Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > INFORMATIONS-CENTER > Plenarprotokolle > Vorläufige Plenarprotokolle >
15. Wahlperiode
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

   58. Sitzung

   Berlin, Dienstag, den 09. September 2003

   Beginn: 10.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich begrüße Sie sehr herzlich zur Wiederaufnahme der Parlamentsarbeit nach der Sommerpause. Auf uns warten intensive Arbeit und sicherlich heftige Diskussionen. Ich wünsche mir für uns, dass trotz aller Kontroversen Ergebnisse erzielt werden, die die gesellschaftliche Situation in Deutschland verbessern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gratuliere ich zunächst dem Kollegen Dr. Wolfgang Bötsch im Namen des Hauses herzlich zu seinem gestrigen 65. Geburtstag.

(Beifall)

   Ebenso herzlich gratuliere ich der Kollegin Erika Lotz und dem Kollegen Peter Dreßen zu ihrem heutigen 60. Geburtstag.

(Beifall)

   Die besten Wünsche nachträglich gehen auch an die Kolleginnen Erika Steinbach und Dr. Herta Däubler-Gmelin, die während der Sommerpause ebenfalls ihren 60. Geburtstag feiern konnten.

(Beifall)

   Wir kommen nun zur heutigen Tagesordnung. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die Beratung des Einzelplans 15 - Gesundheit und Soziale Sicherung - heute erfolgen. Der Einzelplan 10 - Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft - soll bereits heute als letzter Tagesordnungspunkt, der Einzelplan 07 - Justiz - in Verbindung mit Einzelplan 19 - Bundesverfassungsgericht - soll erst am Donnerstag als letzter Tagesordnungspunkt beraten werden.

   Die Tagesordnung soll außerdem um die in einer Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte erweitert werden:

1 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Soforthilfegesetzes für die Gemeinden (SofortHiG)

- Drucksache 15/1470 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gemäß
§ 96 GO

2 Weitere Überweisung im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 3)

Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Baumann, Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Unterstützung für ehemalige politische Häftlinge umgehend sicherstellen

- Drucksache 15/1524 - (v. 08. September 2003)

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

3 Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 4.)

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 5. November 2002 zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern

- Drucksache 15/1188 -

(Erste Beratung 53. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- Drucksache 15/1401 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Lydia Westrich
Leo Dautzenberg

4 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG)

- Drucksache 15/1525 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

5 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einordnung des Sozialhilferechts in das Sozialgesetzbuch

- Drucksache 15/1514 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Zukunft gestalten statt Krankheit verwalten

- Drucksache 15/1526 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

   Von der Frist für den Beginn der Beratungen soll - soweit erforderlich - abgewichen werden.

   Interfraktionell ist darüber hinaus Folgendes vereinbart worden: Die Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung zur Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung - Drucksachen 15/800 und 15/1071 - sowie die dazu vorliegende Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung auf Drucksache 15/1203 sollen an den Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung zurücküberwiesen werden. In gleicher Weise soll mit dem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und FDP zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung - Drucksache 15/542 - und einem Antrag der CDU/CSU-Fraktion zum Beitragssatzsicherungsgesetz auf Drucksache 15/652 (neu) sowie der dazu vorliegenden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung - Drucksache 15/1202 - verfahren werden. Erneute Mitberatungen anderer Ausschüsse sind nicht vorgesehen.

   Weiterhin mache ich auf nachträgliche Überweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

   Die in der 48. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Unterrichtung soll zusätzlich dem Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen zur Mitberatung überwiesen werden.

Unterrichtung durch die Bundesregierung

Zweiunddreißigster Rahmenplan der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ für den Zeitraum 2003 bis 2006

- Drucksache 15/861 -

überwiesen:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

   Der in der 56. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO überwiesen werden.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Förderung der Steuerehrlichkeit

- Drucksache 15/1309 -

   überwiesen:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Der in der 56. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft zur Mitberatung überwiesen werden.

Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN zur Änderung des Tabaksteuergesetzes und anderer Verbrauchsteuergesetze

- Drucksache 15/1313 -

   überwiesen:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO
Die in der 56. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesenen nachfolgenden Anträge sollen zusätzlich dem Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Reinhold Hemker, Karin Kortmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Hans-Christian Ströbele, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Unterstützung von Landreformen zur Bekämpfung der Armut und der Hungerkrise im südlichen Afrika

- Drucksache 15/1307 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

Antrag der Abgeordneten Reinhold Hemker, Sören Bartol,
Dr. Herta Däubler-Gmelin, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Thilo Hoppe, Volker Beck (Köln), Katrin Dagmar Göring-Eckardt, Krista Sager und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Verbesserung der Welternährungssituation und Verwirklichung des Rechts auf Nahrung

- Drucksache 15/1316 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

   Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich sehe, es gibt eine Wortmeldung zur Geschäftsordnung. Frau Dr. Lötzsch, bitte schön.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Hiermit beantrage ich im Namen meiner Kollegin Petra Pau und im eigenen Namen, die Zusatzpunkte 4 und 6 nicht auf die Tagesordnung zu setzen.

   Das Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung - Drucksache 15/1525 - ist gestern um 20.50 Uhr in mein Fach gelegt worden. Dieses Gesetz soll nun heute beraten werden. Es umfasst, wie Sie alle wissen, 472 Seiten. Ich gebe ehrlich zu: Ich habe es nicht geschafft, heute Nacht das Gesetz zu lesen und außerdem noch Expertinnen und Experten zu konsultieren.

   Nun werden Sie sagen: Das ist doch die erste Lesung. - Aber Ihr Fahrplan ist bekanntermaßen sehr eng. Am 26. September soll das Gesetz bereits durch den Bundesrat gebracht werden. Ich denke, Sie werden mir zustimmen: Eine ordentliche Diskussion ist so nicht möglich.

   Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich würde gern einmal eine Blitzumfrage bei Ihnen machen, wer den Gesetzestext wirklich vollständig gelesen und ihn vielleicht auch mit vorhergehenden Entwürfen verglichen hat. Ich glaube, es wäre eine solide Minderheit.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Aber solide!)

   Wir beantragen, die Zusatzpunkte 4 und 6 nicht auf die Tagesordnung zu setzen, weil wir darin eine Entmachtung des gewählten Parlaments sehen. Es darf nicht sein, dass Experten und Kungelrunden der Parteiführungen das Parlament ersetzen. Wenn Sie in Ihre Wahlkreise kommen, können Sie nicht Herrn Rürup oder den Fraktionsvorsitzenden mitnehmen. Er wird Ihnen nicht die Arbeit abnehmen, es Ihren Wählerinnen und Wählern zu erklären. Ich glaube, sie würden diesen Experten, Herrn Rürup, auch nicht verstehen.

   Wir beantragen, die Zusatzpunkte 4 und 6 nicht aufzusetzen, weil es hier nicht um irgendein Gesetz geht, sondern um den radikalen Umbau des Gesundheitssystems. Grundpfeiler dieses Systems werden mit diesem Gesetz infrage gestellt. Ich nenne nur ein einziges Beispiel: die paritätische Finanzierung des Gesundheitssystems durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer.

   Ich bitte Sie, meine Damen und Herren, meine lieben Kolleginnen und Kollegen: Nehmen Sie sich selbst ernst und setzen Sie das Gesetz nicht auf die heutige Tagesordnung!

   Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Zur Gegenrede Kollege Schmidt.

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Antrag der Kollegin Lötzsch geht ins Leere.

   Erstens hat sie wie alle anderen Mitglieder des Hauses die Unterlagen in der vorigen Woche zugestellt bekommen. Das ist übrigens nachweisbar. Auch das ist zwar relativ kurzfristig, aber ein ganz anderer Zeithorizont als der, den Sie gerade geschildert haben. Woran es liegt, dass Sie diesen Gesetzentwurf erst gestern Abend persönlich in die Hand bekommen haben, müssen Sie bei sich und Ihren Informationsströmen untersuchen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wohl wahr!)

   Zweitens mache ich im Namen aller Fraktionen des Hauses darauf aufmerksam, dass wir uns diesem Komplex der Gesundheitsreform nicht erst seit den vergangenen Tagen und Wochen widmen. Vielmehr haben wir uns schon vor der Sommerpause nach Einbringung des Gesetzentwurfs der Koalition mit diesem Thema auseinander gesetzt. Ganz frisch ist die Materie also jedenfalls nicht.

   Drittens haben wir gerade auch vor dem Hintergrund der Notwendigkeit sehr intensiver Beratungen den Termin für die zweite und die dritte Beratung vom 23. auf den 26. September verlegt. Dadurch eröffnen wir uns zusätzliche Möglichkeiten, uns in den zuständigen Ausschüssen mit dem Gesetzentwurf auseinander zu setzen.

   Schließlich will ich auch darauf hinweisen, dass wir alle - jedenfalls die Koalition; ich denke, alle hier in Deutschland - darüber hinaus der Auffassung sind: Wir brauchen Reformen, gerade auch auf diesem Sektor. Das kann und darf nicht durch Verfahrenstricks und durch solche Verfahrensweisen aufgehalten werden.

   Deswegen bitte ich darum, die Tagesordnung in der von allen Fraktionen vereinbarten Form zu beschließen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Ich lasse jetzt über den Antrag auf Aufsetzung der Zusatzpunkte 4 und 6 auf die Tagesordnung abstimmen.

   Wer ist für die Aufsetzung der Zusatzpunkte? - Wer ist dagegen? - Wer enthält sich? - Damit ist die Aufsetzung so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 a bis c auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2004 (Haushaltsgesetz)

- Drucksache 15/1500 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2003 bis 2007

   - Drucksache 15/1501 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Haushaltsbegleitgesetzes 2004 (Haushaltsbegleitgesetz 2004 - HbeglG 2004)

- Drucksache 15/1502 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)
Innenausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

   Außerdem rufe ich die Tagesordnungspunkte 1 d bis 1 j sowie Zusatzpunkt 1 der Tagesordnung auf:

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Reform der Gewerbesteuer

- Drucksache 15/1517 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss
gemäß § 96 GO

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz

- Drucksache 15/1518 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss
gemäß § 96 GO

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Jürgen Koppelin, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Regierung muss Haushaltssicherungsgesetz vorlegen

- Drucksache 15/997 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dietrich Austermann, Friedrich Merz, Volker Kauder, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Nachtragshaushalt umgehend vorlegen

- Drucksache 15/1218 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

h) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

- zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen

Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2001
- Vorlage der Haushaltsrechnung und Vermögensrechnung des Bundes (Jahresrechnung 2001) -

- zu der Unterrichtung durch den Bundesrechnungshof

Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2002 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung
(einschließlich der Feststellungen zur Jahresrechnung des Bundes 2001)

- Drucksachen 14/8729, 15/345 Nr. 43, 15/60, 15/973
Nr. 1, 15/1262 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Gerhard Rübenkönig

i) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2001

- Einzelplan 20 -

- Drucksachen 15/1047, 15/1258 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Anja Hajduk
Iris Hoffmann (Wismar)
Bernhard Kaster
Otto Fricke

j) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2002

- Einzelplan 20 -

- Drucksachen 15/1048, 15/1259 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Anja Hajduk
Iris Hoffmann (Wismar)
Bernhard Kaster
Otto Fricke

ZP 1 Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Soforthilfegesetzes für die Gemeinden (SofortHiG)

- Drucksache 15/1470 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für. Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss
gemäß § 96 GO

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die heutige Aussprache im Anschluss an die Einbringung des Haushalts neun Stunden, für Mittwoch achteinhalb Stunden, für Donnerstag acht Stunden und für Freitag eineinhalb Stunden vorgesehen. - Dagegen erhebt sich kein Widerspruch. Dann ist es so beschlossen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Freitag sind wir sparsam!)

   Das Wort zur Einbringung des Haushalts hat der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Friedrich Merz [CDU/CSU]: Der letzte Applaus!)

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren!

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie sehen ja so geschminkt aus!)

Dies ist der fünfte Haushalt, den ich als Bundesfinanzminister einbringe.

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Schlimm genug!)

Zweifelsfrei ist es der Haushalt mit den bisher größten Risiken. Das größte Risiko besteht allerdings darin, dass insbesondere Sie von der Union in dieser kritischen Situation unseres Landes überhaupt nicht wissen, was Sie im Bundesrat, in dem Sie eine entscheidende Verantwortung tragen, selbst wollen. Darauf werde ich im Zuge der Haushaltseinbringung im Einzelnen noch zurückkommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Da ruiniert ihr die Staatsfinanzen und dann so was! Beschimpfung der Opposition als Ersatz für die Regierungspolitik! - Friedrich Merz [CDU/CSU]: Im ersten Satz so was!)

   Ich habe gesagt, dass es in der Tat der Haushalt mit den größten Risiken ist. Im Jahre 1999 sind wir mit einer Haushaltskonsolidierung gestartet, durch die wir, bezogen auf den Bund, in den Jahren 1999, 2000 und 2001 Erfolge erzielt haben. Im Jahre 2000 hatten wir die mit großem Abstand geringste Neuverschuldung seit der Wiedervereinigung. Sie betrug 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das war weniger als die Hälfte von dem, was Sie drei Jahre vorher noch abgeliefert hatten.

   Wahr ist aber, dass durch die dreijährige wirtschaftliche Stagnation das meiste von dem, was wir erreicht hatten, wieder infrage gestellt wurde. Die entscheidende Frage ist, wie wir da wieder herauskommen. Die Antwort auf diese Frage ist Gegenstand unseres Konzepts.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Geben Sie doch einmal eine vernünftige Antwort!)

   Im dritten Jahr der wirtschaftlichen Stagnation hintereinander belief sich das Defizit des öffentlichen Gesamthaushalts nach der Maastricht-Abgrenzung im vorigen Jahr auf 74 Milliarden Euro. In diesem Jahr wird es möglicherweise noch etwas mehr sein. Wenn wir nicht eingreifen, wird dies im nächsten Jahr in gleicher Weise der Fall sein.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das haben Sie bisher immer bestritten!)

Diese Situation des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der sozialen Sicherungssysteme kann nicht hingenommen werden.

   Eines ist dabei klar: Wer sich die Haushaltspolitik genau ansieht, stellt fest, dass alle Konsolidierungsmaßnahmen, die wir 1999 eingeleitet haben, auch in den Haushalten voll gegriffen haben.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Er ist pleite und redet von Konsolidierung!)

Als Folge der Stagnation der letzten drei Jahre haben sich zwei Dinge verändert: Die Steuereinnahmen sind weggebrochen und die Ausgaben für den Arbeitsmarkt sind wesentlich höher.

   Das macht sich überall bemerkbar. Für den Bundeshaushalt gilt dies in besonderer Weise, weil er sowohl von der Einnahmeseite - den wegbrechenden Steuereinnahmen - als auch von der Ausgabenseite her - ich nenne die Ausgaben für den Arbeitsmarkt - betroffen ist. Die Länder werden an dieser Stelle übrigens nicht in gleicher Weise belastet. Bei den Kommunen ist das schon eher der Fall, weil die Kosten der Sozialfürsorge, also der Sozialhilfe, voll auf sie durchschlagen. Bei den sozialen Sicherungssystemen macht sich das durch Defizite - zum Beispiel bei den gesetzlichen Krankenkassen - bemerkbar; heute wird ja noch über die Reformen im Gesundheitswesen beraten. Das sind die Folgen von drei Jahren Stagnation.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Rot-grüner Politik!)

   Übrigens gibt es diese Stagnation nicht nur in Deutschland, sondern es gibt sie überall in Europa. Wer jetzt nach den Ursachen fragt, der kommt zu einem ganz einfachen Ergebnis.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Eichel!)

Sehen wir uns einfach den Unterschied zwischen dem Jahr 2000 und dem Jahr 2001 an. Im Jahr 2000, in dem wir die mit großem Abstand niedrigste Neuverschuldung seit der Wiedervereinigung und ein Wirtschaftswachstum von 2,9 Prozent hatten, verzeichneten die Vereinigten Staaten als Lokomotive der Weltwirtschaft ein Wirtschaftswachstum von 3,8 Prozent. In 2001 hatten sie nur noch eines von 0,3 Prozent. Das war ein richtiger Absturz der Lokomotive der Weltwirtschaft. Wie eng der Zusammenhang zwischen den Vereinigten Staaten, der Lokomotive der Weltwirtschaft, und uns ist, hat der Sachverständigenrat in seinem daraufhin folgenden Gutachten deutlich gemacht.

Das bedeutet auch bei uns einen Absturz von 2,9 Prozent - das hatten wir ursprünglich berechnet - auf 0,6 Prozent bzw. 0,8 Prozent, wie wir heute wissen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das transatlantische Unschuldslamm!)

   Die enge Verflechtung unseres Landes mit der Weltwirtschaft und seine große Stärke im Welthandel wird auch in Zukunft Bestand haben. Diese Stärke hat sich auch in diesen schwierigen Zeiten bewährt; aber sie bedeutet zugleich, dass wir das Auf und Ab der Weltwirtschaft mehr zu spüren bekommen als viele andere.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Die amerikanische Volkswirtschaft wächst in diesem Quartal um 3,5 Prozent!)

   Deutschland hat auch eigene Wachstumsschwächen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Aha!)

- Seien Sie ganz vorsichtig! Wir haben nämlich die EU-Kommission gebeten, diese Wachstumsschwächen im Zusammenhang mit der Wiedervereinigung zu untersuchen. Übrigens will ich mit diesem Thema keinen Streit auslösen. Aber Sie werden schon merken, dass jeder sein Päckchen selber tragen muss.

   Was ist das Ergebnis dieser Untersuchung? Etwa zwei Drittel der deutschen Wachstumsschwäche, also der größte Teil, sind Folgen der Wiedervereinigungspolitik. Ich meine das gar nicht negativ; denn eines ist klar: Das, was wir politisch machen mussten, muss kein anderes Land in Mittel- und Osteuropa ökonomisch leisten. Alle anderen Volkswirtschaften können sich der Europäischen Union erst dann anschließen, wenn sie eine funktionierende Marktwirtschaft und wettbewerbsfähige Betriebe haben. Beides war in der ehemaligen DDR nicht vorhanden. Trotzdem haben wir uns sozusagen über Nacht wiedervereinigt und die ostdeutsche Wirtschaft der Weltwirtschaft ausgesetzt.

   Die Folgen, die politisch zwingend waren, aber ökonomisch einen Prozess der Massenarbeitslosigkeit und der Deindustrialisierung der alten DDR mit sich brachten, zu bewältigen dauert eine ganze Generation. Dies hätte besser am Anfang gesagt werden sollen, damit klar geworden wäre, wo die Probleme liegen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will das im Einzelnen gar nicht weiter ausführen. Aber eines muss deutlich gemacht werden: Dies ist ein besonderes Paket, das wir zu tragen haben und das wir auch gerne tragen. Man darf jedoch nicht, wie es damals passiert ist, den Menschen vormachen, dass die Wiedervereinigung aus der Portokasse bezahlt werden könne. Man muss ehrlich sagen: Dies bedeutet, eine ganze Generation von Deutschen muss mehr als alle anderen arbeiten, um die Folgen der Wiedervereinigung wirklich meistern und die Vereinigung vollziehen zu können. Das ist so.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Max Straubinger [CDU/CSU]: Der Eichel war dagegen!)

   Jedes Jahr wird in der Größenordnung von 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für den Transfer in die neuen Bundesländer verwendet. Davon wird ein erheblicher Teil in die sozialen Sicherungssysteme gesteckt. Dieser Anteil wird nämlich als Ausgleich zwischen Ost und West in Deutschland benötigt, weil es andernfalls zu einem Auseinanderbrechen käme. Sie sollten sich daran erinnern, dass Ihr Kanzlerkandidat genau diesen solidarischen Zusammenhang zwischen Ost und West infrage gestellt hat. Eine Konsequenz davon war, dass man ihm in Ostdeutschland nicht vertraut hat. Diese Solidarität mit Ostdeutschland müssen wir aufbringen und auch ökonomisch abarbeiten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Es gibt auch hausgemachte Probleme, auf die ich gleich zu sprechen komme. In einer solchen Lage - warum sollte man darum herumreden? - muss alles auf den Tisch;

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Der Regierungsschwindler spricht von der Wahrheit!)

denn nur das, was klar angesprochen wird, kann auch gelöst werden. Allerdings muss klar sein: Unser Land steht nicht am Abgrund. Es ist, gemessen am Weltmaßstab, ein außerordentlich starkes Land, wie unsere Position im Welthandel jedes Jahr erneut beweist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich verweise auf die Internationale Funkausstellung, die gerade zu Ende gegangen ist, oder die Internationale Automobilausstellung, die vor uns liegt.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Weniger Auftragseingänge!)

Lesen Sie auch, was die Chefs der großen Unternehmen, die in Deutschland investieren, über den Standort Deutschland sagen, zum Beispiel Jürgen Schrempp. Man muss zwar mit ihm nicht immer einer Meinung sein; aber er weiß, wovon er redet, wenn er Standorte in der Welt vergleicht. Wenn er den Standort Deutschland für sehr gut hält und in Deutschland investiert, dann heißt das: Wir haben eine Chance, unsere Probleme zu lösen. Wir befinden uns nicht in einer Position der Schwäche, sondern in einer Position der Stärke, aus der heraus wir unsere Problem anpacken können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir stehen vor großen Herausforderungen. Die erste Herausforderung - ich habe sie erwähnt - ist die Gestaltung der deutschen Einheit. Wo gibt es das denn, dass ein Solidarpakt II, wie wir ihn ausgehandelt haben, mit einer Laufzeit von 15 Jahren und fünf Jahre im Voraus abgeschlossen wird? Das ist eine Zusage an unsere „ostdeutschen Brüder und Schwestern“, wie wir früher gesagt haben, an unsere Landsleute, dass sie sich darauf verlassen können: Die innere Einheit Deutschlands wird hergestellt! Aber das muss erarbeitet werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben eine besondere Chance und Herausforderung durch die europäische Einigung, insbesondere durch die Osterweiterung der Europäischen Union. Ich will darauf hinweisen, dass die Wachstumsraten in den mittelosteuropäischen Reformstaaten relativ hoch sind und unser Handel mit ihnen bereits unseren Handel mit den Vereinigten Staaten überschreitet. Daran sieht man, welche Chancen in diesem Bereich liegen.

   Als Finanzminister sage ich aber auch, ohne gegenwärtig über Zahlen zu reden: Von 2007 bis 2013, bei der nächsten finanziellen Vorausschau, wird es ein knüppelhartes Geschäft werden, zu erreichen, dass der deutsche Staatshaushalt dann die Kosten der Erweiterung tragen kann, die auf uns zukommen. Ich sage einmal an den spanischen Ministerpräsidenten gewandt: So wie er können auch wir verhandeln.

(Lachen bei der CDU/CSU - Zuruf von der [CDU/CSU]: Das merkt man!)

   Der entscheidende Punkt, die Konsequenz langer Fehlentwicklungen, ist der demographische Wandel. Jetzt muss ich einmal einige Zahlen nennen. Schauen Sie sich den Bundeshaushalt von 1961 an. Damals mussten wir gerade einmal 16 Prozent des Bundeshaushalts als Zuschuss an die Rentenversicherung zahlen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist allerdings 43 Jahre her!)

Das war zu einem Zeitpunkt, als auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter, das heißt zwischen 20 und 60 Jahren, 33 kamen, die im Rentenalter waren. Heute ist der Bundeszuschuss an die Rentenversicherung bereits bei einem Drittel des Bundeshaushalts angelangt. Gleichzeitig aber ist die Zahl der Rentner, bezogen auf 100 Menschen im erwerbsfähigen Alter, auf 44 gestiegen. Lassen Sie mich eine Generation oder noch etwas weiter denken, nämlich bis zum Jahr 2050.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Nicht zu weit!)

Dann lautet das Verhältnis nicht mehr 44 zu 100, sondern mindestens 80 zu 100. Daran wird die Dramatik der Alterung unserer Gesellschaft sichtbar. Auch das wird in diesem Herbst noch Gegenstand unserer Debatte und von Vorschlägen der Bundesregierung sein.

   Es ist schön, dass wir immer älter werden, und wir wollen das genießen. Dass wir aber so wenig Kinder haben und weltweit auf einem der letzten Plätze stehen, ist ein Drama für die Familien- und Gesellschaftspolitik in diesem Lande. Das muss nicht so sein; das hätte auch anders sein können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder [CDU/CSU]: Er spricht zum Bundeskanzler! Herr Bundeskanzler, was ist los? Herr Bundeskanzler, Herr Fischer, wo sind Ihre Kinder?)

Darauf geben wir Antworten, und zwar keine, die kurzfristig wirken. Das weiß wohl jeder.

   Ich möchte ein Wort zu den innerdeutschen Verhältnissen sagen. Man kann und muss vieles kritisch über die DDR sagen, weil sie eine Diktatur war und man diese nicht akzeptieren konnte. Aber die Ostdeutschen sind mit einer jungen Bevölkerung in das wiedervereinigte Deutschland gekommen. Die Frauen dort und fast überall in Europa hatten und haben mehr Chancen, Kinderwunsch und Berufstätigkeit zu verbinden als bei uns im Westen. Darüber muss nachgedacht und daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Wir tun das.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir brauchen

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Eine neue Regierung!)

Reformen für ein nachhaltiges Wachstum und für Konsolidierung.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Wir brauchen vor allem einen ehrlichen, ungeschminkten Finanzminister!)

Denn eines ist klar geworden: Es gibt - anders als ich zu dem Zeitpunkt betont habe, der Konsolidierungskurs eingeleitet wurde und wir ein Wirtschaftswachstum hatten - keine Haushaltskonsolidierung ohne nachhaltiges Wachstum. Es gibt allerdings auch kein nachhaltiges Wachstum ohne konsolidierte Staatsfinanzen. Das eine wie das andere sind zwei Seiten derselben Medaille.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Beides können Sie nicht!)

- Da müssen Sie ganz vorsichtig sein! Ich habe vorhin noch ganz freundlich über den Bericht der EU-Kommission geredet.

Deswegen musste der Reformstau aufgehoben werden, der Ihre Politik in den letzten 16 Jahren gekennzeichnet hatte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Jetzt haben wir 2003!)

Wir haben damit durch die Einleitung der Haushaltskonsolidierung, die Steuerreform und die Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsorge begonnen. Aber ich stehe nicht an zu sagen: Das war zu wenig. Es war zu wenig, um unser Land durch diese Fährnisse zu bringen. Wir müssen das Reformtempo drastisch erhöhen und wir müssen unser Land auf allen Feldern der Gesellschaft modernisieren. Das ist das Konzept, das wir Ihnen vorlegen. Das ist anstrengend und das muss in diesem Herbst verabschiedet werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was wir Ihnen vorlegen - übrigens liegt bereits ein Großteil davon zur Beratung im Hause vor; ein weiterer Teil ist schon im Bundeskabinett verabschiedet worden, sodass nur noch wenige Punkte im Kabinett verabschiedet werden müssen -, ist ein Dreiklang aus Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen. Dieses Paket enthält Zumutungen für sehr viele, ja für alle. Denn wenn im öffentlichen Gesamthaushalt ein Defizit von 70 bis 80 Milliarden Euro besteht, dann kann dies nicht beseitigt werden, ohne dass es alle merken. Es kann auch nicht beseitigt werden, ohne dass alle - jedenfalls die bedeutenden Gruppen dieses Landes, sofern sie politische Verantwortung tragen - zusammenwirken. Wir leben schließlich im Föderalismus und nicht in einem Zentralstaat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Dabei sind sehr viele Besitzstände nicht nur infrage zu stellen, sondern abzuschaffen. Das geht gar nicht anders, wenn man die Zukunft gewinnen will. Ich glaube schon, dass die Menschen dazu bereit sind, aber - das ist der entscheidende Punkt - unter einer Voraussetzung: dass sie sehen, dass auch wirklich jeder seiner Leistungsfähigkeit entsprechend seinen Beitrag leistet.

   Ich sage mit aller Freundlichkeit - zu der ich auch in der Lage bin, meine Damen und Herren -,

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aller Zurückhaltung und Vorsicht - wir werden noch über die Gesundheitsreform diskutieren -: Auch ich als Finanzminister stehe zu dem, was Sie verabredet haben und bin froh darüber, dass wenigstens an dieser Stelle ein Zeichen der Zusammenarbeit gesetzt werden konnte. Passen Sie aber bei dem, was Sie mitgestalten, auf, dass Sie die Klientel, von der Sie meinen, dass Sie sie vertreten müssen, genauso gerecht in die Zumutungen mit einbeziehen, wie auch alle anderen einbezogen werden!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bin Graf Lambsdorff und Herrn Professor Pinkwart sehr dankbar dafür, dass sie dies auf der FDP-Seite in aller Offenheit ausgesprochen haben. Ich bitte Sie sehr herzlich, dies auch in der großen Volkspartei CDU/CSU so zu diskutieren.

   Denn wir werden in einer Demokratie den großen Reformprozess, der vor uns liegt und der enorm anstrengend ist, nur dann bewältigen können, wenn ihn die Menschen akzeptieren und diesen Weg mitgehen. Sie werden ihn aber nur dann akzeptieren, wenn sie nicht meinen, einige seien privilegiert und blieben außen vor, während sie selbst das ganze Päckchen tragen müssten. Das geht nicht an. Es unterminiert den gesamten Prozess und damit unsere Zukunftsfähigkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Zu dem ersten Punkt, den wir zu entscheiden haben, nämlich zu den Strukturreformen, will ich nur wenig sagen, weil Ihnen bereits alles vorliegt oder in sehr kurzer Zeit vorliegen wird. Worum geht es? Es geht zum einen darum, die sozialen Sicherungssysteme - ich habe Ihnen die Zahlen genannt - an die Herausforderungen des demographischen Wandels anzupassen. Es ist eine bittere und harte Entscheidung, die in diesem Zusammenhang fällig ist.

   Es geht dabei auch um eine völlige Neubestimmung des Verhältnisses von Solidarität und Eigenverantwortung. Grundsätzlich muss Solidarität gewahrt bleiben. Der Kranke muss wissen, dass er das medizinisch Notwendige bekommt, ganz unabhängig davon, wie viel er verdient. Jeder muss wissen, dass er im Alter nicht in Armut fällt. Das haben wir geschafft und das muss auch in Zukunft gelten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Aber gleichzeitig gilt vor dem Hintergrund dieser Herausforderungen auch: Kleinere Risiken - die in der Vergangenheit von der Allgemeinheit getragen werden konnten - müssen wir wieder selber tragen.

(Dr. Günter Rexrodt [FDP]: Richtig!)

Sie, verehrter Herr Kollege Dr. Gerhardt, haben in diesem Zusammenhang einmal von der Vollkaskomentalität unserer Gesellschaft gesprochen. Daran ist sehr viel Wahres. Ich bitte nur um eines: Spitzen Sie das nicht auf einzelne Gruppen der Bevölkerung zu! Es gilt nämlich für alle. Diese Mentalität gibt es bei Arbeitnehmern wie bei Unternehmern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb gilt meine Feststellung, dass wir wieder bereit sein müssen, kleinere Risiken selber zu tragen, wirklich für alle.

   Ich komme damit auf Ihren Zwischenruf zurück, Herr Kollege Rexrodt. Sie werden nämlich in diesem Herbst die Gelegenheit haben, bei den Strukturreformen zu beweisen, ob Sie das auch wirklich selber meinen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Können Sie mal etwas zum Haushalt sagen?)

Bei den sozialen Sicherungssystemen geht es darum, die Lohnnebenkosten zu senken, weil nämlich hohe Lohnnebenkosten ein Einstellungs- und ein Jobhindernis sind.

   Lassen Sie mich bei dieser Gelegenheit eine Grundsatzbemerkung machen -

(Hans Michelbach [CDU/CSU]: Macht er die Arbeit von Herrn Clement oder was?)

ich könnte im Übrigen fast den Kollegen Waigel zitieren -: Die Versuchung, in einer Reihe von Fällen - zum Beispiel in den sozialen Sicherungssystemen - die Probleme nicht wirklich zu lösen, sondern nur nach anderen Finanzquellen, nach Umfinanzierung zu suchen und die Probleme in den Haushalt zu verschieben, ist nicht gering.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ökosteuer!)

- Seien Sie da einmal ganz vorsichtig. - Ich will auf diesen Punkt nur ausdrücklich hinweisen. Wenn die Probleme im System gelöst sind, kann man über die Frage reden, was die günstigste - auch die volkswirtschaftlich und für den Arbeitsmarkt günstigste - Finanzierung sei. Die Voraussetzung ist aber, dass alle anderen Probleme in den Systemen gelöst worden sind. Das darf nicht etwa eine Ausflucht sein, weil man sich die Einschnitte, die man wirklich machen muss, nicht zutraut.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Es geht außerdem um die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, um die Chancen für Ältere, um die Beseitigung von Fehlanreizen, um die Chancen für gering Qualifizierte, wieder eine Arbeit zu bekommen. Das ist das, was mit Hartz I bis IV vorliegt und zum Teil auch schon beschlossen worden ist.

   Es geht auch - Herr Dr. Rexrodt, das habe ich vorhin gemeint, als Sie „Richtig!“ gesagt haben - um die Flexibilisierung der Handwerksordnung. Es gilt nicht nur dann, verkrustete Strukturen aufzubrechen, wenn es gegen Arbeitnehmer geht. Es gilt auch dann, wenn es um das Handwerk und um viele andere Bereiche geht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie mich dazu eine Grundsatzbemerkung machen, die sehr viel mit der europäischen Einpassung unserer Politik zu tun hat.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Jetzt will er den Stellenmarkt auch noch ruinieren!)

Herr Kollege Clement hat ein paar Mal deutlich gemacht, dass Betriebe aus den Niederlanden oder demnächst aus Polen, die die Anforderungen, die wir stellen, nicht stellen, bei uns auftreten und arbeiten können. Die entscheidende Frage, die wir uns jetzt stellen müssen, ist, ob dann nicht auch Inländer dieselben Chancen haben sollten wie die Ausländer. Der Meisterbrief soll nicht abgeschafft werden. Im Gegenteil, ich denke, er kann an Wert gewinnen, wenn er als Herausforderung angesehen wird, die sich jeder persönlich stellt, um damit sozusagen seinen Betrieb zu qualifizieren. Das ist es: nicht staatlich verordnet, sondern als eigene Herausforderung, die man besteht. Da werden sie Chancen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Miese Einbringungsrede!)

   Es geht in der Agenda 2010 um die Investitionsfähigkeit der Gemeinden. Es geht um die Gemeindefinanzreform. Meine Damen und Herren, wir haben dazu ein Konzept auf den Tisch gelegt.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Schauen Sie in Ihre eigenen Reihen! Da sitzen Ihre Getreuen!)

- Vorsicht! Ich komme gleich zu Ihnen, verehrter Herr Kalb.

   Darüber sind wir uns noch nicht in allen Teilen, aber in den Grundsätzen einig in der Koalition. Ich sage „in den Grundsätzen einig“, weil wir genau dem folgen, was die große Mehrheit der Gemeindefinanzreformkommission beschlossen hat, nämlich die Gewerbesteuer zu modernisieren.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Fraktion hat Sie rausgeprügelt!)

Bei uns ist das klar. Es gibt Streit - das wissen wir alle - um die Frage, ob so genannte ertragsunabhängige Elemente einbezogen werden sollen oder nicht, und in welchem Umfang. Sie wissen, der Gesetzentwurf der Bundesregierung sieht das nicht vor. Er sieht aber - darin sind wir uns einig - eine starke Verbreiterung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer und damit eine gewaltige Stabilisierung vor. Das ist, glaube ich, noch nicht richtig bei den kommunalen Spitzenverbänden angekommen. - Das ist die gemeinsame Grundlage. Jetzt reden wir im Zusammenhang mit der Frage, ob noch etwas hinzugerechnet wird oder nicht, über Einzelheiten. Ich sage Ihnen: Wenn das Gesetzgebungsverfahren mit den Anhörungen gelaufen ist, dann wird es dazu auch eine einvernehmliche Position in der Koalition geben; da bin ich mir ganz sicher.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Nun, meine Damen und Herren, komme ich zu Ihnen. Das ist eine spannende Veranstaltung. In der Kommission sitzen alle Finanzminister oder auch Innenminister der CDU- bzw. CSU-geführten Landesregierungen. Alle beschließen - alle! -, es solle zum 1. Januar nächsten Jahres eine grundlegende Reform geben. Die grundlegende Reform soll aufbauen auf einer modernisierten Gewerbesteuer. Was passiert dann bei Ihnen? Ich sage an dieser Stelle zum ersten Mal - und komme darauf zurück -, wo das Risiko liegt, das Sie für den Konsolidierungsprozess in Deutschland darstellen. Da sagt Herr Merz: Die Gewerbesteuer muss weg; ich will das BDI/VCI-Modell. Das ist ja eine ehrenwerte Position.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Das habe ich nie gesagt! Bleiben Sie bei der Wahrheit!)

- Gut, dann nehme ich es zurück. Herr Kollege Merz, das mag eine Überinterpretation sein. Sie haben aber gesagt, Sie wollten einen Zuschlag auf die Einkommen- und die Körperschaftsteuer.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Das habe ich auch nicht gesagt!)

- Also nur die Gewerbesteuer weg? Herr Merz, das macht die Sache nicht besser; denn das bedeutet, dass Sie zwar wissen, was Sie nicht wollen, dass Sie aber nicht wissen, was Sie wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Friedrich Merz (CDU/CSU): Hören Sie auf, einen solchen Unsinn zu reden!)

Das ist doch das Problem. Das ist das Problem der gesamten Opposition.

