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15. Wahlperiode
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   44. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 9. Mai 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich rufe Zusatzpunkt 14 auf:

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern (Zuwanderungsgesetz)

- Drucksachen 15/420, 15/522 -

(Erste Beratung 31. Sitzung)

- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Max Stadler, Rainer Funke, Sibylle Laurischk, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung und zur Regelung des Aufenthalts und der Integration von Unionsbürgern und Ausländern
(Zuwanderungssteuerungs- und Integrationsgesetz)

- Drucksache 15/538 -

(Erste Beratung 31. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses (4. Ausschuss)

- Drucksache 15/955 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Rüdiger Veit
Dr. Michael Bürsch
Hartmut Koschyk
Erwin Marschewski (Recklinghausen)
Josef Philip Winkler
Dr. Max Stadler

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
gemäß § 96 der Geschäftsordnung

- Drucksachen 15/957, 15/960 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Susanne Jaffke
Klaus Hagemann
Anja Hajduk
Otto Fricke

   Zum Gesetzentwurf der Bundesregierung liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache anderthalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat der Kollege Dr. Michael Bürsch von der SPD-Fraktion das Wort.

Dr. Michael Bürsch (SPD):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Alle reden in diesen Tagen vor allem von der Agenda 2010 und der Notwendigkeit sozialer Reformen. Dabei gerät eine Reform aus dem Blick, die für das soziale Gefüge in der Bundesrepublik und für unsere Entwicklung in den kommenden Jahrzehnten mindestens so wichtig ist: die Reform des Zuwanderungsrechts, über die heute im Bundestag abschließend entschieden werden soll.

   Der Frage, der wir uns heute wie vor drei Jahren widmen sollten - das möchte ich Ihnen heute vortragen -, lautet: Warum brauchen wir ein Zuwanderungsrecht und was sind die Gründe dafür, dass wir das Zuwanderungsrecht modernisieren wollen?

   Ich nenne Ihnen drei Gründe, die schon vor drei Jahren gegolten haben und heute genauso richtig sind wie zu Beginn unserer Arbeit an diesem Gesetzeswerk:

   Erstens. Das geltende deutsche Ausländer- und Zuwanderungsrecht ist zersplittert, unübersichtlich und zum Teil sehr bürokratisch. Diese Erkenntnis ist nicht neu und wird vermutlich von allen Fraktionen dieses Hauses geteilt. Auch die Opposition wird deshalb leicht zustimmen können. Das Zuwanderungsrecht muss geordnet und gestrafft werden. Im besten Falle wird es so formuliert, dass auch der normale Mensch versteht, was mit dem Gesetzeswerk gemeint ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zweitens - dieser Punkt ist schwieriger -: Deutschland ist ein Einwanderungsland. Das mag politisch nicht jedem gefallen; aber es lässt sich statistisch sehr leicht belegen. Fest steht zum Beispiel: In den letzten 40 Jahren sind 32 Millionen Menschen nach Deutschland gekommen und 24 Millionen Menschen haben unser Land in dieser Zeit wieder verlassen. Das heißt, Einwanderung findet millionenfach statt und hat millionenfach stattgefunden.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Wir sind ein Durchgangsland!)

Das allein kann kein Grund für Hysterie, Angstmacherei oder gar Horrorvisionen sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   In dieser Migrationsbewegung liegt sicherlich eine große Herausforderung. Wenn man sie aber richtig betrachtet und anschließend eine gute Regelung findet, liegt darin auch eine Chance. Wenn Deutschland also klar belegbar ein Einwanderungsland ist, dann tun wir gut daran, mit dieser Tatsache offen und offensiv umzugehen und die tatsächlich ständig stattfindende Zuwanderung zu steuern und mit den Möglichkeiten der Steuerung sachgerecht zu begrenzen.

   Die Behauptung, der vorgelegte Entwurf der Regierungskoalition führe zu massiver Ausweitung der Zuwanderung, ist falsch und wird durch die hundertfache Wiederholung auch nicht richtig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Auslegungsregel des § 1 stellt klar und unmissverständlich fest:

Das Gesetz dient der Steuerung und Begrenzung des Zuzugs von Ausländern in die Bundesrepublik Deutschland.
(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das findet sich aber sonst nicht im Gesetz! Das ist das Problem! Wo begrenzen Sie denn im Gesetz?)

- Das werden Ihnen meine Nachredner, insbesondere der sehr kundige Innenminister dieses Landes, im Einzelnen nachweisen, Herr Grindel.

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Das hat er aber bis jetzt nicht getan! - Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Das ist gut! Mach Schluss, lass Otto reden! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Der ist für die harte Linie zuständig!)

   Dass auch die SPD die Grenzen der Belastbarkeit der deutschen Gesellschaft kennt und respektiert, hat sie nicht zuletzt mit dem Asylkompromiss von 1993 bewiesen. Die Wirkungen dieser Regelung sind unübersehbar. Die Zahl der Asylbewerber ist seit 1993 kontinuierlich zurückgegangen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit dem alten Asylrecht!)

2002 betrug die Zahl noch rund 70 000. Die Entwicklung in diesem Jahr belegt, dass es wahrscheinlich einen weiteren Rückgang um 15 Prozent gibt. Niemand ist daran interessiert, die Asylbewerberzahlen wieder steigen zu lassen. Das wird auch durch dieses Gesetz geregelt.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dann wollen wir mal gucken!)

   Drittens. Für das 21. Jahrhundert brauchen wir ein modernes Zuwanderungsrecht, das der heutigen gesellschaftlichen Entwicklung, der Globalisierung, dem Wegfall von Grenzen und der immer höheren Mobilität von Menschen Rechnung trägt. Dazu hat eine in Deutschland, wie ich meine, allseits anerkannte, objektive Institution schon vor sechs Jahren das Passende gesagt:

Die in Deutschland geltenden legislativen und administrativen Regeln über Einreise und Aufenthalt von Zuwanderern werden den Anforderungen ... nicht mehr gerecht. Die gewandelte Stellung Deutschlands in der Staatenwelt zum Ausgang dieses Jahrhunderts verlangt ... eine Neubestimmung der Einstellung gegenüber Angehörigen anderer Staaten. Zur Sicherung der notwendigen Bedingungen für den Wirtschaftsstandort Deutschland gehört es ..., Konsequenzen aus seiner Rolle als Mittelpunkt des Lebens und Arbeitens vieler Nichtdeutscher zu ziehen.

Das Zitat stammt aus dem Gemeinsamen Wort der Kirchen zu den Herausforderungen durch Migration und Flucht. Das ist, glaube ich, für uns alle eine objektive Quelle der Erkenntnis.

   Was wir nicht brauchen, ist ein defensives Ausländerrecht, das die gesetzlichen Regelungen als Abwehrbollwerk gegen Zuwanderung versteht und missbraucht. Internationale Erfahrungen zeigen, dass dieser defensive Ansatz auch nicht die erhoffte Wirkung zeigt. Staaten, die Gesetze über Zuwanderung als Instrumentarium der Abwehr anlegen, haben mit solcher Strategie in aller Regel keinen Erfolg. Die Migration nimmt damit nicht ab. Die Vorstellungen der Union, die aus ihren 128 Änderungsanträgen hervorgehen,

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sehr gute Anträge!)

entsprechen genau diesem defensiven Ansatz. Das ist nicht der Weg für ein modernes Zuwanderungsrecht. Er wird uns nicht in eine geregelte, gesteuerte und begrenzte Zuwanderung führen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Was wir vielmehr brauchen, ist ein offensives Gesetzeskonzept zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung, ein Gesamtkonzept, das alle Fragen der Zuwanderung gesamtheitlich regelt, also die Fragen des humanitären Zuzugs, die Fragen der Arbeitsmigration und die Fragen der Integration. Genau diese Anforderungen erfüllt der vorliegende Gesetzentwurf der Regierungskoalition. Er verdient deshalb Zustimmung.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Das sagen aber nicht alle!)

   In den Eckpunkten ist der FDP-Entwurf ebenfalls zustimmungsfähig. Er enthält jedenfalls auch den modernen, offensiven Ansatz, mit Zuwanderung umzugehen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich würde mir wünschen, dass die anstehende Entscheidung über das Zuwanderungsrecht frei von Vorurteilen und frei von Emotionen getroffen wird. Vielmehr sollten Vernunft und womöglich auch Objektivität die Richtschnur für den Beschluss bilden. Mit Immanuel Kant könnte man auch an manchen Oppositionspolitiker gerichtet sagen:

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Der ist aber nicht zugewandert! Der wohnte immer in Königsberg!)

„Habe den Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Wolfgang Bosbach von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Koalition wird heute mit ihrer Mehrheit hier im Deutschen Bundestag das rot-grüne Zuwanderungsgesetz verabschieden, verbunden mit der sicheren Gewissheit, dass dieses Gesetz niemals in Kraft treten wird. Und das ist auch gut so.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Für dieses Gesetz zur Ausweitung der Zuwanderung nach Deutschland haben Sie nur im Bundestag eine Mehrheit. Es ist zustimmungspflichtig. Sie haben keine Mehrheit im Bundesrat. Selbst wenn Herr Wowereit Präsident des Bundesrates auf Lebenszeit wäre

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

und alle Abstimmungen leiten würde, bekämen Sie dafür keine Mehrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Umsetzung dieses Gesetzentwurfes würde in der Praxis zu einer erheblichen Ausweitung der ohnehin hohen Zuwanderung nach Deutschland führen.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Das ist falsch! Das wissen Sie! - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Recht hat er!)

Das würde die Integrationskraft unseres Landes weit übersteigen.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Sehr wahr!)

Wir könnten so die Probleme auf dem Arbeitsmarkt nicht lösen; im Gegenteil: wir würden sie weiter verschärfen. Wir würden die unübersehbaren Integrationsprobleme, die es in weiten Teilen unseres Landes gibt, nicht lösen, sondern weiter verschärfen.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die wir von Ihnen übernommen haben!)

Wir würden - darum geht es Ihnen im Kern - unser Land zu einem klassischen Einwanderungsland machen.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Wir sind es! - Sebastian Edathy (SPD): Sie sollten die Realität zur Kenntnis nehmen, Herr Kollege!)

- Herr Bürsch, es gab und es gibt Zuwanderung nach Deutschland und es wird sie auch in Zukunft geben. Das ist keine Frage. Es muss uns aber darum gehen, ob mehr Zuwanderung und die Werbung um Zuwanderung den Interessen unseres Landes dienen. Wir sind kein klassisches Einwanderungsland und können es aufgrund unserer historischen, geographischen und gesellschaftlichen Gegebenheiten auch nicht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Für uns ist nicht mehr Zuwanderung, sondern eine bessere Integration das Gebot der Stunde. Beim Thema Zuwanderung geht die Koalition viel zu weit, beim Thema Integration bleibt sie zu weit hinter dem zurück, was richtigerweise schnell getan werden müsste.

   Nun bestreiten Sie, dass dieser Gesetzentwurf zu einer Ausweitung bei der Zuwanderung führen würde. Sie haben aber keine einzige Gruppe von Ausländern genannt, die nach geltendem Recht kommen, nach zukünftigem Recht aber nicht mehr kommen kann. Das können Sie auch nicht, Herr Bürsch, weil es eine solche Restriktion in Ihrem Gesetzentwurf gar nicht gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): Lesen! Die Zahl der Asylbewerber spricht doch für sich!)

Jeder Ausländer, der nach geltendem Recht in die Bundesrepublik Deutschland kommen kann, kann es auch nach dem künftigen. Es gibt keinerlei Beschränkungen.

   Es gibt aber zahlreiche Bestimmungen in dem Gesetzentwurf, die zwangsläufig zu einer Ausweitung der Zuwanderung nach Deutschland führen würden.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Kinder zu ihren Eltern!)

   Erstes Beispiel. Der Anwerbestopp von 1973 soll generell und nicht etwa nur für besonders hoch qualifizierte Fachkräfte aufgehoben werden. Zweites Beispiel. Hinsichtlich der Ermessensentscheidungen, bei denen die Behörde entscheiden kann, ob sie eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt oder nicht, heißt es im Gesetz wörtlich - Sie reden immer nur über das Gesetz, aber argumentieren nicht mit dessen Inhalt -:

Zu den öffentlichen Interessen gehören im Gegensatz zum geltenden Ausländergesetz nicht länger eine übergeordnete ausländerpolitische einseitige Grundentscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der Anwerbestopp.

Da sagen Sie, die Aufhebung des Zuwanderungstopps führe zu einer Reduktion der Zuwanderung? Das glaubt Ihnen doch kein Mensch.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Sie haben nichts begriffen!)

   Der Familiennachzug nach Deutschland, der ohnehin schon einen großen Umfang aufweist, wird nicht reduziert, sondern ausgeweitet. Es gelten neue Schutzmechanismen bei der Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen. Die Zuwanderung im Rahmen des so genannten Auswahlverfahrens nach § 20 aus rein demographischen Gründen zur Erhöhung der Bevölkerungszahl soll ohne Nachweis eines Arbeitsplatzes möglich sein. Und da sagen Sie, das führe zu einer Begrenzung der Zuwanderung?

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Sehr wahr! Das ist falsch!)

Nein, es wird zu einer Ausweitung führen. Deswegen bekommen Sie unsere Zustimmung zu diesem Gesetzentwurf nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Schily wird in seinem Beitrag nachher bestimmt das Gegenteil behaupten.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Weil er das Gesetz kennt!)

Deshalb möchte ich von einer Veranstaltung beim Evangelischen Stadtkirchenverband in Köln am 28. April berichten. An dieser Veranstaltung habe nicht nur ich teilgenommen, sondern auch der verehrte Kollege Winkler. Von den Grünen. Ich zitiere ihn wörtlich:

Mit diesem Gesetz soll die überholte Begrenzungslogik im Ausländerrecht endlich überwunden werden.
(Zuruf von der CDU/CSU: Josef, das war ehrlich! - Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Das steht im Gesetzentwurf! - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Herr Winkler ist wenigstens ehrlich!)

Wer hat Recht, Herr Schily oder Herr Winkler? Jedenfalls können nicht beide gleichzeitig Recht haben. Wissen Sie, wer Recht hat? - Herr Winkler hat Recht, weil er das Gesetz offensichtlich nicht nur gelesen hat, sondern auch verstanden hat.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Nur, wer ist Herr Winkller?)

   In der gleichen hoch interessanten Veranstaltung hat die Kollegin Dr. Lale Akgün zum Thema Zuwanderung im Auswahlverfahren gesagt:

Die Zuwanderung im demographischen Verfahren ist das Herzstück des Gesetzentwurfes.

   Herr Schily sagt, diese Vorschrift könnten wir in den nächsten acht bis zehn Jahren vergessen, wir wollten keine Zuwanderung aus demographischen Gründen, jedenfalls zurzeit nicht. Hierzu folgende Bemerkung: Es ist ein fundamentaler Unterschied, ob man sagt, das sei das Herzstück des Gesetzes, oder ob man sagt, man wolle diese Vorschrift nicht anwenden. Ihre Aussage, Herr Schily, wir sollten aus demographischen Gründen zu einer neuen Zuwanderung im Auswahlverfahren kommen, Sie wollten diese Vorschrift aber acht oder zehn Jahre lang nicht anwenden - das glauben wir Ihnen nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Natürlich haben wir eine demographische Entwicklung mit Besorgnis erregenden Folgen. Wer will das bestreiten? Unserer Überzeugung nach haben wir allerdings nicht die viel zitierte Überalterung der Gesellschaft, sondern eher eine Unterjüngung.

(Lachen bei der SPD)

Wir haben nicht zu viele ältere Mitbürger, in Deutschland werden zu wenige Kinder geboren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Deswegen ist die demographische Entwicklung ein Appell für eine bessere Familienpolitik, sodass Deutschland ein kinderfreundliches Land wird, und kein Appell für mehr Zuwanderung nach Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): Dieser Spruch wird in die Geschichte eingehen: Bosbach beklagt die Unterjüngung der Gesellschaft!)

   Herr Kollege Bürsch, Sie haben gerade die Agenda 2010 angesprochen. Ein Blick ins Internet verschlägt einem glatt die Sprache, wenn man sich einmal anschaut, was die Bundesregierung der Bevölkerung bezüglich der Agenda 2010 dort glauben machen will. Zur Agenda 2010 heißt es in der offiziellen Verlautbarung der Bundesregierung: Es gibt in Deutschland 1,5 Millionen offene Stellen, die nicht besetzt werden können.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Das sagt die Wirtschaft!)

Das beeinträchtige die wirtschaftliche Situation unseres Landes, weswegen wir dieses Zuwanderungsgesetz bräuchten.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Das sind Zahlen aus der Wirtschaft, Herr Kollege!)

   Die Bundesanstalt für Arbeit weiß von diesen offenen Stellen allerdings nichts.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Aber die deutsche Wirtschaft!)

Sie sollten dort die Adressen, unter denen sich diese offenen Stellen befinden, angeben. Die Bundesanstalt für Arbeit sagt, dass sich 5,3 Millionen Arbeitsuchende darum bemühen, 419 000 freie Stellen zu besetzen. Das sind taufrische Zahlen; die Druckerschwärze ist noch nicht trocken.

   In welchem Land leben Sie eigentlich? Die Situation auf dem deutschen Arbeitsmarkt ist so dramatisch wie niemals zuvor in der Nachkriegsgeschichte. Im April dieses Jahres hatten wir über 400 000 Arbeitslose mehr als im April des vergangenen Jahres. Jeden Tag - einschließlich Samstag und Sonntag - machen 120 Betriebe in Deutschland Pleite. Jeden Tag gehen Hunderte von Arbeitsplätzen verloren. Der Anteil der Ausländer an den Arbeitslosen ist doppelt so hoch wie ihr Anteil an der Bevölkerung. Der Anteil der Ausländer an den Sozialhilfeempfängern ist dreimal so hoch wie ihr Anteil an der Bevölkerung.

(Sebastian Edathy (SPD): Woran liegt das Ihrer Meinung nach? An der fehlenden Qualifikation?)

In Berlin sind über 40 Prozent der Bevölkerung türkischer Herkunft, die sich im arbeitsfähigen Alter befindet, arbeitslos. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie diese Probleme mit mehr Zuwanderung oder mit diesem Gesetzentwurf lösen können? Sie werden die Probleme weiter verschärfen und nicht lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Schily, Sie sagen, wir müssen uns an dem weltweiten Wettbewerb um die klügsten Köpfe beteiligen. Richtig so!

(Sebastian Edathy (SPD): Ja! Das merkt man aber nicht an Ihrer Rede, Herr Kollege!)

Wir würden uns selbst schaden, wenn wir uns nicht darum bemühen würden, weltweit Spitzenkräfte für die Wirtschaft und für Forschung und Lehre zu gewinnen. Sie sagen, dass wir dafür dieses Gesetz brauchen.

(Sebastian Edathy (SPD): Allerdings!)

   Nun zitiere ich jemanden, der jedenfalls für Rot-Grün unzweifelhaft zitierfähig sein dürfte, nämlich den Innenminister höchstpersönlich. Die „Süddeutsche Zeitung“ erwähnte 1999 ihm gegenüber: „Die Wirtschaft sagt auch, dass sie Zuwanderer benötigt.“ Schily erwiderte:

Wenn mir Siemens sagt, wir brauchen so und so viele, bin ich sofort bereit. Da brauchen wir kein Zuwanderungsgesetz, das geht schon mit dem geltenden Ausländergesetz.
(Beifall bei der CDU/CSU - Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Der Innenminister ist gut!)

   Herr Schily, Sie haben ja Recht. Sie können Ihre Meinung aber nicht um 180 Grad drehen, sich im Jahre 2003 hier hinstellen, das Gegenteil behaupten und dann von uns noch verlangen, dass wir diesen Kurswechsel mitmachen.

(Sebastian Edathy (SPD): Er ist ja nicht Frau Süssmuth! - Dr. Jürgen Gehb (CDU/CSU): Das kann die Bundesregierung!)

   Allerdings befinden Sie sich hier in guter Tradition mit Ihrem Bundeskanzler. 1996 hat er zum Thema Ökosteuer nämlich gesagt:

Wo ist denn der Vorteil für einen ganz konkreten Betrieb in Deutschland, wenn ich dem sage: Ich senke dir die Lohnkosten und brumme dir gleichzeitig bei den Energiepreisen ordentlich einen drauf?

   1997 sagte er:

Zwei Mark für den Liter Sprit bringen zwar mehr Geld in die Kasse, aber die ökologische Lenkungswirkung ist gleich Null ... Das kann ich aus sozialen Gründen nicht akzeptieren.

Genau diesen politischen Gesinnungswechsel, diesen Wechsel der politischen Meinung je nach Opportunität machen wir nicht mit. Deswegen können Sie unsere Zustimmung für dieses Gesetz nicht erwarten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie sagen, wir haben 4,5 Millionen registrierte Arbeitslose und können einige Hunderttausend offene Arbeitsstellen nicht besetzen. Das ist für die Betriebe ein Problem. Wir können die Probleme aber nicht mit mehr Zuwanderung lösen. Wir müssen vielmehr dafür sorgen, dass die Anreize erhöht werden, aus den sozialen Sicherungssystemen heraus- und in mehr Beschäftigung hineinzugehen. Es muss wieder der schöne Satz gelten: Derjenige, der den ganzen Monat gearbeitet hat, muss am Monatsende mehr in der Tasche als derjenige haben, der eine staatliche Transferleistung bezieht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Es muss ein Ende damit haben, dass die Betriebe Arbeitnehmern, die älter als 50 oder 55 Jahre sind, erklären, dass sie leider für den deutschen Arbeitsmarkt nicht mehr brauchbar seien.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): So ist es! - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Was ist das für ein Bild von der Arbeitswelt?)

60 Prozent der Unternehmen in Deutschland beschäftigen keine Arbeitnehmer über 50 Jahre. Wenn dadurch Lücken im Arbeitsmarkt entstehen, dann können wir diese nicht durch mehr Zuwanderung nach Deutschland kompensieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Dieser Gesetzentwurf wird in den Bundesrat eingebracht werden. Dort wird es zu einem Vermittlungsverfahren kommen. Wenn es bei dem bleibt, was die Vertreter von Rot-Grün in den letzten Monaten immer wieder gesagt haben - redaktionelle Änderungen: ja, aber keine substanziellen Änderungen an diesem Gesetzentwurf -, wird es die Zustimmung der Union nicht geben. Wir werden keinem Gesetz die Hand reichen, das zu einer Ausweitung der Zuwanderung nach Deutschland führt.

(Sebastian Edathy (SPD): Das haben wir auch nicht vor!)

   Wir wollen nicht mehr Zuwanderung, sondern mehr Integration. Wir sind der festen Überzeugung, dass dies auch dem Willen der überwältigenden Mehrheit der Bevölkerung entspricht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Ganz genau!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Volker Beck von Bündnis 90/Die Grünen.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Geschätzter Kollege Bosbach, auch wir wollen mehr Integration. Wir wollen Zuwanderung steuern und begrenzen. Zuwanderung findet auch unter dem jetzt geltenden Ausländerrecht statt. Aber die Art, wie wir die Zuwanderung steuern, ist einfach nicht effizient. Wir müssen jenseits des humanitären Aspekts dafür sorgen, dass die Menschen zu uns kommen, die wir für unseren Arbeitsmarkt tatsächlich brauchen.

   Hierfür brauchen wir Steuerungsinstrumente, die differenziert gehandhabt und mit denen je nach Bedarf die Tore weiter geöffnet oder geschlossen werden können. Das leistet das Zuwanderungsgesetz. Mit diesem Gesetzentwurf wird durch die Steuerung der Zuwanderung dem nationalen Bedarf an Arbeitskräften Rechnung getragen.

   Der Mythos, wir bräuchten keine Zuwanderung mehr, hilft nicht weiter. Bislang gilt die Ausnahmeverordnung zum Anwerbestopp. Das Ergebnis ist, dass die Zuwanderungsrate in manchen Jahren sehr hoch ist. Es ist besser, zu einem gesellschaftlichen Phänomen Ja zu sagen, als diesen Mythos weiterhin zu verbreiten. Wir müssen den Stier bei den Hörnern packen und ihn in die richtige Richtung lenken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich gestehe Ihnen gerne zu: Dies ist ein Gesetz zur Steuerung und Begrenzung der Zuwanderung. Es ist kein Zuwanderungsverhinderungsgesetz. Dies wollen wir auch nicht. Wir wollen die Zuwanderung, die aus vielfältigen Gründen erfolgt, steuern. Das leisten wir mit diesem Gesetzentwurf angemessen und differenziert.

   Deutschland ist ein Einwanderungsland, in dem Zuwanderung im großen Stil stattfindet. Herr Bürsch hat die Zahlen genannt. Es finden gleichermaßen Zuwanderung und Abwanderung statt. Im Saldo hatten wir in den letzten 40 Jahren 12 Millionen mehr Zuwanderer als Abwanderer. Insgesamt betrug die Zahl der Zuwanderer 32 Millionen. Hätten wir diese nicht gehabt, hätte die Zahl von 20 Millionen Abwanderern zu erheblichen demographischen Verwerfungen geführt. Wir verabschieden uns jetzt von den Mythen des deutschen Ausländerrechts. Das jetzt geltende Ausländerrecht ist als Abwehrinstrument und nicht als Instrument der Steuerung geplant.

   Mit dem Zuwanderungsgesetz erreichen wir eine effiziente und vernünftige Steuerung der Arbeitsmigration. Wir regeln die Aspekte der Integration. In diesem Punkt, Herr Bosbach, können Sie sich von der Union nicht aufblasen. Sie haben in den 16 Jahren Ihrer Regierungszeit die Notwendigkeit einer Regelung der Integration von Ausländerinnen und Ausländern verschlafen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die von Ihnen beklagte hohe Arbeitslosigkeit bei Ausländern ist darauf zurückzuführen, dass Sie sie von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen und die Grundlage für entsprechende Weiterqualifizierungen nicht gelegt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Sie verbreiten hier den Mythos, wir sagten mit dem Zuwanderungsgesetz: „Nun kommt doch alle her nach Deutschland, die Tore sind offen!“ Sie wissen, dass das Unsinn ist.

   Wenn Sie sich einmal die Mühe machen würden, ins Gesetz zu schauen - es ist ja schon lange genug gedruckt -,

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Allerdings!)

dann könnten Sie sehen: Was den § 20, Zuwanderung im Auswahlverfahren, angeht, den Sie zitiert haben, haben Sie einfach Unrecht. Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat müssen sich Jahr für Jahr darauf verständigen, nach welchen Kriterien Zuwanderung im Auswahlverfahren stattfindet und wie hoch die Gesamtquote sein soll. Wenn es hierüber keine Verständigung zwischen den Häusern gibt, dann findet in dem jeweiligen Jahr Zuwanderung nach dem Auswahlverfahren überhaupt nicht statt. Sie wissen - der Innenminister hat das immer wieder betont -, dass die Koalition überhaupt nicht daran denkt, vor dem Jahr 2010 von diesem Instrument Gebrauch zu machen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Warum schreibt man es denn dann in das Gesetz?)

- Es ist doch keine Reform, wenn in einem Gesetz gerade einmal Regelungen für das nächste und das übernächste Jahr enthalten sind.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dann fragen Sie mal Herrn Riester, Frau Schmidt und alle anderen!)

Es bedarf eines Gesetzes aus einem Guss, das die Probleme löst, mit dem man für die verschiedenen gesellschaftlichen, demographischen und wirtschaftlichen Situationen gewappnet ist und die entsprechenden Steuerungsinstrumente in der Hand hat.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Beck, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bosbach?

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Aber selbstverständlich.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Herr Bosbach.

Wolfgang Bosbach (CDU/CSU):

Lieber Herr Kollege Beck, sind Sie wenigstens bereit, mir zuzustimmen, dass das, was Sie gerade über den § 20 gesagt haben - ich habe das Gesetz hier vor mir liegen -, schlicht falsch ist? Jedenfalls steht das so nicht im Gesetz. Die Beteiligung des Bundesrates bezieht sich ausdrücklich und ausschließlich auf den Kriterienkatalog - Alter des Zuwanderungsbewerbers, Familienstand, Sprachkenntnisse -, nicht aber auf die Zahl.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Sehr wahr!)

Hinsichtlich der Zahl ist lediglich das neue Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zu beteiligen. Das heißt, Sie brauchen nur ein einziges Mal die Zustimmung des Bundesrates, nämlich bei der Erstellung des Kriterienkataloges, und dann hat die Bundesregierung Pleinpouvoir, sie kann mit diesem § 20 Zuwanderung organisieren, wie sie möchte.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Bosbach, würden Sie mir im Gegenzug zugestehen - ich weiß, Sie dürfen mir nicht antworten; aber vielleicht sagen Sie es mir nachher -, dass das, was Sie hier vortragen, nicht ganz logisch ist?

(Lachen und Widerspruch bei CDU/CSU - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Das ist das Gesetz! - Clemens Binninger (CDU/CSU): Er hat das Gesetz vorgetragen!)

- Vielleicht hören Sie noch auf meine Antwort.

   Wenn der Bundesrat, weil er mit der Quote nicht einverstanden ist, die Zustimmung beim Kriterienkatalog verweigert, dann gibt es in dem jeweiligen Jahr keine Verständigung über die gesetzlichen Voraussetzungen einer Zuwanderung nach dem Auswahlverfahren und dann tritt eben das ein, was ich hier geschildert habe: In dem jeweiligen Jahr findet keine Zuwanderung nach dem Auswahlverfahren statt.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Die Quote ist nicht Gegenstand der Beteiligung!)

Der Bundesrat hat so ein faktisches Vetorecht. Deshalb muss man sich vorher mit der jeweiligen Mehrheit des Bundesrates über die Höhe der Gesamtquote verständigen. Ansonsten funktioniert der Mechanismus nach diesem Gesetz nicht. Solange Sie im Bundesrat noch über die Mehrheit verfügen, können Sie sicher sein, dass ohne Ihre Zustimmung in diesem Bereich nichts läuft. Sie können also alle ruhig schlafen.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Das Gesetz wird doch nicht Wirklichkeit! Deshalb schlafen wir ruhig!)

Deshalb ist Gelassenheit und nicht Panikmache angesagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wir sind gelassen, weil Ihr Gesetz nicht Wirklichkeit wird!))

   Ihren Beitrag zu diesem Gesetz hat der Kollege Stadler im Innenausschuss - das möchte ich ausdrücklich betonen - richtig beschrieben: Dieses Gesetz ist kein rot-grünes Gesetz, sondern ein überparteilicher Kompromiss.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Nein!)

Leider sind Sie nicht bereit, zu würdigen, dass Teile dieses Gesetzes aus Ihrer Feder stammen. Mehr als 40 Punkte

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Quatsch!)

entsprechen den Vorstellungen der Union und der Mehrheit des Bundesrates, weil wir sie im Rahmen der Verhandlungen zum Zuwanderungsgesetz in den Entwurf übernommen haben. Wir haben uns nicht nur an den Ergebnissen der Zuwanderungskommission der Bundesregierung - der bekanntlich eine CDU-Politikerin vorstand - orientiert, sondern auch an den Vorstellungen des Kollegen Müller, auch wenn sich dieser zwischenzeitlich davon distanziert hat.

   Ihr Vorgehen heute hier und im Innenausschuss zeigt: Die Union ist weder willens noch in der Lage, im Deutschen Bundestag über dieses Gesetz zu verhandeln. Stattdessen haben Sie versucht, Ihre Position mit 128 Änderungsanträgen zu markieren. Angesichts der Tatsache, dass diese 128 Änderungsanträge, die Sie vorgelegt haben, noch nicht einmal in den unionsgeführten Bundesländern mehrheitsfähig waren, kommt das einer Fundamentalopposition gleich.

   Sie signalisieren damit, dass Sie keine Einigung wollen, weil Sie Ihr parteitaktisches Süppchen mit der Zuwanderung kochen wollen. Es ist auch ein Armutszeugnis für die Kollegin Merkel. Ganz offensichtlich hat sie bei der Zuwanderungsfrage in der Union kein Verhandlungsmandat.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Wie kommen Sie auf den Quatsch?)

   Hier haben offensichtlich die Kollegen Stoiber und Koch den Hut auf. Sonst hätten Sie sich doch im Bundestag zu Verhandlungen bereit finden können, anstatt sich mit den 128 Anträgen zu verweigern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Mit wem sollen wir verhandeln? -  Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Mit Schily verhandeln wir gerne!)

