Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > INFORMATIONS-CENTER > Plenarprotokolle > Vorläufige Plenarprotokolle >
15. Wahlperiode
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

   64. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 26. September 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Heute feiert die Kollegin Brigitte Schulte ihren 60. Geburtstag. Im Namen des Hauses gratuliere ich ihr herzlich und wünsche alles Gute.

(Beifall)

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b auf:

a) - Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG)

- Drucksache 15/1525 -

- Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU sowie den Abgeordneten Dr. Heinrich L. Kolb, Detlef Parr, Dr. Dieter Thomae und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung

- Drucksache 15/542 -

- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung

- Drucksache 15/800 -

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung

- Drucksache 15/1071 -

- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems (Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz - GMG)

- Drucksache 15/1170 -

aa) Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (13. Ausschuss)

- Drucksachen 15/1584, 15/1600 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Helga Kühn-Mengel
Annette Widmann-Mauz
Birgitt Bender
Dr. Dieter Thomae

bb) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung

- Drucksache 15/1586 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Otto Fricke
Waltraud Lehn
Dr. Michael Luther
Anja Hajduk

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung (13. Ausschuss)

- zu dem Antrag der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Aufhebung der gesundheitspolitischen Maßnahmen im Beitragssatzsicherungsgesetz

- zu dem Antrag der Abgeordneten Annette Widmann-Mauz, Andreas Storm, Dr. Wolf Bauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Für ein freiheitliches, humanes Gesundheitswesen - Gesundheitspolitik neu denken und gestalten

- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Mut zur Verantwortung - Für ein freiheitliches Gesundheitswesen

- zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dieter Thomae, Detlef Parr, Dr. Heinrich L. Kolb, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Zukunft gestalten statt Krankheit verwalten

- Drucksachen 15/652 (neu), 15/1174, 15/1175, 15/1526, 15/1584, 15/1600 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Helga Kühn-Mengel
Annette Widmann-Mauz
Birgitt Bender
Dr. Dieter Thomae

   Über den Gesetzentwurf zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung werden wir später namentlich abstimmen.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen, wobei die FDP neun Minuten erhalten soll.

(Peter Dreßen (SPD): Das ist viel zu viel!)

- Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Gudrun Schaich-Walch, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Gudrun Schaich-Walch (SPD):

Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit gemeinsam dafür Sorge zu tragen, dass die sozialen Sicherungssysteme auch in der Zukunft die großen Lebensrisiken, die der Einzelne nicht bewältigen kann, absichern. Deshalb machen wir Reformen, die auf die veränderten gesellschaftlichen und demographischen Rahmenbedingungen eingehen müssen. Vor diesem Hintergrund bin ich sehr zufrieden, dass es uns gelungen ist, an eine gute Tradition anzuknüpfen und bedeutende Gesetzesvorhaben der Sozialpolitik fraktionsübergreifend zu beschließen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die gesetzliche Krankenversicherung ist für unsere Bürgerinnen und Bürger ein sehr wichtiges soziales Sicherungssystem. Sie gibt ihnen die Sicherheit, dass sie bei Krankheit die medizinisch notwendigen Leistungen erhalten, unabhängig von der Finanzkraft des Einzelnen. Union, SPD und Bündnis 90/Die Grünen werden damit ihrer Verantwortung gegenüber Patienten, Versicherten, aber auch gegenüber den Beschäftigten im Gesundheitswesen gerecht.

   Umso mehr bedauere ich es, dass die FDP im Laufe des Verfahrens ausgestiegen ist. Sie zeigen damit, dass Sie eine reine Klientelpartei sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Sie haben mit Ihrem Verhalten deutlich gemacht, dass Ihnen die Gewinnmaximierung einzelner Gruppen wichtiger ist als die soziale Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger im Krankheitsfall.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Verehrte Kolleginnen und Kollegen, das Gesundheitsmodernisierungsgesetz ist ein wichtiger Baustein der Agenda 2010. Wir haben zwar in erster Linie die Gesundheitsversorgung, Prävention und Rehabilitation im Blick, berücksichtigen aber auch die enorme Bedeutung des Gesundheitswesens für den Arbeitsmarkt und die wirtschaftliche Entwicklung.

   Wir machen diese Reform, damit alle Versicherten weiterhin die medizinisch notwendigen Leistungen erhalten und am technischen Fortschritt in der Medizin teilhaben können. Wir machen die Reform aber auch, weil wir den Beschäftigten im Gesundheitswesen - sei es den Angestellten, sei es denen, die als Freiberufler tätig sind - weiterhin einen verlässlichen Rahmen für ihre Berufsausübung geben wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Ich habe in den letzten Wochen immer wieder gehört, es sei eine Reform von historischer Bedeutung, eine Jahrhundertreform. Ich will das Ganze etwas niedriger hängen. Ich glaube aber, dass dieses Gesetz eine entscheidende Reform bewirkt. Es wird allerdings - auch davon bin ich überzeugt - nicht die letzte Reform sein; denn Veränderungen in der Medizin und in der Gesellschaft werden dafür sorgen, dass wir unsere Gesundheitsversorgung diesen Veränderungen auch weiterhin anzupassen haben.

   Wir haben unser Gesundheitswesen aber nicht nur inhaltlich neuen Aufgaben anzupassen; wir haben auch auf die finanzielle Seite zu achten. In diesen Zeiten ist das oftmals die schwierigere Aufgabe. Durch die Beiträge in der gesetzlichen Krankenversicherung stehen für die Gesundheitsversorgung jährlich 142 Milliarden Euro zur Verfügung. Ich halte diese Mittel für ausreichend; ich halte sie aber auch für notwendig, damit die Versicherten die medizinisch notwendigen Leistungen erhalten.

   Wir wissen, dass es zurzeit eine Einnahmeschwäche in der gesetzlichen Krankenversicherung gibt. Diese ist für den Anstieg der Beitragssätze auf 14 Prozent und 14,3 Prozent mit verantwortlich. Ich bin davon überzeugt: Wenn wir nicht handeln, dann ist nicht auszuschließen, dass der Beitragssatz zum Jahresende bei 15 Prozent liegt. - So viel zur finanziellen Seite.

   Wir haben mit diesem Gesetz aber auch darauf zu reagieren, dass es nicht überall im Gesundheitswesen die erforderliche Qualität und die notwendige Effizienz bei der Leistungserbringung gibt. In dieser Hinsicht sind die Leistungserbringer und die gesetzlichen Krankenkassen in der Pflicht. Wer ein selbst verwaltetes und kein staatliches Gesundheitswesen will, der hat nicht nur die medizinische, sondern auch die wirtschaftliche Verantwortung für das Gesundheitswesen mitzutragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alle sind jetzt aufgefordert, diejenigen Instrumente, die ihnen das Gesetz bietet, dafür einzusetzen, dass im Gesundheitswesen Qualität verbessert, Effizienz gesteigert und Wettbewerb - die FDP wollte ihn verhindern - stattfindet.

   Alle Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung müssen - das haben wir versprochen - die notwendigen Leistungen erhalten können. Dies ist zu Zeiten knapper Kassen ein schwieriger Anspruch; deswegen haben wir uns auf verschiedene Lösungswege begeben. Wir haben lange darüber diskutiert, welche die originären Aufgaben einer Krankenversicherung sind. Wir sind dabei zu dem Schluss gekommen, dass es Leistungen im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung gibt, die nicht unbedingt dazugehören. Die Herausnahmen, zum Beispiel die des Sterbegelds, waren für uns dennoch ein sehr schmerzlicher Prozess.

   Etwas leichter getan haben wir uns mit der Tatsache, dass unsere gesetzliche Krankenversicherung auch Leistungen erbringt, die an sich Gesellschaftsaufgaben sind, zum Beispiel die Finanzierung des Mutterschaftsgeldes. Künftig wird es so sein, dass die gesetzlichen Krankenkassen diese Leistungen zwar übernehmen; allerdings werden sie aus Steuermitteln finanziert.

   Zur Finanzierung aus Steuermitteln und zur Herausnahme von Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung ist als ein weiteres Instrument der Aufbau der Selbstbeteiligung der Patienten hinzugekommen. Es ist uns allen nicht leicht gefallen, die Zuzahlungen zu erhöhen und sie anders zu verteilen. Aber nach vielen Diskussionen und auch nach dem Studium von Umfragen bin ich davon überzeugt, dass die Menschen eher bereit sind, mehr zuzuzahlen, als dass sie bereit sind, auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung zu verzichten. Darauf haben wir entsprechend reagiert.

   Entgegen allen öffentlichen Behauptungen, dass die Leistungserbringer nicht zur Finanzierung des Systems herangezogen werden, möchte ich nochmals daran erinnern, dass wir im letzten Jahr mit der Verabschiedung des Beitragsentlastungsgesetzes eine Belastung der Leistungserbringer von 3,5 Milliarden Euro beschlossen haben und dass wir sie auch mit diesem Gesetz - allein die Pharmaindustrie wird mit 1,5 Milliarden Euro belastet - hinzugezogen haben.

   Neben dieser finanziellen Diskussion - ich weiß, dass die Zuzahlungen viele Menschen eher beschäftigen als die strukturellen Instrumente - müssen wir aber auch sehr deutlich darauf hinweisen, dass es uns gelungen ist, eine Reihe von Strukturmaßnahmen zu verwirklichen. Wir hatten uns zwar mehr vorgestellt. Wir haben aber einen Teil unserer Forderungen durchsetzen können. Ich glaube, mittel- und langfristig werden die Möglichkeiten, die wir geschaffen haben, unsere Gesundheitsversorgung verbessern, die Qualität erhöhen und dabei helfen, das Gesundheitswesen transparenter zu machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Uns allen, die heute abstimmen, ist es bewusst, dass der vorliegende Gesetzentwurf ein Kompromiss ist, der hart erarbeitet wurde und der niemandem leicht gefallen ist. Inhalte, die uns wichtig sind, mussten wir aufgeben. Andere Veränderungen, wie zum Beispiel beim Zahnersatz, mussten um des Kompromisses willen aufgenommen werden. Jede Verhandlungsseite hat Zugeständnisse gemacht. Alle haben die Bereitschaft mitgebracht, über die eigenen Vorstellungen hinaus neue Lösungswege zu eröffnen und damit die notwendigen Veränderungen einzuleiten. In diesem Licht ist den Vertretern der Fraktionen und der Bundesländer, wie ich meine, ein fairer Kompromiss gelungen, der für die Versicherten im Gesundheitswesen gut ist und der zur Weiterentwicklung unseres Gesundheitswesens beitragen wird.

   Ich finde, dass das, was wir im Bereich der Finanzierung und der Strukturveränderungen im Gesundheitswesen vorgelegt haben, ermöglichen wird, dass sich unser Gesundheitswesen den zukünftigen Veränderungen anpassen kann. Allerdings muss ich auch sagen: Vor dem Hintergrund der demographischen und medizinisch-technischen Entwicklung halte ich es für notwendig, eine Diskussion über die langfristige Ausgestaltung der Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung zu beginnen. Dieser Diskussionsprozess sollte aber in keinem Fall darüber hinwegtäuschen, dass das, was wir an Veränderungen im Gesetz vornehmen mussten, notwendig ist und erst die Basis für eine neue Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung schafft.