   Herr Stoiber, der sich in besonderem Maße als derjenige aufspielt, der die Kommunen schützt, bringt es glatt fertig, dass die bayerischen Kommunen im vergangenen Jahr weit vor allen anderen ihre Verschuldung erhöht haben. Warum weisen denn 2002 die Kommunen im wirtschaftsstarken Bayern im Vergleich zu allen anderen den höchsten Zuwachs bei der Neuverschuldung auf? Weil Bayern - das alles kann man im Einzelnen nachweisen - mit seinen Kommunen noch nie gut umgegangen ist. Aber das ist ein anderes Thema.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

- Das ist so, weil es in Bayern den geringsten kommunalen Finanzausgleich gibt und weil dort Staatsaufgaben von den Kommunen wahrgenommen werden.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wir warten gelassen den nächsten Sonntag ab!)

   Was hört man aus Bayern? Obwohl Herr Faltlhauser in der Kommission für die Modernisierung der Gewerbesteuer und für das In-Kraft-Treten der Reform am 1. Januar 2004 gestimmt hat, fordert der bayerische Ministerpräsident ein Sofortprogramm. Aber die grundsätzliche Lösung wird in die Zukunft verschoben. Das hat in der Kommission niemand gewollt, weder die kommunalen Spitzenverbände noch die Landesregierungen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Koch hat gefordert, dass ertragsunabhängige Elemente in die Gewerbesteuer einbezogen werden. Herr Merz, Herr Stoiber und Herr Teufel sagen dagegen: Ertragsunabhängige Elemente sollen einbezogen werden? Mit uns nie! - Sehr verehrte Frau Merkel, wie soll man denn zu einer Verständigung mit Ihnen kommen, wenn nicht einmal im Grundsatz klar ist, ob Sie die Gewerbesteuer modernisieren wollen oder nicht, weil es bei Ihnen so stark widerstreitende Auffassungen gibt?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Zu einer Verständigung müssen wir aber kommen. Die Kommunalhaushalte zu sanieren ist aber zuallererst Ländersache; denn nach unserer Verfassung gehören die Kommunen zu den Ländern. Es gibt einen Vorschlag des Bundes zur Sanierung der Kommunalhaushalte, den Sie nicht mögen müssen. Aber wo sind denn die Vorschläge der Länder, aus denen hervorgeht, wie die Kommunalhaushalte saniert werden können? Wo ist Ihr Vorschlag? Es gibt von Ihrer Seite keinen Vorschlag, obwohl Sie die Mehrheit im Bundesrat stellen. So kann das nicht weitergehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir sind uns in der Koalition auch über die Summen einig. Die Kommunen sollen im nächsten Jahr auf jeden Fall um 4,5 Milliarden Euro - anwachsend auf 5 Milliarden Euro - entlastet werden. Eine leichte Steigerung der Entlastung wird es auch in den Folgejahren geben. Darauf kommt es an. Wir werden den Kommunen mit dem Haushaltsstabilisierungskonzept

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Konzept ist übertrieben!)

- jedenfalls wenn es auf die Kommunalhaushalte entsprechend übertragen wird - eine zusätzliche Entlastung von knapp 2 Milliarden Euro verschaffen. Das bedeutet also, dass die Kommunalhaushalte bereits im nächsten Jahr um knapp über 6 Milliarden Euro - in den Folgejahren ansteigend auf über 7 Milliarden Euro - entlastet werden. Das ist ein Wort.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Zahlen stimmen doch vorne und hinten nicht!)

- Natürlich stimmen sie.

   Natürlich können die Kommunalhaushalte nicht aus dem Bundeshaushalt saniert werden. Der Bund leistet lediglich einen freiwilligen Beitrag. Aber nur in einem Gesamtpaket von Gewerbesteuerreform, Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe - auch das bedeutet eine Entlastung für die Kommunen - und einem Konsolidierungskonzept für alle öffentlichen Haushalte können die Probleme des Bundes, der Länder, der Kommunen und der sozialen Sicherungssysteme gelöst werden.

(Beifall bei der SPD - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Müder Beifall!)

   Jetzt komme ich auf einen weiteren Baustein unseres Konzepts zu sprechen: das Haushaltsstabilisierungsgesetz im Vollzug der Haushalte 2003 und 2004. Ich möchte darauf hinweisen, dass der Haushalt 2003 zweifelsfrei wieder eine wesentlich höhere Nettoneuverschuldung aufweist, die eine Verdoppelung dessen bedeutet, was wir ursprünglich veranschlagt haben. Ich werde im Spätherbst im Zusammenhang mit der Steuerschätzung im Kabinett und im Bundestag einen Nachtragshaushalt einbringen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der ist längst überfällig!)

Dieser Haushalt zeigt aber eindeutig: Alle Maßnahmen, die wir zum Zwecke der Konsolidierung seit 1999 beschlossen haben, werden in vollem Umfang fortgesetzt. Die unbereinigten Ausgaben des Bundes sind von 1999 bis 2004 insgesamt nur um 2 Prozent gestiegen. Das sind gerade einmal 0,4 Prozent pro Jahr. Das gibt es in keinem anderen Land. Hessen ist beispielsweise deswegen in der Bredouille, weil es in den letzten vier Jahren über die Stränge geschlagen hat. Es muss nun alle Leistungen, die es gewährt hat, quasi wieder einsammeln. Das gilt in der Tat für uns nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das, was uns große Probleme bereitet - darauf habe ich schon hingewiesen -, sind das Wegbrechen der Steuereinnahmen und die Situation auf dem Arbeitsmarkt. Das alles zusammen bringt den Bundeshaushalt sehr stark in die Bredouille.

   Wir werden aber - das ist auch mit Brüssel verabredet - in einer solchen, von Wachstumsschwäche gekennzeichneten Situation dem Konjunkturabschwung nicht noch „hinterhersparen“. In dieser Phase müssen die automatischen Stabilisatoren wirken. Deswegen ist es in dieser Situation richtig, Probleme nicht etwa durch zusätzliche Sparmaßnahmen zu verschärfen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wir haben doch keine Nachfragelücke in Deutschland! Das ist doch dummes Zeug!)

Auch wenn das heute eher etwas fern erscheint, gilt: Wenn der Aufschwung kommt und es wieder richtig aufwärts geht, dann muss in Deutschland das gemacht werden, was bisher zu wenig gemacht worden ist, nämlich eine beinharte Konsolidierung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Damit komme ich zum Haushalt 2004.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Nach 40 Minuten!)

Die Grundlage der gesamtwirtschaftlichen Eckdaten lautet: 2 Prozent Wachstum nächstes Jahr. Dazu habe ich die unterschiedlichsten Äußerungen gelesen. Wir haben gesagt - darauf komme ich nun zurück -, dass wir mit dem Vorziehen der Steuerreform unseren Beitrag dazu leisten wollen, dass es im nächsten Jahr wirklich zu einem Wachstum von 2 Prozent kommt. Wir wollen dieses Maß an sich verfestigender Arbeitslosigkeit nicht hinnehmen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie täuschen doch schon wieder das Parlament!)

Dieses Maß an Arbeitslosigkeit ist die entscheidende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, die beseitigt werden muss, und zwar durch offensive Maßnahmen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wenn Sie wenigstens nur zu 2 Prozent die Unwahrheit sagen würden!)

   Mittlerweile haben sich einige Indikatoren wieder ein Stückchen verändert. Auch das muss man festhalten. Am nächsten Wochenende treffen wir, die EU-Finanzminister, uns in Stresa. Eine Woche später treffen sich die Finanzminister im Rahmen der IWF-Tagung und des Treffens der G 7 in Dubai. Vermutlich werden wir feststellen, dass zum ersten Mal seit über einem Jahr die Chancen etwas größer als die Risiken sind. Das ist noch nicht gesichert. Man muss das mit aller Vorsicht sagen.

   Ich verweise auf den Ifo-Index zum Weltwirtschaftsklima. Ich verweise darauf, dass der Ifo-Geschäftsklimaindex zum vierten Mal in Folge für Deutschland einen Anstieg - dieses Mal ist es ein starker - prognostiziert. Nicht nur die Zukunftserwartungen, sondern auch die Gegenwartsbeurteilungen sind positiv. Ich verweise auch auf das, was das ZEW seit längerem sagt. Übrigens, es spiegelt nur das wider, was an den Aktienmärkten passiert. Derartige Prognosen werden in der Wirtschaft in der Regel nach einem halben Jahr real.

   Außerdem verweise ich - ich tue das ganz vorsichtig, weil ich noch nicht weiß, wie gefestigt das ist - auf harte Fakten wie die Zahl der Auftragseingänge bei der Industrie. Zum ersten Mal hat ein Institut, das Ifo in München, mit Hinweis auf unser Konzept - Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und das Vorziehen der Steuerreform - seine Wachstumsprognose - sie lag unter unserer - von 1,5 Prozent auf 1,75 Prozent nach oben korrigiert. Das sind jedenfalls ein paar Hoffnungszeichen.

   Eines ist in Deutschland komplett out, sozusagen mega-out, nämlich Schwarzmalerei. Die Wirtschaft hat begriffen, dass auch Schwarzmalerei ein Standortnachteil ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man soll die Dinge beim Namen nennen, aber nichts kaputtreden. Ich verweise noch einmal auf das Interview mit Jürgen Schrempp.

   Mein Ziel war,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Öffentlichkeit zu täuschen!)

bei einer ohne Gegenmaßnahmen für das nächste Jahr zu erwartenden Neuverschuldung des Bundes von 38 Milliarden Euro zunächst die Neuverschuldung unter die veranschlagten Investitionen zu drücken. Mein Ziel war also, die Neuverschuldung auf 24 Milliarden Euro zu senken. Das damit verbundene Sparpaket ist ein harter Schritt. Er hat dieselbe Größenordnung wie die von uns 1999 mit allen Folgewirkungen eingeleitete Konsolidierung. Allerdings hat dieser Schritt erhebliche positive Folgewirkungen für die Entlastung der Landes- und Kommunalhaushalte, wenn eine gleichgerichtete Übertragung erfolgt. Da sind sie dann wieder mit am Zuge.

   Dabei wird klar, dass der Weg zur Haushaltskonsolidierung von uns nicht verlassen wird - im Gegenteil.

(Lachen des Abg. Friedrich Merz (CDU/CSU) - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der Hauptsünder Europas spricht von Haushaltskonsolidierung! Der Schuldenmeister Nummer eins! Mit Grausen denkt die EU-Kommission an diesen Haushalt!)

Ohne dass man über den Stabilitäts- und Wachstumspakt im Einzelnen diskutieren muss, kann man feststellen, dass es zum Beispiel zwischen den europäischen Finanzministern und den Ländern in Europa trotz mancher Differenzen eine grundlegende Übereinstimmung gibt: dass die mit der alternden Gesellschaft verbundenen Herausforderungen erzwingen, dass wir die damit einhergehenden Belastungen in der Zukunft nicht mit hohen Schulden aus der Vergangenheit kombinieren dürfen. Deswegen müssen wir für einen ausgeglichenen Haushalt sorgen, sobald das irgendwie möglich ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie nicht mehr!)

In einer Zeit der Wachstumsschwäche und der Stagnation werden wir das allerdings nicht schaffen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Deswegen müssen wir aus dieser Situation herauskommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen ist die Konsolidierung erforderlich. Deswegen wird sie auch gemacht.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wo denn?)

   Was sind die Wege zur Konsolidierung? Ich nenne zunächst die Einschränkung des Staatsverbrauchs.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Explosion bei der Öffentlichkeitsarbeit! Explosion bei den Personalstellen!)

Wir haben den Haushalt des Bundes 2004 auf 11,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gedrückt. Der letzte Haushalt, den Sie verantwortet haben, lag bei 12,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das ist in der heutigen Währung eine Differenz in der Größenordnung von 20 Milliarden Euro. Das ist die Konsolidierung auf der Ausgabenseite! Die wischen Sie mit nichts vom Tisch, weil die Zahlen ganz eindeutig sind.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie haben nur auf der Einnahmeseite etwas gemacht!)

- Die Zahlen sind klar. Da hilft Ihr Zwischenruf auch nichts mehr.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wir hören Ihnen wenigstens noch zu - im Gegensatz zu Ihrer Fraktion!)

   Wenn ich „Einschränkung des Staatsverbrauchs“ sage, dann heißt das zum Beispiel: Eingriffe bei den Sonderzahlungen im öffentlichen Dienst. Wir reduzieren das Weihnachtsgeld sowohl für die Pensionsempfänger als auch für die noch aktiven Bediensteten. Das Urlaubsgeld fällt weg. - Übrigens: Ich erinnere mich noch daran, dass der hessische Ministerpräsident unmittelbar vor der Hessenwahl noch der Meinung war, der Tarifabschluss müsse sofort und in vollem Umfang auch auf die Beamten übertragen werden; da könne man nichts machen. Noch nicht einmal ein halbes Jahr später sieht man das auch dort ganz anders. Die Realität holt Sie überall ein, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will auf etwas hinweisen, das im Land nur wenig bekannt ist: Die Stellenzahl des Bundes liegt heute, im wiedervereinigten Deutschland, unter der Stellenzahl, die die alte Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung hatte, und unter der, die die alte, kleinere Bundesrepublik 1970 hatte. Es gibt 287 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. 300 000 waren es 1970 in der alten Bundesrepublik.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Weil Sie neue Gesellschaften gegründet haben!)

Das ist eine wirkliche Einschränkung des Staatsverbrauchs und das ist auch vernünftig; denn in einer schrumpfenden Gesellschaft muss auch der öffentliche Dienst kleiner werden, weil wir anderenfalls Steuererhöhungen in der Zukunft vorprogrammieren.

   Wir haben die Finanzhilfen - in dem Punkt sind wir ganz allein entscheidungsfähig, weil wir nicht die Zustimmung des Bundesrats brauchen - ordentlich abgebaut, nämlich seit 1998 um mehr als 30 Prozent, von 11,4 Milliarden Euro auf 7,7 Milliarden Euro in diesem Jahr. Im nächsten Jahr werden es 7 Milliarden Euro sein. Das ist viel mehr, als sich Herr Steinbrück und Herr Koch - darauf komme ich noch zu sprechen - vorgenommen haben. Wir müssen da sehr viel härter herangehen und wir werden es auch tun.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie haben die höchste Subventionierung eingeführt, die Ökosteuer!)

   Ich bin gespannt, wie Sie reagieren, wenn wir zum Beispiel über die Agrarsubventionen - es geht nicht um die Steinkohle; da sinken die Subventionen systematisch degressiv - reden. Ich habe dazu aus Bayern schon wieder die alten Töne vernommen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Bauernfeind!)

Wenn Sie sich als Schutzheiliger von einzelnen Subventionen aufspielen, meine Damen und Herren, werden Sie den Staatshaushalt nie in Ordnung bringen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Max Straubinger (CDU/CSU): Windkraft! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Kohle!)

   Damit komme ich zu den Subventionen, die sich auf der Einnahmeseite finden. Da sind sie ja sehr schön versteckt. Ich habe schon im Haushaltsausschuss gesagt: Ich glaube, dass das bayerische Modell - nein, das gibt es ja gar nicht; ich hätte aber nichts dagegen, wenn es das gäbe, weil wir in Bayern dann schon einen Verbündeten hätten -, das Schweizer Modell, bei dem Subventionen nicht mehr bei den Steuern versteckt werden - Subventionen sollen, wenn sie überhaupt gegeben werden, auf der Ausgabenseite stehen, damit sie jeder sehen kann, damit man sie leichter überprüfen kann und damit man leichter an sie herankommt -, ein vernünftiger Weg ist. - Darüber müssen Sie bei Gelegenheit auch einmal nachdenken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Etwa bei der Ökosteuer! - Max Straubinger (CDU/CSU): Windkraft! Ökosteuer!)

- Für die Windkraft ist nichts im Haushalt veranschlagt. Das will ich hier gar nicht diskutieren. Das sollten Sie diskutieren, wenn es um die Novellierung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes geht.

   Nun komme ich auf einzelne Subventionen zu sprechen. Da ist zunächst die Eigenheimzulage zu nennen. Ich habe vorgeschlagen, sie gänzlich zu streichen.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Immer gegen die Eigentümer!)

Der Sachverständigenrat ist dafür. Die Bundesbank ist dafür. Der gesamte ökonomische Sachverstand ist dafür. Was, verehrte Frau Merkel, ist jetzt Ihre Position?

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Ich höre Gemeckere an der einen oder anderen Stelle. Ich habe von Herrn Merz gehört, als wir zusammen bei Christiansen waren, man könne vielleicht darüber reden. Andere - Herr Stoiber oder auch Herr Koch - sagen, das gehe überhaupt nicht.

   Meine Damen und Herren, wie können wir eine Subvention vertreten in einem Markt, der überwiegend, von ganz wenigen Regionen in Deutschland abgesehen, übersättigt ist?

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Eigenheimzulage streichen und Genossenschaftswohnungsbau neu auflegen!)

Es geht um eine Subvention, die - da ist in diesem Jahr noch einmal ein ordentlicher Zuwachs zu verzeichnen - nachhaltig 8 bis 10 Milliarden Euro beträgt. Können Sie das wirklich noch vertreten, meine Damen und Herren?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Es hat mit Vermögensbildung zu tun! Sie bleiben eine rote Socke!)

Können wir nicht in diesem Herbst zu dem Ergebnis kommen, dass diese Subvention abgebaut wird?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zurufe von der CDU/CSU!)

- Wenn wir über Finanzpolitik reden, dann will ich dazu noch einen Satz sagen. Macht es eigentlich Sinn, dass der Staat Schulden macht, damit Private Eigentum schaffen können?

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Über den Punkt müssen Sie einmal nachdenken. Das kann doch keinen Sinn machen.

   Nächster Punkt: Wir wollen die Subvention in Form der Entfernungspauschale auf die Hälfte des bisherigen Niveaus zusammenstreichen. Auch daran wird nur an allen Ecken herumgemosert. Wie sieht denn nun Ihre Position aus? Das Defizit des Gesamthaushaltes liegt zwischen 70 und 80 Milliarden Euro.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Eher 90 Milliarden!)

Wir können das nicht beseitigen, ohne dass die Menschen es merken und viele etwas abgeben müssen. Sind Sie bereit, diesen Weg mitzugehen, meine sehr verehrten Damen und Herren? In diesem Zusammenhang komme ich wieder auf die Landeshaushalte, für die Sie doch in den meisten Fällen die Verantwortung tragen, und die Kommunalhaushalte zu sprechen. Alle sind ja davon betroffen: zu 42,5 Prozent die Länder und zu 15 Prozent die Kommunen. Wir reden hier über richtig viel Geld. Allein die Entfernungspauschale macht 3 Milliarden Euro aus - jedes Jahr. Sie müssten doch irgendwann zu einem Ergebnis kommen.

   Oder wie stehen Sie zu der Abschaffung der Vereinfachungsregelungen bei den Abschreibungen? Wie soll man denn jemandem erklären, dass im Dezember angeschaffte Wirtschaftsgüter rückwirkend ab Juli abgeschrieben werden können? Das hat man früher gemacht, als die Buchführungsmöglichkeiten noch schlechter waren; heute sind sie aber prima. Hierbei handelt es sich um eine reine Steuersubvention, die schön für denjenigen ist, der sie bekommt, die aber angesichts des Defizits des öffentlichen Gesamthaushaltes nicht verantwortbar ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Nächster Punkt: Der Kampf gegen die Schwarzarbeit ist ein schwieriges und sehr mühevolles Unternehmen. Über die Maßnahmen hinaus, die wir auf dem Verwaltungswege ergreifen können, werden wir Ihnen in diesem Herbst in einem Gesetzentwurf Vorschläge unterbreiten. Ich hoffe, dass wir uns über die vorgesehenen Maßnahmen gegen Schwarzarbeit und Steuerhinterziehung verständigen können. Wir haben zwar eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, aber sie reichen nicht aus. So ist mittlerweile ziemlich klar, dass dem Staat allein bei der Umsatzsteuer durch den so genannten Karussellbetrug pro Jahr zwischen 12 bis 13 Milliarden Euro verloren gehen. Wir werden auch da viel härter eingreifen müssen, um dieses Problem zu lösen.

   Wenn es wahr ist, dass die Schattenwirtschaft in Deutschland etwa 15 bis 16 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausmacht, dann ergibt sich daraus folgerichtig, dass wir kein Problem mit unseren Staatsfinanzen hätten, wenn jeder seine Sozialabgaben und Steuern so zahlte, wie es gesetzlich vorgesehen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es sind die ehrlichen Arbeitnehmer und die ehrlichen Unternehmer, die geschädigt werden, wenn wir zulassen, dass sich andere illegal bereichern. Deswegen müssen wir diese Dinge angehen. Ich setze sehr darauf, dass Sie alle dabei mitmachen, denn allein durch Kontrolle kann man diese Dinge nicht ausrotten. Das ist auch gar nicht meine Vorstellung. Wir brauchen in diesem Lande wieder eine andere Kultur und eine andere Einstellung zu diesen Dingen. Wir wollen die Steuern senken - der Vorschlag ist ja in unserem Paket enthalten -, aber umgekehrt muss dann auch jeder das, was er dem Staat schuldet, geben, damit nicht die Ehrlichen die Dummen in diesem Lande sind. Ansonsten schwindet nämlich die Zustimmung zur Demokratie.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Darüber hinaus müssen wir natürlich auch weitere Subventionen abbauen. Vorschläge hierfür erwarten wir aus der von den Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück initiierten Arbeitsgruppe. Wenn die Arbeitsgruppe nichts liefern sollte, werden wir selber Vorschläge machen. Grundsätzlich begrüße ich natürlich, dass es diese Arbeitsgruppe gibt und sie sich dem Thema, wenn auch in Trippelschritten, langsam nähert. Ich erwarte also konkrete Vorschläge aus dieser Arbeitsgruppe, mache mich davon aber - das sage ich ganz deutlich - nicht abhängig.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Was haben Sie gegen Herrn Steinbrück?)

   Die Einsparungen auf der Ausgabenseite und den Abbau von Steuersubventionen - das ist nicht das Ende der Veranstaltung, ich komme gleich darauf zurück - nehmen wir nicht allein um des Sparens willen vor - natürlich muss das Defizit weg -, sondern auch, um Gestaltungsspielraum für die Zukunft zu gewinnen. Die alternde Gesellschaft - darüber gibt es ja schon viele Grundsatzdebatten - wird dann zu einem Albtraum für alle, wenn es uns nicht gelingt, deutlich höhere Wachstumsraten zu erzielen; denn ansonsten werden wir Verteilungskämpfe erleben, die ziemlich schaurig sind.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Vertreibung von Arbeitsplätzen aus Deutschland!)

Es stellt sich deswegen, meine Damen und Herren, jetzt die Frage, wie der Beitrag der Finanzpolitik aussieht. Ich sehe hier zwei Schwerpunkte:

   Zum einen brauchen wir mehr Mittel für Zukunftsfelder wie Familienpolitik, Kinderbetreuung, Bildung, Ausbildung, Forschung und Entwicklung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben in den letzten Jahren die entsprechenden Ausgaben gegenüber 1998 schon um 30 Prozent erhöht. Wir sind dabei auch besser als vergleichbare Staaten in Europa. Wir haben aber noch nicht das Niveau erreicht, das in Skandinavien herrscht. Wir haben auch noch nicht so viel erreicht wie die Amerikaner, die Japaner und die Kanadier. An dieser Stelle müssen wir also noch viel besser werden. Der Erfolg der Strategie Europas, zu einer der wettbewerbsfähigsten Regionen zu werden, hängt in großem Umfang davon ab, ob es uns gelingt, unser Erneuerungspotenzial in allen Bereichen zu stärken.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Fangen Sie doch an!)

- Ja, wir machen es ja, indem wir die entsprechenden Ausgaben seit 1998 um 30 Prozent erhöht haben, alleine von 2003 auf 2004 um 6 Prozent.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ihr macht nichts!)

Dazu muss man natürlich ausdrücklich sagen, dass in diesen Zahlen das Ganztagsschulprogramm enthalten ist

und auch die Kinderbetreuung für unter Dreijährige. Ebenso sind in das Finanztableau die Forschungsorganisationen eingearbeitet, die wieder mehr Geld bekommen.

   Dasselbe gilt - ich sage das ausdrücklich - für die öffentlichen Investitionen. Die Verkehrsinvestitionen bis 2007 belaufen sich immerhin auf knapp 10 Milliarden Euro

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Reden Sie doch mal von dem Mautbetrug!)

- unter Einschluss der Maut.

   Die bislang für die Eigenheimzulage verwendeten Mittel fallen nicht ersatzlos weg. Mit 25 Prozent dieses Volumens richten wir ein neues Investitionsförderprogramm für die Städte und Gemeinden ein und wir schlagen den Ländern und Kommunen vor, dasselbe zu tun. Das ist, denke ich, der richtige und moderne Weg, mit dem auf die unterschiedlichen Situationen am Wohnungsmarkt reagiert werden kann.

(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Worauf kommt es bei der Finanzpolitik an, wenn sie zum Wachstum beitragen soll? Auf der einen Seite stehen die Zukunftsaufgaben, auf der anderen Seite - das sage ich mit allem Nachdruck - geht es um die Rente. Es geht nicht so weiter, wie wir es bisher gemacht haben. Ich habe Ihnen vorhin die Zahlen genannt. Deswegen haben wir im Haushaltsentwurf eine Absenkung des Bundeszuschusses um 2 Milliarden Euro vorgesehen. Gleichzeitig muss eine Stabilisierung des Rentenversicherungsbeitrages erfolgen. Das alles wird ein hartes Geschäft.

   Meine Damen und Herren, wir werden uns angesichts der Dramatik der Zahlen darauf konzentrieren müssen, sicherzustellen, dass Altersarmut, die wir heute Gott sei Dank nicht mehr haben, trotz der dramatischen demographischen Veränderungen auch in Zukunft nicht entsteht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wir das leisten können, werden wir uns in der Finanzpolitik von vielen schönen Dingen verabschieden müssen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Seit acht Jahren machen Sie alles zunichte!)

Auch das ist ein Argument dafür, warum wir uns die Eigenheimzulage und anderes nicht mehr leisten können. Wir sind voll dadurch gefordert, Altersarmut in der Zukunft zu vermeiden. Wenn Sie die vielen schönen großen Umverteilungstöpfe, die wir im Steuersystem in der Mitte der Gesellschaft eingerichtet haben, behalten wollen, dann kommen Sie um massive Steuererhöhungen nicht herum. Das wäre die Alternative, aber das ist genau der Weg, den ich nicht gehen will.

   Ich bin froh, dass die Mehrwertsteuerdebatte einen sanften Tod gestorben ist; denn der Subventionsabbau ist in der Tat der richtige Weg.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jürgen Koppelin (FDP): Weiß Frau Simonis das?)

   Das Gesamtpaket, das wir zur Konsolidierung vorschlagen, umfasst 14 Milliarden Euro für den Bundeshaushalt, 23 Milliarden Euro für den gesamtstaatlichen Haushalt - Bund, Länder und Gemeinden außer Acht gelassen; das geschieht im Rahmen der Agenda 2010 zur Konsolidierung der sozialen Sicherungssysteme.

   Man wird sich fragen müssen, meine Damen und Herren - das ist der entscheidende Punkt -, wie Konsolidierungspolitik in einer Phase der Stagnation aussieht. Muss sie anders sein als in einer Phase des Wirtschaftswachstums wie 1999/2000, als wir diese Politik eingeleitet haben? Ich sage ausdrücklich: ja. Denn wenn wir in einer Phase der Stagnation 23 Milliarden Euro - 14 Milliarden Euro allein für den Bund - aus dem Kreislauf herausnehmen, dann wirkt das natürlich zunächst kontraktiv.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

Das Wichtigste aber ist: Wir müssen heraus aus der Stagnation und hinein ins Wachstum,

(Lachen bei der CDU/CSU - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das machen Sie doch kaputt!)

weil wir anderenfalls unsere Probleme nicht lösen. Deswegen legen wir dieses Konzept auf den Tisch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Angesichts dieses Konsolidierungspaketes, das wir auf den Tisch legen, ist es auch richtig, dass wir vorschlagen, die nächste Stufe der Steuerreform, die für 2005 vorgesehen ist, um ein Jahr vorzuziehen, um einen Wachstumsimpuls zu geben und dafür zu sorgen, dass die Finanzpolitik in einer stagnativen Phase nicht kontraktiv wirkt. Darauf kommt es an, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Übrigens ist es schon verwunderlich, wie sich bei Ihnen die Positionen ändern. Ich denke, diese Spielchen sollten wir jetzt einmal lassen. Sie waren bereit, Steuersenkungen auch in ganz anderen Phasen vorzunehmen, völlig unabhängig davon, welche Staatsverschuldung das nach sich zieht. Ich erinnere mich lebhaft daran, was Sie hinsichtlich der Steuerreform 2000 gesagt haben - das war Ihnen alles nicht genug. Ich erinnere mich lebhaft daran, was Sie vorigen Sommer erzählt haben, und daran, was Herr Koch noch vor der Landtagswahl gesagt hat, nämlich das sei eine Phase, in der man Schulden machen müsse. Die Konsequenz ist jetzt, dass Hessen von einer Ratingagentur heruntergestuft worden ist.

   Ich wiederhole es: Wenn man den Mut hat, nicht auszuweichen und auch in Phasen der Stagnation harte Strukturreformen in den Sozialsystemen und im Haushalt durchzuführen, ist man quasi gezwungen, vonseiten der Finanzpolitik einen Wachstumsimpuls zu geben. Deshalb wundere ich mich darüber, dass in den letzten Tagen in der Presse zu lesen ist, wir würden unser Wachstumsziel aufgeben. Wir geben es nicht auf; aber wir sagen, dass es schwer zu erreichen ist. Das Vorziehen der nächsten Stufe der Steuerreform ist ein Element zur Abwehr der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts und zur Erreichung des Wachstums und des Beschäftigungsaufbaus. Darum geht es.

   Den Vorteil haben der Mittelstand wegen seiner verbesserten Investitionsbedingungen und eine große Zahl von privaten Haushalten.

(Dr. Günter Rexrodt (FDP): Reiner Hohn!)

   Was die Finanzierung angeht, so sage ich: Wir bauen Steuersubventionen ab. Ich habe schon wieder gehört: Was Sie da machen, passt uns nicht. - Im Rahmen der Umsatzsteuer beseitigen wir einige Ungleichbehandlungen der Landwirtschaft.

   Ferner setzen wir Privatisierungserlöse ein. Dadurch werden die 7 Milliarden Euro, die der Bund braucht, um 2 Milliarden Euro reduziert. Das kann auch mehr werden. Aber ich kann jetzt nur das veranschlagen, was ich jetzt zusagen kann. Ich will die Märkte nicht negativ beeinflussen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Bei Maastricht hilft Ihnen das nicht!)

Wenn es am Aktienmarkt so weitergeht, wie es gegenwärtig der Fall ist, dann wird man möglicherweise auch früher über andere Privatisierungserlöse reden können, aber auch nur dann. Ich privatisiere nur, wenn es vom Kurs her vertretbar ist, andernfalls nicht.

   Ferner haben wir eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme vorgesehen. Eine der Bedingungen dafür lösen wir selber ein, indem wir die Finanzhilfen weiter abbauen, nämlich im Zeitraum der mittelfristigen Finanzplanung jedes Jahr mindestens um 5 Prozent. Außerdem bieten wir dem Bundesrat an, dass wir uns über einen weiteren Abbau steuerlicher Subventionen ab 2005 verständigen, einen Abbau, der über das hinausgeht, was in unserem Konzept steht und was die Herren Koch und Steinbrück nach meinen Erwartungen vorlegen werden; denn es ist vernünftig, diesen Weg des Abbaus von Subventionen konsequent weiterzugehen, egal welcher Lobbyist jeweils gerade dagegen ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich sage ausdrücklich: Das Vorziehen der Steuerreform, das die öffentlichen Haushalte mit insgesamt 16,6 Milliarden Euro belastet, ist mit dem 23-Milliarden-Paket längst abgegolten. Dass die Länder sagen, sie wollten noch mehr zur Konsolidierung ihrer Haushalte tun, ist in Ordnung. Der Bund tut das ja auch. Infolgedessen kann ich das nur begrüßen. Aber ich betone: Der Bund hat die Bedingungen geschaffen, die man vernünftigerweise schaffen kann. Es liegt am Bundesrat und an den Länderregierungen, dem Vorziehen der Steuerreform und damit einem Wachstumsimpuls in einer stagnativen Phase zuzustimmen. Da wird auch die FDP, wenn die CDU nicht will, in den Landesregierungen, in denen sie mitregiert, denke ich, ein Wort mitzureden haben. Da werden Sie sich entscheiden müssen.

   Meine Damen und Herren, dies ist eine Politik, die mit dem Dreiklang von Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen auch unsere europäischen Verpflichtungen erfüllt.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

   Sie können - das mag Ihnen nicht passen - gerade heute Morgen im „Handelsblatt“ lesen, was der zuständige Kommissar der Europäischen Union dazu sagt. Die Bundesregierung bekennt sich zum Stabilitäts- und Wachstumspakt mit all seinen Elementen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nur noch formell!)

- Ich komme gleich darauf zurück. - Wir werden alles daransetzen, dass wir das 3-Prozent-Kriterium im nächsten Jahr erfüllen. Das wird schwierig. Darum ist überhaupt nicht herumzureden. Es bedarf auch eines höheren Wirtschaftswachstums. Es bedarf aller Anstrengungen, die ich eben geschildert habe.

   In Brüssel ist übrigens bekannt - man muss sich nur die Zahlen ansehen -, dass Deutschland bei all den Schwierigkeiten, die es hat, das Land mit den geringsten Schätzabweichungen, bei der Projektion von Finanzierungssalden ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Jetzt sind wir auch noch die Musterschüler in Europa!)

- Seien Sie vorsichtig! Ich glaube nicht, dass Sie gelesen haben, was der schwedische Ministerpräsident Göran Persson, der die großen Länder zu Recht kritisiert hat, gesagt hat.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der Spitzenpleitier als Musterschüler!)

Er hat nämlich gesagt: Die großen Länder haben in den 90er-Jahren, als wir, die kleinen, die Konsolidierung eingeleitet haben, dies nicht gemacht. - Der Vorwurf richtet sich nicht an uns; denn als wir an die Regierung kamen, haben wir die Konsolidierung sofort eingeleitet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie sind ein übler Täuscher!)

   Hätten Sie drei Jahre früher angefangen, wären wir nicht mit 1,2 Prozent Defizit, sondern - wie die kleineren Länder - mit einem ausgeglichenen Haushalt oder mit einem kleinen Überschuss in die Stagnationsphase gegangen und mit dem 3-Prozent-Kriterium gäbe es keine Probleme. Deswegen sind jetzt alle gefordert.

   Verehrter Herr Storm, Sie haben, wie in der Zeitung nachzulesen war, gesagt, die sozialen Sicherungssysteme seien nicht dazu da, dem Bundesfinanzminister zu helfen, das 3-Prozent-Kriterium zu erfüllen. Das ist völlig falsch. Das 3-Prozent-Kriterium ergibt sich aus der Situation der sozialen Sicherungssysteme, des Bundeshaushalts, der Länderhaushalte und der kommunalen Haushalte.

Ich bin bereit, für all das die Verantwortung zu übernehmen, über was ich entscheiden kann. Aber es gibt Dinge, über die andere entscheiden. Deswegen sage ich ausdrücklich: Bei der Konsolidierung der Sozialsysteme, des Bundeshaushaltes, der Länderhaushalte und der Kommunen ist ein Zusammenwirken aller gefordert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Was in Europa und in Deutschland fehlt, ist nicht Stabilität. Deutschland ist in Sachen Stabilität der Musterschüler der Europäischen Union.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Dabei bleibt es. Was aber fehlt, ist Wachstum - das ist wahr -, und zwar im dritten Jahr infolge.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie sind ein Schauspieler! Ein schlechter obendrein!)

Deutschland hat als größte Volkswirtschaft in der Europäischen Union eine besondere Verantwortung.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das ist schon tragisch! Diese Rede ist tragisch!)

   Auch kleinere Länder, die sehr lange auf einem ziemlich hohen Roß gesessen haben, schauen inzwischen sehr nachdenklich - das Pendel ist stark zur anderen Seite ausgeschlagen - auf ihr Wachstum und ihre Haushaltsdefizite. Polen, die Beitrittsländer und die kleineren Länder um uns herum stellen jetzt die Frage - es ist nicht nur die eine von Herrn Balcerowicz, die ich gelesen habe -: Was ist mit eurem Wachstum? Wir wollen aus diesem Loch endlich herauskommen. - Vor uns liegt eine riesige Aufgabe.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Was ist denn mit dem Wachstum? - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ihre Politik wird in Schweden als Argument gegen die Einführung des Euro angeführt! Das ist die Wahrheit!)

- An dem Beispiel Schweden sehen Sie, dass Sozialdemokraten eine gute Politik machen; das ist überhaupt keine Frage.

   Wir müssen ein großes Paket schnüren. Unsere Antwort liegt in dem Dreiklang von Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen. Es wird in diesem Herbst für alle in diesem Lande sehr anstrengend werden, übrigens auch für die gesetzgebenden Körperschaften. Unsere Antwort wird in Brüssel wie auch beim Internationalen Währungsfonds verstanden. Stimmen von außerhalb Deutschlands sagen: Wir hätten nicht gedacht, dass Deutschland in Bewegung kommt; in Deutschland geht es richtig voran.

(Lachen bei der CDU/CSU)

Darauf kommt es an.

(Zuruf von der CDU/CSU)

- Ich will gar nicht mehr über die Vergangenheit reden. Wenn ich das tun würde, dann müsste ich auch über Ihre Vergangenheit reden. Was soll denn das? Wir müssen vorankommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Dass Sie von Ihren Taten ablenken wollen, kann ich verstehen!)