- Sie hätten mit Herrn Schily und den beiden Koalitionsfraktionen verhandeln können, statt Ihre Anträge aus dem Bundesrat hier sogar noch in verschärfter Form vorzulegen.

   Sie wollen - das machen Sie in Ihren Anträgen deutlich - an einem verstaubten Ausländerrecht festhalten. Es geht Ihnen in Wirklichkeit um Abschottung und die Verhinderung von Zuwanderung. Wer Arbeitsmigration de facto gar nicht will, dem geht es auch nicht wirklich um das wirtschaftliche Wohl unseres Landes.

   Wir haben die entsprechenden Stellungnahmen der Wirtschaft. Arbeitswissenschaftler rechnen damit, dass wir bis zum Jahr 2015 einen Mangel an hoch qualifizierten Arbeitskräften von sieben Millionen Erwerbstätigen haben werden, auch wenn wir aktuell noch eine hohe Arbeitslosigkeit haben. Wer da nicht vorbeugt und nicht dafür sorgt, dass wir dies vernünftig gestalten, der schadet der Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Wir haben es bei der Greencard gesehen: Die jetzigen Regelungen, die wir hoch qualifizierten Zuwanderern anbieten können, sind eben nicht attraktiv.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht attraktiv! Das ist das Problem!)

   Im internationalen Wettbewerb um die besten Köpfe ziehen wir den Kürzeren, weil die Zuwanderungsvoraussetzungen in Ländern wie den Vereinigten Staaten, Kanada oder Australien wesentlich attraktiver sind als das, was wir im deutschen Ausländerrecht anbieten können.

   Im humanitären Teil des Gesetzes zeigt die Union ihr wahres Gesicht. Sie wollen den integrationshemmenden Status der Duldung beibehalten. Sie wollen die Voraussetzung für die Erteilung des menschenrechtlichen Schutzstatus so weit verschärfen, dass ihn praktisch niemand mehr in Anspruch nehmen kann. Sie wollen diesen Menschen auch jegliche Aufenthaltsverfestigung nehmen. Sie wollen den Ehegattennachzug verschärfen und Ausweisungen erleichtern. Beim Kindernachzug begeben Sie sich europaweit mit Ihrer Forderung, den Nachzug von Kindern nur bis zum zehnten Lebensjahr zu erlauben, in die völlige Isolation. Es ist schon bezeichnend, dass die familienfreundliche Union das Kindeswohl aus dem Ausländergesetz streichen will.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Diese Änderungsanträge sind eine Kampfansage und alles andere als ein Versuch, sich mit den Koalitionsparteien und auch mit der FDP auf einen vernünftigen Kompromiss zu einigen. Sie haben sogar noch eins draufgesattelt gegenüber den Anträgen, die Sie im ersten Durchgang dieses Gesetzes eingebracht haben. Sie wollen das Geburtsrecht im Staatsbürgerschaftsrecht wieder kippen, wo wir doch wissen, dass es ganz entscheidend für die Integration jüngerer Migrantenkinder ist, dass sie von Anfang an nach der Geburt als Staatsbürger in diesem Land willkommen geheißen werden, hier integriert werden

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Seit Ihrem Gesetz sind alle Türken integriert, ja?)

und wissen, dass sie zu dem Land gehören, in dem sie geboren sind, und dass sie gleiche Rechte und gleiche Pflichten wie jeder andere haben. Hier zeigt sich: Ihnen liegt an der Integration, die Sie so gerne im Munde führen, überhaupt nichts. Sie leisten auch mit Ihren Beiträgen zu der Zuwanderungsdebatte einen Beitrag zur Desintegration, wenn Sie Ausländer immer nur im Zusammenhang mit terroristischen Anschlägen oder mit Abzocken von Sozialkassen in Verbindung bringen. Sie müssen zu einem anderen Diskussionsstil kommen.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Beck, kommen Sie bitte zum Schluss.

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

   Zum Schluss: Wir sind im Vermittlungsausschuss mit Ihnen und den B-Ländern zu ernsthaften Gesprächen und auch zu Kompromissen bereit. Aber eines ist klar: Für uns ist das Kriterium der Zustimmung zu einem Kompromiss, dass es eine Modernisierung des deutschen Ausländerrechts gibt und dass das Gesetz, das dann beschlossen wird, besser als der jetzige Rechtszustand ist.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Beck!

Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wenn wir Ihren Vorschlägen folgen würden, dann würde es zu einer Verschlechterung kommen. Dem werden wir nicht die Hand reichen.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Eine halbe Stunde länger!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Max Stadler von der FDP-Fraktion.

Dr. Max Stadler (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich glaube, man greift nicht zu hoch mit der Feststellung, der Deutsche Bundestag hätte heute die Chance zu einem historischen Kompromiss, um den seit einem Jahr andauernden Streit um das Zuwanderungsgesetz zu beenden. Deutschland braucht in seinem eigenen Interesse ein Gesamtkonzept, um die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen und um die Integration zu fördern.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie des Abg. Winfried Hermann (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Die FDP-Bundestagsfraktion hat basierend auf Vorarbeiten aus Baden-Württemberg einen, wie wir meinen, allseits akzeptablen Kompromissvorschlag vorgelegt. Es wäre schade, wenn der Deutsche Bundestag heute seine Chance versäumen würde, sich auf diesen Kompromiss zu einigen.

(Beifall bei der FDP)

   Nach drei Jahren öffentlicher Debatte birgt eine solche Aussprache wie die heutige die Gefahr, dass nur altbekannte Argumente wiederholt werden. Ich meine aber, dass die Einwände, die die Union heute noch einmal geltend gemacht hat - der Kollege Bosbach hat sie eben vorgebracht -, durchaus ernst zu nehmen sind.

   Auch wir, die wir ein Zuwanderungsgesetz befürworten, stellen uns die Frage, ob die Bedingungen für ein solches Gesetz jetzt noch dieselben sind wie vor zwei Jahren, als die Süssmuth-Kommission ihren Bericht vorgelegt hat, oder vor einem halben Jahr. Denn der Arbeitsmarkt hat sich inzwischen geändert; er ändert sich aufgrund der verfehlten rot-grünen Wirtschaftspolitik leider zum Schlechteren.

   Daher ist die auch von der Bevölkerung gestellte Frage berechtigt, ob bei mehr als 4 Millionen Arbeitslosen noch eine Zuwanderung auf den deutschen Arbeitsmarkt vertretbar ist. Wir glauben aber, dass diese Frage zu bejahen ist. Wir meinen sogar, dass es dringend notwendig ist, die Zuwanderung - die ohnehin stattfindet - zu steuern.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Darin sind wir anderer Meinung!)

   Die Notwendigkeit eines solchen Gesetzes hängt nicht vom Monats- oder Quartalsbericht der Bundesanstalt für Arbeit ab. Wir schaffen eine gesetzliche Grundlage - darin besteht der Unterschied zur derzeitigen Praxis der Ausnahmeverordnungen - nicht für eine Situation des Augenblicks; vielmehr streben wir mit diesem Gesetz eine Grundlage für die gesamte weitere Zuwanderungspolitik der Bundesrepublik Deutschland auf längere Dauer an. Dieses Gesetz soll sozusagen zum Grundgesetz für die deutsche Migrationspolitik werden. Deswegen macht es nach wie vor Sinn.

(Beifall bei der FDP)

   Im Übrigen - das ist der wichtigste Punkt, den es herauszustellen gilt - bedeutet ein Zuwanderungsgesetz nicht automatisch mehr Zuwanderung. Es geht um zwei völlig verschiedene Fragen. Ob wir mehr Zuwanderung nach Deutschland brauchen, ist aufgrund der Situation auf dem Arbeitsmarkt von Zeit zu Zeit unterschiedlich zu beantworten. Hier geht es aber auch um die Frage, ob wir ein Gesetz brauchen, das die Zuwanderung steuert. Wir Freie Demokraten meinen, dass ein solches Gesetz nach wie vor notwendig ist.

   Wir schlagen Ihnen einen Mechanismus vor, der alle Bedenken aufgreift, indem wir Ihnen anbieten, die Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt und aus humanitären Gründen nach einer Jahreshöchstquote zu gestalten. Damit hätten wir als Politiker es in der Hand, die jeweilige aktuelle Situation zu beurteilen und die Quote gegebenenfalls auf Null fortzusetzen. Insofern sind die zum Ausdruck gebrachten Sorgen unbegründet und es ist und bleibt vernünftig, in diesem Bereich gesetzgeberisch tätig zu werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Lassen Sie mich nun auf einen weiteren Punkt zu sprechen kommen. Nachdem wir in früheren Debatten darauf hingewiesen haben, dass bei der CDU/CSU Anspruch und Wirklichkeit auseinander klaffen, indem sie sich zum Beispiel hier gegen das Zuwanderungsgesetz ausspricht, aber in Bayern Pflegekräfte aus der Slowakei und Kroatien anwirbt,

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist doch kein Widerspruch!)

hat die Union ihre Argumentation jetzt geändert und vorgebracht, es sei zwar richtig, dass in manchen Bereichen ausländische Arbeitskräfte benötigt würden; dies könne jedoch über Ausnahmeverordnungen geregelt werden.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist bei Saisonarbeitskräften auch der Fall!)

   Nun komme ich zu dem entscheidenden Punkt. Notwendig ist nicht der alte Flickenteppich von Ausnahmeverordnungen;

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Sehr richtig!)

notwendig ist vielmehr ein Gesamtkonzept, weil alle drei Bereiche eng miteinander verzahnt sind: Zuwanderung auf den Arbeitsmarkt, Zuwanderung aus humanitären Gründen und Integration. Alle drei Bereiche gehören zusammen.

(Beifall bei der FDP und der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte Ihnen das an den Vorschlägen deutlich machen, die die FDP dazu gemacht hat. Wir meinen - das kann niemand bestreiten -, dass es eine Fehlsteuerung im Asylrecht gegeben hat. Viele versuchen nämlich, sich über das Asylrecht Zugang zu Deutschland zu verschaffen, obwohl sie keine Chance haben, jemals anerkannt zu werden. Wenn man diesen Menschen eine legale Zuwanderungsmöglichkeit - ich gebe zu: in begrenztem Umfang; denn die Zahlen würden etwas anderes nicht zulassen - bietet und wenn man zugleich festlegt, dass diejenigen, die sich zu Unrecht auf ein nicht mehr bestehendes Asylrecht berufen, von der legalen Möglichkeit der Zuwanderung in den Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden, dann wird dieser Steuerungsmechanismus dazu führen, dass das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und die Verwaltungsgerichte nicht mehr mit einer solchen Vielzahl von Asylverfahren, die im Endeffekt aussichtslos sind, belastet werden wie jetzt.

(Beifall bei der FDP)

   Ich möchte Ihnen die Verzahnung noch an einem zweiten Beispiel deutlich machen. Wenn man ein Gesamtkonzept für die Integration entwickelt, dann hat man die Möglichkeit, mehr Angebote als bisher zu machen, aber auch mehr Anforderungen an diejenigen zu stellen, die nach Deutschland kommen, und zwar unter anderem dadurch, dass man die Teilnahme an Deutschkursen und an Integrationskursen zum entscheidenden Kriterium für die Verlängerung der Aufenthaltsgenehmigung macht. Das ist nicht unzumutbar, sondern eine sinnvolle Steuerung und zeigt erneut, dass wir eine Verknüpfung aller Elemente brauchen.

   Der gescheiterte Gesetzentwurf war nur formal ein rot-grüner. Die FDP hat in den Verhandlungen mit Minister Schily etliche ihrer Vorstellungen in den Gesetzentwurf einbringen können. Deswegen hat ja Rheinland-Pfalz im Bundesrat zugestimmt. Aber wir werden heute nicht zustimmen, sondern uns enthalten;

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Mut zur Enthaltung!)

denn Sie haben den gescheiterten Gesetzentwurf erneut unverändert eingebracht, obwohl er nicht mehr dem aktuellen Stand der Diskussion entspricht.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Dann müsst ihr Nein sagen!)

Die weitere Diskussion hat nämlich ergeben, dass ein Zuwanderungsgesetz mehr Maßnahmen für die Integration derjenigen vorsehen muss, die schon hier sind. Hier treffen sich unsere Vorstellungen mit denen der Union.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

Wir brauchen die so genannte nachholende Integration

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Sehr richtig!)

und müssen besonders im Blick behalten, dass die jetzige Generation der Spätaussiedler im Gegensatz zu denjenigen, die Anfang der 90er-Jahre gekommen sind, aufgrund fehlender Sprachkenntnisse große Probleme hat, in den Arbeitsmarkt und in das Sozialgefüge integriert zu werden.

(Beifall bei der FDP)

Daher gehen die Integrationsangebote der FDP - ich betone: mit entsprechenden Verpflichtungen betreffend die Migrantinnen und Migranten - weiter als das, was Ihr Gesetzentwurf vorsieht. Aber alles muss seriös finanzierbar sein. Die Angebote, die die Union in ihren Änderungsanträgen macht, sind zeitlich unbegrenzt. Das geht nicht; denn das können die Kommunen auf keinen Fall mehr finanzieren. Auch wenn wir einen eigenen Beitrag von den Migrantinnen und Migranten verlangen, meinen wir, dass sich die nachholende Integration auf diejenigen beziehen sollte, die in den letzten fünf Jahren nach Deutschland gekommen sind.

   Sie sehen also, dass wir Kompromissangebote in unsere Vorschläge eingearbeitet haben, die dem neuesten Stand der Diskussion entsprechen und die vor allem auch ein Angebot an die Union sind. Die Tatsache, dass Sie 128 Änderungsanträge gestellt haben, kann als ein hohes Pokern verstanden werden, um im Vermittlungsausschuss möglichst viel von den eigenen Vorstellungen durchzusetzen. Das wäre noch verständlich. Aber wir haben nach der vorangegangenen Rede des Kollegen Bosbach den Eindruck, dass es Ihnen gar nicht um einen Kompromiss geht, sondern dass Sie ein Zuwanderungsgesetz generell ablehnen, obwohl es dringend notwendig wäre.

(Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen hoffen wir, dass diejenigen aus Kirche und Wirtschaft, die Einfluss auf Sie haben und auf deren Wort Sie hören, Sie doch noch eines Besseren belehren.

Zum Schluss möchte ich noch folgendes Grundsätzliche anmerken: Ein solches Gesetzesvorhaben löst bei der Bevölkerung zunächst Ängste und Besorgnisse aus, beispielsweise Besorgnis darüber, dass es mehr Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt geben wird - und das, obwohl Inländer bei der Besetzung eines Arbeitsplatzes Vorrang haben -, und Besorgnis darüber, dass die sozialen Systeme überlastet werden. Man kann den Weg gehen, diese Besorgnisse aufzugreifen - das ist ehrenhaft - und ihnen nachzugeben, das ist die Politik der Union. Politische Führung heißt für mich aber, solche Besorgnisse ernst zu nehmen und daraus vernünftige Lösungen zu entwickeln. Das ist die Politik der FDP.

   Wir bieten Ihnen noch einmal an, die Brücke zu betreten, die wir Ihnen mit unserem Gesetzeskompromiss vorschlagen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast von der SPD-Fraktion.

Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kollegen und Kolleginnen! Selten ist ein Gesetz von der CDU/CSU so mutwillig, so anhaltend und so absichtsvoll fehlgedeutet worden wie dieses. Leider hat der Kollege Bosbach dafür heute wieder ein unrühmliches Beispiel geliefert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn es nur um reine Sachfragen ginge, dann könnte man sagen: Zuspitzung ist nun einmal ein Mittel der Opposition. Bei diesem Gesetz geht es aber um das künftige Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Traditionen, Kulturen und Glaubensgemeinschaften. Dem Ziel, dass sie friedlich und in gegenseitigem Respekt miteinander leben, nützt dieses Zerrbild wahrhaftig nicht. Deswegen richte ich die dringende Bitte an Sie, diesen Gesetzestext endlich realistisch zur Kenntnis zu nehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Sie wollen den Bürgern seit Monaten einreden, diese Bundesregierung habe nichts Eiligeres zu tun, als möglichst viele Menschen in dieses Land zu holen. Das ist kein Irrtum, sondern geplante Irreführung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Gestatten Sie mir folgende Randbemerkung: Ich kann mir Ausländer angesichts des Elendsbildes, das Sie im Moment von der Bundesrepublik zeichnen, eigentlich gar nicht vorstellen, dass noch irgendein

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist die Wahrheit! Sie leiden unter Realitätsverlust!)

ein Interesse daran hat, seinen Fuß in dieses Land zu setzen. Leider spielen Sie mit dem Mittel der Verzerrung.

   Jeder, der sich ohne Scheuklappen - ich betone: ohne Scheuklappen - mit diesem Gesetz befasst, erkennt: Arbeitsmigration wird gerade dadurch beherrschbar, dass man sie steuert und politisch gestaltet. Jeder weiß auch darum, dass Deutsche und EU-Bürger nach diesem Gesetz bei der Arbeitsvermittlung weiterhin Vorrang haben und dass die Auswahlverfahren überhaupt erst in einigen Jahren zum Zuge kommen, wenn die Überalterung bzw. die „Unterjüngung“ - so lautet der neue Begriff - der Gesellschaft ihre ersten deutlichen Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlässt.

   Jeder kennt auch die Funktion des Sachverständigenrates, der ebenfalls ein Wort mitzureden hat. Jeder merkt, wodurch dieses Gesetz die Einwanderung zugleich begrenzt - Herr Kollege Grindel, nun können Sie noch etwas dazulernen -: durch die Beschleunigung der Asylverfahren; durch die konsequentere Abschiebung, wo dies rechtsstaatlich vertretbar ist; durch die Senkung des Kindernachzugsalters; durch erhöhte Anforderungen an die Sprachkenntnisse mitreisender Familienangehöriger von Spätaussiedlern, übrigens eine der im Moment problematischsten Zuwanderungsgruppen.

   Durch unser Gesetz wird Zuwanderern ein realistisches Angebot gemacht. Es zeigt Möglichkeiten, aber auch Hürden für die Zuwanderung zwecks Arbeitsaufnahme. Dieses Gesetz enthält Anforderungen an die Neuankömmlinge, zeigt aber auch den hier Lebenden, wie man sich aufeinander einlassen, aufeinander zubewegen kann. Es unterscheidet schärfer zwischen abgelehnten Asylbewerbern, die nicht ins Heimatland zurückkehren können, und denen, die es nicht wollen. Es vereinfacht die komplizierten ausländerrechtlichen Regelungen und es reduziert die zahlreichen schwer verständlichen Aufenthaltstitel. Vor allem aber bekennt sich der Staat endlich, nach mehr als vier Jahrzehnten Migration, zu seiner Aufgabe, die Integration hier mitzugestalten und zu fördern. Das ist ein epochaler Schritt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Das Grundkonzept der Integration - das ist Kernidee des gesamten Gesetzes - geht aber weit über Eingliederung und Sprachvermittlung hinaus - es gehört nämlich alles zusammen; Kollege Stadler hat es eben verdeutlicht -, weil wir einerseits unsere humanistischen Verpflichtungen deutlicher umreißen und weil wir andererseits Zuwanderung mit modernen und flexiblen Methoden steuern und dabei - dies war im bisherigen Recht nicht der Fall - unsere eigenen Interessen beim Namen nennen. Deshalb macht es keinen Sinn, etwa den - vielleicht am wenigsten strittigen - Integrationsteil herauszulösen und alle anderen Reformteile fallen zu lassen.

   Das Zuwanderungsgesetz der Bundesregierung und der sie tragenden Koalition ist - das wissen Sie sehr wohl - in seiner jetzigen Form auf Konsens ausgerichtet: Es schlägt Brücken auch zur Union - wie wir eben hörten, auch zur FDP - in Bund und Ländern.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Diese Brücken haben aber die Stärke eines Grashalms!)

Es versöhnt endlich politisches Handeln mit der Wirklichkeit der heutigen Migration. Es zeigt Perspektiven und Optionen für morgen. Das Konzept der CDU/CSU jedoch, wie es sich in Ihren 128 Änderungsanträgen widerspiegelt, beschwört den Geist von gestern. Sie werden von uns nicht verlangen, dass wir diesem Weg folgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Haben Sie das zwischenzeitlich durchgelesen? Wirklich?)

   Wer, Herr Kollege Marschewski, soll eigentlich nachvollziehen, warum Sie hoch qualifizierten Arbeitskräften, wenn wir sie hier brauchen können, wieder nur einen befristeten Aufenthalt - das war ja ein Kritikpunkt bei der Greencard-Regelung - erlauben wollen? Warum sollen Migrantenkinder wieder Schwierigkeiten bei der Einbürgerung bekommen? Warum sollen ausländische Ehefrauen wieder vier statt zwei Jahre auf ein eigenständiges Aufenthaltsrecht warten müssen und etwa bei einer gescheiterten Beziehung Prügel und Schikanen einstecken müssen? Warum um alles in der Welt wollen Sie Frauen und Mädchen, die aus Angst vor der Beschneidung zum Beispiel hierher geflüchtet sind, nicht wenigstens befristet eine verlässliche Lebensperspektive gewähren?

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Das stimmt doch überhaupt nicht!)

Über diese Art des Umgangs mit der geschlechtsspezifischen Verfolgung schütteln fast alle europäischen Partnerstaaten den Kopf. Sie erweisen sich in der Asyl- und Flüchtlingspolitik ja überhaupt als europauntauglich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Reformen sollen den Menschen zukunftsfähige Lösungen anbieten und ihnen auch die Angst vor Unbekanntem und vor Unwägbarem nehmen. Weil der Prozess der gegenseitigen Annäherung wirklich kein Spaziergang ist, weil Umdenkprozesse Zeit und Überzeugungskraft brauchen, weil wir Migration eben nicht nur geschehen lassen, sondern gestalten wollen, ist das Gesetz jetzt wichtig; das erkennt die FDP dankenswerterweise auch an.

   Die gesamte Migration in all ihren Facetten als Drohkulisse aufzubauen, wie Sie es tun, ist falsch und schädlich. Akzeptanz ist schon wichtig - ich weiß, wovon ich rede -, aber Akzeptanz ist dehnbar und hängt sehr davon ab, wie man über das Thema redet, welche Worte und welche Argumente man benutzt.

(Dr. Max Stadler (FDP): So ist es!)

   Ihr neues Bedrohungsgemälde ist der angebliche Migrationsdruck durch die EU-Erweiterung. Natürlich schafft sie Probleme, aber sie schafft eben auch Chancen. Deswegen möchte ich jemanden zitieren, der sich auskennt, nämlich den EU-Kommissar Günter Verheugen. Er weist auf Folgendes hin:

Derzeit verweilen mehr Deutsche in der Tschechischen Republik als Tschechen in Deutschland. Die Frage einer rechtlichen Regelung der Zuwanderung ist also weit wichtiger als Spekulationen über ihr dramatisches Ausmaß.

   Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir eine Schlussbemerkung. Seit ich mich mit Ausländerpolitik befasse, stört mich die scharfe Polarisierung in dieser Frage, diese Teilung in zwei große Lager: hier die so genannten Gutmenschen, die praktisch jeden Ausländer in Watte packen, und dort die Scharfmacher, die der Abschottung das Wort reden. Das Zuwanderungsgesetz schafft nun endlich eine Möglichkeit, sich mit beiden Lagern auseinander zu setzen und Brücken zu schlagen. Wirtschaft, Gewerkschaften, Kirchen und Migrationsforscher begrüßen es - nicht ohne Kritik, aber immerhin alle doch mit dem Votum: Das ist der richtige Weg. Die Probleme der Migration werden nicht verkleistert. Es bringt uns insgesamt voran.

   Wenn Sie die Gesellschaft jetzt wieder spalten, dann leisten Sie dieser Entwicklung einen Bärendienst. Ich kann Sie und uns alle vor dieser Strategie nur warnen.

   Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Max Stadler (FDP))

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Erwin Marschewski von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wer sagt, das Problem ungesteuerter Zuwanderung lösen zu wollen, und wer weiß, dass er dazu die Zustimmung der Union benötigt, und wer dennoch den vor dem Bundesverfassungsgericht gescheiterten Gesetzentwurf Wort für Wort wieder einbringt, ohne der Union auch nur ein Jota entgegenzukommen, der beweist keinen ernsthaften Willen zur Lösung dieses Problems.

(Beifall bei der CDU/CSU - Rüdiger Veit (SPD): Schönbohm war wortbrüchig!)

Er will wohl keinen Kompromiss, Herr Kollege; sonst wären die 128 Anträge der Union nicht samt und sonders abgelehnt worden.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): So ist es! Die haben doch gar nicht mit uns verhandelt!)

   Deswegen hat die „FAZ“ Recht, Herr Bundesinnenminister: Es war unverantwortlich, das Zuwanderungsgesetz im Bundestag mit einfacher Koalitionsmehrheit zu verabschieden. Es war geradezu verwerflich - so schreibt die „FAZ“ -, es mit Brachialgewalt - verfassungswidrig - durch den Bundesrat zu drücken.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sehr richtig!)

   Gesetze von dieser Tragweite, meine Damen und Herren, brauchen eine Mehrheit, die einen Regierungswechsel überdauert, Herr Bundesinnenminister.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): Dann stimmt doch zu! - Rüdiger Veit (SPD): Schönbohm hat doch Zustimmung zugesagt!)

- Wir stimmen gerne zu, aber das Gesetz muss dann, Herr Kollege, auch wirklich eine Regelung zur Steuerung und Begrenzung von Zuwanderung zum Inhalt haben, was beim vorliegenden leider nicht der Fall ist. - Dieses Gesetz führt zu mehr Einwanderung. Die Zuwanderung wird nicht begrenzt und die Integration - zumindest da sind wir uns doch einig, Kollege Bürsch und Kollege Stadler - wird nicht hinreichend geregelt.

(Sebastian Edathy (SPD): Sie wird verbessert!)

Dies steht, meine Damen und Herren, in krassem Widerspruch zur Position der Union. Deswegen können wir Ihren Gesetzentwurf so nicht akzeptieren.

   Zunächst einmal wäre ein einheitliches Gesamtpaket arbeitsmarktpolitischer Leistungen sowie familien- und sozialpolitischer Maßnahmen nötig, denn zur Bewältigung der demographischen Probleme bedarf es solcher Maßnahmen in der Familien- und Bildungspolitik sowie der Ausschöpfung vorhandener Erwerbspotenziale. Da sind wir uns doch einig: Zuwanderung allein löst die Probleme nicht.

   Ihr Gesetzentwurf, Herr Bundesinnenminister, bietet keine sachgerechten Lösungen für die Arbeitsmigration. Es ist doch nicht verantwortbar - Herr Kollege Bosbach hat es zu Recht gesagt -, bei so vielen Arbeitslosen in Deutschland die Arbeitsmigration in allen, auch den einfachen Arbeitsmarktsegmenten zuzulassen, ohne Bundesrat und Bundestag zu befragen.

   Herr Kollege Beck, Sie haben übrigens Unrecht, der vorgeschlagene § 20 des Aufenthaltsgesetzes sieht nicht vor, dass bezüglich der Zahl Bundestag oder Bundesrat gefragt werden müssen. Sie haben leider nicht zugegeben, dass Sie sich da geirrt haben. Es ist keine überregionale Steuerung vorgesehen, sondern nur eine durch den jeweiligen Arbeitsausschuss der 181 Arbeitsämter in diesem Lande.

   Meine Damen und Herren, es ist gut bekannt, dass aus Gastarbeitern, die dabei helfen sollten, vorübergehende Engpässe auf dem Arbeitsmarkt zu überwinden, Millionen „Daueranwesende“ - „FAZ“ -, verteilt über mehrere Generationen, geworden sind und davon heute mehr als eine halbe Million arbeitslos sind. Vor diesem Hintergrund ist es doch einfach nicht verständlich, wenn Sie den Anwerbestopp aufheben.

(Sebastian Edathy (SPD): Dauergäste oder was?)

- Herr Kollege, zu Zeiten Willy Brandts waren nur 0,8 Prozent der Ausländer arbeitslos, heute sind es über 20 Prozent. Doch Sie heben den Anwerbestopp auf. Das kann doch nicht richtig sein!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Nein, meine Damen und Herren, auch die Sprecher der Wirtschaft - ich sage dies hier ausdrücklich - kommen an diesen Tatsachen nicht vorbei. Tatsache ist eben, dass eine generelle Einwanderung von Arbeitskräften zurzeit nicht notwendig ist und nach der Osterweiterung, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, erst recht nicht.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Da haben wir die Übergangsfrist, wie Sie wissen!)

Tatsache ist auch: Weder die Unternehmer noch ihre Verbände werden sich an der Rückführung von Migranten beteiligen, die sie selbst aus konjunkturpolitischen Gründen bzw. zur Einsparung von Ausgaben für die Sozialversicherung freigesetzt haben. Auch das ist Tatsache. Den Sprechern der Wirtschaft wird es nicht gelingen, ihre speziellen Interessen als Gemeinwohlinteresse umzudeuten.

(Sebastian Edathy (SPD): Bitte? Was soll das denn heißen?)

   Ebenso wenig wird es Ihnen, Herr Bundesminister, gelingen, Ihr Gesetz als Zuwanderungsbegrenzungsgesetz zu verkaufen, denn Sie selbst haben ja ausdrücklich im Gesetz von dieser Vorstellung Abschied genommen. Die Konsequenzen sind offenkundig: Durch die Gleichstellung von Personen, die Abschiebeschutz genießen, mit Asylberechtigten werden die Wirkungen der Drittstaatenregelung zumindest zum Teil aufgehoben.

(Widerspruch bei der SPD)

- Natürlich werden sie aufgehoben, wenn Sie diesen Leuten, wenn sie nach Deutschland kommen, die in § 53 des Ausländergesetzes enthaltenen Rechte gewähren. Auch Sie wissen doch, dass der Asylkompromiss damals zur Reduzierung der Zahl der Asylberechtigten von 450 000 auf 100 000 geführt hat.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

   Zur geschlechtsspezifischen Verfolgung: Im Ausschuss haben wir darüber, Frau Kollegin Sonntag-Wolgast, diskutiert. Sie haben mich gefragt, wo es denn eine entsprechende Stellungnahme des Bundesinnenministers gibt. Ich kann sie Ihnen vorlesen. Am 23. Juni 2000 hat der Bundesinnenminister eine Stellungnahme herausgegeben, in der steht:

Eine asyl- oder ausländerrechtliche Schutzlücke zum Nachteil von Frauen besteht nicht.

Da heißt es also ausdrücklich: besteht nicht. Das hat übrigens der Europäische Gerichtshof am 7. März 2000 ebenfalls bestätigt.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Eine Schutzlücke nicht, eine Statuslücke schon!)

   Nein, Herr Bundesinnenminister, Sie steuern und begrenzen die Zuwanderung nicht, wie von der Union gewollt. Ihr Gesetz wird - ich sage es noch einmal und beweise das auch - die Zuwanderung nach Deutschland erhöhen.

   Schauen Sie sich die Regelungen zum Familiennachzug an. Sie weiten den Familiennachzug aus,

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): So ist es!)

nämlich auf Homosexuelle und faktisch auf Kinder bis 18. Das ist doch Ihre Regelung.

(Sebastian Edathy (SPD): Was? Wo steht das denn?)

Über diese Vorschriften kommen mehr Leute nach Deutschland.

   Sie verkürzen außerdem die Asylverfahren nicht. Warum schaffen Sie nicht beispielsweise eine einzige Instanz, wie es europaweit üblich ist? Das Asylverfahren wird nicht verkürzt.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

   Wenn Sie Härtefallregelungen und -ausschüsse einführen, dann bedeutet dies doch, dass die Abschiebung mit Sicherheit nicht in größerem Umfang erfolgen wird, wie es im Augenblick der Fall sein müsste.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Bundesinnenminister, ich habe Ihnen drei Beweise genannt: Familiennachzug, Asylverfahren, Abschiebung. Das bedeutet eine Erweiterung Ihres Gesetzes. Nehmen Sie Stellung dazu! Das widerspricht doch völlig dem, was Sie vor geraumer Zeit gesagt haben: Die Grenze der Belastbarkeit, was Zuwanderung nach Deutschland anbetrifft, ist überschritten. Sie haben Recht, Herr Bundesinnenminister, nur, Ihr Gesetz ist anders als Ihre Aussage damals.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Was wir brauchen - darin sind wir uns wohl einig -, ist mehr Integration. Da ist der Gesetzentwurf mehr als mangelhaft. Er enthält zwar Integrationsangebote; das ist richtig. Aber er enthält keine Integrationspflichten. Vor allem gilt er nicht für die Leute, die bereits hier wohnen, sondern nur für neu ankommende Ausländer. Meine Damen und Herren, eines ist doch auch klar: Insbesondere die Leute, die hier sind, müssen integriert werden. Das regelt der Gesetzentwurf keineswegs.

   Ein weiterer Punkt. Sie sprechen hier von einer Teilnahmeverpflichtung bezüglich der Integrationskurse, verzichten aber auf jede Durchsetzungsmöglichkeit. Das kann doch nicht in Ordnung sein. Es ist auch nicht in Ordnung, Kollege Wiefelspütz, dass derjenige nicht zu einem Integrationskurs muss, der sich auf einfache Weise mündlich verständigen kann. Nein, das reicht nicht.

(Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Herr Marschewski, sollen wir beide gemeinsam mal einen Integrationskurs besuchen?)

   Nötig ist, die deutsche Sprache zu erlernen und die Verfassung und unsere Werteordnung anzuerkennen. Das sind Forderungen aus dem Integrationskonzept der Union, das Sie leider vor einigen Jahren abgelehnt haben, Herr Kollege Wiefelspütz.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Wiefelspütz?

Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):

Bitte schön.

Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD):

Herr Marschewski, sollten wir nicht einmal gemeinsam den Präsidenten des Bundesamtes in Nürnberg, Herrn Dr. Albert Schmid, aufsuchen und darum bitten, dass Sie, Herr Marschewski, und ich einen Integrationskurs besuchen, damit wir erfahren, was da eigentlich abläuft?

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Bei Marschewski wird es helfen!)

Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU):

Ich bedanke mich herzlich für die Einladung und nehme sie gerne an. Aber ich bin mittlerweile ziemlich integriert; das sagt der Kollege Zeitlmann zumindest. - Das soll ein Scherz sein.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP)

   Herr Wiefelspütz, Sie wissen doch ganz genau, dass diese Dinge so nicht in Ordnung sind, weil sie letzten Endes keine Integration bewirken. Wir haben unsere Integrationsvorstellungen vor ein paar Jahren vorgelegt und Sie haben sie abgelehnt.

   Ich frage mich, Herr Bundesinnenminister, warum Sie bei diesem Gesetzesvorhaben nicht den Weg gewählt haben, den wir, Wolfgang Schäuble - ich sehe ihn gerade - und die CDU/CSU-Fraktion, 1994 gewählt haben. Er war damals umstritten; es war falsch, dass er umstritten war. Dieser runde Tisch, Herr Bundesinnenminister, hat zu einem Ergebnis geführt, zu einem erfolgreichen Ergebnis, weil er die Flüchtlingsrechte bewahrte - wir haben das subjektive Asylrecht letzten Endes behalten - und weil er unbegründete Zuwanderung begrenzte.

   Eine solche Regelung, wie sie in Art. 16 a des Grundgesetzes erfolgte, war damals dringend notwendig. Wir sind als Union der Meinung, dass genauso dringend notwendig eine Begrenzung der Zuwanderung ist; denn die herrschende Asyl- und Einwanderungspraxis ist alles andere als befriedigend, genauso unbefriedigend, Herr Bundesinnenminister, wie Ihr Gesetzentwurf. Denn so, wie er gestaltet ist, dient er keineswegs den Interessen unseres Landes.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Josef Winkler, Bündnis 90/Die Grünen.

Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst eine Bitte an die Union zwecks Förderung einer blühenden politischen Karriere: Bitte verzichten Sie in Zukunft darauf, mir in der Kernzeit zu applaudieren; denn das wird mir bei meiner weiteren Karriere nicht helfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU/CSU - Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Da haben Sie Recht!)

   Nach nunmehr dreijähriger öffentlicher Debatte liegt diesem Haus nun zum zweiten Mal der Regierungsentwurf zum Zuwanderungsgesetz vor. Ich weiß nicht, ob es das modernste Zuwanderungsrecht Europas ist. Ich bin mir aber sicher, dass es sich um das modernste Zuwanderungsrecht handelt, das Deutschland je haben könnte, wenn die Union nur wollte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Lachen bei der CDU/CSU)

Vor uns liegt ein Kompromiss, der für alle Seiten tragbar sein könnte. Sie sehen: Ich formuliere im Konjunktiv; denn die Union will das Rad der Migrationsgeschichte zurückdrehen.

   Die im Bundesratsverfahren von den unionsregierten Bundesländern im Januar 2003 eingebrachten Änderungsanträge sowie die nahezu deckungsgleichen 128 Änderungsanträge der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes wollen den Entwurf tiefgreifend in seiner Ausrichtung verändern

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Das stimmt!)

und zielen teilweise darauf, den Gedanken einer Modernisierung des geltenden Ausländerrechts in das Gegenteil zu verkehren.

   Darüber hinaus zielen einige Ihrer Änderungsanträge - das wurde schon erwähnt - auf bereits vom Deutschen Bundestag verabschiedete rot-grüne Reformprojekte wie das neue Staatsangehörigkeitsrecht ab. Nicht ein Einwanderer soll hier die Möglichkeit haben, Deutscher zu werden, schon gar nicht seine Kinder - wenn überhaupt, dann vielleicht seine Enkelkinder. Das ist für uns wirklich nicht akzeptabel.

   Sie von der Union fallen mit dieser Verhandlungsgrundlage zudem weit hinter Ihre eigenen früheren Positionen, die in Ihrer Zuwanderungskommission entwickelt worden sind, zurück. Es ist für das gesellschaftliche Klima in diesem Land verheerend, wenn Sie ein Roll-Back zur alten Gastarbeiterpolitik der 50er- und 60er-Jahre planen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU)

   Bereits im April 1983, also vor 20 Jahren, schrieb die damalige Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Frau Liselotte Funcke, an den damaligen Bundeskanzler Dr. Helmut Kohl - ich zitiere mit Erlaubnis der Präsidentin -:

Um die bestehenden Unsicherheiten, Befürchtungen und Unterstellungen im Interesse der Deutschen und der Ausländer zu überwinden, erscheinen mir die folgenden Entscheidungen und Maßnahmen notwendig und dringend: Der deutschen Bevölkerung ist zu sagen, dass die Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer auch bei hoher Arbeitslosigkeit unverzichtbar ist, weil es nicht einen undifferenzierten Gesamtarbeitsmarkt, sondern viele spezielle Teilarbeitsmärkte gibt. Um der Unsicherheit der Ausländer und der Deutschen entgegenzuwirken, sollten deshalb bald die Grundzüge einer freiheitlichen und rechtsstaatlichen Ausländerpolitik deutlich werden.

So weit Liselotte Funcke. Genau diese Prämisse finden Sie in dem von uns vorgelegten Gesetzentwurf wieder.

   Die von Ihnen vorgelegten Anträge zeigen: Es geht Ihnen nicht um die Klärung sachlicher oder verfassungsrechtlicher Fragen. Es geht Ihnen offensichtlich darum, die Lufthoheit über die Stammtische zu erlangen. Dies ist eine für Migranten und Flüchtlinge in diesem Land gefährliche Strategie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Mir zeigen die Erlebnisse der letzten Wochen und Monate vor Ort und unzählige Gespräche: Wir haben einen Gesetzentwurf eingebracht, in dem das Bemühen um einen gesellschaftlichen Konsens klar erkennbar und der auch gut vermittelbar ist. Ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der aufnehmenden Gesellschaft und den Interessen der Migranten ist mit diesem Gesetz nach vielen Jahren des Stillstands endlich erreicht.

   Da mein Appell an Sie, werte Kolleginnen und Kollegen von der Union, diesem Gesetzentwurf zuzustimmen, wahrscheinlich wieder verhallt, scheint die Endlosdebatte um die Gestaltung der Zuwanderung in diesem Land ins 21. Jahr zu gehen. Als migrationspolitischer Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion kann ich Ihnen allerdings sagen

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Oh!)

- so tolle Posten haben wir, Herr Koschyk -:

(Beifall der Abg. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Unsere Maßstäbe für die Bewertung eines Zuwanderungsgesetzes bleiben auch für das wohl anstehende Verfahren im Vermittlungsausschuss klar. Wir wollen ein Zuwanderungsgesetz, das Zuwanderung und den Schutz vor Verfolgung sozialverträglich, modern, europatauglich, demokratisch und orientiert an hohem menschenrechtlichem Niveau entwickelt und in einem weltoffenen Deutschland ausgestaltet.

   Daraus folgt für uns: Ein Zuwanderungsgesetz, in dem alles einer reinen Begrenzungs- und Abschottungslogik untergeordnet wird, ist nicht zukunftsfähig. Ein Zuwanderungsgesetz, durch das mehr Menschen in einem ungesicherten Status belassen werden, der Status anderer Gruppen verschlechtert und das elementare Grundrecht auf die Einheit der Familie angegriffen wird, ist integrationsfeindlich.

   Meine Damen und Herren von der Union, Sie greifen immer wieder den Familiennachzug an. Ich bitte Sie: Es geht hier um enge Familienangehörige. Das kann doch nun wirklich nicht als unbegrenzte Zuwanderung bezeichnet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sie wollten einen weiten Familienbegriff!)

- Eine Erweiterung mag vorliegen; aber im Sinne der Familienfreundlichkeit halte ich dies in unserem Gesetzentwurf für vertretbar.

   Ein Zuwanderungsgesetz, durch das ein Klima von Unsicherheit, Zwang und Druck zum Kern des Umgangs mit Migranten gemacht wird, beschädigt unsere Gesellschaft im Ganzen. Ein Zuwanderungsgesetz, das den anerkannten menschenrechtlichen Standards nicht uneingeschränkt und umfassend genügt, ist nicht konsensfähig und würde Deutschland in Europa vollständig isolieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Unter diesen Gesichtspunkten werden wir die eventuellen Ergebnisse eines Vermittlungsverfahrens zu prüfen haben. Ein Zurückgehen hinter das geltende Ausländerrecht ist mit den Grünen nicht zu machen.

   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Grindel.

(Sebastian Edathy (SPD): Noch so ein Liberaler!)

Reinhard Grindel (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Ziel unserer Politik muss sein, dass Deutsche und Ausländer friedlich zusammenleben. Nur, das setzt Integrationsbereitschaft und Integrationsfähigkeit auf beiden Seiten voraus.

(Dr. Max Stadler (FDP): Auch richtig!)

Wir erwarten von Zuwanderern, dass sie deutsch sprechen können oder es zumindest zügig lernen, dass sie unsere Gesetze - auch die Trennung von Staat und Religion - achten und dass sie keine Gettobildung und keine Parallelgesellschaften anstreben. Es geht um ein gesellschaftliches und kulturelles Miteinander,

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Richtig!)

nicht um ein Nebeneinander, nicht um Multikulti.

   Von diesem Grundansatz ist Ihr Zuwanderungsgesetz leider sehr weit entfernt.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Unsinn!)

Sie betreiben eine ideologische Ausländerpolitik. Sie wissen, Ideologen sind bekanntlich Leute, die sich von Tatsachen nicht beirren lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy (SPD): Ein guter Spruch! - Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen schmeißen! - Weitere Zurufe von der SPD)

   Es ist nun einmal eine Tatsache, dass die Sprachkompetenz der Ausländer in Deutschland - gerade derjenigen, die hier geboren sind - zurückgeht. Immer mehr ausländische Kinder werden wegen mangelnder Sprachkenntnisse vom Schulunterricht zurückgestellt. Es ist eine Tatsache - das sollte uns Sorgen machen -, dass immer mehr ausländische Jugendliche die Schule ohne Abschluss und ohne Zukunftsperspektive verlassen. Es ist eine Tatsache, dass es in immer mehr Gegenden Parallelgesellschaften gibt, die dort wegen hoher Arbeitslosigkeit und Sozialhilfebezug bei Ausländern entstanden sind. Es ist eine Tatsache, dass die Gewaltkriminalität gerade unter ausländischen Jugendlichen ständig zunimmt.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): 16 Jahre falsche Politik stehen dahinter!)

   Wir müssen die Probleme, die bei den Ausländern bestehen, die schon bei uns sind, anpacken und dürfen uns nicht neue Probleme durch weitere Zuwanderung in das Land holen. Das ist das Gebot der Stunde!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Minister Schily, Sie haben das zu Beginn Ihrer Amtszeit im Grunde genommen ganz genauso gesehen. Ich will Ihnen noch einmal das Zitat vorhalten, auf das Erwin Marschewski bereits hingewiesen hat:

Die Grenze der Belastbarkeit Deutschlands durch Zuwanderung ist überschritten, weil wir mehr Menschen für absehbare Zeit nicht verkraften können.

   Die Probleme sind inzwischen viel größer geworden. Trotzdem legen Sie uns hier ein grün gefärbtes Zuwanderungsgesetz vor. Reden wie Beckstein und handeln wie Ströbele, das ist keine überzeugende Politik, Herr Minister!

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Dieter Wiefelspütz (SPD): Schily ist Ströbele? Das ist ja ganz neu!)

   Wir müssen die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen. Die wachsenden Integrationsprobleme sehen Sozialdemokraten mittlerweile genauso wie wir: Die Weigerung vieler ausländischer Eltern, sich zu integrieren, fördere die kriminellen Karrieren ihrer Kinder.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Deutschland und seine Vorurteile! - Ute Kumpf (SPD): Wo leben Sie? Das tut weh! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Herr Kollege Bürsch, Sie sagen, das sei ein Vorurteil. Sie sollten das einmal unter Genossen klären. Denn das, was ich eben gesagt habe, war ein Zitat aus dem gestrigen „Tagesspiegel“. Das stammt nämlich nicht von mir. Das hat vielmehr der Berliner Innensenator Körting, SPD, gesagt. Viel Erfolg für die Diskussion!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Körting hat Recht. Sie kennen die Lage in Berlin. Die Situation ist die - dies ist nicht nur in Berlin, sondern auch in vielen Mittelzentren so -, dass es mittlerweile allein in Berlin viele Hunderte jugendliche Intensivtäter ausländischer Herkunft gibt.

   Die Menschen haben einen Anspruch darauf, dass wir solchen Tätern entgegentreten und dass wir deutlich machen, dass man hier nicht mit Multikulti-Gesäusel weiterkommt. Integration heißt auch, dass die vielen friedlichen in unserem Land lebenden Ausländer - das ist die Mehrheit, keine Frage - der kriminellen Minderheit entschlossen entgegentreten. Das gilt übrigens genauso für Aussiedler. Ich sage das mit großem Ernst: Alle Gewalttäter müssen mit allem Nachdruck in die Schranken gewiesen werden, egal welche Staatsangehörigkeit sie besitzen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy (SPD): Was hat das mit dem Gesetz zu tun? - Dr. Max Stadler (FDP): Ein sehr wichtiger Allgemeinplatz!)

   Während wir hier in Deutschland über die Zuwanderung streiten, sollen unbemerkt in Brüssel, auf der Ebene der EU, Fakten geschaffen werden. In Brüssel steht eine ganze Reihe von Richtlinien zur Entscheidung an,

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Antrag haben die doch zurückgezogen!)

die unser Ausländer- und Asylrecht, lieber Josef Winkler, in dramatischer Weise verändern würden. Die Drittstaatenregelung würde gekippt, durch die wir den Asylmissbrauch erheblich reduzieren konnten; nicht staatliche und geschlechtsbezogene Verfolgung würden anerkannt und damit würden dem Missbrauch des Asylrechts wiederum Tür und Tor geöffnet; für alle Flüchtlinge soll es schon nach kurzer Zeit freien Zugang zum Arbeitsmarkt geben. Herr Beck von den Grünen sagt dazu: Falls beim Zuwanderungsrecht kein Kompromiss zustande kommt, können wir besser mit den Regelungen leben, die auf europäische Ebene sowieso kommen.

   Herr Minister Schily, über das Asylrecht muss in Brüssel einstimmig entschieden werden. Sie können das jederzeit durch Ihr Veto verhindern.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Sehr wahr!)

Ich fordere Sie nachdrücklich auf: Schaffen Sie keine vollendeten Tatsachen! Warten Sie die Ergebnisse der Beratungen über das Zuwanderungsgesetz ab! Oder besser: Beraten Sie dort in unserem nationalen Interesse! Andere Innenminister tun das ja in Brüssel auch.

   Ich habe sehr wohl mitbekommen, dass Herr Böse, der Innensenator von Bremen, Sie heute für Ihr gestriges Verhalten im Innenministerrat gelobt hat. Sie sehen: Große Koalitionen stimmen milde. Ich hoffe, dass Sie den Kollegen Böse auch in Zukunft nicht enttäuschen und uns, die CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auch nicht. Es darf nicht sein, dass wir hier monatelang über das Zuwanderungsgesetz streiten und Sie über die EU-Asylrichtlinie in Brüssel, wie gesagt, vollendete Tatsachen schaffen, also einen Weg gehen, der den Grünen und Sozialdemokraten vielleicht hilft, ihren Laden zusammenzuhalten, aber nicht den Menschen in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy (SPD): Das ist ja unglaublich! - Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum sind denn die anderen auch dafür?)

   Die Integrationbereitschaft in der deutschen Bevölkerung fördert man dadurch, dass Ausländer, die zu Unrecht nach Deutschland gekommen sind, unser Land auch wieder verlassen.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Es lebe der Holzschnitt!)

Das ist in der Praxis nicht der Fall. Nur 2 Prozent der Asylbewerber werden anerkannt, aber 90 Prozent bleiben hier. Diesem Problem müssen wir uns stärker widmen. Wir haben im letzten Jahr 71 000 Asylbewerber gehabt, aber 350 000 Menschen bekommen immer noch Geld aufgrund des Asylbewerberleistungsgesetzes - von den 230 000 Geduldeten, die ebenfalls Sozialleistungen erhalten, ganz zu schweigen. Anstatt die Rückführung von unrechtmäßig in Deutschland lebenden Ausländern zu verbessern, schaffen Sie die Duldung ab und geben ihnen eine Aufenthaltserlaubnis, die später die Abschiebung erschwert.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Doch nicht denen! - Dr. Michael Bürsch (SPD): Man muss das Gesetz schon kennen, Herr Grindel, wenn man darüber redet!)

Wir lehnen das ab, weil das nur einen neuerlichen Anreiz darstellt, hier zu bleiben und sich der Ausreisepflicht zu entziehen. Wir wollen nicht, dass das Austricksen von Behörden noch mit Aufenthaltsrecht und Sozialleistungen belohnt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): So unsinnig wie Sie hat noch keiner über das Gesetz geredet!)

   Wir sollten aus den Fehlern der Vergangenheit lernen.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Sehr wahr! - Sebastian Edathy (SPD): Vor allen Dingen Sie!)

Wir haben in der Hochphase des Asylbewerberzustroms 1992/1993 gemeinsam aus guten Gründen das Asylrecht geändert und den Missbrauch damit erheblich eingedämmt. Die Bundesregierung hat vorgestern im Innenausschuss mitgeteilt, dass die Zahl der Asylbewerber bisher im Jahr 2003 erneut um 24 Prozent zurückgegangen ist, wohlgemerkt - Herr Wiefelspütz, Sie nicken mit dem Kopf - aufgrund des alten Ausländer- und Asylrechts und nicht wegen des neuen Zuwanderungsrechts.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Das ändert doch nichts am Zugang der Asylbewerber!)

Wir wollen, dass es bei diesem alten Rechtszustand und den entsprechenden Ergebnissen bleibt.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Dabei bleibt es sowieso!)

   Bassam Tibi, der Reform-Muslim - so nennt er sich selbst -, sagt: Europa hat eine westliche Identität und darf nicht zum multiethnischen Wohngebiet werden.

(Sebastian Edathy (SPD): Was soll denn das? Unglaublich! „Multiethnisches Wohngebiet“!)

Muslimische Migranten sollten auf der Basis der europäischen Werte integriert werden und nicht die Bestrebung haben, Europa zu islamisieren.

(Sebastian Edathy (SPD): Das ist ja peinlich, was Sie machen!)

- Verzeihen Sie; Sie sollten, wenn ein Experte wie Bassam Tibi Ihnen so etwas auf den Weg gibt, Herr Edathy, das schon ernst nehmen.

   Innenminister Schily hat am 20. März in „ZDF-Spezial“ gesagt:

Da wir eine Demokratie sind, kann es nicht falsch sein, die Auffassung zu vertreten, die die Mehrheit unseres Volkes vertritt.

Das haben Sie damals auf eine andere Thematik bezogen, dennoch halte ich Ihnen diesen Satz heute entgegen; denn in Bezug auf das Zuwanderungsgesetz gilt er für unsere Haltung. Wir gehen mit großem Selbstbewusstsein in die weiteren Gespräche über das Zuwanderungsgesetz.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): Dagegen war der Bosbach liberal!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Grindel, eine Bemerkung zu Ihnen vorweg: Ich habe die ganze Zeit überlegt, was besser ist, ob Sie zu diesem Thema hier im Bundestag reden oder vor einem Millionenpublikum im öffentlich-rechtlichen Fernsehen auftreten. Ich bin zu dem Schluss gekommen: Eine Rede hier im Bundestag richtet nicht so viel Schaden an wie Ihre Argumente im öffentlich-rechtlichen Fernsehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) - Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Jetzt kommt die Friedenspartei PDS!)

   Nun zur Sache: Wir erleben heute den dritten Aufguss ein und derselben Debatte zu ein und demselben Gesetz. Auch die Pöbeleien der Opposition zur Rechten haben wir nun das dritte Mal hier gehört. Der Unterhaltungswert hält sich also in Grenzen. Das Ganze ist ein Ritual ohne erkennbaren Nutzen. Dabei sah es vor drei Jahren so aus, als wären wir uns einig, dass die Bundesrepublik ein übersichtliches, handhabbares und modernes Einwanderungsgesetz braucht.

   Gerade die Grünen hatten dies, ebenso wie die PDS, seit Jahren gefordert, doch Rot-Grün stand von Anfang an vor einer Gewissensfrage: entweder ein modernes Gesetz zu schaffen oder gemeinsame Sache mit der CDU/CSU zu machen. Sie haben sich mit Ihrem Gesetzentwurf schon in der vergangenen Legislaturperiode mit der Opposition zur Rechten gemein gemacht, allen voran Bundesinnenminister Schily. Er wird uns sicherlich gleich sagen, wie viele Anträge der CDU/CSU er in den Gesetzentwurf übernommen hat. Es gibt also kein modernes Gesetz und folglich wird die PDS im Bundestag auch heute Nein sagen.

   Die PDS hat sich von Anfang an für einen Paradigmenwechsel engagiert. Wir wollten ein Gesetz, das sich von menschenrechtlichen Ansprüchen und nicht von Kapitalverwertungsinteressen leiten lässt. Wir wollten ein Gesetz, das mit dem Bild vom Ausländer als Gast und Lückenbüßer für Arbeitsmarktengpässe sowie mit dem Bild vom Ausländer als potenzieller Bedrohung der inneren Sicherheit bricht. Wir unterteilen Migrantinnen und Migranten nicht in nützliche und weniger nützliche Menschen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Diese Leitlinien sind modern, sie waren aber nicht mehrheitsfähig. Stattdessen wird seit Jahren ein Trauerspiel mit wechselnden Kulissen gegeben. Mal muss der Bundestag dafür herhalten, mal der Bundesrat. Ein Meisterstück sieht anders aus.

   Nun haben wir in der gestrigen Debatte goldene Worte über die Europäische Union und ihre künftige Verfassung gehört. Die Krux ist nur: Mit diesem Einwanderungsgesetz bleiben Sie schon jetzt hinter Standards zurück, die Europa prägen werden. Das betrifft vor allem den humanitären Bereich, den Umgang mit Menschen in Not, mit Asylsuchenden und Flüchtlingen. Das ist ein Bereich, der Bündnis 90/Die Grünen einst besonders wichtig war. Nun vermisse ich, Herr Kollege Winkler, Ihre bürgerrechtliche Handschrift. Ich sage das auch mit Blick auf ein ganz aktuelles Problem, das Bleiberecht für Sinti und Roma.

   Die PDS im Bundestag hat heute zur abschließenden Lesung des Gesetzes noch einmal einen Änderungsantrag mit zahlreichen Vorschlägen vorgelegt. Dieser Antrag könnte das Gesetz - das gebe ich zu - auch nicht grundlegend verbessern, aber unsere Vorschläge sind ein Gradmesser, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, für Ihre Bereitschaft, wenigstens Schlimmeres zu verhindern. Unser Antrag zielt auf drei Punkte: Wir wollen hierzulande die Integration verbessern, wir wollen die Rechte von Menschen in Not stärken und wir wollen, dass internationale Normen in bundesdeutsches Recht übernommen werden.

Ein abschließendes Wort zur CDU/CSU: Ich kann Ihnen noch ein zweifelhaftes Kompliment machen: Sie haben sich von Ihren liberalen Mitgliedern in keiner Weise beirren lassen und sind in all den Debatten zum Zuwanderungsrecht erkennbar geblieben. Ein Zuwanderungsgesetz nach Ihrem Geschmack ließe sich eigentlich in zwei Sätzen zusammenfassen: Erstens gilt der Grundsatz: Ausländer stören. Zweitens gilt die Ausnahme: Wenn sie Geld in unsere Kassen spülen, dürfen sie willkommen sein.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Mit dem 21. Jahrhundert hat das wenig zu tun, allerdings das heute zur Abstimmung vorliegende Gesetz auch nicht.

   Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Herr Bundesinnenminister, Otto Schily.

(Beifall bei der SPD)

Otto Schily, Bundesminister des Innern:

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Kollegen! Ich habe hier eine einigermaßen interessante Debatte verfolgen dürfen. Aber es gibt auch ganz neue Aspekte, nämlich dass sich die Bemerkungen von Frau Pau von ganz links außen mit denen von Herrn Marschewski von ganz rechts außen treffen. Beide kritisieren - wenn auch zu Unrecht -, dass sich das Gesetz an den Kapitalverwertungsinteressen orientiere. Das ist schon eine interessante Erfahrung.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): „Ganz rechts außen“ ist ein bisschen hart!)

- Sie haben doch gesagt, wir würden uns zu sehr an der Wirtschaft orientieren.

   Deutschland braucht dringend ein neues Zuwanderungs- und Integrationsgesetz,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

das den Zuzug von Ausländern aus Nicht-EU-Staaten begrenzt und die Voraussetzungen für eine bessere Integration der dauerhaft und rechtmäßig hier lebenden Ausländer schafft. - Hier hätte ich jetzt eigentlich Beifall von der CDU/CSU erwartet,

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Wir entscheiden selber, bei wem wir klatschen! - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Wir sagen Ihnen zum Schluss Bescheid!)

denn das war ein Zitat aus einer Presseerklärung der Konferenz der innenpolitischen Sprecher der Unionsfraktionen von Bund und Ländern vom 2. April dieses Jahres. Aber vielleicht wollen Sie davon nichts mehr wissen. Damit erkennt auch die Union an, dass wir ein neues Zuwanderungsrecht brauchen.

(Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Aber ein gutes!)

Das war doch Ausgangspunkt für die Kommissionen, die auf allen politischen Seiten gebildet worden sind.

   Wir brauchen dieses neue Zuwanderungsrecht, weil im Bereich des Ausländerrechts dringender Reformbedarf besteht. Alle Klagelieder, die heute gesungen worden sind, unterstreichen das. Der Reformbedarf geht dabei über einzelne Änderungen des geltenden Rechts weit hinaus. Deutschland benötigt ein modernes aufenthaltsrechtliches Gesamtkonzept, wie es Michael Bürsch zu Beginn dieser Debatte richtig gesagt hat. Hierzu gehört vor allem die Gestaltung der Arbeitsmigration, der Integration und der humanitär begründeten Aufenthalte.

   Der von der Bundesregierung mit der Vorlage des Zuwanderungsgesetzes beschrittene Weg ist deshalb richtig; denn das Zuwanderungsgesetz stellt das erforderliche Gesamtkonzept dar, das mit einem umfassenden Ansatz sowohl die Zuwanderung aus wirtschaftlichen und humanitären Gründen als auch erstmals umfassend die Integration regelt.

(Beifall bei der SPD)

   Übrigens, Herr Kollege Marschewski, Integrationspolitik fängt bei der Wortwahl an. Wer Menschen, die zu uns gekommen und bei uns geblieben sind, als Daueranwesende bezeichnet, hat die Integrationspolitik schon im Ansatz verfehlt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Max Stadler (FDP))

   Das Zuwanderungsgesetz beseitigt bestehende Mängel des geltenden Rechts und legt gleichzeitig die Grundlagen für eine moderne Ausländerpolitik. Die Bundesregierung und hoffentlich auch der Bundestag sowie die Gremien, die im Folgenden darüber zu beraten haben, nehmen damit ihre politische Verantwortung wahr, die darin besteht, eine als notwendig erkannte Reform zum Wohle unseres Landes auf den Weg zu bringen.

   Ich möchte anerkennen, dass die FDP bei diesen Beratungen eine sehr konstruktive Haltung eingenommen hat. Das begrüße ich sehr.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Jetzt werden hier Noten verteilt!)

Herr Grindel - bevor Sie weiter dazwischen reden -, bemerkenswert ist, dass weder Sie noch Herr Marschewski noch Herr Bosbach ein Sterbenswörtchen zu dem FDP-Gesetzentwurf gesagt haben.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Das haben wir in der ersten Lesung getan!)

Das ist ganz interessant. Es kam nicht ein Sterbenswort, obwohl dieser Gesetzentwurf in weiten Teilen mit unserem Gesetzentwurf übereinstimmt. Es wäre interessant, zu fragen, was in den Koalitionskabinetten in Baden-Württemberg und Niedersachsen dazu gesagt werden wird. Ich gespannt, was da auf uns zukommt.

   Ich will mich nicht mit Einzelheiten dieses Gesetzentwurfs auseinander setzen. Er enthält einige interessante Anregungen. Herr Stadler, Sie haben, wie ich finde, eine sehr faire und vernünftige Rede gehalten.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist oberlehrerhaft!)

- Ist das oberlehrerhaft? Das ist meine Meinung. Herr Grindel, von Ihrer Rede kann ich das leider nicht sagen, sie war - auch das können Sie als oberlehrerhaft bezeichnen - miserabel. Die Rede von Herrn Stadler war wirklich gut.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

   Herr Stadler, ich muss allerdings eine sachliche Kritik anbringen. Ich halte eine Quote, die Sie gefordert haben - wir haben sie früher im Gegensatz zu Ihnen gefordert; das gebe ich ehrlich zu -, für kein vernünftiges Steuerungsinstrument. Das ist zu bürokratisch. Darüber werden wir dann im Vermittlungsausschuss zu reden haben.

   Interessant ist, dass es von der Union bisher kein umfassendes Gesamtkonzept gibt. Herr Grindel, Sie haben hier eben Klagelieder angestimmt. Manches, was Sie zu den Tatsachen gesagt haben, stimmt; das ist nicht zu leugnen.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Immerhin etwas!)

Es gibt Integrationsprobleme. Das wird keiner bestreiten, ich zuallerletzt. Genau das meinte ich, als ich von Überbeanspruchung gesprochen habe. Herr Grindel, Sie müssen das Interview im „Tagesspiegel“ übrigens ganz lesen, anstatt nur kleine Stücke herauszunehmen. Darin steht - das ist ganz interessant -, Zuwanderung sei auch aus wirtschaftlichen Gründen notwendig und wichtig für unser Land. Nur wer eine verstockte Gesellschaft will, der muss sich vor der Welt verschließen. In einer globalisierten Welt brauchen wir in unserem Land offene Türen, sonst werden wir auch in Europa nicht weiterkommen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

   Meine Damen und Herren, die von den Innenpolitikern auch der Union formulierten Ziele eines Zuwanderungsgesetzes, nämlich Zuzugsbegrenzung und bessere Integration, finden sich in § 1 unseres Gesetzentwurfes. Dort stehen alle Zielsetzungen, die ich im Übrigen für richtig halte. Dieser Paragraph ist sozusagen die Überschrift des gesamten Gesetzes. Die darin formulierten Ziele finden sich in den Instrumenten dieses Gesetzes wieder. Das Gesetz dient der Steuerung und der Begrenzung des Zuzuges von Ausländern in die Bundesrepublik. Es ermöglicht und gestaltet Zuwanderung unter Berücksichtigung der Integrationsfähigkeit sowie der wirtschaftlichen und arbeitsmarktpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Da ist alles drin!)

   Wer kann gegen ein Gesetz, das solche Ziele hat - wir können im Vermittlungsausschuss gerne darüber reden, ob es an der einen oder anderen Stelle Klärungsbedarf gibt -, Kritik üben? Zu § 1 dieses Gesetzentwurfes habe ich bisher keine Kritik gehört.

   Natürlich hat die Opposition das Recht, zu fragen, ob sich diese Ziele im Gesetz wiederfinden.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Richtig!)

Leider muss ich aber feststellen: Sie von der Union haben bisher dazu nicht viel Sachliches beitragen können. Stattdessen haben Sie sich auf eine brutale Desinformationspolitik versteift.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat Ihnen nicht die Regierung oder die Regierungskoalition ins Stammbuch geschrieben, sondern das ehemalige Mitglied Ihrer Fraktion, Frau Professor Süssmuth. Frau Süssmuth hat gesagt, sie habe in ihrer gesamten politischen Laufbahn noch kein Gesetz erlebt, über das von der Opposition - in dem Fall nur von der Union - so viel Falsches geredet worden sei. Nehmen Sie sich das einmal zu Herzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich habe ihr auch sofort widersprochen!)

   Herr Bosbach, Sie sind einer der Protagonisten, die diese Art von Politik am schärfsten betreiben.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Das ist längst überholt!)

Sie haben heute im Bundestag wie schon bei früheren Debatten durch das Zitieren eines Satzes aus der Begründung des Gesetzes, ohne den Zusammenhang darzustellen, versucht, den Eindruck zu erwecken, Ziel des Zuwanderungsgesetzes sei nicht die Begrenzung und die Steuerung der Zuwanderung, sondern ungehinderten Zuzug zu ermöglichen.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Wenn wir aus Ihrem Gesetz zitieren, rufen Sie Verleumdung!)

Sie selbst wissen am besten, dass das nicht stimmt. Sie haben einen Satz aus der Begründung zu den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 des Aufenthaltsgesetzes zitiert.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Richtig oder falsch?)

- Das sage ich gleich. Seien Sie nicht so ungeduldig!

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Sie können das ruhig sagen!)

- Warten Sie einen Moment! Haben Sie ein wenig Geduld!

   Der Satz lautet:

Zu den öffentlichen Interessen gehören im Gegensatz zum geltenden Ausländergesetz nicht länger eine übergeordnete ausländerpolitische einseitige Grundentscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der Anwerbestopp.

Dieser Satz - da haben Sie Recht, Herr Bosbach - steht in einer Passage der Gesetzesbegründung,

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Also! Das muss man doch zitieren dürfen!)

in der darauf hingewiesen wird, dass im Rahmen der Auslegung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland künftig nicht mehr eine einseitige - ich betone: einseitige Grundentscheidung der Zuwanderungsbegrenzung oder der Anwerbestopp zugrunde zu legen ist.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Also war mein Zitat richtig!)

   Nun lesen Sie den Begründungstext bitte weiter, dann kennen Sie die ganze Wahrheit - das schließt an die berühmte Einsicht von Hegel an, dass die Wahrheit das Ganze ist -:

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Hegel und Bosbach haben also Recht! Das ist eine schöngeistige Debatte!)
Stattdessen ist Ziel der Anwendung der ausländerrechtlichen Instrumentarien eine flexible und bedarfsorientierte Zuwanderungssteuerung. Dabei können je nach bestehender Zuwanderungs- und Integrationssituation Interessen der Zuwanderungsbegrenzung wie auch der gezielten Zuwanderung im Vordergrund stehen. Um die notwendige Flexibilität zu erhalten, erfolgt abgesehen von dem Interesse der Zuwanderungssteuerung keine übergeordnete Festlegung.

Das ist vernünftig, modern und das entspricht der gegebenen Situation.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Bosbach, Sie behaupten ferner, die Bundesregierung wolle den Anwerbestopp nicht teilweise, sondern generell aufheben. Die gleiche Behauptung haben Sie auch bei früherer Gelegenheit schon aufgestellt.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Weil es wahr ist! - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Das haben Sie selbst gesagt!)

Diese Behauptung ist schlichtweg falsch. Ich empfehle Ihnen die Lektüre des § 39 des Aufenthaltsgesetzes. In dieser Vorschrift wird das Zustimmungserfordernis der Bundesanstalt für Arbeit zur Ausländerbeschäftigung geregelt. In § 39 Abs. 4 des Aufenthaltsgesetzes steht:

Die Zustimmung zu einer Beschäftigung nach § 18, die keine qualifizierte Berufsausbildung voraussetzt, darf nur erteilt werden, wenn dies durch Rechtsverordnung oder zwischenstaatliche Vereinbarung bestimmt ist.

   Das bedeutet Folgendes: Der Anwerbestopp für gering qualifizierte Ausländer bleibt im Grundsatz bestehen.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Wo steht das im Gesetz?)

- Das habe ich Ihnen doch gerade gesagt.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Nein, das ist etwas völlig anderes!)

- Herr Bosbach, Sie können doch lesen. Sie müssen sich jetzt nicht mutwillig zu einem Legastheniker zurückentwickeln; das ist doch nicht notwendig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Jetzt ist aber mal gut! Was soll das denn jetzt? - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Das ist genau das Niveau, auf dem Sie sich wohl fühlen! Wenn Sie sich im Dreck suhlen können, sind Sie zu Hause!)

   Nur in Ausnahmefällen, die dann einer gesonderten Regelung bedürfen, kann die Arbeitsaufnahme zugelassen werden. Solche Ausnahmen gibt es aber auch schon jetzt, zum Beispiel für Schaustellergehilfen - dort können Sie sich auch einmal bewerben - und saisonale Erntehelfer.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die teilweise Aufhebung des Anwerbestopps bedeutet zudem nicht, dass für die davon betroffenen Beschäftigungsbereiche künftig eine allgemeine aktive Anwerbung stattfindet. Die teilweise Aufhebung des Anwerbestopps bedeutet auch nicht, dass künftig Arbeitskräfte unkontrolliert und ohne weiteres nach Deutschland kommen dürfen. Vielmehr haben wir hier eine systematische Neuordnung des Zugangs von ausländischen Arbeitskräften auf den deutschen Arbeitsmarkt vorgenommen, die von der Union bewusst - das muss ich immer wiederholen - falsch interpretiert wird.

   Die Neuordnung erlaubt eine streng am Bedarf orientierte marktwirtschaftliche Zulassung von Arbeitskräften. Durch Ihre Demagogie bilden Sie einen Gegensatz zwischen der Not der Arbeit Suchenden in Deutschland, die wir verdammt ernst nehmen,

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist aber die Realität, der Sie sich nicht stellen! Das ist doch die Konsequenz Ihres Gesetzes!)

und der Tatsache, dass wir der Wirtschaft an bestimmten Stellen, an denen es ihr dient, helfen wollen, dass Arbeit suchende Ausländer in Deutschland Arbeitsplätze finden können. Wir haben die entsprechende Regelung mit einem strengen und ausnahmslosen Vorrangprinzip verbunden. Sie wollen hier einen Gegensatz bilden. Das, was Sie wollen, verschlechtert die Situation in unserem Land und ist verantwortungslos.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP - Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Warum regen Sie sich denn so auf?)

- Ich habe Ihnen doch auch zugehört. Nun seien Sie einmal ein bisschen ruhig!

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Denken Sie mal an die arbeitslosen ausländischen Mitbürger!)

- Die Unruhe beweist mir, dass ich Recht habe.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Wer schreit denn hier am lautesten? - Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Und Ihre Rede beweist, dass Sie falsch im Amt sind!)

Sie haben sich wieder einmal mit § 20 des Aufenthaltsgesetzes beschäftigt. Herr Bosbach, es ist falsch, wenn Sie diesen Paragraphen immer auf die Demographie beziehen.

(Wolfgang Bosbach (CDU/CSU): Peinliches Gebrülle!)

Das ganze Zuwanderungsgesetz steht nicht unter dem Vorzeichen der demographischen Entwicklung. Dass Zuwanderung auch demographische Probleme mildern kann, stimmt. Aber ich persönlich habe nie gesagt, dass wir mit der Zuwanderung demographische Probleme lösen können. Das halte ich für illusionär.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Das machen Sie aber!)

   § 20 hat einen anderen Ansatz. Er ist einem Instrument aus Kanada nachgebildet, das dort mit Erfolg praktiziert wird. Dort orientiert man sich nicht immer an der Nachfrage, sondern auch an dem Angebot. Einem bestimmten Kreis ausgewählter und hoch qualifizierter Personen wird die Möglichkeit gegeben, sich einen für sie passenden Arbeitsplatz zu suchen. Das ist ein ganz anderer Ansatz. Unser Ansatz ist im Übrigen so beschaffen, dass er die Zustimmung von verschiedenen Seiten voraussetzt, sodass Sie sich wirklich keine Sorgen machen müssen. Herr Bosbach und Herr Marschewski, wenn Sie das Problem haben, dass der Bundesrat bei der Höchstzahl der Zuwanderung ein Wörtchen mitreden soll, dann kann ich Ihnen sagen: Es ist für mich die einfachste Übung, Ihnen das zuzugestehen. Wenn das Ihr Problem ist, dann können wir uns sehr schnell einigen.

   Ich darf noch einmal daran erinnern - das ist in dieser Debatte schon angesprochen worden -, dass dieser Gesetzentwurf in der Gesellschaft breite Unterstützung findet.

(Lachen der Abg. Dorothee Mantel (CDU/CSU))

- Darüber brauchen Sie nicht zu lachen, Frau Kollegin. Das ist so. Das können Sie nachlesen. Der Gesetzentwurf wird von den Gewerkschaftsverbänden, den Kirchen, aber auch von allen Wirtschaftsverbänden unterstützt. Frau Kollegin, es kommt nicht sehr oft vor, dass sowohl Gewerkschafts- als auch Wirtschaftsverbände zustimmen.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Das ist nichts Neues!)

- Das ist in dem klassenkämpferischen Ton von Herrn Marschewski eine zu starke Berücksichtigung der Wirtschaft, aber bitte schön.

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Ich bin und bleibe Arbeiter! Das wissen Sie! Das ist so!)

   Ich halte diese Zustimmung für eine gute Grundlage für ein solches Gesetz. Ich muss ehrlich sagen: Ich vertraue mehr dem Sachverstand der Wirtschafts- und der Gewerkschaftsverbände als

(Erwin Marschewski (Recklinghausen) (CDU/CSU): Vorsicht!)

der Meinung von Herrn Marschewski. Das kann aber jeder halten, wie er will.

   Herr Grindel, Sie haben die EU angesprochen. Sie müssen einmal klar machen, wer nun Recht hat: Herr Böse oder Sie. Das würde mich wirklich interessieren.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Beide!)

- Beide haben Recht? Das ist natürlich die interessanteste Lösung. Das erinnert mich an den ältesten Juristenwitz. Ein Referendar nimmt das erste Mal an einer Gerichtsverhandlung teil.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Der ist alt!)

Zuerst plädiert der Anwalt des Klägers. Daraufhin flüstert der Richter dem Referendar zu: Der Mann hat Recht. Anschließend hält der Anwalt des Beklagten ein furioses Plädoyer. Wieder flüstert der Richter dem Referendar zu: Der Mann hat Recht. Daraufhin ist der Referendar genauso verwirrt wie ich bei Ihrer Antwort.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Den Witz kenne ich!)

Der Referendar erklärt daraufhin dem Richter: Beide haben gegensätzliche Auffassungen vertreten. Sie können nicht beide Recht haben.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Der Witz ist einem Alterspräsidenten durchaus angemessen!)

Der Richter antwortet daraufhin dem Referendar: Da haben Sie nun auch wieder Recht.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD)

   Wenn Sie so Ihre Politik definieren wollen, Herr Grindel, dann können Sie das gerne machen. Aber Sie müssen sich über eines im Klaren sein: Die Uhren in Europa werden nicht nach deutscher Zeit gestellt.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Selbstverständlich!)

- Sie täuschen sich, Herr Grindel. - In Europa findet eine breite Debatte über diese Probleme statt. Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Politik nach europäischem Geist und nicht nach Ihrer muffigen und zurückgebliebenen Haltung zu diesem Thema gestalten. Darin dürfen wir nicht verharren. Diese Haltung können wir nicht übernehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir müssen eine europäische Diskussion führen. Dazu gehört auch die Frage des Staatsangehörigkeitsrechts. Ich verspreche Ihnen: Ich werde niemals die Hand dazu reichen, dass wir unser modernes, europäisches und offenes Staatsbürgerschaftsrecht wieder auf das völkische Denken zurückführen, das Sie noch immer repräsentieren. Das werde ich niemals zulassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Nun mal langsam!)

   Versuchen Sie, aus Ihrer Ecke herauszukommen!

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Dann steht die ganze Bevölkerung in der Ecke!)

Das ist die einzige Möglichkeit, die Sie haben.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Das wird leider nicht Realität werden!)

Sie müssen aufpassen, dass Sie dem gerecht werden, was von verschiedenen Seiten aus Ihren Reihen gesagt worden ist. Ministerpräsident Müller hat vor kurzem erklärt: Wir streben einen Konsens an. Wir brauchen ein Gesamtkonzept, das eben nicht nur die Integration und das Ausländerrecht betrifft, sondern die gesamte Steuerung der Zuwanderung. Dafür bedarf es eben einer anderen Qualität. Was wir heute haben - diese Zustände beklagen Sie ja, Herr Grindel -, ist ein Zuzug in die Sozialsysteme. Das Problem liegt nicht darin, dass Arbeitskräfte an der einen oder anderen Stelle aus dem Ausland zu uns kommen. Das ist sogar gut so, weil das die Wirtschaft belebt. Selbst die relativ bescheidene Zahl derjenigen, die in der IT-Technik zu uns gekommen sind, hat dazu geführt, dass die Zahl der Arbeitsplätze in diesem Bereich anstieg - im Gegensatz zu dem, was Sie immer behaupten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die sind doch ohne Zuwanderungsgesetz gekommen!)

   Deshalb: Versuchen Sie, auf einen Kompromiss zuzugehen, und füttern Sie bitte nicht das Gerücht, ein Kompromiss scheitere an unserem Koalitionspartner, Bündnis 90/Die Grünen.

(Clemens Binninger (CDU/CSU): Stimmt doch!)

Ich muss unserem Koalitionspartner ein großes Kompliment machen.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Die Betonung liegt auf „muss“!)

Die waren nun wahrlich auf der ganzen Linie kompromissbereiter und flexibler als Sie in auch nur einem einzigen Punkt, meine Damen und Herren von der Union.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie regieren ja auch zusammen!)

Nehmen Sie sich ausnahmsweise einmal ein Beispiel an den Grünen,

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was heißt hier „ausnahmsweise“?)

dann kommen wir weiter.

   Wie wollen Sie sich eigentlich mit der FDP einigen? Auch diese Frage müssen Sie einmal beantworten. Sie wollen doch irgendwann einmal, vielleicht in 20 Jahren, regieren. Dann müssen Sie aber sehen, wie Sie mit der FDP zurechtkommen.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das kriegen wir schon hin, keine Sorge!)

- Dazu habe ich aber heute keine einzige Silbe gehört, Herr Grindel. Da müssen Sie sich noch einmal besinnen.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Kommt Zeit, kommt Rat!)

   Das Wichtigste ist mir - das ist eine Bitte -: Verzichten Sie darauf, in der Bevölkerung Ängste zu schüren und die gesellschaftlichen Gruppen gegeneinander aufzuhetzen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie müssen die Sorgen der Menschen ernst nehmen!)

   Vielleicht darf ich auch diesen Punkt noch ansprechen: Ich durfte vor kurzem in der Unterkirche der Frauenkirche in Dresden eine sehr eindrucksvolle Veranstaltung miterleben, die vom „Bündnis für Demokratie und Toleranz - gegen Extremismus und Gewalt“ initiiert und dankenswerterweise vom ZDF und der Dresdner Bank mit gestaltet und wurde. Wir haben dort die Preise im Rahmen des Victor-Klemperer-Jugendwettbewerbes verliehen. Das Zuwanderungsgesetz ist ein Zukunftsgesetz. Deshalb hat, so finde ich, die Stimme der Jugend hier ein besonderes Gewicht. Wenn Sie einmal hören, wie unsere Jugend mit diesem Thema umgeht, dann werden Sie entdecken: Wir sind auf dem richtigen Weg und Sie müssen aus ihrer Ecke herauskommen. Das ist meine Überzeugung.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Norbert Geis.

(Beifall bei der CDU/CSU - Sebastian Edathy (SPD): Mal hören, was die Jugend sagt!)

Norbert Geis (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Minister, Sie legen dieses Gesetz zum zweiten Mal vor - völlig unverändert! Sie werfen uns Kompromisslosigkeit vor, aber haben in dieser Phase der Gesetzgebung nie auch nur den Versuch gemacht, mit uns einen Kompromiss zu schließen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lachen und Widerspruch bei der SPD)

Wir haben 120 Änderungsanträge vorgelegt. Sie haben sich nicht mit einem einzigen vernünftig und ernsthaft beschäftigt.

(Hans Georg Wagner (SPD): Wir haben sie alle gelesen!)

Das ist es, was die Bevölkerung draußen nicht versteht. Letzten Endes ist das auch eine Missachtung des Parlamentes.

   Sie können doch nicht einen Gesetzentwurf, der abgelehnt worden ist und von dem Sie wissen, dass er im Bundesrat nicht angenommen werden wird, hier wieder vorlegen und in der ursprünglichen Form durchpauken und uns dann Kompromisslosigkeit vorwerfen. Ist das Ehrlichkeit? So kann man mit der Opposition nicht umgehen. Sie können so auch nicht mit der Bevölkerung umgehen. Was soll denn die Bevölkerung von diesem Parlament halten? Wir reden hier zum zweiten Mal über einen Gesetzentwurf, von dem Sie wissen, dass er hier die Mehrheit bekommt, aber im Bundesrat abgelehnt werden wird. Dann wird er wahrscheinlich in den Vermittlungsausschuss kommen und dann ist dieses Parlament nicht mehr gefragt. Aber im Parlament müssen wir die Kompromisse schließen. Das haben Sie nicht versucht.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Geis, es besteht der Wunsch nach einer Zwischenfrage. Wollen Sie die zulassen? - Bitte.

Rüdiger Veit (SPD):

Herr Kollege Geis,

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Mitgliederbegehren!)

warum sprechen Sie hier wahrheitswidrig von Kompromisslosigkeit, wenn in Wahrheit im ersten Gesetzgebungsverfahren Rot-Grün in elf Punkten den Wünschen des Bundesrats, der von Ihnen dominiert war, nachgekommen ist? 16 Änderungsanträgen der CDU/CSU ist Rot-Grün im Innenausschuss nachgekommen. Hinzu kommen die vier Stolpe-Punkte, deren Erfüllung Ihr Parteikollege Herr Schönbohm zur Bedingung für die Zustimmung Brandenburgs im Bundesrat gemacht hat. Er hat leider an dieser Stelle sein Wort gebrochen. Warum verschweigen Sie dies? Warum sagen Sie wahrheitswidrig, wir seien nicht kompromissbereit? Wir waren es und das ist bereits ein Kompromiss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Wer ist denn „wir“? Das Mitgliederbegehren? - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Die Zwischenfrage ist eine Sauerei!)

Norbert Geis (CDU/CSU):

Das Verfahren im Bundesrat kam vor das Verfassungsgericht. Das Verfassungsgericht hat festgestellt, dass das Verhalten des damaligen Bundesratspräsidenten und das Verhalten der SPD-regierten Länder falsch und verfassungswidrig gewesen ist. Deswegen ist dieses Gesetz nichtig.

(Widerspruch bei der SPD)

Es ist nichtig, weil es nicht unserer Verfassung gemäß zustande gekommen ist.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was war mit dem Kompromiss?)

   Im Übrigen wäre es bei Beachtung des Art. 51 GG im Bundesrat gescheitert, weil die Mehrheit der CDU/CSU-regierten Länder auch nach den Änderungen im Bundesrat Nein gesagt hat.

   Wir haben aber jetzt das zweite Gesetzgebungsverfahren. Es geht jetzt nicht mehr um das Gesetzgebungsverfahren, das vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig bezeichnet worden ist, sondern es geht um das jetzige Gesetzgebungsverfahren.

(Rüdiger Veit (SPD): Warum beantworten Sie nicht meine Frage?)

- Warten Sie noch ein bisschen! - Sie haben in dem jetzigen Gesetzgebungsverfahren überhaupt keine Anstalten gemacht, über die Vorstellungen, die im Bundesrat geherrscht haben und die wir ins Parlament eingebracht haben in Form der 120 Änderungsanträge, zu diskutieren. Sie haben nicht ein einziges Mal Anstalten gemacht, auf diese Anträge einzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Deswegen werfe ich Ihnen vor: Sie machen heute eine große Schau; mehr ist es nicht. Sie missachten die Rechte und damit auch die Würde dieses Parlamentes. Das kann draußen niemand verstehen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Geis, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Stadler? - Bitte.

   Dann möchte ich doch, dass wir der Rede weiter zuhören.

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Sehr gut, Frau Präsidentin!)

Dr. Max Stadler (FDP):

Herr Kollege Geis, jedermann wird verstehen, dass Sie jetzt in dieser Lesung nicht einem Gesetzentwurf der Bundesregierung zustimmen, den Sie vor kurzem mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat noch abgelehnt haben. Aber sind Sie bereit, mir zuzugeben, dass jedenfalls auf meiner Tagesordnung, die ich vorliegen habe, heute nicht nur ein Gesetzentwurf der Bundesregierung, sondern auch ein Gesetzentwurf der FDP zur Debatte und Abstimmung steht, und wären Sie bereit, der deutschen Öffentlichkeit mitzuteilen, welche Anstrengungen Sie unternommen haben, mit der FDP hinsichtlich des Entwurfs zu einem Kompromiss zu kommen, den wir vorgelegt haben?

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Norbert Geis (CDU/CSU):

Lieber Herr Stadler, die Frage gebe ich natürlich zurück. Welche Anstrengungen haben Sie unternommen, um mit uns zu einem Kompromiss zu kommen? Das haben Sie nämlich auch nicht gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zurufe von der SPD: Oh!)

   Wir wollen hier keine Spiegelfechterei betreiben, sondern ich gebe Ihnen ohne weiteres zu: Es ist auch unsere Auffassung - deswegen haben wir 120 Änderungsanträge eingereicht -, dass die Zuwanderung in Deutschland besser regelbar ist, als es derzeit der Fall ist. Ich gebe Ihnen auch zu, dass in Ihrem Gesetzentwurf viele Ansätze sind, über die man ernsthaft diskutieren kann. Aber Sie kennen die Mehrheitsverhältnisse. Sie hätten die Frage, die Sie jetzt an mich gerichtet haben, viel eher an die SPD richten müssen, denn die hat die Mehrheit. Wenn Sie sich mit uns zusammentun, dann werden wir hier genauso scheitern. Das wissen Sie. Deswegen ist dies wohl auch eine nicht ganz ernsthafte, sondern eine eher spaßige Frage, die etwas Freude in den trüben Alltag bringt.

(Sebastian Edathy (SPD): Nein, das sind keine Späße! - Dr. Max Stadler (FDP): Das ist die entscheidende Frage!)

   Ich habe eben in meiner Antwort auf Herrn Stadler deutlich gemacht, dass es uns durchaus um eine Verbesserung der derzeitigen Regelungen im Ausländerrecht und damit auch im Zuwanderungsbereich geht. Dies stellt aber nicht die vorrangige Aufgabe dar. Vorrangig ist vielmehr die Integration. Das haben alle Redner unserer Fraktion betont. Die Integration scheint mir aber in den Gesetzentwürfen der Bundesregierung und der FDP nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt worden zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich wiederhole: Nicht die Zuwanderung ist der wichtigste Punkt, sondern die Integration. Die Zuwanderung muss sich nach der Integrationsfähigkeit unserer Bevölkerung richten.

   Der Herr Minister hat vorhin behauptet, dass die Jugend das Zuwanderungsgesetz befürworte. Mitnichten! Vielmehr ist eine überwältigende Mehrheit der deutschen Bevölkerung gegen die Zuwanderung.

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): So ist es!)

Warum denn? - Weil die Integrationsfähigkeit der deutschen Bevölkerung an einem Punkt angelangt ist, an dem sie leicht in eine sich selbst verstärkende Desintegration übergehen kann.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kommt von 16 Jahren verfehlter Integrationspolitik in Ihrer Regierungszeit!)

Das ist das Problem, das wir erkennen und mit dem wir uns beschäftigen sollten. Das ist bei dem vorliegenden Gesetzentwurf aber nicht geschehen.

   Auch wenn Sie noch so lange rechnen, werden Sie mit diesem Gesetz die Zuwanderung nicht begrenzen. Wie Sie es auch wenden, unterm Strich würde Folgendes herauskommen, wenn Ihr Vorhaben Gesetzeskraft erlangen würde:

(Hartmut Koschyk (CDU/CSU): Das wird nicht geschehen!)

Zurzeit gibt es eine Nettozuwanderung von 200 000 Personen im Jahr, und zwar nicht aus dem Bereich der Europäischen Union, sondern aus Nicht-EU-Staaten. Wenn das Gesetz in Kraft treten würde, würde die Zahl auf über 300 000 steigen. Das ist zu viel.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Was ist das für eine Berechnung?)

   Das war übrigens auch die Auffassung des Ministers. Er hat den Gesetzentwurf nur deshalb wieder vorgelegt, weil Sie mit Ihrem Koalitionspartner, der es ablehnt, das Vorhaben aufzugeben, in dieser Frage nicht zusammenarbeiten können. Das ist doch der eigentliche Grund für Ihre Unvernunft, denselben Gesetzentwurf zum zweiten Mal vorzulegen. Das liegt doch daran, dass Sie mit den Grünen nicht zurechtkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie müssen meiner Meinung nach den Schwerpunkt auf die Frage legen, wie die Integration bewältigt werden kann. Danach muss sich das Zuwanderungsgesetz richten.

(Sebastian Edathy (SPD): Was tun Sie denn dafür? Was ist denn Ihr Vorschlag?)

   Es wird auch weiterhin Zuwanderung geben. Sie wird in einem Rahmen von jährlich rund 200 000 Personen verlaufen. Es wird auch Zuwanderung aus den neuen EU-Staaten geben. Schätzungen belaufen sich auf 300 000 bis 400 000 Personen jährlich. Das wird aber kein Problem darstellen, weil diese Menschen aus unserem Kulturkreis kommen. Ihnen wird die Integration leichter fallen.

   Aber die Integration ist doch anerkanntermaßen schwierig - darüber müssen wir wohl nicht diskutieren -, wenn Menschen aus einem anderen Kulturkreis kommen. An dieser Stelle trifft das Zitat von Gustav Heinemann zu, der festgestellt hat: „Wir wollten Arbeitskräfte und es kamen Menschen“.

(Dr. Lale Akgün (SPD): Das war Max Frisch! - Dr. Michael Bürsch (SPD): Bildungslücke!)

- Nein, das ist von Gustav Heinemann, der es von Max Frisch übernommen hat. Sie können das nachlesen. Ich habe es nachgelesen und kann Ihnen die Quelle des Zitats zukommen lassen. Gustav Heinemann hat das Zitat übernommen. Wir müssen uns nicht darüber streiten. Das ist doch lächerlich.

(Dr. Lale Akgün (SPD): Ein Schweizer!)

- Ja, es stammt von Max Frisch. Aber es ist ein treffendes Wort.

   Menschen müssen immer im Kontext ihrer Herkunft, ihrer Kultur, ihren Wertmaßstäben und ihrer Geschichte gesehen werden. Die Integration ist insofern kein leichtes Geschäft. Sie muss nicht nur von denjenigen geleistet werden, die ins Land kommen, sondern auch von denen, die sie aufnehmen. Wenn zu viele Menschen aus anderen Kulturkreisen zu uns kommen, dann nimmt die Integrationsfähigkeit der aufnehmenden Bevölkerung immer mehr ab.

   Bekanntlich beträgt der Ausländeranteil an der Einwohnerzahl Münchens 22 Prozent; in Hamburg sind es 16 Prozent, in Berlin 13 Prozent. Die Ausländer bewohnen dort Quartiere, wo sich die deutsche Bevölkerung zurückzieht, weil die Deutschen dort Angst haben, in ihrer Mitte als Fremde zu erscheinen.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Angst schüren Sie doch!)

Auch unter Deutschen macht sich Angst breit. Deswegen lehnen doch weit mehr als 80 Prozent der deutschen Bevölkerung eine weitere Zuwanderung ab, weil sie Angst hat, ihre Identität zu verlieren.

(Sebastian Edathy (SPD): Weil sie von Ihnen in die Irre geführt werden mit Ihrer Demagogie!)

Das muss man sich vor Augen halten, wenn man sich ernsthaft mit dem Gelingen der Zuwanderung auseinander setzt.

   Es geht darum, die Integrationsfähigkeit unserer Bevölkerung zu erhalten. Das geht nur, wenn wir versuchen, die Zuwanderung ernsthaft zu begrenzen. Diese Begrenzung leistet der Gesetzentwurf nicht. Deswegen haben wir die 120 Änderungsanträge eingebracht und deswegen müssen wir den Gesetzentwurf ablehnen.

Vielleicht wird es einen Kompromiss im Vermittlungsausschuss geben, vielleicht aber auch nicht. Es wäre jedenfalls nicht schlimm, wenn der vorliegende Gesetzentwurf scheitern würde; denn wir brauchen ein Integrationsgesetz. Wir müssen ernsthafter und in viel stärkerem Maße als in der Vergangenheit die Integration der bei uns lebenden und der zu uns kommenden Ausländer vorantreiben. Sonst werden wir den Frieden in unserem Land nicht erhalten können.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Warum haben Sie das nicht 1983 gemacht?)

Es geht letztendlich um die eigene Existenz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es geht um eine friedliche Gesellschaft.

(Josef Philip Winkler (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das fällt Ihnen aber erst in der Opposition ein!)

Wir dürfen uns nicht nur mit der Lösung von Konflikten beschäftigen. Wir haben andere Aufgaben in dieser Gesellschaft zu bewältigen, die schwierig genug sind. Wenn noch Konflikte hinzukommen, dann wird das nicht zu schaffen sein.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Geis, kommen Sie bitte zum Schluss.

Norbert Geis (CDU/CSU):

Wir werden erleben, dass der vorliegende Gesetzentwurf im Bundesrat scheitert.

(Zuruf von der SPD: Schluss!)

Es wird dann im Vermittlungsausschuss viele Beratungen geben. Es kann durchaus sein, dass der Entwurf auch dort scheitert. Das wäre kein Unglück. Wir werden uns auf jeden Fall in stärkerem Maße um ein Integrationsgesetz bemühen. Das ist, wie ich meine - ich wiederhole das -, die eigentliche Aufgabe der Ausländerpolitik.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zuwanderungsgesetzes. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/955, den Gesetzentwurf anzunehmen.

   Es liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag auf Drucksache 15/961? - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der Abgeordneten Pau und Lötzsch abgelehnt worden.

   Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU sowie der beiden fraktionslosen Abgeordneten bei Enthaltung der FDP angenommen worden.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen worden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Abstimmung über den von der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurf eines Zuwanderungssteuerungs- und Integrationsgesetzes. Der Innenausschuss empfiehlt unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/955, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf der FDP zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses gegen die Stimmen der FDP abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.

   Ich rufe den Zusatzpunkt 15 auf:

Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Neuregelung des Schutzes von Verfassungsorganen des Bundes

- Drucksache 15/805 -
(Erste Beratung 40. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung
(1. Ausschuss)

- Drucksache 15/969 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dr. Dieter Wiefelspütz
Abg. Thomas Strobl (Heilbronn)
Abg. Volker Beck (Köln)
Abg. Jörg van Essen

   Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine halbe Stunde vorgesehen. - Es gibt offensichtlich keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und gebe als Erstem das Wort dem Abgeordneten Dr. Dieter Wiefelspütz.

(Unruhe)

- Einen Moment noch, Herr Wiefelspütz. Liebe Kolleginnen und Kollegen, bitte setzen Sie sich oder, wenn Sie der Debatte nicht folgen wollen, verlassen Sie rasch den Plenarsaal, damit wir fortfahren können.

   Ich glaube, Sie können jetzt beginnen, Herr Wiefelspütz.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 14. Sitzung - wird am,
Montag, den 12. Mai 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15044
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