   Wir haben in Zukunft als Erstes auf die Umsetzung des Gesetze zu achten und müssen als Zweites eine solide Diskussion über weitere Veränderungen führen. Dabei sind meiner Meinung nach verschiedene Elemente zu bedenken: Wie soll der Kreis der versicherten Personen aussehen? Welche Einkommen sollen zur Bemessung herangezogen werden? Wie steht es um die paritätische Finanzierung? Egal wie die Diskussion verlaufen wird: Ich bin der festen Überzeugung, dass die Elemente der solidarischen Krankenversicherung - Junge für Alte, Gesunde für Kranke, Singles für Familien, höhere Einkommen für niedrige Einkommen - in keinem Fall infrage gestellt werden dürfen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es sind immens wichtige gesellschaftspolitische Fragen, die wir nicht in einem Schnellschuss beantworten können, sondern die wir in einer langen, gründlichen und ruhigen Diskussion erörtern müssen. Deshalb hoffe ich, dass wir nach einer guten gesellschaftlichen Diskussion zu tragfähigen Lösungen kommen werden und dass es uns - falls es notwendig ist -wieder gelingen wird, mit einer sehr breiten Mehrheit im Parlament die entsprechenden Veränderungen vorzunehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Alleine habt ihr ja keine!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Zöller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wolfgang Zöller (CDU/CSU):

Grüß Gott, Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ganz gleich bei welcher Veranstaltung man momentan auftritt, die erste Frage ist immer wieder: Warum habt ihr da eigentlich überhaupt mitgemacht? Sicherlich wäre es für die CDU/CSU-Fraktion wesentlich einfacher und bequemer gewesen, die Konsensgespräche abzulehnen und die politische Mitverantwortung in diesem Bereich einfach zu verweigern.

(Zuruf von der SPD: Aber nur kurzfristig, Herr Zöller! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU): Seien Sie ruhig da drüben!)

Wir standen vor der Entscheidung, aus parteifaktischen Gründen das Gesundheitssystem gegen die Wand fahren zu lassen oder mitzugestalten. Das Aussteigen wäre aus unserer Sicht unverantwortlich gewesen, zumal sehr große Teile der Reform im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig sind und wir somit überhaupt keine Gestaltungsmöglichkeiten gehabt hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich gebe zu: Etliche Einzelregelungen sind aus unserer Sicht nicht ganz logisch.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Nett ausgedrückt!)

Das ist jedoch der Preis eines Kompromisses. Vielen von unseren Kolleginnen und Kollegen fällt ist nicht leicht, diesem Kompromiss zuzustimmen. Es gehört aber dazu, glauben wir, um der Zusammengehörigkeit willen den einen oder anderen Kompromiss mitzutragen, auch wenn er mit der eigenen Überzeugung nicht 100 Prozent übereinstimmt.

   An der Dringlichkeit und Notwendigkeit dieser Reform gibt es keine Zweifel. Die Beitragssätze sind die höchsten seit Bestehen der Bundesrepublik und trotz dieser hohen Beitragssätze steigt die Verschuldung der gesetzlichen Krankenversicherung. Würden wir nichts tun, würden wir zum Ende des Jahres Beitragssätze von mehr als 15 Prozent haben.

   Diese Entwicklung musste unterbunden werden. Dabei waren bestimmte Zielvorgaben zu erfüllen. Um ein positives Signal für mehr Arbeitsplätze zu setzen, mussten die Beitragssätze gesenkt und musste der Weg aus der Verschuldung der Kassen begonnen werden. Darüber hinaus brauchen alle am Gesundheitswesen Beteiligten endlich einmal wieder Planungssicherheit über mehrere Jahre.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie brauchen verlässliche Rahmenbedingungen, um Entscheidungen über Investitionen und über Personalplanung treffen zu können.

   Die Solidarität ist in unserem System auch nach der Reform ein ganz wesentlicher Punkt; sie wird allerdings durch mehr Eigenverantwortung flankiert. Lassen Sie mich auch an dieser Stelle klarstellen: Eigenverantwortung bedeutet wesentlich mehr als nur erhöhte Zuzahlungen.

(Beifall des Abg. Karsten Schönfeld (SPD))

Die Stellung der Patienten musste gestärkt werden. Darüber hinaus waren wir bemüht, in dieser Reform Qualitätssteigerungen, ein Mehr an Transparenz und Effizienz zu erreichen, weil wir das als unverzichtbar ansehen; denn auch langfristig soll allen Bürgerinnen und Bürger eine qualitativ hochwertige medizinische Versorgung zur Verfügung stehen - unabhängig von Alter oder Einkommen.

   Selbstverständlich provozieren derartige Reformen Widerspruch und heftige Kritik. Die Diskussion darüber wird allerdings nicht immer von rein sachlichen Überlegungen geleitet. Ich möchte einige Punkte ansprechen.

   Die Kritiker sagen: Die Konsenslösung enthält zu wenig reformerische Ansätze. Gleichzeitig bekommen wir in dieser Woche Briefe des Inhalts: Diese Reform verändert die Strukturen total. - Eines von beiden kann ja wohl nur zutreffen. Dass zukünftig erstmals versicherungsfremde Leistungen nicht mehr beitrags-, sondern steuerfinanziert werden, ist allein schon ein zentraler Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Kritiker sagen weiter: Zuzahlungen belasten Kranke über Gebühr. - Auch dies geht an der Realität vorbei. Das gewählte Zuzahlungssystem ist sozial ausgewogen. Niemand wird überfordert, da wir klar definierte Höchstbelastungsgrenzen vorsehen: 2 Prozent des Bruttoeinkommens, bei chronisch Kranken 1 Prozent des Bruttoeinkommens. Außerdem gibt es noch die Sonderregelung für Familien mit Kindern, nämlich Freibeträge, die besondere Rücksicht auf die Situation der Familien nehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zuzahlungen sollen auch verhaltenssteuernd wirken und sind die sozial verträglichere Alternative zur Leistungsausgrenzung.

   Kritiker sagen des Weiteren, die Übertragung der Absicherung des Zahnersatzes in die finanzielle Verantwortung des Patienten sei unzumutbares Abkassieren. Auch das trifft so nicht zu. Das Versicherungsrisiko Zahnersatz auf neue Finanzierungsgrundlagen zu stellen war bestimmt nicht leicht. Für den Versicherten ist damit jedoch auch mehr Wahlfreiheit verbunden. Er kann den Leistungsumfang durch sein eigenes Verhalten wesentlich mitbestimmen. Er kann künftig selbst entscheiden, ob er sich in der gesetzlichen oder in der privaten Kasse versichern will. Die befundorientierten Festzuschüsse ermöglichen ihm auch künftig die Teilhabe am gesamten therapeutischen Leistungsspektrum der Zahnmedizin. Das Nebeneinander von gesetzlicher und privater Versicherung fördert auch den Wettbewerb der beiden Systeme.

   Weiter wird gesagt, die Patientenrechte würden nicht gestärkt. Auch dies ist falsch. Wir stärken die Patientenrechte wesentlich durch die Einführung qualifizierter Mitspracherechte sowie die Einbindung von Selbsthilfeorganisationen und die Schaffung eines Patientenbeauftragten.

   Die Transparenz wird gefördert durch die Einführung der Möglichkeit einer Kostenerstattung, der Patientenquittung und nicht zuletzt einer intelligenten Chipkarte, die dazu beiträgt, dass Missbrauch wesentlich begrenzt wird, und gleichzeitig für den Patienten mehr Sicherheit im Rahmen der Therapie bedeutet. Damit gehört der Dauerbrenner unnötige Doppeluntersuchungen dann endlich der Vergangenheit an.

   Großen Wert legen wir darauf, dass trotz der strukturellen Reformen die Freiberuflichkeit, die für uns einen Garanten für Qualität, freie Arzt- und Krankenhauswahl sowie Therapiefreiheit darstellt, geschützt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Besonders froh sind wir, dass die Leistungen für künstliche Befruchtung nicht komplett aus dem Leistungskatalog herausgenommen wurden. Mittels dieser Therapieform kamen im letzten Jahr in Deutschland immerhin 12 000 Kinder zur Welt. Bedauerlicherweise konnten wir uns nicht auf eine niedrigere Arzneimittelkostenzuzahlung für künstliche Befruchtung einigen.

   Das Regelungswerk, das insbesondere die Apotheker betrifft, war einer der am schwierigsten zu verhandelnden Bereiche. Wir wollten die hochwertige und flächendeckende Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln nicht aufs Spiel setzen. Angesichts der sich abzeichnenden Rechtsprechung des EuGH zum Versandhandel auf dem Arzneimittelsektor haben wir die Chance genutzt, politische Rahmenbedingungen vorzugeben, die einen ruinösen Wettbewerb verhindern und gleichzeitig die Arzneimittelsicherheit schützen sollen. Auch die Bildung von Apothekenketten werden wir damit verhindern können, da die Eröffnung von bis zu drei Filialapotheken einer strikten regionalen Begrenzung unterliegt.

   Darüber hinaus konnte Einigkeit über die herausragende Wertigkeit der Prävention erzielt werden. Ich glaube, wir sind uns alle einig, dass in Deutschland zu viel Geld für die kurative Medizin und zu wenig Geld für die Verhinderung von Krankheiten ausgegeben wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Rund 30 Prozent der Ausgaben im Gesundheitswesen entstehen dadurch, dass wir in Deutschland uns verkehrt ernähren und zu wenig bewegen. - Sie brauchen mich jetzt nicht alle anzuschauen; ich weiß, dass ich zu dick bin.

(Heiterkeit)

Wenn wir diese Kosten einsparen könnten, hätten wir zum Beispiel einen größeren Spielraum für innovative Arzneimittel und könnten die Altersproblematik in Deutschland leichter bewältigen. Vor rund fünf Jahrzehnten waren nur halb so viele Menschen über 60 Jahre alt wie heute. Gleichzeitig gab es doppelt so viele Menschen unter 20 Jahren wie heute. Diesem demographischen Wandel müssen wir gerecht werden. Deshalb begrüßen wir es ausdrücklich, dass in dem gemeinsamen Entschließungsantrag, den wir heute verabschieden, der Prävention wieder mehr Gewicht gegeben werden soll.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zum Schluss möchte ich noch darauf hinweisen, dass diese Reform im Gesundheitswesen nicht die Missstände beheben kann, die auf dem Arbeitsmarkt entstanden sind und durch eine verfehlte Wirtschaftspolitik nicht korrigiert werden. Ich möchte mir nach drei oder vier Jahren nicht anhören müssen, dass wir, weil die Einnahmeseite noch mehr weggebrochen ist, unser Ziel der Beitragssatzsenkung nicht erreicht hätten.

   Ich möchte abschließend an alle Akteure im Gesundheitswesen den Appell richten, das jetzige Reformpaket umzusetzen und nicht mit Debatten um weiter gehende Reformen die Bürger und die Leistungserbringer zu verunsichern.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Auch Zukunftsmodelle, mit denen wir uns alle rechtzeitig auseinander setzen müssen, machen diese Reform nicht überflüssig. Wenn wir jetzt die Diskussion darüber zu sehr intensivieren, könnte es passieren, dass die Beteiligten sagen, sie bräuchten diese Reform nicht so ernst zu nehmen, da ja bald etwas anderes komme. Wir sind darauf angewiesen, dass erst diese Reform umgesetzt ist, bevor wir überhaupt die Möglichkeit haben, Beitragssatzsenkungen vorzunehmen. Jetzt muss zunächst auf der Basis dieser Reform gehandelt werden. Diskutieren über die Zukunft entbindet niemanden davon, das in die Tat umzusetzen, worüber wir heute zu entscheiden haben.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In den letzten Wochen haben wir des Öfteren gehört, die Gesundheitsreform habe in der Form, wie sie jetzt auf dem Tisch liege, eine soziale Schieflage. Versicherte und Patienten würden abgezockt, während bei Ärzten, Apothekern und der Pharmaindustrie die Sektkorken geknallt hätten. Dazu ist zu sagen, dass die Koalitionsfraktionen bereits im letzten Jahr mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz den Leistungserbringern einen Sparbeitrag von 3,5 Milliarden auferlegt haben. Wer glaubt, dass bei dieser Reform die Leistungserbringer einfach verschont worden seien, den lade ich herzlich ein, einmal in mein Büro zu kommen. Dort möge man sich durch den ziemlich hohen Stapel von Briefen der Pharmaindustrie wühlen, in denen sie einhellig beklagt, dass sie mit dem ihnen auferlegten Rabatt in den Ruin getrieben würden. Ich teile diese Sorge nicht, denke aber, dass man daran sehen kann: Ungeschoren kommt bei dieser Reform niemand davon. Das ist auch richtig so.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der CDU/CSU)

   Ich will weiterhin festhalten: Die höheren Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen, die Patienten und Versicherte zu leisten haben, fließen nicht in die Kassen der Leistungserbringer. Hier geht es nicht darum, dass frisches Geld ins System kommt, wie es sich manche Funktionäre aufseiten der Leistungserbringer wünschten, sondern hier geht es um Beitragssenkungen. Wir hätten, wenn wir keine gemeinsame Reform gemacht hätten - was von unserer Reform im Vermittlungsausschuss des Bundesrates übrig geblieben wäre, das will ich lieber nicht wissen -, am nächsten Ersten des Jahres einen durchschnittlichen Beitragssatz von 15 Prozent. Die Beiträge wären gestiegen; jetzt hingegen werden sie sinken. Das ist eines der wesentlichen Ziele dieser Reform.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir sorgen damit auch dafür - dieses will ich ebenfalls deutlich sagen -, dass niemandem medizinische Leistungen vorenthalten werden und dass alle Menschen auch in Zukunft sicher sein können, die Behandlung zu erfahren, die sie tatsächlich brauchen.