   Die Menschen wollen,

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Eine neue Regierung! Das würde alle freuen!)

dass das Land für die Zukunft fit gemacht wird, auch wenn es schmerzlich ist. Es gibt eben keine Medizin, die nicht bitter schmeckt.

   Unsere Vorschläge liegen, wie Sie es immer gefordert haben, auf dem Tisch. Sie müssen sie nicht mögen. Wir haben unsere Verhandlungsbereitschaft längst erklärt. Ich habe dem Finanzplanungsrat angeboten, eine gemeinsame Arbeitsgruppe von Bund, Länder und Gemeinden einzurichten und über die Folgekosten von Bundesgesetzen zu reden. Die B-Seite war aber vor der Bayernwahl nicht in der Lage, zu verhandeln. Was ist denn das für ein Verständnis von den Problemen in diesem Land?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Damit komme ich zu Ihrer Verantwortung. Man kann der Meinung sein, dass die Opposition keine Vorschläge machen muss; die Regierung muss Vorschläge machen. Das ist in Ordnung. Aber die meisten Entscheidungen können im föderalen System - ich bin Föderalist, auch wenn ich inzwischen an manchen Stellen ein Fragezeichen setzen würde - von Bundestag und Bundesrat, in denen es gegenwärtig unterschiedliche Mehrheiten gibt, nur gemeinsam getroffen werden.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist ja ganz neu! - Volker Kauder [CDU/CSU]: Haben Sie von Lafontaine gelernt?)

- Ja, das ist ganz neu.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Als Sie im Bundesrat blockiert haben, hörten sich Ihre Ausführungen anders an!)

   Es gibt drei Möglichkeiten, wie Sie sich mit Ihrer Mehrheit verhalten können. Sie können erstens die Landesregierungen ihre verfassungsmäßige Pflicht tun lassen. Das ist in Ordnung. Wir kommen damit klar, wenn Sie die Landesregierungen nicht an die parteipolitische Leine legen wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie können zweitens eine Blockadepolitik machen - ich komme gleich noch darauf zurück -, weil Sie sich nicht einigen können.

(Widerspruch bei der CDU/CSU - Zurufe von der CDU/CSU: Schröder! Lafontaine!)

Das ist aber unverantwortlich. Drittens können Sie ein eigenes Konzept vorlegen, weil Sie, Frau Merkel, nicht wollen - das kann ich verstehen -, dass die Bundespartei und die Union in den Ländern nicht einig sind. Aber dann müssen Sie auch ein Konzept auf den Tisch legen. Wo sind denn Ihre Vorschläge zu den Strukturreformen in diesem Land?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Was ist denn Ihr Konzept zur Haushaltskonsolidierung beim Bund, bei den Ländern und Gemeinden? Was ist Ihr Konzept zum Vorziehen der Steuerreform? Was ist Ihr Konzept zur Gemeindefinanzreform? Wo sind die gemeinsamen Stellungnahmen der Union zu einigen Schwerpunkten der Haushaltskonsolidierung, zur Eigenheimzulage, zur Entfernungspauschale und zu anderen Punkten? Wo ist das gemeinsame Konzept der Union, sehr verehrte Frau Merkel? Man hat gedacht: Die mogeln sich durch - das kann ich politisch verstehen -, um bei den Wählern besser dazustehen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Erledigen Sie endlich einmal Ihre Arbeit!)

Denn nichts, was man jetzt auf den Tisch legt, ist angenehm. Das ist wahr; Medizin ist bitter.

   Nach der Hessen- und der Niedersachsenwahl haben eine Reihe Unionskollegen gesagt, nun könne man anfangen, miteinander zu reden. Nichts ist geschehen! Sie haben wieder Zeit gebraucht. Einen ganz kleinen Teil des Gesetzes zum Abbau von Steuervergünstigungen haben Sie schließlich zuwege gebracht.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Weil ihr nichts zustande bringt!)

Dann war die Frage: Vielleicht geht es nach der Bremenwahl? Es ging wieder nicht.

   Jetzt heißt der neue Termin: Bayernwahl. Herr Koch und Herr Steinbrück werden nichts vorlegen, bevor die Bayernwahl nicht vorüber ist. Was heißt denn das? Das heißt, dass Sie vor der Bayernwahl nicht sagen wollen, was Sie im Hinblick auf die Eigenheimzulage, die Pendlerpauschale und viele andere Dingen vorhaben. Ist das ein Verhalten, das in dieser Situation unseres Landes angemessen ist?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden uns wohl damit abfinden müssen, dass das so ist. Wir werden aber auch den Menschen im Lande sagen müssen, dass das so ist.

   Nach der Bayernwahl ist definitiv Schluss: Entweder Sie versündigen sich an diesem Lande - ich hoffe das nicht -

(Volker Kauder [CDU/CSU]: Das haben wir von Lafontaine gelernt! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh! - Pfui!)

oder Sie kommen nach der Bayernwahl mit einem schlüssigen Konzept oder Sie lassen die Landesregierungen ihre verfassungsmäßige Pflicht tun.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   So viele Reformnotwendigkeiten und - auch das sage ich - so viele Reformmöglichkeiten wie gegenwärtig hat es nie zuvor in Deutschland gegeben. Wir müssen die jetzige Situation, die verdammt schwierig ist, nutzen. Es braucht eine große gemeinsame Kraftanstrengung in diesem föderalen Staat. Das erwarten die Menschen und das ist unsere Verantwortung für dieses Land und für Europa.

   Die Chancen stehen besser als je zuvor in den letzten drei Jahren, dass wir aus der Stagnation herauskommen, dass wir, wenn wir das zart keimende Pflänzchen des Aufschwungs mit einer entschlossenen Politik der Strukturreformen, der Haushaltskonsolidierung und der Wachstumsimpulse richtig begießen, aus der Wachstumsschwäche herauskommen und wieder in ein ordentliches Wirtschaftswachstum hineinkommen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Mit Rot-Grün passiert das nie!)

Es kann gelingen und es wird gelingen, wenn Sie bereit sind, Ihren Teil der Verantwortung, der Ihnen nach der Verfassung über den Bundesrat zugewiesen wird, ist übernehmen. Wir sind zu jedem vernünftigen Gespräch und auch zu Kompromissen, die in der Sache weiterführen, bereit.

   Dies ist der Weg, Deutschland aus einer schwierigen Lage herauszuführen. Lassen Sie uns das gemeinsam anpacken!

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

   Bevor ich die Aussprache eröffne, begrüße ich auf der Tribüne den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Herrn Dr. Engels.

(Beifall)

Herr Engels, ich freue mich, dass Sie an diesen Beratungen teilnehmen.

   Ich eröffne die Aussprache. Als erster Redner hat das Wort der Kollege Friedrich Merz von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

   Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion wurde am Wochenende in verschiedenen Zeitungen aus der Klausurtagung der Fraktion der SPD am letzten Donnerstag mit den Worten zitiert: Hans, das reicht erst mal!

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Diese Worte hätte man auch heute Morgen sagen können. Wahrscheinlich reicht es bald endgültig.

   Herr Eichel, das, was Sie heute Morgen dargeboten haben, war eine bizarre Veranstaltung:

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

30 Minuten Kritik an der Opposition!

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Völlig zu Recht!)

Das Einzige, was Sie offensichtlich noch mit Ihrer Fraktion und Ihrer Regierung verbindet, ist die Kritik an der Opposition.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie machen es uns auch leicht!)

   Wer während Ihrer Rede - Herr Eichel, Sie konnten es nicht beobachten - das Mienenspiel der Regierung - insbesondere das des Bundeskanzlers - gesehen hat, der konnte sich ein Bild davon machen, wie der Stand des Bundesfinanzministers in der Regierung ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr wahr!)

Herr Bundeskanzler, Sie haben während dieser Rede genauso wie in den letzten Tagen vor dem Abgang Rudolf Scharpings geschaut. Mit dem gleichen Gesichtsausdruck haben Sie hier auf der Regierungsbank gesessen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie wissen doch, dass das, was heute vorgelegt worden ist, keinen Bestand hat. Sie wissen doch, dass wir hier einen Haushaltsentwurf beraten, dessen Grundlage schon überholt ist, bevor er überhaupt in der ersten Lesung im Deutschen Bundestag beraten worden ist. Sie, Herr Eichel, wissen doch, dass es so ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das haben Sie sich wohl aufschreiben lassen!)

Sie kämpfen hier ganz offenkundig Ihren letzten Kampf. Sie stehen mit dem Rücken zur Wand.

(Joseph Fischer, Bundesminister: Peinlich!)

Sie sind politisch, fachlich und auch persönlich gescheitert.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Eine tragische Figur!)

Herr Eichel, in einer solchen Situation müsste die Opposition eigentlich den Rücktritt des zuständigen Finanzministers fordern.

(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, das ist ja langweilig! Sagen Sie etwas zur Gemeindefinanzreform! - Joseph Fischer, Bundesminister: Peinlich!)

- Ich lasse mich durch Zwischenrufe normalerweise nicht irritieren, aber die Art und Weise, in der Sie, Herr Bundesaußenminister, sich auf der Regierungsbank aufführen, ist für einen Außenminister der Bundesrepublik Deutschland unerträglich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es ist wirklich unerträglich, wie Sie auf der Regierungsbank herumröhren. So hat sich noch kein deutscher Außenminister benommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und dem Bündnis 90/Die Grünen - Dr. Uwe Küster [SPD]: So hat sich ein Herr Merz noch nie blamiert!)

   Es ist noch kein Jahr her -

(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sie laufen ja davon!)

es war am 12. September 2002 -,

(Walter Schöler [SPD]: Da waren Sie noch Fraktionsvorsitzender!)

dass wir über den Bundeshaushalt 2003 beraten haben. Herr Finanzminister, Sie haben damals Ihren Konsolidierungskurs verteidigt und zehn Tage vor der Bundestagswahl - wohl wissend, dass die Zahlen eine ganz andere Sprache sprachen - hier im Deutschen Bundestag gesagt - ich zitiere -:

Nach 21,1 Milliarden Euro in diesem Jahr bleibt es bei der für 2003 geplanten Neuverschuldung in Höhe von 15,5 Milliarden Euro. An diesem Wert werden wir festhalten.

Das Protokoll verzeichnet „Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des Bündnisses 90/Die Grünen“.

   Als wir den Haushalt im März dieses Jahres verabschiedeten - wissend, dass auch diese Zahlen schon wieder überholt waren -, haben wir über 18,9 Milliarden Euro Neuverschuldung gesprochen und abgestimmt. Heute hätten Sie zunächst einmal dem Deutschen Bundestag einen Nachtragshaushalt zum Haushalt 2003 vorlegen müssen;

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

denn als Sie Anfang September der EU-Kommission nach Brüssel richtigerweise die zu erwartende Defizitüberschreitung meldeten, wussten Sie auch, wie sich der Haushalt des laufenden Jahres 2003 bis zum Jahresende voraussichtlich entwickeln wird.

   Warum haben Sie heute keinen Nachtragshaushalt für das laufende Jahr 2003 vorgelegt? Sie hätten es tun müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie hätten dabei eingestehen müssen, dass Sie die Defizitgrenze des laufenden Budgets wegen der Mindereinnahmen bei den Steuern um 7 Milliarden und wegen des erhöhten Zuschusses an die Bundesanstalt für Arbeit um 10 Milliarden Euro noch einmal überschreiten werden. Sie hätten eingestehen müssen, dass Sie bei der Arbeitslosenhilfe 2 Milliarden Euro drauflegen müssen und wahrscheinlich ein Liquiditätsproblem in der Rentenversicherung bekommen werden, sodass im Oktober wahrscheinlich - erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland - ein Zuschuss an die deutsche Rentenversicherung gewährt werden muss, damit die Renten überhaupt noch ausgezahlt werden können.

   Sie hätten ferner darauf hinweisen müssen, dass Sie bereits im laufenden Haushaltsjahr 2003 ein unkalkulierbares Zinsrisiko tragen; denn der Schuldendienst des Staates hat sich in kürzester Zeit erheblich verteuert. Da Sie zu Beginn Ihrer Amtszeit von den so genannten Langläufern auf die Kurzläufer umgestellt haben, tragen Sie kurzfristig ein Zinsrisiko für das laufende Haushaltsjahr 2003 in einem beträchtlichen Umfang und in einem noch höheren für das Jahr 2004.

   Das alles hätten Sie hier heute sagen müssen. Stattdessen haben Sie eine halbe Stunde lang die Opposition beschimpft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie haben es erneut für richtig gehalten, die deutsche Einheit als Erklärung dafür heranzuziehen, warum Sie so große Schwierigkeiten haben. Im selben Atemzug haben Sie gesagt, dass wir in Deutschland im Jahr 2001 - zu diesem Zeitpunkt war die deutsche Einheit bereits zehn Jahre her - ein hohes Wachstum gehabt haben. Danach ist das Wachstum in diesem Land abrupt eingebrochen. Das hat doch nichts mehr mit der deutschen Einheit zu tun! Es ist geradezu perfide, 17 Millionen Deutsche in den neuen Bundesländern für die Erklärung der Probleme in Anspruch zu nehmen, die diese Regierung hat. Die Probleme haben nichts mit den Menschen dort und mit der deutschen Einheit zu tun, sondern mit Ihrer Regierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz Müntefering [SPD]: Sie sind frech und dumm! Das, was Sie hier gerade gemacht haben, ist nicht in Ordnung! Das hat der Finanzminister so nicht gesagt!)

- Herr Müntefering, ich sage Ihnen das zum wiederholten Male von dieser Stelle aus: Wir lassen uns von Ihnen, von denjenigen, die damals abseits gestanden haben, als es darum ging, eine der größten Aufgaben dieses Landes zu bewältigen, keine Vorwürfe hinsichtlich einer falschen Finanzierung der deutschen Einheit machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz Müntefering (SPD): Sie sind frech und dumm!)

   Meine Damen und Herren, es gibt gegenwärtig einen hoch interessanten Vortragszyklus an der Humboldt-Universität zu Berlin. Zu diesen Vorträgen werden diejenigen Männer und Frauen eingeladen, die damals in der Treuhandanstalt gesessen haben - es war parteiübergreifend Konsens, dass das die richtigen Männer und Frauen gewesen sind und die schwierigste Aufgabe im Zusammenhang mit der deutschen Einheit - man muss besser sagen: bei der Überwindung der deutschen Teilung - zu bewältigen hatten. In dieser Vortragsreihe brachten alle Beteiligten, die dort bisher gehört wurden, übereinstimmend zum Ausdruck, dass die Finanzierungsmethode, wie sie von der Regierung Kohl/Waigel gewählt worden ist, nämlich ein Drittel über höhere Verschuldung, ein Drittel über die sozialen Sicherungssysteme und ein Drittel über höhere Steuern - diese sind erhoben worden - zu finanzieren, damals richtig gewesen ist und dass sie auch aus der Rückschau zu keinerlei grundlegenden Korrekturen Anlass gibt. Das muss hier gesagt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz Müntefering (SPD): Darum geht es doch überhaupt nicht!)

   Ich weiß, dass große Teile der Regierung dabei sind, die deutsche Geschichte umzuschreiben.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, hier geht es nicht nur um die Details einer Haushaltsdebatte, hier geht es um ganz grundlegende Richtungsentscheidungen für dieses Land. Mit diesen stereotyp wiederholten Vorwürfen an die frühere Regierung versuchen Sie, vergessen zu machen, was Sie damals im Deutschen Bundestag - er war noch in Bonn - zur Bewältigung dieser Aufgabe beigetragen haben.

(Franz Müntefering (SPD): Darum geht es doch überhaupt nicht!)

Es ist eine jämmerliche Leistung, die Sie damals erbracht haben. Das wollen Sie heute alle miteinander vergessen machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Bevor ich auf die Haushaltsdaten eingehe, muss ich noch einige Bemerkungen machen, weil es der Bundesfinanzminister wieder einmal für richtig gehalten hat, die Opposition und zum Teil auch mich persönlich zu kritisieren. Sie haben völlig zu Recht auf die demographische Entwicklung hingewiesen, Herr Eichel. Aber wer hat denn den demographischen Faktor in der Rentenversicherung eingeführt und wer hat ihn wieder abgeschafft? Das war nicht die Opposition, das war Ihre Regierung!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt führen Sie lauthals Klage darüber, dass ein Drittel der Ausgaben im Bundeshaushalt in die Rentenversicherung fließt. Wer hat das denn zu verantworten? Doch nicht die Opposition. Ihre fatale Fehlentscheidung, die Rentenreform so zu strukturieren, hat dazu geführt, dass mittlerweile mehr als ein Drittel der Rentenauszahlungen nicht mehr über Beiträge finanziert wird, sondern über Steuern finanziert werden muss. Das Problem haben Sie verursacht, Herr Eichel, nicht die Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Das wussten Sie vor der Wahl!)

   Sie haben hier etwas zur Gewerbesteuer gesagt. Sie waren nach den Koalitionsverhandlungen 1998 kein Bundesminister - das wurden Sie erst später -, kennen aber sicherlich den dort verabschiedeten Koalitionsvertrag. In diesem Koalitionsvertrag zwischen SPD und Bündnis 90/Die Grünen gibt es eine Verabredung, zur Reform der Kommunalfinanzen eine Kommission einzusetzen. Das muss nicht immer falsch sein. Häufig stellt die Einsetzung einer Kommission die Flucht aus der politischen Verantwortung dar, manchmal kann es aber auch richtig sein. Ich vermute, in diesem Fall war diese Entscheidung richtig. Aber hätten Sie es nur getan. Es hat über drei Jahre gedauert, bis diese Kommission ins Leben gerufen wurde.

Sie ist im Juni 2001 berufen worden. Dann haben Sie dort anderthalb Jahre beraten. Es sind sieben verschiedene Modelle diskutiert, zwei sind konkret gerechnet worden.

   Als dann die Bundesregierung - am 13. August war es wohl - ein eigenes Konzept vorlegte, waren alle Beteiligten dieser Kommission hochüberrascht, dass nicht Modell eins, zwei, drei, vier, fünf, sechs oder sieben vorgeschlagen wurde, sondern ein achtes Modell. Plötzlich saßen Sie mit Ihrem Vorschlag zur Gewerbesteuer zwischen allen Stühlen. Das ist doch nicht das Problem der Opposition. Es ist Ihr Problem, Herr Eichel, dass Sie die Dinge nicht im Griff haben

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

und dass Sie selber nicht wissen, was Sie bei der Gewerbesteuer nun wirklich machen wollen, dürfen, sollen oder müssen. Ihr Entwurf ist Ihnen in der letzten Woche doch nicht von unserer Fraktion aus der Hand genommen worden, sondern von Ihrer.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

   Herr Bundeskanzler, da Sie so fröhlich schauen:

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Sie haben es für richtig gehalten, die Grünen bei dieser Fraktionsklausur zu kritisieren und zum Besten zu geben, was Sie da alles „zum Kotzen“ fänden. Mit Verlaub, angesichts dessen, was wenige Tage später die „Leipziger Volkszeitung“ geschrieben hat, fällt es mir schwer, dem zu widersprechen:

Politisch aber, um in des Kanzlers Sprachgebrauch zu bleiben, darf man „zum Kotzen“ finden, was die Mächtigen bei Rot-Grün in Sachen Vertrauen und Verlässlichkeit zustande bringen. Allein die angekündigte Nachbesserung des nachgebesserten Eichel-Clement-Vorschlages zur finanziellen Besserstellung der Gemeinden ist eine Zumutung.

Meine Damen und Herren, das richtet sich an Sie, nicht an die Opposition im Deutschen Bundestag.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ihr Vorgehen war nicht gerade vertrauensbildend!)

   Ich will Ihnen klar und deutlich sagen: Es gibt bei uns bei diesem sehr komplexen Thema in der Tat unterschiedliche Auffassungen.

(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ach, immer noch? - Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Haben Sie das immer noch nicht hingekriegt?)

- Entschuldigung, auch wir sind eine Volkspartei.

(Zuruf des Bundesministers Joseph Fischer)

- Jetzt meckert und lacht er wieder auf der Regierungsbank herum! Ich weiß nicht, ob Sie etwas von Gewerbesteuer und Kommunalpolitik verstehen, Herr Bundesaußenminister.

   Dies ist in der Tat ein komplexes Thema. Aber eines ist doch klar - insofern gibt es hier eine gemeinsame Verantwortung -:

(Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja ganz neu!)

Wir wollen mit Ihnen zusammen

(Zuruf der Abg. Christine Scheel [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])

- Frau Scheel, auf Sie komme ich gleich auch noch -

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Joseph Fischer, Bundesminister: Er ist aber empfindsam!)

den Gemeinden im Jahr 2004 helfen. Den Gemeinden muss geholfen werden. Wir machen hier erneut den Vorschlag, die Gemeinden stärker an der Umsatzsteuer zu beteiligen und die Gewerbesteuerumlage abzusenken.

(Krista Sager [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Die wollen aber etwas anderes, Herr Merz!)

Wir machen auch den Vorschlag, den Gemeinden auf der Ausgabenseite zu helfen. Denn nicht nur auf der Einnahmenseite haben sie ein Problem, sondern nach meiner Einschätzung sogar ein größeres auf der Ausgabenseite.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Aber glauben Sie denn im Ernst, dass nach einer langen, fruchtlosen Debatte in der Regierung in den Monaten September, Oktober, November und Dezember eine grundlegende Reform der Kommunalfinanzen noch wirklich möglich ist? Was Sie jetzt diskutieren, wäre - selbst wenn es denn verabschiedet würde, wenn wir sozusagen völlig willenlos all dem zustimmen würden, was Sie da machen - Pfusch und Flickwerk. Das ist doch keine wirkliche Reform.

   Ich biete Ihnen deswegen noch einmal an: Lassen Sie uns gemeinsam den Gemeinden helfen.

(Franz Müntefering [SPD]: Für wen sprechen Sie denn? - Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sprechen Sie für alle? Haben Sie sich jetzt mit Ihrem Vorschlag durchgesetzt? Das wäre neu!)

- Für uns.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

- Man kann nicht alle Papiere lesen, die im Deutschen Bundestag vorgelegt werden. Herr Müntefering, das gestehe ich Ihnen gerne zu. Aber lesen Sie doch einmal die Anträge, die die CDU/CSU-Bundestagsfraktion dazu gestellt hat.

   Wir haben Ihnen in Form eines Antrages den konkreten Vorschlag gemacht, den Gemeinden mit einer Absenkung der Gewerbesteuerumlage und mit einer höheren Umsatzsteuerbeteiligung zu helfen. Wir stehen zu diesem Antrag. Sie brauchen dem nur zuzustimmen. Dann haben wir für das Jahr 2004 geholfen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren, wir reden mit Ihnen leider noch nicht über den Nachtragshaushalt 2003; das wird irgendwann im November kommen, im Nachhinein. Wir reden jetzt über den Haushalt 2004. Jedenfalls sollten wir den Versuch unternehmen, einmal wieder über diesen Haushalt zu sprechen.

   Heute Morgen hat die Vorsitzende des Finanzausschusses im Radio ein Interview gegeben. Sie hat dabei erstaunlich offen eingeräumt,

(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist so ein Plappermäulchen!)

dass es erhebliche Probleme mit einer der ganz wesentlichen Grundvoraussetzungen für einen soliden Haushalt gibt, nämlich mit den Wachstumserwartungen für das Jahr 2004. In der dazugehörigen Agenturmeldung - ich habe das Radiointerview nicht hören können - steht:

Nach Einschätzung der Grünen-Finanzexpertin Christine Scheel

- Vorsitzende des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages -

ist auch die Konjunkturannahme von 2 Prozent Wirtschaftswachstum für 2004 überholt. Gegen ein solches Wachstum sprächen derzeit alle Indikatoren ...
(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört! - Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist ja zum Kotzen!)

- Zu solchen Äußerungen fällt einem dann wieder der Bundeskanzler ein.

   Uns wird heute, am 9. September, der Haushaltsentwurf dieser Bundesregierung für das Jahr 2004 vorgelegt. Dieser basiert auf einer Wachstumsannahme der Bundesregierung von 2 Prozent. Am selben Tag, zwei Stunden bevor die Beratungen im Parlament beginnen, erklärt die Vorsitzende des Finanzausschusses des Bundestages - eine Abgeordnete der Grünen! -, dass eine der wesentlichen Grundannahmen dieses Haushaltes nicht zu halten sei, da derzeit alle Indikatoren gegen sie sprächen.

(Michael Glos (CDU/CSU): So ist sie! - Max Straubinger (CDU/CSU): So sind die Grünen!)

   Meine Damen und Herren, was sollen wir von einer solchen Politik halten?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nichts! - Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist zum Kotzen!)

Ich sage Ihnen: Das, was Sie hier heute vorgelegt haben, ist keine beratungsfähige Grundlage. Damit verschaukeln und verladen Sie das ganze deutsche Parlament.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Merz, erlauben Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Scheel?

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Gerne.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Frau Scheel.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Jetzt korrigiert sie sich!)

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

   Herr Merz, ich finde es beachtlich, dass Sie die Agenturmeldungen so intensiv lesen. Ich bitte Sie allerdings: Wenn Sie schon zitieren, dann zitieren Sie auch zu Ende! Da Sie das nicht getan haben, will ich es gerne tun.

(Zurufe von der CDU/CSU: Frage!)

- Finden Sie nicht auch, dass es darum geht, was danach noch kommt?

Als wichtigsten Punkt für den Haushalt 2004 bezeichnete Scheel die anstehenden Entscheidungen zum Subventionsabbau.

Bezogen auf die Indikatoren steht dort vorher noch:

Es sei nun an der Politik, darauf zu reagieren.

Diese Reaktionen hat Hans Eichel in seiner Rede vorgestellt.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Union ist aufgefordert - auch das steht in dieser Agenturmeldung -, die Karten auf den Tisch zu legen, damit das Wachstum, das wir erreichen müssen, tatsächlich erreicht werden kann.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Gott schütze mich vor einem solchen Koalitionspartner!)

   Das gehört dazu, wenn man vollständig zitiert, und dazu stehe ich auch; ich halte es nämlich für richtig. Sie sind am Zug. Sagen Sie uns endlich einmal Ihre Vorschläge zum Haushalt 2004, zum Subventionsabbau und zur Gemeindefinanzreform. Davon haben wir bis heute nichts gehört.

Friedrich Merz (CDU/CSU):

   Frau Scheel, ich bin mir nicht ganz sicher, ob es nicht besser gewesen wäre, wenn ich Ihnen diese Zwischenfrage nicht ermöglicht hätte; denn diese in eine Zwischenfrage gekleidete Wortmeldung hat noch einmal das ganze Dilemma Ihrer rot-grünen Finanzpolitik schlagartig beleuchtet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie haben in dem Interview, das Sie heute Morgen gegeben haben,

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind das Risiko!)

die Opposition aufgefordert, jetzt die Gesetze zu verabschieden, die Grundlage für die Haushaltsplanung der eigenen Regierung sind. Das zeigt doch das ganze Ausmaß des rot-grünen Regierungschaos, mit dem wir auch heute Morgen hier konfrontiert werden. Damit Sie in Ihrer Koalition über die Runden kommen, appellieren Sie an die Opposition, Gesetzen zuzustimmen, die noch gar nicht eingebracht, erst recht nicht verabschiedet sind, die aber bereits heute die Grundlage für die Daten Ihres Haushaltsplans für das Jahr 2004 darstellen.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Reden Sie mal mit Ihren Kollegen in den Ländern darüber, wie sie darüber denken!)

Frau Scheel, das, was Sie tun, ist abenteuerlich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine Damen und Herren auf der Regierungsbank, nun legen Sie uns einen Haushalt vor, der, anders als im letzten Jahr, schon von den Plandaten her Art. 115 unseres Grundgesetzes verletzt, weil die Ausgaben für Investitionen niedriger sind als das bereits in den Daten angelegte zusätzliche Defizit. Geplant sind Schulden in Höhe von 30,8 Milliarden Euro, bei Investitionen in Höhe von 24,8 Milliarden Euro.

   Für das Jahr 2004 kommt erneut ein beachtliches zusätzliches Haushaltsrisiko hinzu: Sie werden erneut Steuerausfälle einbeziehen müssen; Sie werden einen Zuschuss an die Bundesanstalt für Arbeit leisten müssen, der um 5 Milliarden höher sein wird, als Sie planen; Sie werden bei der Arbeitslosenhilfe drauflegen müssen und Sie werden die Frage beantworten müssen, wie bei der Rente Einsparungen in Höhe von 2 Milliarden realisiert werden sollen.

   Meine Damen und Herren, ich will Ihnen eine Kostprobe davon geben, wie diese rot-grüne Bundesregierung arbeitet.

Laut Haushaltsbegleitgesetz wird ein um 2 Milliarden Euro niedrigerer Zuschuss des Bundes für die Rentenversicherung veranschlagt. Das dafür notwendige Gesetz, mit dem dieser Zuschuss zur Rentenversicherung um 2 Milliarden Euro reduziert werden soll, liegt uns noch nicht vor. Trotzdem schreibt die Bundesregierung in dem angesprochenen Haushaltsbegleitgesetz Folgendes:

Ausgehend von der beabsichtigten Stabilisierung des Beitragssatzes zur Rentenversicherung in 2004 bei 19,5 v. H. werden die allgemeinen Bundeszuschüsse zur Rentenversicherung um 2 Milliarden Euro jährlich reduziert. Einzelmaßnahmen zur Absicherung der Stabilisierung werden später durch Änderungen des Sozialgesetzbuches umgesetzt.

   Die dafür zuständige Ressortministerin, die es gar nicht für nötig hält, heute Morgen hier anwesend zu sein, denkt überhaupt nicht daran, Ihnen diese 2 Milliarden Euro zusätzlich zur Verfügung zu stellen, Herr Eichel, damit Sie diese 2 Milliarden Euro in den Haushalt einstellen können. - So etwas nennt man unseriöse Finanzpolitik, Herr Eichel.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ganz unabhängig davon, wie Sie den Haushalt beschließen und im nächsten Jahr umsetzen: Sie werden in jedem Falle das Grundgesetz verletzen. Nun enthält das Grundgesetz eine Ausnahmebestimmung, die eine solche Überschreitung der Defizitgrenzen erlaubt, und zwar zur - nicht „bei“! - Abwendung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts. Wie immer machen Sie es sich im Umgang mit Institutionen und Gesetzen - hier dem Grundgesetz - relativ leicht und lassen einfach im Kabinett beschließen: Nach 2002 und 2003 wird auch für 2004 die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts festgestellt.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Die Bundesregierung ist gestört!)

   So einfach kann man dies nicht machen; es war auch vom Grundgesetz nicht so vorgesehen. Denn erstens müssen die Maßnahmen, die Sie beschließen, zur Abwendung der Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geeignet sein und zweitens muss die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts an den Fakten bemessen werden können.

   Dazu hat Ihnen der Sachverständigenrat Folgendes aufgeschrieben, und zwar nicht vor drei oder vier Jahren, sondern in seinem Gutachten 2002/2003:

Der Sachverständigenrat sieht nicht, wie eine höhere Nettokreditaufnahme geeignet sein könnte, mögliche Zielverfehlungen in Form eines zu geringen Wachstums oder einer zu hohen strukturellen Arbeitslosigkeit zu korrigieren. Allenfalls könnte eine höhere Staatsverschuldung bei einer schweren Rezession als geeignetes Instrument zur Abwehr einer solchen Störung in Erwägung gezogen werden. Von einer Rezession kann gegenwärtig aber nicht gesprochen werden.

   Wir haben keine Rezession. Wir haben rezessive Tendenzen. In zwei Quartalen ist das Wachstum unter der Nulllinie geblieben. Aber eine schwere Rezession ist das nicht.

   Im Übrigen befinden Sie sich in einem fundamentalen Widerspruch, wenn Sie auf der einen Seite für das nächste Jahr ein Wachstum von 2 Prozent prognostizieren und auf der anderen Seite im Kabinett beschließen, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen zu lassen. Diesen Widerspruch müssen Sie auflösen. Das passt nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Was nun allerdings aus meiner Sicht noch schwerer wiegt als dieser rein innerstaatliche Vorgang - den kann man vielleicht noch unterschiedlich beurteilen -, ist die massive erneute Verletzung des Maastricht-Vertrages. Sie haben eben in einer Nebenbemerkung gesagt: Das, was der spanische Ministerpräsident kann, können wir auch. Es macht die Sache nicht besser, dass es um jemanden geht, der uns politisch näher steht als Ihnen. Wenn die Bundesregierung bei den Verhandlungen über die Agenda 2000 zu Beginn ihrer Amtszeit etwas härter und klarer verhandelt hätte, dann wäre das, was dort zugunsten Spaniens verabredet worden ist, nicht beschlossen worden. Das wird uns noch sehr lange belasten. Aber in Wahrheit geht diese Bemerkung über diesen eigentlichen Sachverhalt weit hinaus.

   Herr Bundeskanzler, Sie haben in der letzten Woche, unbemerkt von großen Teilen der Öffentlichkeit, in der Beachtung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes eine Kurskorrektur eingeleitet, indem Sie darauf hingewiesen haben, dass dieser Vertrag nicht Stabilitätspakt, sondern Stabilitäts- und Wachstumspakt heißt. Das ist unterschwellig mehrfach gesagt worden, darüber ist keine größere öffentliche Debatte geführt worden. Tatsächlich aber verändern Sie mit dem, was Sie gerade machen, nicht nur den Schwerpunkt innerhalb des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes, sondern Sie walzen ihn nieder.

Im Zusammenwirken mit Frankreich und Italien beseitigen Sie dieses Korsett, das wir Deutsche damals mit besonderem Nachdruck gefordert haben, weil wir wussten, was es bedeutet, eine stabile Währung haben zu müssen. Das wird jetzt von Ihnen infrage gestellt. Das Defizit wird nicht nur bei 3,8 Prozent, sondern bei mehr als 4 Prozent im laufenden Jahr liegen und damit überschreiten Sie die Defizitgrenze von 3 Prozent eindeutig.

(Franz Müntefering (SPD): Wie heißt denn nun der Pakt?)

- Der Pakt heißt Stabilitäts- und Wachstumspakt.

(Franz Müntefering (SPD): Richtig!)

- Danke für den Zwischenruf, Herr Müntefering.

   Die Möglichkeit eines Defizits von bis zu 3 Prozent ist eben einer der automatischen Stabilisatoren, die für eine Zeit schwieriger Haushaltslage und Konjunktur im Vertrag verankert wurden - in politisch normalen Zeiten geht der Vertrag von ausgeglichenen Haushalten bzw. Haushaltsüberschüssen aus -; diese 3 Prozent bedeuten doch gerade die Möglichkeit, in schwieriger Zeit die Staatsverschuldung etwas zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie überschreiten diese Grenze jetzt, was der Vertrag ausdrücklich nicht zulässt. Im Zusammenwirken mit Frankreich und Italien wollen Sie ihn in Wahrheit beseitigen, weil Ihnen Währungsstabilität weniger wichtig ist als das Strohfeuer, das Sie mit dem, was Sie planen, in der Volkswirtschaft entfachen wollen.

   Das ist der Rückfall in die kreditfinanzierten Konjunkturprogramme der 70er-Jahre,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr wahr!)

wie wir sie unter den Regierungen des Bundeskanzlers Willy Brandt und des Bundeskanzlers Helmut Schmidt schon einmal hatten.

(Joachim Poß (SPD): Dummes Zeug!)

An den Lasten der massiven Überschuldung der öffentlichen Haushalte tragen Bund, Länder und Gemeinden 30 Jahre später immer noch. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der SPD: Unglaublich!)

   Sie, Herr Bundeskanzler, sind dabei, genau die Politik zu wiederholen, die Ihr Vorgänger Helmut Schmidt einmal mit den Worten charakterisiert hat: „Mir sind 5 Prozent Inflation lieber als 5 Prozent Arbeitslosigkeit.“ Am Ende seiner Regierungszeit hatte er von beidem mehr als 5 Prozent. Auf genau diesen Weg begeben Sie sich. Sie sind nicht mehr in der Lage, die für unser Land notwendigen Strukturreformen durchzusetzen, weil Sie sich am Anfang völlig vergaloppiert haben und weil Sie plötzlich merken, dass Ihnen die Volkswirtschaft zwischen den Fingern zerfließt und insbesondere im Export und mit der Abwanderung von Unternehmen aus Deutschland ein Trend eingesetzt hat, den Sie mit der Politik, die Sie machen, nicht korrigieren können.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei der FDP)

Das ist die Wahrheit über die Lage unserer Volkswirtschaft: katastrophale Fehleinschätzungen hinsichtlich Konjunktur, Wachstumserwartungen und Arbeitsmarktentwicklungen!

Herr Eichel, Sie führen so beredt darüber Klage, dass die Menschen im ersten Arbeitsmarkt nicht mehr genügend arbeiten. Ich will Ihnen sagen: Der wesentliche Grund dafür ist, dass die Betroffenen, die Arbeitnehmer, die Arbeitgeber und die Verbraucher, das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung im ersten Arbeitsmarkt nicht mehr als angemessen empfinden. Deshalb weichen sie in die Schattenwirtschaft aus. Das werden Sie mit noch so viel Reglementierung, Bürokratie und 12 000 zusätzlichen Beamten bei der Bundesanstalt für Arbeit

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): 16 000!)

niemals korrigieren können, wenn Sie nicht dafür sorgen, dass sich reguläre Arbeit im ersten Arbeitsmarkt zu akzeptablen Bedingungen für alle Beteiligten wieder lohnt. Das ist der entscheidende Zugang zu mehr Wachstum und zu mehr Beschäftigung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich möchte zum Abschluss sagen: Sie machen es der Opposition mit der Art und Weise, wie Sie Politik betreiben und diesen Haushalt vorlegen, ziemlich leicht. Trotzdem macht es ziemlich wenig Freude, sich mit Ihnen auseinander zu setzen, wenn man das hört, was Sie heute Morgen gesagt haben. Es erfüllt uns mit tiefster Sorge, was Sie diesem Land in den nächsten zwölf Monaten zuzumuten beabsichtigen. Was diese Bundesregierung anrichtet, wird dazu führen, dass sich die nachfolgenden Generationen

(Lachen bei der SPD)

wünschen werdeb, dass Sie schon früher zum Teufel gegangen wären, als es ohnehin bald der Fall sein wird.

   Danke schön.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU - Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Joachim Poß von der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Joachim Poß (SPD):

Herr Kollege Merz! Meine Damen und Herren! Herr Präsident! Die 3 Prozent im Jahr 2004 können wir einhalten

(Lachen bei der CDU/CSU)

- wie Sie selbst wissen -, und zwar dann, wenn Sie Ihren Kurs der Obstruktion aufgeben und endlich Ihrer staatspolitischen Verantwortung für Bund, Länder und Kommunen gerecht werden.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Böse Opposition!)

Dann können wir wirklich die 3 Prozent im Jahr 2004 einhalten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das hat der Bundesfinanzminister auch heute im Einzelnen dargestellt. Wünschenswert wäre es, wenn Sie sich bewegen und schon heute - vor der Bayernwahl - Signale geben würden, dass Sie dieser Verantwortung endlich gerecht werden wollen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Das hat doch mit der Bayernwahl überhaupt nichts zu tun!)

- Das ist doch das magische Datum.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie verstehen von Bayern überhaupt nichts! - Max Straubinger [CDU/CSU]: Die SPD kriegt sowieso 20 Prozent!)

   Heute haben Sie im Übrigen bewiesen, dass ökonomische Zusammenhänge Ihre Sache nicht sind, finanzpolitische ohnehin nicht. Eines muss deutlich gesagt werden: Bei aller Härte in der Auseinandersetzung hat die Art und Weise, in der Sie heute den Bundesfinanzminister auch persönlich angegangen sind, Herr Merz,

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Zu Recht!)

das Maß des Erträglichen und Akzeptablen bei weitem überstiegen,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

im Übrigen auch wider besseren Wissens. Man muss sich dabei schon die Frage stellen: Was bilden Sie sich eigentlich ein?

   Hans Eichel hat als Bundesfinanzminister seit 1999 Enormes geleistet und tut dies noch immer.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das gilt für die Haushaltskonsolidierung, den Umbau und die Modernisierung des Steuersystems wie auch der Reform des Bank- und Börsenwesens und der Finanzverwaltung. Dafür gebührt ihm unser aller Respekt, meine Damen und Herren. Es ist schlicht unfair, die finanziellen Probleme, die sich aus der wirtschaftlichen Situation - drei Jahre Stagnation - ergeben,

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Die ihr herbeigeführt habt!)

Hans Eichel anzulasten.

   Wenn ich mir dagegen Ihre Bilanz anschaue, Herr Merz, komme ich zu dem Schluss, dass Sie mit Herrn Eichel persönliche Probleme haben müssen. Ich kann mich an kein finanzpolitisches Gesetz erinnern, dem Sie hier oder im Vermittlungsausschuss Ihren Stempel aufgedrückt haben. Sie sagen immer wieder, was Sie nicht wollen, aber nie, was Sie wirklich wollen. Konstruktiv waren Sie nie, Herr Merz.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Ich glaube eher, dass Sie Probleme mit Herrn Merz haben! Die politische Größe von Friedrich Merz werden Sie nicht erreichen!)

Das werden Sie noch lernen müssen. Gefragt sind sachorientierte Problemlösungen, aber außer blumigen Reden haben Sie nichts bewirkt, Herr Merz. Das aber reicht nicht!

   Im Übrigen scheuen Sie nicht davor zurück, zu täuschen. Sie haben Hans Eichel vorgeworfen, dass er für seine Finanzpolitik 17 Millionen Ostdeutsche in die Pflicht genommen habe.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

Das ist eine Täuschung, Herr Merz. Herr Eichel hat den Sachverständigenrat zitiert, der auf die ökonomischen Konsequenzen der deutschen Einheit hingewiesen hat. Das ist die Wahrheit. Warum täuschen Sie im Deutschen Bundestag die Öffentlichkeit?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben dem Einigungsvertrag im Deutschen Bundestag mit voller Überzeugung zugestimmt. Wir haben aber stets auf die ökonomischen und sozialen Konsequenzen hingewiesen. Wir haben auch 1990 - zu einem Zeitpunkt, als Sie systematisch getäuscht und mit diesen Mitteln auch die Wahlen gewonnen haben - die Wahrheit gesagt. Das ist die historische Wahrheit über das Jahr 1990.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Im Übrigen zählen auch noch andere Tatsachen. Wir haben tatsächlich in der Koalitionsvereinbarung 1998 die Bildung einer Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen in Aussicht gestellt. Dann aber zogen Edmund Stoiber und Herr Teufel - andere haben sich ihnen angeschlossen - mit der Forderung, den Finanzausgleich neu zu ordnen, vor das Bundesverfassungsgericht, Stichwort Solidarpakt II. Das waren die Töne, die auch in Ostdeutschland für Verstörung gesorgt haben. Erst nachdem wir diese Neuordnung gemeinschaftlich geschultert hatten, konnten wir uns der anderen Aufgabe zuwenden, wie jeder wissen müsste, der sich mit Finanzpolitik beschäftigt. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Hinsichtlich der Gemeindefinanzen gilt das, was Petra Roth am 4. September nach dem Gespräch mit Ihnen, Frau Merkel und anderen festgehalten hat, nämlich, dass Sie über dieses Thema einen Grundsatzstreit führen. Wir setzen uns mit einem Modell auseinander; Sie hingegen führen einen Grundsatzstreit. Frau Roth hat völlig zu Recht festgestellt, dass ein Sofortprogramm niemals das ersetzen kann, was die Kommunen fordern und was wir ihnen gewähren wollen, nämlich eine umfassende Gemeindefinanzreform zum 1. Januar 2004.

Darum geht es. Davon lenken Sie ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Bundesregierung hat am 13. August in mehreren Gesetzentwürfen ein umfassendes und detailliertes finanz-, arbeitsmarkt- und sozialpolitisches Maßnahmenbündel beschlossen, das von heute an Stück für Stück im Bundestag beraten wird. Dieses Konzept bietet wichtige Lösungsschritte für zentrale aktuelle und strukturelle Probleme der Gesellschaft und der öffentlichen Finanzen. In einem sehr schwierigen ökonomischen Umfeld, das der Bundesfinanzminister überhaupt nicht geleugnet hat, hat Hans Eichel mit dem Haushaltsentwurf und dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 eine schlüssige und alternativlose Konzeption vorgelegt. Von großer Bedeutung sind insbesondere seine Vorschläge zum nachhaltigen Umbau der Haushaltsstrukturen.

   Was die Opposition angeht, so herrscht leider nach wie vor ein heilloses Durcheinander; es ist überhaupt kein Lösungsansatz zu sehen. Auch Herr Merz hat einen solchen Lösungsansatz nicht geliefert, wie jeder, der zuhören kann, gemerkt haben wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wo ist denn ein konkretes, ein realistisches, ein einvernehmliches Maßnahmenbündel der Union zur Sicherstellung der dauerhaften finanziellen Handlungsfähigkeit von Bund, Ländern und Kommunen? Jede Maßnahme, die wir hier vorschlagen und die helfen könnte, wird von vornherein abgelehnt. Das ist weder konstruktiv noch verantwortungsvoll und schon gar nicht zukunftssichernd. Wo ist also die Strategie der Union zur nötigen schnellen Belebung der Wirtschaft? Was ist aus den Wahlversprechen der Union geworden, die Steuern stärker und schneller zu senken? Haben Sie all Ihre Wahlversprechen - Programm „3-mal 40 Prozent“ etc. - eingesammelt? Dann erklären Sie doch einmal deutlich, dass Sie vor der Wahl Versprechungen gemacht haben, von denen Sie wussten, dass Sie sie niemals würden einhalten können. Das ist die Wahrheit, meine Damen und Herren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Bundestagswahlkampf galt Ihnen das Senken von Steuern noch als ökonomisches Allheilmittel. Da müssten Sie uns jetzt doch ohne Wenn und Aber zustimmen, wenn die bereits vor Jahren beschlossene Steuerentlastung 2005 um ein Jahr vorgezogen wird.

   Seit Jahren redet die Union vom notwendigen Subventionsabbau. Welche Maßnahmen sie aber konkret damit meint, verschweigt sie bis heute. Auch heute, in der Rede von Herrn Merz, war wieder kein konkreter Vorschlag zum Subventionsabbau, nur heiße Luft - das ist das Programm der Union.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Immer wenn wir etwas vorschlagen - Hans Eichel hat das heute Morgen noch einmal unterstrichen -, finden Sie sofort irgendwelche Gründe, diese Vorschläge abzulehnen. Wann wollen Sie endlich mit dieser Blockade aufhören? Wird das wirklich nach der Bayernwahl sein? Bisher, noch im Frühjahr, war es doch so, dass jeglicher Abbau von steuerlichen Privilegien und steuerlichen Subventionen von Ihnen gleich als Steuererhöhung diskreditiert und torpediert wurde. Damit haben Sie übrigens - was öffentlich gar nicht so bekannt ist - Maßnahmen für eine größere steuerliche Gerechtigkeit verhindert, zum Beispiel zur verstärkten Bekämpfung von Steuerhinterziehung und zur Besteuerung von Veräußerungsgewinnen. Sie, die Union, verhindern mehr soziale und steuerliche Gerechtigkeit in der Bundesrepublik Deutschland. Das müssen die Menschen wissen, auch diejenigen, die Ihnen in den Umfragen zustimmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Union ist im Übrigen nicht erst im Bundesrat gefragt, sondern bereits hier im Parlament. Wir brauchen bereits hier verbindliche Antworten von Ihnen. Frau Merkel wird diese Antworten morgen sicherlich geben. Herr Merz war dazu nicht in der Lage. Das war womöglich ein Grund, weshalb er von der Spitze der Fraktion verschwinden musste: Er war nicht in der Lage, Antworten zu geben. Frau Merkel ist jetzt aber gefordert, diese Antworten zu geben. Wir warten also gespannt. Wenn heute keine Antworten kommen, wollen wir morgen Antworten von dieser Opposition hören. Die Bevölkerung hat ein Recht darauf, konkrete Antworten zu hören.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir brauchen also eine Oppositionsfraktion im Bundestag, die sich ihrer Verantwortung stellt. Es kann doch nicht sein, dass sich eine große Volkspartei wie die CDU in fast allen wichtigen Fragen zu keiner eindeutigen Meinung durchringen kann oder will, nur weil ihrem regionalen bayerischen Partner, der CSU, Landtagswahlen wichtiger sind.

(Lachen des Abg. Max Straubinger [CDU/CSU])

   Unsere Vorschläge zu den wichtigen Problemen und Herausforderungen liegen in detaillierten Gesetzesinitiativen auf dem Tisch. Zum einen geht es dabei um die Antwort auf strukturelle Probleme. Zum anderen geht es um die richtige Reaktion auf kurzfristige konjunkturelle Probleme.

Auch wenn es bei den Strukturreformen der Agenda 2010 erst um mittel- und langfristige Wirkungen geht, bedeutet das nicht, dass die Umsetzung der Strukturreformen noch weiter aufgeschoben werden darf. Verzögerungen bei der Umsetzung der Strukturreformen - von wem auch immer zu verantworten - werden zu einer weiteren Verunsicherung der privaten Investoren und Konsumenten führen und so die konjunkturelle Entwicklung in den nächsten Monaten negativ beeinflussen. Das ist die Wahrheit.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Wenn auch Sie die wirtschaftliche Entwicklung zum Guten wenden wollen, dann müssen Sie eine andere Haltung einnehmen, dann müssen Sie die Haltung teilen, wie sie zunehmend - das ist auch erkennbar - in der Wirtschaft eingenommen wird. Ihr Weg des Schwarzmalens hat uns zusätzliche Probleme beschert. Ich hoffe, dass Sie diesen Weg bei den jetzigen Haushaltsberatungen verlassen werden. Es wird höchste Zeit.

   Wir haben als Ergänzung zu unserer Haushaltskonsolidierungspolitik und der Agenda 2010 vorgeschlagen, die für 2005 geplante Steuerentlastungsstufe auf den 1. Januar 2004 vorzuziehen. Nicht das Vorziehen, aber die Entlastungsstufen hatten wir schon vor Jahren beschlossen. Herr Merz wird sich bestimmt noch gut an die bemerkenswerte Bundesratssitzung vom 14. Juli 2000 erinnern.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie können das nicht mehr bezahlen, Herr Poß! Das ist Ihr Problem!)

Durch das Vorziehen der für 2005 geplanten Entlastungsstufe - das ist keine übertriebene Maßnahme - sollen diejenigen Kräfte gestärkt werden, die eine konjunkturelle Belebung in den nächsten Monaten erwarten lassen. In diesem Zusammenhang werden wir uns über die Auslegung von Art. 115 des Grundgesetzes auseinander setzen müssen, also darüber, ob das eine geeignete Maßnahme ist, um die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwenden. Wir sind der Meinung, dass das eine geeignete Maßnahme ist. Da der Staat nicht so viel im Köcher hat, haben wir das vorgeschlagen.

   Die Union scheint uns im Grundsatz zuzustimmen. Bei dem vielstimmigen Chor der Unionssprecher ist es aber nicht immer einfach zu erkennen - sicher ist es schon gar nicht -, ob die Union das Vorziehen tatsächlich will. Auch darüber gab es in der bisherigen Debatte keinen Aufschluss von Herrn Merz. Die Steuerpflichtigen werden jedenfalls durch das Vorziehen bereits im nächsten Jahr um 22 Milliarden Euro entlastet. Das ist erheblich mehr als das, was im nächsten Jahr durch das Konsolidierungspaket aus dem Wirtschaftskreislauf herausgenommen wird. Deshalb wird der stagnierenden Wirtschaft damit bereits kurzfristig ein starker positiver Impuls gegeben, der helfen wird, das von uns angestrebte Wirtschaftswachstum von 2 Prozent zu erreichen. Wir wissen, dass es keine Garantie für mehr Konsum und Investitionen gibt. Aber das Vorziehen bietet eine gute Chance auf eine notwendige Stimmungswende und auf eine tragfähige Wirtschaftsbelebung. Bei ehrlicher und realistischer Betrachtung hat die Finanzpolitik kurzfristig kein anderes Instrument, das ähnlich gute Erfolgschancen bietet wie das Vorziehen der letzten Steuerentlastungsstufe.

   Mit dem Vorziehen bleiben wir in der Kontinuität unserer Steuerpolitik seit 1998/99. Im Mittelpunkt unserer Steuerpolitik stand und steht die stetige Entlastung vor allem der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, der Geringverdiener, der Familien mit Kindern sowie des Mittelstandes. Ich möchte Ihnen zwei Beispiele für Entlastungen nennen:

(Zuruf von der CDU/CSU: Ökosteuer!)

Ein Ehepaar mit zwei Kindern und einem zu versteuernden Einkommen von 30 000 Euro - das ist ein Beispiel für einen Durchschnittsverdiener mit Familie - wird nach geltendem Recht 2005 im Vergleich zu 1998 bei den Steuern um 2 616 Euro entlastet. Ein verheirateter Bäckermeister mit einem Gewinn vor Steuern von 35 000 Euro - das ist ein Beispiel für den Mittelstand - wird 2005 im Vergleich zu 1998 um 2 202 Euro entlastet. Wenn es nach uns geht, dann wird es diese Entlastungen durch das Vorziehen bereits 2004 geben. Blockieren Sie also nicht diesen Schritt, der für viele Normalverdiener, für Familien mit Kindern und für den wirtschaftlichen Mittelstand wichtig ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf des Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU])

- Herr Kampeter, Sie sind heute Morgen offenkundig hierhin gesetzt worden, um nicht ganz saubere Bemerkungen zu machen.

   Die Menschen jedenfalls werden die Entlastungen merken.

Ihre Blütenträume angesichts der schönen Umfragewerte werden sich schnell verflüchtigen, wenn die Menschen immer mehr begreifen, dass Sie aus eigensüchtigen, parteipolitischen und taktischen Gründen das, was jetzt wirtschaftlich notwendig ist, blockieren. Diese Rolle spielen Sie und das spricht sich immer mehr herum.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Unsere Bitte lautet deswegen: Sortieren Sie sich jetzt konzeptionell und personell! Sie sind nämlich nicht aufgestellt. Frau Merkel, Herr Stoiber, Herr Koch, auch Herr Merz, Sie sollten endlich etwas mehr als den parteiinternen Kampf um Ihre eigenen Karrieren in den Blick nehmen. Das haben die Bürgerinnen und Bürger schon verdient.

   Auch im kommenden Jahr - das wissen wir - werden die Nachwirkungen der weltweiten und mehrjährigen krisenhaften Konjunkturentwicklung sowohl bei den Steuereinnahmen als auch bei den Sozialausgaben zu spüren sein. Das gilt für alle öffentlichen Haushalte. Da alle öffentlichen Haushalte von der dreijährigen Stagnation betroffen sind, bieten die Beschlüsse der Bundesregierung vom 13. August dieses Jahres ganz folgerichtig an mehreren Stellen Maßnahmen an, die zur fiskalischen Entlastung nicht nur des Bundes, sondern auch der Länder und der Kommunen führen würden. Herr Eichel hat diese Maßnahmen benannt.

   Wenn Sie also auch den von Ihnen geführten Ländern und Kommunen etwas Gutes tun wollen, dann verlassen Sie Ihre bisherige Haltung. Was die Bundesregierung vorgeschlagen hat, ist auch im Interesse der von Ihnen geführten Länder und Kommunen.

(Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Warum habt ihr es dann abgelehnt?)

Wie im Vermittlungsverfahren zum Steuervergünstigungsabbaugesetz im Mai dieses Jahres zwischen den Beteiligten parteiübergreifend vereinbart worden ist, soll der nach wie vor erhebliche steuerliche Gestaltungsspielraum bei der Körperschaftsteuer vermindert und somit das Körperschaftsteueraufkommen nachhaltig stabilisiert werden. Ich hoffe, dass Sie Ihre Propaganda aus dem Bundestagswahlkampf 2002 nicht vergessen, wenn wir im Vermittlungsausschuss demnächst wieder darüber verhandeln, dass Sie nicht alles wieder vergessen, was Sie den Menschen erzählt haben, dass Sie wirklich mitmachen, wenn es um die Stabilisierung des Körperschaftsteueraufkommens geht. Bei Ihnen sind Reden und Handeln nämlich immer zweierlei. Wir werden Sie an diesem Punkt stellen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Zu diesen - erforderlichen - Maßnahmen liegen seit dem 13. August dieses Jahres ausformulierte Gesetzesänderungen vor.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schlampige Texte haben Sie vorgelegt!)

- Nein, ausformulierte, gute Texte,

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU - Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Das von Ihnen, Herr Poß! Oh Gott, oh Gott!)

auch zu den Sondertatbeständen Eigenheimzulage und Entfernungspauschale. Dazu hat der Bundesfinanzminister hier ausreichend Stellung genommen.

(Dr. Uwe Küster [SPD] zu Abg. Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Schlampige Zwischenrufe, Herr Kampeter!)

Wir werden uns in den weiteren parlamentarischen Beratungen im Bundestag und auch im Bundesrat noch eingehend damit beschäftigen. Wir werden uns damit auch noch koalitionsintern beschäftigen. Dabei gilt eine Zielrichtung, der Sie sich eigentlich anschließen müssten: Jede Änderung der Regierungsvorschläge muss sicherstellen, dass die beabsichtigten Entlastungen für die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen so weit wie möglich erhalten bleiben.

   Ich gehe davon aus, dass sich die unionsgeführten Länder - jedenfalls die meisten - im Bundesrat diesen einnahmeverbessernden Maßnahmen nicht mehr verweigern werden, nachdem ihnen ihre eigene Haushaltslage in den letzten Wochen schmerzhaft deutlich geworden ist. Da von Etatrisiken die Rede war, will ich hier noch einmal unterstreichen: Das größte Etatrisiko ist die Union selbst, und zwar auf allen staatlichen Ebenen, wenn sie die notwendigen Einnahmeverbesserungen weiterhin blockiert.

   Bei den Ausführungen von Herrn Merz zum Stabilitäts- und Wachstumspakt ist der Eindruck entstanden, als trüge insbesondere der Bund die Verantwortung für die Einhaltung der Kriterien. Auch Herr Austermann hat sich kürzlich in ähnlicher Weise geäußert. Nein, die Einhaltung dieser Obergrenze liegt in der Verantwortung aller: des Bundes, der Länder, der Kommunen und der Sozialversicherungen. Das Ergebnis wird eben nicht nur von der Haushaltspolitik des Bundes und von Herrn Eichel bestimmt.

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Aber der größte Sünder ist der Bund!)

Ich erinnere daran, dass die Länder diese Verpflichtung mit ihrer Zustimmung zum Maastricht-Vertrag ausdrücklich übernommen haben. Also kann diese Verantwortung nicht in billiger Weise beim Bundesfinanzminister abgeladen werden.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Wenn immer mehr Sozialhilfeempfänger produziert werden, dann können die Kommunen nicht sparen!)

Es kann nicht sein, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt von den teilnehmenden Staaten ein „Hineinsparen in die Krise“ verlangt. Darüber sollte eigentlich bei allen Klarheit bestehen. Bei sorgfältigem Lesen des Maastricht-Vertrages kann man feststellen, dass der europäische Stabilitäts- und Wachstumspakt den konjunkturellen Erfordernissen gegenüber alles andere als blind ist.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Poß, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Schauerte?

Joachim Poß (SPD):

Ja, gern.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Hartmut Schauerte (CDU/CSU):

- Ich versuche es. Ich gebe die Hoffnung, dass er bei der Wahrheit bleibt, einfach nicht auf.

   Herr Kollege Poß, Sie haben gerade mit Recht auf eine Mitverantwortung der Länder bei der Einhaltung des Stabilitätspakts verwiesen. Das ist in Ordnung. Sind Sie mit mir der Meinung, dass die Hauptverantwortung dafür dennoch beim Bund liegt? Sind Sie nicht ebenfalls mit mir der Meinung, dass es besonders erstaunlich ist, dass sich die sozialdemokratisch regierten Länder in der Bundesrepublik bei der Überschreitung der für die Neuverschuldung geltenden Höchstgrenze in besonderer Weise schuldig machen, während das Land Bayern in dieser Frage sehr gut dasteht und alle Kriterien einhält?

Joachim Poß (SPD):

Die bemerkenswertesten Abweichungen der letzten Jahre sind eindeutig im Fall Hessen festzustellen. Sie von der CDU/CSU haben in der Zwischenzeit leider das Saarland sozusagen politisch erobert. Das Saarland und Bremen waren Sonderfälle. Ansonsten kennen wir Länder mit besonderen Strukturproblemen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Sie stottern sich an der Wahrheit vorbei!)

Das Problem auf die Frage der Parteifarbe zu reduzieren, wie Sie das wollen, lenkt hier ab. Der größte Sünder der letzten Jahre, was die Abweichungen angeht,

(Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Das ist Nordrhein-Westfalen!)

ist derjenige, der - so hat er es versprochen - „brutalstmöglich“ sparen will, nämlich Roland Koch. So viel zu Ihrer Frage.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach [CDU/CSU]: Reden Sie mal mit Herrn Steinbrück!)

   Es kann doch niemand ernsthaft behaupten, dass die von der Regierung Kohl und insbesondere vom damaligen Bundesfinanzminister Waigel ausgegangene deutsche Initiative zu einem europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt die europäischen Partner zu einem ökonomisch unsinnigen Verhalten zwingen wollte. Ich bin sicher, dass die europäischen Partnerstaaten zusammen mit der Europäischen Kommission für eine ökonomisch und politisch verantwortungsvolle Anwendung des Paktes und der mit ihm verbundenen Vorschriften sorgen werden, die beidem gerecht wird, dem Stabilitäts- und dem Wachstumsgedanken.

   Von zentraler Bedeutung für das gesellschaftliche Leben und auch für die ökonomische Entwicklung in Deutschland ist, dass es uns gelingt - davon wurde schon gesprochen -, den Kommunen eine nachhaltige finanzielle Perspektive zu geben. Ich will hier noch einmal unterstreichen: Die Kommunen - darüber sind sich die Kommunalvertreter parteiübergreifend einig - brauchen eine stabile und nachhaltig sichere Einnahmequelle. Ein Sofortprogramm ist kein Ersatz dafür. Bundesregierung und Regierungskoalition wollen, dass die Kommunen schon im nächsten Jahr erheblich und mit nachhaltiger Perspektive entlastet werden. Auch dafür gilt angesichts der Mehrheiten im Bundesrat: Wir können im Sinne der Kommunen nur erfolgreich sein, wenn die Mehrheit im Bundesrat mitspielt.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es geht hier nicht um „spielen“, es geht um die Verantwortung für unser Land!)

Wenn Sie es mit den Bürgerinnen und Bürgern in den Städten und Gemeinden gut meinen, meine Damen und Herren, dann dürfen Sie nicht das machen, was sich hier andeutet: Sie gönnen der Bundesregierung nicht, einen politischen Erfolg zu erzielen.

(Steffen Kampeter [CDU/CSU]: Es geht doch nicht um „gönnen“, es geht um unser Land, Herr Poß!)

Sie gönnen uns von der Koalition nicht, dass wir - zum ersten Mal seit 30 Jahren - eine umfassende Gemeindefinanzreform in Gang setzen. Deshalb wollen Sie hier blockieren. Das ist verantwortungslos! Das müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich sage das vor dem Hintergrund anstehender Proteste in den Städten und insbesondere hier in Berlin, wo Einrichtungen geschlossen werden müssen. Wir können es für die Kommunen richten, wenn sich die Union und die FDP ihrer Verantwortung entsprechend verhalten. Bisher ist das nicht gewährleistet.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Regieren Sie oder wir? Wer regiert denn?)

   In dem Sinne, meine Damen und Herren, wünsche ich mir noch viel Aufschluss und konstruktive Beiträge von der Opposition im weiteren Verlauf der Haushaltsdebatte. Ich bin gespannt, ob demnächst jemand aus Ihren Reihen das, was der Bundesfinanzminister konkret vorgeschlagen hat, konstruktiv aufgreift

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Der hat doch nur die Opposition beschimpft!)

und die Linie verlässt, die Herr Merz hier heute Morgen wieder angedeutet hat: täuschen, diffamieren, aber jede konkrete Antwort gegenüber der Wahlbevölkerung verweigern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Bevor ich dem Kollegen Rexrodt als nächstem Redner das Wort erteile, möchte ich einen kleinen Hinweis geben. Mir liegen aus gegebenem Anlass Auszüge aus dem Wortprotokoll der heutigen Sitzung vor, in denen sowohl aus den Reihen der Koalition als auch aus den Reihen der Opposition gelegentlich Zwischenrufe vermerkt sind, die man als persönlich herabsetzend verstehen könnte.

Ich will das zu Beginn dieser Debatte mit dem Energieüberschuss aus der Sommerpause entschuldigen und nicht ausdrücklich rügen, werbe aber dafür, dass wir im weiteren Verlauf der Haushaltsdebatte die nötige Schärfe in der Auseinandersetzung mit persönlichem Respekt verbinden. Ich bin sicher, das bekommt dem Klima der Debatte und schadet der angestrebten Verdeutlichung der Standpunkte nicht.

   Nun hat der Kollege Rexrodt für die FDP-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Günter Rexrodt (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sie, Herr Präsident, geben mir ein gutes Stichwort. Herr Kollege Poß, anstatt über den Haushalt zu sprechen, stellen Sie sich hier 25 Minuten hin und beschimpfen die Opposition. Nichts anderes haben Sie gemacht. Dann bezeichnen Sie deren Kritik am Desaster Ihrer Finanz- und Haushaltspolitik als im Maß überzogen. Das Einzige, was alle Maßstäbe sprengt, ist das Ergebnis Ihrer Finanz- und Haushaltspolitik. Es ist nicht mehr akzeptabel und ein Desaster, was Sie uns hier als Haushaltsentwurf 2004 vorlegen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Es handelt sich nicht mehr nur um ein Zahleninferno, das einigen wenigen Fachleuten zugänglich ist, sondern dieses betrifft die Menschen in unserem Land, die immer häufiger über schlechte Straßen und unpünktliche Züge klagen; es trifft die jungen Wehrpflichtigen, die nicht einmal mehr eine Fortbildungsmaßnahme oder einen Lehrgang bezahlt bekommen; es trifft die Unternehmensgründer und die kulturellen Einrichtungen; es trifft in besonderer Weise die neuen Länder.

   Aus einem Land, das mit der Wiedervereinigung eine große Herausforderung geschultert hat und nach vorne orientiert war, ist in wenigen Jahren ein Gemeinwesen geworden, in dem sich Verzagtheit breit gemacht hat und dem es an Vertrauen in die Zukunft mangelt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Darüber kann sich niemand freuen. Ich bin, Herr Eichel, sogar bereit, zuzugestehen, dass ich den allenthalben anzutreffenden Pessimismus in seiner überzogenen Form und die Schwarzmalerei in ihrer überzogenen Form für nicht berechtigt halte. Wir sind in vielen Bereichen immer noch ein leistungsfähiges Land. Wir sind aber nicht wegen, sondern trotz der rot-grünen Politik in den letzten fünf Jahren so leistungsfähig. Das ist Fakt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Die Art und Weise, wie Sie, Herr Eichel, die Misere erklären, indem Sie nämlich sagen, das Ganze sei mehr oder weniger das Ergebnis einer schlechten weltwirtschaftlichen Lage und des von der alten Koalition übernommenen Schuldenberges, ist töricht und unverantwortlich. Es muss sich angesichts dessen niemand wundern, dass der Vertrauensschwund in die Regierung immer stärker wird. Die schlechte wirtschaftliche Lage in Deutschland ist hausgemacht: Das Hinterherhinken in den letzten drei Jahren hinter den USA um durchschnittlich 2 Prozent und um etwa 1,5 bis 2 Prozent hinter dem Durchschnitt der EU hat zu einer Wachstumslücke in Deutschland, die in der Summe 70 Milliarden Euro ausmacht, und zu einem Verlust von Arbeitsplätzen in einer Größenordnung von mindestens 500 000 in diesen drei Jahren geführt. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Jörg-Otto Spiller (SPD): Über zehn Jahre, Herr Rexrodt, nicht über drei Jahre!)

- Den Maßstab, den ich anlege, müssen Sie mir überlassen. Tatsache ist, dass wir bedingt durch den Vereinigungsboom bis 1995 ein überdurchschnittliches Wachstum hatten, dass wir im Jahre 1998 mit 2,7 Prozent Wachstum wieder an der Spitze in Europa lagen, was sich in 1999 und 2000 fortsetzte, aber das Wachstum danach so tief wie noch nie zuvor einbrach. So stellen sich die Fakten dar, Herr Spiller.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Dabei hat Rot-Grün in den ersten beiden Jahren, den noch fetteren Jahren, die Haushaltspolitik wie eine Monstranz vor sich hergetragen. Der Bundeskanzler und Hans Eichel konnten sich gar nicht einkriegen, als es darum ging, den Menschen weiszumachen, dass sie gewissermaßen die Erfinder der Konsolidierung und des Sparkurses seien, und es ist so getan worden, als sei das Wort Generationengerechtigkeit von Rot-Grün geradezu erfunden worden.

Dabei waren Sie in den 90er-Jahren nie so fair - ich erinnere mich noch an die Jahre 1999/2000 -, die besondere Herausforderung durch die Wiedervereinigung, die zu diesen hohen Schulden geführt hat, anzuerkennen. Heute führen Sie in Ihrer Not ebendieses Argument für die Ergebnisse in Ihrer Regierungszeit an. Außerdem führen Sie als Argument - das zu drei Vierteln falsch ist - die schlechte weltwirtschaftliche Entwicklung an. Aber Deutschland ist im Weltmaßstab wirtschaftlich erfolgreich, weil die Zahl unserer Exporte enorm hoch ist. Von den Exporten kommen eher belebende Impulse in unsere Volkswirtschaft. Das ist ein Faktum. Deshalb kann die weltwirtschaftliche Lage nicht zur Entschuldigung Ihrer verfehlten Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Finanzpolitik herangezogen werden, Herr Finanzminister.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die Fakten sind sehr bitter für Sie; aber Sie können sie hier nicht mit verwirrenden Relationen, wie sie vor allen Dingen Herr Poß verwendet, verschleiern. Im Kern muss sich Wirtschafts- und Finanzpolitik daran messen lassen, wie sich das Bruttoinlandsprodukt und der Arbeitsmarkt entwickeln und ob wir am Ende auf Pump leben oder nicht. Daran müssen Sie sich messen lassen.

   Es bedarf nur weniger Bemerkungen, um das traurige Ergebnis Ihrer Politik zu beschreiben: Das Bruttoinlandsprodukt hinkt hinterher und wird in diesem Jahr eher schrumpfen als wachsen. Die jahresdurchschnittliche Arbeitslosigkeit erreicht 2003 mit voraussichtlich 4,4 Millionen Arbeitslosen ihren traurigen Höhepunkt und eine Besserung ist nicht abzusehen. Die Steuereinnahmen des Bundes sind in einer konjunkturell schwierigen Situation in etwa gleich geblieben; ich werde auf die Effekte der Steuerpolitik noch eingehen.

   Bei den Ausgaben, Herr Eichel, die im Haushaltsentwurf 2004 um etwa 8 Milliarden Euro über denen des Jahres 1999 liegen, ist es Ihnen nie gelungen, wirklich einschneidende Veränderungen nach unten vorzunehmen. Der Anteil der Sozialausgaben - Sie haben es selbst gesagt - ist in dieser Zeit von 40,5 auf 45,4 Prozent gestiegen. Herr Eichel, keiner bestreitet angesichts Ihrer allgemeinen Zielbeschreibung, dass Sie sparen wollen. Welcher Finanzminister wollte nicht sparen! Das hat hier jeder gesagt und das wollte auch jeder. Aber den Kurs verkünden und am Ende an der richtigen Stelle ankommen, das ist zweierlei. Sie sind ganz woanders angekommen, als Sie vorher verkündet haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das Ganze musste in dem Desaster enden, das wir nun haben. Sie veranschlagen 30,8 Milliarden Euro Neuverschuldung für 2004; aber realistischerweise werden es zwischen 40 und 50 Milliarden Euro sein. Das bestreiten Sie nicht einmal mehr. Wer so angetreten war wie Rot-Grün - und auch Sie, Herr Eichel - und nun so dasteht, wie die Bilanz es widerspiegelt, der braucht sich nicht zu wundern, wenn das Land gelähmt ist und nur noch auf Impulse von außen wartet.

   Die Gründe für dieses Desaster liegen in der Tatsache, dass Sie die notwendigen Reformen, Ihren Ankündigungen zum Trotz, nicht oder nur unzulänglich und immer verbunden mit einem hohen Maß an Unberechenbarkeit auf den Weg gebracht haben - Reformen, an denen angesichts der globalen Entwicklung und des demographischen Desasters kein Weg vorbeigeht.

   Kernstück der Politik der letzten Legislaturperiode war die Politik der Bündnisse und der runden Tische. Diese Politik, die im Grunde darauf zielt, dringend notwendige Entscheidungen durch Konsensrunden zu umgehen, ist total gescheitert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Ihre Politik der Bündnisse ist in den letzten vier Jahren total gescheitert - vier vertane Jahre.

   Jetzt ziehen Sie das Tempo an; das gebe ich zu. Aber dabei sind Sie nicht der Treibende, sondern der Getriebene.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sehr richtig!)

Sie werden von den Landtagswahlergebnissen der letzten Jahre getrieben. Das ist der Punkt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Was Sie veranstalten, ist vielstimmig und kontrovers und den Bürgern am Ende, selbst wenn es einmal in die richtige Richtung geht - ich bin bereit, das zuzugeben -, nicht mehr vermittelbar. Diese Vielstimmigkeit und die Unfähigkeit, sich auf einen Kurs zu einigen, haben zu der Vertrauenskrise und der Lähmung geführt. Die Menschen begreifen das nicht mehr.

   Das ist keine leere Aussage. Das ist zum Beispiel in der Steuerpolitik so. Dort hatten Sie zwar mit Steuersenkungen den richtigen Ansatz, haben aber die Großunternehmen über Jahre hinweg sehr viel stärker entlastet als den Mittelstand.

(Joachim Poß (SPD): Quatsch!)

Dies hat im Mittelstand zu Ärger, Verdrossenheit und mangelnden Investitionen geführt.

(Joachim Poß (SPD): Legendenbildung!)

Jetzt beginnen Sie das zu korrigieren. Aber es ist zu spät. Noch dazu haben Sie den aktiven Teil des Mittelstands und der Menschen mit Ihrer unseligen Ökosteuer überzogen. Sie haben also aus der einen Tasche wieder herausgeholt, was Sie ihnen in der anderen Tasche belassen hatten.

   Darüber hinaus verunsichern Sie die Konsumenten und die Unternehmen mit der Erhöhung der Tabaksteuer und dann noch einmal mit der Erhöhung der Tabaksteuer sowie mit der Versicherungsteuer. Sie stellen sich hin und sagen, das sei alles nicht so wichtig. Wichtig ist das schon; denn das verunsichert die Investoren und die Konsumenten. Das eigentliche Desaster und das eigentliche Übel in diesem Land ist, dass die Menschen kein Vertrauen mehr in diese Regierung haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Dann haben Sie auch noch gesagt, die höhere Ökosteuer würde zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge führen. Die Rentenversicherungsbeiträge sind gestiegen. Die Krankenversicherungsbeiträge steigen auch. Das Desaster in der Pflegeversicherung steht uns erst bevor. Wer soll bei einer solchen Politik noch investieren? Das ist das Übel.

   Meine Partei stellt einer solch erratischen Politik ein klares und berechenbares Konzept bei den Ertragsteuern entgegen

(Joachim Poß (SPD): Ach!)

- das werden Sie nicht bestreiten, Herr Poß; Sie sind ein sehr dreister Mann, aber so weit können Sie nicht gehen -, verbunden mit konkreten Schritten zum Subventionsabbau. Wir entwickeln ein System zur sauberen Reform der Gemeindefinanzen, das auf die systemfremde Gewerbesteuer verzichtet und den Gemeinden mehr Gestaltungsspielräume gibt. Das ist der richtige Ansatz.

(Beifall bei der FDP - Joachim Poß (SPD): Das ist alles Wolkenkuckucksheim!)

- Das ist nicht Wolkenkuckucksheim. Sie bringen überhaupt nichts auf die Beine. Sie schaffen eine unmoderne Steuer, die ein Fremdkörper in unserem System ist. Anstatt sie abzuschaffen, wird sie neu ausgestaltet. Das verunsichert die Gewerbetreibenden zusätzlich. Das wird wiederum Arbeitsplätze vernichten.

(Beifall bei der FDP)

Wir sagen Ja zum Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform, aber nicht auf der Basis von Verschuldung, sondern auf der Basis des Abbaus von Subventionen.

   In die Rentenversicherung - Kollege Merz hat das schon gesagt - fließen mittlerweile mehr als 30 Prozent unseres Haushalts. Wir warnen davor, die Probleme der Rentenversicherung durch eine Bürgerversicherung lösen zu wollen. Das begräbt jeden Leistungsanreiz. Das bestraft diejenigen, die für ihr Alter selbst vorsorgen. Die Befürworter einer solchen Bürgerversicherung vergessen, dass die Rentenkassen - im Übrigen auch die Krankenkassen - mit einer solchen Versicherung allenfalls für ein paar wenige Jahre entlastet werden können, dass die Zahl der Anspruchsberechtigten dann aber steigt und wir von neuem dasselbe Desaster haben werden.

(Beifall bei der FDP)

   Die FDP hat schon vor vielen Jahren eine Umsteuerung auf mehr private Vorsorge gefordert. Was sind wir damals hier im Hause verteufelt worden. Heute nähern sich die anderen Parteien unseren Vorstellungen, die wir seit Jahren haben, unter Schmerzen und unter riesigen Diskussionen an. Ich will hier gar nicht in Hybris verfallen. Für meine Partei, für die FDP - das ist die Wahrheit -, sage ich mit Selbstbewusstsein, aber auch mit Stolz: Die Prinzipien und Leitlinien der Politik, der Sie sich jetzt unter Schmerzen annähern, sind von unserer Partei seit langem am klarsten und deutlichsten vertreten worden. Sie aber haben uns dafür gescholten.

(Beifall bei der FDP)

Das sage ich mit großem Ernst und ohne die parlamentarische Schärfe, die hier manchmal angesagt ist.

   Ich warne ausdrücklich davor, dass den Krankenkassen die so genannten versicherungsfremden Leistungen aus dem Bundeshaushalt vorab erstattet werden. Damit wird die Büchse der Pandora mit unglaublichen Folgen für den Bundeshaushalt, Herr Eichel, geöffnet,. Wenn man damit einmal anfängt, dann nimmt das kein Ende.

   Nun lassen Sie mich beim Haushalt 2004 - Wesentliches hat Herr Merz schon gesagt - noch einmal die Risiken in Erinnerung rufen. Das ist das eigentliche Kernstück. Die Risiken liegen in dem bei 2 Prozent angesetzten Wachstum. Sie wissen, dass das nicht zu erreichen ist.

Die Risiken liegen ferner darin, dass Sie erwarten, aufgrund der Steueramnestie Steuern in Höhe von 2,1 Milliarden Euro einzunehmen. Dieses Geld wird nicht zurückfließen; das wissen auch Sie. Andere Risiken liegen darin, dass Sie aufgrund der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit Mehreinnahmen erwarten. Ich weiß leider nicht, wie Sie das erreichen wollen.

   Weitere Risiken liegen in Ihrem Haushaltsbegleitgesetz - die Vielstimmigkeit im Zusammenhang mit der Eigenheimzulage und mit der Entfernungspauschale kennen wir alle - und in der Unsicherheit, ob die Arbeitsgruppe Koch/Steinbrück überhaupt etwas Konkretes liefert.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Rexrodt, denken Sie bitte an die Redezeit.

Dr. Günter Rexrodt (FDP):

Ja, ich komme gleich zum Schluss, Herr Präsident. - Die Risiken liegen außerdem in den notwendigen Nachbesserungen, die Sie in Bezug auf die Finanzen der Gemeinden leisten müssen.

   Am größten aber ist das Risiko bei den Arbeitsmarktausgaben. Bei der Umstellung auf das neue System infolge von Hartz IV müssen Sie 28 Milliarden Euro ausgeben. Rechnet man die 19 Milliarden Euro dagegen, die das alte System heute kostet, dann ergibt sich ein Risiko von 8 bis 9 Milliarden Euro.

   In der Summe ergibt sich also ein Risiko in Höhe von 40 bis 50 Milliarden Euro. Sie sprechen aber nur von 30,8 Milliarden Euro. Das ist unverantwortlich, Herr Eichel. Ich sage Ihnen deswegen: So können Sie mit dem Parlament nicht umgehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich habe noch nicht von der 3-Prozent-Hürde von Maastricht gesprochen, die wir zum dritten Mal reißen. Sie führen dafür konjunkturelle Gründe an. Die Kriterien von Maastricht sind vor dem Hintergrund eingeführt worden, dass Volkswirtschaften damit gescheitert sind, das Wachstum durch eine höhere Nettoneuverschuldung zu beschleunigen. Darum hat man eine Grenze von maximal 3 Prozent eingeführt. Viele Länder sind auf diese Linie eingeschwenkt, Deutschland aber nicht.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, es hilft alles nichts.

Dr. Günter Rexrodt (FDP):

Das ist wahr, Herr Präsident.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Eine solche Politik funktioniert nur in einer offenen Volkswirtschaft. Ziehen Sie den Haushalt zurück, Herr Eichel! Am besten gehen Sie gleich mit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Jawohl! Sehr richtig!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nächste Rednerin in der Debatte ist die Kollegin Antje Hermenau, Bündnis 90/Die Grünen.

Antje Hermenau (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte nochmal mit dem Haushalt beginnen. Wenn man einmal die Kosten durch das Vorziehen der Steuerreform - wir begleichen sie mit einer höheren Neuverschuldung - herausrechnet, dann ist der Haushalt in Bezug auf die Investitionsgrenze, die uns das Grundgesetz vorschreibt, mit Ach und Krach verfassungsgerecht. Wenn wir uns das aber nochmal genauer angucken, sehen wir, dass wir noch 14 Milliarden Euro einsparen müssen, um dieses Ziel zu erreichen. Viele Punkte sind dabei noch unsicher. Es ist völlig korrekt - auch wir haben das heute getan -, dieses zu erwähnen. Kein Mensch hat da irgendetwas verheimlicht oder beschönigt.

   Wir werden noch Entscheidungen zur Rente, weitere Entscheidungen zum Arbeitsmarkt und auch zum Abbau der Steuersubventionen treffen müssen. Die entsprechenden Gesetzgebungsverfahren laufen parallel. Auf der einen Seite schlagen Sie vor, diese Entscheidungen erst im nächsten oder im übernächsten Jahr zu treffen - diesen Vorschlag kann ich Ihren merkwürdigen Reden entnehmen; Sie sind anscheinend der Meinung, das alles ginge zu schnell -, und auf der anderen Seite argumentieren Sie, dass wir seit Jahren nicht das gemacht haben, was hätte getan werden müssen. Dazu muss ich sagen: Ich verstehe Sie nicht; ich bin strategisch ratlos. Ich kann nicht nachvollziehen, was Sie umtreibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Als Haushälterin bin ich sehr erleichtert, dass wir nach drei Sparhaushalten, in denen es immer darum ging, in einem letzten Kraftakt den Beamten sozusagen das Radiergummi aus den Händen zu winden, zu einem Strukturumbau kommen, den auch die Haushälter der rot-grünen Koalition seit langem immer wieder gefordert haben. Ich bin stolz darauf und wäre dankbar, wenn es den Haushältern aller Fraktionen gelänge, sich in den Haushaltsberatungen darauf zu konzentrieren, die strukturellen Defizite endlich abzubauen.

   Meine Erfahrung aus circa zehn Jahren Haushaltsberatungen im Bundestag ist, dass in dieser Zeit, also seit 1993, als Herr Waigel das Konsolidierungsprogramm vorgelegt hat, der Abbau des strukturellen Defizits weder aufseiten des Bundes noch aufseiten der Länder nennenswert vorangekommen ist. In dem, was wir vorlegen, liegt die Chance, sowohl dem Bund als auch den Bundesländern die Möglichkeit zu geben, ihre Strukturprobleme zu lösen, die sie daran hindern, konjunkturell vernünftig zu reagieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wenn ich mir die Rede von Herrn Merz vor Augen führe, dann muss ich ihn fragen: Warum lamentieren Sie so, Herr Merz? Sie tun so, als ob wir Ihnen etwas weggenommen hätten, weil wir das tun, was Sie schon immer gefordert haben. Ihre Rede wirkte furchtbar wehleidig.

Ich habe nicht ein einziges Mal gehört, wohin Sie eigentlich wollen.

   Mein Wunsch wäre, dass wir in der Lage sind - denn der Haushalt ist nur ein Instrument, um Dinge deutlich zu machen und Prozesse zu begleiten -, auch in der Haushaltsberatung über folgende Fragen zu debattieren: Wohin wollen wir eigentlich? Wie wollen wir leben? Wie wollen sich die Deutschen in der Europäischen Union verhalten? Diese Fragen müssen wir beantworten.

   Wir als Koalition haben das Haushaltsbegleitgesetz vorgelegt. Darin sind eine ganze Reihe von strukturellen Veränderungen enthalten. Eigentlich ist das seit dem von mir vorhin zitierten Konsolidierungsprogramm von Theo Waigel aus dem Jahre 1993 die größte Veränderung der Finanzströme. Wie gesagt, hier findet eine gesamtstaatliche Entlastung statt. Nicht nur der Bund profitiert davon, wenn wir zueinander finden, sondern auch die Länder. Ich glaube, dass das taktisch aufgehen wird - egal ob Frau Merkel gestern vollmundig behauptet hat, sie werde da eine Blockade oder sonst was betreiben. Mir kam die Reaktion von Frau Merkel ein bisschen wie bei Leonid Breschnew vor, von dem der Witz kursierte, er habe, als der Zug still stand, die Gardine zugezogen und vorgetäuscht, der Zug fahre noch.

   Die Öffentlichkeit ist weiter als eine ganze Reihe von Politikern, die auf der rechten Seite des Parlaments sitzen. Die Öffentlichkeit ist aufgrund der seit Monaten anhaltenden Debatte gut über die fiskalischen und wirtschaftlichen Probleme, die dieses Land hat, informiert. Die Öffentlichkeit hat sehr wohl mit Bauernschläue und gesundem Menschenverstand erkannt, welche Probleme als Nächstes angepackt werden müssen. Sie will keine langen Debatten mehr darüber hören, wer 1997, 1995 und 1993 welchen kleinen oder großen Fehler gemacht hat. Sie will jetzt hören: Was sind die Ansagen für die Zukunft? Wird das ordentlich durchgezogen? Wird die Opposition mitmachen oder wird sie nicht mitmachen? Die Beantwortung dieser Fragen ist in diesem Herbst an der Reihe.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Haushalt begleitet das als Instrument finanzpolitisch, nicht mehr und nicht weniger.

   Ich bin sehr darüber enttäuscht, dass Sie sich in dieser Debatte einen schlanken Fuß machen und so tun, als ob die Länder hier keine Aktien hätten. Ich habe mir einmal herausgesucht - man soll ja in Haushaltsdebatten mit Zahlen argumentieren -, wie hoch der Anteil der gesamtstaatlichen Schulden, das heißt der des Bundes, der Länder, der Kommunen und der sozialen Sicherungssysteme, am Bruttoinlandsprodukt ist: 1970, also zwei Jahrzehnte vor der deutschen Einheit,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir wollen doch nicht von der Vergangenheit reden!)

lag er bei 18 Prozent, 1980 bei 31 Prozent und 1990 bei 42 Prozent. Dann kam die deutsche Einheit. 2000 lag er bei 60 Prozent. Helmut Kohl - dies zum Abschluss der Vergangenheitsdebatte - war eben nicht Maggie Thatcher oder Göran Persson. Diejenigen Länder, die wie Schweden oder Finnland Mitte der 90er-Jahre Strukturreformen angepackt haben, weil sie sich nicht selbst überschätzt und gedacht haben, das Wachstum werde ewig weitergehen, haben inzwischen einen Substanzaufbau geleistet, während wir unsere Substanz weiter verzehren.

   Die gesamtwirtschaftliche Sparquote in Deutschland von 1990 bis 2001 - auch diese Zahl habe ich mir herausgesucht - ist um 3,5 Prozent gesunken. In Finnland ist sie um 11,5 Prozent und in Schweden um fast 6 Prozent gestiegen. Das heißt - wenn man es in einfaches Deutsch übersetzen möchte -, Deutschland lebt von seiner Substanz, weil es ihm früher gut ging. Andere bauen neue Kapazitäten - auch in Richtung des Humankapitals - auf. Der PISA-Schock hat nicht Finnland ereilt, sondern Deutschland. Nokia hat seinen Sitz in Finnland und nicht in Deutschland.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wo liegt jetzt unsere Zukunft? Wie bekommt man die Entwicklung in den Griff, ohne eine exorbitante Verschuldung machen zu müssen und ohne eine neue gesellschaftliche Spekulationsblase aufzubauen? Mitte der 90er-Jahre haben viele Privatanleger an den Aktienmärkten erlebt, was es heißt, wenn eine privatwirtschaftliche Spekulationsblase zusammenbricht. Damals ging der Wert der Aktien steil bergab; da platzte die Blase der New Economy. Inzwischen besteht gesamtgesellschaftlich etwas Ähnliches: Die Überschätzung unserer Wachstumskräfte hat zu einer Art gesellschaftlichen Spekulationsblase geführt, weil wir alle dachten, wir könnten uns weiter neu verschulden und bekämen irgendwann ein wunderbares Bruttoinlandsprodukt und wahnsinnige Zuwächse, sodass wir alles zurückzahlen könnten.

   Ich gehe nicht davon aus. Ich gehöre einer Partei an, die früher als sehr wachstumskritisch galt und inzwischen, wie ich finde, sehr realistische Wachstumspfade vorschlägt. Aber bei der Gegenseite höre ich eine Wachstumsgläubigkeit heraus, die nicht gesund sein kann.

   Wenn man jetzt beides hinter sich lässt und sich über realistische Wachstumspfade, und zwar über Jahre hinweg, unterhält und das Ganze mit den Zielen abgleicht, die wir insgesamt in der Europäischen Union im Frühjahr 2000 in Lissabon vereinbart haben, als es darum ging, ganz Europa zu der dynamischsten und wettbewerbsfähigsten Wirtschaftsregion der Welt zu machen, dann ist festzustellen: Wir müssen uns jetzt zügig ranhalten.

   Sie können - vielleicht zu Recht - mit Häme anmerken: Dieser Prozess hat bei Rot-Grün eine Weile gedauert.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Fünf Jahre!)

Es fördert nicht gerade die Beliebtheit, wenn man keine Zuwächse mehr verteilen kann, sondern wenn man im Prinzip ganz intelligent und auch ermutigend den Mangel verwalten muss.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: So ist es!)

Diesen aber haben wir alle zusammen über Jahrzehnte hinweg - jede Partei, jedes Bundesland, jede Kommune und auch der Bund, egal wer regiert hat - aufgehäuft. Sie, Herr Rexrodt, waren einmal Wirtschaftsminister. Ich habe das noch einmal nachgeschlagen: In den 90er-Jahren gab es mehrfach - 1994, 1995 und 1998 - eine Zinseszinsfalle. Ganz so unschuldig, wie Sie gerade getan haben, sind Sie also nicht, Herr Rexrodt; aber lassen wir das.

   Mir geht es um Folgendes: Wie können wir den Übergang von der Industriegesellschaft des 20. Jahrhunderts in die globalisierte Wissensgesellschaft des 21. Jahrhunderts schaffen? Dabei sind die Haushalte die Steuerungsinstrumente. Deswegen sind die Strukturreformen in diesem Herbst so enorm wichtig.

   Seien wir ehrlich: Wenn wir es schaffen, die Bürger in öffentlichen Debatten davon zu überzeugen, dass die Strukturreformen - ihnen stimmt nicht jeder in der Koalition mit freudigem Herzen zu, das wissen Sie und ich ganz genau; Sie haben das mit Schmerzen beschrieben - unerlässlich sind, dann sollten auch Sie erkennen, dass wir die Zukunft gewinnen müssen.

   Ich erinnere daran, wie verquer Sie in der Debatte über die Frage der Zuwanderung und bezüglich der Familienpolitik - beide Bereiche hängen mit unseren demographischen, aber auch unseren wirtschaftlichen Problemen eng zusammen - argumentiert haben. Ich frage: Wie wollen wir Zukunft moderner gestalten, wenn das Regelungsgefüge in Deutschland die Zustimmung der Opposition und der Länder in vielen Bereichen erzwingt, während diese programmatisch noch den Zeichen der Zeit hinterherhinken?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Herr Austermann, Sie haben im April in einer Aktuellen Stunde gesagt - ich habe das herausgesucht -, die Regierung fabuliere bislang nur über Reformen, es sei völlig ungewiss, ob sie sich gegen die Widerstände in den eigenen Reihen durchsetzen könne. Aber immerhin haben Sie die Agenda 2010 für einen Schritt in die richtige Richtung gehalten.

   Im Unterschied zum Frühjahr haben wir aufgrund der Debatten der letzten Monate eine neue Geschäftsgrundlage. Die Koalition hat sich nämlich durchgerungen. Wir werden die Reformen umsetzen. Die Gesetzentwürfe liegen auf dem Tisch. Im Haushaltsbegleitgesetz sind sehr viele Vorschläge enthalten. Jetzt sind Sie am Zug. Wir haben nämlich den Spieß umgedreht, Herr Austermann. Auch die CDU/CSU muss jetzt damit anfangen, die Zukunft zu skizzieren, wenn sie unsere Skizzen ablehnen will. Als Haushälter wissen Sie ganz genau, dass Sie aus der Debatte nicht herauskommen, wenn Sie nicht Vorschläge vorlegen, die genauso viel Geld erbringen wie unsere Vorschläge. Wir können uns gern über die eine oder andere Sache unterhalten, aber in der Summe muss es stimmen. Das ist Ihnen genauso klar wie allen anderen.

   Ich kann Sie nur ermahnen: Dieser Herbst ist nicht der Herbst der politischen Showeffekte. Jetzt geht es darum, einen neuen Politikstil zu etablieren, der vielleicht auch mit den Herausforderungen des neuen Jahrhunderts angemessen verbunden werden kann. Die Gemeinwohlorientierung ist nun einmal wichtiger als das parteipolitische Hickhack.

   Wir haben einen Finanzplanungsrat, in dem Herr Eichel und die Länderfinanzminister Empfehlungen aussprechen können, wenn eine Landesregierung nicht in der Lage ist, das Defizit zu begrenzen. Eine solche Situation gab es in den letzten zwei Jahren unter Herrn Koch in Hessen. Herr Koch in Hessen kümmerte sich einen ... darum.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wie soll Ihr Hüsteln im Protokoll vermerkt werden?)

   Nachdem Herr Stoiber ihn richtig zusammengepfiffen hat, war Herr Koch ein paar Wochen später der größte „Sparminator“ des Jahrhunderts. Ich frage mich da natürlich: Machen sie Sachpolitik oder Machtpolitik?

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Herr Carstens, der Vorsitzende unseres Haushaltsausschusses, hat in der Debatte im März gesagt, dass seitens der Regierung, aber auch seitens der Opposition noch mehr als bisher auf den Weg gebracht werden müsse. Ich kann ihm nur beipflichten. Herr Carstens hat 1993 in sehr verantwortlicher Position gewirkt, er hat 1997 miterlebt, wie Deutschland versucht hat, das Maastricht-Kriterium einzuhalten. Er hat 1993 an Waigels Konsolidierungsprogramm mitgearbeitet.

   Was stand vor über zehn Jahren im Konsolidierungsprogramm Waigels? Da hieß es: Die zentrale finanzpolitische Aufgabe in der derzeitigen Phase wirtschaftlicher Rezession ist es, mit erneuten überzeugenden Konsolidierungsschritten die strukturellen Finanzierungsdefizite des Bundes nachhaltig abzubauen und zugleich auf den nationalen und internationalen Finanzmärkten keinen Zweifel aufkommen zu lassen, dass die Bundesrepublik Deutschland in der Lage ist, die Herausforderungen aus der deutschen Einheit und der aktuellen Wirtschaftsschwäche mittelfristig zu bewältigen.

   Ich denke, zehn Jahre sind ein mittelfristiger Zeitraum. Wir haben die Strukturkrise nicht wirklich bewältigt; deswegen wurden wir von der Konjunktur so stark in die Knie gedrückt. Ich sagte bereits, dass Länder und Bund nicht wesentlich mit dem Abbau des strukturellen Defizits vorangekommen sind. Ein Grund dafür liegt in der Konjunkturschwäche seit 2001.

   Nun liegen relevante Vorschläge auf dem Tisch. In einem Zukunftsentwurf, wie wir, Rot-Grün, uns die Zukunft Deutschlands in der EU vorstellen, heißt es, Altes so zügig, wie es nur geht, abzuarbeiten - inzwischen haben viele in der Bevölkerung begriffen, worum es geht - und Neues anzupacken. Dazu haben wir jede Menge Vorschläge unterbreitet, zu denen Sie Stellung nehmen müssen. Es ist nicht so, wie Herr Merz gesagt hat, dass wir es Ihnen zu leicht machen; vielmehr machen Sie es sich selbst zu leicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Dietrich Austermann, CDU/CSU-Fraktion.

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es ist heute bereits mehrfach darüber gesprochen worden, dass wir uns seit drei Jahren in einer Phase der Stagnation befinden. Dabei wurde der Eindruck vermittelt, als habe die Politik, insbesondere die Bundespolitik, zu dieser Situation überhaupt keine Ursache geliefert. Ich denke, das muss gründlich untersucht werden, um daraus Folgen für künftiges Verhalten ableiten zu können. Das ist genauso wichtig bei der Frage, welche Programme man für die Zukunft entwickeln will. Wenn man sich nicht über die Ursachen klar wird, wird man die Fehler, die in den letzten vier Jahren gemacht wurden, möglicherweise wiederholen.

   Sehen wir uns die Situation einmal an. 1998 gab es in allen wesentlichen politischen Bereichen einen positiven Trend - ich will die Vergangenheit nicht zu lange bemühen und aufrollen -: Die Gemeinden hatten damals noch Überschüsse; auf dem Arbeitsmarkt ging die Arbeitslosigkeit drastisch zurück; wir hatten bei den Energiepreisen eine positive Situation; die gesamtstaatliche Verschuldung lag etwa bei einem Drittel von dem, was wir in diesem Jahr zu verzeichnen haben werden. Im Jahre 1999 gab es einen kräftigen Schluck aus der Pulle - Lafontaine stand dafür -, man hat die Ausgaben aufgebläht. Heute liegt die Höhe der Ausgaben in gewaltigem Maße über der Höhe der Ausgaben des Jahres 1998.

   Weil man jetzt davon spricht, die Haushaltsstruktur werde verändert, möchte ich, da auch der Finanzminister immer mit vielen unleserlichen Zetteln wedelt, eine Grafik zeigen - das ist eigentlich nicht üblich und nicht meine Art -, die vielleicht deutlich macht, welche Entwicklung wann eingetreten ist.

(Abg. Dietrich Austermann (CDU/CSU) hält eine Grafik hoch)

Die eine Kurve zeigt die Steuereinnahmen, die andere Kurve die festen Ausgaben wie Sozial-, Versorgungs-, Zins- und Personalausgaben. Darin ist kein Cent für Verteidigung, für Familie, für Investitionen oder sonst etwas enthalten. Ab dem Jahre 2000 ist ein deutlicher Knick bei den Steuereinnahmen und ein Anstieg bei den sozialen Ausgaben zu sehen. Dieser zeigt, dass Sie eine Haushaltsänderung, eine Richtungsänderung eingeschlagen haben, die zu einer Aufblähung der konsumtiven, der sozialen Ausgaben führte, und dass immer weniger Ausgaben für das bereitgestellt werden, was in der Zukunft von den Menschen erwartet wird.

   Das haben Sie durch eine regelrechte Orgie an Steuerbelastungen und an Energiekostenbelastungen begleitet, was natürlich jeden Mut zu Investitionen genommen hat. Ich kann das am Beispiel Ökosteuer und Energiepreise deutlich machen: 1998 mussten wir für 1 Liter Sprit 1,50 DM bezahlen, heute müssen wir umgerechnet etwa 2,10 DM bis 2,20 DM bezahlen. Diese 60 Pfennig Differenz treffen jeden Arbeitnehmer, der morgens zur Arbeit fährt, jeden der investiert, jeden, der sich als Spediteur betätigt usw.

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Fordert die Industrie auf, die Entwicklung des Dreiliterautos voranzutreiben!)

   Weil Sie gemerkt haben, dass das für die Arbeitnehmer fatal ist, haben Sie einen Teil davon den Arbeitnehmern als Entfernungspauschale zurückgegeben. Jetzt fordern Sie uns auf, mit Ihnen zusammen die Entfernungspauschale zu streichen. Was bedeutet das im Ergebnis? Sie kommen mit Konzepten, die eine zusätzliche Belastung für die Menschen darstellen, die zusätzlichen Druck auf die Menschen ausüben, und sagen, das könnte eine positive Perspektive sein, Sie hätten den Haushalt umstrukturiert. Nein, das ist es nicht. Das wiederholen Sie auch für das kommende Jahr, so wie wir es bei dem, was ersichtlich ist, erkennen können. Es sind nämlich nur Rudimente eines Haushaltes erkennbar. Das ist kein Haushalt, was vorgelegt worden ist. Ein Schweizer Käse ist dagegen ein Betonklotz.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

Oder wie andere sagen: Sie legen Rührei vor und wir sollen nachträglich Spiegelei daraus machen. Das, was Herr Eichel vorgelegt hat, kann kein Mensch als einen vernünftigen Ansatz bezeichnen, auf dessen Grundlage man seriös miteinander diskutieren kann.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ich glaube, Sie sollten zunächst einmal die eigene Arbeit machen.

   Das betrifft auch andere Dinge. Frau Kollegin Hermenau, Sie haben gesagt, ich hätte in der Aktuellen Stunde gesagt, wir hielten das, was der Bundeskanzler im März als Agenda 2010 beschrieben habe, für einen brauchbaren Ansatz. - Das ist richtig. Das haben wir damals, im April, noch so gesehen. Aber mittlerweile ist aus der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe ein bürokratisches Monstrum geworden. Jetzt verlangen Sie den Ländern ab, mal eben 7 Umsatzsteuerprozentpunkte an den Bund abzutreten, um das Ganze auszugleichen. Man sehe sich auch die anderen Vorschläge an, soweit sie überhaupt vorliegen.

   Die so genannte Agenda 2010 - Friedrich Merz sagt immer, sie reiche gerade bis zum 20.10.; dann müsse etwas Neues vorgelegt werden - ist bis heute nicht als ein fertiges, schlüssiges Konzept erkennbar, das den Weg aus der Krise, in der sich unser Land befindet, aufzeigen kann. Insofern kann man gar nicht Ja sagen. Zu nichts kann man keine Alternative entwickeln - und das, was vorgelegt wurde, ist nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Poß [SPD]: Detaillierter!)

- Ich werde detailliert etwas zu unseren Plänen sagen. Machen Sie sich darum keine Sorgen!

   Ich hätte eigentlich erwartet, dass sich der Bundesfinanzminister heute als Erstes beim deutschen Volk dafür entschuldigt, dass er es über drei Jahre lang durch falsche Prognosen und falsche Zahlen in die Irre geführt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Heinz Seiffert [CDU/CSU]: Angelogen hat!)

Heute hat er das erste Mal die Wahrheit gesagt -

(Zuruf von der CDU/CSU: Eine Teilwahrheit!)

Nettoneuverschuldung 70 bis 80 Milliarden -, weil es gar nicht anders geht und weil wir ihm die Zahlen vorhalten. In der letzten Woche klang das noch etwas anders. Vorletzte Woche hat er noch von 3,5 Prozent Defizit gesprochen.

   Der „Spiegel“ hat Recht. Er hat am 19. Mai dieses Jahres getitelt: „Die Stunde der Wahrheit im Land der Lügen“. Herr Eichel, Sie tragen einen erheblichen Teil Verantwortung für diesen Titel. Er ist gewissermaßen die Überschrift für Ihre Finanz- und Haushaltspolitik.

   Heute ist die Stunde der Wahrheit. Sie müssen endlich damit aufhören, die Menschen darüber zu täuschen, was Sie machen und welche Wirkungen das entfaltet. Ich bin der Meinung, Sie sollten sich entschuldigen - ich gebe Ihnen gerne die zwei Minuten von meiner Redezeit ab, die es dafür braucht -: Liebe Landsleute, ich habe das falsch gemacht. Ich habe euch getäuscht. Ich habe euch belogen.

   Sie können auch sagen: Ich habe es nicht besser gewusst und nicht besser gekonnt. - Allein das wäre ein Anlass dafür, zu sagen: Jetzt ist es an der Zeit, dass er geht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Hartmut
Schauerte (CDU/CSU): Das wäre einmal ein Anfang!)

Denn es gibt so viele Sachverständige, die von Monat zu Monat stärker gewarnt haben. Was wir zu diesem Haushalt gesagt haben, gilt auf Punkt und Komma. Jeder unser Redner hat Ihnen das vorgehalten. Es hat vor einem Jahr gegolten. Es hat vor der Bundestagswahl gegolten, als die Menschen mit den Zahlen, die Sie vorgetragen haben, systematisch belogen worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Eichel, Sie haben vorhin gesagt: Wir können es nicht tun, ohne dass alle etwas merken. - Es mag ja sein, dass es so ist. Aber wenn alle etwas merken, dann nimmt man allen etwas weg. Wenn man allen etwas wegnimmt und gleichzeitig eine Steuersenkung ankündigt, die ein bisschen ausgleicht, dann kann man sich davon doch nicht versprechen, dass die Menschen mit großer Freude und großem Elan vor Weihnachten die Konsumtempel stürmen. Das täten sie vielleicht, wenn sie mehr Geld in der Hand hätten und sie sicher wären, dass es im nächsten Jahr bergauf geht.

   Nein, Sie verfolgen das gleiche Prinzip wie bisher: linke Tasche, rechte Tasche. Auf der einen Seite hängen Sie eine Wurst ins Schaufenster und auf der anderen Seite stehlen Sie den Menschen den Schinken. Genau so machen Sie es auch mit Ihrer vorgezogenen Steuerreform.

(Joachim Poß (SPD): Sie reden doch weiter schwarz!)

Es ist an der Zeit, die Dinge so deutlich zu benennen, wie sie sind.

   Jetzt sage ich konkret etwas zu den Haushaltszahlen. In unserer Verfassung sind die Prinzipien von Haushaltsklarheit, Haushaltwahrheit, Haushaltvollständigkeit und Wirtschaftlichkeit vorgeschrieben. Es gibt darüber hinaus das Prinzip, dass man nicht mehr Schulden machen darf, als man an Investitionen tätigt. Das hat einen Sinn: Schulden darfst du nur machen, wenn du wie ein Häuserbauer dafür einen Wert schaffst.

   Herr Eichel, Sie haben für das nächste Jahr eine Neuverschuldung veranschlagt, die 6 Milliarden Euro über den Investitionsausgaben liegt. Das heißt, Sie verstoßen gegen die Verfassung. Wir haben mehrfach deutlich gemacht, dass es dafür keine Ausnahmegründe gibt. Sie verstoßen aber auch gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit, indem Sie Einnahmen veranschlagen, die mit Sicherheit nicht kommen. Sie wissen, welche Haltung wir zur Entfernungspauschale und zur Eigenheimzulage haben.

Sie können in Ihrem Haushalt doch nicht davon ausgehen, dass Sie das nötige Geld vom Bundesrat schon gebilligt bekommen. Sie können das auch an anderen Beispielen sehen.

(Joachim Poß (SPD): Was schlagen Sie als Opposition denn vor?)

- Herr Poß, auf der Tribüne wurde der Präsident des Bundesrechnungshofes begrüßt.

(Joachim Poß (SPD): Sie haben sich über die Umsatzsteuer mokiert!)

Der Bundesrechnungshof hat in diesem Jahr etwa fünf Berichte vorgelegt, in denen massive Verstöße der Verwaltung gegen die Sparsamkeit und den wirtschaftlichen Umgang mit dem Geld in Deutschland festgestellt wurden.

   Herr Poß, der erste Vorschlag wäre,

(Joachim Poß (SPD): Umsatzsteuererhöhungen!)

dass Sie sich mit uns die Berichte des Rechnungshofes anschauen. Wiederholen Sie nicht ständig die alten Fehler, die Sie in der Vergangenheit gemacht haben!

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Poß (SPD): Welche Vorschläge machen Sie denn? Machen Sie doch einmal Vorschläge!)

   In dem Haushaltsentwurf ist eine Reihe von Vorschlägen enthalten - -

(Joachim Poß (SPD): Welche Vorschläge machen Sie denn?)

- Passen Sie auf, ich bin jetzt bei Ihren Vorschlägen. - In dem Haushaltsentwurf des Finanzministers, den Sie wie immer abnicken, ist eine Reihe von Vorschlägen enthalten, bei denen noch nicht einmal Ihre eigene Zustimmung sichergestellt ist. Wie soll der Haushalt auf dem Konzept für die Gemeindefinanzen aufgebaut werden, wenn dieses Konzept in Ihrer Koalition nicht Konsens ist? Wie soll durch die Rentenreform, die noch nicht einmal als Gesetzentwurf in den Köpfen vorhanden ist, ein Nachlass bei den Rentenausgaben um 2 Milliarden Euro erreicht werden?

   Nein, Sie haben mit Ihrem Entwurf einen Haushalt aufgestellt, der nicht akzeptiert werden kann und der gegen die Verfassung verstößt. Sie werden uns nicht abverlangen können, dass wir sagen, dass auf der Basis dieser Reform - -

(Joachim Poß (SPD): Sie haben doch nichts Konkretes gesagt! Ihre Rede war erwartungsgemäß schwach!)

- Herr Poß, Sie brauchen sich hier nicht als Brüllwurst darzustellen. Das, was Sie vorhin hätten sagen können, haben Sie nicht gesagt und das, was gemacht werden muss, haben Sie nicht erkannt.

(Joachim Poß (SPD): Wir haben konkrete Gesetzentwürfe!)

Sie müssen nicht versuchen, anderen, die die Dinge so beschreiben, wie sie tatsächlich sind, ins Wort zu fallen.

(Joachim Poß (SPD): Nennen Sie doch einmal Ihre Alternativen!)

   Herr Poß, im Übrigen haben Sie bei der Frage, welches Land die meisten Schulden macht, Unrecht gehabt. Nicht weil jetzt die Wahlen in Bayern anstehen, sondern weil es den Fakten entspricht, will ich Ihnen das ganz konkret sagen.

(Joachim Poß (SPD): Ich habe Ihnen die Abweichungen genannt!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Poß, Sie haben sich vorhin mit einer bewundernswerten Disziplin an Ihre Redezeit gehalten. Wenn Sie die vorhin nicht vorgetragenen Bemerkungen während der Reden von Kollegen vortragen wollen, wäre das nur begrenzt überzeugend.

(Joachim Poß (SPD): Herr Lammert, weil Sie das sagen, akzeptiere ich das! - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Sehr liebevoll gesagt!)

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Ich glaube, dass man einmal deutlich machen muss, wie die Situation bezüglich der Verschuldungspolitik in den einzelnen Bundesländern aussieht. Unsere Haushaltsgruppe war in Bayern - die Grünen waren auch dort; das hat aber offensichtlich nicht zur Erleuchtung beigetragen - und hat festgestellt, dass der bayerische Haushalt eine Verschuldungsquote von 1 Prozent aufweist, während der Bundeshaushalt nicht eine Verschuldungsquote von 2, 3 oder 4, sondern von 16 Prozent aufweist. Es ist also eindeutig falsch, den Bundesländern vorzuwerfen, sie würden gegen die Maastricht-Kriterien verstoßen.

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, Bayern, aber sonst?)

Das gilt im Übrigen auch für das Land Hessen.

   Schauen Sie sich bitte einmal Nordrhein-Westfalen und andere Länder an. Welchem Land musste denn schon mehrfach bescheinigt werden, dass es gegen die Verfassung verstößt? Das war Hessen, als Hans Eichel noch Finanzminister war.

(Ilse Aigner (CDU/CSU): So ist es!)

Darauf muss Koch aufbauen. Jetzt ist es in Nordrhein-Westfalen so, wo Steinbrück Finanzminister war. Deswegen muss man sagen: Versuchen Sie nicht, von der tatsächlichen Situation abzulenken.

   Meine Damen und Herren, unser Land befindet sich in der stärksten Finanzkrise der Nachkriegszeit.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Leider wahr!)

