduell bei Sabine Christiansen am 26. Januar, also vor den Landtagswahlen in Hessen und Niedersachsen, hat Herr Koch wörtlich gesagt:

... nur um Schlimmeres zu vermeiden, ist es zunächst mal wichtig, dass es nicht weitere Steuererhöhungen gibt, von denen die Sachverständigen sagen, die kosten ein weiteres halbes Prozent.

Daraus konnte man eindeutig schließen: Wenn in Hessen die Union gewinnt, dann ist sicher, dass es dieses Gesetz mit 48 Steuererhöhungen nicht gibt. In die 48 Steuererhöhungen hat er wohlweislich auch die sieben Steuererhöhungen mit eingeschlossen, die heute verabschiedet werden sollen.

(Franz Müntefering (SPD): Lügenausschuss oder was?)

   Ich darf auch den finanzpolitischen Sprecher und stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Friedrich Merz, der ja hier anwesend ist, zitieren. In der Bundestagsdebatte zur ersten Lesung des Steuervergünstigungsabbaugesetzes hat er nämlich unter anderem gesagt:

Wir begeben uns mit Ihnen nicht in einen Wettbewerb um die Frage, wer in diesem Land die Steuern am meisten erhöht. Das werden wir nicht tun. Die gegenwärtige Lage unserer Volkswirtschaft ist vollkommen ungeeignet für eine Debatte über Steuererhöhungen. Das Gegenteil ist richtig. Wir müssen diesem Land und insbesondere den mittelständischen Unternehmen wieder eine Perspektive geben und Steuern senken.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Er hat Recht; genau das wäre die richtige Strategie. Sie aber tun hier das Gegenteil.

(Franz Müntefering (SPD): Die FDP ist beleidigt!)

   Ich will nur auf drei Punkte eingehen:

   Die FDP wäre dazu bereit gewesen, die Auflösung der Körperschaftsteuerguthaben in der Zeitachse zu strecken. Die jetzt vorgesehene Einschränkung der Mehrmütterorganschaften wird jedoch insgesamt dazu führen, dass Deutschland als Holdingstandort ausfällt, weil es nicht mehr wettbewerbsfähig ist.

(Beifall bei der FDP)

Das heißt, dass deutsche Konzerne ihre Holdinggesellschaften ins Ausland, vornehmlich nach Holland verlegen werden und zugleich damit Tausende von hoch qualifizierten und hoch bezahlten Arbeitsplätzen. Das ist eine zwingende Folge.

   Bezüglich der Dokumentationspflicht für die Bildung von Verrechnungspreisen stellt sich mir die Frage: Wie sollen denn beim Export intern Preise in Verträgen vereinbart werden, die unter dem Vorbehalt der Zustimmung der Finanzbeamten stehen? Das ist doch völlig ausgeschlossen. Da kommt keine einzige müde Mark mehr herein, sondern es werden nur zusätzliche Kosten verursacht.

(Beifall bei der FDP)

   Einen Mindesthebesatz bei den Gemeinden einzuführen widerspricht der Verfassung. Lesen Sie Art. 106 Abs. 6 der Verfassung nach, wo sinngemäß steht: Die Gemeinden haben das Recht, ihren Hebesatz selber festzulegen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Steueroasen, dafür sind Sie offensichtlich!)

- Nein, aber Sie können dieses Recht nicht bestreiten. Den Grundsatz, dass die Gemeinden ihre Hebesätze autonom festlegen können, will ich nicht durchbrechen.

(Beifall bei der FDP - Joachim Poß (SPD): Darum geht es doch gar nicht! Sie wissen doch, wie die Praxis ist! - Weitere Zurufe von der SPD)

   Deswegen möchte ich abschließend sagen: Es ist nicht so, dass die Menschen geschont worden wären - Frau Merkel hat das so gesagt - und dass es keine Mehrbelastung für die Menschen gebe.

(Joachim Poß (SPD): Schutzpatron der Steuerhinterzieher!)

Sind denn die Arbeitslosen, deren Zahl immer mehr zunimmt, keine Menschen? Dank Ihrer Maßnahmen wird es nämlich noch mehr Arbeitslose geben, weil dadurch der Arbeitsmarkt belastet wird.

(Beifall bei der FDP)

   Dieser Kompromiss ist ein Kompromiss zulasten der Wirtschaft, der Investitionen, der Arbeitsplätze. Wir können ihn aufgrund unseres ökonomischen Sachverstandes nicht mittragen.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP - Joachim Poß (SPD): Sachverstand hatten Sie noch nie!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Wir kommen zur Abstimmung über Zusatzpunkt 12, Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Steuervergünstigungsabbaugesetz. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Dies gilt ebenfalls für die weitere Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses, über die wir anschließend abstimmen.

   Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/841? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen.

   Zusatzpunkt 13: Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses zum Zwölften Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch, Drucksache 15/840. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Meine Damen und Herren, ich rufe den Zusatzpunkt 14 auf:

Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP

Maßnahmen zum wirtschaftlichen Umgang mit Versichertengeldern bei Arzneimitteln und bei Verwaltungsausgaben der Krankenkassen

- Drucksache 15/850 -

   Eine Aussprache ist nicht vorgesehen. Wir kommen daher gleich zur Abstimmung. Wer stimmt für den Antrag auf Drucksache 15/850? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch dieser Antrag ist einstimmig angenommen.

   Wir kommen damit zum Tagesordnungspunkt 12:

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember 1996 über Urheberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger

- Drucksache 15/15 -
(Erste Beratung 10. Sitzung)

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft

- Drucksache 15/38 -

(Erste Beratung 10. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

- Drucksache 15/837 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Dr. Günter Krings
Jerzy Montag
Rainer Funke

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich bitte diejenigen, die an der Aussprache nicht teilnehmen wollen, den Raum möglichst ohne längere Gespräche zu verlassen, damit die Rednerin eine Chance hat, gehört zu werden. - Wir können noch einen kleinen Moment warten.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile der Bundesministerin Brigitte Zypries das Wort.

Brigitte Zypries, Bundesministerin der Justiz:

Vielen Dank, Herr Präsident, für die freundliche Behandlung! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sie beschließen heute darüber, wie das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft aussehen soll. Mir haben die jüngsten Kommentare zu unserem Gesetzentwurf vor allem eines klar gemacht: Wir sind, allen Segnungen der Informationsgesellschaft zum Trotz, in manchen Punkten weit davon entfernt, auch in einer informierten Gesellschaft zu leben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo die richtigen Informationen fehlen, machen sich Gerüchte und Missverständnisse breit und halten sich mitunter hartnäckig.

   Ich möchte deshalb gerne die Gelegenheit nutzen, Ihnen noch einmal zu verdeutlichen, was wir ändern wollen, insbesondere hinsichtlich der Schranke des Urheberrechts zugunsten von Unterricht und Forschung und der Regelungen zur Privatkopie.

   Teilweise ist behauptet worden, mit dem Gesetzentwurf sollten Bibliotheken angesichts knapper öffentlicher Kassen von der Pflicht enthoben werden, Zeitschriften zu abonnieren und Bücher vorzuhalten. Es ist die Rede davon, künftig sei gar nur noch ein Zeitschriftenexemplar bundesweit erforderlich und man könne die ganze notwendige Kommunikation über E-Mail und Internet abwickeln, ein Buch quasi frei versenden. Dies alles ist nicht zutreffend.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Was haben wir gemacht? Die schon heute geltenden Ausnahmevorschriften im analogen Bereich haben wir auf den digitalen Bereich übertragen. Das war notwendig, weil wir einerseits die digitale Welt in das Urheberrecht eingeführt haben. Hätten wir nicht andererseits die Ausnahmeregelung geschaffen, hätten wir die Situation gehabt, dass in der digitalen Welt, die wir inzwischen nun einmal haben, Forschung und Lehre in dem Sinne, wie wir es verstehen, nicht mehr möglich gewesen wäre.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Künftig wird es erlaubt sein, kleine Teile von Büchern, Werke geringen Umfangs oder einzelne Beiträge aus Zeitschriften in interne Netzwerke - wohlgemerkt nicht in das Internet - einzustellen, aber auch nur dann, wenn es zur Veranschaulichung im Unterricht erforderlich ist. Das heißt, die Unterrichtssituation muss gegeben sein. Schulbuchverlage haben wir davon ausgenommen, weil die Schulen nun einmal der primäre Absatzmarkt dieser Verlage sind.

   Auch auf die Filmwerke haben wir Rücksicht genommen. Filme dürfen erst zwei Jahre nach ihrem Erscheinen auf diese Art und Weise verwertet werden. Zudem haben wir die Bestimmung bis zum 31. Dezember 2006 befristet. Ich verspreche Ihnen: Das Justizministerium wird sorgfältig darauf achten, wie diese Bestimmung angewandt wird. Gegebenenfalls wird sich der Bundestag darüber verständigen, vorzeitig Änderungen vorzunehmen.

   Meine Damen und Herren, ich glaube, dass diese Regelung für unsere Wissensgesellschaft richtungweisend ist. Wir haben den Auftrag, Bildung zu organisieren. Dazu gehört, dass wir die Wissens- und Informationsgesellschaft gestalten. Dabei reicht es nicht aus, dass man die Tafeln in den Klassenzimmern durch Computer ersetzt; man muss auch sicherstellen, dass auf den Bildschirmen etwas erscheint.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Während in der Schule früher die Lehrer Papiere und Fotokopien von Seiten aus Büchern oder Zeitschriften ausgeteilt haben, wird heute der Text auf den Computern der Schüler angezeigt, um daran arbeiten zu können.

   Genau das ist auch für die Wissenschaft vorgesehen. Es geht auch hier darum, dass man einem bestimmten, abgegrenzten Personenkreis, zum Beispiel einem Forscherteam, gestattet, wissenschaftliche Texte über das Intranet einander zugänglich zu machen. Keinesfalls - das möchte ich hier ganz deutlich sagen - sollen alle Mitarbeiter oder gar alle Studierenden an einer Universität auf diese Weise Zugriff auf ein Werk erhalten können. Auch künftig werden die Universitätsbibliotheken die notwendigen Ausstattungen vorhalten müssen; denn der Gesetzentwurf verschafft den Bibliotheken diesbezüglich keinen Spielraum. Die Bibliotheken wissen darum, wie man entsprechenden Presseerklärungen entnehmen konnte.

   Die Tatsache, dass bestimmte Kommunikationstechniken auch illegal genutzt werden, ist ein anderes Problem. Man darf meines Erachtens nicht versuchen, dafür sozusagen legale Schneisen zu schlagen. Wir müssen vielmehr alles tun, um das Urheberbewusstsein in unserer Gesellschaft zu stärken. Nur dann kann sich wieder ein Gefühl dafür entwickeln, was im Urheberrecht erlaubt und was nicht erlaubt ist. Heutzutage empfindet jeder das Kopieren als selbstverständlich. Nach meiner Auffassung ist es auch Aufgabe der Industrie, hier bewusstseinsbildend zu wirken. Sie darf nicht durch gezielte Falschinformation geradezu dazu auffordern, entsprechende Texte im Internet zu verbreiten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es wird nicht das letzte Mal sein, dass wir uns hier zusammenfinden, um über das Urheberrecht zu reden. Kaum dass dieser Gesetzentwurf verabschiedet sein wird, werden wir mit der Debatte über den zweiten Korb beginnen und alle die Fragen behandeln, die jetzt bewusst zurückgestellt wurden. Das gilt insbesondere für das Vergütungssystem. Um diesen Punkt wird es sicherlich noch einigen Streit geben. Gleichwohl möchte ich Ihnen versichern, dass ich mich auch da, wie ich es bei dem vorliegenden Gesetzentwurf getan habe, für einen parteiübergreifenden Konsens einsetzen werde. Ich möchte Sie gerne auffordern, sich an diesem Diskurs - „Wohin wollen wir mit dem Urheberrecht in den nächsten 15 Jahren?“ - zu beteiligen. Freundlicherweise hat sich die Bertelsmann-Stiftung bereit erklärt, ein Stück des Weges mit uns gemeinsam zu gehen. Ich glaube, das ist eine gute Sache.

   Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie so konstruktiv an diesem Gesetzentwurf mitgearbeitet haben. Es freut mich, dass wir es schaffen, dieses Gesetz zum Urheberrecht in diesem Hohen Hause fast einstimmig zu verabschieden. Ich möchte insbesondere den Kolleginnen und Kollegen der CDU/CSU danken, dass sie so kompromissbereit waren und sich den vernünftigen Argumenten nicht verschlossen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn das muss man ja sehen: Es geht nicht in erster Linie darum, eine breite Zustimmung zu finden, sondern es geht vor allen Dingen darum, vernünftige Lösungen zu finden. Ich glaube, das haben wir gemeinsam geschafft. Herzlichen Dank dafür! Ich hoffe auf weitere konstruktive Diskussionen beim zweiten Korb.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Günter Krings, CDU/CSU-Fraktion.

(Dr. Norbert Lammert (CDU/CSU): Bravo!)

Dr. Günter Krings (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Kollegen! Wir setzen heute eine Richtlinie der Europäischen Union zum Urheberrecht um, für die die Umsetzungsfrist bereits im letzten Jahr abgelaufen ist. Bei dem Arbeitstempo dieser Bundesregierung sind wir Kummer gewöhnt. Allerdings geht es hier nicht um die Krümmung von Salatgurken, um irgendwelche zweitrangigen Dinge, sondern um die Zukunft des geistigen Eigentums.

   Die rasanten Entwicklungen in der digitalen Welt messen wir nicht in Jahrzehnten oder Jahren, sondern in Monaten. Die Urheberschutz-Richtlinie der EU will nicht mehr, aber auch nicht weniger, als den Schutz geistigen Eigentums den modernen Anforderungen einer digitalen Informationsgesellschaft anzupassen.

   Wenn heute in Deutschland gewerblich betriebene Internetseiten oder Supermarktketten straflos Werkzeuge und Anleitungen anbieten können, um einen Kopierschutz zu knacken, dann ist das ein unerträglicher Zustand, den wir durch dieses Gesetz unverzüglich beenden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es gilt aber auch, dass jeder Monat der Nichtumsetzung dieser Richtlinie die Musik-, Film- und Verlagswirtschaft Millionen von Euro kostet und die Erwerbschancen von Autoren und Künstlern schmälert.

   Ich sage Ihnen nun gerne etwas zu den Ursachen, die dazu führten, dass dieses Gesetz mit erheblicher Verspätung verabschiedet wird.

Die rot-grüne Bundesregierung kann es offenbar nicht lassen - und diese Kritik trifft noch am wenigsten das Justizressort -, wichtige EU-Richtlinien mit gesetzgeberischem Ballast zu befrachten, der bestenfalls unausgegoren und schlimmstenfalls kontraproduktiv bis unsinnig ist.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Vor allem Letzteres!)

   Während der ersten Lesung dieses Gesetzentwurfes haben Sie, Frau Bundesjustizministerin, von dieser Stelle aus wörtlich erklärt - ich darf Sie zitieren -:

Mit diesem Umsetzungsgesetz wollen wir deshalb in einem ersten Schritt nur all das regeln, was uns die Richtlinie und die WIPO-Verträge zwingend vorschreiben.

   Wenn diese Aussage wirklich zur Geschäftsgrundlage für die Ausarbeitung und Beratung dieses Gesetzes geworden wäre, so hätten wir die Umsetzungsfrist ohne Probleme eingehalten und die betroffenen Unternehmen und Urheber hätten den Schutz, den der Staat ihnen schuldet, früher erhalten. Die Schuld an dieser Säumnis trägt allein die amtierende Regierung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich muss Sie, Frau Ministerin, bei aller Kompromissbereitschaft im Detail, deshalb schon fragen: Welche Bestimmung der EU-Richtlinie hat die Bundesregierung dazu gezwungen, uns im neuen Urhebergesetz einen § 52 a vorzuschlagen?

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Ich verstehe das gar nicht! Ihr stimmt doch zu!)

Diese neue Schranke sollte es ursprünglich ermöglichen, komplette Bücher in schulische und universitäre Datennetze einzustellen. Schon der Umstand, dass diese Bestimmung den zweifelhaften Ruhm erlangt hat, dass ihr schon vor In-Kraft-Treten eine eigene Homepage im Internet gewidmet wird, hätte Ihnen zeigen müssen, dass Sie hier Ihre eigenen Maßstäbe nicht erfüllt haben.

   Ebenso wenig legt es die Richtlinie nahe, die bekannten und bewährten Regelungen aus der analogen Welt eins zu eins in die digitale Welt zu übertragen. Gerade weil die Gefahren und Risiken für das geistige Eigentum in der digitalen Welt des Internets und der leistungsstarken CD-Brenner andere sind als diejenigen aus der Zeit der Schellackplatte, gibt es diese WIPO-Verträge und diese EU-Richtlinie. Nicht umsonst wird in diesen Dokumenten verlangt, dass der nationale Gesetzgeber, also auch der deutsche, den „Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung tragen“ muss. In Sachen Privatkopie werden in diesem Gesetzentwurf diese Anforderungen leider ignoriert.

   Schließlich: An keiner Stelle wird in dieser Richtlinie eine Aussage dazu getroffen, dass auf Normen, die zwar von privaten Instituten formuliert, aber durch den Staat für rechtsverbindlich erklärt werden, ein Privater Urheberrechte geltend machen darf.

   Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, hätten Sie sich doch nur, wie versprochen, auf die Umsetzung der Richtlinie beschränkt! Ihnen und uns wäre viel erspart geblieben. Weniger wäre hier mehr gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir als CDU/CSU-Fraktion haben das Gespräch mit allen Interessengruppen gesucht. Wir haben im Übrigen gegen den Widerstand aller anderen Fraktionen - auch der FDP-Fraktion - eine umfassende Anhörung zu dieser Novelle im Deutschen Bundestag durchgesetzt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben damit für die Kritik der betroffenen Verbände ein Forum geschaffen. Das Ergebnis - auch zu einigen von mir nicht zitierten Vorschriften - war relativ ernüchternd.

   Die Lage in der Verlags- und Medienwirtschaft ist dramatisch. Dies können Sie auch nicht mit der Behauptung abtun, dies seien nur Managementfehler. Nein, die Rezession in der Medienwirtschaft ist ganz wesentlich die Folge eines Urheberrechts des 20. Jahrhunderts, das für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts nur unzureichend gewappnet ist.

   Der aktuelle Niedergang fing in der Musikwirtschaft an. Im vergangenen Jahr wurden sage und schreibe 100 Millionen mehr Musik-CDs auf privaten CD-Brennern erstellt als neue gekauft. Etwa jede dritte dieser Aufnahme stammt ihrerseits bereits aus einer illegalen Quelle - Tendenz steigend. Wenn das deutsche Recht die Vervielfältigung aus einer illegalen Quelle für legal erklärt, kann ich mich als Rechtspolitiker mit einer solchen von Staats wegen erlaubten urheberrechtlichen Datenwäsche nur schwer abfinden.

(Beifall bei der CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Musikalische Verarmung ist das!)

   Mit den steigenden Übertragungsraten im Netz hat die Piraterie inzwischen auch die Filmwirtschaft erreicht. Fast 60 Millionen CD-Rohlinge wurden im vergangenen Jahr mit Spielfilmen bespielt; über die Hälfte davon mit Filmen, die in deutschen Kinos noch gar nicht angelaufen waren. So viel zur Unterscheidung von legaler und illegaler Quelle! Wie kann eine Quelle legal sein, wenn es diese Filme noch gar nicht hier im Handel gibt?

   Wir als CDU/CSU-Opposition haben schließlich alles in unseren Kräften Stehende getan, um zu verhindern, dass die Buch- und Zeitschriftenverlage durch dieses Gesetz in den Abwärtsstrudel der Musik- und Filmwirtschaft hineingezogen werden. Es ist wahr: Der Druck der Bibliotheken in unserem Lande nimmt zu. Sie wollen möglichst kostengünstig auf Verlagsprodukte zugreifen können. Das ist angesichts enger Budgets durchaus verständlich. Es gehört allerdings ebenso zur Wahrheit, dass deutsche Bibliotheken nur jeden siebten Euro ihres Budgets für Neuanschaffungen ausgeben.

   Wir brauchen keine zunehmende Verstaatlichung oder Sozialisierung von geistigem Privateigentum, sondern wir wollen einen funktionierenden Markt für geistiges Eigentum. Ein Markt kann aber unmöglich funktionieren, wenn die Produkte, die auf ihm gehandelt werden, rechtlich nicht geschützt werden. Die Gleichung ist relativ einfach: Je schlechter kreative Leistungen geschützt werden, desto weniger Kreativität wird es in diesem Lande geben. Ein rohstoffarmes Land wie unseres mit hohen Arbeitskosten ist auf nichts so sehr angewiesen wie auf die hochwertigen kreativen geistigen Leistungen seiner Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Hier und heute müssen wir uns entscheiden, wie wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf umgehen. Wir als CDU/CSU haben uns diese Entscheidung nicht leicht gemacht. Ich habe es eingangs bereits gesagt: Wir hätten dieses Gesetz an entscheidenden Stellen deutlich anders gestaltet. Wir sind aber bereit, um der Sache und der hiervon betroffenen Menschen willen eine Reihe von Themen in einen zweiten Gesetzeskorb zurückzustellen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gut!)

   Die Regierung und die sie tragenden Fraktionen haben zugesagt - Frau Ministerin hat das gerade dankenswerterweise wiederholt -, den zweiten Korb der Urheberrechtsnovelle rasch auf den Weg zu bringen und die anstehenden Fragen offen zu diskutieren. Verlassen Sie sich darauf: Wir nehmen Sie hier beim Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU - Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Das ist eine Drohung!)

   Wir müssen zügig die noch ausstehenden Themen angehen: die legale Quelle, das Kopieren vom Original, den Kopienversand sowie die Schaffung echter Anreize für die Entwicklung digitaler Rechtemanagementsysteme. Wir reichen hierzu die Hand und sind bereit, schon in der nächsten Sitzungswoche die Vorarbeiten am zweiten Korb aufzunehmen; denn die Zeit drängt. Es stehen nicht nur Umsatzzahlen, sondern Arbeitsplätze in Deutschland auf dem Spiel.

   Das Ziel der Union ist und bleibt der faire Ausgleich zwischen den Interessen der Autoren und Künstler, der Unternehmen und der Verbraucher. Unter diesem Leitmotiv ist es uns gelungen, in konstruktiver Arbeit an einer Reihe von wichtigen Stellen Fehlentwicklungen in diesem Gesetz zu entschärfen oder wenigstens abzumildern. Wir sind froh, dass sich die Regierung in einigen Punkten der Einsicht in unsere besseren Argumente nicht verschlossen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich will nur einige wenige Beispiele herausgreifen. Der berüchtigte § 52 a des Urheberrechtsgesetzes ist im Vergleich zum Ursprungsentwurf an fünf wichtigen Stellen positiv verändert worden: Unter anderem wurden die Schulbuchverlage und zu einem großen Teil die Filmwirtschaft herausgenommen, auch wenn wir eine konsequentere Lösung etwa in Form der gänzlichen Herauslösung der Filmwirtschaft gewünscht hätten. Die Vorschrift bekommt ferner das, was mehr staatliche Gesetze bekommen sollten: Sie wird mit einem Verfallsdatum ausgestattet.

   Das Urheberrecht für private Normen, die der Gesetzgeber für rechtsverbindlich erklärt, wird zwar kommen; allerdings ist es uns gelungen, einerseits den Interessen des Deutschen Instituts für Normung Rechnung zu tragen, aber andererseits zu verhindern, dass künftig private Normen, die staatlich verbindlich erklärt werden, nur von einem einzigen Hausverlag veröffentlicht werden können.

   Wir haben erreicht, dass die Medienwirtschaft einerseits und die bevorrechtigten Nutzerverbände andererseits in die Lage versetzt werden, die partielle Aufhebung von Kopierschutzinstrumenten im gegenseitigen Einvernehmen zu regeln, statt sich hier vom Gesetzgeber bevormunden zu lassen. Wir sorgen also auch hier für weniger Staat und mehr Möglichkeiten und Verhandlungsspielraum für die Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir als Unionsfraktion werden diesem erstem Schritt der Modernisierung des Urheberrechts daher zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir tun dies, weil der Kern der Sache entscheidend ist: Unser Urheberrecht, der Schutz geistigen Eigentums, muss den Erfordernissen der modernen digitalen Welt angepasst werden. Wir können nicht länger zuwarten; wir müssen die eiligen Dinge jetzt verabschieden. Wir befinden uns damit zugleich in einer Tradition der Zusammenarbeit beim Thema Urheberrecht, die bereits aus der Regierung Kohl herrührt. Wir geben Ihnen damit allerdings auch einen Vertrauensvorschuss auf eine zügige und fruchtbare Beratung der offen gebliebenen oder bestenfalls provisorisch gelösten Fragen in einem zweiten Gesetzeskorb.

(Jörg Tauss (SPD): Das liegt an euch!)

   Meine Damen und Herren, am Ende des Tages bleibt nicht Euphorie, aber die Hoffnung auf eine gute Zukunft des Schutzes geistigen Eigentums in Deutschland.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gute Rede!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun der Kollege Jerzy Montag, Bündnis 90/Die Grünen.

Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Krings, Sie haben hoffentlich zugehört, was die Bundesjustizministerin zu beklagen hatte: An Informationen über die moderne Informationsgesellschaft krankt es noch sehr. Leider, so muss ich Ihnen sagen, hat der Beitrag, den Sie zu diesem Gesetzentwurf abgegeben haben, nur wenig zu einer Sachaufklärung beigetragen. Sie haben kaum die Kurve bekommen, am Schluss zu begründen, warum Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen.

(Hans-Joachim Otto (Frankfurt) (FDP): Da ist etwas dran!)

Aber immerhin, Sie wollen ihm zustimmen. Dafür danken wir Ihnen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sollen wir jetzt doch nicht zustimmen?)

   Das Urheberrecht stammt aus einer Zeit, die man aus heutiger Sicht das zu Ende gehende analoge Zeitalter nennen kann. Es bietet folgerichtig keine ausdrücklichen und im Wege der Rechtsfortbildung keine befriedigenden Regelungen für das neue digitale Zeitalter, dessen Boten uns in Form von Computer und Internet, von CD und DVD, von Minidisc und MP3 geläufig sind. Die Europäische Union hat die darin liegende Problematik aufgegriffen und die Richtlinie zum Urheberrecht in der modernen Informationsgesellschaft erlassen, die mit dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf in einer ersten Stufe umgesetzt werden soll.

   Das Urheberrecht dient dem Schutz des geistigen Eigentums. Doch dieser Schutz ist nicht absolut. Auch für geistiges Eigentum gilt, dass sein Gebrauch zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen soll. Der heute zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf enthält deshalb auch Schrankenbestimmungen, die eine dem Gemeinwohl verpflichtete Nutzung des geistigen Eigentumsrechts ermöglichen. Er ist deshalb ein guter und nach vorne weisender Kompromiss. Angesichts der Vielzahl der Stimmen und des wirtschaftlichen Schwergewichts, mit dem sich diese Stimmen im Gesetzgebungsverfahren Gehör verschafft und sich für den Schutz des Eigentums stark gemacht haben, sind wir froh, dass wir den Aspekt des Gemeinwohls berücksichtigen konnten.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Lassen Sie mich zwei Punkte, die uns in den vergangenen Wochen besonders beschäftigt haben, hervorheben. Der erste Punkt betrifft § 52 a, die Schrankenbestimmung für Unterricht und Forschung. Niemand kann ernsthaft bestreiten, dass Bildung und Forschung gemeinwohlorientiert sind oder zumindest sein sollten. Niemand bestreitet, dass modernste Formen des Sich-Bildens und des Forschens nur unter Nutzung der Kommunikationsmöglichkeiten der digitalen Welt eine Zukunft im internationalen und europäischen Wettbewerb haben.

   Mit § 52 a haben wir eine Schranke zugunsten von Unterricht und Forschung geschaffen, die für die Urheber bzw. Rechteinhaber bedeutet, dass sie in einem eng begrenzten Rahmen in der Ausübung ihrer Rechte zurückstehen müssen. Sie dürfen nämlich nicht verbieten, dass Teile ihrer Werke einem begrenzten Kreis von Personen in Intranets - nicht im Internet! - öffentlich zugänglich gemacht werden. Das bedeutet aber nicht, dass sie auch bei der Frage der Vergütung zurückstehen müssen; denn die Schranke befreit die Nutzer nicht von der Vergütungspflicht.

   Dies ist mitnichten ein „Schlachtfest“, wie die „Süddeutsche Zeitung“ vorgestern die Katastrophenszenarien der Kritiker des § 52 a zusammengefasst hat. Die Verleger von wissenschaftlichen Fachbüchern und Zeitschriften werden nicht enteignet. Die Autoren in diesen Verlagen werden nicht ausgeraubt. Die Verlagslandschaft in Deutschland wird nicht zu einer Wüste. Ich will den Urhebern und Verwertern von dieser Stelle aus sagen: Die Vorschrift des § 52 a ist im Vergleich zum ursprünglichen Entwurf bedeutend zu ihren Gunsten eingeschränkt worden. - Der Kreis derer, die von dieser Vorschrift profitieren können sollen, ist von vorneherein sehr klein. Wir reden von Schulklassen und kleinen Forscherteams, die sich in Intranets austauschen. Darüber hinaus ist aber auch das Ausmaß, in dem Werke öffentlich zugänglich gemacht werden dürfen, auf Teile von Werken, auf Werke geringen Umfangs und auf einzelne Beiträge aus Zeitschriften beschränkt.

Auf die Sonderregelungen für die Schulbücher und den Film ist die Bundesjustizministerin schon eingegangen.

   Wir Grüne hätten uns im § 52 a eine weiter gehende Schranke zugunsten von Wissenschaft und Forschung gewünscht.

(Rainer Funke (FDP): Das glaube ich!)

Deswegen ist dieser Kompromiss für uns das Mindeste, was wir akzeptieren konnten. Wir gehen davon aus, dass bei der schon angesprochenen Evaluation die Entwicklung in beide Richtungen untersucht werden wird.

   Der zweite Punkt betrifft die Privatkopie. Die Privatkopie - also nicht die Raubkopie - ist im täglichen Leben seit Jahrzehnten anerkannt und wird auch von der Rechtsprechung gestützt. Wir begrüßen es, dass im Gesetzentwurf ausdrücklich klargestellt wird, dass es die Möglichkeit der Privatkopie weiterhin geben soll, von und auf jedem beliebigen Träger. Wir setzen uns dafür ein, dass Privatkopien auch im digitalen Zeitalter, auch im täglichen Leben und von allen Werknutzern, hergestellt werden können. Dies wird sicherlich eine Aufgabe für den zweiten Korb werden.

   Ich hoffe, dass die Gespräche zur zweiten Urheberrechtsnovelle mit dem gleichen guten Geist, mit dem wir in den letzten Wochen zusammengearbeitet haben, geführt werden und dass die Interessen der Werknutzer eine noch größere Berücksichtigung finden werden; denn - damit will ich gerne schließen - bei aller Achtung der Interessen der Urheber und der Verwerter geht es am Schluss doch darum, den Bürgerinnen und Bürgern Wissen und Genuss in einer Form zur Verfügung zu stellen, die ihre Rechte als Konsumenten und als Subjekte im Zeitalter der digitalen Kommunikation achtet.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP-Fraktion, das Wort.

(Jörg Tauss (SPD): Er ist jetzt auch einsichtig geworden!)

Rainer Funke (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Lassen Sie mich mit einer ganz einfachen, aber richtigen Feststellung beginnen: Urheberrechte sind Eigentumsrechte. Deshalb ist es seit jeher die Politik der FDP, dass das Urheberrecht unter Berücksichtigung dieser Prämisse besonders zu schützen ist und dass im Zentrum aller urheberrechtlichen und politischen Überlegungen stets die Belange der Rechteinhaber stehen müssen. Diesem Ansatz ist auch die umzusetzende Informationsgesellschafts-Richtlinie verpflichtet, deren Umsetzung das Gesetz dient, welches wir heute hier abschließend beraten.

   Es geht dabei nicht lediglich um eine weitere Novelle des Urheberrechts. Wir stellen heute entscheidende Weichen für den Rechtsschutz kreativer Leistungen in der digitalen Welt. Die Umsetzung der Informationsgesellschafts-Richtlinie bietet die Chance, das deutsche Urheberrecht um diejenigen zukunftsweisenden Regelungen zu ergänzen, welche die Schöpfer und die Verwerter urheberrechtlich geschützter Leistungen im digitalen Zeitalter dringend benötigen. Diese Chance wird heute vertan, wenn der Bundestag den von der Bundesregierung vorgelegten Gesetzentwurf verabschiedet; denn dieser Gesetzentwurf wird dem Bedürfnis der Kreativen und der Verwerter nach einem verlässlichen Rechtsschutz in der Informationsgesellschaft nicht gerecht.

(Beifall bei der FDP)

   Zu den zentralen Schwachstellen des Entwurfs gehört der § 52 a, mit dem auf unverhältnismäßige Weise in die Verwertungsrechte der Verlage

(Lachen des Abg. Jörg Tauss (SPD))

und, Herr Tauss, Autoren eingegriffen wird; das ist im Übrigen mehrfach auch von der CDU/CSU erwähnt worden.

(Jörg Tauss (SPD): Unverhältnismäßig? Also! - Volker Kauder (CDU/CSU): Bei Herrn Tauss ist jede Mühe umsonst!)

Die FDP teilt die Befürchtung der Rechteinhaber - Herr Tauss, Sie lesen sicherlich auch die vielen Zuschriften -, dass § 52 a eine existenzbedrohende Beeinträchtigung der Auswertung urheberrechtlich geschützter Werke in den neuen Medien zulasten vor allem kleiner und mittlerer Verlage zur Folge haben wird.

Die FDP hat daher gefordert, dass § 52 a ersatzlos gestrichen wird. Bereits das geltende Recht trägt den Interessen von Wissenschaft und Lehre hinreichend Rechnung. Den Rechteinhabern ist auch mit der von der Bundesregierung jetzt angestrebten Befristung des § 52 a nicht gedient. Mit dieser Befristung wird das schlechte Gewissen der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung deutlich,

(Beifall bei der FDP)

die selber Zweifel an der Richtigkeit dieser Bestimmung haben.

   In der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten ausdrücklich aufgefordert, bei der Umsetzung der Richtlinie den Unterschieden zwischen digitaler und analoger privater Vervielfältigung gebührend Rechnung zu tragen. Den Rechteinhabern muss in der digitalen Welt die Herrschaft über ihre Werke zurückgegeben werden. Dieses Gebot missachtet die Bundesregierung nicht nur in Bezug auf den schädlichen § 52 a. Auch die Regelungen des Rechts der Privatkopie, Herr Kollege Montag, bleiben ungenügend. Die FDP fordert, dass die Verwendung einer legalen Quelle Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit von privaten Vervielfältigungen urheberrechtlich geschützter Werke ist.

(Jörg Tauss (SPD): Reine Symbolik!)

Diese Einschränkung wäre ein entscheidender Baustein - keine Symbolik - zur Verbesserung des Urheberrechtsschutzes und würde ein wichtiges rechtspolitisches Signal bei der Bekämpfung von Missbrauch und Piraterie setzen.

   Was heute im digitalen Bereich unter dem Rubrum Privatkopie stattfindet, ist in Wahrheit eine existenzielle Bedrohung der Medienwirtschaft. Nicht nur in der Musikwirtschaft führt die massenhafte Verbreitung illegaler Vervielfältigungsstücke zu einer massiven Beeinträchtigung des kreativen Potenzials und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Herr Kollege Krings hat das eingangs sehr genau beschrieben. Trotzdem will er diesem Gesetzentwurf zustimmen, der eine Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen in der Medienwirtschaft nach sich ziehen würde.

(Jörg Tauss (SPD): Jetzt hören Sie mal auf! Lächerlich, albern!)

   Wir Freien Demokraten haben uns beim Urheberrecht immer um eine breite parlamentarische Übereinstimmung bemüht. Wir hätten das auch diesmal gerne getan. Aber hier wird in so starkem Maße in die Eigentumsrechte eingegriffen, dass wir diesmal nicht zustimmen können, obwohl wir uns bei den Mitarbeitern des Bundesjustizministeriums für die konstruktive Zusammenarbeit ausdrücklich bedanken möchten.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Dirk Manzewski, SPD-Fraktion, das Wort.

Dirk Manzewski (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir debattieren heute abschließend über den Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Urheberrecht. Hiermit ist das Ziel verfolgt worden, das deutsche Urheberrecht der Entwicklung im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie anzupassen. Insbesondere für die Inhaber von Urheber- und Leistungsschutzrechten ist dieses Vorhaben aufgrund der durch Digitalisierung und Vernetzung veränderten technischen Rahmenbedingungen von existenzieller Bedeutung.

   Wie sehr dies notwendig gewesen ist, hat nicht zuletzt dieses Gesetzgebungsverfahren gezeigt. Die Anzahl der betroffenen Medien ist vielfältig und dementsprechend die in diesem Zusammenhang zu lösenden Probleme. Hätten wir uns mit all den insoweit aufgeworfenen Fragen bereits jetzt ausführlich auseinander gesetzt, wären wir in absehbarer Zeit vermutlich zu keinem abschließenden Ergebnis gekommen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wir lassen uns von Ihnen meist nicht überbieten!)

- Kollege Kampeter, es hat etwa 20 Sekunden bis zu Ihrem ersten Zwischenruf gedauert. Ich danke Ihnen, dass ich immerhin 20 Sekunden lang ungestört sprechen konnte.

   Deswegen ist es richtig gewesen, jetzt im Wesentlichen nur die Vorgaben der EU-Richtlinie, die Hintergrund der Diskussion gewesen ist, zumindest in entscheidenden Bereichen umzusetzen. Ich meine, dass dies dem Gesetzentwurf der Bundesregierung auch bei einem gerechten Interessenausgleich zwischen Rechteinhabern und Nutzern durchaus gelungen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Einerseits wird zugunsten der Urheber und Leistungsberechtigten das so genannte Recht der öffentlichen Zugänglichmachung eingeführt. Damit wird verdeutlicht, dass Werke in elektronischen Medien wie dem Internet nur mit Zustimmung der Urheber verwertet werden dürfen.

   Andererseits werden auch die so genannten Schrankenregelungen den Erfordernissen des digitalen Zeitalters angepasst und es wird genau bestimmt, in welchen Fällen es Urheber hinnehmen müssen, dass ihre Werke auch ohne ihre Zustimmung genutzt werden können. Das ist aber nichts Neues. Es ist vielmehr Ausdruck der Sozialverpflichtung, wie wir sie bereits aus dem analogen Bereich kennen. Ich verweise insoweit nur auf § 53 Abs. 3, Kollege Funke, der schon jetzt die Vervielfältigung von kleinen Teilen zum Beispiel eines Druckwerkes für den Schulunterricht oder für Prüfungen zulässt.

   Nun haben Sie sicherlich Recht, dass analoge und digitale Technologien nicht zwingend gleichgesetzt werden können. Digitale Technologien - das muss man eingestehen - ermöglichen es eben zum Beispiel durch Internet oder Intranet, Werke viel leichter, häufiger und umfangreicher zu verbreiten. Die Gefahr eines stärkeren Missbrauchs kann deshalb zu Recht nicht völlig ausgeschlossen werden. Ich persönlich - das habe ich auch schon im Rechtsausschuss ausgeführt - hätte als Rechtspolitiker deshalb keine Probleme damit gehabt, den § 52 a weiter einzuschränken.

   Aber Politik lebt nun einmal von Kompromissen. Insofern kann ich durchaus nachvollziehen, dass insbesondere unsere Bildungspolitiker Bedenken gegen zu starke Barrieren für den Zugang zu Information und Wissen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Denn wer für eine moderne Bildungs- und Forschungspolitik ist - und das sind wir doch eigentlich alle, liebe Kolleginnen und Kollegen -, der kann die neuen digitalen Möglichkeiten hiervon nicht gänzlich ausschließen.

(Beifall des Abg. Joachim Stünker (SPD) und des Abg. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Es wäre auch in sich widersprüchlich, Inhalte, die man für Dritte fotokopieren darf, nicht auch über das Intranet an diese weitergeben zu dürfen.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Das ist der eigentliche Streitgegenstand. Das, was vielfach suggeriert worden ist, nämlich dass der § 52 a Urheberrechtsgesetz die Rechtsinhaber völlig rechtlos stellt, trifft - so ehrlich sollte man sein - doch nicht zu, Kollege Funke.

   Man muss sich einmal den Wortlaut des Paragraphen vergegenwärtigen. So dürfen selbst für den Unterrichts- und Forschungsbereich keine ganzen Werke, sondern nur Teile bzw. kleine Teile eines Werkes, Werke geringen Umfangs oder nur einzelne Beiträge aus Zeitungen ohne ausdrückliche Einwilligung der Rechtsinhaber zugänglich gemacht werden, Werke, die ausschließlich für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmt sind, noch nicht einmal insoweit.

   Filmwerke - auch das ist schon angesprochen worden - dürfen erst nach zwei Jahren frei zugänglich gemacht werden; wobei festzuhalten bleibt, dass auch diese Nutzungen jeweils nur gegen eine Vergütung erfolgen dürfen.

(Jörg Tauss (SPD): So ist es!)

   In einem Punkt - auch das muss ich sagen dürfen - gehen mir die Zugeständnisse an die Rechtsinhaber in § 52 a sogar zu weit.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Na!)

- Ja, eindeutig. Das kann ich leicht erklären, Kollege Kampeter. - Warum gerade im Bereich Bildung und Forschung eine Sonderregelung für die Filmwirtschaft geschaffen worden ist, ist mir - auch wenn ich mich damit möglicherweise mit meinen Kollegen anlege - nicht ganz erklärlich. Der Missbrauch, der im Filmbereich unbestritten erfolgt und zu erheblichen wirtschaftlichen Schäden führt, findet nicht gerade im Unterricht an deutschen Schulen und Hochschulen oder im Rahmen der wissenschaftlichen Forschung statt. In diesem Zusammenhang müssen wir uns doch über andere Bereiche unterhalten.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Von der Praxis haben Sie keine Ahnung, Herr Kollege Manzewski!)

- Ich sehe das ein bisschen anders als Sie, Herr Kollege Kampeter. Ich glaube vielmehr, dass Sie in diesen Bereichen keine Ahnung haben.

(Jörg Tauss (SPD): Das kann man unterstreichen!)

Aber das ist ein anderes Thema.

   Um den letzten Bedenken zu begegnen, hat sich die Bundesregierung dann bereit erklärt, § 52 unter eine Befristung zu stellen. Der Rechtsausschuss hat darüber hinaus einen Entschließungsantrag eingebracht, nach dem auf der Grundlage des Gesetzes kurzfristig auf eigentlich nicht zu erwartende Beeinträchtigungen zum Beispiel der deutschen Verlage reagiert werden könnte. Meiner Auffassung nach kann nicht mehr erwartet werden. Insoweit habe ich kein Verständnis für eine pauschale Ablehnung des Gesetzentwurfs, Herr Kollege Funke. Diese hätte meiner Auffassung nach auch negative Auswirkungen. Es darf nämlich nicht verkannt werden, dass durch § 52 a auch deutlich gemacht wird, was alles nicht erlaubt ist. Das halte ich für wichtig.

(Beifall des Abg. Joachim Stünker (SPD))

   Einig sind wir uns darüber, dass der Gesetzesentwurf nicht alle Probleme des Urheberrechts geklärt hat. Dieser werden wir uns im so genannten zweiten Warenkorb annehmen. Dann wird es um die Angemessenheit der Vergütung gehen. Auch die Frage der Privatkopien wird noch einmal zu erörtern sein, wobei ich mit dem Begriff „legale Quelle“ etwas vorsichtig wäre.

(Jörg Tauss (SPD): Show! - Volker Kauder (CDU/CSU): Wir sind nicht im Film, Herr Kollege!)

Die Anhörung hat auch gezeigt, dass der Begriff erhebliche Probleme birgt, Herr Kollege Kampeter. Das hat die Anhörung deutlich gemacht. Sie können das im Protokoll nachlesen. Zum Beispiel hat ein Herr Kreuzer darauf hingewiesen, dessen Auffassung schließlich nicht irrelevant ist.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Es gab zehn andere, die etwas anderes gesagt haben!)

Wir werden auch noch einmal über die Geräteabgabe und den elektronischen Pressespiegel diskutieren müssen.

   Lassen Sie mich zum Abschluss noch zwei andere Punkte ansprechen. Der Kollege Krings, der vor mir geredet hat, ist ein bisschen bissig gewesen. Deswegen habe ich mich nicht dazu durchringen können, ihm mehr als einmal zu applaudieren. Ich habe Sie im Laufe der Diskussion ganz anders kennen gelernt, Herr Kollege Krings, nämlich sehr ausgeglichen und kompetent.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf von der CDU/CSU: So ist er!)

- So war er eindeutig. - Ich danke ihm deshalb und natürlich auch den Kollegen Funke und Montag für die konstruktive Zusammenarbeit und dem BMJ möchte ich dafür danken, dass wir so frühzeitig wie nur bei wenigen Gesetzen in das Gesetzgebungsverfahren eingebunden worden sind. Ich hoffe, dass das auch bei der Behandlung des zweiten Warenkorbes der Fall sein wird.

   Ich danke Ihnen, liebe Kollegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - (Jörg Tauss (SPD): Herr Krings, wenn Sie sich nicht bessern, werde ich Sie auch noch loben! Das war eine Drohung!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Vera Dominke, CDU/CSU-Fraktion.

Vera Dominke (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja nichts Neues, dass einige in diesem Hause ein etwas ambivalentes Verhältnis zum Eigentumsbegriff haben.

(Lachen bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Sehr vornehm ausgedrückt! - Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt kommen die Klamotten aus den 50er-Jahren!)

Eigentum, Gewinn und Unternehmertum passen nicht in ein sozialistisch dominiertes Weltbild.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin sicher, lieber Herr Kollege Tauss, dass Sie uns das hier gleich noch wortgewaltig demonstrieren werden.

(Jörg Tauss (SPD): Aber in einer anderen Richtung, als Sie denken!)

   Auch ich möchte Ihr Augenmerk, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, noch einmal speziell auf den § 52 a richten, der neu in das Urheberrechtsgesetz eingefügt werden soll. Diese Regelung ist wie kaum eine andere in dieser Diskussion zwischen die Fronten geraten. Es geht hierbei darum, Schulen, Hochschulen und Bildungseinrichtungen überhaupt es zu erleichtern, für den Unterricht zu verwendende Werke zu digitalisieren und online verfügbar zu machen.

   Es liegt auf der Hand, dass hierbei die Interessen von Bildung und Wirtschaft in entgegengesetzte Richtungen gehen. Vor allem Schulbuchverlage und Wissenschaftsverlage sind gegen dieses Vorhaben Sturm gelaufen. Sie fürchten verständlicherweise um den Absatz ihrer Werke, wenn diese eingescannt und im Intranet als Lehrmaterial zur Verfügung gestellt werden. Die Bildungseinrichtungen auf der anderen Seite begrüßen diese Regelung natürlich.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Hört! Hört!)

Für sie wird es erleichtert, die neuen Medien im Unterricht einzusetzen, ohne alle naselang Urheberrechts- und Lizenzverletzungen zu begehen und ohne sich in jedem Einzelfall um die Lizenzierung und deren Preis kümmern zu müssen.

   Natürlich - das sage ich jetzt als Bildungs- und Forschungspolitikerin - ist das aus der Sicht von Bildung und Forschung eine feine Sache: Die zunehmende Mittelknappheit und die nicht mehr ausreichende Finanzierung durch den Staat können dadurch ein wenig aufgefangen werden, dass Lehr- und Lernmittel in größeren Umfang kopiert oder gescannt vervielfältigt und verwendet werden dürfen, ohne dass man sich um eine entsprechende Lizenzierung kümmern müsste.

(Jörg Tauss (SPD): Es gibt natürlich eine Vergütung!)

- Herr Tauss, Sie dürfen gleich. - Es ist auch verständlich dass Schulen, Hochschulen und andere Bildungseinrichtungen darauf aus sind, Kosten zu sparen, wo immer es geht. Sie sind es schließlich, die darunter leiden müssen, dass Bund, Länder und Kommunen wirtschaftlich am Ende sind. Sie werden von den Kürzungen des Bundes im Bildungs- und Forschungsbereich in ihrer Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sind die Leidtragenden, wenn die Kommunen nicht mehr in der Lage sind, den Sachmitteltopf für ihre Schulen hinreichend auszustatten, weil die rot-grüne Bundesgesetzgebung sie ausgeblutet hat.

(Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD)

Aber, meine Damen und Herren, es darf doch nicht sein, dass die Verlage jetzt für die rot-grünen Sünden bezahlen müssen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sehr richtig!)

   § 52 a des Entwurfes zum Urheberrechtsgesetz beinhaltet eine Beschränkung des verfassungsrechtlich garantierten Eigentumsrechts, des Eigentumsrechts an veröffentlichten Werken und Beiträgen aus Zeitungen und Zeitschriften zugunsten der Nutzung im Unterricht von Bildungseinrichtungen.

(Joachim Stünker (SPD): Gucken Sie einmal in Art. 14!)

- Den kenne ich wahrscheinlich besser als Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)

   Wir halten eine solche Beschränkung nicht für erforderlich; denn es gibt auch heute schon ausreichende Möglichkeiten, Werke zu vervielfältigen und gescannt ins Intranet einzustellen, ohne die Eigentumsgarantie für die Verlage zu schmälern. Wenn wir dennoch heute einer Kompromisslösung zustimmen, so tun wir das im Hinblick darauf, dass es allerhöchste Zeit ist - der Herr Kollege Krings hat das vorhin dargestellt -, die Anpassung des deutschen Urheberrechts an die europäischen Rechtsvorgaben über die Bühne zu bringen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr wahr!)

   Der ausgehandelte Kompromiss enthält Komponenten, die die deutliche Handschrift der CDU/CSU-Fraktion tragen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lachen des Abg. Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

So ist die öffentliche Zugänglichmachung ganzer Werke auf kleine Teile und Werke geringen Umfangs begrenzt worden.

(Jörg Tauss (SPD): Wo habt ihr das vorgeschlagen?)

Wir haben durchgesetzt, dass auf die Einwilligung des Berechtigten nicht verzichtet werden darf,

(Jerzy Montag (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Kollegin, das sind fremde Federn!)

wenn ein für den Unterrichtsgebrauch an Schulen bestimmtes Werk öffentlich zugänglich gemacht werden soll. Schließlich haben wir auf eine Verfallsklausel für den § 52 a hingewirkt.

   Diese Verfallsklausel garantiert, dass der begrenzte Zeitraum der Gültigkeit des § 52 a genutzt wird, um zu überprüfen - oder neudeutsch: zu evaluieren -, wie sich die Regelung auf die betroffenen Verlage auswirkt, und um gegebenenfalls kurzfristig Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wenn sich eine Gefährdung abzeichnet.

   Henry Kissinger hat einmal gesagt:

(Jörg Tauss (SPD): Oh!)
Ein Kompromiss ist nur dann gerecht,

- Herr Tauss, hören Sie genau zu -

brauchbar und dauerhaft, wenn beide Partner damit gleich unzufrieden sind.

   Ludwig Erhard hat das positiv formuliert:

Ein Kompromiss, das ist die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen.

   Hoffen wir, dass sich der Kompromiss zum Urheberrecht als für die Praxis erträglich erweist, sei es im Sinne Erhards oder im Sinne Kissingers.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Jörg Tauss, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Muss das wirklich sein?)

Jörg Tauss (SPD):

Es muss sein, weil ich heute ausnahmsweise im Gegensatz zur FDP in einem Punkt freundlich zu Ihnen sein werde. Freuen Sie sich auf dieses Erlebnis!

   Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Ministerin Zypries hat völlig Recht: Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf machen wir einen weiteren Schritt in Richtung eines modernen Urheberrechts für das digitale Zeitalter. Ich begrüße den Kompromiss aus Sicht der Arbeitsgruppen „Kultur und Medien“ und „Bildung und Forschung“. Ich begrüße den Kompromiss, der für die Bereiche Film sowie Bildung und Forschung gefunden worden ist, auch wenn ich hier ganz ehrlich sagen muss: Ich hätte mir bezogen auf den § 52 a ein größeres Kuchenstück gewünscht.

   Wir sind auf die Verlage zugegangen und haben ihre Interessen im Wesentlichen in die Debatte eingebracht. Wenn wir, lieber Kollege Krings, Ihrem Vorschlag gefolgt wären, die EU-Richtlinie eins zu eins umzusetzen, wie sie sich aus dem Text ergibt, wäre genau das eingetreten, was jetzt wortreich begründet worden ist und zu Ihrer Zustimmung zum Kompromiss geführt hat: Es wäre erheblicher Schaden für die Bildungs- und Wissenschaftslandschaft, den wir ja gerade abwenden wollen, eingetreten. Aus diesem Grunde brauchen wir § 52 a, nur deshalb haben wir uns über einen Kompromiss unterhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Dabei geht es überhaupt nicht ums Sparen; das ist überhaupt nicht die Frage. Wenn es um Einsparungen ginge, hätten wir den Gemeinden heute Morgen nicht 6 Milliarden Euro weggenommen. Wir haben Ihr destruktives Verhalten im Vermittlungsausschuss zur Kenntnis genommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Steuererhöhungen haben nichts mit Sparen zu tun! Das werden Sie nie begreifen!)

6 Milliarden Euro werden den Schulen und Kommunen aufgrund Ihrer Klientelpolitik, die Sie aus fadenscheinigen Gründen durchsetzen wollen, fehlen, um ihre Zukunft zu gestalten. Ums Sparen geht es hier weiß Gott nicht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es geht darum, die modernen Kommunikationsmittel auch im Unterricht nutzen und die Möglichkeiten der neuen Kommunikationsformen in den Schulen entfalten zu können. Das ist der Punkt, um den es geht. Aus diesem Grunde haben wir mit Ihnen um diesen Kompromiss gerungen.

   Wir haben gerade in unserer Arbeitsgruppe „Kultur und Medien“ die notwendigen Auseinandersetzungen stellvertretend geführt. Ich bin allen Seiten dankbar, dass sie bereit waren, an den Kompromissen mitzuwirken. Ich habe Ihnen vorhin angekündigt, Herr Kollege Krings, dass ich Ihnen nicht allzu sehr schaden will, indem ausgerechnet ich Sie lobe, aber immerhin habe ich konstatiert, dass Sie sich bemüht haben, konstruktiv an diesem Kompromiss mitzuwirken. Aus diesem Grund auch der Dank an dieser Stelle. Ich hoffe, für den zweiten Korb ist dieses ein gutes Zeichen.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Mal gucken!)

   Ich halte die gefundene Lösung nicht nur für tragbar, sondern für den Bildungs- und Forschungsstandort und für die Rechtssicherheit an Schulen und Hochschulen für unverzichtbar. Sie haben die Stimmen der Verlage eingebracht, die wir sehr ernst genommen haben.

(Rainer Funke (FDP): Nur nicht berücksichtigt!)

Ich bitte, das Votum der Kultusministerkonferenz, das einstimmig war, zur Kenntnis zu nehmen. Dann hätte ich die Bitte, dass Sie die Stimme der Hochschulrektorenkonferenz und alle Stimmen der wissenschaftlichen Fachvereinigungen zur Kenntnis nehmen. Das waren nämlich die anderen Stimmen, auf die wir selbstverständlich auch hören wollten.

   Sie haben gesagt, wir würden wegen der Befristung dem § 52 a nicht trauen. Nein, Kollege Montag hat völlig Recht. Diese Evaluierung, die wir nicht scheuen, ist nach allen Richtungen offen. Sie wird die Interessen der Verlage berücksichtigen, wir werden aber auch sehr sorgfältig schauen, wie die Auswirkung auf Bildung und Forschung ist. Es ist legitim, dass wir das in beide Richtungen tun.

   Im Hinblick auf den zweiten Korb erlauben Sie mir bitte, einen Blick auf die Desinformationskampagne zu werfen, der leider auch der Kollege Funke zum Opfer gefallen ist. Ich würde Ihnen empfehlen, Herr Kollege Funke, einfach noch einmal den Kommentar von Heribert Prantl in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen. Die „Süddeutsche Zeitung“ hatte in ihren ursprünglichen Berichterstattungen etwas daneben gelegen. Aber jetzt hat Prantl geschrieben und für die „Süddeutsche Zeitung“ wenigstens ein bisschen die Kurve gekriegt. „Ein Blick ins Gesetz - ich zitiere ihn - erleichtert die Rechtsfindung. Und dabei ergibt sich: Die Panik ist unbegründet.“ Lieber Kollege Funke, Sie haben Panik gemacht, indem Sie den Verlust von Tausenden von Arbeitsplätzen an die Wand gemalt haben. Recht hat Prantl: Sie ist unbegründet und es war eine unverantwortliche Kampagne.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Besonders putzig fand ich ein Schreiben in gewählter Form des Wirtschaftsattaches der US-Botschaft, das uns dieser Tage erreicht hat und der uns darum gebeten hat, wir möchten doch bitte den § 52 a nicht verabschieden. Erstens habe ich den Eindruck, dass unsere amerikanischen Freunde im Moment offensichtlich mit Sorgen anderer Art so überfrachtet sind, dass sie nicht richtig gelesen haben.

   Ich muss aber sagen: Mich empört dieser Vorgang durchaus. Wenn ich mir nämlich einen Blick ins amerikanische Recht gestatte, nämlich in den TEACH-Act vom Juni 2001, dann stelle ich fest, dass das amerikanische Recht wesentlich über das hinausgeht, was wir heute hier verabschieden. Also, die Forderung aus den USA, wir möchten bitte den § 52 a zurückziehen, ist meines Erachtens nicht korrekt.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Außenpolitischer Amateur!)

Die Ankündigung einiger Verlage, sie gingen ins Ausland, bevorzugt in die USA, kann ich nur so kommentieren: Viel Vergnügen. Dann sind sie dem amerikanischen Recht unterworfen und hier haben sie das Glück, dem § 52 a unterworfen zu sein, der für die Verlage wesentlich günstiger ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich hoffe, dass diese unsägliche Kampagne, in die deutsche Universitätsprofessoren mit gefälschten E-Mails hineingezogen wurden - -

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Tauss, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Krings?

Jörg Tauss (SPD):

Ich dachte, Sie wollten mich gerade an meine Redezeit erinnern und war ganz erschrocken, Herr Präsident.

Präsident Wolfgang Thierse:

Noch nicht.

Jörg Tauss (SPD):

Selbstverständlich gestatte ich eine Zwischenfrage des Kollegen Krings. Bitte schön, Herr Kollege Krings.

(Zuruf von der SPD: Das ist gefährlich!)

Dr. Günter Krings (CDU/CSU):

Vielen Dank, Herr Kollege Tauss. Zunächst einmal können Sie sich bei mir bedanken, dass ich Ihnen dadurch noch ein paar Sekunden zusätzliche Redezeit verschaffe.

   Sie haben eben das interessante Thema der amerikanischen Rechtslage angesprochen. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass der von Ihnen zitierte TEACH-Act zwar in einigen wenigen Punkten etwas über den § 52 a des neuen deutschen Urheberrechts hinausgeht, in vielen anderen Punkten aber sehr viel enger gefasst ist und vor dem Hintergrund einer anderen Rechtslage entstanden ist, die viele Schranken wie das Zitatrecht, die wir im deutschen Recht haben, gerade nicht kennt?

   Danke schön.

Jörg Tauss (SPD):

Herr Kollege Krings, Sie haben Recht. Ich wollte - weiß Gott nicht - das amerikanische Recht nicht eins zu eins als Vorbild für uns darstellen.

(Rainer Funke (FDP): Hat er nicht gelesen!)

Ich habe im Zusammenhang mit dem § 52 a, der der entscheidende Gegenstand der Debatte war, über das amerikanische Recht gesprochen. Ich kann Ihnen nur sagen, dass an dieser Stelle das amerikanische Recht - ich rede jetzt nicht von Musik, vom Film oder von anderen Bereichen - in der Tat wesentlich weiter geht als das, was wir im § 52 a verabschiedet haben. Das ist klar. In anderen Punkten konzediere ich, dass dort die Lobby etwas erfolgreicher war als in anderen Bereichen. Da haben Sie völlig Recht.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Haben Sie überhaupt das Gesetz aus Amerika verstanden, Herr Tauss?)

   Ich komme zum Schluss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

- Das macht mir Freude: Erst provozieren Sie Zwischenfragen und dann klatschen Sie, wenn ich zum Schluss kommen möchte.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, es ist interessant, festzustellen, dass keine Ihrer Bildungspolitikerinnen mehr anwesend ist. Frau Pieper, Ihre bildungspolitische Sprecherin, ist gegangen, als Herr Funke begonnen hat zu reden. Das ist bezeichnend für Ihre Spaltung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Sie behaupten außerdem, dass Sie die Partei des Eigentums seien. Das sind wir auch. Aber wir sind zugleich die Partei, die das Eigentum verpflichtet. Beides gehört zusammen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Sie haben mit Ihren Lippenbekenntnissen zur Bildungs- und Forschungspolitik im vergangenen Wahlkampf und Ihrer heute bekundeten Absicht, gegen den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts zu stimmen - noch können Sie sich korrigieren -, endgültig bewiesen, dass Sie mit Bildung, Wissenschaft, Forschung und technologischer Leistungsfähigkeit in diesem Land - wahrscheinlich hockt deswegen der Kollege Gerhardt so peinlich berührt in der letzten Reihe -

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nichts am Hut haben. Das müssen Sie sich heute noch einmal vorwerfen lassen.

   Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche schöne Ostern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zu den WIPO-Verträgen vom 20. Dezember 1996 über Urheberrecht sowie über Darbietungen und Tonträger, Drucksache 15/15. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/837, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen.

   Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Regelung des Urheberrechts in der Informationsgesellschaft, Drucksache 15/38. Der Rechtsausschuss empfiehlt unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/837, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit mit der gleichen Mehrheit wie zuvor gegen die Stimme des Kollegen Nooke angenommen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 41. Sitzung - wird am,
Montag, den 14. April 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15041
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