   Ich sage noch eines: Akzeptanz bei den Versicherten für höhere Eigenanteile wird letztlich nur dann entstehen und bestehen bleiben, wenn klar ist, dass höhere Zuzahlungen und Selbstbeteiligungen zwar ein notwendiger Bestandteil der Reformstrategie sind, aber nicht der einzige Bestandteil der Reformstrategie. Diejenigen, die jetzt den Eindruck erwecken, dass hinter höheren Zuzahlungen in Wirklichkeit die Absicht steckt, einen Systemwandel herbeizuführen, der hin zu einer Privatisierung der Krankheitsrisiken führt, werden politisch scheitern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Gerade die jetzigen Belastungen dürfen kein Weg in die Privatisierungsorgie sein. Sie sind nicht der Einstieg in den Ausstieg aus dem Solidarsystem. Manchem in diesem Hause sei gesagt, dass Diskussionen, die den Eindruck erwecken, dies sei der Weg, in die Privatisierung des Krankheitsrisikos, die Akzeptanz des Reformkompromisses untergraben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Zusätzliche Belastungen für Versicherte und Patienten verlangen immer ein überzeugendes Gesamtkonzept. Sie verlangen eine Gesundheitspolitik, die die Ausgabensteuerung über die Schaffung effizienter und effektiver Strukturen betreibt. Dazu gehören Rahmenbedingungen, um die legitimen wirtschaftlichen Interessen der Leistungsanbieter mit dem allgemeinen Interesse am effizienten und kostengünstigen Gesundheitssystem zu verbinden. Das Instrument dazu - davon sind wir überzeugt - ist als das bestimmende Prinzip der Wettbewerb unter den Anbietern von Gesundheitsleistungen.

   Dazu leistet der Gesetzentwurf einiges: im Arzneimittelbereich mit der Einführung des Versandhandels, mit der - wenngleich begrenzten - Aufhebung des Mehrbesitzverbotes und mit der Preisfreigabe für verschreibungsfreie Arzneimittel, im Vertragsbereich mit der Aufwertung von Einzelverträgen in der integrierten und der hausärztlichen Versorgung, beim Versorgungsangebot mit der Zulassung neuer Leistungsanbieter, wie etwa Gesundheitszentren.

   Trotzdem - das sage ich auch für die Grünen in aller Deutlichkeit - bleibt der Gesetzentwurf hinter dem Koalitionsentwurf zurück. Es ist nicht gelungen, die Ablösung des Kollektivvertragssystems gegen den Widerstand der Union durchzusetzen. Leider bleiben die Kartelle der Ärzte bestehen. Auch im Bereich des Arzneimittelhandels bleibt die gerade auf unseren Druck erzielte Öffnung hinter den Reformnotwendigkeiten zurück. Kurz und gut: Es bleibt noch etliches zu tun und Sie können sich darauf verlassen, dass wir weiter darum kämpfen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ein Gesamtkonzept in der Gesundheitsreform verlangt auch eine Finanzreform. Wir haben jetzt viel auf der Ausgabenseite getan. Aber wir wissen auch, dass der demographische Wandel, der medizinisch-technische Fortschritt und die sinkende Lohnquote eine Schwächung der Finanzierungsbasis herbeiführen. Deswegen stellt sich die Frage, wie wir dieses System insgesamt - auch über den jetzigen Zeithorizont hinaus - zukunftsfähig machen.

   Wir müssen berücksichtigen, dass die Quote der Vermögenseinkünfte am Volkseinkommen in den letzten 20 Jahren zugelegt hat. Dies wird mit dem Aufbau privater Altersvorsorge auch weiter der Fall sein. Daher ist es nur konsequent, wenn man alle Einkunftsarten in die Beitragsbemessung des Solidarsystems einbezieht. Deswegen treten wir Grünen für die Weiterentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung zur Bürgerversicherung - eine Versicherung, in der alle Bürger und Bürgerinnen mit allen Einkommensquellen versichert sind und in der die gleichen Spielregeln für alle gelten - ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Abschließend möchte ich noch sagen: Wir stehen mit dem Gesundheitskompromiss vor einem Problem, das für auf langfristige Wirkung angelegte Politik gar nicht so untypisch ist. Die zusätzlichen Belastungen für die Versicherten sind sofort spürbar, die positiven Auswirkungen auf die Strukturen hingegen sind erst mittelfristig sichtbar. Deswegen müssen die Menschen wissen, wohin die Reise geht. Sie müssen wissen, dass es nicht darum geht, das Solidarsystem auf einen Torso zu reduzieren, wie es die Herren von der FDP wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Wir brauchen ein Reformkonzept, in dem Selbstverantwortung, solidarische Wettbewerbsordnung und gerechte Finanzierung miteinander verbunden werden. Dann sind die Versicherten bereit, belastende Reformmaßnahmen mitzutragen.

   Darin liegt unsere politische Verantwortung. Ich sage das an die Adresse all derer gerichtet, die an dem Reformkompromiss beteiligt sind. - Herr Zöller, Sie sehen mich an. Diese politische Verantwortung sollten wir alle ausfüllen. Alle sollten sich überlegen, wie sie das tun.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Wolfgang Gerhardt, FDP-Fraktion.

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Wir alle wissen, dass die umlagefinanzierten Versicherungsysteme an ihre Grenze gekommen sind. Klaus von Dohnanyi hat es präzise ausgedrückt: Sie haben sich in Deutschland immer mehr als Barriere gegen Arbeitsplätze entwickelt und damit haben sie genau das Gut zerstört, das wir brauchen.

(Beifall bei der FDP)

   Wir alle wissen, dass eine strukturelle Reform unumgänglich ist. Aber ich sage am Ende dieser Debatte: Nicht eine Zwangsversicherung für alle als reine Geldbeschaffung durch weitere Beitragszahler wird das Gesundheitssystem retten, sondern nur ein klarer Umbau zu einer kapitalgedeckten Versicherungsform mit ernsthaften Wahlmöglichkeiten für die Bürgerinnen und Bürger selbst.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In dem vorliegenden Gesetzentwurf von SPD, Grünen und CDU/CSU wird das nicht getan. In ihm wird nach Überzeugung der FDP noch nicht einmal ein geeigneter Versuch unternommen. Er ist durch tiefes Misstrauen gegenüber den Gesundheitsberufen geprägt. In ihm wird weiter reguliert. Wirtschaftlichkeitsprüfungen werden verschärft, umfangreiche Verordnungskontrollen werden festgelegt und Regressandrohungen sowie Fortbildungskontrollen sind vorgesehen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wo haben Sie das denn her? Von der Pharmaindustrie?)

Das ist kein freiheitlicher Entwurf.

(Beifall bei der FDP)

Er sieht Zwangsfusionen vor und beinhaltet die Vorgabe hauptamtlicher Vorstände. Er sieht ein Mitbestimmungsrecht der Krankenkassen bei originären Aufgaben der ärztlichen Selbstverwaltung vor. Das führt zu mehr Staat und zu weniger Selbstverantwortung. Das kann nicht der richtige Weg sein.

(Beifall bei der FDP)

   Bei der Zahnmedizin wird ein einziger zaghafter Versuch des Umsteuerns in kapitalgedeckte Versicherungsformen gemacht. Private Unfälle und das Krankengeld - beides hat der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung erwähnt - bleiben außen vor. Der Versuch umzusteuern ist nicht gelungen. Beim Zahnersatz ist er weder für die Patienten noch für die Zahnärzte noch für die PKV, ja noch nicht einmal für die gesetzliche Krankenversicherung akzeptabel und ordentlich gemacht.

   Die kontraproduktive Erhöhung der Tabaksteuer wird nicht zu den geplanten Einnahmen führen; das sagt Ihnen jeder. Die Herausnahme nicht verschreibungspflichtiger Arzneimittel wird mit Sicherheit zu Substitutionseffekten führen. Die Mehrkosten der elektronischen Krankenversicherungskarte sind nicht eingerechnet, ebenso nicht die Verlagerung der Kosten für die Behandlungspflege in Heimen von der Pflegeversicherung zur Krankenversicherung. Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs kommt hinzu.

   Die Einnahmeverbesserungen, die Sie sich errechnet haben, tragen nicht. Die Anhörung in dieser Woche hat Sie doch davon überzeugen müssen, dass das Finanztableau noch nicht einmal auf Kante genäht ist. Ihre Vorhaben werden zu keinen Beitragssenkungen führen.

(Beifall bei der FDP)

Ihr Reformkonzept wird keine deutliche Absenkung der Beitragssätze bewirken, jedenfalls nicht für länger als ein Jahr. Aber man unternimmt doch nicht eine solche Anstrengung, wenn man damit die Finanzierungsbedingungen nicht länger als ein Jahr sicherstellen kann! Das sehen eigentlich auch Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

   Nun machen die Grünen ein neues Angebot: die Bürgerversicherung.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Um Gottes willen!)

Sie findet auch bei der SPD und der CDU/CSU Anhänger. Ich sage Ihnen: Sie wird unser Gesundheitswesen nicht retten; sie ist ein reines Kartell mit Zwangskundschaft.

(Lachen bei der SPD)

Sie dient schlicht der Geldbeschaffung und ist der Verzicht auf Wahlfreiheit und echte Reformen. Sie ist ein einzigartiges Entmündigungsprogramm im Hinblick auf Wahlmöglichkeiten der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hartmut Schauerte (CDU/CSU))

   Das sagt Ihnen nicht nur ein Vertreter der Freien Demokraten, auch Hans Barbier, ein großartiger Journalist, beschreibt es treffend in der „FAZ“. Er sagt: Wenn die Bürger der Bundesrepublik noch Bürger sind, dann müssen sie sich gegen diese Zwangsveranstaltung mit Argumenten im intellektuellen Wettstreit der Konzepte und mit dem Stimmzettel am Tage von Wahlen zur Wehr setzen. - Der Mann hat Recht, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. Hartmut Schauerte (CDU/CSU))

   Notwendig ist nach unserer Überzeugung ein wirklicher struktureller Umbau im Gesundheitswesen. Diesen will ich in der Kürze der Zeit beschreiben; denn niemand sollte hier im Unklaren darüber gelassen werden, dass es zu diesem Gesetzentwurf ernsthafte, verantwortungsbewusste Alternativen gibt.

(Beifall bei der FDP)

   Jeder Umbau, der auf mehr Wahlfreiheit abziehlt, setzt zunächst einmal deutliche Steuersenkungen voraus; denn wenn man die Menschen dazu auffordert, mehr private Verantwortung zu übernehmen, dann muss man ihnen netto mehr belassen, damit sie die Verantwortung wahrnehmen können.

(Beifall bei der FDP)

Damit sollte die Diskussion beginnen. Ich bin dankbar, dass heute in der Presse zu lesen ist, dass auch der frühere Bundespräsident Herzog genau das empfiehlt.

   Folgender Weg ist der Ehrlichkeit halber erforderlich: die klare Ausgliederung von abgrenzbaren Leistungskomplexen. Die Ausgliederung des Krankengeldes, der Zahnmedizin und der Unfallversicherung wäre ein Einstieg gewesen.