Diese stärkste Finanzkrise der Nachkriegszeit wurde von Rot-Grün verursacht - ich habe das nachgewiesen - und sie wird von Rot-Grün nicht beherrscht.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Auch wahr! - Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das stimmt nicht!)

In den Reihen der Wirtschaft wird diese Finanzkrise so definiert - dies sagte der Vorstandsvorsitzende der Linde AG -, dass diese Regierung dabei ist, den Staatsbankrott für die nächste Generation zu organisieren.

   Ich will das an Zahlen deutlich machen. Wir hatten in diesem Jahr - -

(Heiterkeit auf der Regierungsbank)

- Dass die Leute bei diesem Thema lachen können, zeigt, dass sie das, was sie den Bürgern in der Zukunft zumuten, nicht ernst nehmen.

(Zuruf von der SPD: Sie lachen über Sie!)

Auf der Regierungsbank wird bei der Frage gefeixt, ob diese Regierung dabei ist, den Staatsbankrott für die nächste Generation zu organisieren, wie es der Vorstandsvorsitzende der Linde AG gesagt hat.

   Ich will Ihnen das anhand konkreter Zahlen demonstrieren: Das gesamtstaatliche Defizit gemäß den Maastricht-Kriterien wird in diesem Jahr 90 Milliarden Euro, oder, in richtigem Geld ausgedrückt, etwa 180 Milliarden DM betragen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist zweimal der NRW-Haushalt! - Zuruf von der SPD: Das ist ein altes Ding!)

- Ein altes Ding? Schauen Sie sich doch an, wie es sich entwickelt hat. 1998 lagen wir nicht einmal bei einem Drittel dieses gesamtstaatlichen Defizits. Jetzt liegen wir - gemessen anhand der Maastricht-Kriterien - bei 90 Milliarden Euro. Dieser Betrag wurde auch mit den Schulden, die allein in diesem Jahr gemacht werden, angehäuft.

   Man muss davon ausgehen, dass sich das gesamtstaatliche Defizit - gemessen anhand der Maastricht-Kriterien - im nächsten Jahr um 10 Milliarden Euro erhöhen, das heißt, sich in Richtung 95 bis 100 Milliarden Euro bewegen wird.

Sie können feststellen, dass in den letzten drei Jahren das Defizit jedes Jahr um etwa 10 Milliarden höher war. Die Entwicklung zeigt also ganz klar in eine dramatische Richtung. Diese Entwicklung können Sie auch nicht dadurch beherrschen, dass Sie immer mehr Schulden machen, um die Hauptkrise, nämlich die Zunahme der Arbeitslosigkeit und das Wegbrechen der Steuereinnahmen, aufzufangen. Dies ist mit zusätzlichen Schulden nicht möglich. Aber dies ist Ihre Antwort.

   Ich sage Ihnen ganz klar: Bei dem, was Sie bisher vorgelegt haben, diesem Schweizer Haushaltskäse, ist die finanzielle Basis für das, was Sie Agenda 2010 nennen, eindeutig weggebrochen. Wie unzuverlässig Sie als Vertrags- und Verhandlungspartner sind, können Sie daran erkennen, dass Herr Eichel noch im Mai dieses Jahres - er hat es wie immer etwas später gemerkt, er ist gewissermaßen die Regierungsschnecke - erklärte: Die nächste Stufe der Steuerreform vorzuziehen kommt überhaupt nicht infrage. Diese Forderung ist abwegig. Schröder hat dies noch am 14. März abgelehnt. - Heute will man uns dafür beschimpfen, dass wir nicht dabei helfen, dieses Vorziehen der Steuerreform zu finanzieren.

(Joachim Poß (SPD): Ist das Ihr letztes Wort?)

   Sie haben die Finanzen in die Krise geführt. Sie gehen mit den Wörtern „Nachhaltigkeit“ und „Reform“ so um, als hätten Sie sie erfunden. Sie aber haben das Thema Nachhaltigkeit in der Finanzpolitik wie keine andere Regierung in Europa vor Ihnen verraten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben die Situation immer weiter verschärft. Diese Politik hat Deutschland im Vergleich zu anderen Industriestaaten Jahr für Jahr ein Stückchen ärmer gemacht. Sie haben den Haushalt nicht saniert, sondern die Defizite immer weiter ansteigen lassen. Dies ist eine falsche Politik.

   Angesichts dieser Entwicklung, die kein einziger Bürger positiv beurteilt - schauen Sie sich doch die Umfragen an -, empfinde ich die Ansage von Schröder und Fischer, bei der nächsten Wahl wieder anzutreten, geradezu als Drohung. Das muss doch jeder Mensch als besorgniserregend empfinden. Der Kanzler an der Spitze trägt doch die Verantwortung für die Regierung und der Finanzminister die Verantwortung für Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik. Beide wollen nach den nächsten Wahlen weitermachen, nachdem ein Jahr vergangen ist und sie das Land in die Krise geführt haben. Das kann doch nicht wahr sein und kann auch nicht akzeptiert werden.

   Damit Sie mir nicht hinterher wieder vorwerfen, die Opposition habe nicht gesagt, was sie will, will ich Ihnen ganz konkrete Vorschläge nennen. Dazu werde ich die mir verbleibenden vier Minuten nutzen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das haben Sie gerade auf dem kleinen Zettel gefunden!)

- Herr Schmidt, dafür brauche ich keinen Zettel, dafür nehme ich die Rückseite. Was auf diesem kleinen Zettel steht, ist Ihre Politik.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Nein, Sie wollten gerade Ihre vortragen!)

Unsere Politik ist ganz eindeutig. Dieser Haushaltsentwurf ist unbrauchbar. Sie müssen für das Jahr 2003 einen Nachtragshaushalt vorlegen. Sie müssen einen Kassensturz machen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie wollten doch jetzt zu Ihren Vorschlägen kommen!)

- Es gehört doch mit dazu, dass ich auf der Basis der Realität Haushaltspolitik mache und in diesem Jahr mit dem Sparen anfange. Ein Kassensturz muss gemacht, eine Haushaltssperre verhängt und ein Nachtragshaushalt vorgelegt werden. Das ist der erste Vorschlag. Merken Sie es sich.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist doch kein Vorschlag!)

- Natürlich ist das ein Vorschlag. Herr Eichel lehnt ihn aber ab. Schon im Mai hätte er eine Haushaltssperre verhängen können. Damit hätte man viele Milliarden gespart.

   Unser zweiter Vorschlag ist: Sie müssen erst einmal mit dem Sparen anfangen.

(Joachim Poß (SPD): Heiße Luft!)

- Wieso „heiße Luft“? Mit diesen Vorschlägen können Sie mindestens 4 Milliarden Euro im Verwaltungsvollzug sparen.

(Joachim Poß (SPD): Werden Sie einmal konkret!)

Sie wollen mir doch nicht weismachen, dass in der Verwaltung bisher die Rückseite von Blättern beschrieben und Bleistifte angespitzt werden. Die Regierung nimmt bei der Öffentlichkeitsarbeit sogar noch einen kräftigen Schluck aus der Pulle. Die Ausgaben hierfür werden im nächsten Jahr steigen. Das Motto lautet wohl: Je schlechter die Regierung, umso mehr muss für Öffentlichkeitsarbeit ausgegeben werden. Dort können Sie zig Millionen sparen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie können auch dadurch sparen, dass Sie eine verlässliche Politik machen und mit der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetruges endlich anfangen. Das, was der Rechnungshof vor etwa 14 Tagen festgestellt hat, Herr Eichel, ist den Eingeweihten, den Mitarbeitern in Ihrem Hause seit langem bekannt. Ich meine diese Karussellgeschäfte in Form von Verschieben der Vorsteuern. Wir haben hier seit langem Änderungen gefordert. Die Länderfinanzminister sprechen bei der Bekämpfung dieses Umsatzsteuerbetrugs von einem Einsparpotenzial - Herr Poß, hören Sie gut zu - von 20 Milliarden Euro. An diese Sache muss man allerdings herangehen. Es reicht nicht, nur ein paar kleinere Korrekturen vorzunehmen.

(Joachim Poß (SPD): Sie haben doch blockiert!)

- Nein, dazu liegt doch von Ihnen gar kein Vorschlag vor. Die Regel im Parlament ist: Die Regierung macht Vorschläge und die Opposition macht die Alternativen deutlich.

(Joachim Poß (SPD): Schutzpatron der Steuerhinterzieher!)

Aber wenn nichts auf dem Tisch liegt, können wir keine Alternative entwickeln.

   Sie müssen ganz konkret die Entscheidung treffen, dass Sie nicht - ich habe das anhand der Grafik gezeigt - ständig die Sozialausgaben ausweiten. Mit Ihrem Konzept zum Arbeitslosengeld II werden zunächst einmal 800 000 bis 1 Million Sozialhilfeempfänger Arbeitslosengeld II beziehen.

Das heißt, sie bekommen eine höhere Leistung. Anstatt das Lohnabstandsgebot zu beachten, schöpfen Sie auch hier aus der falschen Quelle.

   Wir sind der Meinung, dass man bei der aktiven Arbeitsmarktpolitik, die in einer Weise ausgeufert ist, die bisher nicht bekannt war, ansetzen sollte. Wir sind der Meinung, dass man durchaus noch entschieden privatisieren kann. Wir sind der Meinung, dass man eine richtige Steuerreform machen sollte.

   Wenn Sie einen verfassungsgemäßen Haushalt vorlegen, wenn im Ergebnis nicht eine Mehrbelastung der Bürger, sondern eine Entlastung herauskommt, und wenn die Entlastung nicht nur für ein Jahr, sondern auf Dauer gilt, dann machen wir die vorgezogene Steuersenkung mit. Aber ich vermute, dass es dazu nicht kommen wird. Dann werden wir als Alternative unser Steuerkonzept vorlegen.

(Jörg-Otto Spiller (SPD): Ja, wann denn?)

Das bedeutet: Abschaffung der Ausnahmen und Senkung der Tarife, was einen gewaltigen Impuls für die Arbeit ergeben wird.

(Joachim Poß (SPD): Ein sehr konkreter Vorschlag!)

   Für solch stümperhafte Steuerkonzepte, wie Sie sie haben, werden wir keine Vorschläge machen.

   Das entscheidende Thema im Zusammenhang mit der Finanz- und Haushaltspolitik, dem wirtschaftlichen Wachstum und dem Arbeitsmarkt ist folgendes: Es gibt zurzeit kein Vertrauen der Bürger in diesem Land in eine verlässliche Regierungsarbeit.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist wohl wahr!)

Jeder von uns stellt bei seinen Besuchen in Betrieben fest, dass der eine oder andere jetzt eigentlich investieren müsste und investieren könnte. Die Unternehmer sagen uns aber alle übereinstimmend: Solange so gewurstelt wird und solange ich nicht weiß, welches Gesetz, das vielleicht noch heute gilt, aber morgen eine Veränderung erfährt, mich trifft, investiere ich nicht. Solange für die Menschen kein klarer Regierungskurs erkennbar ist, der zurzeit nicht da ist - das Schädlichste an der gegenwärtigen Situation ist der Missbrauch des Vertrauens der Bevölkerung -, konsumieren sie nicht, sondern sie halten das Geld zurück. Wir haben zurzeit die höchste Sparquote aller Zeiten.

(Beifall des Abg. Ernst Hinsken (CDU/CSU))

Unter dieser Regierung und diesen Rahmenbedingungen konsumieren die Leute nicht.

Deshalb ist unsere wichtigste Forderung: Betreiben Sie eine verlässliche und vertrauenswürdige Politik. Dann bekommen Sie auch mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätze. Dann bekommen Sie auch unsere Zustimmung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß (SPD): Kein konkreter Vorschlag! Heiße Luft!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Walter Schöler, SPD-Fraktion.

Walter Schöler (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das waren also die „knallharten Sparvorschläge“, mit denen die Union jetzt aus der Deckung kommen wollte. Das ist der Originalton vom Kollegen Dietrich Austermann in der „Welt am Sonntag“ vom 31. August.

(Joachim Poß [SPD]: Knallharte Sparvorschläge!)

   Ich war im Übrigen noch hoffnungsvoll, als ich zu unserer Klausur fuhr, dass Sie sich nicht wie in den letzten Jahren verweigern, sondern wirklich mit eigenen Vorschlägen aufwarten werden. Aber als ich dann nach Ihrer Klausur Ihre Presseverlautbarung am 5. September las - viel Text, wenig Inhalt -, da zerbarst Ihre Ankündigung als Fata Morgana, weil sie nur aus heißer Luft bestand, wie Ihre Rede gerade auch, in der Sie überhaupt keinen Vorschlag gebracht haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe die Befürchtung, auch nach dieser Rede wird der Ruf in das Schattenkabinett Ihres Kollegen Peter Harry Carstensen aus Schleswig-Holstein problematisch sein. Kollege Austermann wird uns sicherlich noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode erhalten bleiben. Wir werden damit leben können.

(Ilse Aigner [CDU/CSU]: Sie gehen davon aus, dass die Wahl schon gewonnen ist!)

   Die sich nun in das dritte Jahr hinziehende Stagnation belastet alle öffentlichen Haushalte auf der Einnahmen- und der Ausgabenseite mit noch nicht erlebter Wucht. Um die Größenordnung des Problems einmal zu verdeutlichen: Das Bruttoinlandsprodukt liegt um 80 bis 100 Milliarden Euro niedriger, als wenn wir ein mittelfristiges durchschnittliches Wachstum von jährlich 1,5 Prozent gehabt hätten. Die dadurch klaffende Lücke ist, abgesehen von den Kosten der Wiedervereinigung, die größte Herausforderung, vor der die Finanzpolitik je gestanden hat. Dieser Herausforderung wollen wir uns mit dem Bundeshaushalt 2004 und dem Gesamtpaket der Reformgesetze der Agenda 2010 annehmen und wir wollen dieses Problem meistern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Der Bundeshaushalt ist Teil eines Modernisierungsprogramms, das auf die Förderung von Wirtschaftswachstum und Beschäftigung zielt, ein Dreiklang, wie es der Finanzminister hier darstellte, von Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung - -

(Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Das glauben Sie noch nicht einmal selbst!)

- Sorg du einmal dafür, dass der Eurofighter so ausgestattet wird, dass wir ihn auch einsetzen können, wenn der Ernstfall eintreten sollte! Ich habe in diesem Zusammenhang große Befürchtungen. Das ist auch ein Finanzproblem, das ihr uns in den Jahren, in denen ihr regiert habt, ins Nest gelegt habt. Davon wollt ihr heute nichts mehr wissen.

(Beifall bei der SPD)

   Kerngedanke des von der Bundesregierung vorgelegten Pakets ist es, die von Hans Eichel vor vier Jahren begonnene Konsolidierung der Staatsfinanzen mit einer Stärkung von Wachstum und Beschäftigung zu verbinden.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Was verstehen Sie unter Konsolidierung?)

Die Stärkung von Wachstum und Beschäftigung muss wieder mehr Menschen in Lohn und Brot bringen.

   Wir sind die Probleme angegangen. Wenn sich jemand entschuldigen müsste, wie es der Kollege Austermann eben verlangt hat, dann müssten das diejenigen aus der schwarz-gelben Regierungszeit sein, die uns 1998 ein Desaster hinterlassen haben.

(Beifall bei der SPD)

   Das Angehen der Probleme, die vor uns liegen, ist mit schmerzhaften Einschnitten verbunden. Das wissen wir alle. Es funktioniert auch nicht wie in einer chemischen Reinigung nach dem Motto „Heute gebracht, morgen gemacht“. Wir wissen doch alle, dass die Wirkung von Reformgesetzen - ob Hartz I, II, III oder IV - ihre Zeit braucht. Das beweisen auch Entwicklungen in anderen europäischen Staaten, über die heute schon gesprochen worden ist und die seinerzeit, als die damalige Regierung versagt habt, rechtzeitig ihre Reformen begonnen haben. Das hat in manchen Fällen einige Jahre gebraucht.

   Ich weiß, dass in Deutschland eine große Ungeduld herrscht. Das ist auch verständlich. Aber dass Sie Maßnahmen schon zerreden, bevor sie in das Gesetzblatt kommen und Wirkung entfalten können, ist nicht in Ordnung. Das aber ist Ihre Politik: Sie schaffen Verwirrung. Sie schaffen kein Vertrauen; Sie wollen vielmehr Misstrauen schüren. Das ist Ihr kurzsichtiges Ziel.

(Beifall bei der SPD)

   Wir können mit der Konsolidierung nicht warten, bis wir wieder ein ordentliches Wachstum erreicht haben. Im Jahr 2003 wird - das ist bereits dargestellt worden - die Neuverschuldung des Bundes durch die konjunkturell bedingten Steuermindereinnahmen wie auch durch Mehrbelastungen am Arbeitsmarkt mit einem Nachtragshaushalt, den wir im Dezember beraten und sicherlich auch verabschieden werden, auf rund 38 Milliarden Euro steigen. Dieses Niveau verlassen wir mit dem Haushalt 2004 schleunigst wieder.

   Was die Konsolidierung angeht, erfüllen wir den Verfassungsgrundsatz aus Art. 115 Grundgesetz - zu dem heute die seltsamsten Interpretationen aus den Reihen der Union vorgetragen worden sind - und zugleich auch das Maastricht-Kriterium. Daran führt kein Weg vorbei. Wir sichern die Handlungsfähigkeit des Staates über den Tag hinaus.

(Beifall bei der SPD)

   Sehr interessant ist - man höre und staune -, dass es dafür auch einen neuen Kronzeugen gibt, nämlich den hessischen Ministerpräsidenten Koch. In den vergangenen Jahren ist er sehr exzessiv in die Verschuldung gegangen und hat nun dafür seine Quittung bekommen. Er ist von den Ratingagenturen heruntergestuft worden; das Triple A ist futsch. Das hat ihm wohl einen gehörigen Schrecken eingejagt. Denn der Verlust der Bonität ist eine äußerst schlechte Empfehlung für einen Kanzlerkandidaten in spe. Nun reiße er das Ruder herum, behauptet er: Er will brutalstmöglich sparen. Der brutalst mögliche Aufklärer mutiert jetzt zum brutalstmöglichen Sparer. Festzuhalten ist in jedem Fall: Hessen hat mit Koch sein Triple A verloren. Die Bonität des Bundes steht hingegen außer Frage. Der Bund mit Finanzminister Eichel hat sein Triple A.

   Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, die Regierungskoalition im Bund betreibt seit Jahren Konsolidierung mit Nachdruck, aber auch mit Augenmaß. Indikator dafür ist die Entwicklung bei den Ausgaben; denn die bereinigten Ausgaben liegen im Entwurf 2004 rund 8,6 Milliarden Euro oder 4 Prozent niedriger als 1998, dem letzten Jahr von Schwarz-Gelb. Das Bruttoinlandsprodukt ist hingegen im gleichen Zeitraum um 15 Prozent gewachsen.

   Der Anteil der Bundesausgaben am Bruttoinlandsprodukt betrug 1998 unter Kohl und Waigel noch 12,2 Prozent. Wir haben ihn über die Jahre bis zu dem Entwurf 2004 auf 9,8 Prozent zurückgeführt. Das heißt, wir haben auf der Aufgabenseite schon gewaltig konsolidiert.

   Insofern ist unser Konzept, das sich auf dem schmalen Grat zwischen dem Konsolidierungserfordernis und der unstreitig existierenden Gefahr kontraktiver Effekte bewegt, ausgewogen. Aber das Konzept entlastet den Bund schon 2004 mit rund 14 Milliarden Euro. Es entlastet aber auch - das ist genauso wichtig - die Länder und Gemeinden 2004 um 9,1 Milliarden Euro, ansteigend auf 11,6 Milliarden Euro bis zum Jahre 2007.

   Mit dem Haushaltsstabilisierungskonzept wird der Zuwachs der Sozialausgaben gebremst und es werden Subventionen abgebaut. Glauben Sie mir, wir bemühen uns, die notwendigen Belastungen sozial gerecht auf viele Schultern zu verteilen. Das fällt uns auch nicht leicht; wir machen das schweren Herzens. Das Erfordernis einer Konsolidierung ließ uns aber keine andere Wahl. Dazu gehören auch die hier schon erwähnten 4 Milliarden Euro im Bereich des Arbeitsmarktes und die 2 Milliarden Euro jährlich als Zuschuss an die Rentenkassen. Kürzungen beim Weihnachtsgeld und Streichungen beim Urlaubsgeld für Beamte, Richter und Soldaten gehören ebenso dazu wie der Abbau von Subventionen in dreistelliger Millionenhöhe. Wir bitten alle Gruppen, die davon betroffen sind und die ihren Anteil - gerecht verteilt - erbringen müssen, dafür um Verständnis, dass wir handeln müssen.

   Auf der Einnahmenseite werden Steuervergünstigungen abgebaut oder gekürzt - ich nenne noch einmal die Eigenheimzulage und die Entfernungspauschale. Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit werden verstärkt bekämpft. Das sind doch Handlungsfelder, die die Oppositionsfraktionen während ihrer Regierungszeit über Jahre sträflich vernachlässigt haben. Wir ändern das jetzt mit unserem Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung von Steuerhinterziehung und Schwarzarbeit, der von der Regierung in Kürze hier vorgelegt wird.

   Der Bundesrechnungshof - sein Präsident ist hier anwesend - ist erwähnt worden. Er hat für den Bereich der Umsatzsteuer dargelegt, dass durch wirksame administrative und auch gesetzliche Maßnahmen zur Verhinderung der Steuerhinterziehung und des Umsatzsteuerbetruges hohe Mehreinnahmen für Bund, Länder und Kommunen erwirkt werden können. Dazu erwarten wir die Vorschläge für den weiteren Abbau von Steuervergünstigungen und Subventionen auf der Basis der Ankündigung der Ministerpräsidenten Koch und Steinbrück. Wir sind hier zu einer konstruktiven Zusammenarbeit bereit. Es geht aber nicht, dass Sie, wie in der Vergangenheit, einfach Ihre Mitarbeit verweigern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Reden von Herrn Merz und auch vom Kollegen Austermann soeben haben gezeigt, dass überhaupt keine Vorschläge gekommen sind. Das ist nichts anderes als die Verweigerung einer Mitarbeit durch die Opposition.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir werden die Konsolidierung durch schon umgesetzte Gesetze, aber auch durch ein Paket von Maßnahmen, das in den nächsten Wochen vor Verabschiedung des Haushaltes beraten und die zweite und dritte Lesung hier im Parlament erreichen wird, begleiten. Die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist nur durch Strukturreformen zu schaffen. Ich nenne hier die moderne Arbeitsmarktverfassung, die wir vorgesehen haben. Auch die Gesundheitsreform, auf die wir uns verständigt haben und die heute einvernehmlich - zumindest was die Koalitions- und die Unionsfraktionen betrifft - eingebracht wird, gehört dazu.

   Ich will noch auf Folgendes hinweisen. Ich bin davon überzeugt: Wir dürfen nicht in den Fehler verfallen, in Zukunft weiter das von manchen Sozialpolitikern angestrebte Ziel einer verstärkten Steuerfinanzierung der Systeme der sozialen Sicherung auf Kiel zu legen. Es geht nicht so weiter. Wir werden auf Dauer - das zeigt sich bei den Renten - von diesem hohen Zuschuss herunterkommen müssen.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Irrglaube!)

Wir können deshalb aus keinem Grunde auch noch andere Systeme, zum Beispiel gerade das System der Krankenversicherung, auf Dauer durch Schulden, geschweige denn durch Staatsschulden finanzieren.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Richtig!)

Auch da sind Sie aufgefordert, mitzuarbeiten. - Gut, Bartl, machen wir das. Wir werden ja die Debatte erleben.

   Wir brauchen also keine Finanzierung aus Schulden. Wir brauchen keine Verlagerung der Finanzprobleme in unsolide Lösungen. Wir brauchen eine umfassende Konsolidierung der Sozialversicherungssysteme. Daran arbeiten wir.

(Beifall des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])

Das gilt auch für die Vorschläge zur weiteren Reform in der Rentenversicherung im Sinne der Generationengerechtigkeit, die gewährleistet sein muss.

   Sie sehen also, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben ein Konsolidierungskonzept. Die Opposition hingegen steht völlig blank da.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Jetzt war es gerade so gut!)

Außer leeren Ankündigungen - wir haben es eben wieder erlebt - ist nichts zu bieten. Herr Austermann wollte bis zu 4 Milliarden Euro einsparen. Das sollte dann ein knallharter Vorschlag sein. Der Vorschlag ist nicht gekommen, es war heute nichts davon zu hören.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Zuhören!)

Wir hingegen haben ein Paket von 14 Milliarden Euro in den Haushalt eingearbeitet. 14 bei uns, 4 bei Ihnen - das ist ein ganz eindeutiges Ergebnis.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Null im Haushalt!)

Das ist die Wahrheit, von der der Kollege Austermann eben gesprochen hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Sie fordern gleichzeitig, die Neuverschuldung zu senken. Wie soll das denn zusammenpassen? Bei Ihnen wäre eine Neuverschuldung doch - nach Adam Riese - eine um 10 Milliarden Euro höhere Zusatzverschuldung. Damit lägen wir dann schon beim Basishaushalt - ohne das Vorziehen der Steuerreform, das wir beschließen - über der Verfassungsgrenze.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Plus 10 Milliarden Risiken!)

Ohne das Vorziehen der letzten Steuerentlastungsstufe läge die Neuverschuldung im Haushalt 2004 unterhalb der Verfassungsgrenze. Aber Sie, die Sie schon unter Kohl und Waigel in sehr fahrlässiger Weise auf Pump gelebt und den Staat aus den Sozialkassen finanziert haben, wollen jetzt das Schuldengebirge erhöhen, das Sie seinerzeit aufgebaut haben. Eine solch unsolide Politik machen wir nicht mit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns: Sie sind unsolide und wir konsolidieren.

(Norbert Barthle [CDU/CSU]: Was denn?)

   Im laufenden Haushalt 2003 wird die Neuverschuldung das Volumen der Investitionsausgaben wegen des Vorziehens der dritten Stufe der Steuerreform deutlich übersteigen. Das ist verfassungsgemäß, da das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht angesichts eines viel zu geringen Wachstums bzw. von Stagnation sowie angesichts einer viel zu hohen Arbeitslosigkeit ganz offensichtlich gestört ist. Das bekämpfen wir mit unseren Maßnahmen, unter anderem durch das Schaffen von Investitionsanreizen und das Vorziehen der dritten Stufe der Steuerreform. Art. 115 des Grundgesetzes wird also von uns auch 2004 eingehalten.

   Auch die Grundregel das Maastricht-Defizitkriteriums wird von uns eingehalten. Wir arbeiten hart daran, dass die diesjährige Überschreitung - 3,8 Prozent wurden nach Brüssel gemeldet - im nächsten Jahr abgebaut wird. Wir wollen das nicht noch einmal erleben. Das tut uns selber weh. Dieser Wert muss zurückgeführt werden. Die Maastricht-Kriterien sind sicherlich kein Fetisch. Aber aus Sicht eines Haushälters muss ich sagen, dass sie für uns nicht zur Disposition stehen, und zwar auch dann nicht, wenn wir Hauptzahler in der EU sind und als einziger Staat in Europa zusätzlich die Lasten der deutschen Einheit zu finanzieren haben. Diese wollen wir gar nicht erst herausrechnen. Wir wollen uns auch in Zukunft an die Vereinbarungen halten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Überschreitung der Defizitgrenze im Jahr 2003 hat konjunkturelle Effekte, die nicht kompensierbar sind, wollten wir die Konjunktur nicht vollends abwürgen. Aber das wollen Sie offensichtlich tun. Wir können das Defizit nur durch die von uns geplanten Strukturreformen zurückführen. Brüssel hat uns ausdrücklich bestätigt, dass wir hier den richtigen Weg beschreiten. Deshalb wird von dort letztlich keine Rechnung kommen, das heißt, es droht kein Ungemach in Form von Strafzahlungen.

   Wir sind beim Bundeshaushalt 2004 von der knappen Defizitgrenze von 3 Prozent ausgegangen. Wir halten dieses Ziel nach wie vor für erreichbar, auch wenn sich in den letzten Tagen - das gilt ebenfalls für die heutige Debatte - mehr oder weniger ausgewiesene Sachverständige mit höheren Schätzungen geradezu überboten haben. Kollege Austermann spricht inzwischen von über 4 Prozent. Das ist zumindest seiner Presseerklärung zu entnehmen. Aber wir wissen ja, was wir von den Prognosen des Kollegen Austermann zu halten haben. Sie waren in der Vergangenheit falsch und werden es auch in Zukunft sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich meine, dass es durchaus Grund für Optimismus gibt. Die Konjunktursignale stehen zwar noch nicht auf Grün, können aber bald von Gelb auf Grün umspringen. Die binnenwirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind für den weiteren Konjunkturverlauf günstig. Finanzminister Eichel hat dies eben in seiner Rede noch einmal sehr eingehend nachgewiesen.

   Entscheidend wird aber neben der weltwirtschaftlichen Entwicklung sein, Bürgern und Unternehmern Vertrauen in die zukünftige Entwicklung zu geben. Das, was Sie heute gesagt haben, bewirkt das genaue Gegenteil. Sie schüren Misstrauen. Wir alle brauchen aber Vertrauen. Sie sollten nicht so tun, als ob die Opposition nicht genauso auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Parteien angewiesen wäre wie wir in der Regierung. Das ist nun einmal unabdingbar. Wir haben noch ein ganzes Paket an Lasten zu tragen, bis wir das Vertrauen der Bevölkerung wiederhergestellt haben. Wir wollen es durch unsere Politik und auch mit dem Haushalt 2004 fördern. Wir werden das in den Beratungen über die Einzelpläne - dafür haben wir bis Mitte November noch einige Wochen Zeit - hinreichend belegen. Das Vertrauen der Menschen in die Zukunft - davon bin ich fest überzeugt - wird sich mit der Realisierung unserer Reformpolitik wieder festigen. Wenn Vertrauen vorhanden ist, wird die aufgestaute Nachfrage sehr schnell wirksam werden. Sie können davon ausgehen, dass die Binnenkonjunktur anspringen wird. Dafür werden unsere Modernisierungspolitik und insbesondere unsere Reformen Impulse geben.

   Die Opposition behauptet, der Bundeshaushalt 2004 enthalte Risiken. Sie versteigt sich dabei in abenteuerliche Größenordnungen.

(Dirk Niebel [FDP]: Alles wird gut!)

Herr Austermann konnte noch nie rechnen; er hat mit seiner Schwarzmalerei immer völlig danebengelegen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Immer Recht gehabt!)

Kollege Austermann, immer wenn Sie sich korrigieren mussten - das war beim letzten und auch beim vorletzten Haushalt so -, dann war das Ihre Stunde der Wahrheit.

   Richtig ist aber natürlich - das wollen wir gar nicht verschweigen; so ist das nun einmal -: Es gibt Risiken. Es gibt in diesem Lande keinen Propheten, der Konjunkturentwicklungen zuverlässig voraussagen kann. Leider haben auch wir noch keine Methode für zuverlässige Voraussagen erfunden. Deshalb muss immer wieder nachgesteuert werden.

   Das war auch zu Zeiten Ihrer Regierung nicht anders; auch da ist nachgesteuert worden. Ich erinnere mich an die von Ihnen immer wieder beschriebene goldene Zeit der 80er-Jahre unter Stoltenberg, als Steuern gesenkt worden sind. Aber um welchen Preis? Der Preis war eine absolute Erhöhung der Staatsverschuldung, und zwar zu einem Zeitpunkt, als überhaupt noch niemand von der deutschen Einheit geredet hat.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Nein, nein, nein!)

Sie - kein anderer - haben die Staatsverschuldung in dieser Höhe zu verantworten. Davon wollen Sie immer wieder ablenken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Kurt J. Rossmanith [CDU/CSU]: Die Zeit unter Stoltenberg liegt doch schon fast zwanzig Jahre zurück!)

   Im Übrigen hat im Frühjahr die Konjunktur- und Steuerschätzung stattgefunden. Im Herbst wird diese Schätzung wieder durchgeführt. Wenn es notwendig sein wird, dann werden wir wieder nachsteuern. Richtig ist auch, dass im Haushalt einige Schätzansätze enthalten sind, für die es keine absolut sichere Berechnungsbasis gibt, zum Beispiel bei der „Brücke zur Steuerehrlichkeit“, für die es acht gute Gründe gibt, wie das „Handelsblatt“ geschrieben hat. Alle Sachverständigen erwarten, dass unsere Prognose eintreffen wird. Ich bin davon überzeugt, dass sie sogar überschritten werden kann.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Schöler, ich habe den Eindruck, dass Sie die vom Kollegen Kalb gewünschte Zwischenfrage zulassen wollen.

Walter Schöler (SPD):

Das ist so, Herr Präsident.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte schön.

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Herr Kollege Schöler, können Sie bestätigen, dass es in den Jahren von 1982/83 bis 1989 gelungen ist, die unter einer SPD-geführten Regierung geplante Neuverschuldung von - ich hoffe es richtig in Erinnerung zu haben - etwa 54 Milliarden DM auf 19 Milliarden DM zurückzuführen? Können Sie bestätigen, dass Waigel bereits im Jahre 1990 einen absolut ausgeglichenen Haushalt hätte vorlegen können, wenn nicht der glückliche Umstand der Wiedervereinigung eingetreten wäre?

(Lachen bei Abgeordneten der SPD - Jörg Tauss [SPD]: Das ist aber eine Legende!)

Können Sie außerdem bestätigen, dass in den Jahren von 1986 bis 1989 die Zahl der Arbeitsplätze in Deutschland gleichzeitig um 3,5 Millionen gestiegen ist?

Walter Schöler (SPD):

Wir können uns über verschüttete Milch so lange unterhalten, wie wir wollen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wer hat denn damit angefangen?)

   Fakt ist natürlich: Die Regierung Schmidt hat damals Schulden in Höhe von 300 Milliarden DM hinterlassen. Herr Merz hat heute im Zusammenhang mit der Finanzierung der deutschen Einheit über Drittelung - Stichwort Portokasse - gesprochen: ein Drittel über Schulden, ein Drittel über Mittel der Sozialversicherungssysteme, ein Drittel über Steuern usw. Auch wenn man die Kosten der deutschen Einheit berücksichtigt: Sie haben zu verantworten, dass in den 16 Jahren Ihrer Regierung die Staatsverschuldung und die Belastung der Bürger eine absolute Rekordhöhe erreicht haben. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuteln. Es nützt nichts, wenn Sie durch diese Zwischenfrage ablenken und sich rechtfertigen wollen. Wir können das anhand der Jahresdaten in der Statistik überprüfen.

(Beifall bei der SPD - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Wir gleichen die Daten ab!)

   Kollege Kalb, auch nach den Reden Ihres stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden und Ihres haushaltspolitischen Sprechers Dietrich Austermann ist das Problem unverändert; Sie haben keine Vorschläge gemacht. Es bleibt dabei: Das größte Risiko für den Haushalt sind Sie, die Neinsager, die Hü-und-hott-Sager von der Opposition.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat - wir kennen sie - sind, wie sie sind; wir werden damit leben müssen. Aber Sie haben eine Verantwortung, wenn nicht in diesem Parlament, wo Sie in der Minderheit sind, so doch im Bundesrat, wo Sie die Mehrheit haben. Dieser Verantwortung werden Sie gerecht werden müssen. Sie müssen Ihre Vielzüngigkeit und Ihre Konzeptlosigkeit beenden. Sie veranstalten - leider Gottes, wie ich sagen muss - ein Machtgerangel um eine chancenlose Kanzlerkandidatur für 2006. Egal wer Ihr Kandidat wird: Diese Person wird in diesem Machtgerangel untergehen.

   Sie können sich nicht erlauben, Ihre bisherige Haltung beizubehalten. Ich glaube, auch die Bevölkerung nähme Ihnen das nicht ab. Sie können sich auch nicht erlauben, wie im Frühjahr noch einmal Nein zu sagen. Sie haben im Frühjahr zum Steuervergünstigungsabbaugesetz Nein gesagt, wodurch den Gemeinden 6 Milliarden Euro - Geld, das sie dringend brauchen - vorenthalten wurden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich kann Sie von der Opposition nur auffordern: Tragen Sie unsere Politik zur Schaffung von Wachstum und Beschäftigung bei Wahrung sozialer Gerechtigkeit mit!

(Lachen bei der CDU/CSU)

Stimmen Sie unseren Gesetzentwürfen und auch dem Haushaltsentwurf 2004 zu!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden [CDU/CSU]: Treten Sie alle in die SPD ein!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nun hat der Kollege Dr. Hermann Otto Solms, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nur wenige Minuten und will deswegen auch nur ganz wenige Bemerkungen machen.

   Das verloren gegangene Vertrauen - Sie erkennen selbst an, dass es verloren gegangen ist - ist nur durch eine Verbesserung der Fakten zurückzugewinnen. Das Schattenboxen hier im Parlament wird Ihnen dabei nicht helfen. Auch die Versuche, die Opposition in die Verantwortung zu ziehen, werden Ihnen nicht helfen. Das Vertrauen werden Sie nur zurückgewinnen, wenn Sie als Endergebnis nachhaltige Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt erreichen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ihre Aufgabe ist, nun konkret zu überlegen: Wie erreiche ich solche Verbesserungen? Die Ansätze, die Sie dazu machen, sind - das ist das Entscheidende - völlig unzureichend.

   Ich stimme Herrn Eichel zu: Der Dreiklang - Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung, Wachstumsimpulse - hört sich gut an. Aber man muss das eben auch umsetzen.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Nur, wie?)

Ich bedaure Sie ein wenig, Herr Eichel, weil ich weiß, dass Sie in dem, was Sie erreichen wollen, durch Ihre eigene Fraktion gehemmt werden,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und durch das fehlende Können!)

die nicht bereit ist, die notwendigen Schritte mitzugehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich will mich auf die Steuer- und Finanzpolitik konzentrieren. Mir liegt hier eine Liste der Steuerbelastungen und der Steuerentlastungen von 1999 bis heute vor. Danach kommen wir im Saldo - ich will das nicht im Einzelnen vortragen - zu einer Mehrbelastung von rund 15 Milliarden Euro.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

Aber darin sind schon die Entlastungen durch die Steuerreform insgesamt enthalten, obwohl die zweite und dritte Stufe noch gar nicht in Kraft getreten sind. Das heißt: Im Moment haben wir es mit einer Steuermehrbelastung der Bürger von 30 bis 40 Milliarden Euro gegenüber damals zu tun. Deswegen ist das verfügbare Einkommen der Bürger ganz stark zurückgegangen.

(Joachim Poß (SPD): Wie rechnen Sie denn?)

   Wie kommen Sie eigentlich zu der Überzeugung, die Bürger würden jetzt den zurückgestauten Verbrauch nachholen und einen Boom auslösen? Das können sie gar nicht, weil sie das Geld dafür nicht haben. Dazu kommen noch die gestiegenen Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Das ist dabei noch gar nicht berücksichtigt.

(Jörg-Otto Spiller [SPD]: Was rechnen Sie da eigentlich?)

Sie werden die Bürger nur zum Verbrauch ermutigen, wenn sie bei den Beiträgen zu den gesetzlichen Sicherungssystemen und bei den Steuern konkret entlastet werden. Beides erreichen Sie trotz Steuerreform nicht.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Leider wahr!)

   Jetzt komme ich zum Subventionsabbau. Herr Eichel, ich stimme Ihnen zu: Man muss natürlich über alle diese Punkte reden. Man kann auch über alle diese Punkte reden. Aber Sie können die steuerlichen Vergünstigungen nur im Zusammenhang mit einer insgesamt durchgreifenden Steuerreform und Steuerentlastung abbauen.

(Dr. Wolfgang Gerhardt [FDP]: Nur so geht es!)

   Wenn Sie die Steuerbelastung so hoch lassen und gleichzeitig die Vergünstigungen abbauen, dann werden Sie natürlich ökonomischen Schaden anrichten. Wenn Sie die Eigenheimzulage jetzt unabhängig von einer breiteren Steuerentlastung abbauen, dann wird sich das auf dem Wohnungsmarkt niederschlagen,

(Franziska Eichstädt-Bohlig [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Sinken der Immobilienpreise!)

der gegenwärtig ohnehin der schwächste Teil unserer Wirtschaft ist.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Bartholomäus Kalb [CDU/CSU])

Das müssen Sie im Auge haben, nicht deshalb, weil ich das sage, sondern deshalb, weil das faktisch so ist. Deswegen kann man so, wie Sie es tun, nicht vorgehen. Man muss die Dinge im Zusammenhang sehen. Die Steuern müssen gesenkt, die Vorschriften und die Bürokratie müssen abgebaut und die Systeme der sozialen Sicherung müssen in sich reformiert werden, sodass sie nachhaltig wieder tragfähig sind.

   Bei Ihnen von den Grünen denken viele ähnlich, nur handeln Sie nicht entsprechend. Deswegen verlieren auch Sie an Glaubwürdigkeit, wenn Sie diese unentschlossene, mutlose Politik weiter betreiben, obwohl die ökonomisch denkenden Kräfte in Ihren Reihen wissen, was die Stunde geschlagen hat und was Sie tun müssten.

   Ich will abschließend nur noch Folgendes anmerken: Herr Eichel, wenn das Ihre erste Haushaltseinbringungsrede gewesen wäre, hätte ich gesagt: Respekt; Sie haben die Probleme erkannt. Da das aber Ihre fünfte gewesen ist, haben Sie Ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Die Leute wissen: Er hat das jedes Jahr gesagt, aber es ist nicht so gemacht worden.

   Jetzt ist die Zeit zu handeln. Die Regierung muss handeln oder sie wird abgelöst werden. So ist das Gesetz der Demokratie. Ihre Vorschläge, so wie sie jetzt auf dem Tisch liegen, sind absolut unzureichend - in allen Details.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

   Ich erteile das Wort der Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte anfänglich kurz etwas zum Haushalt 2004, über den wir hier heute sprechen, skizzieren. Den Entwurf des Haushaltsplans für das Jahr 2004, der insgesamt circa 250 Milliarden Euro umfasst, kann man grob in sechs Teile zerlegen: 101 Milliarden für die Alterssicherung, 38 Milliarden für Zinsen - wenn man aus diesen vergangenheitsbezogenen Kosten, nicht unbedingt Lasten, eine Summe bildet und sie in Bezug zum Gesamtvolumen setzt, macht das schon 55 Prozent aus -, 24,8 Milliarden für Investitionen, 24,2 Milliarden für Verteidigung, 30 Milliarden für sonstige soziale Sicherung - dieser Posten soll aufgrund der geplanten Hartz-Reformen ja geringer werden - und 30 Milliarden für den Rest. Wenn man sich diesen Haushalt insbesondere auch unter Berücksichtigung der perspektivischen Weiterentwicklung anschaut - so werden aus den 55 Prozent für Alterssicherung und Zinsen bis zum Ende der Finanzplanperiode 2007 60 Prozent -, dann erkennt man deutlich, dass wir in der Tat einen großen Strukturreformbedarf haben. Darüber werden wir in diesem Herbst zum Beispiel hinsichtlich der Rente noch diskutieren; dabei sollte man dann auch Versorgungsleistungen mit einbeziehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   An der Stelle gebe ich angesichts der heutigen Diskussionen übrigens gerne zu, dass wir mit dem Nachhaltigkeitsfaktor bei der Rente etwas einführen, was zwar nicht identisch, aber in der Zielrichtung in einer durchaus ähnlichen Form schon von Ihnen vorgeschlagen worden war. Ich persönlich halte nämlich nichts davon, gegenteilige Entscheidungen, die man vor fünf Jahren getroffen hat, stur gesundzubeten. Umgekehrt hoffe ich aber, dass wir dann bei der Einführung des Nachhaltigkeitsfaktors auch zusammenarbeiten. Ich denke, dass Sie diesen Weg auch mitgehen können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Bevor ich auf den Anspruch dieses Haushaltes zu sprechen komme, gestehe ich im Übrigen auch eine gewisse Schwäche ein. So wurde vorhin bemängelt, dass noch nicht erkennbar ist, wodurch die angestrebte Konsolidierung im Rentenbereich in einer Größenordnung von 2 Milliarden unter Zugrundelegung eines Beitragssatzes von 19,5 Prozent erreicht werden soll. Dass wir entsprechende Vorschläge im Herbst vorlegen müssen, ist richtig. Einen Teil der diesbezüglichen Kritik akzeptiere ich. Ich akzeptiere aber nicht die in meinen Augen insgesamt überzogene Kritik; darauf gehe ich noch ein.

   Wir haben im Haushalt eine Nettokreditlinie von 30,8 Milliarden, auch bedingt durch das Vorziehen der Steuerreform. Auch ich halte diese 30,8 Milliarden für unbefriedigend. Nachdem Sie hier vorhin sehr groß und laut getönt haben, möchte ich Ihnen aber vor Augen halten, dass Sie von 1996 bis 1998, in den letzten drei Jahren, in denen Sie Regierungsverantwortung trugen und wo wir ein durchschnittliches Wachstum von rund 1,5 Prozent hatten, neue Schulden von etwas über 100 Milliarden Euro gemacht haben. Wir haben in den Jahren 2001, 2002 und 2003, also in den vergangenen drei Jahren, wo es ein durchschnittliches Wachstum von 0,3 Prozent gab - zwar kennen wir für 2003 noch nicht die genauen Zahlen, aber sie werden nicht sehr hoch ausfallen -, 90 Milliarden Euro neue Schulden gemacht.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Plus 50 Milliarden UMTS!)

Das ist keine Leistung, mit der man zufrieden sein kann, aber ich möchte Sie nur darauf hinweisen - -

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Entscheidend ist der Trend, Frau Kollegin, der bei uns nach oben zeigte und bei Ihnen nach unten zeigt!)

- Lassen Sie einmal die UMTS-Milliarden außen vor. Es geht um die reine Neuverschuldung. Wir haben diese Milliarden ja auch zum Abbau der Verschuldung verwendet, was in der Sache ganz richtig war.

   Ich will nur darauf verweisen, dass Sie zuzeiten eines viel höheren Wachstums viel mehr Schulden aufgehäuft haben; denn zwischen 1,5 Prozent Wachstum und Stagnation besteht eine erhebliche Differenz.

(Zurufe von der CDU/CSU)

Seien Sie also ein bisschen vorsichtig mit Ihrer Kritik und überziehen Sie sie nicht. Ich lege Ihnen das nur noch einmal dar, damit Sie zu einer gerechten Beurteilung kommen, wenn wir demnächst weiter darüber beraten. Sie können sich nicht davon freisprechen: Diese Verschuldung ist auch Ihre Geschichte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Man erkennt daran - deswegen habe ich am Anfang von den Säulen gesprochen -: Wir haben in diesem Haushalt strukturelle Mängel, angesichts deren wir uns auch bei besserer konjunktureller Lage nicht einfach ausruhen können. Sie haben, wie gesagt, bei besserer konjunktureller Lage schlechter gewirtschaftet als wir heute.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: 2 Prozent Wachstum für 2004 sind mehr als 1,5 Prozent!)

   Sie drohen jetzt mit der Blockade des gesamten Haushalts. Das halte ich für eine schwerwiegende Ankündigung. Wenn Sie das machen, setzen Sie eine Verantwortungslosigkeit fort, die sich vielleicht in den Vorjahren schon gezeigt hat; ich habe gerade die Zahlen genannt. Sie werden bei den Wählern damit nicht durchkommen. Auch Sie haben eine Verantwortung für die wirtschaftliche Erholung im Lande, die sich abzeichnet.

   Sie haben uns jahrelang gesagt, wir sollten die Steuern senken, und sind bei diesem Thema, auch zusammen mit der FDP, immer gerne vorangegangen. Wir haben seit 2001 in mehreren Stufen Steuersenkungen vorgenommen. Das halte ich für ganz wesentlich und richtig; aber wir sollten ehrlicher in dem Punkt argumentieren, dass die heute vorhandenen Ausnahmetatbestände abgeschafft werden müssen, und zwar auch aus Gründen der Gerechtigkeit. Nach der Steuerreform haben wir nicht das Problem zu hoher Steuertarife; dann haben wir gute Tarife. Aber ein Steuersystem ist dann gerecht, wenn die Leute ihre Steuern wirklich zahlen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Wenn sie es nur verstehen! - Dietrich Austermann (CDU/CSU): Erst einmal müssen sie Arbeit haben!)

Dafür muss ein System transparent sein und Ausnahmetatbestände müssen abgeschafft werden. Deswegen müssen Sie beim Subventionsabbau mitmachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Für Sie schlägt nun die Stunde der Wahrheit. Sie haben gesagt, die Steuerreform solle vorgezogen werden, aber nicht durch höhere Schulden. In diesem Punkt können Sie mitwirken und Alternativen formulieren; aber ich halte es für eine unverantwortliche Volksverdummung, Herr Austermann, die Sie nicht nötig haben, wenn Sie den Vorwurf „linke Tasche, rechte Tasche“ erheben. Die Einführung niedriger Tarife für alle und die Abschaffung von Ausnahmetatbeständen sind gerecht, weil letztere nur einige betreffen. Wenn Sie sagen, die Senkung der Tarife und die Abschaffung der Ausnahmetatbestände geschehe nach dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“, dann plädieren Sie für eine ungerechte, intransparente Steuerpolitik. Das halte ich für einen großen Fehler. Da gehen wir Ihnen voran.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Von „linke Tasche, rechte Tasche“ zu reden ist eine billige Politikpolemik, die man sich bei diesem Haushalt strukturell nicht mehr leisten kann. Ich bitte Sie, ernsthaft darüber nachzudenken, ob Sie auf der Höhe der Zeit sind, wenn Sie sich bei der Eigenheimzulage und der Entfernungspauschale prinzipiell sperren.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das sind doch bei weitem nicht alle Ausnahmetatbestände! Das ist doch Willkür! Wir brauchen eine grundlegende Steuerreform!)

Sie sind unglaubwürdig in Ihrer finanzpolitischen Kompetenz.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich finde es durchaus richtig, dass wir noch begründen müssen, was es mit dem Vorziehen der Steuerreform und der Neuverschuldung auf sich hat. Wir sind bereit, kritisch über die Ausgabenstreichungen, die wir vornehmen, zu reden. Aber Sie wissen, dass das Haushaltsstabilisierungskonzept, das wir Ihnen vorlegen, schon eine ganze Menge an Ausgabenkürzungen beinhaltet. Wir kürzen stark im öffentlichen Dienst. Wir haben enorme Einsparungen im Arbeitsmarktbereich vorgesehen. Wenn Sie uns da mit guten Vorschlägen toppen können, müssen wir uns im Zweifel damit auseinander setzen. Aber wenn Sie ernsthaft glauben, dass dieser Haushalt mit der Verkleinerung des Etats der Öffentlichkeitsarbeit der Bundesregierung saniert werden kann - das war der einzige konkrete Vorschlag in der 20-minütigen Rede von Herrn Austermann; ich habe Ihnen genau zugehört -,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das war nur ein ganz kleines Beispiel!)

dann ist das in einer so ernsten Situation lächerlich und peinlich; es tut mir Leid.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Weitere Zurufe des Abg. Dietrich Austermann [CDU/CSU] - Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Da nutzt auch das Herumschreien nichts, Herr Austermann!)

   Ich möchte auch etwas zum Thema Maastricht sagen. Das Maastricht-Kriterium ist im Moment sehr in der Diskussion. Ich vertrete die Auffassung, man soll nicht in dem Moment Kriterien infrage stellen, in dem man gerade Probleme mit ihnen hat. Das sage ich bezüglich der Diskussion, die es auch in unseren Reihen gibt. Ich formuliere es so: Mit Blick auf den Haushalt 2004 muss man ins Auge fassen, dass wir an diesem Maastricht-Kriterium scheitern können, weil noch nicht klar ist, wie das Vermittlungsverfahren ausgehen wird und wie das Wachstum im November geschätzt wird. Wir haben eine Zielrichtung, in der ich dem Finanzminister nicht widersprechen will; aber der Finanzminister weiß selber, welche Risiken es da gibt. Er hat sie fairerweise vor dem Parlament und der Öffentlichkeit beschrieben.

   Aber bei dem Maastricht-Kriterium wollen wir uns darum bemühen, es einzuhalten. Wenn wir das nicht schaffen, dann - dafür plädiere ich - sollten wir die Aufforderungen der EU ernst nehmen und die Auflagen annehmen. Das ist wichtig für das Zusammenspiel und Zusammenwirken der verschiedenen europäischen Länder im Wachstums- und Stabilitätspakt. Es nützt uns in dem Bemühen, unseren Haushalt strukturell auf die Beine zu stellen; denn die Empfehlungen der EU und die Beobachtung unserer Haushaltsentwicklung haben uns Haushältern in den letzten Jahren immer genützt. Deswegen hat die Diskussion um Maastricht meiner Ansicht nach eine unterstützenswerte Richtung, auch wenn wir im Ergebnis noch nicht zufrieden sein dürfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich möchte zum Schluss betonen: Wenn Sie meinen, Sie könnten mit der Androhung einer Blockade gegenüber der Öffentlichkeit erfolgreiche Oppositionspolitik machen, dann, glaube ich, haben Sie sich geschnitten. Wir werden Sie an Ihre Verantwortung erinnern. Wir werden einklagen, dass Sie Alternativen vorlegen. Sie kommen nicht so davon, dass Sie sagen können - wie Herr Koch es im Sommer getan hat -: „keine Steuerreform zu Lasten unserer Kinder“, aber bei den Finanzierungsvorschlägen passen.

   Insbesondere dürfen Sie nicht - Sie haben ja noch Zeit, darüber nachzudenken - die Hoffnung und die Chance, die in der wirtschaftlichen Erholung liegt, die sich jetzt ein bisschen zeigt, gefährden. Aber Sie hätten die Möglichkeit dazu, sie zu gefährden. Deswegen plädiere ich dafür: Nehmen Sie Ihre Verantwortung anders wahr, nämlich in der Nennung von Alternativen und nicht in der Ankündigung einer Blockade.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Gerda Hasselfeldt, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gerda Hasselfeldt (CDU/CSU):

   Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der bisherige Verlauf der Debatte hat deutlich gemacht, dass der Haushaltsentwurf auf einer äußerst maroden Grundlage beruht. Er beruht auf Daten, an die selbst diejenigen, die ihn vorgelegt haben, nicht mehr glauben. Er beruht auf Gesetzen, die noch nicht einmal eingebracht, geschweige denn verabschiedet sind. Vor diesem Hintergrund macht es auch keinen Sinn, dass wir zu diesem Haushaltsentwurf Änderungsanträge einbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD)

   Nun versprechen die Regierung und die Koalitionsfraktionen den Gemeinden im Land seit Monaten, sie bekämen finanzielle Hilfe vonseiten des Bundes. Letztendlich ist uns heute ein Gesetzentwurf dazu vorgelegt worden. Aber siehe da: Kein einziger Redner hat im Rahmen der Debatte etwas zum Inhalt dieses Gesetzentwurfs gesagt. Alles hat sich nur in Überschriften vollzogen. Sowohl der Finanzminister als auch der stellvertretende Fraktionsvorsitzende haben bei diesem Punkt nur in Überschriften geredet. Sie haben von einer Modernisierung der Gewerbesteuer und von einer Revitalisierung gesprochen. Sie haben von einer Gemeindewirtschaftssteuer geredet. Sie haben davon gesprochen, dass die Kommunen finanzielle Hilfen bekommen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wir haben noch drei Redner, Frau Kollegin!)

Aber wo, bitte sehr, sind diese Hilfen konkret? Sie sind die Antwort darauf schuldig geblieben. Ich sage Ihnen auch, warum: Sie sind sie schuldig geblieben, weil Sie in den eigenen Reihen keine Einigkeit haben. Wir haben in dieser und in der vergangenen Legislaturperiode schon viel erlebt. Aber nun ist ein Gesetzentwurf von den Regierungsfraktionen und der Regierung gemeinsam eingebracht worden, von dessen Inhalt sich nicht erst im Laufe der Debatte, sondern bereits zum Zeitpunkt der Einbringung, ja sogar schon vor der offiziellen Einbringung maßgebliche - nicht nur irgendwelche - Leute aus der Regierungskoalition distanzieren. So wird hier Politik gemacht!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Kakophonie geht weiter. Vor wenigen Tagen war in der „Süddeutschen Zeitung“ zu lesen, dass ein Kollege aus dem Lager von Bündnis 90/Die Grünen Folgendes gesagt haben soll - ich zitiere aus der „Süddeutschen Zeitung“ vom 5. September 2003 -:

Diese Reform sei symptomatisch für den Politikstil Schröders, moserte ein Grüner: „Erst interessiert er sich nicht dafür. Dann spricht er mit drei Wirtschaftsbossen und plötzlich sagt er: Jetzt machen wir da mal eine Reform - und genau so sieht das Ergebnis dann auch aus.“

Genau das ist Ihre Politik: Schnell wird eine Reform angekündigt, eine Überschrift und eine Botschaft produziert. Wenn es aber ans Eingemachte geht, dann bleibt man die Antwort schuldig.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Frau Sager, sagt, das Zahlenwerk von Hans Eichel sei untauglich, dann muss man sich schon fragen: Wer soll dem Zahlenwerk des Finanzministers glauben, wenn dies schon die eigene Koalition nicht tut? Sollen etwa die Bürger im Land den Finanzminister für glaubwürdiger halten als die eigene Koalition? Das kann es doch nicht sein!

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf von der CDU/CSU: Peinlich! Peinlich!)

   Der Fraktionsvorsitzende der SPD hat gestern gesagt: Wenn es den Kommunen finanziell so schlecht geht, dann müssen sie halt mehr Schulden machen. - Wenn es ein Problem auf dieser Ebene gibt, dann fällt Ihnen als Einziges ein, mehr Schulden zu machen. Der Bundeskanzler hat in seinem Sommerinterview auf die Frage, wie er die Gebührenerhöhungen der Kommunen bewerte, geantwortet, das sei nicht sein Problem, das liege in der Verantwortung der Kommunen. Ich sage ganz deutlich: Es ist schäbig, sich so aus der Verantwortung zu ziehen, da doch bekannt ist, dass diese Regierung die schlechte Finanzsituation der Kommunen, die sie zu einem derartigen Handeln zwingt, verursacht hat. Das ist der eigentliche Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Kollege Solms hat in seinen Ausführungen deutlich gemacht, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und vor allen Dingen die Steuerbelastungen in den Jahren seit Ihrer Regierungsübernahme entwickelt haben. Diese negative Entwicklung ist ein wesentlicher - wenn auch nicht der einzige - Grund dafür, dass die wirtschaftliche Situation nahezu von einem Nullwachstum und von einer Zurückhaltung der Investoren gekennzeichnet ist. Es ist doch nicht von Gott gegeben, dass es kein Wachstum im Lande mehr gibt.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

   Sie haben zu Beginn Ihrer Regierungszeit aufgrund der guten Arbeit der Regierung Kohl eine hervorragende wirtschaftliche Situation vorgefunden. Sie haben aber diese positive Entwicklung durch Ihre Maßnahmen kaputt gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Damit haben Sie dazu beigetragen, dass die Steuereinnahmen des Bundes, der Länder und der Gemeinden zurückgegangen sind. In den ersten Jahren Ihrer Regierung gab es noch steigende Steuereinnahmen, gerade auch bei der Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuer ist dann aber in den Jahren 2001 und 2002 eingebrochen. Der Grund liegt zum einen in Ihrer Steuerreform und zum anderen in der permanenten Verschlechterung der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im gesamten Land, für die Sie verantwortlich sind.

   Bei dem, was wir an Reformen für die Gemeinden vorsehen, muss die Maxime sein, alles zu tun, um Wachstum zu stimulieren und um die Wachstumskräfte freizusetzen. Wir dürfen aber nicht das Gegenteil tun, nämlich die Steuern erhöhen und damit zusätzliche Steuerbelastungen schaffen, wie Sie es mit Ihrem Gesetzentwurf tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Man muss deutlich darauf hinweisen, dass die finanzielle Not der Städte, Gemeinden und Landkreise nicht erst seit wenigen Monaten bekannt ist. Diese Entwicklung war schon im Jahr 2001 deutlich sichtbar. Friedrich Merz hat heute ebenfalls darauf hingewiesen, dass in der Koalitionsvereinbarung aus dem Jahre 1998 eine Kommission in Aussicht gestellt wurde, die an einer grundlegenden Reform der Gemeindefinanzen arbeiten sollte. Das war richtig so. Dieser Vorschlag war damals völlig unabhängig von der akuten Finanznot der Kommunen, die sich erst später einstellte.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Genau!)

   Ich möchte in diesem Zusammenhang besonders darauf hinweisen, dass in der Diskussion die aktuelle Finanznot der Kommunen mit der Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Gemeindefinanzen vermischt wird.

Wir haben zwei unterschiedliche Probleme!

   Wir haben bei den Gemeindefinanzen zwei Probleme: zum einen die Notwendigkeit einer grundlegenden Reform der Gemeindefinanzen. Dies ist spätestens seit 1998 bekannt, aber eigentlich auch schon zuvor. Auch wir hatten vor, eine ähnliche Arbeit anzugehen. Seit 2001 besteht zum anderen eine akute Finanznot der Gemeinden, die im Wesentlichen durch eine falsche Wirtschafts-, Finanz- und Steuerpolitik der Regierung verursacht wurde. Deshalb muss auch dort der Hebel angesetzt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wenn man akzeptiert, dass es diese zwei Probleme gibt, dann genügt die Ausrede des Herrn Poß von vorhin nicht, dass die Gemeindefinanzreformkommission nicht eingesetzt werden konnte, weil man ein anderes Anliegen, die Arbeit am Finanzausgleichsgesetz, zu Ende bringen wollte.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Erstens hatten wir dazu einen eigenen Unterausschuss, der sich damit intensiv beschäftigt hat, und zweitens kann man die Probleme, die auf der Hand liegen, nicht einfach beiseite schieben und sagen: Wir haben jetzt anderes; um dieses Problem kümmern wir uns danach.

   Sie haben es durch die verspätete Einsetzung der Kommission verzögert, die Lösung dieser beiden Probleme anzugehen. Sie haben durch eine einseitige Auftragsübertragung an diese Kommission nur Teilergebnisse erreicht. Sie versuchen jetzt letztlich, das alles miteinander zu vermischen und die grobe Überschrift „Hilfe für die Kommunen“ zu erhalten, ohne ins Detail zu gehen.

   Unser Ansatz liegt auf dem Tisch. Er stand schon vor einigen Monaten, schon vor der Sommerpause, zur Diskussion.

(Jörg-Otto Spiller (SPD): Ein Strohhalm!)

In ihm wird deutlich gemacht, dass wir die Problematik, die aus zwei Gesichtspunkten besteht, nämlich die akute Finanznot zu lindern und grundlegende Reformen durchzuführen, mit unterschiedlichen Maßnahmen zu lösen haben.

   Wir bleiben dabei: Eine Soforthilfe ist notwendig. Denn die Kommunen sind in weiten Bereichen nicht mehr in der Lage, einen rechtmäßigen Haushalt vorzulegen. Dies hat gravierende negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung und auch auf die Situation der Bürger in vielen Gemeinden. Wir bleiben dabei, dass neben diesem Soforthilfeprogramm - ich sage bewusst: neben diesem und zusätzlich zu diesem Soforthilfeprogramm - eine grundlegende Reform auf der Basis einer sauberen und von allen anerkannten Berechnungsgrundlage angepackt werden muss.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ihr Gesetzentwurf, meine Damen und Herren von der SPD und von den Grünen, wird - mit Verlaub - keinem dieser Anliegen gerecht. Er wird nicht dem Anliegen gerecht, sofort zu helfen, und nicht dem Anliegen, eine grundlegende Reform durchzuführen.

   Ich will das an einigen Beispielen deutlich machen: Sie wollen jetzt - das ist zumindest bei Ihnen Konsens - die freien Berufe in die Gewerbesteuer mit einbeziehen. Ich weise darauf hin, dass der Bundeskanzler noch im vergangenen Jahr aus Anlass des Tages der freien Berufe das Gegenteil verkündet hat.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das macht ihm nichts! Das ist lange her! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Mittlerweile sind wir es aber gewohnt, dass man auf das Wort des Bundeskanzlers nicht vertrauen darf.

(Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Rechts blinken, links abbiegen!)

   Unabhängig davon sollte man sich einmal vor Augen halten, welche Konsequenzen damit verbunden sind: 700 000 zusätzliche Steuerpflichtige,

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Da kommt Freude auf!)

die neben ihrer Einkommensteuererklärung zusätzlich eine Gewerbesteuererklärung abgeben müssen, die anderen Regularien unterliegt als die Einkommensteuererklärung. Wenn sie die Gewerbesteuererklärung abgegeben haben, dann können sie einen Teil der von ihnen zu zahlenden Gewerbesteuer pauschal auf die Einkommensteuer anrechnen. Unter dem Strich ist dies eine riesige Umverteilungsaktion von den Haushalten des Bundes und der Länder auf die Kommunen. Das könnten wir viel einfacher haben, nämlich durch eine Änderung der Gewerbesteuerumlage und ohne diesen umständlichen und verwaltungsintensiven Weg der Einbeziehung in die Gewerbesteuer.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Das, was Sie da vorhaben, ist ein Arbeitsbeschaffungsprogramm für Finanzbeamte und Steuerberater. Es ist keine Reform, die auch nur ansatzweise die Überschrift „Vereinfachung“ verdient und die sachgerecht ist.

   Im Rahmen der Reform der Gewerbesteuer verkaufen Sie noch eine ganze Reihe unterschiedlicher Maßnahmen: beispielsweise die Einführung der Mindestbesteuerung, die Abschaffung des Betriebsausgabenabzugs oder die Hinzurechnung von Zinsen im Hinblick auf Gesellschafter, die einer Gesellschaft Fremdkapital zur Verfügung stellen.

Es handelt sich dabei um eine Reihe ganz unterschiedlicher Maßnahmen, die jedoch eines gemein haben: Sie belasten zusätzlich insbesondere den Mittelstand aufgrund der Gewerbesteuerpflicht. Dadurch wird nichts einfacher, stattdessen ist es eine Politik, die gerade in einer Zeit, in der wir zusätzliches Wachstum brauchen, kontraproduktiv wirkt. Das Schlimmste daran aber ist, dass es Flickwerk ist. Es geht um verschiedene Einzelmaßnahmen, die herausgegriffen werden und einmal Bund und Länder zugunsten der Kommunen belasten, während andere Maßnahmen umgekehrt wirken. So ist für jeden etwas dabei. Tatsache ist: Unterm Strich ist es eine zusätzliche Belastung. Es steckt auch keine stringente Idee, kein schlüssiges Konzept dahinter.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Außer Abkassieren!)

Es ist reine Flickschusterei.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich kann daher nicht oft genug betonen, dass es darum geht, zweigleisig zu fahren und die zwei unterschiedlichen Probleme, nämlich die Finanznot der Kommunen einerseits und die grundlegende Reform der Gemeindefinanzen andererseits, getrennt durch unterschiedliche Maßnahmen zu lösen. Unser Programm liegt auf dem Tisch: Senkung der Gewerbesteuerumlage mindestens auf das Niveau, das vor Ihrer Steuerreform bestand, und Erhöhung des Anteils der Gemeinden an der Umsatzsteuer.

   Sie haben mittlerweile eingesehen, dass das Letztere notwendig ist. Noch vor Wochen, als wir darüber vor der Sommerpause diskutierten,

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sind wir verunglimpft worden!)

haben Sie, als wir diesen Vorschlag auf den Tisch gelegt haben, gesagt: Das können wir nicht machen, es ist nicht finanzierbar. Die Erhöhung des Anteils an der Umsatzsteuer ist im jetzigen Programm enthalten. Das ist gut. Auf dieser Basis können wir weiterarbeiten.

   Uns sind auch Signale einiger Mitglieder der Koalitionsfraktionen bekannt - zum Teil kommen sie hinter vorgehaltener Hand -, dass man auch bei der Gewerbesteuerumlage unseren Vorschlag als richtungsweisend und zielführend betrachtet.

   Auf eines möchte ich noch hinweisen: Nicht nur die Einnahmenseite ist wichtig, sondern mindestens genauso wichtig ist die Ausgabenseite.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Auch hierzu liegen konkrete Vorschläge in dem Antrag, den wir im Sommer eingebracht haben, für die Bereiche Jugendhilfe, Sozialhilfe, Arbeitslosenhilfe und Grundsicherung vor. Sie haben in diesen Bereichen durch Ihre Gesetzgebung zusätzliche Lasten auf die Gemeinden übertragen.

   Lassen Sie uns zunächst einmal an dem Sofortprogramm arbeiten, damit wir eine schnelle Entlastung zu Jahresbeginn 2004 für die Gemeinden erreichen können. Danach müssen wir an die Arbeit gehen, um eine grundlegende Reform durchzuführen. Dabei ist es notwendig, dass wir ohne ideologische Scheuklappen auf der Basis solider und von allen anerkannter Berechnungen gemeinsam mit den Kommunen an langfristig tragbaren Lösungen zur Verbesserung und Verstetigung der Finanzsituation der Gemeinden arbeiten. An diesen Kriterien sollten wir uns alle miteinander messen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Horst Schild, SPD-Fraktion.

Horst Schild (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Kollege Merz hat heute Morgen schon mit der Legendenbildung angefangen und die Kollegin Hasselfeldt hat das soeben fortgesetzt. In der Tat - Kollege Merz hat es heute Morgen gesagt - stand in der Koalitionsvereinbarung von 1994,

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: 1998!)

dass wir in der laufenden Wahlperiode

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ihr regiert erst seit 1998, nicht seit 1994!)

- stimmt, seit 1998, aber ich glaube, der Kollege Merz sprach heute von 1994 - die Gemeindefinanzreform anpacken wollten.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

In diesem Zusammenhang muss man aber auch daran erinnern, weshalb eine Reform in dieser Wahlperiode nicht gelingen konnte. In sehr hohem Maße hat dazu beigetragen, dass Ihre Parteifreunde in Bayern und Baden-Württemberg in dieser Zeit vor das Bundesverfassungsgericht gezogen sind und den Länderfinanzausgleich in Zweifel gezogen haben.

(Zuruf von der CDU/CSU: War Hessen nicht dabei?)

Erst als wir in der letzten Wahlperiode den Länderfinanzausgleich auf neue Füße stellen konnten - das war eine unabdingbare Voraussetzung -, bestand auch die Möglichkeit, den Bereich der Kommunalfinanzen neu zu regeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Bartholomäus Kalb [CDU/CSU]: Diese Ausrede fällt Ihnen fünf Jahre zu spät ein!)

- Auch Sie, Herr Kollege Kalb, haben in dieser Zeit durchaus die Möglichkeit gehabt, sich Gedanken zu machen. Was ist dabei herausgekommen? Ich darf die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ vom 27. August zitieren:

Und dann ist da noch die Union, die ein gewichtiges Wörtchen mitzureden hat. Was sie will, bleibt ... ein Rätsel. Den Kommunen wird mehr Geld aus dem Umsatzsteuertopf versprochen, was immer gut ankommt. Den Freiberuflern will man die neuen Steuerbescheide der Stadt ersparen, was Anwälte freut. Aber Details? Fehlanzeige. Man wird wohl schlicht Nein sagen.

Ich kann im Interesse der Kommunen nur hoffen, dass es dazu nicht kommt.

   Die Bundesregierung hat, nachdem sich die Kommission zur Reform der Gemeindefinanzen auf kein einheitliches Modell hatte einigen können, ihr Konzept für eine nachhaltige Stärkung der Gemeindefinanzen vorgelegt. Wie die beiden in der Kommission intensiv behandelten Modelle sieht auch der Regierungsentwurf in der personellen Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch die Einbeziehung der Freiberufler einen wesentlichen Schlüssel zur Stabilisierung der kommunalen Steuerbasis.

   Das Ganze machen wir doch nicht aus Jux und Tollerei. Sie wissen genauso gut wie wir, wie viele Tausende Prozesse hinsichtlich der Abgrenzung geführt werden, was freiberufliche und was gewerbliche Tätigkeit ist. Man muss doch die Augen verschließen, um nicht wahrzunehmen, dass die derzeitige Regelung zu Wettbewerbsverzerrungen führt. Warum soll der eine Zahntechnikermeister gewerbesteuerpflichtig sein und der Zahntechniker in der Praxis eines Zahnarztes oder einer Zahnärztin nicht? Niemand, der ein wirklich langfristig tragfähiges Konzept umsetzen will, wird an diesem Element vorbei kommen. Gefälligkeiten allein gegenüber einer Gruppe in diesem Staat helfen den Gemeinden nicht weiter und tragen nicht zu einer Stabilisierung der Gewerbesteuer oder der Gemeindewirtschaftsteuer bei.

   Ich will nicht verheimlichen: Das, was die Bundesregierung vorgelegt hat, ist auf Kritik gestoßen, bei den kommunalen Spitzenverbänden wie auch - das sage ich ganz freimütig - in meiner Fraktion. Wir alle, die wir wissen, wie angespannt die Finanzsituation der Kommunen ist, verstehen die Erwartung der Städte und Gemeinden an eine solche Reform. Wir alle wissen auch um die Schwächen und Probleme der Gewerbesteuer. Es gibt unterschiedliche Auffassungen, in meiner Fraktion wie bei den kommunalen Spitzenverbänden. Aber gerade deswegen, meine ich, müssten wir zum Wohle der Gemeinden und Städte jenseits von parteitaktischen Überlegungen zu einer konstruktiven gesetzgeberischen Arbeit kommen.

   Das Ziel der Bundesregierung wie auch der Koalitionsfraktionen ist und bleibt: Zum 1. Januar 2004 wollen wir die kommunale Finanzsituation verbessern. Wir brauchen eine dauerhaft und umfassend verstetigte Grundlage der kommunalen Finanzen. Die wesentlichen Zielsetzungen haben wir mit der Annahme des Antrags der Koalitionsfraktionen am 4. Juli im Deutschen Bundestag beschlossen. Die Ausräumung der bestehenden Zweifel, ob der Gesetzentwurf, den die Bundesregierung jetzt vorgelegt hat, diesen Zielen, die der Deutsche Bundestag mit Mehrheit beschlossen hat, gerecht wird, wird Aufgabe der zukünftigen parlamentarischen Beratungen im Gesetzgebungsverfahren sein. Wo es notwendig ist, werden wir Änderungen vornehmen. Maßstab dafür sind die vom Bundestag im Juli beschlossenen Eckpunkte.

   Vorhin hat der Kollege Rexrodt auf den Vorschlag der FDP-Fraktion verwiesen. Dieser Vorschlag ist in der Öffentlichkeit offensichtlich nicht wahrgenommen worden; selbst der Innenminister fragte, wo denn dieser Vorschlag sei. Es ist sicherlich gerechtfertigt, dass man diesem Vorschlag nicht über Gebühr Aufmerksamkeit schenkt; denn er geht letztlich davon aus, dass bei der Umsatzsteuerverteilung zehn Punkte zusätzlich verschoben werden. Ich habe von der FDP noch keine Aussage darüber gehört, woher diese zehn zusätzlichen Punkte für eine Umsatzsteuererteilung kommen sollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wer soll das bezahlen? Der Bund oder die Länder oder Bund und Länder zusammen? Dann hätten wir, im Gegensatz zu dem, was die Opposition zum Haushalt gesagt hat, wirklich ein Problem mit diesem Haushalt.

Frau Kollegin Hasselfeldt, die Union preist natürlich wieder ihr Sofortprogramm: mehr Umsatzsteuer für die Gemeinden und weniger Gewerbesteuerumlage - allerdings erst einmal nur für ein Jahr, zumindest was die Umsatzsteuerbeteiligung anbelangt. Dieses Sofortprogramm ist doch letztlich nur ein Alibi. Es verschleiert, dass die Union kein Konzept für die Zukunft hat.

   Auch Sie hätten doch in all den Jahren ein Konzept entwickeln können. Sie haben nach fünf Jahren nicht einmal einen Gesetzentwurf, sondern nur ein kurzatmiges Sofortprogramm. Dieses Sofortprogramm ist der kleinste gemeinsame Nenner, allerdings auf Kosten der Haushalte von Bund und Ländern, die ebenfalls nichts mehr verkraften können.

   Wir haben in den Eckpunkten, die wir hier im Deutschen Bundestag im Juli beschlossen haben, ausgeführt, wie wir dieses Sofortprogramm beurteilen. Man kann sicherlich über eine Senkung der Gewerbesteuerumlage im Rahmen des Gesamtpaketes zur Zukunft der Gewerbesteuer diskutieren. Eine Senkung der Gewerbesteuerumlage macht aber nur dann Sinn, wenn man die Steuer selbst wieder zu einer für die Kommunen akzeptablen Einnahmequelle macht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dann kann man darüber reden. Dann können wir auch einschätzen, was das bringt.

   Das Gleiche gilt für einen höheren Umsatzsteueranteil zugunsten der Kommunen. Die Bundesregierung hat das vorgeschlagen. Aber wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass seit 1997, als wir die Umsatzsteuerbeteiligung der Kommunen als Äquivalent für die abgeschaffte Gewerbekapitalsteuer geschaffen haben, kein vernünftiger Kommunalsteuerschlüssel zur Verteilung dieser Mittel eingeführt wurde.

   Meine Damen und Herren, wir stehen alle gemeinsam in der Verantwortung, in den kommenden Wochen das Nötige zu beraten, zu verabschieden und dann auch schnell umzusetzen.

(Max Straubinger [CDU/CSU]: Ihr habt ja nicht einmal eine Mehrheit!)

Bei allem Für und Wider und allen Nuancierungen hoffe ich, dass wir am Ende zu einem Ergebnis kommen. Dafür möchte ich hier noch einmal werben.

   Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Michael Meister, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Michael Meister (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen am Beginn einer Haushaltswoche. Ich hätte mir zunächst einmal gewünscht, dass die Bundesregierung einen Bundeshaushalt für das Jahr 2004 vorlegt, der auf der Basis unseres Grundgesetzes steht. Wir haben im Jahr 2002 erlebt, dass die Neuverschuldung höher als die Investionen war. Sie werden in diesem Jahr mit einer Neuverschuldung abschließen, die höher als die Investitionssumme ist. Sie legen uns jetzt einen Haushaltsentwurf für 2004 vor, der wieder mehr neue Schulden als Investitionen vorsieht.

(Walter Schöler [SPD]: Dann gehen Sie doch vor das Bundesverfassungsgericht!)

   Dem Selbstverständnis des Deutschen Bundestages würde es entsprechen, wenn der Bundesfinanzminister auf den Boden unseres Grundgesetzes zurückkehren und uns einen verfassungsgemäßen Haushalt zur Beratung vorlegen würde.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das, was er hier vorlegt, entspricht nicht dem Grundgesetz. Das müssen Sie sich anheften lassen. Ich will jetzt nicht auf die Gerichtsurteile in Nordrhein-Westfalen eingehen. Aber wenn man das in drei Jahren auf Bundesebene tut, ist man von der Verfassungswidrigkeit nicht mehr weit entfernt.

(Zuruf von der SPD:
Wenn das so ist, dann müssen Sie aber klagen!)

   Der Bundesfinanzminister ist 1999 mit einer Vision angetreten: ausgeglichener Bundeshaushalt 2004. Dann wurde gesagt: 2006. Ich frage mich heute: Was ist von dieser Perspektive übrig geblieben?

(Zurufe von der CDU/CSU: Nichts!)

Seit 2001 steigt in jedem Jahr die Neuverschuldung. Das heißt, wir bewegen uns nicht auf den ausgeglichenen Haushalt zu, sondern von ihm weg.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Leider wahr!)

Ich verlange, dass die Bundesregierung entweder ihre Perspektive einhält und darlegt, wie wir die Neuverschuldung auf null senken, oder offen sagt, was ihre künftige finanzpolitische Perspektive ist. Wir können doch hier keine Haushaltsberatungen führen, in denen diese Fragen offen bleiben.

   Der Bundesfinanzminister hat uns vor zwei Jahren hier gesagt: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Jetzt steigert er seit drei Jahren die Schulden. Das hat doch mit nachhaltiger Finanzpolitik nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine Damen und Herren, Sie wissen alle, dass ich aus Hessen komme. Heute ist im Laufe der Debatte Hessen mehrfach angesprochen worden. Der Herr Bundesfinanzminister hatte ja, als er sein Amt antrat, seine Referenzen aus Hessen.

Er war dort acht Jahre lang verantwortlicher Ministerpräsident. In diesen acht Jahren hat er es geschafft, die Gesamtverschuldung des Landes Hessen um rund 40 Prozent zu erhöhen.

(Nina Hauer (SPD): Sie haben es nötig!)

Ich weiß nicht, ob ihn das qualifiziert, hier jetzt aufzutreten und zu sagen, er sei der Sparkommissar. Entsprechende Referenzen aus Hessen kann er nicht vorweisen. Mit dieser Altlast haben wir heute zu kämpfen.

   Ich würde mir wünschen, dass wir einen Bundeskanzler hätten, der eine Operation Zukunftssicherung betreiben und ein ähnlich entschlossenes Programm wie die hessische Landesregierung vorlegen würde, um endlich den Schuldenabbau und eine seriöse Haushaltsplanung voranzutreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Bundesregierung finanziert momentan die Werbekampagne „Deutschland ist in Bewegung“.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Im freien Fall!)

Wenn ich mir anschaue, was am Arbeitsmarkt, im Bereich der Neuverschuldung und im Bereich der Insolvenzen geschieht, dann muss ich sagen: Ja, Deutschland ist in Bewegung, nämlich in einer massiven Abwärtsbewegung. Dafür braucht man nicht zu werben; das muss man beenden und umkehren. Das müsste das Ziel sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Als der Bundeskanzler - er ist jetzt leider nicht anwesend - 1998 angetreten ist, hat er gesagt, dass der Arbeitsmarkt, der ja einer der größeren Haushaltsrisiken ist - wir reden an dieser Stelle über ein Haushaltsrisiko in Höhe von mehr als 5 Milliarden Euro, das im Haushalt nicht gebucht ist -, Chefsache ist. Ich nehme an, er kümmert sich gerade darum, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland zurückgeht. Deshalb ist er wohl auch nicht hier.

   Das Ziel, das er persönlich zu seiner Chefsache erklärt hat, nämlich das Sinken auf 3,5 Millionen, wird nicht erreicht. Die zuständige Bundesanstalt für Arbeit und alle Institute sagen, dass wir im nächsten Jahr auf über 5 Millionen zumarschieren. Was ist mit der Chefsache, wo sind die Lösungen und wo sind - damit verbunden - die Antworten im Bundeshaushalt darauf? Ich kann hier nichts erkennen. Der Chef ist an dieser Aufgabe offensichtlich gescheitert.

   Weiterhin will ich sagen: Diese Bundesregierung nimmt die Realitäten nicht mehr wahr. Heute Morgen sind die Risiken des Haushaltes dargelegt worden. Wir haben einen Bundesfinanzminister, der sich im Bereich des Arbeitsmarktes und im Bereich des Wachstums weit von jeglicher Realität entfernt hat. Wenn wir aber hier seriös miteinander diskutieren wollen, brauchen wir endlich wieder seriöse Grundannahmen, die sich an den Realitäten und nicht an den Wunschträumen orientieren.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Drei Jahre lang haben Sie bei den Arbeitsmarktzahlen und den Wachstumserwartungen vollkommen falsche Daten zugrunde gelegt, weswegen Sie sich nicht wundern dürfen, dass die ganzen Debatten, die wir hier über Haushaltspläne führen, nicht zielführend sein können. Deshalb fordere ich Sie auf: Haben Sie endlich Einsicht in die Realitäten und kommen Sie von Ihren Luftschlössern wieder ein Stück weit auf den Boden zurück!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Poß, Sie haben von der Opposition Konzepte gefordert und gesagt, dass wir eine Mitverantwortung haben. Ich sage Ihnen hier deutlich: Ich bin gerne dafür verantwortlich, dass wir zu Jahresbeginn über 40 Steuererhöhungen in Deutschland verhindert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich bin der Meinung, dass das für das Wachstum und die Beschäftigung in Deutschland eine gute Entscheidung war. Wir wären heute in einer noch viel schlimmeren Situation, wenn Sie diese über 40 Steuererhöhungen in Deutschland durchgesetzt hätten, weil dann das Wachstum noch bescheidener gewesen wäre. Dann könnten Sie heute nicht mehr von Stagnation, sondern müssten von einer Rezession reden.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

   Das wäre das Ergebnis gewesen, wenn Sie Ihre Pläne damals durchgesetzt hätten.

(Walter Schöler [SPD]: 6 Milliarden Euro zusätzlich für die Gemeinden!)

   Sie haben nach den Konzepten der Opposition gefragt. Ich nenne Ihnen die 400-Euro-Jobs. Wer hat denn nach 1998 diesen Mist bei den 630-Mark-Jobs gemacht,

(Max Straubinger (CDU/CSU): So ist es!)

der dann korrigiert werden musste? Es gibt jetzt ja eine Frau Ministerin Schmidt, die lobend erwähnt, dass es fast 1 Million neue Beschäftigte in diesem Bereich gibt. Das ist kein Wunder. Hätten Sie diesen Mist nach 1998 nicht gemacht, dann hätten wir diese Beschäftigten schon lange. Es waren Ihre Fehler, die wir jetzt mit einem hohem Aufwand korrigieren müssen.

   Im Deutschen Bundestag liegt ein Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zum Bereich des Arbeitsrechts vor; wir haben einen konkreten Gesetzentwurf vorgelegt. Herr Poß, wo ist Ihre Mitwirkung und wo ist die Zustimmung Ihrer Fraktion, sodass wir Deutschland im Bereich des Arbeitsrechts voranbringen können?

   Bezüglich der Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe haben wir einen Gesetzentwurf der hessischen Landesregierung über den Bundesrat eingebracht. Wir werden ihn auch hier im Deutschen Bundestag in Form eines konkreten Gesetzentwurfs zur Debatte stellen. Frau Kollegin Hasselfeldt hat eben unsere Vorschläge vorgetragen, die wir selbstverständlich in die Beratungen einbringen.

   Auch bezogen auf die Zukunft der Gewerbesteuer liegen konkrete Gesetzestexte und ein Sofortprogramm der Opposition vor. Herr Poß, es ist eine Schimäre, wenn Sie einfach behaupten, wir hätten keine Konzepte. Wir tun mehr, als es eigentlich Aufgabe der Opposition ist. Wir legen konkrete Anträge und Gesetzentwürfe vor. Es wäre an Ihnen, sie nicht einfach wegzuwischen, sondern sich mit diesen Vorschlägen ernsthaft auseinander zu setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß (SPD): Zu Haushalt und Finanzen nichts Konkretes!)

- Herr Poß, zum Haushalt und zu den Finanzen: Wir haben auch zur Steuerreform und zum Vorziehen der dritten Stufe klare und deutliche Ansagen gemacht. Wir haben gesagt, dass wir der Meinung sind, dass ein Vorziehen der dritten Stufe unter vier Bedingungen möglich ist.

(Nina Hauer [SPD]: Koch sagt Nein!)

Die vier Bedingungen sind:

   Erstens. Keine Neuverschuldung. Wir wollen keine Steuerreform auf Kosten der Zukunft finanzieren. Mit dem Haushalt, den Sie uns heute vorlegen, sind Sie an diesem Kriterium gescheitert. Sie treiben die Neuverschuldung über die Verfassungsgrenze und auch über die Verschuldungsgrenze des Maastricht-Vertrages.

(Walter Schöler [SPD]: Was denken Sie, was Sie sagen würden, wenn wir das machen würden, was Sie vorschlagen!)

   Zweitens. Wir wollen keine Steuererhöhungen, die einer Entlastung dauerhaft entgegenstehen. Was Sie zum Beispiel bei der Pendlerpauschale machen, ist nichts anderes, als über mehrere Jahre die Steuern zu erhöhen, um das Vorziehen der Steuerreform für ein Jahr zu finanzieren.

   Die Menschen in Deutschland werden von Ihrer Politik hinters Licht geführt, indem sie dauerhaft stärker belastet werden. Dies wird zwar als Entlastung verkauft, ist aber auf längere Sicht gesehen eine Mehrbelastung. Das haben die Menschen in Deutschland auch gespürt: bei der Ökosteuer, der Erhöhung der Tabaksteuer, der Versicherungsteuer. All diese Steuern haben Sie erhöht und damit die Entlastungen mehr als kompensiert.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Das ist falsch!)

Die Menschen in Deutschland merken, dass Ihre Politik nicht zu Entlastungen führt, sondern dass Ihre Politik die Unternehmen, die Menschen heute und in der Zukunft belastet. Deswegen ist sie falsch und muss verändert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Drittens. Sie haben weiterhin deutlich gemacht: Wir brauchen Strukturreformen in Deutschland. Ich habe eben einige Gesetzentwürfe angesprochen, die wir eingebracht haben. Im Bereich Arbeitsmarkt, Wirtschaftspolitik und Sozialsysteme müssen wir vorankommen. Dazu gibt es konkrete Vorlagen; aber sie müssen umgesetzt werden.

   An dieser Stelle unterliegen Sie, Herr Poß und Ihre Fraktion, einem gewaltigen Irrtum. Sie sind der Ansicht: Wenn diese dritte Stufe der Steuerreform vorgezogen wird, dann wird damit die Konjunktur angeschoben. Wir haben aber in Deutschland im Wesentlichen kein Konjunkturproblem, sondern ein Strukturproblem. Wir müssen die Strukturprobleme lösen, wenn wir dauerhaftes Wachstum und eine dauerhafte wirtschaftliche Erholung erreichen wollen.

(Joachim Poß (SPD): Beides!)

Sie versuchen, sich der Lösung der Strukturprobleme zu verweigern, und setzen an dieser Stelle auf kurzfristige Strohfeuerprogramme. Diese werden aber die Probleme nicht lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Das hängt doch aufs Engste zusammen!)

   Sie fordern, dass wir uns zu den steuerpolitischen Maßnahmen äußern. Ich nehme einmal das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit heraus, die so genannte Brücke in die Steuerehrlichkeit. Das Gesetz wurde ebenso wie die Kapitalertragsbesteuerung lange angekündigt und dann verschoben. Sie glauben, dass die Mehreinnahmen - diese Summe ist im Haushalt fest gebucht -, die Sie an dieser Stelle für den Bundeshaushalt sowie für die Haushalte der Länder und Kommunen erwarten, ein wesentlicher Teil der Entlastung für Kommunen und Länder werden, die Sie propagieren.

   Ich sage Ihnen: Solange bei Ihnen die Frage der Erbschaftsteuer virulent ist und ständig jemand eine Erhöhung dieser Steuer vorschlägt und solange Ihre Position zur Vermögensteuer nicht geklärt ist - Ihre Position zur Vermögensteuer wollen Sie irgendwann auf einem Bundesparteitag klären -, werden Sie zu keinem Ergebnis kommen. Unsere Position ist, diese Steuer abzuschaffen und sie aus dem Grundgesetz zu streichen. Wenn Sie nicht klären, wie die Frage der Kapitalertragsbesteuerung beantwortet wird, werden Sie niemanden über diese Brücke der Steuerehrlichkeit nach Deutschland zurücklocken. Das, was Sie als Gesetz beschließen und im Haushalt gebucht haben, hat keine seriöse Grundlage. Deshalb werden Sie am Ende wieder Löcher im Bundeshaushalt haben und zu keinem positiven Ergebnis kommen.

   Abschließend lassen Sie mich etwas zum Korb II sagen. Auch mit ihm werden viele finanzpolitischen Fragen aufgeworfen. Wir wollen in Deutschland keine Mindestbesteuerung. Deshalb werden wir als Union Vorschlägen, die eine Mindestbesteuerung vorsehen, nicht zustimmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir sind bereit, mit Ihnen konstruktiv zu diskutieren. Dies darf aber nicht zu Beschlüssen führen, mit denen die Zahl der Insolvenzen in Deutschland nach oben getrieben wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Bei der Frage der Fremdfinanzierung bin ich der Auffassung, dass wir nicht nur einfach den EuGH-Beschluss umsetzen müssen, sondern dass wir auch dafür sorgen müssen, dass Unternehmen in Deutschland investieren können. Deshalb muss Ihr Gesetzentwurf in diesem Punkt geändert werden.

   Wir müssen uns auch um das Thema Lebens- und Krankenversicherungen kümmern. Dafür muss eine Lösung gefunden werden. Ansonsten werden wir in eine sehr heikle Lage kommen. Wir alle müssen uns Gedanken darüber machen, wie wir das Problem der Alterssicherung und der Demographie lösen. Wenn wir die Unternehmen, die dazu Angebote machen, behindern, werden wir es nicht lösen.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Dr. Michael Meister (CDU/CSU):

Vielen Dank, Frau Präsidentin. - Ich hoffe, dass ich auch Herrn Poß und seiner Truppe einige Gedanken näher gebracht habe

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das ist aussichtslos!)

und dass sie in Zukunft den Herrn Bundesfinanzminister stärken und ihm bei den weiteren Debatten nicht in den Rücken fallen werden.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.

Jörg-Otto Spiller (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Dr. Meister, ich bescheinige Ihnen neidlos: Sie können schnell sprechen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Und intelligent!)

Es wäre aber besser gewesen, Sie hätten etwas langsamer gesprochen und dafür deutlicher gemacht, was Sie eigentlich wollen.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Eingeschlafen, oder was?)

Mir ist das nicht klar geworden. Ich glaube auch nicht, dass den Besuchern auf den Tribünen klar geworden ist, was Ihr Konzept ist. Ich habe nicht erkannt, was Sie wollen.

   Wir haben im ersten Teil - das hat mit dem Kollegen Merz angefangen - überwiegend Polemik gehört. Von der Opposition kam nur Polemik.

(Gerda Hasselfeldt [CDU/CSU]: So ein Quatsch!)

Ich glaube allerdings nicht, dass die Bürgerinnen und Bürger in Deutschland Polemik hören wollen, sondern ich glaube, dass sie wissen wollen, was die unterschiedlichen Konzeptionen sind, um unser Land voranzubringen.

   Wir haben dafür eine klare Konzeption vorgelegt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da muss er selber lachen!)

Diese stützt sich auf drei Säulen: Wir müssen die finanziellen Handlungsspielräume zurückgewinnen,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Mehr Schulden, mehr Pleiten, mehr Arbeitslosigkeit sind die drei Säulen!)

indem wir eine mittelfristige Konsolidierung der öffentlichen Haushalte betreiben, wir müssen Beschäftigung fördern und wir müssen die Wachstumsschwäche überwinden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Seit fünf Jahren wissen wir das!)

Eine Wachstumsschwäche - jetzt ist der Kollege Rexrodt leider nicht mehr da -

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Der ist eingeschlafen! Der musste rausgetragen werden!)

haben wir in Deutschland seit zehn Jahren. Seit 1993 war das gesamtwirtschaftliche Wachstum in Deutschland jedes Jahr niedriger als im Durchschnitt der Europäischen Union. Es macht überhaupt keinen Sinn, über die letzten drei, die letzten fünf oder die letzten sieben Jahre zu reden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die kann man vergessen! Da haben Sie vollkommen Recht!)

Wir müssen uns vielmehr mit der Frage beschäftigen, wo die strukturellen Belastungen liegen, die dazu geführt haben, dass wir anders als in früheren Zeiten schwächer wachsen als der Durchschnitt der Europäischen Union.

(Zuruf von der CDU/CSU: 2 Prozent sind doch gut!)

Es ist ganz offenkundig, dass ein Teil der Ursachen mit den Lohnnebenkosten zusammenhängt und dass es darauf ankommt, dass wir unsere sozialen Sicherungssysteme auch unter schwierigen demographischen Bedingungen zukunftssicher machen und Arbeit nicht noch mehr verteuern, als das ohnehin der Fall ist.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Macht das doch!)

Deswegen ist die erste Aufgabe unserer Politik, die für die strukturelle Schwäche verantwortlichen Faktoren zu beseitigen. Das haben wir mit der Agenda 2010 konkret auf den Weg gebracht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Welche Erkenntnis! Das habe ich schon vor zehn Jahren gesagt!)

   Der zweite Bereich ist die Konsolidierung der öffentlichen Finanzen. Dazu zählen nicht nur die Einnahmen, sondern natürlich auch die Ausgaben. In Bezug auf die Einnahmen habe ich beim Kollegen Merz wie beim Kollegen Austermann - auch beim Kollegen Dr. Meister - konkrete Vorschläge vermisst. Wir haben oft genug bei vielen Debatten von Ihrer Seite gehört, das Prinzip müsse sein, Sonderregelungen und Subventionen, insbesondere Steuersubventionen, abzubauen und dafür die Tarife zu senken.

   Wir senken die Tarife. Wir haben die Tarife auch schon gesenkt. Wir haben erlebt: Jedes Mal, wenn es beim Abbau von Steuersubventionen konkret wurde,

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Ging es in die Hose!)

haben auch Sie, auch Sie Herr Thiele, gesagt: Aber meine Klientel darf nicht geschädigt werden.

(Carl-Ludwig Thiele [FDP]: Meinen Sie Nachtarbeit?)

Gestern haben wir wieder eine Erklärung von Frau Merkel zum Bundeshaushalt und zur Einhaltung der Kriterien des Stabilitäts- und Wachstumspaktes lesen können. Sie sagt, für die vorgezogene Tarifsenkung müsse eine seriöse Finanzierung verlangt werden. Man fragt sich, was die seriöse Finanzierung ist. Sie sagt, es dürfe aber in keinem Punkt irgendwo einen Abbau von Subventionen geben. Das passt überhaupt nicht zusammen.

   Die CDU/CSU ist eine zu bedeutende Partei, als dass sie solche Sprüche machen und ihrer Verantwortung ausweichen könnte.

(Joachim Poß [SPD]: Macht sie aber!)

Man kann vielleicht sagen: Es ist nicht schlimm, wenn Herr Merz reine Polemik macht; auf Herrn Merz kommt es letzten Endes nicht an. Das trifft auch für Herrn Austermann zu. Wir brauchen im Deutschen Bundestag nicht unbedingt Ihre Zustimmung. Das ist wahr.

(Dietrich Austermann [CDU/CSU]: Wir brauchen mehr Spiller!)

Aber bei Frau Merkel verhält sich das schon anders. Frau Merkel ist die Vorsitzende der CDU.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ach was!)

Die Entscheidungen im Bundesrat müssen, meine ich, verantwortungsbewusst erfolgen. Es trifft nicht zu, dass die Union im Bundesrat die Opposition darstellt. Im Bundesrat gibt es nämlich keine Opposition; vielmehr sind im Bundesrat nur Landesregierungen vertreten. Der Bundesrat ist ein Organ des Bundes. Die Verantwortung für den Gesamtstaat muss auch dort wahrgenommen werden. Täuschen Sie sich nicht: Die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes erwarten, dass Sie nicht nur in Polemik ausweichen.

   Im Zusammenhang mit dem Stichwort Polemik - auch Herr Dr. Meister hielt sie für notwendig - will ich etwas zu den Defizitkriterien ausführen, und zwar zum einen zu dem innerstaatlichen Kriterium nach Art. 115 Grundgesetz und zum anderen zu dem im Stabilitäts- und Wachstumspakt innerhalb der Europäischen Union aufgeführten Kriterium der 3 Prozent des Bruttoinlandprodukts. Herr Dr. Meister, Sie wissen genau, dass Art. 115 Grundgesetz geradezu verlangt,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Dass man ihn beachtet!)

dass im Haushalt - und zwar von Bund und Ländern - auf die gesamtwirtschaftliche Entwicklung Rücksicht genommen wird und dass Bund und Länder ihre Finanzpolitik im Sinne einer gesamtwirtschaftlich vernünftigen Entwicklung ausrichten.

   Wir können uns nicht der Verantwortung entziehen, dass bei einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine Steuerung durch die Finanzpolitik notwendig ist. Wer will denn bei mehr als 4 Millionen Arbeitslosen und einem derzeit äußerst schwachen Wachstum leugnen, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist? Dafür gibt es - Sie haben Recht - vier Kriterien: die Stabilität des Preisniveaus, das Wachstum, den Beschäftigungsgrad und das außenwirtschaftliche Gleichgewicht. Derzeit sind zwei Kriterien wirklich beeinträchtigt, nämlich das Wachstum und die Beschäftigung. Es ist durchaus verantwortungsbewusst, die Haushaltspolitik danach auszurichten. Wir wissen allerdings, dass es sich nicht ausschließlich um konjunkturelle Nachfrageschwankungen handelt. Ich habe bereits ausgeführt, dass es auch strukturelle Ursachen gibt.

   Es wäre verkehrt, sich nur auf Defizitsteuerung zu beschränken. Aber das machen wir nicht. Wir betreiben eine auf die Verbesserung der Strukturen ausgerichtete Politik, die von einer auch auf Wachstumsimpulse setzenden Haushalts- und Finanzpolitik begleitet wird. Das erfolgt in Übereinstimmung mit dem Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union.

   Ich halte es für völlig unangemessen, dass heute von Herrn Merz und gestern von Frau Merkel mit einer Polemik begonnen worden ist, derzufolge die Stabilität des Euro gefährdet erscheint. Wir haben eine im EU-Durchschnitt harmonisierte Steigerungsrate der Verbraucherpreise von 2 Prozent. Wir haben in Deutschland eine Inflationsrate von knapp 1 Prozent; das ist die niedrigste Inflationsrate in Europa. Wir haben einen stabilen und starken Euro im Außenwert.

   Angesichts dessen ist es völlig deplatziert, von einer Destabilisierung der Währung zu reden. Machen Sie den Leuten keine Angst! Tragen Sie vielmehr dazu bei, dass das Vertrauen wieder wächst! Auch die Union hat eine Mitverantwortung für die Entwicklung in unserem Land insgesamt. Wenn Sie diese Mitverantwortung im Bundestag nicht wahrnehmen wollen, kann ich das nur bedauern.

Aber ich baue darauf, dass auch im Bundesrat eine verantwortungsbewusste Mehrheit zustande kommt.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Gerhard Rübenkönig, SPD-Fraktion.

Gerhard Rübenkönig (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als Vorsitzender des Rechnungsprüfungsausschusses habe ich jetzt die Aufgabe, losgelöst von der aktuellen Debatte die Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2001 zu beantragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   In diesem Zusammenhang begrüße ich ganz herzlich den Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Herrn Professor Dr. Dieter Engels, bei dem ich mich gleichzeitig ganz herzlich für die gute Zusammenarbeit bedanken möchte.

(Beifall bei der SPD)

   Dank sagen möchte ich auch den Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss für die sachbezogenen und fairen Debatten und auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sekretariats.

   Die Entlastung der Bundesregierung ist auf den ersten Blick ein Routinevorgang, der in der Öffentlichkeit kaum zur Kenntnis genommen wird. Dies ist eigentlich schade; denn das Thema Haushalts- und Wirtschaftsführung des Bundes verdient durchaus mehr Aufmerksamkeit. Es geht um die wirtschaftliche und ordnungsgemäße Verwendung aller Einnahmen und Ausgaben des Bundes, also um die korrekte Verwendung von Steuermitteln. Wir reden hier immerhin über 243,1 Milliarden Euro, die der Bund im Jahre 2001 eingenommen und verausgabt hat.

   Der Bundesrat hat bereits im Februar grünes Licht für die Entlastung der Bundesregierung gegeben. Der Rechnungsprüfungsausschuss hat die Anträge des Finanzministeriums sowie die Bemerkungen des Bundesrechnungshofes in sieben Sitzungen ausführlich beraten und dem Haushaltsausschuss einvernehmlich die Entlastung empfohlen. Der Haushaltsausschuss hat ebenso einvernehmlich dem Bundestagsplenum, also Ihnen, empfohlen, die Entlastung zu erteilen.

   Lassen Sie mich nun einige kurze Ausführungen zur Jahresrechnung 2001 machen:

   Die Ausgaben lagen nach dem Jahresabschluss für 2001 mit umgerechnet 243,1 Milliarden Euro um 0,7 Milliarden Euro unter dem veranschlagten Soll. Die Einnahmen unterschritten mit 220,2 Milliarden Euro ebenfalls das veranschlagte Soll, und zwar um 1,2 Milliarden Euro. Die in Anspruch genommene Nettokreditaufnahme lag mit 22,8 Milliarden Euro um 0,5 Milliarden Euro über der Kreditermächtigung im Haushaltsgesetz. Die Nettoneuverschuldung war um 4,5 Milliarden Euro niedriger als die Summe der Investitionsausgaben von rund 27,3 Milliarden Euro. Die verfassungsrechtliche Kreditobergrenze wurde damit auch im Haushaltsvollzug des Jahres 2001 eingehalten.

   Die über- und außerplanmäßigen Ausgaben erreichten mit 4,9 Milliarden Euro wieder ein erhebliches Volumen. Mehrausgaben gab es vor allem bei der Arbeitslosenhilfe, beim Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit und bei den Münzausgaben.

   Die seit 1998 bestehende Haushaltsflexibilisierung in den Verwaltungskapiteln hat nach Einschätzung des Bundesrechnungshofes positive Auswirkungen auf den Haushaltsvollzug. Das Bundesministerium der Finanzen sollte hier aber am Ball bleiben und die haushaltswirtschaftlichen Instrumente zugunsten einer zukunftsgerichteten Haushaltspraxis weiter entwickeln.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, der Bundesrechnungshof hat bereits in seiner letztjährigen Bemerkung einige Probleme aufgegriffen, die uns auch in der aktuellen finanzwirtschaftlichen Diskussion beschäftigen. So hat er darauf hingewiesen, dass die Haushaltsprobleme nicht nur auf die enttäuschende wirtschaftliche Entwicklung zurückzuführen sind, sondern dass sie - wir haben es eben in der aktuellen Diskussion gehört - auch strukturelle Ursachen haben. Da ist zum einen der hohe Anteil der Sozialausgaben und der Zinsausgaben. Die Zinslast ist dabei das Ergebnis einer jahrzehntelangen Aufnahme immer neuer Schulden. Zum Ende des Jahres 2002 betrugen die Schulden des Bundes und seiner Sondervermögen rund 779 Milliarden Euro. Die Bundesleistungen an die gesetzliche Rentenversicherung übertreffen in ihrer Dynamik alle anderen Ausgabenbereiche. Der Bundeshaushalt trägt bereits jetzt einen Anteil von rund einem Drittel der Rentenversicherungsausgaben. Nach der Finanzplanung werden die Rentenleistungen im Bundeshaushalt weiter überproportional steigen. Daneben fließen zusätzliche Haushaltsmittel des Bundes in andere Alterssicherungssysteme wie die Versorgungsausgaben für Beamte und Soldaten, die Leistungen für die Versorgungsempfänger aus dem Bereich der ehemaligen Bahn und Post sowie die Ausgaben für die Alterssicherung der Landwirte.

   Der Bundesrechnungshof weist zu Recht darauf hin, dass sich der Bund im Vergleich zum Durchschnitt der Bundesländer keinesfalls in einer besseren finanzwirtschaftlichen Lage befindet. Eher das Gegenteil dürfte zutreffen. So ist der Bundesanteil am Steueraufkommen in den letzten zehn Jahren vor allem zugunsten der Länder deutlich zurückgegangen, und zwar von 48,5 Prozent im Jahr 1994 auf 43,5 Prozent im Jahr 2003. Die Länder sind daher auch in einer besonderen Pflicht bei der Umsetzung der finanzpolitischen Ziele des europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes.

   Wir stehen in der laufenden Wahlperiode vor gewaltigen Reformaufgaben. Für den Rechnungsprüfungsausschuss sehe ich einige interessante Themenkreise, mit denen wir uns in nächster Zeit intensiv befassen sollten. Das betrifft zum Beispiel die Fortsetzung der eingeleiteten Verwaltungsreform. Zu dieser Thematik gehört die weitere Modernisierung des Haushaltsrechts. Hier sind wir mit der Haushaltsflexibilisierung, mit der Einführung einer Kosten-Leistungs-Rechnung in weiten Bereichen der Bundesverwaltung sowie mit den Pilotprojekten betreffend den Einsatz von Produkthaushalten auf einem guten Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir sollten aber mögliche Probleme, die mit einer verstärkten Privatisierung öffentlicher Aufgaben verbunden sind, nicht aus den Augen verlieren. Ich denke hierbei insbesondere an den Verlust oder zumindest die Einschränkung parlamentarischer Kontrollrechte. Ich bin sicher, dass der Bundesrechnungshof uns dabei wie bisher fachkundig beraten wird.

   Wir werden noch genügend Gelegenheit haben, diese Themen im Rechnungsprüfungsausschuss eingehend zu erörtern. Für heute möchte ich aufgrund meiner kurzen Redezeit hiermit schließen und mich für Ihre Aufmerksamkeit bedanken. Ich bitte Sie um Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2001.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Weitere Wortmeldungen zur allgemeinen Finanzdebatte liegen nicht vor.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/1502 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Federführung ist jedoch strittig. Die Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen wünschen Federführung beim Haushaltsausschuss. Die Fraktionen der CDU/CSU und der FDP wünschen Federführung beim Finanzausschuss. Ich lasse zuerst über den Überweisungsvorschlag der Fraktionen der CDU/CSU und FDP abstimmen, also die Federführung beim Finanzausschuss. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Überweisungsvorschlag ist mit den Stimmen der Koalition und der beiden fraktionslosen Abgeordneten gegen die Stimmen der CDU/CSU und der FDP abgelehnt.

   Wer stimmt für den Überweisungsvorschlag der Fraktionen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen, also die Federführung beim Haushaltsausschuss? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Dieser Überweisungsvorschlag ist mit dem gleichen Stimmenverhältnis wie zuvor angenommen. Damit liegt die Federführung beim Haushaltsausschuss.

Tagesordnungspunkte 1 d bis 1 g: Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/1517, 15/1518, 15/997 und 15/1218 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlagen auf den Drucksachen 15/1517 und 15/1518 sollen abweichend von der Tagesordnung an den Haushaltsausschuss ausschließlich gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Tagesordnungspunkt 1 h: Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministeriums der Finanzen zur Entlastung der Bundesregierung für das Haushaltsjahr 2001 sowie zu den Bemerkungen des Bundesrechnungshofes 2002 zur Haushalts- und Wirtschaftsführung, Drucksachen 14/8729, 15/60 und 15/1262. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen der Koalition bei Enthaltung der CDU/CSU und der FDP angenommen.

   Tagesordnungspunkt 1 i: Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zur Rechnung für das Haushaltsjahr 2001, Drucksachen 15/1047 und 15/1258. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

   Tagesordnungspunkt 1 j: Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes zur Rechnung für das Haushaltsjahr 2002, Drucksachen 15/1048 und 15/1259. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe und Enthaltungen entfallen, weil die Beschlussempfehlung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden ist.

   Zusatzpunkt 1: Interfraktionell wird die Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/1470 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a bis 3 d sowie Zusatzpunkt 2 auf:

3. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerksrechtlicher Vorschriften

- Drucksache 15/1481 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu Reformen am Arbeitsmarkt

- Drucksache 15/1509 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll von Cartagena vom 29. Januar 2000 über die biologische Sicherheit zum Übereinkommen über die biologische Vielfalt

- Drucksache 15/1519 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Ulrike Flach, Christoph Hartmann (Homburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Stärkung der europäischen Raumfahrtpolitik - Gewinn für den Wirtschafts- und Forschungsstandort Deutschland

- Drucksache 15/1230 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 2 Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Baumann, Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Unterstützung für ehemalige politische Häftlinge umgehend sicherstellen

- Drucksache 15/1524 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe
Haushaltsausschuss

   Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 15/1509 - Tagesordnungpunkt 3 b - soll zusätzlich gemäß § 96 der Geschäftsordnung an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Die Vorlage auf Drucksache 15/1230 - Tagesordnungspunkt 3 d - soll zusätzlich an den Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 sowie Zusatzpunkt 3 auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt 4:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 30. Juli 2002 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Französischen Republik über die deutsch-französischen Gymnasien und das deutsch-französische Abitur

- Drucksache 15/717 -

(Erste Beratung 40. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

- Drucksache 15/1364 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Monika Griefahn
Dr. Andreas Schockenhoff
Claudia Roth (Augsburg)
Harald Leibrecht

   Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/1364, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des gesamten Hauses angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

   Zusatzpunkt 3:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzabkommen vom 5. November 2002 zum Abkommen vom 11. April 1967 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Belgien zur Vermeidung der Doppelbesteuerungen und zur Regelung verschiedener anderer Fragen auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen einschließlich der Gewerbesteuer und der Grundsteuern

- Drucksache 15/1188 -

(Erste Beratung 53. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
(7. Ausschuss)

- Drucksache 15/1401 -

Berichterstattung:
Lydia Westrich
Leo Dautzenberg

   Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/1401, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen und Enthaltungen entfallen, da der Gesetzentwurf in der zweiten Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden ist.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Damit ist der Gesetzentwurf mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 58. Sitzung - wird morgen,
Mittwoch, den 10. September 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15058
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion