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15. Wahlperiode
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   46. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 22. Mai 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Der Kollege Willy Wimmer feierte am 18. Mai seinen 60. Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich ihm nachträglich sehr herzlich.

(Beifall)

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung zu erweitern. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Sofortiger Beginn der Strukturreformen auf dem Arbeitsmarkt, in der Finanz-, Haushalts- sowie Sozialpolitik angesichts wegbrechender Steuereinnahmen, dramatischer Arbeitslosenzahlen und der Nichteinhaltung des Europäischen Stabilitätspakts (siehe 45. Sitzung)

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umfassende Politik für Verbraucher - weg von einem engen Aktionsplan zum Schutz der Verbraucher - Drucksache 15/1001 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus

ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Mauteinführung in Deutschland am 31. August 2003 und Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen - Drucksache 15/1023 -

ZP 4 Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen (Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaftsgesetz - VIFGG) - Drucksachen 15/199, 15/416, 15/863, 15/998 -

Berichterstattung:
Abgeordnerter Ludwig Stiegler

ZP 5 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 12.)

Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht - Drucksache 15/996 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

   Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, haben wir einen Geschäftsordnungsantrag zu behandeln. Die Fraktion der FDP hat fristgerecht beantragt, die heutige Tagesordnung um die Beratung ihres Antrags mit dem Titel „Regierung muss Haushaltssicherungsgesetz vorlegen“ zu erweitern.

   Das Wort zur Geschäftsordnung hat der Kollege Jürgen Koppelin, FDP-Fraktion.

Jürgen Koppelin (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In dieser Geschäftsordnungsdebatte beantragt die Fraktion der Freien Demokratischen Partei, dass ihr Antrag, in dem die Bundesregierung aufgefordert wird, ein Haushaltssicherungsgesetz vorzulegen, heute auf die Tagesordnung gesetzt wird.

   Es ist ein Skandal, dass wir diesen Antrag überhaupt stellen müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD)

Aber die Horrormeldungen über den Bundeshaushalt 2003 nehmen kein Ende und die Bundesregierung, vor allem aber der Bundesfinanzminister, sehen tatenlos zu. Darüber hinaus ist es ein Skandal, dass Entscheidungen dieser Regierung anscheinend nicht mehr im Kabinett getroffen werden, sondern nur noch auf Sonderparteitagen.

   Die Steuerschätzungen sagen für dieses Jahr Mindereinnahmen von etwa 7 Milliarden Euro voraus. Die Bundesanstalt für Arbeit braucht einen Zuschuss von weiteren 7 Milliarden Euro. Die Mehraufwendungen für die Arbeitslosenhilfe werden auf 3 Milliarden Euro geschätzt. Die geplanten Einnahmen von 2,3 Milliarden Euro, die durch die Steueramnestie hereinkommen sollten, werden ebenfalls nicht realistisch sein. Alles zusammen ergibt eine Haushaltslücke von circa 20 Milliarden Euro.

   Das ist dem Bundesfinanzminister bekannt. Zumindest seit der katastrophalen Steuerschätzung hätte er aktiv werden müssen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Doch statt selber aktiv zu werden, überlässt er seiner Partei, der SPD, eine chaotische Diskussionen über die Erhöhung der Erbschaftsteuer, der Vermögensteuer und der Mehrwertsteuer. Er selber schweigt zu alldem. Dieser Bundesfinanzminister präsentiert sich, wie wir es gestern erlebt haben, in Hilflosigkeit und Ratlosigkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Er verweigert die Diskussion im Parlament. Die eigene Koalition versteckt ihn sogar, wie wir ebenfalls gestern erleben durften.

   Die Fraktion der FDP hat Anfang Februar in einem Antrag verlangt, dass der Bundeshaushalt 2003 überarbeitet werden muss, da die Risiken schon damals bekannt waren. Sie von der Koalition haben diesen Antrag abgelehnt und haben ihn eine Posse genannt. Heute rächt sich die Arroganz der Macht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Haushaltspolitisch reagieren Sie nach dem Motto „Augen zu und durch“. Das Ziel, zu sparen und im Jahr 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen - das waren vollmundigen Versprechen -, haben Sie inzwischen aufgegeben. Die Maastricht-Kriterien werden Sie - das wissen Sie genau - ebenfalls nicht einhalten. Es hilft nur noch eine haushaltspolitische Vollbremsung. Diese ist nur durch ein Haushaltssicherungsgesetz zu erreichen. Nur so können Sie den Bundeshaushalt 2003 überhaupt wieder in den Griff bekommen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, es führt kein Weg daran vorbei: Sie werden bei Leistungsgesetzen Eingriffe vornehmen und außerdem bei allen Subventionen kürzen müssen. Die FDP ist bereit, Sie dabei zu unterstützen.

(Jörg Tauss (SPD): Ja, ja!)

Dazu gehört allerdings, Herr Kollege Tauss, dass Sie endlich ein Haushaltssicherungsgesetz vorlegen, wie wir es heute verlangen. Wenn Sie nicht sofort eine Vollbremsung beim Bundeshaushalt 2003 machen - Sie sollten also genau überlegen, wie Sie sich heute entscheiden -, werden Sie gegen Art. 115 unserer Verfassung verstoßen. Insofern sollten Sie sich wirklich überlegen, ob Sie heute dazwischenkrakeelen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die Fraktion der FDP hat mit Interesse zur Kenntnis genommen, dass es auch aus den Reihen der Grünen Stimmen dafür gibt, ein Haushaltssicherungsgesetz vorzulegen. Wenn die Abgeordneten der Grünen, die das gefordert haben, heute mit uns stimmen, dann haben wir die Mehrheit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich wiederhole: Die Fraktion der FDP ist bereit, Entscheidungen zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes mitzutragen und Sie dabei zu unterstützen. Sie müssen aber endlich Vorlagen hier im Parlament einbringen.

(Jörg Tauss (SPD): Ja, ja!)

Zur Konsolidierung des Bundeshaushaltes 2003 bedarf es daher eigentlich nur zweier Maßnahmen:

   Erstens. Die Bundesregierung muss sofort ein Haushaltssicherungsgesetz vorlegen.

   Zweitens. Der Bundesfinanzminister muss zurücktreten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das hatten wir doch gestern schon! Jeden Tag das gleiche. Das ist abgedroschen!)

   Wer unsere Forderung nach einem Haushaltssicherungsgesetz heute ablehnt, der muss seine eigenen Alternativen hier und heute auf den Tisch legen

(Joachim Poß (SPD): Sie sind geistig total schwach!)

und der nimmt einen Verstoß gegen das Grundgesetz bewusst in Kauf.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Alles alte Hüte! Sie werden auch durch Wiederholung nicht besser!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Walter Schöler, SPD-Fraktion, das Wort.

Walter Schöler (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer hier und heute einen Antrag vorlegt, der sollte auch seine eigenen Konzepte vorlegen. Sie haben aber keine. Das ist das Problem, das Sie haben.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei der FDP)

   Deshalb will ich es gleich an den Anfang setzen: Unsere Fraktion lehnt es ab, heute hier im Bundestag über den FDP-Antrag zur Vorlage eines Haushaltssicherungsgesetzes zu diskutieren. Es ist nämlich keineswegs so, dass die Staatsfinanzen aus dem Ruder laufen.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP - Hans Michelbach (CDU/CSU): Ihr kneift! Ihr seid schon untergegangen und ersoffen!)

- Ihr Lachen gilt wahrscheinlich noch dem Kollegen Koppelin. - Ich weiß - niemand von uns bestreitet das -, dass wir infolge der wirtschaftlichen Situation vor erheblichen Problemen stehen. Gestern Mittag haben wir bereits über die Ursachen gesprochen, weshalb ich diese nicht wiederholen will. Diese Ursachen liegen im Wesentlichen in der Politik der Vergangenheit, die Sie betrieben haben.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich will Ihnen sagen: Gemeinsam mit der rot-grünen Koalition wird die rot-grüne Bundesregierung die anstehenden Probleme lösen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das Problem sind Sie selbst!)

   Alle Institute, der Sachverständigenrat und internationale Organisationen haben hinsichtlich ihrer Prognosen der wirtschaftlichen Entwicklung in etwa auf der gleichen Linie gelegen, die sich auch die Bundesregierung zu Eigen gemacht hat. Die Bundesregierung hat zum Zeitpunkt der Verabschiedung des Haushaltes 2003 keine geschönte, sondern eine realistische Prognose vorgelegt, die sich auch die Koalition bei der Verabschiedung zu Eigen gemacht hat. Es wurde also nichts beschönigt und es wurde auch nicht getäuscht. Auf diese Feststellung lege ich allergrößten Wert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Gemäß ihrem Antrag will die FDP die Bundesregierung heute auffordern, ein Haushaltssicherungsgesetz vorzulegen. Ich will gar nicht näher darauf eingehen, dass es diesen Begriff im Haushaltsrecht gar nicht gibt; das wissen auch Sie.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Ach Gott!)

   In der Finanzverfassung und im Haushaltsrecht ist jedenfalls eindeutig festgelegt, dass die so genannte Budgetinitiative ausschließlich bei der Bundesregierung und insbesondere beim Bundesfinanzminister liegt.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Er macht aber doch nichts!)

Nach den rechtlichen Regelungen ist es völlig klar, dass hier die Bundesregierung am Zuge ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

- Klatschen Sie mir ruhig lauter Beifall. Ich stelle fest, dass ich selten so viel Beifall von Ihnen bekommen habe wie gestern und heute. Das ist ein Zeichen dafür, dass Sie auf den Weg der Vernunft zurückkehren.

(Heiterkeit bei der SPD)

   Der von Hans Eichel angekündigte Nachtragshaushalt 2003 wird kommen. Ich füge hinzu: Wir gehen davon aus, dass dies im Herbst der Fall sein wird.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Wenn es zu spät ist! - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Nein, jetzt!)

- Dann ist es eben nicht zu spät. - Daneben wird die Bundesregierung den Entwurf des Haushaltes 2004, den das Kabinett am 25. Juni beschließen wird, planmäßig vorlegen. Wie die Bundesregierung diese beiden Entwürfe gestaltet, liegt nach der Verfassung zunächst einmal in ihrer eigenen Gestaltungshoheit. Erst danach entscheidet das Parlament abschließend.

   Dazu gehört auch die Frage, ob die Regierung mit einem begleitenden Artikelgesetz, das Sie wahrscheinlich unter dem Begriff Haushaltsicherungsgesetz verstehen, bestehende Leistungsgesetze ändern will. Die Kompetenzzuordnung ist jedenfalls rechtlich eindeutig und deshalb lehnen wir es ab, den Antrag der FDP heute auf die Tagesordnung zu setzen und zu debattieren.

   Aber, meine Damen und Herren von der Opposition, ich fordere Sie gleichzeitig auf - das gilt für beide Oppositionsparteien gleichermaßen -, doch Ihrerseits einen Gesetzentwurf vorzulegen und konkret darzulegen, wie Sie das gerade vom Kollegen Koppelin angesprochene Haushaltsloch in Höhe von 20 Milliarden Euro stopfen wollen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Dann brauchen wir erst mal ehrliche Zahlen!)

Sagen Sie doch jetzt einmal den Bürgern, was Sie wollen! Sie machen das doch gar nicht. Sagen Sie ihnen, was Sie wegnehmen wollen!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn ich Ihren Antrag richtig verstehe, dann wollen Sie 20 Milliarden Euro einfach einsparen. Dann müssen Sie den Bürgern sagen, dass das bei der nächsten Rentenanpassung mindestens 5 Prozent weniger ausmacht. Sagen Sie, dass Sie an die Renten herangehen wollen! Sagen Sie, in welcher Höhe Sie das Arbeitslosengeld kürzen wollen! Sagen Sie, dass Sie an die Sonntags- und Nachtzuschläge herangehen wollen oder ob Sie sie streichen wollen! Wo wollen Sie sonst Einschnitte machen?

(Jürgen Koppelin (FDP): Was wollt ihr denn machen?)

   Es bedarf keiner hellseherischen Gaben, um voraussagen zu können, dass Sie ein solches Konzept nicht haben und keines vorlegen werden. Die Unionsparteien sind in diesen Fragen so zerstritten, dass sie es gar nicht könnten.

   Ich fordere Sie deshalb auf, auch wenn Sie die Mehrheit im Bundesrat haben, wenigstens künftig konstruktiv bei der Sanierung der Staatsfinanzen mitzuwirken, statt wie bisher, zum Beispiel beim Steuervergünstigungsabbaugesetz, eine reine Blockadepolitik zu betreiben.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Dann setzen Sie das doch auf die Tagesordnung!)

Sie sind nicht bereit, etwas zu machen. Wir haben gestern festgestellt, dass den Gemeinden durch diese Blockadepolitik in den nächsten vier Jahren 6,1 Milliarden Euro fehlen werden.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ihre Zeit ist um!)

Dieses Geld wird auch den unionsgeführten Ländern fehlen. Deren Finanzminister haben längst die möglichen Einnahmen aus diesem Gesetz in ihren Länderhaushalten eingeplant, haben aber andererseits in doppelzüngiger Weise die Blockadepolitik im Bundesrat betrieben.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Schöler, Sie müssen zum Ende kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Walter Schöler (SPD):

Meine Damen und Herren von der Opposition, Sie sind die Blockierer, Sie sind diejenigen, die die Menschen täuschen und ein schäbiges Verwirrungsspiel betreiben. Die Menschen merken das langsam.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Ja, ja! Abtreten!)

Sie werden Ihnen Ihre Täuschungs- und Verwirrungspolitik nicht mehr abnehmen. Wir lehnen den Antrag heute auf jeden Fall ab.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Dietrich Austermann, CDC/CSU-Fraktion.

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was der Kollege Schöler eben von sich gegeben hat, war eine Bankrotterklärung. Er hat gesagt: Wir sitzen hier angesichts dieser Situation und warten darauf, dass die Regierung etwas tut. Das muss man sich vor Augen führen. Unser Land wurde in die Rezession regiert. Seit drei Jahren geht es abwärts.

(Widerspruch bei der SPD - Walter Schöler (SPD): Von Ihnen! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Lächerlich! Von Helmut Kohl!)

   Das Jahr 2003 ist das Jahr der Negativrekorde, und zwar bei der Arbeitslosigkeit und bei der Nettoneuverschuldung. Man muss sich einmal das Verfahren vor Augen führen. Der Bundeskanzler versucht auf einer Regionalkonferenz, seine müden Truppen hinter sich zu scharen. Er erklärt da so nebenbei, dass die Neuverschuldung doppelt so hoch sein wird, wie im Haushalt vorgesehen. Offensichtlich ist für eine solche Ankündigung die Regionalkonferenz das geeignete Gremium. Aber im Bundestag soll darüber nicht diskutiert werden, in welcher Situation sich das Land befindet und welche Maßnahmen geeignet sind, um das Land aus dieser Situation herauszuführen. Das ist ein unglaublicher Sachverhalt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben schon gestern in der Aktuellen Stunde gesagt, - ich wiederhole es heute -, dass sich das Land in einer schlimmen Finanzkrise befindet. Sie haben gefragt, was getan werden muss. An den Umfragen sieht man, dass zunächst Vertrauen in das wieder hergestellt werden muss, was die Regierung tut. Wenn die Betriebe und Unternehmer kein Vertrauen in die Regierung haben, dann werden sie nicht investieren. Die Menschen halten ihr Geld zurück und es ist Angstsparen angesagt. Dann wird nichts mehr getan, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Tun Sie etwas dafür, dass die Menschen wieder Vertrauen in eine verlässliche Regierungspolitik haben können! Dafür brauchen Sie keinen einzigen Euro zu bewegen. Es muss klare Entscheidungen geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie haben die Finanznot der Gemeinden erwähnt. Die 6 Milliarden Euro, die Sie den Gemeinden versprechen, stehen in den Sternen. Ihre Ankündigung ist nicht sehr glaubwürdig, nachdem Sie vorher die Gemeinden ausgeplündert haben.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben die Gemeinden so ausgeplündert, wie Sie die Staatskasse ausgeplündert haben. Wenn Sie wissen wollen, was an Tafelsilber noch da ist, das für eine Privatisierung geeignet wäre, um Haushaltslöcher zu stopfen, dann muss ich Ihnen sagen: Da ist nichts mehr, alles ist weg. Alles ist durch eine Privatisierung mit der Brechstange ausgeplündert. Die Gemeinden spüren das als Erste. Es werden auch die Länder spüren, die in diesem Jahr ebenso wie der Bund zum großen Teil verfassungswidrige Haushalte vorlegen müssen. Es spüren die Menschen in ihrem Portemonnaie. Das Land wird kaputtgewirtschaftet.

   Lassen Sie mich etwas zu der Dimension sagen, die die Stimmungslage inzwischen erreicht hat. Ein großes Magazin hat in dieser Woche getitelt: „Stunde der Wahrheit im Land der Lügen“. So wird die Regierung beschrieben. Darunter ist der Bundesadler.

(Joachim Poß (SPD): Sie sind der größte Heuchler, der hier rumrennt!)

Sie haben uns jahrelang mit falschen Angaben über die Haushaltsdaten zu täuschen versucht. Ich habe im Herbst 2000 gesagt, dass wir vor einer konjunkturell schwierigen Lage stehen. Ich habe von dunklen Wolken am Konjunkturhimmel gesprochen. Sie haben das als Katastrophenmalerei bezeichnet. Es ist aber genau so gekommen, wie wir es vorhergesagt haben.

   Genauso haben wir 1998 vor der Bundestagswahl gesagt, dass die Investitionen zurückgehen und die Arbeitslosigkeit steigt, wenn die SPD an die Regierung kommt. Genau das ist eingetreten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der alte Spruch ist gerechtfertigt und heute für jedermann nachzuvollziehen: Die Sozis können mit Geld nicht umgehen. Sie demonstrieren das jeden Tag.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das gilt in gleicher Weise für die Grünen, die versuchen, sich ein bisschen abzugrenzen.

   Der Finanzminister kneift in dieser Situation. Jetzt ist er zwar da und hält sich für mutig, weil er gekommen ist. Aber er könnte sich auch äußern und eine Regierungserklärung abgeben. Das tut er jedoch nicht, sondern er kneift. Wo bleibt denn die Regierungserklärung zu den Maßnahmen, die getroffen werden müssen, damit unser Land wieder vorankommt?

   Wir haben eine klare Perspektive. Die erste Maßnahme, die getroffen werden muss, ist ein Kassensturz, und zwar nicht mit geschönten, sondern mit ehrlichen Zahlen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sehr richtig!)

   Zweitens ist eine Haushaltssperre notwendig. Aber inzwischen darf sich jeder zulasten des Finanzministers delektieren. Herr Trittin darf feststellen, das gehe so nicht weiter; man könne jetzt nicht mehr einsparen. Ulla Schmidt sagt ebenfalls, das gehe nicht. Herr Müntefering sagt: „Hans, nun ist mal gut!“ Andere, darunter der Bundeskanzler, äußern sich ähnlich. Der Finanzminister wird in dieser Situation nicht mehr ernst genommen. Es ist klar, dass er keine Regierungserklärung abgeben möchte, weil er nicht weiß, ob das, was er ankündigt, anschließend auch von den anderen mit getragen wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deswegen meinen wir, es ist an der Zeit, dass der Finanzminister seinen Hut nimmt.

   Sie erinnern sich vielleicht daran, dass es vor der Bundestagswahl vor etwa einem Jahr ein buntes Plakat gab, auf dem Franz Müntefering und Hans Eichel zusammen mit vier Pfeilen, die nach oben zeigten, abgebildet waren. Hans und Franz haben danach behauptet: Es geht aufwärts.

   Die heutige Situation zeigt, dass Hans und Franz gescheitert sind, dass es nicht aufwärts, sondern abwärts gegangen ist, dass die Entwicklung die falsche Richtung eingeschlagen hat und dass eine Kurskorrektur notwendig ist. Wir brauchen jetzt einen Nachtragshaushalt und ein Haushaltsstrukturgesetz. Denn mit der Beschränkung auf Einsparungen bei nicht gesetzlichen Leistungen ist es längst nicht mehr getan. Es wird eine bittere Zeit auf unser Land zukommen. Das haben Sie verursacht und zu vertreten.

   Um mit Franz Müntefering zu enden - ich bitte die Kollegen meiner Fraktion, das zu entschuldigen -, der gesagt hat „Hans, jetzt ist mal gut!“, sagen wir zum Abschluss: Hans, jetzt ist mal gut! Nimm Deinen Hut!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Tat ist die Haushaltsentwicklung im Jahr 2003 sehr schwierig. Wir haben auch gestern im Haushaltsausschuss gemäß der Absprache mit der Opposition sehr lange mit dem Finanzminister diskutiert. Das darf vielleicht heute einmal festgestellt werden und das war auch notwendig.

   Seit der Steuerschätzung, aber im Grunde schon seit dem Beschluss des Haushalts 2003 im Parlament haben wir zugeben müssen, dass die Risiken für diesen Haushalt im zweistelligen Milliardenbereich liegen können. Sie wissen, dass die Steuereinnahmen um 3,5 Milliarden Euro - die Zahl kann noch steigen - geringer ausfallen werden, als im Haushalt veranschlagt wurde, und dass insbesondere die Ausgaben im Bereich des Arbeitsmarktes eine Summe von 10 Milliarden Euro erreichen und damit höher ausfallen können als geplant. Das ist insofern im Antrag der FDP korrekt beschrieben; darüber muss wohl nicht gestritten werden.

(Ulrich Heinrich (FDP): Aha! Was ist zu tun?!)

   Die Frage ist aber: Was ist zu tun? Sie schlagen ein, wie ich glaube, untaugliches Mittel vor. Wir von den Grünen halten mehrheitlich dieses Mittel nicht für richtig. Man kann zwar darüber diskutieren; aber wenn man das Wort Vertrauen in den Mittelpunkt der aktuellen politischen Herausforderung stellt, wie es der Kollege Austermann getan hat, dann möchte ich Ihnen eines entgegenhalten: Im Mai eines Jahres 20 Milliarden Euro im Haushalt einzusparen, obwohl die Ursache für die Haushaltskrise in der wirtschaftlichen Schwäche liegt - -

(Abg. Jürgen Koppelin (FDP) zeigt auf Bundesminister Hans Eichel)

- Sie können gerne auch noch auf uns zeigen. Sie müssen sich aber trotzdem fragen, ob das von Ihnen vorgeschlagene Mittel tauglich ist, Herr Koppelin. Es wirkt kontraproduktiv.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ihr Mittel vertieft die Vertrauenskrise, weil es im Bereich von Investitionen, Innovationen und Forschungsentwicklungen vieles abrupt abbrechen würde, wenn wir mitten im Jahr mit dem Sparhammer zuschlügen. Hinsichtlich all der Menschen, die Sie in Ihrem Antrag nennen, kann man sicherlich feststellen: Denn sie wissen nicht, was sie täten. Ich glaube nicht, dass sie andernfalls noch alle darauf stünden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Das müssen Sie doch gerade in einer ernsten Haushaltslage zugestehen.

   Legen Sie einen ernst gemeinten Antrag vor! Ich glaube, Ihr vorliegender Antrag ist das nicht. Sie verweisen zwar auf ein Problem, das wir haben; aber er beinhaltet keine Lösungsvorschläge.

   Ich sage das so deutlich für die Grünen, weil Sie behauptet haben, Herr Austermann, wir versuchten, uns abzusetzen. Nein, wir versuchen nicht, uns abzusetzen; vielmehr haben wir schon vor Beschluss des Haushalts 2003 festgestellt, dass wir in sehr vielen Bereichen die Haushaltsmittel sehr wohl knapp bemessen und Einsparungen vorgenommen haben. Sie wollten immer noch etwas mehr drauflegen. Wir aber haben gesagt: Dieser Rahmen gilt; wenn die wirtschaftliche Entwicklung jedoch weiter stagniert - wir haben im ersten Quartal dieses Jahres sogar eine rückläufige Entwicklung zu verzeichnen -, kann dem nicht mit einem so hohen Volumen von 10 Milliarden Euro und mehr sozusagen hinterhergespart werden; das würde die labile konjunkturelle Situation noch stärker abwürgen. Fragen Sie die Wirtschaftspolitiker in Ihren eigenen Reihen! Sie werden Ihnen sagen: Die Roten und die Grünen haben bezogen auf das Jahr 2003 Recht; darin sollten wir sie unterstützen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Eines möchte ich noch ansprechen, weil Sie das im Rahmen der Geschäftsordnungsdebatte gerade noch einmal ausbreiten mussten. Dass es Ihnen nicht peinlich ist, auf die schwierige Einnahmesituation der Länder und Kommunen hinzuweisen, grenzt an eine Unehrlichkeit in diesem Hause, die nicht mehr zu ertragen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Da haben wir Sie gestern auch an einer Stelle zu fassen bekommen. Sie haben sich, obwohl Sie die Zahlen schon kannten - Sie sind nämlich in der Union nicht davon abhängig, wann der Bund die Steuerschätzungen vorlegt, sondern die Steuereinnahmesituation wird in den Ländern ermittelt und an den Bund gemeldet; sie ist folglich der Union frühzeitig bekannt gewesen -, in dieser Situation verweigert, Steuersubventionen abzubauen. Sie haben aus taktischen Gründen gekniffen. Jetzt aber sagen Sie, Herr Austermann, dass die Lage der Kommunen dramatisch sei, hätten wir zu verantworten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir haben das in der Tat mit zu verantworten. Aber ich fordere Sie in diesem Zusammenhang auf, die von Ihnen angestrebte Verantwortung auf der Bundesratsebene jetzt und in Zukunft einzulösen und sich an dem Subventionsabbau zu beteiligen, und zwar nicht nur in 10-Prozent-Schritten über drei Jahre gestreckt, sondern ein bisschen mutiger. Das ist nämlich notwendig. Hierauf wird es ankommen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Für das kommende Jahr will ich zusagen: Wir werden einen Haushalt 2004 vorlegen,

(Jürgen Koppelin (FDP): Aber ohne Eichel!)

der einen Konsolidierungsbedarf von mindestens 15 Milliarden Euro enthalten wird.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Das gucke ich mir an!)

   Dabei bin ich auf Ihre tatkräftige Unterstützung gespannt. Sie können versuchen, uns zu überholen. Das traue ich Ihnen nicht ernsthaft zu. Aber wenn Sie uns die notwendigen Entscheidungen auf Bundesratsebene treffen lassen würden, dann wäre für das Land schon etwas geschafft.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Wir kommen damit zur Abstimmung. Wer stimmt für den Antrag der Fraktion der FDP auf Erweiterung der Tagesordnung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Antrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP bei einer Enthaltung abgelehnt.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 c sowie Zusatzpunkt 2 auf:

3. a) Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung

Aktionsplan Verbraucherschutz

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung - Aktionsplan Verbraucherschutz

- Drucksache 15/959 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerda Hasselfeldt, Ursula Heinen, Peter H. Carstensen (Nordstrand), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Bessere Verbraucherinformation bei Lebensmitteln, Produkten und Dienstleistungen

- Drucksache 15/927 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gudrun Kopp, Hans-Michael Goldmann, Dr. Christel Happach-Kasan, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Umfassende Politik für Verbraucher - weg von einem engen Aktionsplan zum Schutz der Verbraucher

- Drucksache 15/1001 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus

   Zur Regierungserklärung liegt ein Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache im Anschluss an die Regierungserklärung eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

(Unruhe)

- Bevor ich das Wort erteile, möchte ich diejenigen Kolleginnen und Kollegen, die der Debatte nicht folgen wollen, bitten, den Plenarsaal möglichst geräuschlos zu verlassen.

   Das Wort zur Abgabe einer Regierungserklärung hat die Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, Renate Künast.

Renate Künast, Bundesministerin für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft:

Herr Präsident! Sehr geehrte Abgeordnete! Meine Damen und Herren! Nach der Debatte, die wir gerade hatten, können wir nun feststellen, ob die Opposition wirklich in der Lage ist, sich den wichtigen Themen zu stellen, die auf der Agenda der Republik oder auf der Arbeitsagenda der Europäischen Union stehen.

   Verbraucherschutz hat im Übrigen jede Menge mit Wirtschaftspolitik und Wachstum zu tun; denn Verbraucherpolitik bezieht sich auf Vertrauen in die Produkte und Vertrauen ist Grundlage für jeden funktionierenden Markt. Ganz besonders die Unternehmen, die innovativ sind bzw. versuchen, innovativ zu sein, brauchen das Vertrauen der Verbraucherinnen und Verbraucher; denn nur so kann es ihnen gelingen, neue Märkte zu erschließen und Wachstum innerhalb der EU, aber auch über den EU-Binnenmarkt hinaus zu generieren sowie Arbeitsplätze und Einkommen zu schaffen. Ich denke dabei besonders an Bereiche wie den des E-Commerce, den elektronischen Handel. Diesen kann man geradezu als Vertrauensmarkt bezeichnen; denn solche Märkte funktionieren nur, wenn es Verbraucher gibt, die den in diesem Bereich tätigen Unternehmen vertrauen und sagen: Genau hier nehme ich eine Dienstleistung in Anspruch und hier kaufe ich.

   Was heißt Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert? Das heißt, dass wir Politik für diejenigen Unternehmerinnen und Unternehmer machen, die in Zukunft investieren wollen, die daran interessiert sind, Innovationspotenziale, also Wachstumsbereiche, zu erschließen. Wir machen Politik für die Sicherheit der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für den Schutz der Verbraucher vor Täuschung. An dieser Stelle grenzen wir uns von den Damen und Herren der Opposition klar ab, die Verbraucherpolitik und Verbraucherschutz noch immer so begreifen, als ob das etwas wäre, was mit der Wirtschaft nicht vereinbar wäre. Das ist ganz klar ein Argument von vorgestern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der FDP)

- Zu dem vorangegangenen Zuruf aus der FDP-Fraktion kann ich nur sagen: Gerade Sie sollten einen solchen Zuruf nicht machen; denn Ihnen ist in den letzten Jahren zum Thema Verbraucherschutz und zur Stärkung der Wirtschaft, aber auch zum aktuellen Aktionsplan Verbraucherschutz nichts anderes als die Behauptung eingefallen, dass das alles Ausdruck von Dirigismus und Wirtschaftsfeindlichkeit sei. Jede Industrie- und Handelskammer, egal in welchem Bundesland dieser Republik, ist hier weiter als Sie; denn diese sehen darin längst Chancen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich muss allerdings zugeben, dass Sie in der Regel - zumindest gilt das für die CDU/CSU - später klüger werden. Das zeigt sich daran, dass Sie letztendlich bei der Formulierung Ihrer eigenen Anträge von den rot-grünen Konzepten abschreiben. Ich denke, das trifft jedenfalls auf den Antrag zu, den jetzt die CDU/CSU vorgelegt hat.

   Die rot-grüne Bundesregierung hat im Koalitionsvertrag den Verbraucherschutz als wesentlichen Teil der Zukunftspolitik des 21. Jahrhunderts identifiziert und ihn verankert. Man kann sagen, dass wir ihn aus dem Dornröschenschlaf geholt haben.

   Unser Aktionsplan, also unser Arbeitsplan für diese Legislaturperiode, ist an mehreren Grundsätzen ausgerichtet.

   Wir stärken das Prinzip der Vorsorge im Bereich des gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Wir alle wissen, wie schwer es war, dieses Prinzip zu verankern und klar zu machen: Das schadet nicht der Wirtschaft, sondern es ist eine Chance für sie. Ein Viertel der Lebensmittelindustrie des alten Europas, also der EU der 15, befindet sich in Deutschland. Angesichts des damit verbundenen Wirtschaftspotenzials und der damit verbundenen Arbeitsplätze ist es richtig, dass wir ihr beim Aufbau neuer Strukturen, zum Beispiel durch den Aufbau der entsprechenden Behörden, frühzeitig geholfen haben. Es ist richtig, deutlich gemacht zu haben: Das Vorsorgeprinzip des gesundheitlichen Verbraucherschutzes ist gut für die Verbraucher und für die Lebensmittelindustrie.

   Die Lebensmittelindustrie selbst hat den Wert dieses Prinzips längst erkannt. Ich habe mich gefreut, dass sogar die Lebensmittelindustrie anlässlich des 50. Geburtstags der Verbraucherverbände in Berlin eine große Veranstaltung durchgeführt hat. Damit hat sie gezeigt: Wir nehmen die Interessen der Verbraucher, also auch ihre Gesundheit, ernst.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir haben des Weiteren den vorsorgenden Schutz bei den wirtschaftlichen Interessen der Verbraucherinnen und Verbraucher in unserem Aktionsplan verankert. Wir haben dabei aber nicht vergessen, dass es so etwas wie die Stärkung der Eigenverantwortung gibt. Wir werden in den nächsten Jahren - nachdem wir zwei neue Bundesämter geschaffen haben und damit in Europa vorangehen und sogar schneller als die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit sind - im Bereich Lebensmittelsicherheit weitermachen. Davon wird auch die Wirtschaft profitieren, die sich schon heute auf ein einheitliches Lebensmittelgesetzbuch, das Hunderte von Vorschriften zusammenfasst, freut.

   Wir werden außerdem den Verbraucherschutz auf dem Gebiet der Bedarfsgegenstände, der Kosmetika sowie der Geräte- und Produktsicherheit weiterentwickeln. Weitere Schwerpunkte werden die Informationsmaßnahmen zur gesunden Ernährung und die verbesserte Kennzeichnung von Lebensmitteln sein.

   Damit komme ich auf das Thema Gentechnik zu sprechen; wir können nicht über Lebensmittel reden, ohne über Gentechnik zu sprechen. Der Gentechnik ist in diesem Aktionsplan ein eigener Abschnitt gewidmet. Unser Interesse ist es, ein hohes Schutzniveau zu gewährleisten und sicherzustellen. Wir wollen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die Möglichkeit haben, zwischen gentechnisch veränderten und nicht gentechnisch veränderten Lebensmitteln frei zu entscheiden. Zu einer solchen Wahlfreiheit kommt es natürlich nur, wenn es eine entsprechende Kennzeichnung gibt. Wir wollen diese Kennzeichnung und wir setzen sie in Europa um. Wir sichern damit im Ergebnis das Recht nachfolgender Generationen, solche Entscheidungen überhaupt noch treffen zu können, damit sie nicht ausschließlich gentechnisch veränderte Lebensmittel essen müssen.

   Ich bin froh, dass wir es Ende letzten Jahres in der EU geschafft haben, die Schwellenwerte und die Rückfolgbarkeit zu regeln. Wir werden die Entscheidung des Europäischen Parlaments dazu abwarten. Nach dieser Entscheidung wird es sicherlich zu Zulassungen kommen. Wir lassen uns aber nicht durch die Entscheidung eines Landes dazu verleiten, daraus einen WTO-Vorgang zu machen. Ich bin froh, dass an dieser Stelle auch die EU-Kommission ganz gelassen reagiert hat, indem sie festgestellt hat, es sei jedermanns freies Recht, Gerichte anzurufen. Es ist aber auch unser Recht, klar zu sagen, dass wir nach dem europäischen demokratischen Verfahren vorgehen. Das EP wartet ab. Dann wird es Kennzeichnung und Erkennbarkeit für die Verbraucher geben - und das ist gut so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Verbraucherpolitik ist Vertrauenspolitik. In vielen Bereichen funktionieren Märkte nicht, wenn man kein Verbrauchervertrauen hat. Als Beispiel dafür möchte ich - wir haben diesen Punkt im Aktionsplan angesprochen - die 0190er-Nummern nennen. Durch diese Nummern sollte ursprünglich die Möglichkeit der Bezahlung ohne Angabe einer Kreditkartennummer gegeben werden. Genau in diesem Bereich fragten sich die Verbraucherinnen und Verbraucher nämlich, wer alles rund um den Globus nach Angabe der Kreditkartennummer Zugang zu persönlichen Daten hat, um auf dieser Basis Geschäfte zu tätigen.

   Heute denkt man bei den 0190er-Nummern - sie sollten eigentlich eine Hilfe sein - sofort an die interessantesten Dinge. Man denkt nicht an Kaufverträge, sondern an ganz andere Dienstleistungen, die mehr zum privaten Bereich gehören. Sie wissen, was ich meine. Das fällt so ziemlich jedem als Erstes ein.

   Mit den 0190er-Nummern assoziiert man ganz oft Betrügereien. Das heißt, dass wir an dieser Stelle ohne dezidierten Verbraucherschutz nicht weiterkommen. Wenn wir diesen Bereich nicht regeln, dann tragen wir sogar dazu bei, dass die seriösen Unternehmen auf dem Markt, die gute Dienstleistungen zu angemessenen Preisen anbieten, kaputtgemacht werden. Wir müssen also dafür sorgen, dass dem Tun einiger schwarzer Schafe Grenzen gesetzt werden, damit andere nicht das Nachsehen haben und ihr Handwerk nicht praktizieren können.

   Der Staat muss auch andere Bereiche neu gestalten, zum Beispiel die Altersvorsorge. Es gibt immer mehr alte Menschen, die auf besondere Arten von Betreuung angewiesen sind. Das ist für sie von existenzieller Bedeutung. Auch diese Bereiche werden wir sichern.

   Ich könnte mit den Märkten für Strom, Telekommunikation und Verkehr weitermachen. Diese Märkte funktionieren nur, wenn es wirklich Wettbewerb gibt und wenn die Wettbewerbsvorteile an die Verbraucher weitergegeben werden.

   Ich möchte einige Worte zur Bahn sagen. Die Bahn hat nun erkannt - darüber bin ich froh -, dass ein Unternehmen nicht an den Verbraucherinnen und Verbrauchern vorbei planen kann.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

- Hier outen sich die Bahnfahrerinnen und Bahnfahrer. - Wer meint, dass man auf Wirtschaftlichkeit setzen könnte, ohne die Verbraucherinnen und Verbraucher mit ihren ganz konkreten Erwartungen und Bedürfnissen im Blick zu haben, rennt unweigerlich in eine Sackgasse.

   Herr Mehdorn - da bin ich mir sicher - hat das Problem erkannt und wird bei zukünftigen Entscheidungen anders planen. In einem ersten Schritt betrifft das konkret das Preissystem. Gestern früh gab es in manchen Bahnen schon ein bisschen Jubel und Freude darüber, dass es zu einer massiven Reduzierung bei den Stornogebühren kommt. Mein Staatssekretär sagte mir gestern früh bei einem Telefongespräch, er sitze gerade in der Bahn und die Leute hätten ihm gesagt: Jetzt, da die Bahn umzudenken beginnt, habe ich mir gedacht, dass ich sie belohnen sollte. Deshalb fahre ich heute früh nicht Auto, sondern Bahn. - Also wieder einige Fahrgäste neu gewonnen, Herr Mehdorn!

   Wir haben große Erwartungen an die Bahn. Sie ist ein Zukunftsunternehmen. Die Bahn bietet uns ganz selbstverständlich Mobilität - bei allen Diskussionen übrigens zuverlässiger als das Auto. Wir wissen: Die Menschen wollen nicht immer eine Woche vorher planen, sondern auch spontan die Bahn nehmen können. Was die Menschen wollen, konnte man gestern bei einem Witz in der Harald-Schmidt-Show erkennen. Sie alle kennen die Werbung eines sehr preiswerten Möbelunternehmens: Wohnst du noch oder lebst du schon? Harald Schmidt hat das gestern in seiner unnachahmlichen Art auf die Bahn umgemünzt und für sie einen guten Werbeslogan erfunden; vielleicht tritt er ihn Herrn Mehdorn ab. Bei Harald Schmidt hieß es nämlich: Fährst du schon oder rechnest du noch?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das hätten Sie doch abstellen können! Wer hat den Vertrag denn verlängert?)

Dies zeigt präzise, was die Bahnkunden wollen. Vielleicht haben sich da zwei neue Partner für die Zukunft gefunden.

   Wir wollen eine starke Bahn, die von den Verbraucherinnen und Verbrauchern genutzt wird, weil sie wissen, dass die Bahn einen wirklich positiven Beitrag zu Nachhaltigkeit, zu Mobilität und zum Umweltschutz, zur Luftreinhaltung, leistet. Deshalb haben wir in unseren Aktionsplan zwei Kernpunkte zur Verbesserung der Kundenorientierung aufgenommen. Das ist einmal die Qualitätsoffensive öffentlicher Personenverkehr, um die Fortentwicklung der Fahrgastrechte im öffentlichen Personenverkehr zu betreiben, und das ist zum anderen die Prüfung der Einrichtung einer unternehmensunabhängigen Schlichtungsstelle, was wir uns übrigens auch für andere Verkehrsträger vorstellen können. Andere haben so etwas schon. Die Versicherungen zum Beispiel haben mit solchen Schlichtungsstellen exzellente Erfahrungen gemacht.

   Wir haben im Aktionsplan aber nicht nur diesen Bereich bedacht, sondern auch noch so manch anderen. Wir haben uns auf nachhaltige Entwicklung und nachhaltigen Konsum konzentriert. Deshalb wollen wir auch da ansetzen, wo Umwelt- und Tierschutz Berücksichtigung finden müssen. Wir wissen - damit will ich spezifisch auf die Wirtschaft im Allgemeinen eingehen -, dass die Wirtschaft in Deutschland manche Chancen der Kundenbindung noch gar nicht genutzt hat. Wir sehen, dass sie gar nicht die Möglichkeit nutzt, die Kunden emotional an ihre Produkte zu binden, nämlich an der Stelle, wo die Kunden Fragen haben. Ich nehme einmal das Beispiel des fairen Handels. Viele möchten wissen, ob Kinderarbeit drinsteckt. Ich nehme die Beispiele nachwachsende Rohstoffe, Holzzertifizierung. Alles das sind Punkte, die die Verbraucher beschäftigen. Wir wollen, dass sich Verbraucherschutz sozusagen als fester Bestandteil in der ökologisch-sozialen Marktwirtschaft verankert, nicht nur in Deutschland, sondern auf allen Ebenen bis hin zur WTO. Was wir an Anforderungen haben, sollte bei der WTO in den so genannten Non Trade Concerns Berücksichtigung finden.

   Es gibt Umfragen, die zeigen, dass sich das Bewusstsein der Verbraucherinnen und Verbraucher bereits gewandelt hat, auch wenn sich das noch nicht durchgehend im Konsumverhalten widerspiegelt. Aber Wirtschaft sollte ja vordenken und überlegen: Was sind eigentlich die Märkte von morgen und übermorgen?

Die Stiftung Warentest wird von allen Unternehmen genutzt. Kaum ein Unternehmen verkauft seine Waschmaschine oder Spülmaschine ohne den Aufkleber mit dem Testergebnis der Stiftung Warentest „Gut“ oder „Sehr gut“, wenn es ihn denn hat. Ich kann der Wirtschaft und Ihnen allen nur sagen: Auch die Stiftung Warentest wird sich verändern. Sie wird nicht mehr nur auf die Qualität des Produkts schauen und prüfen: Was ist drin? Wie viel Wasser oder wie viel Strom verbraucht das Gerät? Die Stiftung entwickelt sich zur nächsten Stufe. Ab dem nächsten Heft wird erstmals auch die Prozessqualität einbezogen. Es geht um Fragen wie: Wie viel Arbeitsplätze gab es? Wie ist bei der Produktion mit der Umwelt umgegangen worden? Das ist übrigens die Institution, die in der Bundesrepublik das höchste Ansehen genießt; über ihr steht keiner und keine von uns.

(Gudrun Kopp (FDP): Auch nicht die Bundesregierung! - Volker Kauder (CDU/CSU): Die sowieso nicht!)

- Ja, nicht einmal die Opposition steht über ihr, oder was wollten Sie mit dem Zwischenruf sagen?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Zurufe von der CDU/CSU: Ha, ha!)

   In Zukunft heißt das also: Wer seine Produkte am Markt verkaufen will, muss zusehen, dass er auch diesen Kriterien gerecht wird. Ich weiß, dass pfiffige Unternehmerinnen und Unternehmer das längst tun, weil sie wissen: Als Hochpreisland wird Deutschland nie in Konkurrenz zu den Niedriglohnländern treten können. Wir wollen es auch nicht. Wir wollen weder unsere sozialen noch unsere Umweltstandards senken, um die Produkte billiger zu machen. Wir wollen auf Umwelt Rücksicht nehmen, weil wir ansonsten zum Beispiel auch im sozialen Bereich durch staatliche Interventionen wieder Gegenmaßnahmen finanzieren müssten. Es macht Sinn, sich an dieser Stelle früh darauf einzustellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir wissen natürlich, meine Damen und Herren, dass wir schauen müssen, was eigentlich die klassischen Produktionszweige und Produkte des 21. Jahrhunderts sind und wo man Innovation und Qualität zusammenbringen kann, sodass alle davon profitieren. Ich glaube, hier ergibt sich für die Entwicklung Deutschlands ein wichtiges Thema: Wir müssen jetzt eine Art Scenario building betreiben, also sozusagen überlegen, wie man, wenn das Pfund der Vergangenheit für uns der Maschinenbau, die Autoindustrie und die chemische Industrie waren, jetzt, ohne etwas ganz anderes zu erfinden, auf die neuen Technologien zugehen und die neuen Strukturen vom Internet bis zum E-Commerce nutzen kann. Wir müssen aber auch schauen, wie wir den Maschinenbau, die chemische Industrie und die Automobilindustrie so weiterentwickeln, dass sie dem Niveau des 21. Jahrhunderts entsprechen. Das heißt, soziale und Umweltkriterien sowie die Interessen der Verbraucher zu berücksichtigen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Die brauchen Sie nicht!)

Wie der Maschinenbau des 21. Jahrhunderts aussieht, diese Frage müssen wir uns stellen.

   Wir wissen, dass an dieser Stelle jede Menge zu tun ist. Wir haben uns, wie ich glaube, gut aufgestellt. Zum ersten Mal gibt es in der Bundesrepublik auch bei den wissenschaftlichen Beiräten einen, der sich mit Verbraucherinnen und Verbrauchern beschäftigt, also den Adressaten jeder wirtschaftlichen Produktion. Die haben jetzt auch erste Grundsatzpapiere vorgelegt, die selbst die Opposition für interessant befunden hat. Wir werden an dieser Stelle weiterarbeiten, weil wir wissen: Es gibt Erwartungen an Qualität, die über Produktqualität im alten Sinne weit hinausgehen. Die Menschen wollen wissen, ob Produkte mithilfe von Kinderarbeit hergestellt wurden, ob ordentliche Löhne gezahlt wurden, ob Natur und Umwelt verträglich behandelt worden sind. Es geht also um all das, was heute unter dem Stichwort Nachhaltigkeit genannt wird.

   Wir sagen im Koalitionsvertrag und haben es auch schon in dem Aktionsplan niedergelegt: Rot-Grün orientiert sich am Leitbild eines gut informierten Verbrauchers, der klug konsumieren kann. Genau da werden wir weiterarbeiten. Deshalb muss ich natürlich zu Ihrer Freude auf das Verbraucherinformationsgesetz zu sprechen kommen. Ich glaube, ein Verbraucherinformationsgesetz gehört zu einem modernen Land. Die USA zum Beispiel haben mit dem Freedom of Information Act seit vielen Jahren gute Erfahrungen gemacht; und die Wirtschaft dort ist nicht untergegangen.

   Die effektive Selbstverpflichtung der Wirtschaft bei der Information der Verbraucher werden wir berücksichtigen. Ich freue mich, dass viele längst an diesem Thema arbeiten und nicht mehr eine distanzierte Position vertreten. Ich meine, es ist selbstverständlich, dass die Verbraucher das an Information bekommen, was auch die Unternehmen an Information haben. Fast 500 Millionen Verbraucherinnen und Verbraucher gibt es im größten Binnenmarkt der Welt.

(Albert Deß (CDU/CSU): Sie müssen das Gesetz in Brüssel durchsetzen!)

In diesem EU-Binnenmarkt wird der, der transparent und offen produziert, die besten Chancen haben.

   Jetzt sagte Herr Deß, wir müssten das Gesetz in Brüssel durchsetzen. Sie müssten einfach einmal das Papier, das Sie bekommen haben, lesen. In Brüssel gibt es längst Verordnungen und Richtlinien für die verschiedenen Produktbereiche.

(Albert Deß (CDU/CSU): Wir machen eine ganze Reihe nationaler Alleingänge!)

Wir sind verpflichtet, das in nationales Recht umzusetzen, Herr Deß. Wir leben im 21. Jahrhundert. Die EU hat jede Menge Vorschriften zum Thema Verbraucherinformation erlassen. Lesen Sie sie doch einfach und geben Sie Ihre alte Politik des vergangenen Jahres, die Blockadepolitik, auf!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Meine Damen und Herren, wir wissen, dass man, wenn man Verbraucherpolitik macht, nicht nur das Individuum schützt, sondern auch der Wirtschaft Möglichkeiten eröffnet, sich weiterzuentwickeln. Genau darauf werden wir uns in unserer Verbraucherpolitik in den nächsten Jahren konzentrieren. Da, wo Vertrauen ist, wo es Bindungen an Produkte und Marken gibt, hat ein Unternehmen Vorteile. Bindungen entstehen durch Wissen und Transparenz. Das Gallup-Institut hat festgestellt, dass diese Bindungen gerade in Deutschland nicht ausgenutzt werden und dass der Großteil der deutschen Unternehmen die Chance hätte, Steigerungen von mindestens 5 Prozent zu erzielen,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Wenn wir eine andere Regierung hätten, wären es 10 Prozent!)

wenn sie sich mit diesem Bereich intensiv beschäftigen und Auskunft über den Inhalt des Produkts geben würden.

   An dieser Stelle kann ich ganz klar sagen: Verbraucherpolitik ist Schutzpolitik für das Individuum. Wir gehen aber auch davon aus, dass das Individuum nicht eines ständigen Schutzes bedarf, sondern vor allem zu informieren ist, damit es Wahlfreiheit hat und klug entscheiden kann. Wir wissen ebenso, dass wir jede Menge Chancen auf Wachstum in diesem Bereich haben, wenn wir Verbraucherpolitik zum Bestandteil von ökologisch-sozialer Marktwirtschaft machen. Genau das werden wir tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Ursula Heinen, CDU/CSU-Fraktion.

Ursula Heinen (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Meine Kollegin Gerda Hasselfeldt hat es Ihnen schon in der Aussprache zur ersten Regierungserklärung zum Verbraucherschutz in dieser Legislaturperiode gesagt - wir haben es Ihnen auch in der Haushaltsdebatte immer wieder gesagt -: Ihnen fehlt ein wirklich schlüssiges Konzept zur Verbraucherpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Diese Worte waren anscheinend ohne Erfolg; denn auch im jetzigen Aktionsplan werden die Probleme nur beschrieben; aber es werden im Grunde genommen keine Lösungen aufgezeigt. Der Aktionsplan hat einen reinen Ankündigungscharakter, weil eben nur Absichtserklärungen gegeben werden.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Wie immer!)

Entsprechend zurückhaltend ist dieser Plan von der Öffentlichkeit aufgenommen worden. Die Organisation Food Watch, die eher Ihrer politischen Richtung zuzuordnen ist, spricht von „vagen Ankündigungen“ und die Verbraucherzentrale Bundesverband sieht keine großen Linien im Programm. Sie spricht von inhaltlicher Schwäche oder gar von dem Fehlen konkreter Ziele.

(Albert Deß (CDU/CSU): Genau so ist es!)

   Getoppt wird das Ganze noch durch den Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und der Grünen, der uns heute vorgelegt wird und in dem sozusagen nichts mehr enthalten ist. In ihm werden noch nicht einmal mehr die Probleme beschrieben, sondern es gibt nur noch schöne Worte.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Heiße Luft!)

Verbraucherschutz in diesem Lande wird nicht besser, wenn man dem Verbraucherschutz schöne Bezeichnungen gibt. Das reicht bei weitem nicht aus.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Einig sind wir uns darin, dass der Verbraucherschutz eine Querschnittsaufgabe ist, weil er viele Bereiche des täglichen Lebens betrifft. Aber wie diese Aufgabe zu bewältigen ist, darüber gehen die Meinungen zwischen Ihnen und uns doch sehr auseinander. Während bei uns der mündige Verbraucher ganz klar im Vordergrund unserer Politik steht, besteht Ihre Philosophie hauptsächlich darin, zu regulieren und den Verbraucher auch in seinen Freiheitsrechten zu beschränken.

(Peter Bleser (CDU/CSU): Sozialistisches Denken!)

   Lassen Sie mich einige Beispiele nennen. Die Ministerin hat eben schon das Thema Verbraucherinformation angesprochen. Sie kündigen an - so steht es im Plan -, das bereits im vergangenen Jahr gescheiterte Verbraucherinformationsgesetz in unveränderter Form neu einzubringen. Das halten wir für falsch und das zeigt, dass Sie aus den Fehlern und aus den Diskussionen der vergangenen Legislaturperiode nichts, aber auch gar nichts gelernt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gudrun Kopp (FDP) - Manfred Helmut Zöllmer (SPD): Der Fehler war, dass Sie nicht zugestimmt haben!)

   Wir haben, Herr Zöllmer - das wird heute mitberaten -, Eckpunkte für eine bessere Verbraucherinformation bei Lebensmitteln, bei Produkten und Dienstleistungen vorgelegt. Unser Konzept umfasst fünf Säulen.

   Da ist zum Ersten die verbesserte und vereinfachte Kennzeichnung; denn derzeit gibt es eine schier unüberschaubare Vielfalt von Lebensmittelkennzeichnungsvorschriften.

   Zum Zweiten wollen wir - das ist der Bereich, in dem wir wahrscheinlich am weitesten auseinander liegen - die unternehmerischen Möglichkeiten der Verbraucherinformation stärken, aber nicht, wie Sie es vorgesehen haben, durch einen generellen Auskunftsanspruch der Verbraucher gegenüber den Unternehmen, sondern mit Selbstverpflichtungsinitiativen. Ferner wollen wir die Unternehmen darin unterstützen - beispielsweise auf Homepages im Internet, mit Hotlines etc. -, den Verbrauchern Informationen über ihre Produkte zu geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ein Auskunftsanspruch, Frau Künast, lässt sich, wenn überhaupt, nur europaweit regeln.

(Michael Müller (Düsseldorf)(SPD): Das ist doch lächerlich!)

Ansonsten hätten ausländische Unternehmen auf unserem Markt Wettbewerbsvorteile gegenüber unseren eigenen Unternehmen. Das können wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Manfred Helmut Zöllmer (SPD): Das ist doch Unsinn!)

Zum Dritten geht es bei unserem Konzept darum, eine Warnung und aktive Information der Öffentlichkeit durch die Behörden zu ermöglichen. In diesem Punkt werden wir sicher zusammenkommen. Aber es gibt einen Unterschied: Wenn wir den Länderbehörden neue Aufgaben - salopp gesprochen - aufs Auge drücken, müssen wir auch dafür sorgen, dass sie die notwendige finanzielle Ausstattung bekommen. Wenn Sie sagen, die Länderbehörden sollen künftig neue Aufgaben übernehmen und den Verbrauchern gegenüber Auskünfte geben, dann brauchen sie mehr Personal und mehr Geld. Das können sie aus eigener Kraft nicht leisten.

   Wir brauchen in der Tat ein Verbraucherinformationsgesetz, das diese Anforderungen erfüllt. Ich kann Ihnen für meine Fraktion nur anbieten, mit uns darüber zu sprechen. Ich sage aber noch einmal ganz deutlich: Gespräche machen überhaupt keinen Sinn, wenn Sie bloß Ihren alten Entwurf hervorholen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Wie in Schleswig-Holstein: immer noch alte Hüte! - Albert Deß (CDU/CSU): Diese Regierung hat keine neuen Ideen mehr!)

- Das ist wohl wahr.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Schön, wenn die Langweiler über ihre Langeweile stöhnen!)

Darüber hinaus brauchen wir eine Stärkung der unabhängigen Verbraucherberatung. Es ist wenig sinnvoll, Verbraucherberatung sowohl auf der Bundes- als auch auf der Landesebene von den finanziell angespannten Haushaltslagen abhängig zu machen. Deshalb sollten wir durchaus überlegen, ob es nicht eine Möglichkeit gibt, für die Verbraucherberatung beispielsweise ein Stiftungsmodell zu entwickeln und die Verbraucherberatung darüber entsprechend finanziell auszustatten.

   Lassen Sie mich einen weiteren Bereich nennen, der in Ihrem Aktionsplan gänzlich stiefmütterlich behandelt wird. Ich habe mich gewundert, dass er in Ihrer Rede vorgekommen ist, denn im Geschriebenen kommt das gesamte Thema der Neuen Medien, der Telekommunikation und des Internets kaum vor. Sie lassen zwar Problembewusstsein erkennen, verweisen aber bei diesem Thema gerade einmal auf den Gesetzentwurf des Wirtschaftsministers zu den 0190er-Nummern. Wir sind uns darüber einig, dass dies ein Schritt in die richtige Richtung ist, aber er reicht tatsächlich bei weitem nicht aus. Wenn sich der Gesetzentwurf nur auf die 0190er-Nummern konzentriert, erwarten wir, dass die unseriösen Anbieter auf andere Nummerngassen gehen. Damit wäre dem Verbraucher überhaupt nicht gedient. Man hätte zwar ein Fenster geschlossen, aber ein anderes würde offen bleiben. Das kann nicht der Sinn sein. Deshalb fordern wir, den Anwendungsbereich des Gesetzes entsprechend zu erweitern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Fast völlig unbehandelt bleiben im Aktionsplan die so genannten Spam-Mails. Vorsichtig ausgedrückt - weil unsere Sitzungen hier im Bundestag öffentlich sind - sind das unverlangt geschickte Mails mit oft auch jugendgefährdendem Inhalt. Aber außer der Feststellung, dass es hier Missbrauch gibt, steht im Aktionsplan nichts dazu.

(Jella Teuchner (SPD): UWG!)

- Dann zeigen Sie mir doch die Stelle im Aktionsplan. - 5,6 Milliarden Spams sind zurzeit in den Netzen unterwegs. Haben Sie sich einmal Ihren eigenen E-Mail-Account angesehen? Ich habe meinen Ausdruck mitgebracht; die Ausdrucke werden bei allen Kollegen etwa gleich aussehen.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Bei manchen ist es schlimmer!)

Die schwarz gekennzeichneten Mails sind die Spams, die wir mittlerweile bekommen, die hell dargestellten sind die ganz normalen E-Mails. Sie können sich vorstellen, welch eine Aktion es ist, immer wieder diese Spams herauszufiltern.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Ich habe einen Spam-Killer!)

Ihre einzige Antwort ist die Änderung der Telekommunationskundenschutzverordnung vom August 2002 und der Hinweis - Herr Zöllmer hat das gerade schon gesagt - auf die Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb. Das reicht aber bei weitem nicht aus.

   Heute ist der „1. Anti-Spam-Tag“, der von einem Internetportal ausgerufen wird. Also könnten wir doch sagen: Heute ergreifen wir die Initiative und legen auch in Deutschland ein Antispamgesetz vor. Solche Gesetze gibt es beispielsweise in den USA in einigen Bundesstaaten. Dort sind Werbesendungen mit irreführendem Inhalt sowie E-Mails, deren Absender nicht eindeutig erkennbar ist, verboten. Ich glaube, das wäre auch für uns eine gute Sache.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ein drittes Thema, über das wir auch schon mehrfach im Bundestag diskutiert haben, ist die Koordination der Lebensmittelüberwachung und der Gefahrenabwehr. In Ihrem Aktionsplan sagen Sie, dass Sie eine wirksame Überwachung anstreben und die Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern überprüfen und anpassen wollen. Das, Frau Künast, ist aber ein bisschen wenig. Die Verbraucher haben ein Recht darauf, dass die Überwachung und die Gefahrenabwehr in diesem Land vernünftig funktionieren.

   Wir hatten doch erst vor wenigen Monaten das wirklich beschämende und für das betroffene Unternehmen fast schon existenzgefährdende Beispiel der Eistorte, bei dem an ein und demselben Tag ein Bundesland Warnungen vor dem Verzehr des Produktes veröffentlicht hat, ein anderes Bundesland eine zurückhaltende Bewertung vornahm, ein drittes Bundesland eine Gesundheitsgefährdung nicht ausschloss und ein viertes Bundesland die Warnung zurückgezogen hat. Hier scheint es wirklich dringenden Handlungsbedarf zu geben.

   Regelmäßig betonen Sie, dass diese Aufgabe vom Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das Sie neu ins Leben gerufen haben, übernommen werden soll. Bislang - das kann man feststellen - hat dies noch nicht funktioniert. Hier werden wir dringend eine Änderung brauchen. Ich kann Sie nur auffordern, in den nächsten Monaten Ihre Kraft dahin gehend einzusetzen - das ist nämlich Ihr originärer Aufgabenbereich -, dafür zu sorgen, dass dies funktioniert und die Koordination vernünftig vonstatten geht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Aber da wir gerade von der Neuordnung der Behörden gesprochen haben: Sie haben in der vergangenen Woche Andreas Hensel zum Präsidenten des Bundesinstituts für Risikobewertung ernannt. Deshalb auch von unserer Fraktion: Herzlichen Glückwunsch an den neu ernannten Präsidenten! Wir hoffen, dass er fair und erfolgreich arbeitet, dass er vor allen Dingen von Panikmache, wie wir es in den letzten Wochen erlebt haben, absieht und die Öffentlichkeit vernünftig über seine Ergebnisse informiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich zum Abschluss an einem sehr praktischen Beispiel erläutern, warum der Verbraucherschutz tatsächlich eine Querschnittsaufgabe ist. Querschnittsaufgabe heißt in diesem Fall auch, dass sich die Ressorts untereinander abstimmen müssen. Dies sollte zurzeit bei der Bekämpfung der Geflügelpest erfolgen. Das Robert-Koch-Institut empfiehlt bestimmte Medikamente zum Grippeschutz zur Therapie und Prophylaxe, wenn Menschen mit der Geflügelpest in Berührung kommen. Das betrifft also meistens die Menschen, die in diesen Betrieben arbeiten. So weit die Empfehlung des Robert-Koch-Instituts.

   Nach einem Bericht der „Ärzte-Zeitung“ vom Montag dieser Woche fehlen diese Medikamente in dem Entwurf der Positivliste des Bundesgesundheitsministeriums. Es ist wirklich ein ungeheuerlicher Vorgang, wenn in einem bestimmten Fall Medikamente zur Prophylaxe benutzt werden sollen, gleichzeitig das Bundesgesundheitsministerium aber sagt: Die brauchen wir nicht; die werden nicht auf die Positivliste gesetzt; sie werden nicht finanziert. Ich glaube, hier besteht zwischen den Ressorts ein erheblicher Regelungs- und Abstimmungsbedarf.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich kann Sie nur ermuntern: Lassen Sie endlich Ihren Ankündigungsworten Taten folgen!

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Manchmal lieber nicht! - Volker Kauder (CDU/CSU): Im Zweifel lieber nicht!)

Das wäre ein richtiger, guter Weg für den Verbraucherschutz.

   Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegin Jella Teuchner, SPD-Fraktion, das Wort.

Jella Teuchner (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Es tut mir Leid: Ich konnte Ihrem Redebeitrag keine neuen Vorschläge entnehmen.

(Albert Deß (CDU/CSU): Sie haben nicht richtig aufgemerkt, Frau Kollegin!)

- Doch, doch. Das ist mir schon gelungen.

   Die Inhalte, die in Ihrem Antrag im Hinblick auf ein Verbraucherinformationsgesetz stehen, sind fadenscheinig. Von daher kann man sich schon die Frage stellen: Warum haben Sie in der letzten Legislaturperiode im Bundesrat ein Verbraucherschutzinformationsgesetz abgelehnt?

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Die hat es immer noch nicht begriffen!)

Ein solches hätten Sie schon längst haben können und hätten es hier nicht monieren müssen.

   Wir haben in der Vergangenheit immer wieder betont - und tun es auch jetzt -, dass Verbraucherpolitik mehr ist als nur die Sorge um gesunde Lebensmittel. Auch Frau Heinen hat angesprochen, dass die Verbraucherpolitik ein Querschnittsthema ist und alle Ressorts angeht. Zum ersten Mal hat nun die Bundesregierung den Aktionsplan „Verbraucherpolitik“ vorgelegt.

(Albert Deß (CDU/CSU): Pläne hat diese Regierung schon viele gehabt! Die meisten sind gescheitert!)

Zum ersten Mal werden über die Ressorts hinweg Problemfelder aufgezeigt und Leitlinien für die Verbraucherpolitik beschrieben.

   Die Bundesregierung macht damit deutlich, dass es ihr mit der Stärkung der Verbraucherpolitik ernst ist.

Sie zeigt, dass die Verbraucherpolitik als Querschnittsaufgabe begriffen wird.

   Die Verbraucherpolitik steht auf drei Säulen: dem Schutz der Gesundheit auf der Basis des Vorsorgeprinzips, dem Schutz der wirtschaftlichen Interessen und der Stärkung der Eigenverantwortung. Die erste Säule ist eindeutig: Der Verbraucher hat ein Recht auf Produkte, die seiner Gesundheit nicht schaden. Bei den anderen beiden Säulen sieht es komplexer aus. Durch sie wird die Stellung der Verbraucher auf den Märkten bestimmt. Wir wollen den Verbrauchern die Möglichkeit geben, eigenverantwortlich und vor allem bewusst zu konsumieren. Das ist das Ziel einer Verbraucherpolitik, die den Begriff Verbraucherschutzpolitik mit Inhalten füllt.

   Wir müssen feststellen, dass der unwissende, uninteressierte und manchmal auch hilfsbedürftige Konsument auf vielen Märkten eher die Regel als die Ausnahme ist. Deshalb muss die Verbraucherschutzpolitik dem Kunden auf immer unübersichtlicher und komplexer werdenden Märkten verstärkt Orientierung geben. Die Produkte werden komplexer. Sie werden oft nicht mehr im Laden um die Ecke, sondern über das Internet im Ausland gekauft. Durch die fortschreitenden technologischen Entwicklungen und die Notwendigkeit einer stärkeren privaten Daseinsvorsorge entstehen Produkte, deren Qualität vom Verbraucher oft nicht eingeschätzt werden kann.

   Märkte, die vom Vertrauen der Kunden in die Anbieter leben, gewinnen an Bedeutung. Auf solchen Märkten ist der Verbraucher tendenziell in der schwächeren Position.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Wollt ihr da drüben nicht einmal klatschen? Sollen wir das auch noch übernehmen?)

Die Informationen sind ungleich verteilt. Der Aufwand bei der Informationsbeschaffung ist für den einzelnen Verbraucher hoch.

(Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Sehr wahr!)

Dies führt dazu, dass der Preis oft das einzige Entscheidungskriterium ist oder sogar auf Konsum verzichtet wird. Die Verbraucherpolitik muss hier gegensteuern und für Markttransparenz sorgen.

(Beifall bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Na endlich!)

   Der Aktionsplan zeigt Problemfelder und Lösungsansätze auf. Im Lauterkeitsrecht werden wir die Stellung des Verbrauchers stärken. Gerade im Dienstleistungsbereich werden Qualitätsstandards gesetzt. Ferner werden die Verbraucherinformationen verbessert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Super! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das findet sogar Herr Kauder gut!)

   Der Aktionsplan ist so angelegt, dass mit ihm die verschiedenen Politikbereiche umfasst werden. Dieser Querschnittscharakter wird mit der angekündigten Gesamtstrategie noch stärker in den Vordergrund gestellt.

   Wir wollen, dass der Verbraucher die Möglichkeit hat, eigenverantwortlich und bewusst zu konsumieren. Dies können wir vor allem durch eine stärkere Markttransparenz erreichen. Dafür ist ein ganzes Bündel an Maßnahmen vorgesehen. Wir wollen die Kennzeichnungsregelungen verbessern, Qualitätslabel und Zertifizierungen sollen Orientierung geben, der Zugang zu Informationen soll verbessert werden und nicht zuletzt muss die Verbraucherinformation gestärkt werden. Gerade die Verbraucherorganisationen, insbesondere die Stiftung Warentest, sind hierbei ein unverzichtbarer Baustein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   In Umfragen geben die Verbraucher oft an, dass ihnen Qualität wichtig ist und dass sie wissen wollen, wie die Produkte hergestellt werden und welche Auswirkungen sie auf die Umwelt haben.

   Der Erfolg von Plattformen zum Erfahrungsaustausch im Internet zeigt, dass viele Menschen Verbraucherinformationen suchen. Trotzdem stellen wir auf den Märkten oft ein widersprüchliches Verhalten fest: Während Lebensmitteldiscounter boomen, etablieren sich Bioprodukte in den normalen Supermärkten; der einzelne Konsument kauft seinen Fernseher erst nach ausführlicher Beratung im Fachhandel und nimmt dann im nächstbesten Supermarkt irgendeinen Zehnerpack Eier mit.

   Der Verbraucher muss sich mit einem vernünftigen Maß an Aufwand über die Produkte informieren können. Nur dann kann er auch die gezielten Entscheidungen treffen. Eine so gestärkte Nachfragemacht gibt der Wirtschaft wichtige Impulse und kann ein wichtiger Beitrag für einen nachhaltigen Konsum sein.

Der Aktionsplan ist ein guter Schritt auf dem Weg, die Stellung der Verbraucher zu verbessern. Die geplante Gesamtstrategie wird einen weiteren großen Schritt nach vorne darstellen. Wir werden diesen Schritt machen, weil wir möchten, dass der eigenverantwortliche Verbraucher Realität wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.

Gudrun Kopp (FDP):

Herr Präsident! Sehr geehrte Herren und Damen! Die FDP-Fraktion bezeichnet den heute zu diskutierenden Aktionsplan als Aktionismusplan. Er enthält viele Ankündigungen, viele Versprechen und es ist wenig Inhalt dahinter.

   Der Aktionsplan der rot-grünen Bundesregierung ist kein ressortübergreifender Handlungsplan. In Teilbereichen, zum Beispiel im Bereich der Lebensmittelsicherheit, gibt es bis heute - seit der BSE-Krise wird es gefordert - kein umfassendes vorsorgendes Verbraucherschutzkonzept.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Dieser Aktionsplan offenbart dagegen in wirklich großer Klarheit, worum es in erster Linie geht: Unter dem Deckmantel des vermeintlichen Schutzes wird immer stärker eine Entmündigung des Verbrauchers angestrebt. Zwischen den Zeilen kann man die klare Unterscheidung zwischen dem guten und dem schlechten Verbraucher lesen. Der gute ist derjenige, der der grünen Ideologie folgt; der schlechte ist derjenige, der sich eigenständig entscheiden will und einer Bevormundung nichts abgewinnen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Frau Ministerin Künast, Sie haben eben von der Verbraucherpolitik im 21. Jahrhundert gesprochen. Das klingt bombastisch. Ich möchte Ihnen empfehlen, zunächst einmal beim Thema Lebensmittelsicherheit Ordnung im eigenen Haus zu schaffen. Was heißt das? Im Rahmen der Haushaltsberatungen 2003 hat es auf Antrag der FDP-Bundestagsfraktion einen Bericht des Bundesrechnungshofes gegeben. Der Bundesrechnungshof bescheinigt Ihnen, dass von 16 zusätzlich für den Verbraucherschutz bewilligten Stellen 11 nicht auftragsgemäß besetzt wurden.

(Albert Deß (CDU/CSU): Das Ministerium ist inzwischen Parteizentrale der Grünen!)

Elf Stellen werden ausdrücklich zur Stärkung der neuen Politikausrichtung genutzt. Das ist etwas, das wir nicht akzeptieren können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Da ich gerade von Anspruch und Wirklichkeit rede, möchte ich sagen: Es ist unverantwortlich, dass gerade im Referat „Fleischhygiene“ der Personalbestand reduziert wurde.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das entspricht überhaupt nicht dem Schutzgedanken.

(Albert Deß (CDU/CSU): Der beste Mann im Veterinärreferat ist versetzt worden!)

   Ein weiterer Aspekt im Bereich der Lebensmittelsicherheit sind die Lebensmittelkontrollen. Frau Ministerin Künast, wir sind uns wohl im Klaren darüber, dass nicht erst seit heute, sondern schon seit vielen Jahren die Qualität von Lebensmitteln in Deutschland sehr hoch ist; das gilt sowohl für die Qualität von konventionell hergestellten Produkten als auch für die Qualität der biologisch hergestellten Produkte.

(Beifall des Abg. Hans-Michael Goldmann (FDP))

   Ich möchte ausdrücklich sagen, dass das QS-Label ein hervorragendes Markenzeichen für qualitativ hoch stehende Produkte ist, obwohl das QS-Label nicht als Werbekampagne staatlich finanziert wird, wie das beim Ökolabel der Fall war.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU))

   Dennoch kann ich nicht verschweigen, dass inzwischen Personalnot bei den Lebensmittelkontrolleuren - für die Kontrollen sind die Länder zuständig - herrscht, weil hier ein eklatanter Personalabbau stattgefunden hat. Ein Lebensmittelkontrolleur ist bundesweit für bis zu 1 800 Betriebe, also Kantinen und Gaststätten, zuständig. Je nach Region schwankt diese Zahl, aber es gibt eindeutig zu wenig Kontrolleure. Hier müssen Sie, Frau Künast - das liegt in Ihrer Verantwortung -, mit Blick auf die katastrophalen Haushaltslagen in Bund-Länder-Gesprächen beraten, wie Sie tatsächlich und nicht nur auf dem Papier mehr Lebensmittelsicherheit schaffen können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das ist auch fernab von Geflügelpest und vielen anderen Seuchen mehr ein Problem. Denn wir haben es in Deutschland mit immerhin 200 000 Lebensmittelinfektionen pro Jahr zu tun. 80 000 davon sind Salmonellenvergiftungen. Wir haben hier Bedarf, nicht nur Ankündigungen entgegenzunehmen, sondern uns ganz konkret um Verbesserungen zu bemühen.

   Überhaupt nicht erwähnt haben Sie, Frau Künast, die Energiepolitik. Darauf möchte ich einmal zu sprechen kommen. Denn die Bevorzugung des Ökobereiches durch Rot-Grün in der Agrarwirtschaft setzt sich in der Energiepolitik fort, nämlich mit unverhältnismäßig hohen Subventionen für Stromeinspeiser, insbesondere für Windmüller.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese verursachen Wettbewerbsverzerrungen in Milliardenhöhe. Die gesamtwirtschaftlichen Kosten betragen derzeit

(Ulrich Heinrich (FDP): Über 3 Milliarden Euro!)

- so ist es, Kollege Heinrich - mehr als 2,5 Milliarden Euro. Damit übersteigen diese Subventionen sogar die derzeit gezahlten Steinkohlesubventionen. Beim Subventionsabbau gäbe es hier also sehr viel zu tun.

(Beifall bei der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So ein Unsinn!)

Bezahlen müssen dies die Stromverbraucher. Steigende Stromkosten sind Gift für die Konjunktur.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie sind zukunftsfeindlich! Das wissen wir längst!)

- Zukunft hat nur derjenige, der Arbeit hat, der Geld verdienen kann, der sein Leben selbstständig organisieren kann, lieber Herr Kollege.

   Es ist traurig, dass sich Wirtschaftsminister Clement gerade im Energiebereich vielfach nicht durchsetzten konnte und dass gerade in der Energiepolitik viele Akzente ausgerechnet von Umweltminister Trittin gesetzt werden. Das ist schwierig. Wir am Standort Deutschland bekommen das wirklich zu spüren.

   Der nächste Problemfall - ich möchte ausdrücklich darauf zu sprechen kommen - ist die Deutsche Bahn. In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Bahn in beispielloser Art und Weise Zeugnis von Dienstleistungsverweigerung, Intransparenz und Starrheit abgelegt. Wir haben mit mehreren Interventionen versucht, hier zur Umkehr aufzurufen - leider ohne Erfolg.

   Ich finde es sehr gut, dass wir in Deutschland eigenständige Verbraucher haben.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Ja, richtig!)

Die Verbraucher haben reagiert. Sie haben gesagt: Das machen wir nicht mit, wir lassen uns nicht abzocken; wir möchten, dass die Bahn für uns, die Nutzer, da ist und nicht umgekehrt.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Ohne Verbraucherschützer haben sie das gemacht!)

Die Folgen waren Kundenverluste, ein dramatischer Umsatzeinbruch und jetzt endlich die Bereitschaft bei den Bahnvorständen, sich zu rühren.

   Was wir als FDP-Bundestagsfraktion überhaupt nicht verstehen und auch nicht akzeptieren können, ist die Tatsache, dass der Bahnchef, der für dieses Chaos in erster Linie verantwortlich ist, zur Belohnung auch noch eine Vertragsverlängerung bekommen hat, Frau Ministerin Künast. Das halten wir wirklich nicht für gut.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Kopp, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Heinrich?

Gudrun Kopp (FDP):

Mit größtem Vergnügen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das glaube ich! Sehr vordergründig!)

Ulrich Heinrich (FDP):

Frau Kollegin Kopp, können Sie uns vielleicht sagen, welchen Anteil die Verbraucherschutzministerin an der Korrektur der Bahntarife hat, die jetzt wohl vorgenommen werden soll? Sie hätte ja schon sehr viel früher ihr Veto einlegen müssen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie kennen die rechtlichen Konstruktionen nicht! Das ist eine Aktiengesellschaft!)

Gudrun Kopp (FDP):

Lieber Herr Kollege Heinrich, meiner Beobachtung und meinem Wissen nach ist der Anteil gleich null.

   Die Verbraucherschutzverbände und die Organisation „Pro Bahn“ haben in der Anhörung zum Thema Bahn, die wir neulich hatten, in eindrucksvoller Weise angeprangert, dass gerade der Umgang mit körperbehinderten Menschen sehr problematisch ist. Auch das hat Bundesministerin Künast nicht veranlasst, zu versuchen, Einfluss zu nehmen. Rollstuhlfahrer sind nämlich auf den Bahnhöfen häufig nicht in der Lage, Fahrkartenautomaten zu bedienen. Sie müssen also ihre Fahrkarte im Zug lösen und zahlen im Zug die höheren Bordpreise. Das ist eine Diskriminierung, die schnellstens abgeschafft werden muss.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Auf meine Frage bei der Anhörung, wie die Bahn damit in Zukunft umzugehen gedenke, antwortete der Bahnvertreter nur, man wisse von dieser Problematik nichts, man könne dazu überhaupt nichts sagen.

(Zuruf von der SPD: So ein Quatsch!)

Das ist eine sträfliche Vernachlässigung von Dienstleistung und Verbrauchern.

   Wenn jetzt beabsichtigt wird, nur an einigen Punkten des Preissystems Änderungen vorzunehmen, dann bin ich der Überzeugung, dass das nicht ausreichen wird. Das neue Preissystem kann nur abgeschafft werden. Es muss durch ein komplett neues Preissystem ersetzt werden, das den tatsächlichen Bedürfnissen gerecht wird.

   Der Managementfehler der Bahn besteht in erster Linie darin, dass sie angenommen hat, Hauptwettbewerber sei das Flugzeug. Das ist aber nicht der Fall; Hauptwettbewerber der Bahn ist vielmehr das Auto.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Von dieser Basis muss man ausgehen und versuchen, hier Wettbewerb herzustellen. Die Kunden müssen durch Pünktlichkeit, Flexibilität und entsprechende Preise, die attraktiv gestaltet sind, zufrieden gestellt werden. Davon ist die Bahn im Augenblick meilenweit entfernt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Für die Bundesregierung bleibt die Aufgabe bestehen, bei diesem Monopolunternehmen einzugreifen. Nach meiner Überzeugung hilft nur ein kompletter personeller und inhaltlicher Neuanfang.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Plus Wettbewerb!)

   In der Tat, Wettbewerb ist für Sie ein Fremdwort. Das gilt auch für den Subventionsabbau. Sie knacken keine Monopole. Ich nenne Ihnen Beispiele - Frau Künast, darauf sind Sie überhaupt nicht eingegangen -: Neben dem Monopol der Bahn, auf das ich eben eingegangen bin, gibt es das Postmonopol. Auch im Energiebereich führt der Weg zurück zur Reregulierung. Es gibt immer weniger Liberalisierung. Das geht zulasten der Verbraucher. Dadurch werden sie bevormundet, dadurch wird ihnen das Geld aus der Tasche genommen. Das macht sie zu Ihren Opfern.

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Trotz der künstlich verlängerten Redezeit!)

Gudrun Kopp (FDP):

Ich komme zum Schluss.

   Nur auf dem Weg, den die FDP vorgeschlagen hat, nämlich mit einem entsprechenden umfassenden Konzept zum Verbraucherschutz, können wir den Verbrauchern am Markt zu der Stimme verhelfen, die sie eigentlich haben. Wir haben es mit selbstbestimmten Bürgern zu tun und nicht mit rot-grünem Stimmvieh.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Kollegin Ulrike Höfken, Bündnis 90/Die Grünen.

Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrte Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Baum Verbraucherpolitik grünt und trägt Früchte, sogar bei der CDU und der Bahn, nicht aber bei der FDP. Auf der einen Seite hören wir, der Markt solle es richten, auf der anderen Seite werden Rufe nach Ordnungspolitik und dem Veto der Ministerin laut. Das nenne ich eine stringente Strategie!

(Heiterkeit bei der SPD - Gudrun Kopp (FDP): Brauchen wir mehr Monopole?)

   Die Verbraucherverbände feierten gerade ihr 50-jähriges Bestehen, wozu ich ihnen von hier aus meinen herzlichen Glückwunsch ausspreche. Das will ich zum Anlass nehmen, um einen kleinen Rückblick auf die Entwicklung der Verbraucherpolitik zu geben: Die Arbeit begann mit Preisvergleichen und Warentests zur Wahrung der wirtschaftlichen und sozialen Interessen. Aber schon in den 60er-Jahren haben sich die Verbraucherrechte zum Schwerpunkt entwickelt. Mit der Umweltbewegung traten Anfang der 80er-Jahre die Qualität der Produktion sowie die Frage nach der weltweiten Verantwortlichkeit für die gesundheitlichen, ethischen, sozialen und umweltbezogenen Auswirkungen als neue Ziele der Verbraucherpolitik in den Vordergrund. Es werden neue, konsumkritische Verbrauchergruppen gegründet, wie zum Beispiel die Verbraucher-Initiative. Die erste Diskussion über das Thema „Preiswert“ wurde begonnen, die der Bauernverband jetzt genauso führt. Es gab teils heftige Auseinandersetzungen mit der damaligen AgV.

   In der Politik wurde zunächst mit wirtschaftsliberalen Ansätzen ausschließlich auf die Verbesserung des Wettbewerbs in der Wirtschaft gesetzt. Doch die Notwendigkeit eines eigenständigen Verbraucherschutzes wurde recht schnell deutlich. 1975 kamen dann aus den USA, die damals in diesem Punkt sehr fortschrittlich gewesen sind, die Grundsätze der Verbraucherpolitik auf die europäische Ebene, wo als Erstes eine verbraucherpolitische Strategie erarbeitet wurde, und teilweise in die nationale Gesetzgebung. Darauf folgten unter CDU, CSU und FDP eine Eiszeit und Ignoranz in diesem Politikbereich.

(Albert Deß (CDU/CSU): Das ist eine bösartige Unterstellung, Frau Kollegin!)

Unter Rot-Grün wird jetzt der Faden der Verbraucherpolitik wieder aufgegriffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Grünen haben schon ganz zu Anfang, als sie in den Bundestag gekommen sind, neue Akzente gesetzt. Sie sind zum Beispiel wider die Vergewaltigungsstrategie bei der Gentechnik oder gegen Chemie in Lebensmitteln eingetreten. Im neuen Koalitionsvertrag haben wir gemeinsam mit der SPD niedergelegt, dass es den Paradigmenwechsel gibt, Verbraucherschutz als Querschnittsaufgabe aufzufassen.

   Sie sagen, das Aktionsprogramm sei ein Sammelsurium. Ich finde, das ist revolutionär. Seit 30 Jahren gibt es erstmals wieder einen umfassenden Arbeitsplan für Verbraucherpolitik. Frau Künast hat nie gesagt, dass das die Gesamtstrategie ist, aber das ist ein ganz wichtiger Teil der Strategie und ein Gesamtprojekt der Regierung. Das ist tatsächlich vollkommen neu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Damit haben wir sowohl für den Bundestag als auch für die Bundesregierung eine Handlungsgrundlage.

   An diesem Punkt will ich doch noch einmal zur FDP kommen.

(Gudrun Kopp (FDP): Gerne!)

Das kann man einfach nicht so stehen lassen. Der FDP-Antrag trägt nämlich die Überschrift: „Umfassende Politik für Verbraucher - weg von einem engen Aktionsplan zum Schutz der Verbraucher“. Hierzu muss man ganz klar sagen: Das ist keine verbraucherpolitische, sondern eine parteipolitische Strategie. Die FDP will der Verbraucherpolitik das Gesicht, den Ansprechpartner nehmen und

(Gudrun Kopp (FDP): Aha!)

sie will sie atomisieren, indem sie sagt, dass Verbraucherpolitik zwar überall stattfinden muss, ein Ressort und ein Ausschuss aber nicht gebraucht werden. Das ist im Grunde genommen der Generalangriff auf die Institutionalisierung und den Erfolg der Verbraucherpolitik.

(Matthias Weisheit (SPD): So ist es! - Gudrun Kopp (FDP): Welcher Erfolg?)

Das finde ich schon hart.

   Der Markt entscheidet - sagen Sie - und die FDP begreift sich offensichtlich als ein Teil des Marktes. Wie sonst sind die Boykottaufrufe von Frau Kopp gegen die Bahn zu verstehen?

(Gudrun Kopp (FDP): Sie haben ja etwas bewirkt!)

Ein Boykott gegen die Bahn ist ja wirklich toll. Man muss sagen: Auf dem Weg zur Heiligen Johanna der Bahnhöfe gerät man schnell aufs Abstellgleis. Das kann nicht jeder.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Gudrun Kopp (FDP): Sehr schön! Das Bild gefällt mir!)

   Bei dem Stichwort Boykott will ich auf die verbraucherpolitische Diskussion zurückkommen, die wir am Montag geführt haben. Volkmar Lübke hat noch einmal auf die Schwierigkeiten in der Verbraucherpolitik verwiesen; denn der Verbraucher ist ja doch reichlich renitent.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sie meint den Verbraucher an sich!)

Wissen bedeutet nicht automatisch Handeln.

   Es gibt hier einen Widerspruch und schon fast kultivierten Streit darüber, was das Leitbild der Verbraucherpolitik zu sein hat. Auf der einen Seite gibt es die Konsumentensouveränität, also den mündigen, klugen, frei entscheidenden und kompetenten Verbraucher. Auf der anderen Seite gibt es die schutzbedürftigen Verbraucher, die unter die Fittiche des Bundesadlers zu nehmen sind. Natürlich gibt es auch die Vorstellung, dass Verbraucher so etwas wie abzurichtende Hunde sind, die bei den Werbekampagnen genau das tun, was die Werbung von ihnen verlangt.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Es gibt kaum jemanden, der so viel Werbung macht wie Sie! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das wäre doch der Wunsch der Grünen!)

   Tatsächlich kauft „Ottine“ Normalverbraucher Sachen, die sie nicht braucht. Man sollte vielleicht nicht von fremden Leuten reden; es reicht ja schon, wenn man sich selbst betrachtet. Die Widersprüchlichkeit ist offensichtlich. Ich kaufe Sachen, die ich nicht brauche.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Das sieht man! - Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Ich erliege den Verführungen der Tchibo-Angebote. Bei einer Großinvestition, wie dem Kauf einer Waschmaschine, entscheide ich, ohne mir sämtliche Erkenntnisse der Stiftung Warentest eingeholt zu haben. Und ich esse sogar Putenbruststreifen, obwohl es mir graut, wenn ich an deren Erzeugung denke.

   Letztendlich ist die Wahrheit dazwischen zu suchen. Um Menschen zu überzeugen, braucht es Wissen und Bildung und Anreize und echte Alternativen.

(Gudrun Kopp (FDP): Genau!)

Ich komme gleich noch darauf, dass das durchaus sehr wichtig ist. Man wirft eben keine Dose und erst recht keine Ölplattform ins Meer. Daneben braucht es eine echte Alternative wie bei der „Brent Spar“. Hier konnte man sich mit ARAL richtig gut fühlen. Die Tankstelle lag aber auch direkt daneben.

   Genau das ist das Problem. Gerade die FDP - das betrifft aber auch die CDU/CSU - verweigert sich nämlich genau diesen Alternativen. Die Ökoprodukte im Laden muss es dann ja auch geben und die gentechnikfreie Produktion muss entsprechend geschützt werden.

(Gudrun Kopp (FDP): Aber nicht einseitig gefördert!)

Es muss auch eine wirkliche Verbraucherinformation geben. Sie jammern aber bereits über die Planstellen, die das Ministerium für genau diese verbesserte Verbraucheraufklärung geschaffen hat.

(Gudrun Kopp (FDP): Das ist gar nicht wahr!)

   Bezüglich der ganzen Pseudodiskussion über die Stiftung Warentest, die in die Freiheit zu entlassen sei, sage ich Ihnen: Sie wissen ganz genau, dass den Verbraucherzentralen in einem solchen Fall die Finanzen fehlen. Das, was Sie uns bieten, ist überhaupt keine Alternative.

(Gudrun Kopp (FDP): Dann haben Sie wirklich nichts verstanden, liebe Frau Kollegin!)

Die CDU/CSU bewegt sich. Sie fordert jetzt auch ein Verbraucherinformationsgesetz. Das hat man aber noch nicht gesehen; das steht in ihrem Antrag. Wir könnten hier ja einmal versuchen, die ganzen wahltaktischen Spielchen - so nenne ich sie einmal - zu beenden und eine Situation zu erreichen, die übrigens nicht nur in den USA, sondern genauso gut auch in Großbritannien herrscht. Dort ist es auch gang und gäbe, dass zum Beispiel die Schnellwarnungen der EU ins Internet gestellt werden, und keiner bricht dabei zusammen.

   Das Thema Bevormundung zieht sich immer durch Ihre Reden. Staatliches Handeln zu negieren ist keine verantwortliche Politik. Das sagen gerade die Parteien - das finde ich wirklich scharf -, die uns den gelben Sack verordnet haben - nicht den auf zwei Beinen.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Was ist das für eine sexistische Äußerung! Ich fühle mich diskriminiert!)

Ich meine die gelben Säcke, die sozusagen eine Zwangsbeglückung eines jeden Haushalts dank CDU, FDP und CSU sind. Also, ich bitte Sie wirklich!

   Es gibt eine Verpflichtung - das halte ich für eine wichtige Begründung für staatliches Handeln und für das Werben um eine bestimmte Verbraucherpolitik -, die Sie von CDU, CSU und FDP auch eingegangen sind: die Nachhaltigkeitskriterien zu beachten und für den nachhaltigen Konsum ebenso Sorge zu tragen und dafür die Rahmenbedingungen zu setzen. Das ist die Grundlage unseres Regierungshandelns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Unsere Fraktion und unsere Partei haben die Schwerpunkte gesetzt. Diese sind nachhaltiger Konsum, Wahlfreiheit, Transparenz und schwerpunktmäßig auch die Dienstleistungsprodukte, insbesondere in einer Situation, in der diese durch die Liberalisierung eine immer größere Bedeutung gewinnen. Nachhaltiges Wirtschaften und nachhaltiger Konsum gehören zusammen. Wir sehen keinen grundlegenden Konflikt zwischen Wirtschaft und Verbraucherschutz. Wir haben übrigens eine große Unterstützung von der Industrie selbst erfahren, die dieselben Schwerpunkte setzt. Verbraucherschutz und Eigenverantwortung sind ein wichtiges Leitbild.

   Zu unserem Ziel der Transparenz gehört nicht nur das Verbraucherinformationsgesetz. Wir werden auch die Orientierungshilfen weiterentwickeln und den Schutz da gewährleisten, wo er notwendig ist, nämlich bei Kindern, bei der Lebensmittelkontrolle und bei Dienstleistungsprodukten. Sie hätten übrigens heute ein Gesetz zu Spam vorlegen können. Das haben Sie nicht gemacht.

   Das Gesetz zur Mehrwertdiensteregulierung betrifft nicht nur die sehr teuren Dialer, die die Haushalte fast ruinieren, sondern bietet auch den Ansatz, den Absender von unerwünschten Mails feststellen zu können.

   Insofern begrüße ich das von der Verbraucherschutzministerin vorgelegte Aktionsprogramm sehr. Wir werden Schritt für Schritt darangehen, dieses Aktionsprogramm gemeinsam umzusetzen.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Marlene Mortler, CDC/CSU-Fraktion.

Marlene Mortler (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zum Aktionsplan von Ministerin Künast hagelt es massive Kritik von allen Seiten: Der Aktionsplan Verbraucherschutz ist keiner, sondern er ist ein Sammelsurium von Ideen und Vorschlägen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es fehlen die notwendigen Bestandteile eines Aktionsplans, nämlich konkret definierte Ziele, Zeitpläne und Verantwortlichkeiten. Schmerzlich vermisst werden Prioritäten.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

   Diese vernichtende Kritik am Aktionsprogramm stammt nicht, wie Sie vielleicht vermuten, von der Opposition; sie stammt von Thilo Bode, dem jetzigen Geschäftsführer der Verbraucherschutzorganisation Foodwatch und ehemaligen Chef von Greenpeace.

(Michael Glos (CDU/CSU): Schau an!)

   Franz-Georg Rips, Vorsitzender des Verwaltungsrates der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., hat es etwas milder, in der Sache aber ebenso kritisch formuliert: Man erwarte nach einem Aktionsplan Verbraucherschutz nun eine verbraucherpolitische Strategie.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Die Regierung ist schon verbraucht!)

   Kritische Stimmen aus der Opposition, sehr geehrte Frau Ministerin, sind Sie ja gewohnt. Dass aber in den Reihen Ihrer Hauptkritiker unter anderem die Vorsitzende der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V., Edda Müller, zu finden ist, gibt schon zu denken.

Sie hat festgestellt, der Plan sei wohl ein positives Zeichen, aber inhaltlich enttäuschend.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja!)

   Ihnen wird von den Verbraucherorganisationen zu Recht vorgeworfen, dass es sich bei dem Programm wie so oft bei Ihrer Politik um reinen Aktionismus handelt. Diesen Aktionismus kennen wir seit Ihrem Amtsantritt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Eben!)

Es fehlt die klare Linie. Viele Prüfaufträge sind unklar.

   Ein Aktionsplan benötigt aus unserer Sicht ein Konzept. Ein solches Konzept kann ich, wie viele andere auch, nicht erkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ein innerhalb der Bundesregierung abgestimmtes Konzept kann es auch noch nicht geben, weil Sie erst im Herbst Ihre verbraucherpolitische Strategie vorlegen wollen.

   Ich frage mich: Was haben Sie seit Ihrem Amtsantritt Anfang 2000 auf diesem Gebiet - das doch nach Ihren eigenen Aussagen höchste Priorität haben soll - eigentlich unternommen, wenn Sie nach zweieinhalb Jahren immer noch an einer verbraucherpolitischen Konzeption basteln?

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ihre Ignoranz ist grenzenlos!)

   Ich bin auch über Ihre strategischen Fähigkeiten etwas verwundert. Erst erstellen Sie einen Plan und ein halbes Jahr später soll die Strategie folgen. Das ist eigenartig.

(Albert Deß (CDU/CSU): Das ist aber typisch für diese Regierung!)

Ein Blick auf die konkreten Maßnahmen zeigt: Man muss sie mit der Lupe suchen. Ich habe zwei gefunden: den Entwurf zur Reform des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb und den Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs von Mehrwertdiensterufnummern.

   Diese vorgeschlagenen Änderungen sind beileibe nicht ausreichend. Dies kritisieren wir, dies kritisieren aber auch die Verbraucherschützer. Dass beide Vorhaben nicht in Ihrem Zuständigkeitsbereich erarbeitet wurden, können wir Ihnen jetzt nicht mehr vorwerfen. Dazu hätten Sie sich in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen müssen. Anstelle der Erweiterung Ihres Zuständigkeitsbereichs haben Sie ein Initiativrecht erhalten. Jetzt ist aber offen zutage getreten - das ist auch heute deutlich geworden -, dass dieser Trostpreis nicht ausreicht, um Ihre Kabinettskollegen im Ernstfall davon zu überzeugen, den Verbraucherschutz angemessen in deren Gesetzentwürfen zu berücksichtigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Umso trauriger ist es, wenn Sie Ihren Plan hauptsächlich mit fremden und noch dazu gerupften Federn schmücken müssen.

   Ich komme noch kurz zu den Mehrwertdienstleistungen, die Ulla Heinen schon angesprochen hat. Ich frage noch einmal: Warum erfasst der Gesetzentwurf nicht die 0136- und 0137-Nummerngassen? Die Verlagerung der schwarzen Schafe auf diese Gassen ist doch förmlich absehbar. Warum fehlt die Möglichkeit der Verbraucher, die Zahlung unberechtigter Forderungen zu verweigern, ohne dass der Anschlussanbieter ihm den Telefonanschluss sperren kann? Warum soll es nicht Sache der unseriösen Mehrwertdiensteanbieter sein, ihre zweifelhaften Forderungen einzutreiben? Warum dürfen sie sich nach wie vor des bequemen Inkassos durch den Netzanbieter bedienen?

   Frau Ministerin, wenn Sie auf dem Gebiet der Mehrwertdienstleistungen wirklich Politik für den Verbraucher gestalten wollen, dann schließen Sie sich den Inhalten und Zielen unseres Antrags an!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir, die Union, haben in den vergangenen Wochen verschiedene Initiativen zum Verbraucherschutz vorgelegt und haben damit bewiesen, wie wichtig uns dieses Thema ist. Meine Kollegen und ich hatten heute den Eindruck, dass Sie lustlos agieren und den Aktionsplan einfach deshalb durchführen wollen, weil Sie das zuständige Ministerium leiten. Aber ich meine, das ist zu wenig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Unsere Anträge zugunsten einer verbesserten Verbraucherinformation bei Lebensmitteln, Produkten, Dienstleistungen und Mehrwertdiensterufnummern sind zukunftsweisend. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erläuterungen von Gerda Hasselfeldt und Ulla Heinen in dieser Woche in unserer Fraktion.

(Lachen beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da waren wir nicht dabei!)

   Meine Damen und Herren, neben Fragen der Lebensmittelsicherheit geht es auch um rechtliche und wirtschaftliche Belange, die uns betreffen.

Das, was wir alle brauchen, sind zuverlässige, umfassende und sachliche Informationen über Produkte. Dies ist das A und O für ein eigenverantwortliches Konsumverhalten. Durch ein Verbraucherinformationsgesetz sollen die bei Behörden vorhandenen Informationen erschlossen werden, wobei die Wahrung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen der Unternehmen gewährleistet sein muss. Aber auch die Unternehmen sind aufgefordert, ihre Informationspolitik zu verbessern. Hier setzen wir im Gegensatz zu Ihnen auf Selbstverpflichtungsinitiativen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein Auskunftsanspruch gegenüber Unternehmen macht aus meiner Sicht aber nur Sinn, wenn er auf europäischer Ebene geregelt wird.

   Meine Damen und Herren von der Regierung, wir begrüßen Ihren Entwurf zur Novellierung des UWG. Wir sind aber der Meinung, dass er vor allem im Hinblick auf die so genannte Gewinnabschöpfung bzw. den so genannten Gewinnabschöpfungsanspruch unausgereift ist. Auch wir sehen, dass im Binnenmarkt Defizite bestehen und dass ein einheitlicher Verbraucherschutz innerhalb des Binnenmarkts reibungslos funktionieren muss, wenn zum Beispiel Verbraucher Ansprüche gegenüber Anbietern im Ausland gerichtlich klären und vollstrecken lassen müssen.

   Im Bereich der Lebensmittelkennzeichnung gibt es ebenfalls erheblichen Verbesserungsbedarf. Hier verweise ich auf die nachfolgende Rednerin der Union, Uda Heller. Wichtig und wesentlich sind auch hier verständliche Produktkennzeichnungen.

   Bundes- und europaweit einheitliche Standards für die Lebensmittelüberwachung sind ein weiterer wichtiger Faktor, genauso wie die Kommunikation und die Koordination zwischen Bund und Ländern sowie zwischen Bund und Europa; denn nationales Vorgehen - fehlende Abstimmungen zwischen Bund und Ländern müssen wir in den letzten Monaten ja immer wieder erleben - gibt nur Scheinsicherheit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich rufe Sie im Hinblick auf diese Zusammenarbeit und Koordination auf, die Vorschläge, die im Von-Wedel-Gutachten zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes enthalten sind, endlich umzusetzen, damit einheitliche Verwaltungsvorschriften im Lebensmittel-, Futtermittel-, Tierarzneimittel- sowie im Veterinärbereich erlassen werden können.

   Wir, die Union, treten für die Unabhängigkeit der Verbraucherberatung ein. Wir sind der Meinung, dass eine Stiftung gegründet werden sollte, über die mit den Ländern zu beraten ist, und dass entsprechende Mittel bereitgestellt werden müssen. Auch sind wir dafür, dass die Stiftung Warentest in die Unabhängigkeit entlassen wird. In unseren Anträgen zu ihrem Haushaltsplan für die jetzige Legislaturperiode haben wir im Übrigen aufgezeigt, dass eine sinnvolle Verteilung des Budgets dies möglich machen würde. Sie jedoch ziehen es vor, rot-grüne Spielwiesen - ich nenne als Beispiele nur das Projekt Ökolandbau und Ihre Regelungen zur Tierhaltung - zu finanzieren.

(Michael Glos (CDU/CSU): Sehr wahr!)

Begreifen Sie doch endlich, dass die Zeit viel zu ernst für rot-grüne Spielwiesen ist!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, kommen Sie bitte zum Schluss.

Marlene Mortler (CDU/CSU):

Für uns steht der eigenverantwortliche Verbraucher im Mittelpunkt. Ganz bewusst sehen wir Verbraucherschutz als Teilaspekt einer umfassenden Verbraucherpolitik, die ein Gleichgewicht zwischen Verbraucher- und Wirtschaftsinteressen findet, damit Deutschland ein hohes Maß an Lebensqualität erhalten bleibt.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Martin Dörmann, SPD-Fraktion, das Wort.

Martin Dörmann (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Bedeutung des Verbraucherschutzes nimmt angesichts der fortschreitenden technischen Entwicklung und neuer Gesundheitsgefährdungen stetig zu. Es war deshalb richtig und notwendig, dass die rot-grüne Bundesregierung auf den BSE-Skandal schnell reagiert und vor zwei Jahren - so lange ist das noch nicht her - erstmals ein Verbraucherschutzministerium eingerichtet hat.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Daher ist es geradezu abwegig, dass die FDP in ihrem Antrag nun die Meinung vertritt, die Zuordnung der Verbraucherpolitik zu einem Fachressort habe sich nicht bewährt. Das Gegenteil ist der Fall.

(Zuruf von der SPD: Genau!)

   Der von der Bundesregierung nunmehr vorgelegte Aktionsplan Verbraucherschutz ist Ausdruck der gewachsenen Bedeutung des Verbraucherschutzes und der konsequenten Politik der rot-grünen Koalition auf diesem Feld. Er fasst die vielfältigen Aktivitäten in den unterschiedlichen Ressorts zusammen. Er macht zugleich deutlich, dass Verbraucherschutz eine Querschnittsaufgabe ist und gerade deshalb gebündelt werden muss. Die SPD-Fraktion begrüßt daher den Aktionsplan als einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einer umfassenden und aktiven Verbraucherschutzpolitik, die alle Politikbereiche durchzieht.

   Bestandteil der verbraucherpolitischen Gesamtstrategie, die sich hieraus entwickeln wird, muss unter anderem eine noch bessere Verbraucherinformation sein, die Verbraucherinnen und Verbraucher in die Lage versetzt, ihre Kauf- und Konsumentscheidungen bewusst und frei zu treffen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unabhängige Verbraucherorganisationen und -institutionen leisten hierzu bereits einen wichtigen Beitrag.

   In der vergangenen Woche konnten wir 50 Jahre Verbraucherarbeit in Deutschland feiern. Verbraucherorganisationen erfahren - das belegen aktuelle Umfragen - in der Bevölkerung höchste Akzeptanz und Wertschätzung. Zugleich ist ihr Rat gefragt wie nie zuvor. Beispielsweise gab es allein in der Verbraucherzentrale meiner Heimatstadt Köln im vergangenen Jahr 45 000 Anfragen von Bürgerinnen und Bürgern zu einer großen Bandbreite von Verbraucherthemen. Dies zeigt, wie gefragt und notwendig Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher sind. Wir wollen deshalb die Arbeit der unabhängigen Verbraucherberatung stärken und auch weiter finanziell unterstützen, und zwar - trotz angespannter Haushaltslage - mit stabilen und sogar wachsenden Beträgen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Darüber hinaus müssen wir Informationsrechte gesetzlich in einem Verbraucherinformationsgesetz verankern. Verbraucherinnen und Verbraucher bedürfen heute mehr denn je eines effektiven Zugangs zu relevanten Informationen, vor allem zu solchen, die ihre Gesundheit und Sicherheit betreffen. Dabei wird es darauf ankommen, deutlich zu machen, dass dieser Zugang - sei es bei Behörden oder auch Unternehmen - der Wirtschaft letztendlich nutzt und nicht schadet. Die Wirtschaft selbst sollte ein Interesse an möglichst großer Transparenz haben, weil nur so das Vertrauen in ihre Produkte wächst.

   Leider ist die Haltung der Union hierzu widersprüchlich. Zwar ist zu begrüßen, dass sich auch die CDU/CSU-Fraktion in ihrem Antrag grundsätzlich für ein Verbraucherinformationsgesetz ausspricht, allerdings mit einer Vielzahl von erheblichen Einschränkungen.

(Ursula Heinen (CDU/CSU): Nein!)

- Frau Heinen, Sie wollen uns jetzt als große Innovation verkaufen, dass Sie Unternehmen auffordern, mehr Informationen ins Internet zu stellen. Dies wird ganz sicher Eindruck machen und den Verbraucherinnen und Verbrauchern weiterhelfen.

   Folgende Frage sei erlaubt: Wie ernst ist es Ihnen letztendlich? Wir erinnern uns zu genau, dass im vergangenen Jahr - so kurz ist es erst her - ein Verbraucherinformationsgesetz an der unionsgeführten Mehrheit im Bundesrat gescheitert ist, und zwar mit einer Begründung, die sachlich nicht mehr nachzuvollziehen war.

(Beifall des Abg. Michael Müller (Düsseldorf) (SPD))

Daher kann ich nur hoffen, verehrte Kolleginnen und Kollegen von der CDU/CSU, dass Sie und vor allem Ihre Parteifreunde aus den Ländern Ihrer Mitverantwortung für einen wirksamen Verbraucherschutz diesmal endlich gerecht werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte als einen weiteren Punkt hervorheben, dass wir in der Verbraucherpolitik mehr denn je auf die europäische Karte setzen und setzen müssen. BSE und Geflügelpest kennen keine Grenzen. In der neuen europäischen Verfassung muss deshalb als eines der Ziele der EU nochmals festgeschrieben werden, ein hohes Verbraucherschutzniveau zu gewährleisten.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Richtig!)

   Die SPD-Fraktion will ein möglichst hohes Verbraucherschutzniveau in der gesamten Europäischen Union. Gleichzeitig muss es den Mitgliedstaaten jedoch erlaubt bleiben, beim Verbraucherschutz Vorreiter zu sein und über das europäisch festgelegte Maß noch hinauszugehen.

(Beifall des Abg. Matthias Weisheit (SPD))

Es wäre daher ein Fehler - einige diskutieren das -, wenn sich die Europäische Union auf Maximalstandards festlegen würde, die kein Mitgliedstaat überschreiten darf. Richtig ist vielmehr der Weg der Mindeststandards auf hohem Niveau, die durch nationale Maßnahmen ergänzt werden können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist übrigens schon deshalb richtig, weil so auf mögliche neue Gefahren stets schnell und umfassend reagiert werden kann.

   Mit dem vorgelegten Aktionsplan dokumentiert die rot-grüne Bundesregierung, dass sie den Verbraucherschutz in allen Politikfeldern weiter nachhaltig stärken wird. Hierfür verdient sie unsere volle Unterstützung.

   Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Dörmann, dies war Ihre erste Rede im Bundestag. Herzliche Gratulation und viel Glück für Ihre weitere Arbeit!

(Beifall)

   Ich erteile nun der Kollegin Petra Pau das Wort.

Petra Pau (fraktionslos):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Verbraucherschutz wurde in den letzten Jahren aufgewertet, auch politisch. Das begrüßt die PDS im Bundestag ausdrücklich. Insofern ist es auch gut, wenn die Bundesregierung nunmehr einen Aktionsplan Verbraucherschutz vorlegt. Der Verbraucherschutz ist - das verdeutlicht der heute vorliegende Bericht der Bundesregierung - ein komplexes Feld. Er ist aber auch ein Thema, das häufig nur dann aktuell wird, wenn das Kind im Brunnen liegt. Ob es BSE oder Geflügelpest ist - zumeist sind es offenbar gewordene Skandale oder akute Bedrohungen, die den Verbraucherschutz spannend machen und auch in die Medien transportieren. Ich finde deshalb Vorhaben wie die, zum Beispiel hier in Berlin eine lange Nacht des Verbraucherschutzes durchzuführen und so grundsätzlich um Zuspruch für dieses Thema zu werben, durchaus spannend.

   Nun betont Ministerin Künast gern die Interessenübereinstimmung, die es beim Verbraucherschutz zwischen Kunden und Anbietern, zwischen der Wirtschaft und Bürgerinnen und Bürgern gibt oder zumindest geben müsste. Ich setze an dieser Stelle ein großes Fragezeichen. Der schnelle Euro war noch immer ein lukratives Geschäftsziel. Das kennen wir aus der Lebensmittel-, aus der Pharmabranche und aus anderen Industrie- und Handelszweigen. Gerade deshalb ist es gut und auch wichtig, den Bürgerinnen und Bürgern mehr Informationen und bessere Maßstäbe anzubieten. Sie dürfen eben nicht nur Kunde sein; sie müssen auch kundig werden - ein Feld, das Verbraucherschutzorganisationen seit Jahrzehnten beackern.

   Allerdings - damit komme ich auf den Aktionsplan der Bundesregierung zurück - bewegen Sie sich fast ausschließlich in traditionellem Raum. Es geht um Lebensmittelsicherheit, um Ernährung und Gesundheit, um Geschäfts- und Kaufrechte. Ich will das gar nicht kleinreden, aber ein weites und sich rasant ausweitendes Feld wird dagegen nahezu stiefmütterlich behandelt. Ich meine die Segnungen moderner Informationsgüter. Sie fehlen im Aktionsplan Verbraucherschutz weitgehend, obwohl sie nicht minder wichtig sind als gesunde Kühe oder ehrliche Reiseverträge.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Ich möchte deshalb ergänzend aus dem jüngsten Jahresbericht des Datenschutzbeauftragten zitieren und dann einen Vorschlag unterbreiten. Das Zitat:

Der technologische Fortschritt eröffnet immer neue Möglichkeiten, an die früher nicht zu denken war. Meist werden die Vorteile herausgestellt, die für den Einzelnen damit verbunden sind, die oft negative Kehrseite wird vielfach verschwiegen oder zumindest heruntergespielt.

Der Datenschutzbeauftragte meint Handys, Computer, Navigationssysteme und anderes, was längst Einzug in den Alltag gehalten hat, was gute, aber eben auch Kehrseiten hat. Wer ein Handy besitzt, sollte wissen, dass er jederzeit abgehört und auch geortet werden kann. Wer im Internet surft, sollte die Frage stellen, wie man sich dagegen schützen kann, dass über die eigene Person Persönlichkeitsprofile erstellt, gespeichert, gehandelt und auch missbraucht werden.

   Nun zu meinem Vorschlag. Zu jeder Pille, zu jeder Arznei gehört ein Beipackzettel über Risiken und Nebenwirkungen. Jede Zigarettenschachtel hat den Aufdruck: Die Gesundheitsminister warnen. - Wer es mit dem Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ernst meint, sollte daher Handys und Computer ähnlich prägen mit der Aufschrift: Der Verbraucherschutz empfiehlt ...

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) - Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Und auch die Plakate der PDS!)

Geschehen sollte das nicht als Abschreckung, sondern als Aufklärung, nicht als Handicap für Mobilfunkbetreiber oder die Computerwirtschaft, wohl aber als Bremse gegen staatlichen und auch privaten Datenmissbrauch.

Damit bin ich bei einem Punkt, Frau Ministerin, der mich nur noch den Kopf schütteln lässt, wenn ich Ihren Aktionsplan lese. Wir wissen, dass sich Gesundheitsministerin Schmidt eine Chipkarte wünscht, die weit über die bisher übliche Karte der Krankenkassen hinausgeht. Auf ihr sollen medizinische Daten und mehr gespeichert werden. Sie, Frau Künast - jedenfalls unterstelle ich das -, wissen, dass es bislang keine Chipkarte gibt, sei sie noch so ausgeklügelt, deren Daten nicht geknackt und damit auch missbraucht werden können. Wie Sie als Verbraucherschutzministerin trotzdem unbedarft einer so riskanten Chipkarte das Wort reden können, entzieht sich schlicht meinem Verständnis.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Ich biete mich jedenfalls gerne an: Sollte es so weit kommen, dann bin ich bereit, die angeblich geschützten Daten Ihrer Versichertenkarte knacken zu lassen, natürlich nur mit Ihrem Einverständnis als Verbraucherin.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für uns hat Verbraucherpolitik zwei Dimensionen: Da ist zunächst einmal der Schutz des Verbrauchers vor negativen Einflüssen, vor Desinformation, vor betrügerischen Praktiken und vor allen Dingen vor belasteten Lebensmitteln. Die Zeit des Vertuschens, Verschleierns und Herunterspielens von Problemen ist vorbei; sie muss vorbei sein, denn wir brauchen Offenheit, Transparenz und vor allen Dinge Vorsorge.

   Das zweite Standbein unserer Verbraucherpolitik ist die Aufklärung des Verbrauchers, orientiert am Leitbild des souveränen Konsumenten, der die notwendigen Informationen erhält, die er braucht, um gute Entscheidungen treffen zu können. Zumindest die Ökonomen unter uns wissen, dass die Theorie des Marktversagens genau das besagt: Es fehlen häufig zwei Faktoren; es gibt einen Mangel an Wettbewerb und einen Mangel an Transparenz. Insofern ist eine gute Verbraucherpolitik nichts anderes, als die sozialökologische Marktwirtschaft komplett zu machen. Das ist die Aufgabe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Für uns sind beide Elemente wichtige und zentrale Aufgaben. Ich will mich in meinem Beitrag nur auf ein Themenfeld konzentrieren, nämlich auf das Thema nachhaltiger Konsum. Es ist die Frage zu stellen: Welchen Beitrag kann die Konsumentin oder der Konsument zur nachhaltigen Entwicklung leisten? Zugleich müssen wir als Politiker uns die Frage stellen: Was kann die Politik machen? Zunächst einmal muss man sagen, was wir nicht machen können. Wir können den Leuten nicht vorschreiben, was und wie sie zu konsumieren haben. Ich glaube, darüber besteht Einvernehmen, denn ansonsten würde das Ganze ein Geschmäckle dergestalt bekommen, dass man den Leuten quasi sagt, was sie zu machen hätten. Darum kann es nicht gehen. Vielmehr - das unterscheidet uns doch sehr fundamental von der Union und auch der FDP - geht es darum, Rahmenbedingungen so zu setzen, dass nachhaltiger Konsum möglich wird, attraktiv wird und, was für junge Leute ganz besonders wichtig ist, dass er cool und angesagt ist.

   Es kommt also sehr darauf an, wie man über Verbraucherschutz redet: ob er nur als Last, als Bürde, als Risiko oder als Wettbewerbshemmnis verstanden wird oder aber als Chance und als eine Sache, mit der man sich nach vorne wendet. Letzteres tun wir, während ich bei Ihnen von der Opposition häufig feststellen muss, dass Sie nur die Schattenseiten sehen, nur die Probleme benennen und nichts machen. Das ist ein großer Fehler.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Trotzdem ist es, wie ich glaube, realistisch, davon auszugehen, dass wir als Konsumenten ambivalente Wesen sind. Auf der einen Seite sind wir Schnäppchenjäger, auf der anderen Seite wollen wir natürlich Qualität. Es soll billig sein, aber es soll auch gut und haltbar sein. Wir wollen einerseits gut informiert sein, andererseits lassen wir uns aber auch gerne einmal durch die Werbung verlocken und verführen. Von dieser Ambivalenz muss man realistischerweise ausgehen. Viele regen sich über Kinderarbeit in den Ländern des Südens auf, kaufen aber billige Turnschuhe. Man regt sich über Käfig- und Massentierhaltung auf, will aber billiges Fleisch. Man regt sich über die Emissionen der Industrie auf, drückt aber beide Augen zu, wenn es darum geht, beispielsweise den eigenen Anteil an den Emissionen zur Kenntnis zu nehmen. Wir als Politiker müssen darauf hinweisen, dass ein solches Verhalten falsch ist.

   Die Nachfrage- bzw. Verbraucherseite ist in vielen Bereichen der Hauptfaktor bei der Umsetzung von nachhaltigen Entwicklungen. Es ist ganz offenkundig, dass, wenn man sich die großen Probleme anschaut - Energieverbrauch, Ressourcenverbrauch, Flächenverbrauch -, private Haushalte, Mobilität, Freizeit und Tourismus hierfür ganz entscheidende Faktoren sind. Deshalb gehören die Konsum- und die Nachhaltigkeitsdiskussion zusammen. Das festzuhalten ist ganz wichtig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Es geht nicht darum, den Verbraucher zu idealisieren, wie es mein Freund Thilo Bode gelegentlich nach dem Motto macht: Gebt dem Verbraucher freien Raum, dann wird alles gut. Das ist leider auch nicht der Weisheit letzter Schluss, auch wenn es schön wäre. Es geht aber auch nicht darum, die Potenziale, die in einer guten Verbraucherpolitik stecken, zu unterschätzen. Das hat übrigens vor über zehn Jahren die Weltgemeinschaft schon erkannt, denn das Thema nachhaltiger Konsum ist eines der Kernelemente der Agenda 21, die in Rio verabschiedet wurde. Das sollten Sie von der Union eigentlich auch endlich einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Heute wird ja aus makroökonomischer oder aus konjunktureller Sicht viel davon geredet, wir sollten mehr konsumieren. Aus der Perspektive der globalen Ökologie müsste man ehrlicherweise sagen: Wir konsumieren eher zu viel als zu wenig, zumindest zu viel Energie, zu viel Ressourcen und zu viel Fläche. Deshalb müssen wir politisch versuchen, die Lebensqualität zu einem großen Teil vom Ressourcenverbrauch abzukoppeln; denn man braucht nicht Tonnen von Material, um glücklich zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich komme jetzt zu den konkreten Projekten, die wir politisch durchführen können. Der erste wichtige Bereich ist für mich der Forschungsbereich. Im Bereich der sozialökologischen Forschung, der im BMBF eine wichtige Rolle spielt, ist das Themenfeld nachhaltige Konsummuster von großer Bedeutung und ist deshalb weiterhin zu fördern.

   Das zweite zentrale Feld ist der ganze Bereich der Verbraucherinformation. Im Englischen sagt man Labelling. Dieser Punkt wird auch von der EU-Kommission vorangetrieben. Ich halte es für einen Riesenfortschritt, dass in Deutschland das Biosiegel durchgesetzt wurde. Ich halte es für einen sehr großen Fortschritt, dass wir bei den Elektrogeräten die Stromkennzeichnung haben, damit die Leute wissen, was sie kaufen. Ebenfalls halte ich es für einen sehr großen Fortschritt, dass wir die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Organismen erreicht haben. Das ist kein Handelshemmnis, sondern dient der Konsumentensouveränität. Das ist für uns ganz zentral.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich möchte auch die Bereiche nennen, in denen wir noch besser werden können. Eine wichtige und sehr konkrete Aufgabe ist, die EU-Richtlinie zur CO2-Kennzeichnung von PKW endlich umzusetzen, und zwar so, dass die Leute erkennen können, welches Auto bezüglich des CO2-Ausstoßes günstig ist und welches weniger günstig. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Transparenz.

   Auch bei dem Thema Finanzdienstleistungen können und müssen wir Verbesserungen erreichen. Wir haben damals bei der Riester-Rente durchgesetzt, dass die Finanzdienstleister bezüglich der Fonds auch Auskunft über ethische und ökologische Geldanlagen geben müssen, Stichwort: Berichtspflicht. Die Ergebnisse sind bis jetzt eher enttäuschend. Auch da müssen wir besser werden.

   Ganz wichtig ist - das ist der letzte Punkt - die öffentliche Hand selber. Bund, Länder und Kommunen sind ein ganz zentraler Verbraucher. Sie fragen nach; deshalb ist das öffentliche Beschaffungswesen in ganz hohem Maße an den Kriterien des nachhaltigen Verbrauchs auszurichten, beispielsweise bei der Beschaffung von Holz, Stichwort: FSC-Siegel.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Ich glaube, dass wir auf diesen Feldern wesentlich besser werden können. Aber - Herr Präsident, ich komme zum Schluss - von zentraler Bedeutung ist natürlich das Schildchen, auf das die Leute im Wesentlichen schauen, wenn sie einkaufen, nämlich das Preisschildchen. Daran geht kein Weg vorbei. Deswegen ist für uns nach wie vor ein ganz wichtiges politisches Ziel: Die Preise müssen die ökologische Wahrheit sagen. Wir brauchen in der Finanzpolitik Anreize für nachhaltiges Verhalten.

   Für uns als rot-grüne Koalition ist Verbraucherschutz eine zentrale Querschnittsaufgabe. Wir werden beharrlich daran weiterarbeiten und zeigen, dass Verbraucherschutz im Wesentlichen eine Chance ist und keine Bürde.

   Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Uda Heller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Uda Carmen Freia Heller (CDU/CSU):

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Eines ist im Verlaufe dieser Debatte deutlich geworden: Offensichtlich sind sich alle Parteien hinsichtlich der Notwendigkeit einer verbesserten Verbraucherinformation grundsätzlich einig.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

Verbraucherschutz ist ein wichtiges Politikfeld; denn hier geht es um das Wohlergehen und die Gesundheit unserer Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Fakt ist: Mit jedem Skandal und mit jeder Krise wird der Verbraucher sensibler. Das Interesse an umfassender Information wird größer und die Forderung nach wirksamen Kontrollmechanismen lauter. Von einer Novelle des Verbraucherschutzgesetzes soll nach der Vorstellung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion deshalb der Verbraucher profitieren, ohne dass auf der anderen Seite neuer Bürokratismus in Unternehmen oder in Verwaltungen ausgelöst wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Unangemessene Mehrkosten für Hersteller und Händler sind nicht vertretbar. Kleine und mittlere Unternehmen dürfen nicht durch Informationspflichten und mögliche Regressansprüche in ihrer Existenz bedroht werden. Ich denke, das ist eine ganz wichtige Aussage.

Meine Damen und Herren, nach Auffassung der Unionspolitiker besteht Reformbedarf, insbesondere bei der Lebensmittelkennzeichnung, sowohl in Deutschland als auch auf EU-Ebene. Richtig ist deshalb der Ansatz, einen Schwerpunkt der Verbraucherpolitik im Bereich „Ernährung und Gesundheit“ zu setzen, insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass die ernährungsbedingten chronischen Krankheiten zunehmen und ungünstige Ernährungsgewohnheiten sich verfestigen. In Anbetracht der derzeit völlig unüberschaubaren Regelungsvielfalt hinsichtlich der Etikettierung von Produkten ist es höchste Zeit, die für den Verbraucher relevanten Informationen herauszustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gudrun Kopp (FDP))

   Die Verbesserung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln mit klaren, verständlichen Angaben - zum Beispiel mit Angaben über Fett - kann den Verbraucherinnen und Verbrauchern die Lebensmittelauswahl erleichtern.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Kann ich manchmal auch drauf verzichten!)

Viele dieser Primärinformationen gerade auf Lebensmittelverpackungen sind derzeit leider für den Durchschnittsbürger nur schwer verständlich. Warum ist beispielsweise von Sodium die Rede, wenn Salz gemeint ist?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der oft verwendete Begriff „probiotisch“ ist vielen Bürgern unbekannt. Auch komplizierte nummerische Angaben sind für viele Verbraucher unverständlich. Die Angaben beziehen sich meistens auf 100 Gramm, was einen Vergleich ermöglicht. Aber tückisch ist es, wenn das Produkt leichter oder schwerer ist. Produkte für den deutschen Markt sollten deutsche Bezeichnungen tragen. Ich denke, das ist eine wichtige Forderung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Im Grundsatz gilt: Fachbegriffe haben sich an den Verständnismöglichkeiten der Verbraucher zu orientieren. Je klarer und verständlicher die Kennzeichnung, umso leichter kann der Verbraucher eine Lebensmittelauswahl und damit eine eigenverantwortliche Entscheidung treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gudrun Kopp (FDP))

   Ein weiterer wichtiger Aspekt bei der Neuregelung der Lebensmittelkennzeichnung ist der Gedanke, dass die Verbraucher nicht möglichst viele, sondern möglichst verwertbare Informationen erhalten sollen. Umfragen haben gezeigt, dass die Mehrzahl der Verbraucher von einem Produkt lediglich erwartet - das wurde vorhin schon gesagt -, dass es gut und billig ist. Die wenigsten Verbraucher lesen das Kleingedruckte auf der Verpackung. Somit ist es sinnvoll, die Kennzeichnung über die Produktinhaltsstoffe auf wenige wesentliche Informationen zu begrenzen.

   Zu den wesentlichen Informationen sollte jedoch neben der Kennzeichnung von Alkohol, Koffein und Chinin auf jeden Fall die klare Ausweisung vorhandener allergener Stoffe wie zum Beispiel Milcheiweiß gehören. Es ist sehr zu begrüßen, dass in Zukunft nach Plänen der Europäischen Kommission eine deutliche Verbesserung bei der Kennzeichnung von Allergenen in Lebensmitteln und alkoholischen Getränken erfolgt. Bisher sind zwar viele Hersteller dem Informationsbedürfnis der Verbraucher freiwillig nachgekommen. Aber gerade für diejenigen Verbraucher, die unter Allergien oder bestimmten gesundheitsbeeinträchtigenden Unverträglichkeiten leiden, sind diese Informationen von entscheidender Bedeutung. Nach Angaben der Allergieverbände steigt der Anteil der Bevölkerung mit Lebensmittelallergien ständig an. 8 Prozent der Kinder und 3 Prozent der Erwachsenen sind EU-weit davon betroffen. Deshalb sind Allergiker auf eine noch umfassendere und genauere Kennzeichnung der Inhaltsstoffe als bisher angewiesen.

(Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Steht doch alles drauf!)

- Dann ist es gut. - Die EU-weite Lebensmittelkennzeichnung von Allergenen wird voraussichtlich ab 2004 verpflichtend sein, wie es bereits bei gentechnisch veränderten Organismen oder Zusätzen wie Farbstoffen gehandhabt wird.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

   Ein großes Problem bei der Novellierung der EU-Etikettierungsrichtlinie für Lebensmittel stellen die technischen Hilfsstoffe dar, die bei der Produktion benutzt werden, aber im Endprodukt oft nicht mehr vorhanden sind. Wir vertreten die Position, dass, wenn keine allergieauslösenden technischen Hilfsstoffe im Endprodukt verbleiben, von Warnhinweisen abzusehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ich bin der Ansicht, dass nur das auf dem Etikett vermerkt werden kann, was tatsächlich im Produkt enthalten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Unionsantrag fordert weiterhin eine Verbesserung der geographischen Herkunftsbezeichnungen bei rohen und verarbeiteten Produkten, insbesondere tierischer Herkunft. Bei verarbeiteten Produkten soll die Herkunftsangabe lediglich auf die wesentlichen Angaben beschränkt werden. Die Forderungen nach Herkunftsbezeichnung und nach Rückverfolgbarkeit sind jedoch auseinander zu halten, denn die Herkunftsbezeichnung macht den Produktionsweg für den Verbraucher nicht transparenter. Der Verarbeitungsort kann beispielsweise aufgrund traditioneller Rezepturen und handwerklicher Fähigkeiten für das Produkt wertgebend sein. Das europäische Schutzsystem von geographischen Angaben und Ursprungsbezeichnungen beruht derzeit auf Freiwilligkeit.

   Grundsätzlich wichtig für den Verbraucher ist aber auch die Nachvollziehbarkeit, die Transparenz des Produktionsweges. Am Beispiel der Nitrofuran-Funde im Geflügelfleisch im vergangenen Sommer wird deutlich, dass dringend eine EU-einheitliche Kennzeichnungspflicht erforderlich ist. Der Nitrofuran-Skandal zeigt: Die bestehende Kennzeichnungspflicht muss dahin gehend modifiziert werden, dass der Verbraucher ganz klar zurückverfolgen kann, wo die Aufzucht und die Mast des Tieres erfolgten.

   Es stellt sich die Frage, wie nun trotz der bestehenden Gesetzgebung und trotz der EU-weiten obligatorischen Kontrollen aller Geflügelfleischtransporte das nitrofuranbelastete Geflügel nach Deutschland gelangt ist. Die Untersuchung durch die amtlichen Behörden ergab, dass ausschließlich Ware aus Nicht-EU-Staaten mit Nitrofuran belastet war. Die entsprechende EU-Verordnung zur Kennzeichnungspflicht von Geflügelfleisch bezieht sich nur auf Geflügelfleisch, das in unverarbeitetem Zustand aus Drittländern in die EU eingeführt wird. Dies bedeutet, dass das Herkunftsland des Fleisches auf der Verpackung nicht mehr ausgewiesen wird, sobald eine Weiterverarbeitung wie Salzen, Würzen oder Panieren vorgenommen wird. Hier gilt es, die Gesetzeslücke in der EU-Richtlinie zu schließen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen wissen, ob das Geflügelfleisch aus Brasilien, Thailand oder Deutschland kommt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Politischen Handlungsbedarf sehe ich auch hinsichtlich der personellen und finanziellen Ausstattung der Behörde zur Lebensmittelüberwachung. In einer Tickermeldung vom 4. April 2003 forderten die Lebensmittelkontrolleure in Deutschland 2 500 neue Mitarbeiter, um den von Politik und Verbrauchern geforderten Schutz gewährleisten zu können. Wie vorhin schon erwähnt, können derzeit im Bundesdurchschnitt nur etwa 30 bis 50 Prozent aller Betriebe regelmäßig überwacht werden.

   Meine Damen und Herren, wir möchten das Urteilsvermögen der Verbraucher stärken, denn nur ein mündiger Verbraucher kann unser Ziel sein.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Albert Deß (CDU/CSU): Eine gute erste Rede!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Frau Kollegin Heller, mir ist gesagt worden, dass das Ihre erste Rede war. Deswegen gratuliere ich Ihnen im Namen des Hauses dazu.

(Beifall)

   Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Herta Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir begrüßen den Aktionsplan und die Aktivitäten von Frau Ministerin Künast, wir begrüßen den Beschluss der Bundesregierung und wir halten den Antrag der Koalition, der ja noch weit darüber hinaus geht, für absolut richtig.

   Lassen Sie mich noch hinzufügen: Die Anträge der Oppositionsfraktionen sind sehr unterschiedlich. Der Antrag der CDU/CSU beschränkt sich leider auf einen kleinen Teilbereich. Verehrte Kollegin Heller, es wird Ihnen beim Reden wahrscheinlich aufgefallen sein, dass wir manches von dem, was Sie inhaltlich gesagt haben, genauso sehen wie Sie, auch wenn das Missverständnis nicht stehen bleiben soll, es handele sich bei Nitrofuran um eine Frage der Verbraucherkennzeichnung. Nitrofuran ist - Gott sei Dank, und damit haben auch wir ein bisschen zu tun - überall verboten und so soll es ja auch sein.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Wir haben gesagt, das solle gekennzeichnet werden!)

Meine Damen und Herren, wir betreiben Verbraucherpolitik nach der uns vorgetragenen Leitlinie vor dem Hintergrund einer ziemlich langen und guten sozialdemokratischen Tradition. Diese Tradition hat auch das Jubiläum „50 Jahre Bundeszentrale Verbraucherschutz“ gezeigt. Da war unsere Verbraucherschutzpolitik der 70er-Jahre natürlich Gegenstand des Lobes; dies wurde heute schon im Einzelnen auf unterschiedliche Weise ausgeführt. Damals wurde die Verbraucherberatung durchgesetzt. Das war, wenn wir uns daran erinnern, nicht immer ganz streitfrei.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Das kennen nur wir Älteren!)

Die entsprechende Forschung und die Verbraucherinformation haben wir auch damals in ihren Grundlagen festgelegt.

   Lassen Sie mich hinzufügen: Zwischen 1982 und 1998 war in der Verbraucherpolitik nicht viel los; aber vorher haben wir so vernünftige Gesetze wie das Abzahlungsgesetz oder ein Gesetz bezüglich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen beschlossen, damals, Frau Kopp - lassen Sie mich das sagen -, sogar mit der FDP. Das war schwierig, aber es ging. Das sollte wieder so werden.

   Ab 1998 haben wir die Schuldrechtsmodernisierung oder auch das Schadenersatzänderungsgesetz - all das sind Regelungen, deren Wert und Bedeutung sogar von Ihnen zunehmend anerkannt werden - durchgesetzt.

   Übrigens: Einzelne Bereiche, in denen wir gut waren, müssen natürlich ergänzt werden. Wir teilen die Auffassung von Frau Ministerin Künast, dass zum Beispiel IT- und soziale Dienstleistungen immer wichtiger werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Ursula Heinen (CDU/CSU): Aber Sie müssen auch etwas tun!)

- Wir werden etwas tun.

   Aber ein Orchester wird bekanntlich erst dann so richtig gut, wenn nicht nur die einzelnen Instrumentengruppen brillant spielen, sondern darüber hinaus auch die Partitur sichtbar wird.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Ihr habt denen doch noch nicht einmal die Noten gegeben!)

Deswegen begrüßen wir die jetzige Verbraucherstrategie und den Aktionsplan der Bundesregierung.

   Lassen Sie mich vier wichtige Elemente herausgreifen:

   Zum Ersten ist es völlig klar, dass die Verbraucher wissen und wissen können müssen, was sie eigentlich erwerben. Das ist nicht nur eine Frage des Preises - darin sind wir uns alle, so glaube ich, einig - oder der Beschaffenheit des Inhalts. Da geht es vielmehr auch um die Bedingungen der Produktion und um ihre Auswirkungen und Folgen. Nur wenn das funktioniert, können die Verbraucher, wie es ja alle beschwören, Partner in der Wirtschaft sein.

   Zum Zweiten müssen die Verbraucher wählen und wählen können, was sie wollen. Nur dann funktioniert die Marktsteuerung, die auch alle im Munde führen.

   Zum Dritten muss sich der Verbraucher dann wehren können, wenn irgendetwas nicht klappt oder ihm etwas Falsches versprochen wurde. Die Wirtschaft gibt in großen Teilen heute ja immer noch viel mehr Geld für Werbung aus als für Verbraucherinformationen. Ein einzelner Verbraucher, der einer großen wirtschaftlichen Macht gegenübersteht, muss sich gemeinsam mit anderen wehren können. Das heißt, hier wird, wie wir wissen, die Verbandsklage relevant.

   Zum Vierten möchte ich das Prinzip der Nachhaltigkeit erwähnen, das in der Verbraucherpolitik natürlich auch eine große Rolle spielt. Wir alle wissen, dass dieses Wort einen gewissen Modecharakter hat. Aber es bedeutet etwas ungeheuer Wichtiges: Zum einen tragen wir - dies wollen wir auch - die Zukunftsverantwortung für die nachfolgenden Generationen. Zum anderen beschreibt das Wort „Nachhaltigkeit“ das Ziel, dass wir ein intaktes Gefüge erhalten wollen, und zwar ein ökologisch und ökonomisch intaktes Gefüge und vor allen Dingen eine soziale, lebenswerte Gesellschaft.

   Wenn ich hier „erhalten“ sage, dann meine ich dies durchaus in einem doppelten Sinn: Da, wo wir es haben, möchten wir es bewahren. Da, wo wir es noch nicht haben, möchten wir es bekommen. Das ist der Sinn dieses wichtigen gesellschaftlichen Leitbildes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Aufgabe der Verbraucherpolitik wird es sein - darüber werden wir in den nächsten Monaten streiten -, diese Prinzipien in konkrete Entscheidungen umzuwandeln. Denn jeder weiß, dass dies Abwägungen zwischen ganz wichtigen einzelnen Interessen mit sich bringt. Dies werden nicht nur ökologische Interessen sein, sondern auch Wirtschaftsinteressen, denen sich manche hier ja ganz besonders verpflichtet fühlen, und auch Interessen des sozialen Gefüges, für die wir uns besonders verantwortlich fühlen. Das verlangt klare Entscheidungen.

Lassen Sie mich deutlich sagen: Hier wird es darum gehen, dass man sich klar zur Sache äußert; ich erhoffe das auch von der Opposition. Was verlangen wir denn vom mündigen Verbraucher, den wir alle wollen? Verlangen wir von ihm, dass er sich sozusagen als Marathonläufer in der Informationsbeschaffung betätigt - das wäre das Stichwort „Wissen“ - oder dass er - das wäre das Stichwort „Wehren“ - das volle Haftungsrisiko trägt? Bedeutet das, dass wir Nachhaltigkeit - das wäre das Stichwort „Wahlfreiheit“ zu einem individualistischen und moralischen Prinzip des Verbraucherverhaltens degradieren? Das kann es doch wohl nicht sein. Wir sind der Auffassung, dass „wissen können“ bedeuten muss, dass die Wirtschaft Informationspflichten hat, an die rechtliche Haftungspflichten geknüpft sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das Zerrbild vom überregulierten, verwalteten Verbraucher und von der angeketteten Wirtschaft, das uns hier vorgeführt wird, ist undifferenziert und falsch. Das hilft uns überhaupt nicht weiter.

   Nachhaltigkeit bedeutet, dass wir nicht allein an die Verantwortung des Verbrauchers appellieren, sondern dass die Wirtschaft in Form und Inhalt klaren Regelungen unterliegt. Diese Regelungen müssen - hier möchte ich das aufgreifen, was vielfach gesagt wurde - verständlich und einsichtig sein. Sie müssen auch das europäische und globale Wettbewerbsgefüge berücksichtigen. Diese Regelungen sind aber erforderlich.

   Das hat natürlich - lassen Sie mich das sehr deutlich sagen - Auswirkungen auf die Wirtschaftsstruktur. Das betrifft auch die Frage, ob die Erzeuger und der Handel immer stärker konzentriert werden oder ob - was wir wollen - auch die Märkte für die kleinen Erzeuger und Handelsunternehmen erhalten bleiben.

   Unsere Vorhaben sind sehr differenziert. Das hat sich schon in der letzten Legislaturperiode - Stichwort: Schuldrechtsmodernisierung als Verbraucherbibel - gezeigt. Bei der Änderung des Schadenersatzrechts ging es unter anderem darum, dass ein Verbraucher, der Arzneimittel braucht, die erforderlichen Informationen bekommt, um sich im Zweifelsfall wehren zu können. In diesem Zusammenhang bedarf es einer Beweislastumkehr. Das alles haben wir in vernünftiger und richtiger Weise gegeneinander abgewogen und dann geregelt.

   Soziale Dienstleistungen: Die Frauen und Männer, die soziale Dienstleistungen in Anspruch nehmen wollen, müssen genau wissen, was auf sie zukommt. Bei der Art der Ausgestaltung der Verpflichtungen darf nicht vergessen werden, dass die Frage der Menschlichkeit und der Transparenz eine große Rolle spielen muss.

(Beifall bei der SPD)

   Ich greife als nächstes Thema die 0190er-Nummern auf. Ich bin der Meinung, dass jemand, der Schmuddelnummern - sofern es welche sind - anruft, dafür auch zahlen muss. Da beißt die Maus keinen Faden ab. Leuten aber, die unwissentlich oder nicht ganz wissentlich abgezockt werden, müssen wir helfen. Hier stellt sich die Frage - das betrifft auch große Unternehmen - der Informationspflicht und der rechtlichen Verpflichtungen per Gesetz.

   Lassen Sie mich noch einen weiteren Bereich, die genmodifizierten Nahrungsmittel, ansprechen. Der Streit darüber wird weitergehen und das ist gut so. Wir müssen wissen, was verantwortbar und was nicht verantwortbar ist. Klar muss aber sein, dass eine klare Kennzeichnung erforderlich ist. Zudem brauchen wir zunächst einmal auf europäischer Ebene eine klare Haftungsregelung für den Fall, dass etwas versprochen wird, das dann nicht eingehalten wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Lebensmittel: Frau Heller, im Bereich der Ernährung stimmen wir in vielen Punkten überein. Die Kennzeichnungspflichten und die Möglichkeit der Rückverfolgung im industriellen und abpackenden Bereich sind dringend erforderlich. Das sagt Ihnen jede Mutter, die, weil sie ein allergiekrankes Kind hat, genau wissen muss, was in den Lebensmitteln enthalten ist. Die Art der Umsetzung der Kennzeichnungspflicht muss aber ebenso regionale Landwirtschaftsmärkte ermöglichen. Ich nenne in diesem Zusammenhang mein Lieblingsbeispiel: Der lokale Bäcker mit seiner hervorragenden schwäbischen Apfeltorte muss seine Freude am Produzieren und Verkaufen behalten; die Verbraucherinnen und Verbraucher müssen aber auch die Chance haben, diese guten und gesunden regionalen Nahrungsmittel zu erwerben. Es gibt viele ähnliche Beispiele, auf die ich jetzt nicht näher eingehen möchte.

   Ich möchte sehr deutlich sagen, dass wir die Orchestrierung, die Richtlinie, begrüßen. Meine Damen und Herren von der Opposition, wir werden Sie bei der Umsetzung der einzelnen Punkte in jedem Fall fordern. Ein gemeinsames Vorgehen ist das Beste, was wir im Rahmen der Verbraucherpolitik in diesem Land tun können.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Uda Carmen Freia Heller (CDU/CSU))

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Henry Nitzsche.

Henry Nitzsche (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wer 1840 von Villingen nach Schwenningen reisen wollte, erlebte zugleich eine Reise durch die Zeit. Im badischen Villingen galt die Karlsruher Ortszeit, im benachbarten wüttembergischen Schwennigen wiederum die Stuttgarter. Die Uhr umstellen mussten ebenso Reisende in die nahe Schweiz, weil sich die dortigen Uhren an der Berner Landeszeit orientierten. Die Uhr wurde um vier Minuten vorgestellt, während sie im Schwäbischen um drei Minuten nachging.

   Diese buntscheckige Zeit störte nicht, solange der Verkehr zwischen den Orten so langsam war, dass die zeitliche Verschiebung darin gleichsam versickerte. Unter diesen Bedingungen war allerdings ein überregionaler Fahrplan unmöglich, da Abfahrts- und Ankunftszeiten jeweils nur für den Ort galten, um dessen Lokalzeit es sich handelte. Für die nächste Station mit ihrer eigenen Zeit galt diese schon nicht mehr. Aber auf die Dauer ging das nicht so weiter. Ein geregelter Verkehr erforderte eine Vereinheitlichung der Zeit.

   Dies geschah zunächst durch die Bahngesellschaften und dort auch nur für die Strecken, die sie bedienten. Als die Gesellschaften mehr und mehr zu kooperieren begannen, wurde die Greenwich-Zeit als verbindliche Eisenbahnstandardzeit eingeführt. Aber sie galt zunächst nur für den Bahnverkehr; das heißt, die Standardzeit war nur Fahrplanzeit.

   Mit dem enger werdenden Streckennetz wurden die Lokalzeiten unhaltbar. In Deutschland wurde die allgemeine Zonenzeit ab 1. April 1893 durch kaiserliches Gesetz eingeführt. Das war nicht nur die Geburtsstunde der Einheitszeit, sondern auch die Geburtsstunde der Pünktlichkeit. Es galt nicht mehr das Ungefähr, sondern das Exakt der deutschen Bahnen. Somit ist die Pünktlichkeit als der beste Verbraucherschutz im öffentlichen Personenverkehr entstanden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wie sind heute die Rechte des Kunden festgeschrieben, wenn, wie so oft, der Zug nicht pünktlich kommt? Nach bürgerlichem Recht ist der Beförderungsvertrag ein Werksvertrag; denn der Fahrgast will nicht nur durch die Gegend gefahren werden,

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Der will natürlich ans Ziel kommen!)

sondern sein Ziel auch erreichen. Daher hätte der Fahrgast den Fahrpeis erst nach ordnungsgemäßer Leistung zu zahlen. Bei nicht ordnungsgemäßer Leistung hätte er ein Recht auf Nacherfüllung, Minderung, Rücktritt und Schadensersatz. Außerdem wäre der Fahrplan Grundlage des Vertrages, für dessen Einhaltung der Unternehmer einzustehen hätte.

   Doch bei der Deutschen Bahn ist alles anders: Der Fahrgast hat den Fahrpreis vorher zu bezahlen. Verspätungen oder Ausfall eines Zuges begründen keinen Anspruch auf Entschädigung. Die Erstattung von Fahrgeld ist ausgeschlossen, selbst dann, wenn die verspätete Fahrt nunmehr sinnlos ist. Kurzum: Der Reisende ist rechtlos, die Eisenbahn kann sich jede Art schlechter Leistung sanktionslos erlauben. Spätestens seit der Privatisierung der Bahn 1994 ist dieses Sonderrecht jedoch nicht mehr gerechtfertigt.

   Die Verkehrsunternehmen, insbesondere die Bahn, legen in ihren Bedingungen immer Wert darauf, dass ein Beförderungsvertrag erst mit dem Betreten des Fahrzeuges zustande kommt. Mit dem Kauf einer Fahrkarte erwirbt der Fahrgast ausschließlich das Recht mitzufahren, falls zufällig ein Zug oder ein Bus vorbeikommen sollte. Die Rechtslage lässt sich damit so beschreiben: Eine Fahrkarte ist ein Lotterielos zur Teilnahme an einem Gewinnspiel: Kommt der Zug oder kommt er nicht?

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Insofern ergibt sich für unsere Fraktion schon seit Jahren der Anspruch, die Rechte von Bahnkunden vordringlich zu verbessern. Die Reform der Eisenbahnverkehrsordnung, wonach bei Ausfall, Verspätung und Anschlussversäumnis Schadensersatz nur dann vorgesehen ist, wenn die Reise nicht am selben Tag fortgesetzt werden kann, hat keine echte Verbesserung des Verbraucherschutzes gebracht. Der noch immer geltende Haftungsausschluss für Ansprüche des Verbrauchers auf Schadensersatz wegen Verspätung - § 17 der Eisenbahnverkehrsordnung - sollte ersatzlos gestrichen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Die Beförderungsbedingungen sollten schleunigst von öffentlich-rechtlichen in privatrechtliche Geschäftsbedingungen umgewandelt werden. Erst dann wird eine Überprüfung nach dem Recht Allgemeiner Geschäftsbedingungen möglich. Frau Ministerin, da helfen auch keine Schlichtungsstellen, die Sie in Ihrer Regierungserklärung erwähnt haben.

   Unsere Fraktion fordert seit langem nicht nur die einheitliche Geltung des Zivilrechtes statt der bestehenden Gemengelage von Sonder- und Kulanzregelungen. Das gesamte Preisgestaltungssystem gehört auf den Prüfstand, sowie die Verbraucherschutzbeauftragte meiner Fraktion, Ursula Heinen, nach der Anhörung im zuständigen Ausschuss am 5. Mai festgestellt hat. Gleichzeitig forderte sie schon damals die Deutsche Bahn AG zu mehr Klarheit auf und dazu, die Stornogebühr von 45 Euro zu senken oder ganz abzuschaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Aber was macht die Bundesregierung? Die Bundesregierung mit Verkehrsminister Manfred Stolpe spricht vom „Vergaloppieren der Bahn“, lässt zwei Vorstände feuern und bestätigt Herrn Mehdorn für weitere fünf Jahre im Amt. Ein Gutes hat das aber auch: Somit ist jetzt wenigstens die Abfindungszeit von Herrn Mehdorn berechenbar.

   Sehr geehrte Damen und Herren, wir müssen wahrscheinlich wieder in die Vergangenheit schauen, um zu verstehen, was Rot-Grün mit Pünktlichkeit meint. Wie wir wissen, sollten ab 1839 Fahrpläne für die Eisenbahn eingeführt werden. Dies stieß aber schon damals bei den Bahnen auf breite Ablehnung, weil sie befürchteten, dass Pünktlichkeit somit zur Verpflichtung würde. Also bekam der Dienst tuende Schaffner bei Abfahrt des Zuges eine Uhr ausgehändigt, welche er nach Rückkehr des Zuges wieder abzugeben hatte. Somit war der Zug immer pünktlich und kein Reisender konnte eine Verspätung geltend machen.

   Sehr geehrte Damen und Herren, Frau Präsidentin, die CDU/CSU-Fraktion wird in Kürze einen Antrag einreichen, um die von mir aufgelisteten eklatanten Mängel im Verbraucherschutz aller Verkehrsunternehmen klarzustellen und die richtigen Lösungen aufzuzeigen.

   Und Sie, Frau Landwirtschaftsministerin Künast, ehe Sie hier weiter herumgackern: Misten Sie lieber einmal richtig den Aktionsplan Verbraucherschutz aus!

   Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Renate Künast (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nichts gegen Gackern! Das ist eine ehrenvolle Tätigkeit! Da legt man meistens ein Ei!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Müller.

Michael Müller (Düsseldorf) (SPD):

Herr Kollege Nitzsche, wenn man Schivelbusch zitiert, dann sollte man auch sagen, was er auch schreibt. Da geht es um die Schwierigkeit, Zeit in einer Phase zu bemessen, wo der Computer die Zeit bestimmt, und darum, welche neuen Probleme und Fragestellungen entstehen. Er hat die Strukturierung der Zeit in der Entwicklung von Tag und Nacht, der Jahreszeiten bis zur Koordinierung der Zeit für die Bahnfahrpläne historisch beschrieben, hat aber auch gesagt, dass wir heute in einer völlig neuen Zeit leben, wo genau diese Strukturierung aufgrund der rund um die Welt immer mehr durch den Computer gleichgeschalteten Zeit nicht mehr funktioniert. Auch das hätten Sie eigentlich erwähnen müssen, wenn Sie sich schon mit fremden Federn schmücken. Diese Anmerkung möchte ich doch machen; auch andere lesen nämlich.

   Meine Damen und Herren, worum es in der Verbraucherpolitik geht, hat Ludwig Erhard schon 1956 definiert. Das ist eine andere Position, als ich sie hier zum Teil von der Opposition gehört habe. Er hat nämlich definiert, dass der Markt sich an der Stellung und dem Wohlergehen des Verbrauchers messen lassen müsse. Heute hat man bei vielen Beiträgen den Eindruck, als sei der Markt und nicht das Wohlergehen des Verbrauchers das Ziel. Bei Ludwig Erhard war es genau umgekehrt.

   Auf diese Sichtweise wollen wir mit unseren verbraucherpolitischen Zielen zurückkommen. Wir wollen klar machen, dass Wirtschaftspolitik einem Ziel dienen muss, nämlich der Steigerung der Lebensqualität, also der Stellung des Verbrauchers und seinem Wohlbefinden. Vor allem muss der Mensch - was wir mit dem Stichwort „Nachhaltigkeit“ benennen - auch in Zukunft gut leben können. Das ist der Kern einer modernen Verbraucherpolitik. Genau daran wollen wir anknüpfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, 1953 haben sich die Verbraucherverbände in der Arbeitsgemeinschaft der Verbraucherverbände zusammengefunden. Das ist Anlass, diesen Verbänden bei dieser Gelegenheit für ihre Arbeit zu danken. Sie gehören zur Zivilgesellschaft. Sie leisten wertvolle Arbeit. Wir haben allen Grund, dafür dankbar zu sein, was sie für ein gutes Stück Wirtschafts- und Lebensqualtität in unserem Land leisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben eine Phase gehabt, in der sehr viel für die Verbraucherpolitik getan wurde; das waren die 70er-Jahre. Das ging bis Anfang der 80er-Jahre. Ich erinnere an den Kongress der AgV „Qualitatives Wachstum - qualitativer Konsum“ 1983, der so eine Art Endpunkt dieser Phase war.

   Heute befinden wir uns in einer neuen Phase. Wir haben 1998 wieder angefangen, mehr Verbraucherpolitik zu machen. Es ist leider lange auf diesem Feld wenig geschehen, was wir sehr bedauern.

(Albert Deß (CDU/CSU): Das stimmt überhaupt nicht!)

- Doch, das stimmt. Sehen Sie sich einmal eine Übersicht über die Aktivitäten in diesem Bereich an. Das ist auch im Bundestag wunderbar dokumentiert worden. Sie sehen, dass die Zahl der Initiativen in den 80er-Jahren dramatisch nach unten gegangen ist und dass auch in den 90er-Jahren relativ wenig geschehen ist.

   Das wollen wir ändern, und zwar aus zwei Gründen. Der erste Grund: Der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher bekommt vor dem Hintergrund der zunehmenden Europäisierung und Globalisierung einen höheren Stellenwert. Einhergehend mit der Globalisierung werden die Märkte anonymer, die Märkte werden sehr viel stärker monopolisiert, große Konzerne haben eine noch höhere Macht. Es muss uns also darum gehen, den Schutz der Verbraucher zu erhöhen, und zwar vor dem Hintergrund der Globalisierung und Europäisierung, aber auch, weil es neue Entwicklungen und Techniken gibt, die uns vor neue Herausforderungen stellen. Ich nenne nur Finanzdienstleistungen, Telekommunikation und alles, was damit zusammenhängt. Der erste Grundgedanke ist also, dass wir die Verbraucherin und den Verbraucher wesentlich besser schützen müssen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Der zweite Grund geht über den reinen Schutz des Verbrauchers hinaus. Wir müssen vom Schutz des Verbrauchers zu einer aktiven Verbraucherpolitik kommen. Das ist mehr; denn vor dem Hintergrund, dass die Grenzen des Nationalstaats immer deutlicher werden und dass die Globalisierung eine ungleiche Konkurrenz möglich macht, wissen wir, dass gerade in der Stärkung des Verbrauchers die Chance liegt, Innovationen durchzusetzen und neue Allianzen zu schmieden. Dies kann dazu beitragen, zum Beispiel die ökologische Modernisierung oder eine qualitativ bessere Landwirtschaft durchzusetzen. Wir werden beispielsweise die Stärkung unserer Landwirtschaft nur über die Qualität der Produkte erreichen. Aber wir benötigen auch Verbraucher, die bereit sind, Produkte in einer solchen Qualität abzunehmen. Dafür brauchen wir eine aktive Verbraucherpolitik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist mehr als reiner Verbraucherschutz.

(Albert Deß (CDU/CSU): Warum gehen die Preise dann in den Keller?)

   Wir dürfen heute also nicht nur den Schutz vor Augen haben; es muss uns auch darum gehen, aktive Verbraucher zu stärken, die nicht nur an den kurzfristigen Preis denken, sondern die vor allem - das ist ganz wichtig - die Kosten insgesamt bewerten können. Das ist sehr viel mehr. Sie müssen wissen, was kostengünstig ist. Das wird nicht nur durch den Preis bestimmt; sie müssen eine qualitative Bewertung des Ganzen vornehmen. Genau das wollen wir erreichen. Deshalb ist es durchaus ein richtiger Gedanke, dass Verbraucherschutz Teil unseres Bildungssystems werden muss. Wer bewusste Verbraucher will, muss dieses Ziel auch in der Bildungspolitik verankern. Das Ziel ist richtig. Zur Aufklärung gehört die Vermittlung von sehr viel Bildung, damit die Verbraucher die Informationen auch verarbeiten können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   In diesem Sinne leisten wir mit Verbraucherpolitik, Beiträge für eine produktive und innovative Wirtschaft. Insofern ist sie auch ein Beitrag zur Stärkung unserer Wirtschaft, gerade unter den Bedingungen der Globalisierung. Diesen Gedanken wollen wir in den nächsten Jahren, vor allem aber in dieser Legislaturperiode, vertiefen und ausbauen. Wir wollen deutlich machen, dass er Teil einer modernen Wirtschaftspolitik ist. Man darf in einer modernen Wirtschaftspolitik nicht nur die Anbieterseite sehen, sondern muss auch die Nachfrageseite berücksichtigen. Diese muss gestärkt werden, nicht nur im Sinne von Kaufkraft, sondern auch im Sinne der bewussten Entscheidung, des bewussten Verbrauchs.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Hier wurde schon eine Reihe von sehr wichtigen Prinzipien der Verbraucherpolitik genannt. Ich will die aus unserer Sicht vier wichtigsten Prinzipien zusammenfassen.

   Erstens. Moderne Verbraucherpolitik bedeutet in erster Linie die Übernahme des Prinzips Verantwortung, und zwar auf beiden Seiten: bei den Herstellern, aber auch bei den Händlern. Vor dem Hintergrund der Globalisierung kommt bei unüberschaubaren Handelswegen auch dem Händler mehr Verantwortung zu. Auch das muss man sehen. Das bedeutet aber auch Stärkung der Eigenverantwortung.

   Der zweite wesentliche Punkt ist - das hat der Kollege Loske bereits ausgeführt - das Prinzip der Vorsorge. Dazu zählt vor allem die Internalisierung von Kosteneffekten. Wir müssen die Externalisierung stoppen.

   Das dritte Grundprinzip einer modernen Verbraucherpolitik ist die Wahlfreiheit. Märkte funktionieren nur, wenn man auswählen kann. Es muss mehr Wettbewerb nicht nur formal, sondern auch in den tatsächlich bestehenden Alternativen organisiert werden.

   Der vierte Punkt ist das Partnerprinzip.

Wir werden bestimmte Innovationen nur hinbekommen, wenn sie auch von der Nachfrageseite bewusst gefördert werden. Hier gibt es sogar eine Chance für unsere Wirtschaft. Diese wollen wir nutzen.

   Lassen Sie mich Folgendes abschließend sagen: Wir diskutieren nicht nur über den Verbraucherschutz, sondern auch über eine neue Qualität der Wirtschaftspolitik, die einen bewussten Verbraucher benötigt. Genau dafür setzen wir uns ein. Wir betreiben damit eine Politik für mehr Freiheit und Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Antje Vollmer:

Ich schließe die Aussprache.

   Der Entschließungsantrag der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/1007 soll zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft und zur Mitberatung an den Rechtsausschuss, die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Gesundheit und Soziale Sicherung, für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit, für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung sowie an den Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union, also an fast alle Ausschüsse, überwiesen werden. Die Vorlagen auf den Drucksachen 15/959, 15/927 und 15/1001 sollen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 4 a bis 4 d sowie Zusatzpunkt 3 der Tagesordnung auf:

4. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Bundesverkehrswegeplan und die darauf basierenden Ausbaugesetze noch vor der Sommerpause vorlegen

- Drucksache 15/928 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes

- Drucksache 15/777 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Tourismus

c) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Rainer Brüderle, Jörg van Essen, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Einsetzung einer Kommission der Bundesregierung zur Fortsetzung der Bahnreform

- Drucksache 15/66 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Renate Blank, Gerhard Wächter, Dirk Fischer (Hamburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Interessen des deutschen Verkehrsgewerbes wirksam erhalten und sichern - Chancen zur Förderung des deutschen Transportgewerbes national und international ergreifen

- Drucksache 15/926 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Mauteinführung in Deutschland am 31. August 2003 und Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen

- Drucksache 15/1023 -

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Widerspruch gibt es nicht. Dann ist auch so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Dr. Klaus Lippold.

Dr. Klaus W. Lippold (Offenbach) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Für die Union ist es wichtig, mit dieser Debatte deutlich zu machen, dass die Verkehrs- und Infrastrukturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland einen anderen, neuen und besseren Stellenwert erhalten muss, als sie ihn unter dieser Regierung hat.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): So ist es! Genau!)

Herr Stolpe, die bisherigen Ansätze sind unzureichend; wir haben das früher schon gerügt. Ich werde das heute noch an einer ganzen Reihe von Positionen begründen.

   Wir sind der festen Überzeugung, dass das steigende Mobilitätserfordernis in unserem Land, das mitten im Herzen Europas liegt, anders angegangen werden muss, als Sie das bislang getan haben. Es gibt keine durchdachte, konsistente und in sich geschlossene Verkehrswegeplanung. Der Bundesverkehrswegeplan ist viel zu lange hinausgezögert worden. Er wurde noch nicht vollständig vorgelegt und er ist in diesem Hause noch nicht debattier-, diskussions- und beratungsfähig. Wir fordern von Ihnen, dass wir die notwendigen Daten für den Bundesverkehrswegeplan und seine Vorlage noch vor Beginn der Sommerpause erhalten. Es kann nicht so weitergehen, dass so langsam gearbeitet wird und so viel Zeit verspielt wird.

   Wir stellen fest, dass der Standort Deutschland insbesondere auch durch das Versagen dieser Regierung in der Arbeitsmarktpolitik, der Arbeitsplatzpolitik und der Gesundheitspolitik - ich könnte jetzt noch vieles aufzählen - gefährdet ist.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Überall eigentlich!)

Wir sollten wenigstens jetzt dafür sorgen, dass die Dinge in der Infrastrukturpolitik besser und beschleunigter vorangehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Herr Minister, dabei geht es uns nicht nur um die Straße, sondern auch um die Schiene. Gerade die Diskussionen in den letzten Tagen haben sehr deutlich gemacht, dass Rot-Grün bei der Führung der Bahn, die man über den Aufsichtsrat sicherstellen kann, versagt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Bauernopfer, die im Vorstand jetzt gemacht wurden, sind längst nicht hinreichend. Man hat nur den einen oder anderen hinauskomplimentiert, an der Letztverantwortung hat sich aber nichts geändert. Das muss hier noch einmal ganz deutlich unterstrichen werden.

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, das, was hier gerade noch einmal zur Bahn und zum Verbraucherschutz gesagt worden ist, hat deutlich gemacht, was alles noch ansteht. Ich glaube, dass insbesondere die Bahnreform, die von der früheren Regierung auf den Weg gebracht worden ist, zu Unrecht steckengeblieben ist, weil so die notwendigen Fortschritte nicht erreicht werden können.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Sackgasse!)

Das ist auch der Grund, weshalb wir dem Antrag der FDP auf Einsetzung einer Regierungskommission zur Fortsetzung der Bahnreform heute zustimmen. Wir halten das für absolut erforderlich. Die Bahnreform muss fortgesetzt werden. Was sich jetzt abzeichnet, ist ein Weg in die falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir brauchen die Beschleunigung der Verkehrswegeplanung, die heute ebenso beraten wird. Die Bundesratsinitiative von Thüringen muss unterstützt werden. Die Zeiten, in denen in Deutschland Infrastruktur realisiert wird, sind zu lang. Wofür andere Länder Jahre brauchen, brauchen wir Jahrzehnte. Insofern ist der Antrag des Landes Thüringen, die Verkehrswegeplanung zu beschleunigen und das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz fortzuführen, genau richtig. Dieser Ansatz muss vollzogen werden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es muss natürlich Geld da sein, damit man bauen kann!)

   Wir haben jetzt die Diskussion über die Maut zum Abschluss gebracht. Ich will ganz deutlich sagen, dass wir in der schlechten Vorlage einige Punkte haben verbessern können. Aus meiner Sicht ist es schade, dass all die Ziele, mit denen noch eine Verbesserung hätte erreicht werden können, nicht realisiert werden konnten. Aber es ist ein wesentlich besserer Ansatz als der, den die Bundesregierung eingebracht hat.

   Lassen Sie mich insbesondere sagen, dass sich unsere Handschrift darin deutlich zeigt,

(Zuruf von der SPD: Ihr habt abgeschrieben!)

dass wir in wesentlich besserer Form den Bedingungen des deutschen Transportgewerbes Rechnung tragen wollen. Der Harmonisierungsbetrag ist aufgestockt. Wir sagen allerdings sehr deutlich, Herr Minister, dass wir die Umsetzung der Regelungen zu diesem Harmonierungsbetrag sehr kritisch begleiten werden, weil wir natürlich wissen, dass der Vollzug das eigentlich Entscheidende ist und die Erleichterungen für das Gewerbe gewährt sein müssen und eine Absichtserklärung nicht ausreicht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Deshalb fordere ich Sie auf, die Verhandlungen in Brüssel mit mehr Nachdruck als bislang fortzuführen. Es wäre vielleicht ganz gut, wenn sie nicht nur auf der Fachebene, sondern auch auf der Spitzenebene geführt werden würden. Ich vermisse den nötigen Nachdruck bei den Diskussionen in Brüssel. Ich würde Sie, Herr Stolpe, dringend darum bitten, dieses jetzt zu ändern. Es ist zwingend notwendig.

   Bezüglich der Maut fordern wir weitere Positionen von Ihnen ein. Ich nenne einen kleineren Punkt, der aber für das Gewerbe nicht unwichtig ist. Ich bitte Sie dringend, dafür zu sorgen, dass die On-Board-Units, die die LKWs brauchen, in der nötigen Anzahl zur Verfügung stehen.

(Zuruf von der CDU/CSU: 500 000 reichen nicht!)

Es kann nicht sein, dass mit der Einführung der Maut, die wir mit Ihnen gemeinsam tragen wollen, alle möglichen bürokratischen Schwierigkeiten gerade für kleinere und mittlere Unternehmen verbunden sind. Das kann es einfach nicht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU - Siegfried Scheffler (SPD): Sie kennen die aktuellen Zahlen offensichtlich nicht!)

- Ich kenne die aktuellen Zahlen, aber ich kenne auch die aktuellen LKW-Zahlen, Herr Kollege. Wichtig ist, dass sich die Zahlen decken. Die bislang vorliegenden Zahlen decken sich nicht. Wir werden mit Schwierigkeiten und Hemmnissen gerade für die kleinen und mittleren Unternehmen rechnen müssen.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das ist sehr vornehm umschrieben!)

Wir wollen das beseitigen. Das kann so nicht bleiben.

   Es gibt einen weiteren Punkt, bei dem Sie, Herr Minister, gefordert sind. Wir haben uns darauf verständigt, die Einnahmen aus der Maut bindend für Infrastrukturinvestitionen zu verwenden. Das ist als On-Top-Bindung gedacht. Das heißt, dass dafür an anderer Stelle keine Mittel gekürzt werden dürfen. Sie selbst haben gesagt, wenn ich das in den Zeitungen richtig gelesen habe, dass mit einem Wachstum der Verkehrsinvestitionen dennoch noch nicht zu rechnen sei und Herr Eichel angesichts der angespannten allgemeinen Haushaltslage Kürzungen vornehmen werde. So war das von Herrn Pällmann nicht gedacht. Wir wollten im Wesentlichen mehr Straßeninfrastruktur und wir wollten in begrenztem Umfang auch etwas für die Schiene tun.

   Es war nicht daran gedacht, dem Gewerbe die Maut aufzuerlegen und trotzdem hinterher den gleichen Betrag für die Straßeninfrastruktur zur Verfügung zu haben wie vorher. Es darf kein Nullsummenspiel geben. Haushaltsmittel in der Höhe der Mauteinnahmen zu kürzen wäre völlig verfehlt und würde unserem Anliegen nicht gerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Reinhard Weis (Stendal) (SPD): 250 000 bis zum Sommer!)

Das kann man in einer solchen Vereinbarung, Herr Minister Stolpe, nicht erzwingen. Ich möchte deutlich hinzufügen, dass, wenn diese Regierung es nicht kämpferisch durchsetzt, das letzte Instrument, um zusätzliche Investitionen sicherzustellen, nur ein Regierungswechsel sein könnte. Denn unser Konzept unterscheidet sich in dieser Frage deutlich von Ihrem Vorhaben. Unser Konzept ist zukunfts- und arbeitsmarktgerechter; es ist vor allem in sich geschlossen und liegt bereits vor.

   Deshalb fordere ich Sie auf, Herr Minister, in dieser Frage hart zu bleiben. Es geht nicht an, dass sich die Gesundheitsministerin mit völlig verfehlten Vorstellungen gegenüber Herrn Eichel durchsetzt, dass sich aber hier, wo die Vorgehensweise vernünftig ist Herr Eichel Ihnen gegenüber durchsetzt. In dieser Frage sollten Sie sich durchsetzen. Wir werden das auch einfordern.

   Lassen Sie mich abschließend etwas zur Osterweiterung der Europäischen Union anmerken. Wir hatten Sie schon einmal darauf hingewiesen, dass die von Ihnen vorgelegten Vorschläge unserer Meinung nach den Sachverhalt der EU-Osterweiterung - neue EU-Mitgliedsländer im Osten in Verbindung mit steigenden Verkehrsströmen - bislang nicht ausreichend berücksichtigt haben. Ich fordere dringend von Ihnen ein, dass die notwendigen Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, die sich gerade aus diesem Aspekt ergeben, mit eingeplant und auch umgesetzt werden.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Herr Verkehrsminister Manfred Stolpe.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Verkehr, Bau- und Wohnungswesen!)

- Das ist richtig: der Minister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen.

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen: Das ist noch schlimmer, Frau Präsidentin.

(Heiterkeit)

   Verehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte zunächst zur Mauteinführung Stellung nehmen und dabei eines deutlich zum Ausdruck bringen: Mit den Beschlüssen, die zunächst im Bundestag und dann im Bundesrat anstehen, bzw. mit dem Beschluss, den die Bundesregierung gestern gefasst hat, werden wir sowohl zur Mauteinführung als auch zur Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen drei wichtige verkehrspolitische Ziele erreichen können.

   Erstens erfolgt eine Weichenstellung zur Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur. Statt einer zeitbezogenen Gebühr bei der Benutzung durch LKW führen wir eine entfernungsabhängige Gebühr für Schwerlasttransporter unter Berücksichtigung der starken Inanspruchnahme der Autobahn, die solche Lasten bedeuten, ein. Bekanntlich beträgt die Belastung der Autobahn durch einen etwa das 60 000fache der Belastung durch einen PKW.

   Diese Weichenstellung bedeutet zugleich den massiven Einstieg in die Nutzerfinanzierung der Verkehrswege. Die Einnahmen stehen grundsätzlich für die Verkehrsinfrastruktur zur Verfügung - das ist klar geregelt -, und zwar überwiegend für den Straßenbau. Auch das ist definitiv geregelt; in dieser Frage gibt es kein Wenn und Aber.

   Das System und die Technologie bieten zugleich aber auch die Möglichkeit einer privaten Finanzierung durch Betreibermodelle. Wir beginnen mit der Maut bzw. mit der Erfassung und der Abrechnung von Gebühren, aber wir haben damit zugleich die Möglichkeit eröffnet, in anderen Bereichen private Finanzierung für die Verkehrsinfrastruktur vorzusehen.

   In dem dramatischen Wettlauf - der Kollege Lippold hat das eben ausgeführt - zwischen dem wachsenden Verkehrsaufkommen und den Maßnahmen, mit denen wir Infrastruktur vorhalten, haben wir mit der Maut eine zusätzliche Trumpfkarte in der Hand. Wir haben die Chance, der Herausforderung begegnen zu können und unserer Verpflichtung, Mobilität zu gewährleisten, auch unter den Bedingungen der Osterweiterung der Europäischen Union nachzukommen. Ich sehe das ähnlich wie Sie und viele andere. Schätzungen zufolge ist im Laufe der nächsten Jahren mit einer Zunahme des Verkehrsaufkommens um 65 Prozent zu rechnen. Rechnen wir lieber mit 100 Prozent; dann kommen wir der Realität vielleicht etwas näher.

   Jetzt können wir handeln und wir werden das in Zusammenarbeit mit den Partnern hier im Hause und auch in den Ländern tun.

(Beifall bei der SPD)

Die Mauteinführung wird auch die Möglichkeit bieten, das hohe Investitionsniveau für die Verkehrsinfrastruktur abzusichern. Sie wissen doch ebenso wie ich, dass die Mittel für die notwendigen Investitionsmaßnahmen seit 1998 einen kräftigen Auftrieb erfahren haben. Zusätzlich sind in den letzten drei Jahren - diese Regelung ist befristet - Mittel aufgrund des Zukunftsinvestitionsprogramms aufgestockt worden. Wir werden weiter sicherstellen, dass das, was erforderlich ist, finanziert werden kann. Wir haben damit die Grundlagenfinanzierung des Bundesverkehrswegeplans gewährleisten können. Dazu ist ja heute schon einiges gesagt worden. Es wird sicherlich noch weitere Ausführungen dazu geben. Ich möchte dazu nur so viel sagen: Ich arbeite seit genau sieben Monaten an diesem Projekt und hoffe, dass es bald entsprechende Beschlussfassungen geben wird. Wir haben ganz bewusst vorgesehen, dass ein Entwurf so früh wie möglich vorgelegt wird; denn wir wollen das Ganze transparent machen. Wir erwarten geradezu Ihre Hinweise, auch die kritischen. Die entsprechenden Daten - ich habe mich vorhin noch einmal vergewissert - liegen übrigens vor. Sie können jetzt die Kosten-Nutzen-Rechnungen für alle Projekte anfordern.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Mittlerweile!)

Wir werden die intensiven Gespräche mit Ihnen und mit den Vertretern der Länder gerne weiterführen. Debatten, Kritik und Hinweise in der jetzigen Entwurfsphase sind geradezu erwünscht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Mit der Maut - darauf sei hier aufmerksam gemacht - geben wir auch ökonomische Anreize für eine verantwortungsbewusstere Entscheidung über den Transport von Lasten auf unseren Straßen, insbesondere auf den Autobahnen. Durch die Maut wird sich mit Sicherheit die Zahl der Leerfahrten verringern. Auch die Ladefaktoren werden erhöht. Ich gehe davon aus, dass auch die Angebote des Schienentransportes und des kombinierten Verkehrs ernsthafter geprüft werden als bisher.

   Das zweite Ziel ist die Einführung der modernsten Technologie zur Mauterhebung. Das satellitengestützte Mauterfassungs- und -abrechnungssystem, das die Betriebsgesellschaft Toll Collect vorhält, wird es uns ermöglichen, die Mauterhebung und Mauterfassung ohne Eingriff in den Verkehrsfluss durchzuführen. Darüber hinaus - das ist besonders wichtig - kann dieses technische System weiterentwickelt werden. Es wird uns ermöglichen, auch andere Kommunikations- und Informationsleistungen zu erbringen. Das wird ganz besonders bei der Verkehrsleittechnik eine Rolle spielen, die ein zusätzlicher Faktor ist, um das Verkehrsaufkommen auf unseren Straßen zu bewältigen.

   Unser drittes Ziel ist die Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Güterkraftverkehrsunternehmen. Sie befinden sich momentan in einer sehr schwierigen Zangensituation. Auf der einen Seite stehen die westeuropäischen Wettbewerber, die durch Subventionen ihrer Heimatländer unterstützt werden. Diese Zuschüsse laufen zwar aus. Aber noch bestehen sie und sind für einige Zeit ein Wettbewerbsvorteil, der zulasten unserer Unternehmen genutzt wird. Auf der anderen Seite stehen die osteuropäischen Wettbewerber, die bekanntlich zu Lohnbedingungen fahren, mit denen bei uns niemand mithalten kann.

   Fazit: Die Einführung einer Maut ohne eine angemessene Harmonisierung - wir haben ja über die Höhe eine Weile gestritten; nun gibt es eine großzügigere Regelung - ist für das deutsche Gewerbe nicht verantwortbar. Dazu stehe ich in aller Deutlichkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die vorgesehenen Beschlüsse werden in einem Paket von Maßnahmen münden, mit denen wir die eben genannten Ziele erreichen werden. § 11 des Mautgesetzes enthält eine klare Aussage zur Zweckbindung der Einnahmen. Die moderate Einstiegsgebühr in Höhe von 12,4 Cent pro Kilometer ist ein deutliches Entgegenkommen im Hinblick auf die Sorgen des Gewerbes. Schrittweise, und zwar nach den Harmonisierungsmaßnahmen, wird die Maut auf 15 Cent pro Kilometer angehoben. Das Gewerbe wird durch ein ganzes Bündel von Harmonisierungsmaßnahmen in Höhe von 600 Millionen Euro entlastet. Im Einzelnen sind ein Mauterstattungsverfahren, eine Senkung der Kfz-Steuer für Schwerlasttransporter und eine Unterstützung bei der Anschaffung emissionsarmer Lastwagen vorgesehen. Auch weitere Maßnahmen wie zum Beispiel Erleichterungen bei Abschreibungen oder eine geänderte Emissionsklassenzuordnung können hier greifen.

(Beifall bei der SPD)

   Mit der Mauteinführung liegen wir auf der verkehrspolitischen Linie der Europäischen Kommission, die in Kürze ihrerseits eine Richtlinie erlassen wird. Zahlreiche Gespräche sind geführt worden. Herr Kollege Lippold, es ist nicht so, dass ich mich vor der Kommissarin fürchte. Ich habe an vielen Gesprächen teilgenommen und es war wichtig, was unsere Regelungen und unsere Technologie angeht, eine Grundübereinstimmung herzustellen. Unsere Regelungen haben innerhalb der Europäischen Union Modellcharakter. Sie finden bei den Beitrittsländern und über Europa hinaus ein großes Interesse. Wir haben einen technologisch wichtigen Schritt nach vorn getan. Das wird dahin gehend Auswirkungen haben, dass sich für unsere Wirtschaft neue Möglichkeiten ergeben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Bestimmungen sind das eine, die Absicherung nach allen Richtungen ist das andere. Besonders spannend dabei ist die praktische Handhabung. Für die manuelle Handhabung - wir gehen davon aus, dass die manuelle Handhabung in der Startphase eine größere Rolle spielen wird, als wir zunächst vermutet haben - stehen 3 500 Automaten zur Verfügung. Nachdem ich selbst einen dieser Automaten einmal ausprobiert habe - ich habe sozusagen den Idiotentest gemacht -, kann ich Ihnen nur sagen: Meine Erfahrungen lassen sich mit dem vergleichen, was man mit Fahrkartenautomaten so erleben kann.

(Heiterkeit - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das ist das reinste Chaos! - Eduard Oswald (CDU/CSU): Lassen wir uns mal überraschen! - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ein gefährlicher Vergleich! - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Besser! Einfacher!)

- Ich meine Fahrkartenautomaten der einfacheren Art im ÖPNV. - Was wir vorhaben, ist zu schaffen. Auch ausländische Nutzer werden mit diesen Automaten umgehen können.

   Inzwischen stoßen auch On-Board-Units, also Geräte, die Abrechnungen auf der Grundlage satellitengesteuerter Erfassung ermöglichen, auf wachsendes Interesse. Von diesen Geräten stehen bis zum Sonntag, dem 31. August, 250 000 zur Verfügung. Im Laufe des Jahres werden es 500 000 sein. Ich rechne damit, dass ihre Anzahl weiter wachsen wird. Die anfängliche Nachfrage wird auf jeden Fall abgedeckt werden können. Es ist für die Unternehmen, die damit zu tun haben - Daimler-Chrysler, Debis und Telekom -, inzwischen eine Frage der Ehre geworden, ihre Zusagen einzuhalten. Ich habe mitbekommen, dass sie Zulieferungen von europaweit agierenden Unternehmen bekommen.

   Lassen Sie mich, was dieses Projekt angeht, meinen verschiedenen Vorgängern Dank sagen. Eine lange Kette von Verkehrsministern war mit diesem Vorhaben beschäftigt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich möchte mich auch für die kritisch-konstruktive Begleitung dieses Prozesses durch die Fraktionen dieses Hauses und durch die Länder - sie waren in der Arbeitsgruppe des Vermittlungsausschusses aktiv; dort haben sich einige Personen viel Zeit um die Ohren geschlagen; manche haben ihre Geburtstage

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Herzlichen Glückwunsch nachträglich!)

und manches andere geopfert, um zu einem Ergebnis zu kommen - im Vermittlungsausschuss bedanken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)

Der langen Rede ganz kurzer Sinn: Ich bitte Sie herzlich: Lassen Sie uns das Projekt jetzt gemeinsam zu Ende führen.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Horst Friedrich.

Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP):

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Verkehrsminister, ich habe Ihre Ausführungen zur Bahn und auch zur Maut mit großer Aufmerksamkeit verfolgt. Da in dieser Woche bei der Bahn Entscheidendes geschehen ist, möchte ich mit der Bahn beginnen, auf die Sie nur begrenzt eingegangen sind. Nach allem, was passiert ist, war von Ihnen zu hören: Herr Mehdorn ist der richtige Mann am richtigen Platz. - Herr Minister, nach dieser Aussage tragen Sie deutlich mehr Verantwortung als bisher für die Zukunft des Unternehmens Bahn.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das seit Mitte Dezember letzten Jahres geltende neue Preissystem sollte ausweislich der mittelfristigen Finanzplanung der Bahn ein großer Erfolg werden. Durch die Sitzung des Aufsichtsrats der Bahn am Dienstag und die Bilanzpressekonferenz wurde bekannt, dass dieses Preissystem eine Umsatzsteigerung im Fernverkehr von 4,9 Prozent - davon sollten allein 9,9 Prozent auf die Strecke Köln-Frankfurt entfallen - bewirken sollte.

   Herr Mehdorn hat zu Beginn des Jahres erklärt - so habe ich das noch im Ohr -: Wenn die Kunden das System nicht begreifen, dann sind sie eigentlich nur zu dumm dazu. - Offensichtlich hat der Kunde gezeigt, was er von dem System hält, aus unserer Sicht leider in noch zu geringem Maße; ein Problem ist nämlich, dass der Kunde auf der Schiene keine echte Auswahl hat, dass er sich in weiten Bereichen gar keinen anderen Betreiber aussuchen kann. Da, wo er die Alternative hat, nutzt er sie auch. Überraschenderweise haben die Mitbewerber auf der Schiene deutlich bessere Ergebnisse.

   Es muss doch zu denken geben, wenn zu einer Schienenstrecke die Bahn erklärt, es gebe kein Interesse auf Kundenseite, ein Mitbewerber innerhalb eines Jahres die Personenbeförderung auf dieser Strecke aber um das Fünffache erhöht. Das kann doch nicht an der Strecke liegen; das muss an demjenigen liegen, der sie betreibt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Nun erklärt Herr Mehdorn: 2004 - das ist schon wieder etwas relativiert worden - ist die Sanierung der Bahn erledigt und ab dann geht es aufwärts. - Wenn man sich das genau anschaut, muss man feststellen, dass die Bahn, weil sie an ihre eigenen Voraussagen nicht glaubt, in der Bilanz an einigen Punkten Vorsorge getroffen hat, indem sie ab 2000 bis zum Beginn des Jahres 2004 bestimmte Positionen in einem Umfang erhöht, der nicht erklärbar ist, und völlig von den bisherigen Zahlen abweicht. Diese sollen nach der Mittelfristplanung der Bahn genau zu dem Zeitpunkt wieder auf das übliche Niveau zurückfallen, wenn sich 2004 der Aufschwung ergeben soll.

(Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Das habe ich jetzt aber nicht verstanden! - Ute Kumpf (SPD): Das hat niemand verstanden!)

- Herr Kollege Schmidt, ich kann es Ihnen gern privatissime erklären.

(Ute Kumpf (SPD): Das war nicht Herr Schmidt, das waren wir!)

Wenn ich Personalaufwendungen vorfristig, wenn sie also noch gar nicht anfallen, unter der Position „sonstiger betrieblicher Aufwand“ verstecke, indem ich dort erhöhe, damit ein Polster von bis zu 3 Milliarden Euro schaffe, das ich in der Bilanz nicht erkläre, darauf achte, dass Personalaufwendungen in den Teilbilanzen ausgewiesen sind, in der konsolidierten Bilanz aber nicht, dort vielmehr unter der Position „sonstiger betrieblicher Aufwand“ erscheinen, und 2004 bestimmte Rückstellungen auflöse, um ein bestimmtes Ergebnis hinzubekommen, dann muss das Aufmerksamkeit erregen. Deswegen halte ich es nach wie vor für einen Skandal, dass Herr Franz und Herr Koch und andere gehen mussten, demjenigen aber, der das zu verantworten hat, vorfristig der Vertrag verlängert wird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ob und, wenn ja, wie das mit dem Geist des § 84 Aktiengesetz zu vereinbaren ist, Herr Stolpe, sollten Sie einmal prüfen; das würde ich Ihnen gern als Hausaufgabe mitgeben. Darin steht einiges. Ob Sie das alles berücksichtigt haben, ist die Frage.

   Fakt ist: Für den Fall, dass Herr Mehdorn den Weg geht, den Herr Sommer schon gegangen ist, steht jetzt schon die Abfindungssumme fest. Vornehm ausgedrückt: Weil Sie sich da keine weitere offene Flanke erlauben wollten, haben Sie sich gesagt: Wir müssen mit der Bestätigung von Herrn Mehdorn jetzt Führungsfähigkeit und Verlässlichkeit demonstrieren. - Ich habe da andere Eindrücke. Aus meiner Sicht ist das alles nicht so glänzend gelungen.

   Deswegen halten wir es für notwendig, dass nochmals eine Regierungskommission Bahn eingesetzt wird, um die wirklichen Grundlagen zu untersuchen und zu prüfen, ob das, was von uns mit der Bahnreform 1994 auf den Weg gebracht worden ist, auch tatsächlich zur Umsetzung kommt oder ob nicht in wichtigen Bereichen Stellschrauben betätigt worden sind, die das konterkarieren, was wir alle in diesem Hause gewollt haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Das zweite Thema ist die Einigung zur Maut. Dazu ist schon viel gesagt worden. Aus meiner Sicht kommt es darauf an, abzuwägen: Welche Fakten sind belastbar, was hat das für Konsequenzen, und was ist nur Absichtserklärung? Beschlossen - das ist richtig - ist die Einführung der Maut zum 31. August. Beschlossen ist auch, dass sie statt mit 15 Cent pro Kilometer im Schnitt mit 12,4 Cent beginnt. Das ist eine etwas geringere Belastung für die Transportunternehmer; insgesamt um rund 600 Millionen Euro. Das ist aber erkennbar nicht das, was man dem Gewerbe unter der Überschrift Harmonisierung versprochen hat.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die Maßnahmen zur Harmonisierung, liebe Kolleginnen und Kollegen, werden momentan in Absichtserklärungen, in Zusatzbriefen und in Aussagen versteckt. Nur, wer glaubt denn, dass eine Regierung, die länger als ein Jahr brauchte, um sich die Hälfte der Summe für die angestrebten Harmonisierungsmaßnahmen, nämlich 300 Millionen, in Brüssel genehmigen zu lassen, es schafft, 600 Millionen -

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Zahl kommt doch von euch! - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr wollt sie doch!)

die sie gar nicht selber will - umzusetzen, zumal wenn man weiß, dass Teile der Koalition sogar noch behaupten, die 600 Millionen stellten schon eine Überkompensation für das Gewerbe dar, weil dies am Schluss profitiere?

(Beifall bei der FDP)

   Tatsache ist, dass ein großer Teil der mittelständischen deutschen Unternehmen - ich nehme hier jetzt einmal den Landesverband Sachsen heraus -, nämlich bis zu 30 Prozent, überhaupt nicht am Mautverfahren teilnehmen dürfen, weil ihnen von ihren Banken überhaupt nicht die entsprechenden Kreditlinien eingeräumt werden. Die verabschieden sich also aus diesem Bereich. Zu diesem Thema steht hier überhaupt nichts drin; denn die Zeitspanne zwischen Einführung der Maut und Umsetzung der zugesagten Harmonisierungsmaßnahmen in Höhe von 600 Millionen wird nicht genannt. Sie kann aber bis zu neun Monate betragen. In der Zeit wird sich, wie ich fürchte, bei der ganzen Operation nur eine Statistik erhöhen, nämlich die der Arbeitslosen und die der aus dem Erwerbsleben ausscheidenden Selbstständigen. Vor dem Hintergrund, dass die Zahl der Insolvenzen im Bereich der Güterkraftverkehrsunternehmen jedes Jahr, seitdem Sie an der Regierung sind, neue Rekordhöhen erreicht hat, ist die Messlatte an dieses System zu legen, und das wird 2003 nicht besser.

   Wir betreiben einen riesigen Aufwand, bewegen über 3,6 Milliarden Euro, wenn dann 15 Cent erhoben werden, von denen dann irgendwann knapp die Hälfte im Haushalt des Verkehrsministers ankommt. Ich sage Ihnen schon heute voraus: Jeder Euro, der auf dieser Seite ankommt, wird auf der anderen Seite, bei den steuerfinanzierten Maßnahmen, abgesenkt. Das Ergebnis wird sein: Die Ausgaben für den Straßenverkehr werden sich auf genau demselben Niveau wie derzeit bewegen, aber die Finanzierungsgrundlage wird verändert. Alles andere wäre eine Chimäre.

(Reinhard Weis (Stendal) (SPD): In die Vergangenheit gerichtetes Denken!)

- Ich bin einmal gespannt, Herr Kollege Weis, wie viele zusätzliche Euro aus den Mauteinnahmen dann tatsächlich in Infrastrukturmaßnahmen fließen, wenn Sie den Haushalt 2004 vorlegen, und wie sich all das andere auflösen wird.

   Ich lasse mich gerne im Interesse des Gewerbes vom Gegenteil überzeugen. Aber solange ich keine belastbaren Daten habe, bleibe ich dabei: Diesem Ergebnis können wir nicht zustimmen. Wir werden uns bei der Abstimmung über diesen Punkt enthalten, weil wir glauben, dass die Gefahren mindestens so groß sind wie die Zwischenerfolge, die bei den Verhandlungen erreicht wurden.

   Danke sehr.

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ali Schmidt.

Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mir hat gestern ein sehr geschätzter CDU-Kollege, der auch Mitglied dieses Hauses ist, erzählt: Noch niemals, seitdem er Abgeordneter ist - und er ist schon lange Abgeordneter -, habe er so viele Beschwerden von Bürgerinnen und Bürgern über die Bahn erhalten wie seit der Einführung des neuen Fahrpreissystems. Wenn schon die CDU mit Beschwerden über die Bahn überhäuft wird, die ja nun bekanntlich nicht die Regierungsverantwortung trägt und auch nicht in dem Ruf steht, besonders bahnfreundlich zu sein,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

dann können Sie sich vorstellen, was erst in den Abgeordnetenbüros von uns Grünen los war und los ist.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Weil ihr bloß eine Telefonleitung habt!)

Mailboxen, Briefkästen, Faxgeräte quellen seit Wochen von Leidensberichten und Beschimpfungen über, die häufig in dem schönen Satz gipfeln: Tun Sie etwas! - Es ist sehr schwer, liebe Kolleginnen und Kollegen, dann den Bürgerinnen und Bürgern klar zu machen, dass seit der Bahnreform die Politik nicht mehr einfach so in das operative Geschäft eingreifen kann und auch nicht soll, übrigens auch nicht der Aufsichtsrat. Der Aufsichtsrat hat das Fahrpreissystem nicht beschlossen, es ist ihm zur Kenntnisnahme vorgelegt worden, aber er hat es nie beschlossen. Das liegt in der Verantwortung des Vorstandes.

   Dann kamen nach und nach die Zahlen ans Tageslicht: statt geplanter 13 Prozent plus in der Verkehrsleistung im Fernverkehr 14 Prozent minus, das heißt, man bleibt fast 30 Prozent hinter den eigenen Zielen zurück; allein im Fernverkehr 133 Millionen Euro Miese. Spätestens da wurde klar, dass hier nicht irgendwelche Querulanten räsonieren, sondern dass die Kunden begonnen haben davonzulaufen. Das tut einem grünen Verkehrspolitiker in der Seele weh - nach allem, was wir als Vorleistung der Politik in dieser Koalition gemeinsam für die Bahn bewegt haben: Rekordsummen für Investitionen in die Modernisierung des Netzes, Rekordsummen für ein dynamisiertes Regionalisierungsgesetz für den Nahverkehr, Halbierung des Ökosteuersatzes, um der Bahn einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der Straße zu verschaffen, Anhebung der Pendlerpauschale auf das Niveau des Kilometergeldes beim Auto. Deshalb waren wir nicht zufrieden, als wir als Gründe für die Umsatzeinbrüche immer nur gehört haben: Hochwasser, Eisregen, Billigflieger, Konjunktur. Alles war schuld, nur nicht das neue Fahrpreissystem. Man konnte nur noch den Kopf schütteln.

   Am meisten taten mir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Unternehmens Leid,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

die Zugbegleiter, die mir in den Zügen oft ehrlich gesagt haben: Herr Schmidt, wir finden das auch nicht gut. Einige haben mir sogar gesagt: Jede Woche wird der Zug leerer. Das ist deprimierend. Eine solche Stimmung bei der Kundschaft und bei den Mitarbeitern ist ein Alarmsignal. Deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, können Sie sicher sein, dass ich dieses Thema mit den Verantwortlichen im Unternehmen hinter verschlossenen Türen um eine ganze Oktave deutlicher diskutiert habe, als es gelegentlich öffentlich hörbar geworden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Zugleich vollzog sich eine fast gespenstisch anmutende Debatte über einen unmittelbar bevorstehenden Börsengang des Unternehmens im Jahr 2005. Würden Sie derzeit eine Bahnaktie kaufen? - Sehen Sie! Die Blütenträume vom schnellen Börsengang sind mit dem Eisregen dieses Winters und seinen Auswirkungen auf die Umsatzzahlen erfroren. Ich bin nicht einmal unglücklich darüber; denn damit wird endlich bewusst: Nach jahrelanger Vernachlässigung des Verkehrsträgers Bahn muss dieses Unternehmen erst einmal durch die schwierige Phase der Sanierung; es muss erst einmal echte schwarze Zahlen schreiben.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Auch dann, liebe Kolleginnen und Kollegen, geht es doch nicht um einen Börsengang im eigentlichen Sinne - das ist kein verkehrspolitisches Ziel -, sondern es geht um die Kapitalmarktfähigkeit. Zunächst muss die DB AG wie jedes andere Unternehmen auch in die Lage versetzt werden, auf dem Kapitalmarkt Kapital akquirieren, dieses bedienen und sich aus eigener Kraft refinanzieren zu können. Das muss doch das Ziel sein. Alles andere kommt mir merkwürdig vor. Oder wollen wir wirklich allen Ernstes den Goldesel Bahn mit den Milliarden der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler füttern, damit er am anderen Ende den privaten Shareholdern die Dukaten auf die Hand scheißt, als staatlich garantierte Rendite sozusagen? Das ist doch eine alberne Vorstellung von Marktwirtschaft und Börse.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU/CSU)

   Die materielle Privatisierung des Netzes in einem integrierten Konzern ist aus meiner Sicht nur eine neue Variante des alten britischen Fehlers, und zwar mit verhängnisvollen Folgen. Denn private Shareholder würden natürlich massiv Druck ausüben, dass sich die Bahn von unrentablen Teilen des Netzes trennt, um mehr Rendite zu erzielen, und zwar zum Schaden einer Infrastruktur, die nach dem Grundgesetz dem Gemeinwohl verpflichtet ist, und zum Schaden einer Bahn, die in erster Linie für die Bürger da zu sein hat und nicht für die Börse.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich hoffe, dass in Fragen Börsengang jetzt Realismus einkehrt. Ebenso hoffe ich, dass ein anderer Kommunikationsstil einkehrt, ein Kommunikationsstil, der zeigt, dass die Fahrgäste nicht umerzogen, sondern ernst genommen werden sollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie sind doch diejenigen, um die es eigentlich geht. Der Kunde ist König; das ist die Grundregel Nummer eins in der Marktwirtschaft. Ihm muss der rote Teppich ausgerollt werden, statt dass ihm mit einer Klage vor Gericht gedroht wird.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das muss man Herrn Mehdorn sagen!)

   Ich verkenne nicht die Zuständigkeiten, die seit der Bahnreform gelten. Die Verantwortung für die Unternehmensentscheidungen ist und bleibt beim Management. Aber es ist und bleibt eben auch eine verkehrspolitische Frage, und zwar eine entscheidende Frage, ob es gelingt, im Wettbewerb mit dem Hauptkonkurrenten Auto tatsächlich mehr Fahrgäste für die Schiene zu gewinnen oder nicht. Auch in seiner Funktion als Eigentümer des Unternehmens kann und wird es dem Bund nicht gleichgültig sein, wenn massive Umsatzeinbrüche zum Beispiel im Fernverkehr neue Finanzrisiken schaffen. Denn letztlich könnte den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern so eine zusätzliche Rechnung präsentiert werden.

   Die Deutsche Bahn AG hat nun substanzielle Korrekturen beim Fahrpreissystem angekündigt. Das ist gut. Es wird nicht länger gemauert, sondern die Kritik der Fahrgastverbände und der Verbraucherverbände wird endlich ernst genommen. Aber die Absenkung der abschreckenden Stornogebühr kann nur ein erster Schritt sein, dem weitere folgen müssen. Ich nenne beispielsweise die Aufhebung der Wochenendbindung bei den Plan-und-Spar-40-Preisen und die Einführung einer „Bahncard Gold“ für günstiges Spontanreisen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Bahnfahren muss einfacher werden und flexibel bleiben. Vor allem muss der alte Systemvorteil der Bahn wiederhergestellt werden, dass nämlich jeder Stammkunde spontan und zugleich preisgünstig Bahn fahren kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Seit 100 Jahren ging man zum Bahnhof, stieg in den Zug und fuhr los. Plötzlich aber will man die Fahrgäste umerziehen, indem man die Spontanreisen verteuert. Das muss schief gehen. Ich hoffe auf die Einsicht des Unternehmens und darauf, dass auch hier nachgebessert wird, und zwar bald.

   Ich will noch eines deutlich sagen. Wenn die letzten alten Bahncards, die von Reiseprofis noch schnell am 14. Dezember des letzten Jahres gekauft wurden, am 14. Dezember dieses Jahres ihre Gültigkeit verlieren und wenn sich dann in einer nächsten Welle Stammkundinnen und Stammkunden von der Bahn verabschieden, dann wird es erst richtig bitter.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Richtig!)

Ich bitte meine Aussagen als einen ebenso freundschaftlichen wie eindringlichen Rat zu verstehen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich will den Satz noch zu Ende führen. - Diesen freundschaftlichen und eindringlichen Rat an das selbstständige und eigenverantwortlich handelnde Unternehmen Bahn gebe ich aus Liebe zur Bahn und nicht, um zu meckern, wie manche meinen. - Wer möchte eine Zwischenfrage stellen?

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Die Kollegin Blank.

Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Kollegin Blank, bitte.

Renate Blank (CDU/CSU):

Herr Kollege Schmidt, Sie waren Mitglied des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn AG. Das neue Preissystem ist doch nicht vom Himmel gefallen, sondern es ist sicherlich im Aufsichtsrat zur Kenntnis genommen oder sogar gebilligt worden. Können Sie mir sagen, wie der Aufsichtsrat zu diesem neuen Tarifsystem stand?

   Ich habe noch eine weitere Frage, die eben schon vom Kollegen Friedrich aufgeworfen wurde. Laut Aktiengesetz kann der Vertrag des Bahnchefs Mehdorn frühestens ein Jahr vor Ablauf verlängert werden. Da er erst im Dezember 2004 ausgelaufen wäre, hätte er nicht schon jetzt, im Mai, verlängert werden dürfen. Hätte man nicht vielmehr eine andere Möglichkeit finden müssen, beispielsweise eine vorzeitige Auflösung des alten und den Abschluss eines neuen Vertrages?

Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Kollegin Blank, ich bin Ihnen für Ihre Fragen sehr dankbar, weil Sie mir damit noch einmal die Gelegenheit geben, ein Missverständnis richtig zu stellen.

   Ich habe es vorhin schon kurz angesprochen, sage es aber gerne noch einmal: Der Aufsichtsrat der Deutschen Bahn AG, dem ich damals noch angehörte, hat im Frühjahr des letzten Jahres - ich glaube, es war im März - in einer Sitzung das neue Fahrpreissystem in der Tat auf der Tagesordnung gehabt. Die damals verantwortlichen Vorstandsmanager, die inzwischen, wie Sie wissen, entlassen worden sind, haben die Funktionsweise des neuen Systems vorgestellt.

   Im Anschluss fand eine kritische Diskussion statt, in der ich jeden einzelnen Kritikpunkt wie beispielsweise Stornogebühren und mangelnde Flexibilität - diese Punkte nenne ich seit Monaten beharrlich - vorgetragen habe. Der Aufsichtsrat hatte aber über das neue Preissystem keinen Beschluss zu fassen; denn er ist nicht für das operative Geschäft zuständig und damit auch nicht für das Beschließen eines neuen Fahrpreissystems. Infolgedessen war es eine informatorische Beratung.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): So ist es!)

   Zur zweiten Frage. Ich gehöre seit dem 31. Dezember 2002 dem Aufsichtsrat nicht mehr an. Soweit ich weiß, wurde in der letzten Sitzung der Vertrag eben nicht verlängert. Der alte Vertrag wurde vielmehr aufgelöst und ein neuer Vertrag abgeschlossen, der nach meiner Information bis 2008 läuft. Das dürfte nach meiner Kenntnis mit dem Aktiengesetz vereinbar sein.

(Renate Blank (CDU/CSU): Dann ist es klar! Danke!)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu dem zweiten Thema ein paar Gedanken vortragen. Nach der Verständigung über die LKW-Maut vorgestern im Vermittlungsausschuss steht nunmehr fest: Die LKW-Maut auf Autobahnen wird pünktlich zum 31. August dieses Jahres eingeführt. Damit ist der Einstieg in den Systemwechsel geschafft: von einer reinen Steuerfinanzierung der Verkehrswege hin zu einer Kombination aus Steuer- und Nutzerfinanzierung.

   Damit wird - darauf sind wir heute ein bisschen stolz - trotz anderer Mehrheiten im Bundesrat ein Schlüsselprojekt rot-grüner Verkehrspolitik auf den Weg gebracht. Vor allem - das wurde schon angesprochen - der Verursachergerechtigkeit wird damit Rechnung getragen; denn auch mit den jetzt reduzierten 12,4 Cent pro Kilometer und Fahrzeug im Durchschnitt werden die schweren LKWs etwa zwölfmal mehr für die Benutzung der Straßen zu bezahlen haben als bisher.

   Die LKW-Maut ist natürlich auch ein wichtiger Schritt zur Chancengleichheit zwischen den Verkehrsträgern Straße und Schiene, denn auf der Schiene gibt es die Maut schon lange, nur heißt sie dort nicht Maut, sondern Trassenpreis. Jeder Zug muss für jeden genutzten Kilometer an DB Netz seine Wegekosten abführen und dieses Prinzip wird im Sinne der Waffengleichheit nun endlich auch auf der Straße für den schweren LKW eingeführt.

   Die LKW-Maut ist auch eine Grundvoraussetzung für das dritte Ziel, die Stauvermeidung auf der Straße durch die Verlagerung von Gütertransporten auf die Bahn und auf das Binnenschiff. Jede LKW-Ladung, die wir von der Straße auf die Schiene bringen, ist ein Stück konkretes Anti-Stau-Programm.

   Wie sieht nun dieser im Vermittlungsausschuss erzielte Kompromiss konkret aus? Die Höhe der Maut beträgt - es ist angesprochen worden - statt der ursprünglich geplanten 15 Cent nun zunächst nur 12,4 Cent pro Fahrzeug und Kilometer, wodurch natürlich die Gesamteinnahmen von gedachten 3,4 Milliarden Euro auf nur noch 2,8 Milliarden Euro reduziert werden. Das zeigt, Herr Kollege Friedrich - das kann ich Ihnen nicht ersparen -, die Handschrift der FDP.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das ist ja auch gut so! - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Genauso ist es!)

Wenn es nach uns gegangen wäre, wäre es bei den 300 Millionen geblieben. Die Reduzierung verringert das verfügbare Investitionsvolumen für die Verkehrswege um 600 Millionen Euro. So einfach ist das.

(Renate Blank (CDU/CSU): Das hätte doch so oder so der Finanzminister kassiert!)

   Zudem wurde so eine echte Harmonisierung verhindert, da nicht nur deutsche, sondern gleichermaßen auch ausländische Spediteure von der Absenkung des Mautsatzes profitieren.

(Siegfried Scheffler (SPD): Aber erheblich!)

Deshalb war man sich im Grundsatz einig, dass die Bundesregierung jetzt unverzüglich in Brüssel konkrete Maßnahmen zur Schaffung echter Harmonisierungsschritte, also vergleichbarer Wettbewerbsbedingungen für das deutsche Gewerbe im europäischen Vergleich, beantragen wird.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das versucht ihr doch schon seit Jahren und habt es nicht geschafft!

Dabei geht es im Wesentlichen um das Mauterstattungsverfahren, um die Absenkung der Kraftfahrzeugsteuer für LKW auf das europäische Mindestniveau und um das Innovationsprogramm für die beschleunigte Einführung besonders emissionsarmer Motoren. Der letzte Punkt ist übrigens gut sowohl für die Umwelt als auch für die Fahrzeugindustrie; nicht nur die deutsche, sondern die Fahrzeugindustrie generell wird davon mittelbar natürlich profitieren.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Unseren Antrag dazu haben Sie schon sechsmal abgelehnt, Herr Kollege!)

   Sobald also die jeweiligen Maßnahmen von der Europäischen Union notifiziert sind, wird der Erhebungssatz für die LKW-Maut um das entsprechende Entlastungsvolumen wieder angehoben. Zum Beispiel würde eine Absenkung der Kraftfahrzeugsteuer auf das europäische Mindestniveau eine Anhebung der LKW-Maut um 0,5 Cent pro Kilometer und Fahrzeug zur Folge haben. Auch diesem Verfahren hat die Bundesratsmehrheit zugestimmt.

   Einigkeit wurde auch darüber erzielt, dass weiterhin, wie beim Anti-Stau-Programm vorgesehen, neben dem Straßenbau auch der Ausbau von Schiene und Wasserstraße aus der Maut finanziert werden kann. Die Nettoeinnahmen sollen insgesamt in die Infrastruktur fließen, wenn auch „überwiegend“, wie es heißt - also zu mindestens 51 Prozent -, in den Straßenbau. Letzteres aber ist schon dadurch gewährleistet, dass das geplante mautfinanzierte Betreibermodell mit einem Volumen über 250 Millionen Euro pro Jahr eben nur für den Autobahnneubau eingeführt wird.

   Ich will zum Schluss sagen, dass uns die Auswirkungen dieses Kompromisses auf diesen Haushalt sicherlich noch öfter beschäftigen werden. Man muss sich ganz nüchtern vor Augen halten, dass der Einnahmeausfall beim Finanzminister durch den Wegfall der bisherigen LKW-Jahresvignette natürlich innerhalb des Verkehrsetats ausgeglichen werden wird. Da sollte man sich keine Illusionen machen.

   Für unsere grüne Fraktion ist es ein entscheidender Schritt, dass wir diesen Systemwechsel, diesen Paradigmenwechsel, jetzt gemeinsam vollziehen. Das bestätigt, was ich auch in der letzten Mautdebatte schon gesagt habe: Im Grunde ist das Thema LKW-Maut ein Konsensthema und ich bin froh, dass das heute in dem gemeinsamen Antrag auch zum Ausdruck kommt.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Eduard Oswald.

Eduard Oswald (CDU/CSU):

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Die bisherige Debatte hat gezeigt, dass wir uns über die Herausforderungen, die Mobilität an uns stellt, im Grundsatz klar sind: Wir müssen die Mobilität sicherstellen, die die Bevölkerung wünscht, die die Wirtschaft braucht und die langfristig für Mensch und Natur tragbar ist.

   Deswegen benötigen wir - in den Zielen sind wir sicher nicht immer einer Meinung - eine gut ausgebaute Verkehrsinfrastruktur, um im internationalen Standortwettbewerb mithalten und unsere Aufgaben als Transitland erfüllen zu können. Eine effiziente Verkehrsinfrastruktur zur Sicherung der Mobilität ist ein ganz wichtiger Bestandteil unseres Wirtschaftsstandortes und, obwohl das oft bezweifelt wird, wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung. Deshalb benötigen wir in unserem Land auch und gerade aufgrund der bevorstehenden EU-Osterweiterung einen weiteren Ausbau der Infrastruktur.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich will meinen Schwerpunkt heute auf den Bundesverkehrswegeplan setzen. Sie haben mit der Vorlage dieses Bundesverkehrswegeplanes Ihre Chancen nicht genutzt.

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wieso denn das?)

Mit diesem Plan werden Sie den Stau auf unseren Straßen nicht bekämpfen können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die unnützen Kraftstoffe, die in die Luft geblasen werden, schaden der Umwelt. Dies sind Jahr für Jahr 12 Milliarden Liter. Durch den Stau entstehen jährlich volkswirtschaftliche Verluste von 100 Milliarden Euro. Das sind Zahlen, die das Bundesforschungsministerium verbreitet hat. Auch daraus sollten Sie die notwendigen Schlüsse ziehen.

   Sie müssen sich einige sehr grundsätzliche Fragen zur Vorbereitung dieses Planes stellen lassen. Wie kommen Sie dazu, beim Schienengüterverkehr ein Wachstum von 103 Prozent zur Grundlage Ihrer Berechnung zu machen? Mit solch unrealistischen Annahmen wird das Fundament Ihres Bundesverkehrswegeplanes brüchig. Wir wollen die Verlagerung der Verkehre von der Straße auf die Schiene. Wir wollen ein leistungsfähiges Unternehmen im Bereich der Schiene. Aber wir müssen uns natürlich mit den Realitäten auseinander setzen.

   Sie müssen sich auch die Frage nach den Zuordnungen zu den Verkehrsträgern gefallen lassen. Obwohl klar ist, dass wir jeden der Verkehrsträger brauchen, ist doch Realität, dass die Straße 85 Prozent des Verkehrs abwickelt, aber nur 50 Prozent der Mittel erhalten darf. Die Autofahrer haben das deutsche Straßennetz über hohe Steuern bereits komplett bezahlt; das ist Fakt. Der Mangel besteht ja nicht bei den Einnahmen aus dem Straßenverkehr, sondern in der Verweigerung nötiger Ausgaben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das heißt, verkehrliche Abgaben müssen wieder in den Verkehr zurückfließen.

   Sie selbst gestehen in Ihrem Entwurf ein, dass - man höre - nur noch 90 Prozent des deutschen Autobahnnetzes „ohne Gebrauchswerteinschränkung“ nutzbar seien. 8 Prozent wiesen „Beeinträchtigungen“ auf und 2 Prozent seien „nur eingeschränkt befahrbar“. Bei den Bundesstraßen gelten nur noch 81 Prozent als unbeschränkt benutzbar. 15 Prozent seien in ihrer Funktion beeinträchtigt und 4 Prozent erheblich beeinträchtigt. Ähnliches gilt für die Ingenieurbauwerke. Hier sind rund 15 Prozent und damit mehr als 5 000 Bauwerke in einem kritischen Zustand; man muss sich das einmal vorstellen. Wenn Sie schon selbst dies alles beschreiben, dann sollten Sie daraus auch die notwendigen Schlüsse ziehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Die Sicherstellung der Mobilität ist eine der Schlüsselfragen für die Zukunft und den Erfolg unseres Landes. Dabei erfüllt der Verkehr keinen Selbstzweck, sondern ist ein wichtiger Faktor der Gesellschaft, der Wirtschaft und der Arbeitsmarktpolitik. Zur dauerhaften Sicherung einer umweltverträglichen Mobilität bedarf es dreierlei: einer gut ausgebauten Verkehrsinfrastruktur, einer optimalen Vernetzung aller Verkehrsträger und schließlich entsprechende Verkehrsträger übergreifender Informationssysteme. Genau da weist der Plan Defizite auf.

   Ich will Ihnen sechs Punkte nennen:

   Erstens. Nicht der zunehmende Infrastrukturbedarf, zum Beispiel durch die Osterweiterung der EU, bestimmt die Investitionen in die Infrastruktur, sondern die knappen Kassen des Bundesfinanzministers.

   Zweitens. Der überwiegende Anteil der im Finanzrahmen bis 2015 vorgesehenen Mittel entfällt - schauen Sie sich das einmal genau an! - auf laufende oder bereits fest eingeplante Verkehrswege. Anstatt den erforderlichen Umfang an Verkehrsinfrastruktur konkret aufzuführen und die künftige Finanzplanung danach auszurichten, wurden die Projektlisten auf die vorhandene unzureichende Finanzausstattung abgestimmt.

   Drittens. Nur durch unsere Hartnäckigkeit und unseren Verhandlungserfolg ist im Hinblick auf die Verkehrsinfrastruktur die Zweckbindung des Aufkommens aus der LKW-Maut - ich will dazu jetzt nichts mehr vertiefend sagen - erreicht worden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir werden ganz genau darauf achten, dass die Zusagen eingehalten werden. Das ist notwendig, damit die Befürchtungen, die der Kollege Horst Friedrich hier erläutert hat, nicht Wirklichkeit werden. Darum muss man genau darauf achten.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das steht alles im Gesetz!)

   Viertens. Der vordringliche Bedarf für Straßenbauprojekte muss deutlich erweitert werden.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer soll das bezahlen?)

Daran führt kein Weg vorbei. Ihre jetzige Abschneidegrenze bei einem Kosten-Nutzen-Koeffizienten von 5,2 Prozent ist gleich bedeutend mit einem Verzicht auf Wachstumsimpulse und auf die Lösung drängender Verkehrsprobleme in vielen Regionen Deutschlands. Hier muss etwas passieren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Steuererhöhungen! Welche Steuer wollen Sie erhöhen?)

   Fünftens. Die Planungsreserve im vordringlichen Bedarf ist auf mindestens 30 Prozent zu erhöhen. Dies ist notwendig, um einen unbürokratischen Austausch von Projekten während der Laufzeit des Bedarfsplanes zu gewährleisten. Das ist sinnvoll, da erfahrungsgemäß nicht alle Projekte des vordringlichen Bedarfs rechtzeitig zum Laufen gebracht werden. Die Anhebung der Planungsreserve eröffnet zusätzlichen Spielraum für den vordringlichen Bedarf.

(Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Wunsch und Wollen!)

   Sechstens. Herr Bundesminister, ich bin sehr dankbar, dass Sie das Thema private Infrastrukturfinanzierung erwähnt haben. Wie halten Sie es damit aber zukünftig? Es geht nicht nur um privates Kapital, sondern auch um privates Know-how. Wenn Ihnen die Bauindustrie vorhält, das Jahr 2003 sei für die private Infrastrukturfinanzierung ein verlorenes Jahr, sollte Ihnen das zu denken geben.

   Die Arbeitsmarktprobleme lassen sich ohne Bewältigung der Baukrise nicht lösen. Mich bedrückt, wie wenig öffentliche Betroffenheit die Lage am Bau auslöst. Ich meine nicht die Betroffenheit über den Zustand einer Branche, sondern über den Zustand eines Landes, in dem das Wegbrechen von Bauinvestitionen offensichtlich die Ursache eines spürbar sinkenden Lebensstandards ist. Ohne Bau - das sage ich Ihnen - kein Wachstum.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Es geht nicht um Subventionen. Ziel muss eine Politik sein, die Deutschland als Investitionsstandort versteht und entsprechend entwickelt. Ohne eine nachhaltige Wende in der Investitionspolitik kommen wir aus der gegenwärtigen Situation nicht heraus. Unser Ziel muss lauten: Investieren für Mobilität.

   Wir brauchen jeden Verkehrsträger. Schwerpunkt muss die Vernetzung der unterschiedlichen Verkehrsträger sein, gleich ob dies die Anbindung von Straße und Schiene an Flughäfen oder an Wasserstraßen und Häfen betrifft. Ich bedauere sehr, dass Sie auch in diesem Jahr noch kein Wasserstraßenausbaugesetz vorgelegt haben, das dem Binnenschifffahrtsgewerbe und der verladenden Wirtschaft die erforderliche Planungssicherheit gäbe, die bei den Verkehrsträgern Schiene und Straße bereits seit langem gegeben ist. Hier müssen Sie nacharbeiten.

   Ich bedauere ferner sehr, dass Sie nicht den Mut hatten, stärker als bisher Verantwortung für die bundesweite Rahmenplanung im Bereich der Flughäfen zu übernehmen. Auch das ist ein Thema, über das wir reden müssen. Wenn wir einen ernst zu nehmenden Bundesverkehrswegeplan wollen, müssen darin alle Verkehrsträger Berücksichtigung finden; sonst handelt es sich nur um einen Teil- oder Rumpfplan. Den Mut dazu hätten Sie aufbringen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Sind die Länder denn bereit, ihre Zuständigkeit abzugeben?)

- Immer wenn es hier unruhig wird, fühle ich mich in meinen Aussagen bestätigt. Denn Unruhe auf der linken Seite des Hauses bedeutet eigentlich stets, dass ich Recht habe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir brauchen eine klare Aussage zur Kapazitätsentwicklung der deutschen Flughäfen. Wir müssen in allen Bereichen Farbe bekennen. Beim Schwerpunkt Schiene sind wir uns in vielen Punkten einig. Wir müssen hier etwas Entscheidendes tun; denn mehr als 50 Prozent des Schienengüterverkehrs werden im internationalen Verkehr abgewickelt.

   Sie müssen noch nacharbeiten. Bis zu Ihrer Kabinettsentscheidung müssen Sie an diesem Bundesverkehrswegeplan noch viel arbeiten. Wir erwarten, dass Sie bei der Parlamentsentscheidung - Herr Bundesminister, Ihren Worten entnahm ich das - Flexibilität zeigen. Sie dürfen dann nicht sagen: Jetzt ist alles beschlossen; jetzt machen wir nichts mehr.

   Sie müssen dem Parlament Entscheidungsräume geben. Wir werden unsere Verantwortung für eine gemeinsame Verkehrsinfrastruktur wahrnehmen. Bis zur Kabinettsentscheidung sind Sie aber selber am Zug. Bessern Sie diesen Entwurf bis zur Kabinettsentscheidung in den wesentlichen Punkten nach!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Reinhard Weis.

Reinhard Weis (Stendal) (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die LKW-Maut kommt. Das ist die wichtigste Nachricht nach der Zitter- und Hängepartie, die viele Verkehrspolitiker in den letzten Wochen und Tagen durchlaufen haben.

(Beifall bei der SPD)

Es ist eine gute Nachricht, auch wenn manches an dem Kompromiss, für den der Vermittlungsausschuss gestern grünes Licht gegeben hat, mit Schönheitsfehlern versehen ist.

   Ich bin jedoch froh, dass nicht nur die Koalitionsfraktionen, sondern auch die Fraktion der CDU/CSU in einem gemeinsamen Antrag deutlich ihre Bereitschaft erklären, diese Schönheitsfehler in den nächsten Monaten zu korrigieren. Dazu gehört in erster Linie, dass wir unsere Zusage an das Transportgewerbe realisieren, einen substanziellen Harmonisierungsschritt in Verbindung mit der Mauteinführung zu sichern.

   Die Umsetzung dieser Zusage war leider in den letzten Monaten auf EU-Ebene ins Stocken geraten. Aber wir unterstützen die Bundesregierung nachdrücklich in dem Bemühen, diese Regelung so schnell es geht nachzuholen. Die versprochene Zusage wird realisiert; darauf kann sich das Transportgewerbe verlassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Mir ist auch bewusst, dass wir jetzt in einem ersten Schritt mit der abgesenkten Maut nur den zweitbesten Weg beschreiten; aber die nächsten Schritte sind vorgezeichnet. Mein Kollege Beckmeyer wird in seinem Beitrag darauf näher eingehen.

(Siegfried Scheffler (SPD): Der redet doch über Wasserstraßen!)

   Es hat um die LKW-Maut in den letzten Wochen viele Spekulationen gegeben. Die Gegner der Maut haben keine Gelegenheit ausgelassen, ein apokalyptisches Szenario zu beschwören. Manche haben gehofft, Widerstand über die EU mobilisieren zu können. Das alles ist nicht gelungen. Andere Mautgegner haben dann auf die Opposition und deren langen Arm im Bundesrat gesetzt und gehofft, dort würde die Maut doch noch zu Fall gebracht werden. Auch sie wurden eines Besseren belehrt. Letztlich hatten die Opposition und die B-Länder schon deutlich gemacht, dass auch ihnen bewusst ist, dass wir das neue Finanzierungsinstrument für Verkehrsinvestitionen benötigen.

(Hans-Günter Bruckmann (SPD): Späte Einsicht, aber sie war da!)

Das hohe Investitionsniveau wird nämlich dadurch gehalten werden. Das ist die Nachricht, die mit großer Erleichterung überall aufgenommen werden kann.

   Vor uns stehen jetzt die Beratungen über den Bundesverkehrswegeplan, mit dem in den Jahren bis 2015 das hohe Investitionsvolumen von 10 Milliarden Euro jährlich umgesetzt wird. Das ist Verkehrswegeplanung für das 21. Jahrhundert. Sie bedeutet Verlässlichkeit und Verstetigung der Investitionstätigkeit auf hohem und anspruchsvollem Niveau.

   Kollege Fischer, gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang eine Anmerkung zum Antrag der CDU/CSU-Fraktion. Sie üben Kritik daran, dass der Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen an Länder, Verbände und die Abgeordneten des Deutschen Bundestages einen Entwurf des Bundesverkehrswegeplanes geschickt hat, aber noch keinen richtigen Gesetzentwurf. Diese Kritik ist grotesk und kleinkariert. Freuen Sie sich doch darüber, dass der Bundesminister Ihnen und den Mitgliedern Ihrer Fraktion vollen Einblick in den Prozess gegeben hat,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

statt den Entwurf im stillen Kämmerlein hinter verschlossenen Türen zu beschließen und Ihnen dann den endgültigen Plan zu übersenden. Nie zuvor hat es bei der Erarbeitung eines Bundesverkehrswegeplanes eine solche Möglichkeit der Mitberatung für Länder und Verbände gegeben.

(Siegfried Scheffler (SPD): Und Transparenz! Da hat er Recht!)

   Die CDU/CSU-Fraktion hat wahrscheinlich damit gerechnet, dass die Bundesregierung bei der Aufstellung des Bundesverkehrswegeplanes in die alte Mauschelei verfällt, wie sie die vorige Regierung praktiziert hat.

(Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Das war doch nie anders! Das war immer so!)

Die CDU/CSU-Fraktion hat in einer unserer Ausschusssitzungen zu diesem Thema sogar unsere Offenheit, die wir in diesem Prozess an den Tag legen, als unparlamentarisches Verhalten bezeichnet. Man muss schon sehr bösartig sein, um so wie Sie zu reagieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Man kann es auch anders darstellen!)

   Ich möchte an dieser Stelle unserem Parlamentarischen Staatssekretär Achim Großmann ganz besonders für die Arbeit danken,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die er mit großer Umsicht, viel Fingerspitzengefühl und einem wunderbaren Gefühl für Ausgleich und faire Konsensfindung geleistet hat. Jeder weiß, wie schwierig es ist, wenn es um die Verteilung von Investitionsmitteln zwischen Ländern, Regionen und Kommunen geht. Achim Großmann hat die Ningelei, man habe die Abgeordneten zu früh informiert und mit einem Diskussionspapier quasi belästigt, wirklich nicht verdient. Ihre Fraktion ist tatsächlich die allererste, die ich kennen gelernt habe, die sich über zu viel Beteiligung an der Meinungsbildung beschwert.

(Beifall bei der SPD)

   Unser neues Paket zur Verkehrswegefinanzierung, das wir in dieser Woche auf den Weg bringen - LKW-Maut und Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft -, eröffnet uns neue Finanzierungsformen beim Bundesverkehrswegebau; der Minister hat es angesprochen. Wir werden künftig mehr Vorhaben in öffentlich-privaten Partnerschaften realisieren. In diesem Zusammenhang sind noch einige Fragen offen, auch steuerliche. Ich möchte an dieser Stelle unterstreichen, wie wichtig es meiner Fraktion ist, klare Rahmenbedingungen für Investoren zu schaffen, damit auch die Projekte, die wir mit dem Begriff „A-Modell“ bezeichnen, umgesetzt werden und darüber zusätzliches Kapital mobilisiert wird.

   Ein Wort zur Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern und in diesem Zusammenhang zu dem Gesetzentwurf zur Änderung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes. Trotz der weitgehend abgeschlossenen Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ besteht weiterhin ein großer Nachholbedarf in Ostdeutschland. Das ist in diesem Hause unstrittig. Die bisherigen Überlegungen zur Bundesverkehrswegeplanung tragen dem deutlich Rechnung. Ich erinnere daran, dass ohne Berücksichtigung der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ die Investitionsmittel für die neuen Bundesländer um 6 Prozent anwachsen.

   Der Bundesrat kommt mit seiner Initiative zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz aber zu einem unpassenden Zeitpunkt - auch weil im geltenden Gesetz das Verfahren zur eventuellen Fortschreibung des Gesetzes festgelegt ist. Deswegen ist die Bundesratsinitiative tatsächlich überflüssig. Bis Ende 2003 wird die Bundesregierung einen Bericht über die Erfahrungen mit dem Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz vorlegen. Die Länder sind nach dem geltenden Gesetz aufgefordert, bis zur Mitte dieses Jahres ihre Erfahrungen an den Bund zu übermitteln. Wir bekommen dann einen Bericht und werden als Gesetzgeber auf der Basis dieses Erfahrungsberichtes entscheiden müssen.

   Ich teile aber nicht - so viel möchte ich hier sagen - die pessimistische Grundhaltung, die in dem Gesetzentwurf des Bundesrates zum Ausdruck kommt. Sonderregelungen sind nur so lange gerechtfertigt, wie die Ausstattung der neuen Bundesländer mit Verkehrswegen deutlich hinterherhinkt. Das wird mit Sicherheit bis zum Jahre 2019 nicht mehr der Fall sein.

   Bei dieser Debatte geht es aber auch darum, die guten Erfahrungen, die mit diesem Gesetz und dem strafferen Verwaltungsverfahren bei der Genehmigung und der Realisierung von Verkehrsprojekten in den neuen Bundesländern gemacht wurden, bundesweit zu nutzen. Dazu möchte ich zum Abschluss meines heutigen Debattenbeitrages eine Überlegung an die Adresse der neuen, aber auch an die Adresse der alten Bundesländer in die Diskussion einbringen.

   Ein Instrument für die Durchsetzung schneller Abläufe und kostengünstiger Projektrealisierung war und ist die DEGES, die in privatrechtlicher Struktur als Dienstleister für die Länder hervorragende Arbeit geleistet hat.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der CDU/CSU)

- Sie hätte wirklich ein bisschen mehr Applaus aus dem ganzen Hause verdient. -

(Beifall bei der SPD)

In dieser Gesellschaft sind Kompetenz und Erfahrung versammelt. Die DEGES stellt zudem ein Angebot dar, öffentliche Verwaltungsstrukturen zu straffen, ohne dass die Gefahr besteht, Kapazitäten für die Planung und die Realisierung von Großprojekten zu verlieren.

   Dieses Angebot besteht noch. Sie wissen, dass die DEGES eine Einrichtung ist, die auf Zeit installiert wurde. Je näher wir dem Zeitpunkt kommen, an dem die Realisierung der Verkehrsprojekte „Deutsche Einheit“ ausläuft, desto näher kommen wir dem Zeitpunkt, an dem dieses Kompetenzzentrum abgewickelt werden muss. Ich bitte deshalb die Bundesregierung und auch die Bundesländer, die Überlegungen zur Verallgemeinerung der guten Erfahrungen mit der DEGES und das Projekt der Verwaltungsvereinfachung miteinander zu kombinieren. Hierin liegen nach meiner Überzeugung nicht nur Beschleunigungspotenziale, sondern auch Sparpotenziale für die Finanzminister.

   Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Schaffen dann die Länder ihre eigenen Verwaltungen ab? Das wäre die Konsequenz!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dirk Fischer.

Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen!

Der Bundesverkehrswegeplan ist ... zügig zu überarbeiten. Dies gilt für die zu aktualisierenden Verkehrs- und Preisprognosen, die Bewertungsmaßstäbe, die verkehrsträgerübergreifenden Integrationseffekte und für die Sicherstellung der Finanzierbarkeit einschließlich der Folgekosten.
(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Koalitionsvertrag 1998!)

So ist es in der rot-grünen Koalitionsvereinbarung vom 20. Oktober 1998 zu lesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sag ich doch! - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guter Koalitionsvertrag!)

   Ich muss feststellen, dass dieses Ziel aus dem Koalitionsvertrag, den die Koalition abgeschlossen hatte, in der letzten Legislaturperiode nicht umgesetzt worden ist.

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Guter Koalitionsvertrag! - Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Ein Vertrag für eine gute, solide Arbeit!)

Auch heute, gut viereinhalb Jahre später, hat das Parlament noch immer keinen neuen Bundesverkehrswegeplan und die dazugehörigen Ausbaugesetze für Straße und Schiene auf dem Tisch liegen.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber einen Entwurf gibt es!)

Es liegt lediglich ein erster Referentenentwurf ohne Gewähr auf Endgültigkeit oder Vollständigkeit vor.

(Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Bei Entwürfen ist das so!)

Es handelt sich nur um eine Beratungsunterlage, die noch mit den anderen Ressorts und den Bundesländern abgestimmt werden muss.

   Es war völlig unseriös, dieses unfertige und nicht verbindliche Arbeitspapier durch den Minister vor der Bundespressekonferenz bereits am 20. März einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)

Die Öffentlichkeit und das Parlament wollen etwas Verbindliches haben. Etwas ist erst dann verbindlich, wenn eine Kabinettssentscheidung dazu vorliegt. Rohentwürfe sind nicht verbindlich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): In einer Demokratie darf man mitbestimmen, Herr Kollege Fischer! Wussten Sie das schon?)

   Einen Tag früher als wir Abgeordneten und der zuständige Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen wurden bereits die Journalisten mit Informationen gefüttert. Es hat der besonderen Intervention des Ausschussvorsitzenden bedurft, dass sich die Regierung dazu bequemte, am 2. April dem Ausschuss Rede und Antwort zu stehen.

   Hütchenspieler gehen gelegentlich weniger trickreich zu Werke:

(Beifall bei der CDU/CSU)

Nur damit die Grünen daheim bei der Basis sagen können, dass der Investitionsbedarf für die Schiene größer ist als der für die Straße, hat die Koalition erstmalig und systemfremd die Nahverkehrsfinanzmittel aus GVFG und Regionalisierungsgesetz zum projektierten Finanzvolumen für den Bereich Schiene hinzugerechnet.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber nicht im Plan!)

Zufälligerweise hat man aber beim Straßenbau die GVFG-Mittel nicht zugerechnet. Sonst wäre dieses Spielchen nämlich nicht aufgegangen.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es sind ja auch Kommunal- und keine Bundesstraßen!)

   Wie man hört, will das Kabinett über den Bundesverkehrswegeplan offenbar vor der Sommerpause entscheiden, über die Ausbaugesetze aber erst im Herbst. Bisher ist beides dem Parlament immer zeitgleich zugeleitet worden. Wir können mit der Beratung erst dann beginnen, wenn wir die Ausbauänderungsgesetze für Straße und Schiene auf dem Tisch liegen haben; denn der Bundesverkehrswegeplan ist nur ein Bedarfsplan, den wir beraten und den wir zur Kenntnis nehmen. Entscheidend sind die Ausbauänderungsgesetze und - im Anhang - die Bedarfspläne.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wenn ich es richtig sehe, kann es hier im Hause erst Ende Oktober oder Anfang November losgehen; denn vorher findet noch die Sechs-Wochen-Runde im Bundesrat statt, bei der es jede Menge Stellungnahmen und dazu dann die Gegenäußerungen der Bundesregierung gibt. Wir können also davon ausgehen, dass das Parlament frühestens Ende 2003 mit diesen Dingen befasst wird.

   Meine Fraktion hat in der Ausschussberatung vom Ministerium die Liste mit den jeweiligen Kosten-Nutzen-Verhältnissen zu den Einzelprojekten und die Programmeinstufung verlangt. Dieses ist am 2. April vom Parlamentarischen Staatssekretär Großmann abgelehnt worden. Merkwürdig, dass man das, was uns als Parlament verweigert wird, schon längst auf den Internetseiten des BUND lesen kann. Auch auf der Internetseite des Bundesministeriums sind diese Angaben in der letzten Woche eingestellt worden.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Am 8. Mai! Wenn Sie zu blöd sind, das Internet anzuklicken, dann kann man Ihnen auch nicht helfen!)

   Ich halte also fest: Von allen, die zu informieren sind, wird das Parlament, der Deutsche Bundestag, am schlechtesten behandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sollen wir denn die Länder nicht beteiligen? - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Erst muss man planen und vorbereiten!)

Die Grünen, die früher immer besonders für die Rechte des Parlaments eingetreten sind, sollten sich zutiefst schämen.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der beleidigte Ochsenfrosch!)

Das ist eine unglaubliche Verletzung der parlamentarischen Rechte, die sich die Opposition nicht bieten lässt. Dagegen protestieren wir.

(Beifall bei der CDU/CSU - Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Das ist doch alles veröffentlicht! - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Man muss natürlich mit dem Internet umgehen können!)

   Meine Fraktion fordert die sofortige Vorlage eines endlich vom Kabinett beschlossenen Bundesverkehrswegeplanes und die gleichzeitige Vorlage der dazugehörigen Ausbauänderungsgesetze.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und die Landesregierungen werden ausgeschaltet, oder wie?)

Die rot-grüne Bundesregierung manifestiert mit ihrem Bundesverkehrswegeplan auf Planungsebene die dauerhafte Unterfinanzierung des Bundesfernstraßenbaus. Es ist also ein typisch rot-grüner Plan.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir hätten uns gewünscht, dass Sie jemals etwas so offen und transparent dargestellt hätten!)

Wenigstens haben wir eine Einigung über die streckenbezogene LKW-Maut auf dem Vermittlungswege hinbekommen. Das verfügbare Mautaufkommen wird zur Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur zweckgebunden und überwiegend für den Bundesfernstraßenbau verwendet. Für unser Transportgewerbe wird ein Harmonisierungsvolumen in Höhe von 600 Millionen Euro gewährleistet. Das ist das Doppelte von dem, was die Regierung ursprünglich wollte. Dieses Ergebnis ist bei Lichte besehen doch nur auf Druck der unionsgeführten Bundesländer und unserer Kollegen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zustande gekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Eduard Oswald (CDU/CSU): Ohne uns wäre gar nichts passiert!)

   Wir werden heute gemeinsam einen Antrag beschließen. Das Ergebnis der Verhandlungen entspricht aber wahrlich nicht dem ursprünglichen Willen des Ministers Stolpe, der Koalition oder der von Ihnen geführten Bundesländer. Es musste Ihnen mühsam in stundenlangen Verhandlungen abgerungen werden. Wir konnten erfolgreich verhindern, dass die Maut wiederum nur als ein Abkassierinstrument missbraucht

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie können gar nichts verhindern! Überschätzen Sie sich mal nicht!)

und damit zugleich die Nutzerfinanzierung bei den Bürgern völlig diskreditiert wird, nach dem Motto: Es wird nicht der Infrastruktur zugute kommen, sondern der Finanzminister greift zu. Daneben konnte verhindert werden, dass unser Transportgewerbe unzumutbar belastet wird und die versprochene Harmonisierung ausfällt.

   Herr Kollege Friedrich, an dieser Stelle hätte ich natürlich auch gerne die FDP erwähnt; denn jeder Kompromiss stellt ja nicht die eigene Traumlösung dar. Im Übrigen darf ich nicht ganz verschweigen, dass auf der A-Seite, auf der die Bundesregierung, die rot-grünen Landesregierungen usw. saßen, auch der FDP-Minister Bauckhage aus Rheinland-Pfalz verhandelt hat.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Ach ja!)

Er hat in den Verhandlungen über das, was wir erreichen wollten, kräftig gegengehalten, aber gelegentlich auch geholfen, hinterher Kompromissformulierungen anzubieten. Er trägt das Ergebnis jedoch mit.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, ja!)

Deswegen ist es für mich heute immer noch ganz unklar, wie die verbindliche Position der FDP in dieser Frage aussieht; denn Sie sind auf beiden Seiten vertreten.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass ich das noch erleben darf! Ich klatsche für die CDU/CSU Beifall!)

   Entscheidend wird jetzt sein, dass die Bundesregierung in Brüssel ein Mautermäßigungsverfahren bzw. Mineralölsteueranrechnungsverfahren durchsetzt. Frau de Palacio hat gesagt, dass sie erst im März von Herrn Stolpe erfahren hat, was Deutschland will. Alle Nachfragen von uns haben ergeben, dass man nur auf der Arbeitsebene mit Brüssel im Gespräch gewesen ist. Ich halte fest: Die Leitungsebene hat sich die ganze Zeit überhaupt nicht darum gekümmert. Weder ein Minister noch ein Staatssekretär ist nach Brüssel gereist und hat in einem Frühstadium gesagt, dass man das und das tun will. Ich halte das Vorgehen des Bundes in Bezug auf die Kommission und die Kommissarin für völlig dilettantisch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die zusätzlich gewonnenen Finanzierungsspielräume dürfen nicht durch gleichzeitige Kürzungen des regulären Verkehrshaushaltes gleich wieder beseitigt werden. Wenn das geschehen würde, wäre das ein schlimmer Vertrauensbruch gegenüber den Ländern.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist in den Verhandlungen doch deutlich gesagt worden!)

   Im Übrigen will ich an dieser Stelle nur ein Wort zu dem, was auch der Kollege Schmidt angesprochen hat, sagen, nämlich zum Aufsichtsrat der DB AG. Mit der Abberufung der Bahnvorstände Franz und Koch sind doch nur Bauernopfer gefallen. Eine vorzeitige Verlängerung des Vertrages mit Mehdorn halte ich zumindest für sehr voreilig. Herr Schmidt, Sie sollten sich den § 84 des Aktiengesetzes einmal genauer durchlesen - ich zitiere -:

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie zitieren können, sind Sie gut!)
Eine wiederholte Bestellung oder Verlängerung der Amtszeit, jeweils für höchstens fünf Jahre, ist zulässig. Sie bedarf eines erneuten Aufsichtsratsbeschlusses, der frühestens ein Jahr vor Ablauf der bisherigen Amtszeit

- Mitte Dezember 2003 also -

gefasst werden kann. Nur bei einer Bestellung auf weniger als fünf Jahre kann eine Verlängerung der Amtszeit ohne neuen Aufsichtsratsbeschluss vorgesehen werden, sofern dadurch die gesamte Amtszeit nicht mehr als fünf Jahre beträgt.
(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich weiß!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Fischer, Sie müssen zum Ende kommen.

Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):

Das heißt also: Mit dem, was Sie hier gesagt haben, befinden Sie sich offensichtlich nicht in Übereinstimmung mit dem Aktiengesetz.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch, aber hallo! Lesen Sie mal nach, was ich gesagt habe! Die Formulierung habe ich mir ganz genau überlegt!)

Minister Stolpe hat gesagt, Mehdorn habe sich beim Preissystem verkalkuliert. Deshalb frage ich mich, warum der Kapitän nicht die Verantwortung übernimmt, obwohl er das Schiff in die Kollision gefahren hat. Man kann dem Kapitän doch keine Gehaltserhöhung geben und zum Ausgleich zwei Matrosen über Bord schmeißen. Das geht nun wirklich nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Fischer, achten Sie bitte darauf, dass Sie die Redezeit bereits weit überschritten haben.

Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU):

Deswegen sage ich: Dieser Vorgang ist erklärungsbedürftig, und zwar umso mehr, als Mehdorn noch in den letzten Tagen gesagt hat, dass das System prima ist und dass der Einbruch ausschließlich konjunkturell bedingt ist. Das heißt, er hat es bis heute immer noch nicht begriffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Uwe Beckmeyer.

Uwe Beckmeyer (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lieber Dirk Fischer, das, was Sie hier vorgetragen haben, empfand ich ein wenig als ein absurdes Theater.

(Beifall bei der SPD - Widerspruch bei der CDU/CSU)

Die Wahrnehmung der Christlich Demokratischen Union hinsichtlich der Behandlung des Bundesverkehrswegeplans entspricht überhaupt nicht der Wahrheit. Ein so transparentes Verfahren, wie es diesmal vom Ministerium gewählt worden ist - rechtzeitige Einbindung der Kommunen und Länder, öffentliche Diskussion über die Möglichkeiten der Aufstellung, das In-das-Netz-Stellen -, hat es in der Bundesrepublik in dieser Form noch nie gegeben. Das muss man einmal festhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Das ist nichts Neues, was Sie erzählen!)

Sich darüber zu beschweren und anschließend dem deutschen Volk und dem Deutschen Bundestag klar machen zu wollen, dass das gegen die normale Regel ist, ist wirklich absurd. Absurder kann es nicht sein.

(Zuruf von der SPD: Verdrehung der Verhältnisse! - Siegfried Scheffler (SPD): Absurdes Theater!)

   Ich will an dieser Stelle aber gar nicht näher darauf eingehen, weil der Bundesverkehrswegeplan weiter mit den Ländern besprochen wird. Für Mitte dieses Jahres ist ein Kabinettsbeschluss angekündigt. Dieser Kabinettsbeschluss wird eine endgültige Fassung bekommen. Das ist richtig. Aber vor einem Kabinettsbeschluss gibt es Arbeitspapiere. Das war in der Vergangenheit so und ist auch in der Zukunft notwendig. Der hier zitierte Parlamentarische Staatssekretär Großmann hat in unserem Ausschuss angekündigt, dass Ende April/Anfang Mai die Daten ins Netz gestellt werden. Er hat sein Wort gehalten. Das wollen wir heute Mittag einmal feststellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will etwas zur Maut sagen, weil die Maut einer der entscheidenden Punkte ist, die der Deutsche Bundestag heute behandelt. Sie ist ein großer Erfolg für Deutschland, ein großer Erfolg der Bundesregierung, aber auch ein großer Erfolg des Bundesverkehrsministers. Man muss hier einmal zum Ausdruck bringen, dass wir dafür auch dem Minister persönlich für seinen Einsatz, den er in den letzten Monaten hierfür gezeigt hat, danken sollten. Der Erfolg gibt ihm letztendlich Recht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ohne uns wäre gar nichts los!)

   Wir haben große Widerstände auf allen Ebenen gehabt. Wir haben ein verdecktes Taktieren der EU zur Kenntnis nehmen müssen. Wir haben Geschrei aus Verbänden und Interessenvereinigungen zur Kenntnis genommen und teilweise die eine oder andere Frage klären können, die möglicherweise falsch interpretiert wurde. Es hat Mühe gekostet; aber am Ende ist das Ergebnis tragfähig.

   Bei manchen Diskussionsbeiträgen hat man allerdings den Eindruck gehabt, dass das berechtigte Anliegen von destruktivem Verhalten kaum noch zu unterscheiden war. Insofern muss ein Signal aus dem Deutschen Bundestag an die Öffentlichkeit und die Verbände hinausgehen, mit destruktivem Verhalten aufzuhören, sich mit dem Ergebnis zu beschäftigen und es anzunehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben einen Quantensprung erreicht. Was wir heute verabschieden, hat Modellcharakter für Europa. Es ist eine grundlegende Neuorientierung.

(Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Für die ganze Welt! Sie dürfen nicht untertreiben!)

Die Finanzierung durch die Nutzer, die wir zum ersten Mal jetzt in Deutschland auf den Weg bringen, ist etwas Besonderes. Ich habe die Diskussion in den letzten Wochen teilweise nicht verstehen können. Es wurde gesagt, das sei ein Weg, der nicht dazu beitrage, dass zusätzliche Finanzmittel bereitgestellt werden. Selbst die Deutsche Bank, die immer nach neuen Geschäften sucht und ruft, hat in der neuesten Veröffentlichung der „Deutsche Bank Research“ das Thema aufgegriffen und lässt sich über die Betreibermodelle für Verkehrsinfrastruktur aus. Sie lobt die Möglichkeiten der Finanzierung nach dem A- und F-Modell auch des Bundesverkehrswegeplans.

   Durch die Einführung der Maut werden wir zum ersten Mal in die Lage versetzt, die Chance der privaten Finanzierung in Deutschland zu nutzen. Das ist der größte Erfolg überhaupt, den wir in der Bundesrepublik mit der Diskussion über die Maut erreicht haben.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)

   Auf diese Art und Weise können wir privates Kapital für Autobahn- und Fernstraßenprojekte in Deutschland einsetzen und die Banken machen mit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Nehmen Sie zur Kenntnis, dass das Gesetz schon seit 1994 besteht!)

Insofern habe ich die Hoffnung, dass wir nicht nur durch die Mauteinnahmen und die Haushaltsansätze für Verkehr, sondern auch durch zusätzliches privates Engagement im Bundesfernstraßenbereich zukünftig die möglichen Engpässe in der Verkehrsinfrastruktur beseitigen können.

Ich glaube, das ist richtig und wichtig.

   Insoweit haben Sie trotz Gegenwind Kurs gehalten, Herr Minister. Ich denke, wir sind jetzt ein gutes Stück vorangekommen.

   Ich komme zur FDP. Was kann man dazu sagen?

(Siegfried Scheffler (SPD): Da fällt einem nichts ein! - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Nur Gutes!)

Der Kollege Fischer hat es schon versucht. Die FDP stand in den Verhandlungen auf beiden Seiten.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das soll es geben!)

Dieser Spagat war dadurch bedingt, dass es solche und solche Koalitionen gibt.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das ist ja wie bei euch!)

Gleichwohl meine ich, dass man nach dieser ganzen Diskussion nicht einfach einen Gang zurückschalten und sich enthalten kann. Was Sie hier veranstalten, ist eine Politik der weißen Füße, lieber Herr Friedrich. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Sie damit beim Gewerbe auch nur ein Stückchen Glaubwürdigkeit gewinnen, wenn Sie nach Ihrer Haltung und nach der Rolle gefragt werden, die Sie dabei gespielt haben.

(Beifall bei der SPD und beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das dürfen Sie schon meine Sorge sein lassen, Herr Kollege Beckmeyer!)

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe die Hoffnung, dass wir mit den Vorhaben, die jetzt verabschiedet werden, Engpassfaktoren in der deutschen Verkehrsinfrastruktur beseitigen können. Denn die Beseitigung von Engpassfaktoren trägt auch dazu bei, die wirtschaftliche Entwicklung in der Bundesrepublik nach vorne zu bringen.

   Ich habe auch die Hoffnung, dass dabei die Systemvorteile, die der Lastkraftwagen auf deutschen Autobahnen und Fernstraßen zugegebenermaßen auch in Zukunft aufweisen wird, genutzt werden können. Denn die Systemeigenschaften Flexibilität und Schnelligkeit dürfen nicht ausgeblendet werden. Wir müssen sie berücksichtigen, ohne dass dabei andere konzeptionelle verkehrspolitische Fragen vernachlässigt werden.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms)

   Weil meine Redezeit zu Ende geht, will ich an dieser Stelle nur noch eines anmerken. Im Road Pricing liegt für uns die Chance zur Mobilisierung von privatem Kapital für Infrastrukturmaßnahmen. Ich glaube, wir haben mit den Nutzerentgelten alle Vorteile in der Hand, diese Chance jetzt auszuspielen.

   Wir haben bereits ein gutes Stück des Weges hinter uns gebracht, den wir heute zu Ende gehen. Ich habe die Hoffnung, dass sich das Haus - vielleicht bis auf die freidemokratische Partei - in großer Geschlossenheit entschließen wird, das Ergebnis des Vermittlungsausschusses zu akzeptieren. Ich glaube, dabei handelt es sich um ein gutes Ergebnis für Deutschland.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Dr. Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Der Entwurf des Bundesverkehrswegeplans entspricht beileibe nicht den von der rot-grünen Bundesregierung angekündigten Zusagen. Versprochen war, alle Vorhaben und Projekte wirtschaftlich und ökologisch zu überprüfen, bevor sie Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans werden.

   Umweltbelastungsabschätzungen von Einzelmaßnahmen sind jedoch nicht erfolgt. Auch wird die von der Bundesregierung eingegangene Verpflichtung zur Senkung des Kohlendioxidausstoßes nicht erreicht. Im Gegenteil: Die Bundesregierung geht von einem Wachstum der CO2-Belastung von 11 Prozent bis zum Jahr 2015 aus.

   Durch technologische Verbesserungen der Motorenantriebstechnik hatten Sie gehofft, eine Senkung der Klimaschädigungen durch den Verkehr zu erreichen. Aber das enorme Wachstum der Gesamtverkehrsleistung hebt diese Effekte wieder auf. Die Belastung - das werden wir erleben - wird noch zunehmen.

   Wir finden, man muss andere Schwerpunkte setzen. Wir brauchen Lösungen, die zur Optimierung vorhandener Verkehrswege führen. Die ökologischen Belastungen durch den Verkehr müssen reduziert werden.

Meine Damen und Herren, schauen Sie in Ihren Plan: Die Straßenbauinvestitionen werden nach dem Entwurf bis 2015 auf dem Rekordniveau von 5,3 Milliarden Euro gehalten. Die Schieneninvestitionen stagnieren dagegen auf dem 2003 erreichten Stand von 4,3 Milliarden Euro. Zusammengerechnet werden bis zum Jahr 2015 knapp 14 Milliarden Euro mehr für die Straße als für die Schiene ausgegeben. Damit wird das Ungleichgewicht zwischen Schiene und Straße weiter fortgeschrieben. Es sind weder genügend Mittel für den Erhalt der Schieneninfrastruktur noch für ihren Ausbau eingeplant. Außerdem fehlen neue Ideen für Lösungen, die zu einer wirklichen Verkehrsreduktion führen könnten.

(Siegfried Scheffler (SPD): Mehr auf die Wasserstraßen verlagern!)

Die Prioritätensetzung im Bundesverkehrswegeplan - das hat der Kollege Oswald schon angesprochen - konzentriert sich kaum auf die wichtigen Schienenprojekte, die mit der EU-Osterweiterung verbunden sind. Die Chance, die europäischen Schienenwege nach Osteuropa zu entwickeln, muss - so finden wir, die PDS - offensiv ergriffen werden. Wir brauchen leistungsfähige Schienenstrecken von Berlin nach Polen und in die baltischen Republiken oder von Dresden nach Prag. Das ist vordringlich und muss Priorität haben.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Zu dem Zuruf „Wasserstraßen“ kann ich Ihnen, verehrter Kollege, Folgendes sagen: Beim Wasserstraßenausbau bin ich beeindruckt, wie völlig unbeeindruckt von den aktuellen Entwicklungen an Projekten festgehalten wird, die sich überlebt haben. Ich nenne nur das Verkehrsprojekt Havelausbau als Beispiel, das ungeprüft in den Bundesverkehrswegeplan übernommen wurde. Sie halten also an der völlig unsinnigen und fatalen Idee fest, die Flüsse den Schiffen anzupassen, anstatt es umgekehrt zu machen. Dabei liegen uns doch aktuelle Prognosen über den Rückgang des Binnenschiffverkehrs vor. Außerdem sind wir alle angesichts der Flutkatastrophe im vergangenen Jahr zu dem Schluss gekommen - bei einigen ist das augenscheinlich schon wieder in Vergessenheit geraten -, dass man die Ausbaupläne für die Binnenwasserstraßen nicht ungeprüft fortführen kann.

(Siegfried Scheffler (SPD): Das ist doch Blödsinn: ungeprüft! Das wird doch geprüft!)

   Haben Sie das alles vergessen? Das, was Sie vorhaben, ist nicht nur ökologisch bedenklich, sondern auch finanzpolitisch unhaltbar.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Stimmt! Da hat sie Recht!)

   Da es sich um einen Entwurf handelt, haben wir noch die Chance, den Bundesverkehrswegeplan zu überarbeiten. Dafür möchte ich Ihnen aus Sicht der PDS einige Punkte nennen. Vorrang müssen aus unserer Sicht die Instandhaltung und die Instandsetzung vorhandener Bahn-, Straßen-, aber auch der Wasserstraßennetze haben.

(Siegfried Scheffler (SPD): Richtig! Mehr wird gar nicht gemacht!)

   Wir brauchen integrierte Verkehrskonzepte auf regionaler Ebene und vor allen Dingen Wettbewerbsbedingungen, durch die die Schiene nicht benachteiligt, sondern bevorzugt wird. Es gibt aber auch Dinge, auf die man verzichten kann. Die Transrapidprojekte in Bayern und Nordrhein-Westfalen sind unserer Meinung nach nicht gerade zukunftsweisend.

(Siegfried Scheffler (SPD): Das ist nicht Bestandteil des Bundesverkehrswegeplans! Das ist kein Bundesprojekt, das ist ein Landesprojekt! Das müssen Sie doch wissen!)

- Regen Sie sich doch bitte nicht so auf! Wir diskutieren lediglich über verschiedene Anträge zur Verkehrspolitik.

(Eduard Oswald (CDU/CSU) (zu SPD gewandt): Das kommt davon, wenn man sich mit denen einlässt!)

   Wir brauchen - davon ist überhaupt noch nicht gesprochen worden - zielgerichtete Investitionen zur Umsetzung eines nationalen Radwegeverkehrsplanes.

(Siegfried Scheffler (SPD): Wir haben einen! - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): „Umsetzung“ hat sie gesagt!)

Wir müssen die vorhandene Infrastruktur besser ausnutzen. Wir brauchen des Weiteren Maßnahmen zur Senkung des Verkehrsaufwands und der Verkehrsbelastung sowie - darüber ist heute schon ausführlich gesprochen worden - mehr Kundenorientierung. Wenn Sie sich an diesen Forderungen orientieren, Herr Minister Stolpe, dann werden wir Sie trotz aller Aufregung in Ihrer Fraktion unterstützen, und zwar nicht nur im Bund, sondern auch in den Ländern.

(Eduard Oswald (CDU/CSU): Hoffentlich kommt es nicht so weit!)

   Danke schön.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) und des Abg. Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN -Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es war doch alles richtig, was sie gesagt hat!))

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Minister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur des Freistaates Thüringen, Herr Schuster.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Franz Schuster, Minister (Thüringen):

Herr Präsident! Verehrte Damen und Herren Abgeordnete! Als Beauftragter des Bundesrates möchte ich die Gesetzesinitiative zur Verlängerung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes begründen und den Nachweis führen, dass diese weder voreilig noch überflüssig ist. Dieses Gesetz zählt zu den Regelungen, die sich in den neuen Ländern besonders bewährt haben.

(Siegfried Scheffler (SPD): Da hat er Recht!)

Seinen Erfolg verdankt es seiner Beschleunigungswirkung, zu der insbesondere folgende Bestimmungen beigetragen haben: erstens strenge Fristen für Behörden, zweitens vereinfachte Verfahren der Enteignung bei ungeklärten Eigentumsverhältnissen und drittens Beschränkung der gerichtlichen Überprüfung von Planungsbeschlüssen auf das Bundesverwaltungsgericht. Es hat sich gezeigt, dass trotz der erheblichen Verkürzung der Genehmigungsverfahren der Rechtsschutz der Betroffenen nicht eingeschränkt wird, insbesondere wenn im Rahmen der Planungsverfahren die Bürgerinteressen und die Umweltbelange so berücksichtigt werden, wie dies bei uns der Fall ist. Dies wird im Übrigen auch von den Gerichten bestätigt.

(Reinhard Weis (Stendal) (SPD): Das bestätigen auch wir!)

Die getroffenen Planungsentscheidungen haben einer gerichtlichen Überprüfung nahezu ausnahmslos standgehalten.

   Dieses Gesetz hat entscheidend dazu beigetragen, dass beim Neu- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in den neuen Ländern beachtliche Ergebnisse erzielt wurden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie des Abg. Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU))

So wurden allein in Thüringen im Geltungsbereich des Gesetzes in nur elf Jahren über 350 Planungsverfahren durchgeführt. Beispielsweise wurden 220 Kilometer Autobahn aus- bzw. neu gebaut. Außerdem wurde für die ICE-Trasse Nürnberg-Erfurt-Halle/Leipzig durchgängig Baurecht geschaffen.

   Im Rahmen der Planfeststellungsverfahren wurden die Belange des Natur- und Umweltschutzes in vielfältiger Weise berücksichtigt. Im Zuge der Baumaßnahmen wurden zahlreiche ökologische Altlasten beseitigt. Um die planungsbedingten Belastungen für die umliegenden Städte und Gemeinden gering zu halten, wurden Logistikkonzepte entwickelt und realisiert, die das Baugeschehen auf den vorgesehenen Trassen abwickeln. Berücksichtigt wurden auch die Belange der Land- und Forstwirtschaft. Weiterhin wurden in großem Umfang so genannte Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen durchgeführt, die die baubedingten Einschnitte in Natur und Landschaft geheilt haben.

   Wir haben vor jedes Planfeststellungsverfahren ein Raumordnungsverfahren gestellt, um die bürgerschaftlichen Belange in den Planungsprozess frühzeitig einzubeziehen. Die Praxis zeigt, dass durch eine frühzeitige breite öffentliche Diskussion über die Straßenbauvorhaben und über die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsuntersuchungen sinnvolle Lösungen gefunden und damit Akzeptanz geschaffen werden konnten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

   Weder die Länge eines Genehmigungsverfahrens noch die Anzahl der Einspruchsmöglichkeiten sind entscheidend, sondern die Tiefe der fachlichen Durchdringung und die Breite der öffentlichen Auseinandersetzung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Der im Entwurf vorliegende Bundesverkehrswegeplan beweist, dass in den neuen Ländern weiterhin ein großer Bedarf besteht, die Verkehrsinfrastruktur auszubauen. Das ist allseits bekannt.

   Für die zügige Verwirklichung dieser Projekte ist die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes von sehr großer Bedeutung. Gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation dürfen Wachstum und Entwicklung nicht behindert werden; sie müssen vielmehr gefördert und unterstützt werden, auch in den neuen Ländern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP - Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das tun wir doch alles!)

   Durch eine Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes könnten dem Aufbau Ost auch in den kommenden Jahren nachhaltige Impulse gegeben werden. Nur so lässt sich eine weitere Angleichung der Lebensverhältnisse in Ost und West erreichen. Nur wenn diese Angleichung gelingt, können die neuen Länder ihren Beitrag zur Stabilisierung des Wirtschaftsstandortes Deutschland leisten.

   In dieselbe Richtung zielt auch die Gesetzesinitiative des Bundesrates zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes. Unserer Erfahrung nach werden die neuen Länder bis 2019 brauchen, um die Planungsverfahren bei allen wichtigen Verkehrsprojekten einzuleiten. Eine Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes ist deshalb bis zum 31. Dezember 2019 notwendig. Ich möchte Sie daher bitten, diese Initiative des Bundesrates zu unterstützen und das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz bis Ende 2019 zu verlängern. Damit decken wir die Geltungsdauer des Solidarpakts II ab.

   In der gegenwärtigen Situation der neuen Länder wäre eine solche Verlängerung ein wichtiges Signal. Der Auf- und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur könnte beschleunigt fortgesetzt werden und notwendige Impulse für Wachstum und Beschäftigung geben. Es würde weiter zusammenwachsen, was zusammengehört.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Als letzte Rednerin zu diesem Tagesordnungspunkt hat die Kollegin Karin Rehbock-Zureich das Wort.

(Uwe Karl Beckmeyer (SPD): Das letzte Wort hat immer die Frau!)

Karin Rehbock-Zureich (SPD):

Genau! Das letzte Wort hat die Frau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem heutigen Tag, mit der Einführung der LKW-Maut, findet ein Paradigmenwechsel in der Verkehrspolitik statt. Das bedeutet auch den Einstieg in eine integrierte Verkehrspolitik. Das bedeutet auch mehr Wettbewerb unter den Verkehrsträgern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben heute schon viel über die Bahn und das Preissystem der Bahn gehört. Eines ist ganz klar - ich möchte das hier noch einmal aufgreifen -: Mit der Bahnreform - das ist ein wesentliches Merkmal - hat die Trennung zwischen der unternehmerischen Aufgabe und der staatlichen Aufgabe stattgefunden. Die DB AG hat die Pflicht, ihre unternehmerischen Aufgaben wahrzunehmen und sich auch als Dienstleister im Sinne der Kunden zu begreifen. Bei der Diskussion um die Preisgestaltung ist ganz deutlich geworden, dass der Kunde gesprochen hat und dass es darauf ankommen wird, im Fernverkehr solche Ergebnisse zu erzielen, wie wir als Gesetzgeber uns das vorstellen: mehr Verkehr, sowohl Personen- als auch Güterverkehr, auf der Schiene.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir natürlich gewünscht, dass in dieser Diskussion um ein neues Preissystem die DB AG schon im Vorfeld die Kritikpunkte aufgenommen hätte, um die Situation, wie wir sie heute haben, zu vermeiden.

   Aufgabe der Politik, unsere Zuständigkeit, ist es, die Schiene als Bestandteil eines integrierten Verkehrssystems voranzubringen, das heißt als Erstes, die Investitionsmittel für die Schiene auf hohem Niveau zu halten. Dass Schiene und Straße endlich auf gleicher Augenhöhe sind, was die Investitionsmittel angeht, auch im neuen Bundesverkehrswegeplan, haben wir geschafft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben auch die Aufgabe, zusätzlich zu überlegen: Wie befördern wir mehr Güter auf die Schiene? Wir haben uns entschlossen, ein Förderprogramm für Gleisanschlüsse auf den Weg zu bringen.

(Albert Schmidt (Ingolstadt) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut! - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Nachdem sie die Bahn abgebaut hat, bauen wir sie jetzt mit Steuergeldern wieder auf! Das ist sinnvoll!)

Zum Wettbewerb auf der Schiene. Ich gehe jetzt auf den Antrag ein, den die FDP vorgelegt hat und nach dem eine Kommission gebildet werden soll, um den Wettbewerb im Güterverkehr voranzubringen. Wir haben mit der Gründung einer Taskforce dazu beigetragen, dass die ersten Schritte zur Weiterentwicklung des Allgemeinen Eisenbahngesetzes gegangen werden. Die Ergebnisse der Taskforce werden noch in diesem Jahr in das Allgemeine Eisenbahngesetz eingearbeitet werden, sodass der Wettbewerb auf der Schiene gewährleistet sein wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn wir uns den Wettbewerb genauer anschauen, so müssen wir feststellen: Die Hauptwettbewerber der Schiene sind das Auto und die Billigflieger. Ich sehe eine zukünftige Aufgabe für uns darin, die steuerliche Bevorzugung des Flugverkehrs zu beseitigen. Wir alle wissen, dass das schwierig sein wird. Das schaffen wir nur europaweit. Wir haben aber schon erste Schritte unternommen, um die Wettbewerber im Gesamtsystem auf gleiche Augenhöhe zu bekommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Bahnreform ist ohne Alternative. Die FDP schlägt vor - der Antrag ist allerdings schon etwas älter -, eine Kommission einzurichten. Wir haben das aber längst aufgenommen. Die Taskforce hat Festlegungen getroffen, sodass in Zukunft Transparenz und Wettbewerb gewährleistet sein werden,

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Er geht weit über die Taskforce hinaus, Frau Kollegin!)

indem nämlich DB Netz eigenständig, ohne Einfluss der Holding, Trassenpreise festsetzt und Trassen vergibt.

(Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Das sind alles Märchen!)

Eine unabhängige Trassenagentur wird gegründet, die beim Eisenbahn-Bundesamt

(Dirk Fischer (Hamburg) (CDU/CSU): Wenn, dann ist das nur ein Teilaspekt!)

eingerichtet wird, um die gerechte Vergabe von Trassen zu gewährleisten, sodass wir auch beim Verkehrsträger Schiene eine Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen zustande bringen. Dies bedeutet, für alle, die den Verkehrsträger Schiene nutzen, eröffnen wir die Möglichkeit, diskriminierungsfreien Zugang zu erhalten. Wir wissen, dass dies in der Vergangenheit nicht so war. Auch deswegen richten wir diese Trassenagentur ein.

   Uns Parlamentariern kommt selbstverständlich die Aufgabe und die Pflicht zu, hier genau darauf zu schauen, wie sich der Verkehr auf der Schiene weiter entwickelt und ob der Wettbewerb durch diese Maßnahmen gewährleistet ist. Wenn nicht, so haben wir alle die Aufgabe - das sehen wir auch als eine Verpflichtung für uns Parlamentarier an -, die Bahnreform weiterzuentwickeln.

   Ich rufe Sie auf: Lassen Sie uns den nächsten Schritt tun, indem wir die dritte Änderung des AEG für mehr Wettbewerb auf der Schiene gemeinsam zustande bringen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Horst Friedrich (Bayreuth) (FDP): Legen Sie dann doch endlich etwas vor!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/928, 15/777, 15/66 und 15/926 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Zusatzpunkt 3: Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/Die Grünen mit dem Titel „Mauteinführung in Deutschland am 31. August 2003 und Harmonisierung der Wettbewerbsbedingungen“. Wer stimmt für diesen Antrag auf Drucksache 15/1023? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Damit ist der Antrag mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen.

   Ich rufe den Zusatzpunkt 4 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Errichtung einer Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaft zur Finanzierung von Bundesverkehrswegen (Verkehrsinfrastrukturfinanzierungsgesellschaftsgesetz - VIFGG)

- Drucksachen 15/199, 15/416, 15/863, 15/998 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Ludwig Stiegler

   Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? - Das ist nicht der Fall. Wir kommen dann gleich zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/998? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP-Fraktion angenommen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 12 a bis 12 e sowie Zusatzpunkt 5 auf:

12. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 4. Juli 2001 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Rumänien zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

- Drucksache 15/880 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 22. April 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Demokratischen Volksrepublik Algerien andererseits

- Drucksache 15/884 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europa-Mittelmeer-Abkommen vom 17. Juni 2002 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Libanesischen Republik andererseits

- Drucksache 15/885 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

d) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Fortsetzung der deutschen Beteiligung an der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo zur Gewährleistung eines sicheren Umfeldes für die Flüchtlingsrückkehr und zur militärischen Absicherung der Friedensregelung für das Kosovo auf der Grundlage der Resolution 1244 (1999) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 1999 und des Militärisch-Technischen Abkommens zwischen der Internationalen Sicherheitspräsenz (KFOR) und den Regierungen der Bundesrepublik Jugoslawien und der Republik Serbien vom 9. Juni 1999

- Drucksache 15/1013 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Rechtsausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Rainer Funke, Ina Lenke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Sorgerecht für nichteheliche Kinder vor In-Kraft-Treten der Kindschaftsrechtsreform regeln

- Drucksache 15/757 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

ZP 5 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung von Zuständigkeiten im Gentechnikrecht

- Drucksache 15/996 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung

   Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 46. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 23. Mai 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15046
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