(Gudrun Schaich-Walch [SPD]: Und was bleibt dann noch?)

Wenn Sie die Senkung von Lohnzusatzkosten und damit mehr Arbeitsplätze für die junge Generation erreichen wollen, dann müssen Sie solch einen strukturellen Umbau vornehmen. Nur dann macht er Sinn.

(Beifall bei der FDP)

   Sie müssen sich der schweren Aufgabe - sie ist nicht leicht; aber was ist schon leicht? - unterziehen, einen Pflichtleistungskatalog für die gesetzliche Krankenversicherung zu entwerfen. Er muss auf klar abgrenzbare Bereiche und strukturelle Reformen abzielen. In Deutschland wird immer von Beschäftigungsdynamik geredet. Um sie zu erreichen, muss man die Lohnzusatzkosten und damit den Arbeitgeberanteil - er soll als Lohnbestandteil ausgezahlt werden - begrenzen.

(Beifall bei der FDP)

Die Bürgerinnen und Bürger sind erwachsen. Sie können selbst entscheiden, bei wem sie sich versichern. Das ist echte Wahlfreiheit.

   Frau Kollegin Schaich-Walch, ich möchte Ihnen sagen: Hüten Sie sich vor dem Vorwurf uns gegenüber! Wer Wettbewerb auf der Seite der Ärzte will, der muss auch Wettbewerb auf der Seite der Versicherungen anbieten, sonst ist er nicht fair.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie Einzelverträge mit Ärzten wollen, dann hören Sie mit der dauernden Erhöhung der Beitragsbemessungsgrenze auf, wodurch Sie die gesetzlichen Krankenversicherungen fast zu Monopolanbietern machen, die dann mit dem Abschluss eines Einzelvertrages entscheiden können, ob die freiberufliche Existenz eines Arztes oder einer Ärztin überhaupt noch bestehen kann. Wettbewerb - er muss fair sein - muss auf beiden Seiten herrschen.

(Beifall bei der FDP)

   Wenn wirklicher Wettbewerb herrschte und die Patientinnen und Patienten - die Bürgerinnen und Bürger - wirklich darüber entscheiden könnten, bei wem sie ihrer Pflicht zur Versicherung nachkommen, dann - ich wage die Prognose - wäre die Perspektive für Beitragsstabilität - für Beitragssenkungen - deutlich besser als nach dem halben Schritt, der in Ihrem Gesetzentwurf vorgesehen ist.

(Beifall bei der FDP)

   Eine solche Reform wäre eine klare Antwort auf das Beschäftigungsproblem in Deutschland. Nur sie böte überhaupt die Chance, die Lohnzusatzkosten zu begrenzen und der jungen Generation wieder eine Perspektive zu geben. Sie würde den Menschen wieder ihr verfassungsmäßiges Recht einräumen, frei wählen zu können. So könnte ein wirklicher Wettbewerb ausgelöst werden.

(Beifall bei der FDP)

Solch eine Reform stellt eine große Anstrengung dar. Sie muss auch gegen viele durchgesetzt werden. Die „Süddeutsche Zeitung“ schreibt aber zu Recht:

Schlimm ist, wenn das Volk den Eindruck gewinnt, bei den Reformen gehe es nur um Opfer - so wie bei der Gesundheitsreform, ausgehandelt von einer SPD-Ministerin und einem CDU/CSU-Abgeordneten, die zwar für die Patienten mehr Einschnitt bringt, die aber alle Schritte zugunsten von mehr Wahlfreiheit und Effizienz erst einmal blockiert. Der Wähler muss darauf vertrauen können, dass die ganzen Opfer einen Sinn haben.

Das ist des Pudels Kern.

   Ich glaube, dass die Bürgerinnen und Bürger - bei den Problemen, die sie erkennen - im Zusammenhang mit dem Umbau der Gesellschaft bereit sind, Anstrengungen auf sich zu nehmen; aber sie möchten bezogen auf das Konzept Licht am Ende des Tunnels sehen. Sie aber sagen nicht, warum das unternommen werden muss. Das ist der Punkt.

   Die Notwendigkeit struktureller Veränderungen war der Ausgangspunkt von Verhandlungen. Sie sollten eigentlich endlich einmal das Fundament dafür schaffen, dass nicht ein weiteres kleines Reparaturgesetz an zehn beschlossene Reparaturgesetze angehängt wird. Das wird nun aber wieder getan.

   Sie sprechen selbst schon wieder mit großer Mühe davon, dass Sie 2006 den großen Wurf machen wollen. Ich habe nicht die Hoffnung, dass Rot-Grün in dieser Frage einen großen Wurf schafft. Sie haben zu viel Angst vor der freien Entscheidung der Bürger. Sie regulieren lieber. Wenn Sie aber diese Grundhaltung beibehalten, dann kann das nichts werden.

(Beifall bei der FDP)

   Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, dessen Entwurf uns vorliegt, wird der unüberschaubaren Anzahl von Reparaturgesetzen ein weiteres hinzugefügt. Schade, dass eine große Chance vergeben worden ist. Dieses Gesetz verdient seinen Namen nicht. Die Bundestagsfraktion der FDP wird ihm nicht zustimmen.

   Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort der Kollegin Petra Selg, Bündnis 90/Die Grünen.

Petra Selg (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Lieber Herr Gerhardt, die Lobby klatscht. Anders kann ich es nicht nennen. Die Vorstellungen, die Sie eben vorgetragen haben, sind unerträglich. Bis zur Verabschiedung der Eckpunkte waren Sie an dieser Gesundheitsreform doch beteiligt! Sie hatten die Chance, Solidarität zu beweisen und bei dieser wirklich schwierigen Reform mitzustimmen. Das einzige aber, was Sie und Ihre Partei getan haben, war, die Menschen zu verunsichern, indem Sie immer nur davon gesprochen haben, wir wollten eine Zwangsversicherung einführen, wollten eine Einheitskasse usw. Ich glaube, Sie leiden vielmehr an Zwangsvorstellungen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Lachen bei der FDP)

Sie wollen keinen fairen Wettbewerb. Das einzige, was Sie wollen, ist eine Förderung Ihrer Klientel, und das auf dem Rücken der sozial Schwachen in unserer Gesellschaft und auf dem Rücken der Kranken.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Ernst Burgbacher (FDP): Wer hat Ihnen das aufgeschrieben?)

   Ihr Finanztableau war nicht nur auf Sand gebaut - das wäre zu vorsichtig formuliert -, Ihre Wünsche waren überhaupt nicht finanzierbar. In Ihren blumigen Vorträgen haben Sie hier einen Katalog an Wünschen vorgetragen; ich nenne nur die Wendungen „Mut zur Verantwortung“, „freiheitliches Gesundheitswesen", „Zukunft gestalten statt Krankheit verwalten“. Das sind nur lauter Sprüche, ohne Inhalt und ohne solide Finanzierung. Sie wollen weiter, dass der halbe Mehrwertsteuersatz auf Arzneimittel abgesenkt wird - das will ich natürlich auch -, nur taucht in keiner Ihrer Vorlagen ein Vorschlag zur Gegenfinanzierung auf. Sie betreiben Verunsicherung. Das, was Sie fordern, ist unsolide. Bei den von Ihnen vorgeschlagenen Reformen sagen Sie nicht, wie Sie auch nur irgendetwas davon finanzieren wollen. Graf Lambsdorff hat einen guten Vorschlag gemacht. Hätten Sie nur auf ihn gehört!

(Ernst Burgbacher (FDP): Halten Sie hier keine Rede!)

   Sie haben eine Chance vertan, im Deutschen Bundestag gemeinsam, über Parteigrenzen hinweg, einer fairen und soliden Gesundheitsreform zuzustimmen. Schade, dass Sie diese Chance vertan haben!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Gerhardt, Sie haben das Wort.

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):

Verehrte Kollegin, man merkt an der Art Ihrer Einlassung, dass Sie der Vorwurf trifft, die Grünen würden mit der Bürgerversicherung schlichtweg ein Modell zum Geldabkassieren vertreten. Darum geht es bei dieser Auseinandersetzung.

(Beifall bei der FDP - Widerspruch beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   In einer solchen Debatte muss die Öffentlichkeit den Kern der Auseinandersetzung erfassen können; er muss für sie verständlich sein. Der Kern ist: Sie, die Grünen, machen auf Trippelschritten kleine Reparaturgesetze, obwohl Sie den großen politischen Anspruch haben, Sie seien eine Reformpartei in Deutschland.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen, dass sich Gesundheit nur noch die Besserverdienenden leisten können!)

   Sie verweigern den Bürgerinnen und Bürgern ganz entschieden wirkliche Selbstbestimmung und Wahlfreiheit.

(Beifall bei der FDP)

Sie vergrößern auf der einen Seite die Bedeutung der gesetzlichen Krankenkassen und fordern auf der anderen Seite bei anderen den Abschluss von Einzelverträgen ein. Ihr Außenminister, Joschka Fischer, schlägt als Modell der Grünen zur Lösung der Probleme im Gesundheitswesen in einem freiheitlichen Staat ein Zwangskollektiv vor. Ich kann Sie nur ermuntern, diese Diskussion fortzuführen. Wir freuen uns darauf.

   Ich nenne Ihnen noch einmal kurz unsere Alternative. In einem freiheitlichen Staat mit einer marktwirtschaftlichen Ordnung sollten diejenigen auf der Nachfrageseite die Entscheidung treffen. Deshalb vertritt die FDP ein Modell, das das glatte Gegenteil von Ihrem Modell ist, und stimmt deshalb Ihrem Gesetzentwurf auch nicht zu. Die Bürgerinnen und Bürger selbst müssen mit mehr Netto im Portemonnaie und einer Belohnung ihrer Leistung an die Stelle der Nachfrager gesetzt werden. Eine Diskussion darüber kann ruhig öffentlich ausgetragen werden.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Klaus Kirschner, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Klaus Kirschner (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich darauf hinweisen, dass bezüglich des Entschließungsantrages Folgendes ins Protokoll aufgenommen werden muss: „angenommen mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der Fraktion der FDP“. Herr Präsident, ich bitte Sie, das mit ins Protokoll aufzunehmen.

   Herr Kollege Dr. Gerhardt, die FDP ist aus den Konsensgesprächen ausgestiegen und jetzt stellen reden Sie hier von mehr Wettbewerb. Ich frage mich, wo Ihre Forderungen nach mehr Wettbewerb zum Beispiel bei der Arzneimitteldistribution und nach der Freigabe des Versandhandels waren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie sieht es bei Ihnen bezüglich des Wettbewerbs und des Mehrbesitzes bei den Apothekern aus? Warum sind Sie hier nicht dabei? Dabei geht es doch auch um Wettbewerb. Sie wollen einen Scheinwettbewerb zugunsten der Besitzstandswahrer und zulasten der Versicherten und Patienten. Das ist doch die Realität! Das ist doch der Punkt! Sie verstecken sich dahinter und sonst gar nichts.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf, den wir jetzt abschließend beraten - das sage ich offen -, bietet nicht allzu viel Anlass zur Euphorie. Lassen Sie mich dies aber auch sagen: Das Ergebnis ist nicht kleinzureden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist das Resultat einer Partnerschaft, die aus Vernunftgründen und aufgrund der Zustimmungspflichtigkeit geschlossen wurde; Kollege Zöller hat ebenfalls darauf hingewiesen. Die Kompromissbereitschaft der SPD - auch das will ich nicht verschweigen - wurde in den Verhandlungen zeitweise aufs Höchste strapaziert. Das ist wie bei einer Vernunftehe und der Unterschied zu einer Liebesheirat. Die Vernunftehe beendet man nach einer gewissen Zeit auch wieder. Lassen Sie mich dies aber auch sagen: Es ist ein tragbarer Kompromiss. Man darf nicht verschweigen, dass die Patienten Zuzahlungen von bis zu 2 Prozent des Bruttohaushaltseinkommens leisten müssen. Für chronisch Kranke haben wir den Anteil auf 1 Prozent halbiert.

   Weil der Kollege Seehofer in der ersten Runde auch der SPD einiges gesagt hat, möchte ich Folgendes deutlich anmerken: Wäre es nach der CDU/CSU gegangen, würden die zusätzlichen Zuzahlungen um fast 6 Milliarden Euro steigen. Belastungen in dieser Größenordnung waren mit uns nicht zu machen. Die beschlossenen Zuzahlungen, die sich immerhin auf 3,2 Milliarden Euro jährlich summieren, sind zu akzeptieren, weil die Beiträge ansonsten weiter steigen würden und dies zu einem weiteren Verlust von Arbeitsplätzen führen würde. Dies muss man immer vor dem Hintergrund der gesamten Diskussion sehen.

   Die strukturellen Reformschritte, die Inhalt dieses Gesetzes sind, werden die Qualität unseres Gesundheitssystems verbessern und die Wirtschaftlichkeit steigern. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass diejenigen, die in der Selbstverwaltung Verantwortung tragen, dieser auch gerecht werden und die Blockadehaltung, die wir in der Vergangenheit zu oft erlebt haben, aufgeben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das gilt sowohl für die Krankenkassen als auch vor allem für Leistungserbringer. Hier seien die Kassenärztlichen Vereinigungen bzw. die Kassenzahnärztlichen Vereinigungen und die Pharmaindustrie, die beispielsweise die Aut-idem-Regelung unterlaufen hat, die wir in einem anderen Gesetz auf den Weg gebracht haben, unumwunden genannt. Ich füge hinzu: Es kann auch nicht angehen, dass beispielsweise in Nordrhein-Westfalen schon jeder dritte Diabetiker in ein strukturiertes Behandlungsprogramm eingeschrieben ist, die Programme vom Bundesversicherungsamt aber immer noch nicht akkreditiert wurden. Auch das müssen wir in Ordnung bringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Meine Damen und Herren, die Ablösung des Honorarbudgets für die Vertragsärzte ab 2007 und die Umstellung auf Regelleistungsvolumina bei festen Preisen sind neu. Diese Preise sollen sich an der Krankheitsentwicklung der Bevölkerung orientieren. Dies bietet den Ärzten Chancen, wie sie ihnen weder ein Minister Blüm noch ein Minister Seehofer jemals geboten haben. Es ist zu hoffen, dass das Verantwortungsbewusstsein der Ärzte mit diesen Chancen Schritt hält.

   Die Einschätzung des Kollegen Seehofer aus der ersten Lesung, die Neuordnung der ärztlichen Vergütung führe zu einer qualitativ wesentlich verbesserten medizinischen Versorgung, vermag ich nicht zu teilen. Bisher sehe ich vor allem, dass mehr Geld in den ambulanten Bereich fließt; denn hier, das müssen wir wissen, lauern unterschwellig Mengenausweitungen in erheblichem Ausmaß. Ob dies tatsächlich zu mehr Qualität führen wird, werden wir als Gesetzgeber genau zu beobachten haben.

   In anderen Bereichen geht der Gesetzentwurf eindeutig in die richtige Richtung, nämlich hin zu mehr Wettbewerb um mehr Qualität. Herr Kollege Dr. Gerhardt, in diesem Punkt unterscheiden wir uns diametral. Wir wollen einen Wettbewerb um mehr Qualität und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD)

   Meine Damen und Herren, ich möchte hier vor allem die Förderung von neuen medizinischen Versorgungszentren, in denen sowohl freiberufliche als auch angestellte Ärzte und andere Gesundheitsberufe gemeinsam tätig sein können, hervorheben. Für alle Beteiligten ist dies eine Verbesserung ihrer Berufsmöglichkeiten und für die Patienten eine Verbesserung in der Behandlung durch kurze Wege und die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen. Die medizinischen Versorgungszentren - lassen Sie mich dies auch sagen - sind ein Baustein für die Weiterentwicklung der integrierten Versorgung, die wir insgesamt mit diesem Gesetz stärken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Durch die 1-Prozent-Regelung setzen wir sowohl bei den Krankenkassen als auch bei Ärzten bzw. Ärztenetzen und Krankenhäusern die richtigen Anreize, damit Verträge zur integrierten Versorgung endlich verstärkt abgeschlossen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Zusammen mit der Ausweitung der Vertragsmöglichkeiten auch auf Managementgesellschaften wird dies den Qualitätswettbewerb nachdrücklich fördern helfen.

   Das trifft ebenso zu auf die Option für die Krankenkassen, ihren Versicherten für die Beteiligung an strukturierten Behandlungsprogrammen für chronisch Kranke Boni zu gewähren. Zusammen mit der Anbindung dieser Disease Management Programme an den Risikostrukturausgleich wird das diese strukturierten Behandlungsprogramme deutlich fördern. Hier werden entscheidende Impulse für eine deutliche Qualitäts- und Effizienzsteigerung in der Versorgung der Betroffenen gesetzt.

   Herr Kollege Dr. Gerhardt, Sie sollten sich auch folgende Tatsache einmal vor Augen halten: 10 Prozent der Versicherten - das gilt für die gesamte Gesellschaft - sind chronisch Kranke, die 80 Prozent der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung verursachen. Das ist ein Umstand, den man auch unter finanziellen Aspekten auf Dauer gar nicht hoch genug einschätzen kann. Wir werden ihn in dieser Reform berücksichtigen. Hier Kapitaldeckung als Alternative anzubieten, ist doch geradezu ein Witz.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Denen können wir doch helfen!)

Es ist doch geradezu absurd, so etwas als Lösung anzubieten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, lassen Sie mich als weiteren Punkt den stationären Bereich ansprechen. Hier werden richtige Anreize zur Qualitätssteigerung gesetzt. Ich erinnere an die neuen Möglichkeiten für Krankenhäuser, sich an DMP-Programmen, also strukturierten Behandlungsprogrammen für ambulante Leistungen, zu beteiligen. Dazu ist vor allem die institutionelle Öffnung der Krankenhäuser für hochspezialisierte ambulante Leistungen, für die Behandlung seltener Krankheiten und bei Unterversorgung zu zählen. Das wird die Qualität und die Wirtschaftlichkeit in unserem Gesundheitswesen deutlich steigern.

   Meine Damen und Herren, ich sage auch deutlich: Ein Mehr an Qualitätswettbewerb wäre wünschenswert gewesen, war aber nicht durchzusetzen. Ich nenne als Beispiele die Positivliste oder die weitere Öffnung des Apothekenmarkts. Wenn dann der baden-württembergische Ministerpräsident, also der Ministerpräsident des Bundeslandes, aus dem ich komme, Herr Teufel, behauptet, das Gesetz sei wegen mangelnden Wettbewerbs zum Scheitern verurteilt, muss ich sagen: Das ist geradezu ein Treppenwitz; denn sein Sozialminister war an den Verhandlungen beteiligt.

   An dieser Stelle möchte ich die Kollegen von CDU/CSU bitten, auch ihrem neuen Gesundheitsexperten Friedrich Merz das Gesetz und die Zusammenhänge näher zu erklären. Keineswegs wird - das will ich schon einmal sagen -, wie Herr Merz behauptet hat, der Staat künftig über die Tabaksteuer die GKV subventionieren. Da verwechselt Herr Merz einiges. Im Gegenteil, wir schaffen nach Jahrzehnten endlich den Umstand ab - da haben Sie auch mitgeholfen -, dass die Versicherten den Staatshaushalt subventionieren, nämlich über die Bezahlung von richtigen gesellschafts- und familienpolitischen Maßnahmen. Mithin wird die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen jetzt auf andere Füße gestellt. Das ist dringend notwendig, letzten Endes auch, um die Beitragssätze nicht nur zu stabilisieren, sondern sie auch zu senken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Franz Müntefering (SPD): Das Moped von Herrn Merz hatte keinen Rücktritt, das war das Problem!)

- Und möglicherweise keinen richtigen Auspuff. - Leider mussten wir beim Zahnersatz mit der Ausgliederung der paritätischen Finanzierung und der Möglichkeit zur Absicherung durch die PKV oder in der GKV eine bittere Pille schlucken.

Diesen Weg halte ich für falsch, aber er war Teil des Kompromisses. Ich bin mir sicher, dass ein Weg der Entsolidarisierung von den Menschen in unserem Land insgesamt abgelehnt wird.

   Mit den Strukturmaßnahmen in dem vorliegenden Gesetz - lassen Sie mich dies noch einmal deutlich machen - wird der richtige Weg der Reformen in unserem Gesundheitswesen beschritten, nämlich die Förderung des Qualitätswettbewerbs unter den Leistungserbringern, ein echter Wettbewerb unter den Kassen im Hinblick auf die optimierte Versorgung von Versicherten bzw. Kranken sowie die Stärkung des Gemeinwohls im Gesundheitswesen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Kirschner, Sie haben Ihre Redezeit überschritten.

Klaus Kirschner (SPD):

Lassen Sie mich noch einen halben Satz sagen, Herr Präsident. - Die Ausweitung der gesetzlichen Krankenversicherung auf alle Bürgerinnen und Bürger ist keine Zwangsversicherung, sondern die Zukunft.

   Ich bedanke mich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Tatsächlich?)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Hans Georg Faust, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben aus den Konsensverhandlungen ein Ergebnis mit schmerzhaften Kompromissen erzielt, das der akuten Notsituation im deutschen Gesundheitswesen Rechnung trägt und mehr als nur eine Notoperation ist. Nach den Worten des geschätzten Kollegen Kirschner muss ich doch noch etwas zur Historie sagen.

   Bei der Regierungsübernahme der rot-grünen Koalition 1998 lag der Krankenkassenbeitragssatz bei durchschnittlich 13,6 Prozent. Mit dem GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz wurden die Weichen zurück in die Vergangenheit gestellt: Die Zuzahlungen wurden drastisch vermindert, die Kostenerstattung eingeschränkt, die Regelleistungsvolumina für niedergelassene Ärzte abgeschafft. Zudem war zuvor mit den Zahnlücken junger Menschen im Wahlkampf Stimmung gemacht worden. Jetzt holt uns die Vergangenheit ein; denn in den fünf Jahren seit 1998 ist das Gesundheitssystem an den Rande eines Kollapses geraten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Der hohe Versorgungsgrad und die flächendeckende Versorgung konnten mit Mühe aufrechterhalten werden, aber die Finanzierungskrise wurde immer bedrohlicher. Wenn wir die Schulden der Krankenkassen umrechnen, müsste der Krankenkassenbeitrag heute bei über 15 Prozent liegen. Die Sorge der Patienten bzw. der Versicherten um ihre Behandlung im Krankheitsfall ist nicht aus der Luft gegriffen; denn keiner bestreitet die verdeckte Rationierung durch Budgetierung in den Arztpraxen, die zunehmenden Finanzprobleme in den Krankenhäusern und die Notwendigkeit, den Menschen angesichts einer immer älter werdenden Bevölkerung die brennende Sorge zu nehmen, dass am Ende ihres Lebens Geldmangel Einfluss auf das therapeutische Vorgehen haben könnte.

   In dieser Situation hat die Bundesregierung im März dieses Jahres den ersten Arbeitsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems auf den Weg gebracht, der uns mit dem Kontrollzentrum für Qualität in der Medizin als eine unverdauliche Mischung von Staatsmedizin auf der einen Seite und wildem Wettbewerb auf der anderen Seite erschien. Ich nenne als Beispiel, dass 350 Krankenkassen mit 50 000 Fachärzten Einzelverträge schließen sollten.

   Die bedauerliche Erkenntnis, dass vieles auch ohne den Bundesrat durchgesetzt werden könnte und dass das dann zu erwartende Patchworkgesetz das Gesundheitswesen noch weiter in Bedrängnis bringen würde, dazu weiter rapide steigende Krankenkassenbeiträge und die erkennbare Bereitschaft der Koalitionsfraktionen, altbewährte Seehofer-Instrumente wieder hervorzuholen, mussten die Union bewegen, in Konsensverhandlungen einzutreten.

   Der gefundene Kompromiss darf nicht kleingeredet werden. Im Vordergrund der Diskussion stehen zurzeit zu Recht die Belastungen vorrangig für Versicherte und Patienten durch Zuzahlungen, Aufhebung der paritätischen Finanzierung beim Krankengeld und die alleinige Verantwortung für die Versicherung des Zahnersatzes. Aber alle verantwortungsvollen Gesundheitspolitiker sind sich darin einig, dass diese Belastungen genauso wie die Belastungen der niedergelassenen Ärzte in Zeiten von Nullrunden, Ausgleichszahlungen Ost-West und weiteren Honorarkürzungen für die Anschubfinanzierung ebenso wie die Belastungen für die Krankenhäuser - von den gravierenden Veränderungen im Apotheken- und Pharmabereich ganz zu schweigen - nur dann zu rechtfertigen sind, wenn der Beitragssatz im nächsten Jahr tatsächlich auf 13,6 und in den Folgejahren Richtung 12 Prozent sinkt.

   Dies alles und die Frage, ob es richtig ist, dass Kopfschmerztabletten und Nasentropfen selbst zu bezahlen sind, ist vielfach bewegt und jetzt entschieden worden. In diesem Bereich liegen die Notwendigkeiten, aber nicht die Stärken dieses Gesetzes. Die Stärken dieses Gesetzes - diese Stärken wirken weit über die Zeitgrenze hinaus, die jetzt besorgte Geister für erneute Korrekturen inklusive umwälzender Änderungen von Versicherungsformen prophezeien - liegen da, wo aus dem Mix von Staatsmedizin und Wildwestwettbewerb eine solide Konstruktion geworden ist, die als tragende Teile die Krankenkassen, die Patienten und ihre Organisationen und die Leistungserbringer enthält.

   Ich möchte Ihnen dazu drei Beispiele nennen:

   Erstens. Die Partner der gemeinsamen Selbstverwaltung besetzen einen gemeinsamen Bundesausschuss, dem ein unabhängiges Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen zuarbeitet. Hier gilt bis hin zur Finanzierung das Prinzip: Selbstverwaltung vor staatlicher Abhängigkeit.

   Zweitens. Ablösung der Ärztebudgets durch Regelleistungsvolumina. Endlich erhält der einzelne Arzt feste Preise in Euro und Cent für Diagnose und Therapie. In die Arztpraxen zieht endlich wieder Planungssicherheit ein. Was ebenso wichtig ist: Finanzielle Auswirkungen von Veränderungen oder Häufigkeitsverteilungen gehen nicht mehr zulasten der Ärzte.

   Drittens. Die Patientensouveränität, die Patienteninformation werden entscheidend gestärkt. Die Patienten haben die Möglichkeit, sich am gemeinsamen Bundesausschuss zu beteiligen. Sie haben vermehrte Wahlmöglichkeiten über Kostenerstattung, Bonus, Selbstbehalt und Beitragsrückgewährung.

   Die Vielfalt neuer Alternativen lässt sich in der Kürze der Zeit nicht aufzählen, aber die Begeisterung, mit der die Versicherten schon jetzt innovative Angebote wie beispielsweise die der Techniker-Krankenkasse nachfragen, übersteigt alle Erwartungen.

   Der hektische Einzelwettbewerb im ursprünglichen Gesetzentwurf der Regierung ist im jetzigen Gesetz durch die große Chance eines Wettbewerbs im System ersetzt worden. Das ist deswegen eine große Chance, weil die so genannte integrierte Versorgung, jetzt befreit von ihrem bürokratischen Ballast, nach meiner festen Überzeugung eine wichtige Versorgungssäule in der Zukunft darstellen wird. Vereinfacht gesprochen: Bisher hatte sich der Verlauf einer Erkrankung gefälligst nach dem sektoral gegliederten deutschen Gesundheitssystem zu richten, mit Hausärzten, Fachärzten, Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen, und das alles durch Kommunikations-, Rechts- und Vergütungsbarrieren getrennt. Die Erkrankung hat das aber leider selten getan.

   Nun haben wir bei der integrierten Versorgung ein ganz anderes System mit ganz anderen Anreizen. Hier werden der Krankheitsverlauf und die Krankheitsbehandlung als ein Prozess gesehen, der fließend die bisherigen Sektorengrenzen überwindet und alle Beteiligten, ob Hausärzte, Fachärzte, Krankenhausärzte, Physiotherapeuten, Pflegedienste und Apotheker, zu einem großen Team zusammenbringt. Der jeweils Richtige kümmert sich im richtigen Moment am richtigen Ort um den Patienten und seine Erkrankung. Dann ist auch folgerichtig, dass die Vergütung sektorenübergreifend angelegt sein muss und diese ebenso wie der Qualitätsstandard mit den Krankenkassen ausgehandelt wird. Wir werden ja sehen, wie sich dieses innovative System im Wettbewerb mit dem bisherigen Regelversorgungssystem bewährt.

   Hier geht es nicht um die Zerschlagung der Machtkartelle der Kassenärztlichen Vereinigungen, wie immer wieder gesagt wird, sondern um die Bereitschaft aller, die Chancen zu nutzen, die in den neuen Instrumenten bestehen. Die Instrumente, die angeboten werden, sind vielfältig: sich für ambulante Leistungen öffnende Krankenhäuser, fachübergreifende Versorgungszentren mit niedergelassenen und angestellten Ärzten mit Einbindung von Apothekern und Physiotherapeuten, Netzsysteme mit Ärzten gleicher Fachrichtung oder Netzsysteme mit Hausärzten, Fachärzten, Krankenhäusern und Rehaeinrichtungen. Das sind Möglichkeiten, die schnell genutzt werden können. Gespräche mit Leistungserbringern zeigen, dass diese die Chancen erkennen.

   All dies dient in erster Linie dem Patienten, der in Zukunft unter Nutzung von Leitlinien und strukturierten Behandlungsformen effizienter therapiert werden kann.

Wenn ich nicht Gesundheitspolitiker, sondern Lehrer wäre, dann würde ich meine Zensur für das Ergebnis der Konsensgespräche in zwei Noten aufteilen. Die erste Note gäbe ich für die Kostendämpfungsmaßnahmen und die Elemente wie Ausgliederung, Zuzahlung, Versicherungsanteile, Beitragsrückgewährung und Selbstbehalt, für all das, was aufgrund der katastrophalen Einnahmeschwäche, bedingt durch mangelndes Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit, nicht zu vermeiden war. Hier würde ich eine Note zwischen „befriedigend“ und „ausreichend“ geben, weil die rot-grüne Wirtschafts-, Finanz-, Haushalts- und Steuerpolitik ungenügend ist. Dafür würde ich eine Sechs geben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die zweite Note, die ich angesprochen habe, bezieht sich auf die zukunftsweisenden strukturellen Elemente des sanften Umsteuerns im System. Hier, glaube ich, liegen die entscheidenden Stärken des Gesetzes; dies hat eine Zwei plus verdient.

   Alles in allem, liebe Kolleginnen und Kollegen, hat sich der Konsens im Interesse der kranken Menschen in Deutschland gelohnt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Den Gästen möchte ich sagen: Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Meine Damen und Herren, ich kann Ihnen nur empfehlen, die Konferenzen des Bundesverbands der Deutschen Industrie zu besuchen. Da wird Klartext gesprochen, wie in dieser Woche in Berlin. Das Motto der Veranstaltung „Freiheit wagen - Fesseln sprengen“ hat schon etwas Umstürzlerisches. Ich bin mir nicht sicher, ob sich all das, was dort besprochen wurde, wirklich noch auf dem Boden des Grundgesetzes bewegt.

   Was hier im Bundestag etwas verklausuliert gesagt und beschlossen wird, kann man beim Bundesverband der Deutschen Industrie vorab im Klartext hören. So war unter anderem das Forum „Vitalität durch Forschung, Prävention und neue Regeln der Gesundheitsvorsorge“ sehr aufschlussreich. Dort wurde von einem Vorstand der Bayer Health-Care AG beklagt, dass Deutschland nicht mehr die „Apotheke der Welt“ sei und sich unter den zehn größten Pharmakonzernen der Welt kein deutscher mehr befinde. Ehrlich gesagt, ich möchte nicht in der größten „Apotheke der Welt“ leben. Mir wäre es lieber, in einem Land zu leben, in dem ein solidarisches System der Gesundheitsversorgung dauerhaft gesichert ist, in dem sich die Menschen wohl fühlen und möglichst selten einen Grund haben, in die Apotheke zu gehen.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Viele Menschen fürchten doch, dass sie eines Tages nicht mehr das Geld haben werden, um ihre Medizin oder den Aufenthalt im Krankenhaus bezahlen zu können. In Kanada gibt es Studien, die belegen, dass die Einführung des Eintrittsgeldes beim Arzt dort zu einem gravierenden Rückgang der Zahl der Arztbesuche durch arme Menschen geführt hat. Es ist klar: Arme Menschen gehen dann seltener zum Arzt, weil sie die Gebühr nicht zahlen wollen und können. Sie gehen erst dann zum Arzt, wenn es gar nicht mehr geht. - Wir alle können uns doch ausrechnen, dass eine verspätete Behandlung letztlich teurer ist als eine rechtzeitige. Sie wissen das, meine Damen und Herren. Sie kennen schließlich auch die Studien und informieren sich. Trotzdem wollen Sie mit diesem Gesetz das Eintrittsgeld für den Arztbesuch einführen, um nur ein Beispiel zu nennen.

   Ich möchte noch einmal auf die Forumsdiskussion beim Bundesverband der Deutschen Industrie zurückkommen. Ein Wissenschaftler beruhigte den Herrn von der Bayer AG mit dem Hinweis, dass sie in Zukunft, wie in den USA, ihr Geld nicht mehr mit der einen oder anderen Krankheit verdienen werden, sondern mit neuen Krankheiten, mit den „diseases of the rich“, mit den Krankheiten der Reichen.

   Das hat sich wohl schon unter einigen Ärzten in unserem Land herumgesprochen. Mit Erlaubnis des Präsidenten zitiere ich aus dem „Spiegel“, der Ausgabe Nr. 39 dieses Jahres: Der Leiter der Transplantationschirurgie am Münchner Klinikum Großhadern, Walter Land, ließ seine einheimischen Patienten Patienten sein und fehlte 16 Tage unentschuldigt, um in Abu Dhabi für einen reichen Patienten zum Skalpell zu greifen.

   Damit Sie mich nicht falsch verstehen, meine Damen und Herren insbesondere von der FDP: Ich habe nichts gegen den „weißen Tourismus“. Im Gegenteil, für viele Kliniken ist das eine wichtige zusätzliche Einnahmequelle. Doch es entsteht schon ein fader Nachgeschmack, wenn für Patienten mit viel Geld ein Kopfstand gemacht wird und beim einfachen Kassenpatienten der materielle Anreiz fehlt, mehr als das Nötige zu tun.

   Noch ein Wort zur Pharmabranche. Ich will nicht alle Unternehmen dieser Branche über einen Kamm scheren. Aber es gibt viele kleine und mittelständische Unternehmen, gerade in den neuen Bundesländern, die unter dem heute zu beschließenden Gesetz leiden werden, die nicht die Kraft und das Geld haben, sich mit ihrer Produktion auf die „diseases of the rich“, auf die Krankheiten der Reichen, zu spezialisieren.

Ich komme ein letztes Mal auf den Kongress des Bundesverbands der Deutschen Industrie zurück. Dort wurde über dieses Gesetz, um das innerhalb der beteiligten Fraktionen hart gerungen wurde und das heute beschlossen werden soll, gar nicht mehr gesprochen. Es lag bereits ein neues Konzept für das Gesundheitssystem bereit: Pauschalprämie in der Krankenversicherung. Wir als PDS werden die Regierung unterstützen, wenn sie sich für eine wirkliche Bürgerversicherung einsetzen sollte. Das wurde heute von einigen Fraktionen angekündigt. Ich hoffe, es ist ernst gemeint. Gegen die unsoziale Kopfpauschale werden wir uns wehren.

   Der Trend, der mit dem heute zu beschließenden Gesetzentwurf verfolgt wird, ist klar: Für einige ist die „Apotheke der Welt“ das Leitbild, für andere sind es die „deseases of the rich“, die Krankheiten der Reichen.

   Für uns als PDS ist eine solidarische Gesellschaft das Leitbild. Deshalb werden wir den Gesetzentwurf ablehnen.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Parlamentarischen Staatssekretärin Caspers-Merk das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Unsere sozialen Sicherungssysteme stehen vor großen Herausforderungen. Nur wer bereit ist, diese Herausforderungen anzunehmen, Kollegin Lötzsch, kann den Sozialstaat in seinem Kern bewahren. Nur wer die Solidarität neu definiert, kann das Ja der Menschen zur gesetzlichen Krankenversicherung erhalten. Nur wer bereit ist, die Eigenverantwortung zu stärken, kann die Beiträge bezahlbar halten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Aus diesem Grund machen wir diese Reform. Wir wollen die Akzeptanz der solidarischen Sicherungssysteme erhöhen und die Qualität verbessern. Es geht uns auch darum, etwas mehr Eigenverantwortung zu organisieren. Wir haben Verkrustungen aufgebrochen, was nicht immer einfach ist. Nur wer sich zutraut, die Verkrustungen im System anzugehen, kann Bewegung ins System bringen. Das bestehende System braucht nämlich Bewegung; es braucht keine Besitzstandswahrer, Herr Gerhardt, wie Sie es in Ihrer Rede zum Ausdruck gebracht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Die Kolleginnen und Kollegen der Union wissen das auch. Wir wären unsererseits zu mehr Wettbewerb - gerade auch durch Einzelverträge - und mehr Qualität bereit gewesen. Sie hat aber auf halbem Weg der Mut verlassen. Denn es war klar, dass unser ursprünglicher Gesetzentwurf deutlich stärkere Akzente gesetzt hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Die FDP hingegen hat der Mut nicht auf halbem Wege verlassen, sondern sie hat erst gar keinen Mut aufgebracht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie haben sich in einer beispiellosen Aktion an den Verhandlungstisch gedrängt und 14 Tage mitverhandelt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Und Nächte!)

Außer zur Kostenerstattung und Eigenverantwortung war von Ihnen nicht viel zu hören. Sie haben sogar noch die Eckpunkte mitgetragen. Ihre Fraktionsmitarbeiterin hat auch den Gesetzentwurf mitformuliert. Dann kam eine Order von oben: Da Sie sich als Besitzstandswahrer für die freien Berufe verstehen und die Reformvorhaben auch für die Leistungserbringer im Gesundheitssystem Belastungen mit sich bringen würden, sollten Sie sich lieber aus dem Staub machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja unglaublich!)

Das ist die FDP-Politik: eine Klientel- und Lobbypolitik. Diese Politik bringt nicht den Mut auf, die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN), zur FDP gewandt: Sagen Sie mal etwas dazu!)

   Wir haben mehr gewollt. Ich bin den Kolleginnen und Kollegen, die noch einmal die von uns gesetzten Akzente aufgezeigt haben, dankbar. Wir haben viel erreicht. Ich finde, zur Wahrheit gehört es auch, die wichtigen Fortschritte zu nennen, die erreicht worden sind. Es ist zwar nicht alles erreicht worden, was wir uns vorgenommen haben, aber in einem verkrusteten System wurde eine Tür geöffnet. Diesen Spalt gilt es nun zu erweitern. Ein chinesisches Sprichwort lautet: Auch die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt. Diesen strategisch wichtigen ersten Schritt gehen wir mit diesem Gesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Ernst Burgbacher (FDP): In welche Richtung?)

   Wir haben in diesem Gesetzentwurf bessere Versorgungsformen vorgesehen. Ich will Ihnen in diesem Zusammenhang fünf Beispiele nennen.

   Erstens. Wir fördern die integrierte Versorgung. Die starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung werden erstmals aufgebrochen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Erika Lotz von der SPD-Fraktion?

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Ja.

Erika Lotz (SPD):

Frau Staatssekretärin, wie bekannt ist, hätten wir von der SPD uns gewünscht, dass die Einsparungen stärker zulasten der Pharmaindustrie gehen. Sie wissen, dass die Positivliste eines der Herzstücke unserer Forderungen war. In der Öffentlichkeit ist der Eindruck entstanden, die Pharmaindustrie werde überhaupt nicht belastet. Können Sie mir die Frage beantworten, inwieweit die Pharmaindustrie doch einen Beitrag zu den Einsparungen leistet?

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Frau Kollegin Lotz, der in der Öffentlichkeit entstandene Eindruck ist falsch. Wir belasten auch die Leistungserbringer. Mit dem Beitragssatzsicherungsgesetz haben wir das für dieses Jahr bereits getan. Wir haben darüber hinaus zusätzliche Belastungen vereinbart, weil wir glauben, dass sie notwendig sind. Die gesetzlichen Krankenversicherungen haben ein Einnahmeproblem. Es gibt aber auch ein Ausgabenproblem, insbesondere bei den Arzneimitteln. Deswegen haben wir Einsparungen vereinbart. Ich nenne drei:

   Erstens. Es wird auch für patentgeschützte Arzneimittel Festbeträge geben. Das heißt, es wird nicht mehr jeder Preis bezahlt. Zusätzliche Innovationen erfordern zwar zusätzliches Geld; aber Scheininnovationen müssen nicht auch noch teuer bezahlt werden.

   Zweitens. Es gibt bis zur Geltung der Festbeträge einen deutlichen Abschlag von 16 Prozent des Preises. Wir haben zusätzlich die Distribution auf dem Arzneimittelmarkt liberalisiert. Wir werden eine vierte Hürde schaffen, nämlich eine Bewertung des Nutzens von Arzneimitteln.

   Drittens. Wir heben die Preisbindung von OTC-Produkten auf. Auch dies wird zu deutlichen Einsparungen für die Patientinnen und Patienten führen; denn diese Produkte werden billiger als bisher sein.

   Diese drei Maßnahmen erhöhen die Belastungen der Pharmaindustrie. Diese Belastungen liegen nach unserer Schätzung in einer Größenordnung von 1 Milliarde Euro bis 1,5 Milliarden Euro.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte fünf Beispiele dafür nennen, dass wir die Strukturen aufgebrochen haben:

   Erstens. Wir fördern die integrierte Versorgung. Starre Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung werden aufgebrochen. Was bedeutet der Fachbegriff „integrierte Versorgung“ überhaupt? Wir wollen, dass die Versorgung aus einer Hand in Zukunft Standard ist. Wir wollen, dass im Interesse der Patientinnen und Patienten mehr zusammengearbeitet wird. Zum Beispiel sorgen wir dafür, dass die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung von krebskranken Menschen geöffnet werden. Bislang ist es so, dass nur der Privatpatient weiter ambulant behandelt werden kann; der gesetzlich Versicherte muss nach einer Therapie im Krankenhaus zum ambulant tätigen Facharzt überwiesen werden. Das ist doch eine Verbesserung für die Patienten, und zwar aufgrund dieses Gesetzes.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zweitens. Wir ermöglichen medizinische Versorgungszentren bundesweit. Die Menschen finden Ärzte dort in einem Haus, also unter einem Dach. Ärzte beraten dort gemeinsam komplexe Krankheitsbilder. Der Patient hat kurze Wege und gute Qualität. Dies ist ein Transfer ostdeutscher Traditionen in die ganze Bundesrepublik. Es ist doch eine gute Sache, dass der Transfer einmal in diese Richtung verläuft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Drittens. Die Krankenkassen werden verpflichtet, Hausarztmodelle anzubieten. Auf diesem Gebiet kommt es zu einer deutlichen Veränderung. Damit wird den Patientinnen und Patienten eine Vertrauensperson an die Seite gestellt, nämlich ein Hausarzt, der die Familie und die Arbeitssituation kennt. Er ist ein Lotse durch das System. Das führt auch dazu, dass das Ärztehopping etwas zurückgedrängt wird - zum Wohle einer vernünftigen und guten Versorgung kranker Menschen. Die Honorarstrukturen werden sich künftig verbessern. Derzeit ist es so, dass die floatenden Punktwerte allen Beteiligten Probleme bereiten. Wir haben die Honorierung eindeutig reformiert.

   Was die Hausarztmodelle angeht, verspreche ich mir mehr Bewegung im System. Schon jetzt reagieren Krankenkassen - ich denke an die AOK Baden-Württemberg -, indem sie zum Beispiel gute Hausarzttarife entwickeln. Wenn diese positiven Entwicklungen nicht nur jetzt, sondern auch in der Zukunft stattfinden sollen, müssen wir dieses Gesetz verabschieden. Das ist wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Viertens. Diese Gesundheitsreform steht zugleich für ein Mehr an Mitsprache der Versicherten. Da dieser Aspekt in der heutigen Debatte deutlich zu kurz kam, weise ich darauf hin, dass zum ersten Mal Patientenrechte Punkt für Punkt gesetzlich verankert werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Patientinnen und Patienten werden so zur dritten Kraft. Sie bekommen eine dritte Bank im System. Es wird nicht mehr über sie, sondern es muss mit ihnen geredet werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es wird - dieser Wunsch ist oft geäußert worden - auch einen Patientenbeauftragten auf Bundesebene geben; denn die Belange der Patientinnen und Patienten sind bislang im Kartell der Leistungserbringer zu kurz gekommen. Wenn man diesen Missstand beseitigen will, dann kann man nicht gegen den vorliegenden Gesetzentwurf stimmen; denn nur mit ihm ist das möglich.

   Fünftens. Wir wollen mit der Patientenquittung, die sofort eingeführt werden soll, und mit der Gesundheitskarte ab 2006 die Leistungen für die Patienten nachvollziehbarer machen. Es ist doch nicht in Ordnung, dass die Patienten bislang gar nicht wissen, was abgerechnet wird, dass es Doppeluntersuchungen gibt und dass mehrere Medikamente verabreicht werden, die dann zu problematischen Wechselwirkungen führen. Wenn wir hier mehr Sicherheit für die Patienten insbesondere mit dem elektronischen Notfalldatensatz schaffen, dann ist dies ein Fortschritt für die Versicherten. Auch deshalb brauchen wir das Gesetz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte darauf hinweisen, dass die Patientenmitspracherechte für uns ein wesentlicher Grund sind, warum wir den vorliegenden Gesetzentwurf mitgestaltet haben und mittragen. Auf der einen Seite - das ist der positive Aspekt - haben wir natürlich unsere Mitverantwortung wahrgenommen. Auf der anderen Seite fordern wir auch mehr Eigenbeteiligung. Das ist der Wermutstropfen. Aber es ist richtig, dass wir von den Menschen mehr Zuzahlungen fordern. Wir haben sie sozial gerecht gestaltet. Wir haben Klauseln gegen Überforderung und eine Familienkomponente eingeführt. So müssen chronisch Kranke nur maximal 1 Prozent ihres Jahreseinkommens für Zuzahlungen aufwenden, während die anderen Versicherten 2 Prozent zahlen müssen. Das Ganze ist sozial ausgewogen. Ohne uns - darüber ist schon geredet worden - wäre es zu einer Zuzahlungsorgie gekommen, die einen Umfang von 6 Milliarden bis 7 Milliarden Euro gehabt hätte. Auch hier haben wir für mehr soziale Verantwortung gesorgt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir fordern auch, dass sich die Leistungserbringer bewegen. Zum Beispiel haben wir den Versandhandel - die Kollegin Bender hat schon darauf hingewiesen - zugelassen. Es ist interessant, festzustellen, dass die Apotheker, die noch während des Wahlkampfes 7 Millionen Unterschriften gegen dieses Vorhaben gesammelt haben, jetzt, da die entsprechende Regelung noch gar keine Gesetzeskraft hat, ein eigenes Internetportal einführen, über das man Arzneimittel bestellen kann, die dann sogar bis an das Krankenbett geliefert werden. Diese Praxis tolerieren wir gerne; denn wir wollen für die Patientinnen und Patienten eine bessere Versorgung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Das zeigt, dass wir für Bewegung im System sorgen können. Wir müssen uns nur trauen. Ähnliches erleben wir auch bei den Krankenkassen. Sie jammern, dass sich die Menschen jetzt noch schnell neue Brillen und neuen Zahnersatz machen lassen. Ich kann dazu nur sagen: Liebe Vertreter der Krankenkassen, in Zukunft wird Klartext über die Höhe der Verwaltungskosten geredet. Es wird für jeden nachvollziehbar sein, wie hoch die Bezüge derjenigen sind, die bei den Krankenkassen Verantwortung tragen. Tut bitte etwas für euer Geld! Das, was medizinisch notwendig ist, muss weiterhin bezahlt werden. Aber man kann schon jetzt bei den Kosten darauf achten, was notwendig ist und was nicht. Gestalten statt jammern! Wir erwarten von den Krankenkassen deutlich mehr Bewegung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Caspers-Merk, Sie müssen zum Ende kommen. Die Redezeit ist überschritten.

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Herr Präsident, gestatten Sie mir ein abschließendes Zitat. - Es gibt viele Kritiker des ausgehandelten Kompromisses. Wenn aber der streitbare ehemalige Präsident der Berliner Ärztekammer Ellis Huber von einer „stillen Revolution“ spricht, die das Gesetz auslösen werde, dann wissen wir, dass mehr Strukturveränderungen möglich sind, als viele hier glauben. Ich bin zuversichtlich, dass das Gesetz Reformen auslösen wird und dass wir mit dem Gesetz die solidarische Krankenversicherung erhalten können.

   Vielen Dank.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Maria Michalk, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Maria Michalk (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In wenigen Minuten werden wir über den Entwurf des GKV-Modernisierungsgesetzes abstimmen. Ich merke schon, Sie sind unruhig; Sie wollen es gleich tun. Ich will jedoch noch ein paar Argumente rüberbringen.

   Es war eine schwere Geburt mit zum Teil starken Wehen. Ob das Kind ein starkes wird oder schwächeln wird, wird von allen Beteiligten abhängen.

   So oft ich mit den Menschen in meinem Wahlkreis in der Lausitz gesprochen habe: Die Arbeitslosigkeit ist das größte Thema. Es ist Allgemeingut geworden, dass man die Lohnnebenkosten senken muss, um Arbeitsplätze zu schaffen und zu sichern. Deshalb müssen wir Reformen anpacken und sie müssen in die richtige Richtung gehen.

   Derzeit befürchten viele die Unbezahlbarkeit der medizinischen Versorgung. Unsere Reformschritte sind vornehmlich darauf ausgerichtet, auch in Zukunft für alle die notwendige medizinische Versorgung zu sichern. Deshalb ist eine der wichtigsten Aufgaben der nächsten Wochen, alle Menschen über die konkreten Inhalte dieser Reform zu informieren, aber bitte schön nicht in fachmedizinischer Sprache, sondern so, dass es alle verstehen.

   Klar war, dass sowohl Versicherte und Patienten als auch Leistungserbringer in die Einsparbemühungen einzubeziehen sind. Deutlich ist festzustellen, dass es ohne grundsätzliche Eigenbeteiligung nicht mehr geht. Eine gute Botschaft für Patienten, vor allem in einkommensschwachen Regionen, ist - das wurde heute schon erwähnt - die einkommensabhängige Zuzahlung mit der Familienkomponente. Es muss aber ehrlich gesagt werden, dass in Zukunft Fahrtkosten, Brillen, Zahnersatz und Weiteres bei der Belastungsgrenze von 2 bzw. 1 Prozent des Einkommens nicht berücksichtigt werden. Es ist notwendig, dass wir alle persönlich mehr für unsere Gesundheit tun.

   Lassen Sie mich an einem Beispiel die besondere Belastung der Ärzte in den neuen Bundesländern ansprechen. Die Fallzahl je Vertragsarzt in den neuen Ländern liegt bei rund 5 400, in den alten Ländern bei rund 4 200. Das bedeutet eine Mehrarbeit von 28 bis 30 Prozent. Eine Ursache für die Mehrarbeit ist die höhere Morbidität. Hinzu kommt vor allem in strukturell schwachen Regionen der neuen Länder ein erheblicher Ärztemangel. Ich beklage, dass man diesen Fakt hier in Berlin bisher nicht so recht bzw. nicht ausreichend wahrhaben will.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Klaus Haupt (FDP))

   So sind in Sachsen zum Beispiel 30 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre. Auch bei Fachärzten sieht es nicht anders aus. Sie gehen früher in den Ruhestand. Der Schnitt liegt nicht, wie bundesweit, bei 67 Jahren, sondern bei 62 Jahren. Als Gründe dafür höre ich immer wieder drei Dinge, erstens die erheblichen Belastungen der Ärzte beim Notdienst in ländlichen Räumen, wenn sie zum Beispiel bei zwei Notfällen in einer Nacht auch noch 300 Kilometer fahren müssen, zweitens den hohen Verwaltungsaufwand, der auf niedergelassenen Ärzten lastet, und drittens den abgesenkten Verdienst. Was das Letztere angeht, gibt es im GMG einen ersten Schritt - dafür sind wir dankbar -, allerdings ohne Einbeziehung der Mehrarbeit. Aber die Anpassung der Gesamtvergütung um 3,8 Prozent bis 2006 ist ein richtiger Schritt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Botschaft, dass der Verwaltungsaufwand gravierend reduziert wird, können wir heute wohl noch nicht ganz glaubwürdig rüberbringen. Daran müssen wir arbeiten. Das bleibt eine große Aufgabe.

Genauso groß muss aber auch unsere Anstrengung sein, junge Mediziner für die praktische Freiberuflichkeit zu gewinnen, insbesondere in strukturell benachteiligten Regionen, damit der Versorgungsauftrag auch in Zukunft erfüllt werden kann. Zu glauben, dass der Mangel speziell in strukturschwachen Regionen durch integrierte Versorgung behoben werden kann, ist ein Irrtum. Auch in unseren Krankenhäusern fehlen bereits Ärzte. Mit einer vernetzten Struktur zwischen den verschiedenen Fachrichtungen und der Kompetenz aus einer Hand haben wir in Ostdeutschland bereits Erfahrungen. Die bestehenden Ärztehäuser sind ja vielfach nichts anderes. Es bleibt hier bei einem Zusammenschluss von Freiberuflern, neben denen auch angestellte Ärzte tätig sein können. Ich bin froh, dass es keine Neuauflage von Polikliniken gibt. Mir sind nicht nur positive Erfahrungen mit sehr engagierten Ärzten und Schwestern, sondern auch lange Wartezeiten, Menschenschlangen vor den Türen und eine Auswahlmedizin in Erinnerung geblieben. Wer erinnert sich beispielsweise noch daran, dass Dialysepatienten nur bis zum 30. Lebensjahr angenommen werden durften?

   Noch ein Wort zu den Apotheken. Auch sie tragen durch die Änderung der Arzneimittelpreisverordnung und die Herausnahme der nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel aus dem Leistungskatalog der GKV - außer für Kinder - einen Teil der Kosten der Reform. Im Osten ist der Versorgungsbereich der Apotheken zwar größer, sie erzielen aber mit nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten wesentlich geringere Umsätze, weil die Leute schlichtweg wenig Geld in der Tasche haben.

   Ein Wort auch zu den landwirtschaftlichen Krankenkassen. Ich empfehle Frau Künast, einen Teil ihres Werbeetats zur Verfügung zu stellen, damit die diesen Krankenkassen drohende Beitragssteigerung nicht Wirklichkeit wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Wir dürfen nicht das Ziel aus den Augen verlieren: Das Gesundheitswesen soll und wird sich weiterentwickeln. Es soll nicht nur kranke Menschen gesund machen, sondern weiterhin vielen Menschen neben Brot und Arbeit auch Lebenserfüllung geben. Wir wissen, dass das Gesundheitswesen ein starker Wirtschaftsfaktor ist und bleibt. Ganze Regionen bauen darauf. Deshalb ist der gefundene Kompromiss ein richtiger Schritt.

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir Menschen sind in diese Welt nicht für ein bequemes Leben geboren, sondern für Anstrengung. Strengen wir uns jetzt an und stimmen wir diesem Kompromissgesetz, diesem Schritt in die richtige Richtung zu.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zu den Abstimmungen. Ich weise darauf hin, dass zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung auf Drucksache 15/1584, die Gegenstand der nun folgenden Abstimmungen sein wird, inzwischen der Bericht des Ausschusses auf Drucksache 15/1600 vorliegt.

   Tagesordnungspunkt 17 a: Abstimmung über den von den Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, Drucksache 15/1525. Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung empfiehlt unter Ziffer I seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1584, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD-Fraktion, der CDU/CSU-Fraktion, der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP-Fraktion und einzelne Stimmen aus der SPD-Fraktion und der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen angenommen.

(Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos): Auch wir haben mit Nein gestimmt!)
Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Die Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen verlangen namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. - Ist alles zur Abstimmung bereit? Sind die Schriftführer da? - Das ist der Fall. Ich eröffne die Abstimmung.

   Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat?

   Ich frage noch einmal, ob alle Kolleginnen und Kollegen abgestimmt haben. - Das ist offensichtlich der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der namentlichen Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben. Ich teile zugleich mit, dass zu dieser Abstimmung zahlreiche schriftliche Erklärungen gemäß § 31 der Geschäftsordnung abgegeben worden sind.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, Platz zu nehmen, damit wir die Abstimmungen fortsetzen können.

   Abstimmung über den von den Fraktionen der CDU/CSU und der FDP eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Sicherung der Beitragssätze in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der gesetzlichen Rentenversicherung, Drucksache 15/542. Der Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung empfiehlt unter Ziffer II seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1584, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.

   Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zu dem von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung, Drucksache 15/800. Der Ausschuss empfiehlt unter Ziffer III seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zu dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Verordnungsfähigkeit von Arzneimitteln in der vertragsärztlichen Versorgung, Drucksache 15/1071. Der Ausschuss empfiehlt unter Ziffer III seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung zu dem von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Gesundheitssystems, Drucksache 15/1170. Der Ausschuss empfiehlt unter Ziffer III seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1584, den Gesetzentwurf für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Wir setzen die Abstimmungen über die Beschlussempfehlungen des Ausschusses für Gesundheit und Soziale Sicherung auf Drucksache 15/1584 fort.

   Der Ausschuss empfiehlt unter Ziffer III seiner Beschlussempfehlung, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/652 (neu) zur Aufhebung der gesundheitspolitischen Maßnahmen im Beitragssatzsicherungsgesetz für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Unter Ziffer III seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss weiter, den Antrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/1174 mit dem Titel „Für ein freiheitliches, humanes Gesundheitswesen - Gesundheitspolitik neu denken und gestalten“ für erledigt zu erklären. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Stimmenthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Unter Ziffer II seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1584 empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/1175 mit dem Titel „Mut zur Verantwortung - Für ein freiheitliches Gesundheitswesen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist gegen die Stimmen der FDP angenommen.

   Ebenfalls unter Ziffer II empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/1526 mit dem Titel „Zukunft gestalten statt Krankheit verwalten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen des Hauses gegen die Stimmen der Fraktion der FDP angenommen.

   Unter Ziffer IV seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/1584 empfiehlt der Ausschuss die Annahme einer Entschließung. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit wie soeben angenommen.

   Bis zur Verkündigung des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung für einige Minuten.

(Unterbrechung von 10.49 bis 10.50 Uhr)

Präsident Wolfgang Thierse:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich eröffne die unterbrochene Sitzung wieder und teile das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung, GKV-Modernisierungsgesetz, der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU und des Bündnisses 90/Die Grünen mit. Abgegebene Stimmen 574. Mit Ja haben gestimmt 517, mit Nein haben gestimmt 54, Enthaltungen 3. Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 64. Sitzung - wird am,
Montag, den 29. September 2003,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15064
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion