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15. Wahlperiode
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   83. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 12. Dezember 2003

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Die Sitzung ist eröffnet.

   Vor Eintritt in die Tagesordnung möchte ich Ihnen folgende Mitteilungen bekannt geben: Die Fraktion der FDP hat mitgeteilt, dass der Kollege Jörg van Essen als ordentliches Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Als Nachfolger wird der Kollege Dr. Guido Westerwelle vorgeschlagen. Die Fraktion der SPD hat mitgeteilt, dass die Kollegin Dr. Angelica Schwall-Düren als stellvertretendes Mitglied aus dem Vermittlungsausschuss ausscheidet. Nachfolger soll der Kollege Franz Müntefering werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann sind der Kollege Dr. Guido Westerwelle als ordentliches Mitglied und der Kollege Franz Müntefering als stellvertretendes Mitglied im Vermittlungsausschuss bestimmt.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 14 a und 14 b auf:

a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung der nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der gesetzlichen Rentenversicherung (RV-Nachhaltigkeitsgesetz)

- Drucksache 15/2149 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG)

- Drucksache 15/2150 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat die Bundesministerin Ulla Schmidt.

(Beifall bei der SPD)

Ulla Schmidt, Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Bewahren durch Ergänzen“, so lautete unser Motto bei der Erarbeitung des RV-Nachhaltigkeitsgesetzes, das wir heute hier in erster Lesung beraten. Um die gesetzliche Rentenversicherung als verlässliche Säule der Alterssicherung für die Menschen bewahren zu können, muss sie um zwei wichtige Faktoren ergänzt werden: um den Nachhaltigkeitsfaktor und um eine verbesserte kapitalgestützte Säule. Nur so kann der Grundsatz „Jung für Alt“, der in Deutschland schon seit über 100 Jahren verfolgt wird, auch in Zukunft gelten.

   Die demographische Entwicklung zwingt uns zu handeln. Wir alle wissen, dass die gesetzliche Rentenversicherung alleine den heute 20-, 30- oder 35-Jährigen zukünftig kein ausreichendes Maß an finanzieller Sicherheit bieten wird. Die Menschen werden in 30 Jahren im Schnitt drei oder mehr Jahre älter werden. Das ist erfreulich, bedeutet aber, dass die Rentenversicherung, wenn wir nicht handeln, für diesen längeren Zeitraum Rente zahlen muss. Hinzu kommt, dass es zu wenige junge Beitragszahlerinnen und Beitragszahler geben wird, weil die Menschen in unserer Gesellschaft zu wenige Kinder bekommen. Aus diesen Gründen ist eine Ergänzung notwendig.

   Folgt der Gesetzgeber unseren Vorschlägen, die wir heute einbringen, dann werden wir mit dieser Reform eine moderne, tragfähige und verlässliche Alterssicherung aufbauen können.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dazu gehört als ein ganz wesentlicher Punkt, dass wir in diesem Jahrzehnt erreichen müssen, dass auch ältere Menschen wieder eine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben. Wir können es uns nicht erlauben, dass 50- oder 55-Jährige heute von der Erwerbstätigkeit ausgeschlossen werden, weil man der Meinung ist, sie seien zu alt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und des Abg. Horst Seehofer (CDU/CSU)

Hierzu wollen wir eine Initiative starten. Ich muss an dieser Stelle aber deutlich sagen:

Die Politik kann nur die Rahmenbedingungen setzen; denn hier sind die Tarifvertragsparteien gefragt. Es muss ein gemeinsames Anliegen dieses Hauses sein, dieses Jahrzehnt dazu zu nutzen, initiativ zu werden und über Qualifizierungs- und Fortbildungsangebote sowie über neue Möglichkeiten im Beschäftigungsrecht dafür zu sorgen, dass jeder, der es möchte, bis zum 65. Lebensjahr erwerbstätig sein kann. Wir müssen das reale Renteneintrittsalter dem gesetzlichen annähern. Dazu machen wir mit diesem Gesetzentwurf Vorschläge. Unter Beachtung des notwendigen Vertrauensschutzes ist das eine richtige Maßnahme; denn wir brauchen Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, wenn wir die Ansprüche auch der älteren Generation erfüllen und verlässliche Einkünfte sicherstellen wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir müssen auch die Beschäftigungschancen von Frauen erhöhen. Wir müssen dafür sorgen, dass die jungen Menschen die Möglichkeit haben, sich für Beruf und Familie zu entscheiden. Mangelnde Kinderbetreuung darf kein Hindernis für eine solche Entscheidung sein. Deswegen nutzt der Bund dieses Jahrzehnt dazu, aktiv zu werden. Insgesamt werden wir bis 2007 rund 8,5 Milliarden Euro investieren, um die Betreuung der Kinder unter drei Jahren und die Ganztagsschulen zu fördern. Das ist der richtige Weg, um die Bildungschancen für die Kinder zu erhöhen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Seit PISA wissen wir, dass wir viel mehr Angebote machen müssen. Es ist aber auch deshalb der richtige Weg, weil wir damit Chancen für Frauen schaffen, eine eigenständige Alterssicherung aufzubauen. Frauen wollen selbst in die Rentenversicherung einzahlen und die Chance haben, über die betriebliche und die private Säule für ein eigenes auskömmliches Einkommen im Alter zu sorgen.

   Im Jahre 2008 - so ist es in diesem Gesetzentwurf festgelegt - werden wir als Bundesregierung dem Parlament einen Bericht vorlegen

(Detlef Parr (FDP): Ja? - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dann sind wir doch an der Macht!)

- wir! -, in dem wir darauf eingehen werden, wie sich die Arbeitsmarktlage insbesondere für die älteren Menschen und die Frauen entwickelt hat. Damit wollen wir eine Grundlage dafür schaffen, 2010 zu entscheiden, ob langfristig, also bis 2035, ein höheres Renteneintrittsalter nötig ist oder nicht. Wir werden in diesem Bericht auch darauf eingehen, wie sich die entsprechenden Bedingungen verändert haben.

   Wir sind der Meinung, dass es in einer Zeit, in der über 50-Jährige keine Chance auf dem Arbeitsmarkt haben, nicht richtig ist, über ein höheres Renteneintrittsalter zu reden. Erst wenn wir die entsprechenden Bedingungen verbessert haben, können wir auch über diese Maßnahme entscheiden. Das verstehen die Menschen - vor allem die jüngere Generation. Da wir künftig die Rente dann durchschnittlich drei Jahre länger zu zahlen haben und wir weiterhin ein hohes Rentenniveau erreichen wollen, werden wir auch diese Frage beantworten müssen. So viele Stellschrauben gibt es in der Rentenversicherung nämlich nicht.

   Meine Damen und Herren, die Alterssicherung der Zukunft wird sich nicht mehr allein auf die umlagefinanzierte Rente als lebensstandardsichernde Säule stützen können. Sie wird durch die betriebliche Rente - hier haben wir mit der betrieblichen Riester-Rente neue Möglichkeiten geschaffen - und durch die private Säule -hier sei zum Beispiel die private Riester-Rente genannt - ergänzt werden müssen. Deshalb werden wir die Rahmenbedingungen für die kapitalgestützte Säule verbessern.

   Bei der Rentenversicherung im umlagefinanzierten System werden wir den Nachhaltigkeitsfaktor einführen. Denn eines ist klar: Wir wissen, dass die heute 30- bis 35-Jährigen allein mit der umlagefinanzierten Rente ihren ursprünglichen Lebensstandard im Alter nicht mehr absichern können, während dies großen Teilen der älteren Generation heute möglich ist. Deshalb müssen wir dafür sorgen, dass die junge Generation Spielräume erhält, um die zweite und vielleicht auch die dritte Säule aufbauen zu können. Es gehört zur Regelung einer verlässlichen Alterssicherung, dass wir uns auch Gedanken darüber machen, wie die Beiträge in Zukunft bezahlbar bleiben. Durch den Nachhaltigkeitsfaktor, den wir einführen wollen, berücksichtigen wir bei der Rentenanpassung, wie sich das Verhältnis von Beitragszahlern und Beitragszahlerinnen zu Rentenempfängern und Rentenempfängerinnen verändert.

(Birgit Homburger (FDP): Sie wollen besser sein als wir vor fünf Jahren!)

Dadurch wird in einer wirtschaftlich schwierigen Lage die Rente langsam ansteigen. Weil sie langsam ansteigt, können wir die Beiträge stabil halten und schaffen somit die Voraussetzungen dafür, die Arbeitslosigkeit zu überwinden und Beschäftigung zu schaffen. Wenn mehr Beschäftigung geschaffen wird, werden die Rentnerinnen und Rentner auch stärker am wirtschaftlichen Wohlstand teilhaben können. Das heißt, je besser uns die Beschäftigungsförderung und die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gelingt, desto besser wird sich der Wohlstand der älteren Generation entwickeln.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ein weiterer wichtiger Punkt, über den wir heute entscheiden werden, ist der Ausbau der zweiten und dritten Säule. Wir haben mit der betrieblichen Säule dafür gesorgt, dass die betriebliche Altersvorsorge eine Renaissance erlebt.

(Erika Lotz (SPD): So ist es!)

Im Moment bauen rund 57 Prozent aller sozialversicherungspflichtig beschäftigten Frauen und Männer eine betriebliche Altersvorsorge auf. Flächendeckung in der kapitalgestützten Säule ist am besten über die betriebliche Altersvorsorge zu erreichen, weil den Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen über Tarifverträge hier sehr gute Möglichkeiten geboten werden. Deshalb werden wir die Bedingungen für den Ausbau der kapitalgestützten Säule in der betrieblichen Altersvorsorge dadurch verbessern, dass die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beim Arbeitsplatzwechsel bessere Möglichkeiten haben, ihre Ansprüche mitzunehmen.

   Mit der Vereinfachung des Verfahrens und der Reduzierung der Kriterien für die Riester-Rente wollen wir auch die private Säule stärken. Mit der nachgelagerten Besteuerung werden wir dafür sorgen, dass die Rentenbeiträge in der aktiven Phase, während der Erwerbstätigkeit, von Steuern freigestellt sind. Wir täten gut daran, gemeinsam dafür zu sorgen und zu werben, dass die Menschen die neuen finanziellen Spielräume für den Aufbau der kapitalgestützten privaten Altersvorsorge verwenden.

   Meine Damen und Herren, ich hoffe, dass wir im Interesse der Menschen in diesem Land - wir wollen Sicherheit für die junge Generation, aber auch Sicherheit für die ältere Generation schaffen - im Verfahren und in den Beratungen dieses Gesetzentwurfes zu gemeinsamen Lösungen kommen werden. Wir müssen zeigen, dass wir als Parlament in der Lage sind, gemeinsam für eine verlässliche Alterssicherung zu sorgen.

   Insofern möchte ich noch einmal an die Seite der Opposition appellieren. Mit Blick auf den Beitragssatz im kommenden Jahr, halte ich es nicht für ein großes Zeichen von Verantwortung, wenn wir im Vermittlungsausschuss bzw. im Bundesrat nicht zu einer Zustimmung darüber kommen können, dass man die Auszahlung der Rente für Neurentner an das Ende eines Monats legt. Im gemeinsamen Interesse der Stabilisierung der Rentenversicherungsbeiträge bitte ich Sie, dieser Maßnahme zuzustimmen. Den Menschen, die zum Ende des Monats ihr Gehalt bekommen, tut es nicht weh, wenn sie auch die Rente erst zum Ende des Monats bekommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich bitte Sie, diese Maßnahme mitzutragen. Das ist ein Weg, der besser ist, als die Beitragssätze um 0,1 Prozent anzuheben. Insofern stehen wir alle in der gemeinsamen Verantwortung.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Andreas Storm, CDU/CSU-Fraktion.

Andreas Storm (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Warum führen wir heute diese Rentendebatte? Sie müsste eigentlich überflüssig sein; denn vor zwei Jahren ist doch die so genannte Jahrhundertreform von Walter Riester in Kraft getreten, mit der angeblich alle Probleme bei der Rente bis zum Jahre 2030 gelöst sein sollten. Auch Sie, Frau Ministerin Schmidt, waren damals an dieser Reform maßgeblich beteiligt. Als Walter Riester im Dezember 2000 im Ausland weilte, haben Sie persönlich die jetzige Rentenformel für die SPD-Fraktion ausgehandelt.

Heute erleben wir nun das endgültige Eingeständnis, dass die Riester-Reform gescheitert ist, und zwar gründlich.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie haben seit 1998 noch jedes Jahr in die Rentenfinanzen eingegriffen. Die Bilanz: Die Renten werden gekürzt, die Rücklagen sind ausgeplündert und die Riester-Rente hat sich als kraftloser Rohrkrepierer entpuppt. Das ist die traurige Bilanz von fünf Jahren rot-grüner Rentenpolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Mit dieser rentenpolitischen Flickschusterei muss Schluss sein. Wir brauchen eine langfristig tragfähige Rentenreform, die solide und verlässlich ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Alterssicherung ist Vertrauenssache. Die Menschen müssen sich auf die Rentenpolitik wieder verlassen können. Deswegen sind für die Union fünf grundlegende Anforderungen an eine Rentenreform zu stellen:

   Erstens. Die Reform muss einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen schaffen.

(Peter Dreßen (SPD): Hat sie!)

Wir wissen, dass sich in den nächsten drei Jahrzehnten das Verhältnis von Rentnern zu Beitragszahlern in etwa verdoppeln wird. Die finanziellen Lasten dieser Entwicklung müssen fair auf Jung und Alt aufgeteilt werden. Auf keinen Fall dürfen wir einseitig nur die Beitragszahler belasten; denn dann würde sich die verhängnisvolle Spirale aus steigenden Sozialabgaben und wegbrechenden Arbeitsplätzen immer weiter in Schwindel erregende Höhen schrauben. Wir dürfen aber ebenso wenig die Lasten einseitig den Rentnern aufbürden, indem wir den Beitragssatz auf dem heutigen Niveau einfrieren; denn dann wären Nullrunden und sogar Rentenkürzungen die Regel und das Rentenniveau befände sich im freien Fall. Deshalb darf in Zukunft keine Generation die Lasten alleine tragen. Wir brauchen eine neue Rentenformel, mit der die Finanzierungslasten der Alterssicherung fair auf Rentner und Beitragszahler aufgeteilt werden.

(Zuruf von der SPD: Machen Sie einmal einen Vorschlag!)

Frau Ministerin, eine solche Rentenformel hätten wir bereits seit fünf Jahren haben können, wenn Sie nach dem Regierungswechsel 1998 nicht als Erstes den demographischen Faktor außer Kraft gesetzt hätten. Wir haben fünf wertvolle Jahre verloren.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Nun sieht Ihr Gesetzentwurf einen so genannten Nachhaltigkeitsfaktor vor. Wie der Faktor heißt - ob „Nachhaltigkeitsfaktor“ oder „demographischer Faktor“ -, ist zweitrangig. Es kommt nicht auf den Titel, sondern auf den Inhalt an.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Storm, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dreßen?

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das kann nur in die Hose gehen!)

Andreas Storm (CDU/CSU):

Ja, gerne, Kollege Dreßen.

Peter Dreßen (SPD):

Herr Storm, Sie haben gerade wieder erzählt, dass alles in Ordnung wäre, wenn wir den demographischen Faktor nicht ausgesetzt hätten. Würden Sie mir dann auch konzedieren, dass die Rentner ansonsten 3 Prozent weniger Rente als heute bekommen würden? Würden Sie auch dies der Öffentlichkeit mitteilen?

Andreas Storm (CDU/CSU):

Nein, Kollege Dreßen, diese Zahl ist eindeutig falsch. Wenn Sie den Faktor nicht ausgesetzt hätten, hätten wir jetzt ein wesentlich geringeres Loch in der Rentenkasse. Dass der demographische Faktor eine richtige Überlegung war, zeigt sich darin, dass sich der deutsche Bundeskanzler vor wenigen Wochen in diesem Haus dafür entschuldigt hat, ihn 1998 gestrichen zu haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir brauchen in der Rentenformel einen nachvollziehbaren und verlässlichen Regelmechanismus. Genau dies ist der heute von Ihnen vorgelegte Nachhaltigkeitsfaktor nicht. So hat der Präsident der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, Dr. Rische, zu Beginn dieser Woche nachdrücklich festgestellt: Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor wird die Rentenformel „derart intransparent, dass sie der Öffentlichkeit kaum mehr zu vermitteln sein dürfte“.

   Das ist ein Totalverriss der rot-grünen Rentenformel, wie er schlimmer nicht hätte kommen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damit nicht genug. Der Nachhaltigkeitsfaktor verfolgt einzig und allein das Ziel, im Jahr 2030 einen fixen Beitragssatz zu erreichen. Die Höhe des Rentenniveaus wird freigegeben. Die Politik erhält einen Freibrief, jedes Jahr nach Belieben in die Rentenanpassung einzugreifen. Ich zitiere erneut den Präsidenten der BfA: „Der Nachhaltigkeitsfaktor führt somit zu einem nach unten offenen Rentenniveau.“

   Ich frage die Sozialpolitiker der SPD: Sie haben vor zwei Jahren auf Druck der Gewerkschaften noch eine Sicherungsklausel durchgesetzt. Damals sollte sichergestellt werden, dass das Rentenniveau niemals unter 67 Prozent sinkt. Diese Klausel wird jetzt ersatzlos gestrichen. Rein in die Kartoffeln, raus aus den Kartoffeln. Wie soll hier noch Verlässlichkeit in die Rentenpolitik kommen?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb [FDP])

   Deswegen ist für die Union eine Rentenformel, die zur Manipulation geradezu einlädt, nicht akzeptabel. Deshalb wiederhole ich unsere Forderung: Wir brauchen einen nachvollziehbaren und verlässlichen Regelmechanismus für die Rentenanpassung. Dafür taugt der Nachhaltigkeitsfaktor in der Form, in der Sie ihn bisher vorgelegt haben, noch nicht.

   Unsere zweite essenzielle Anforderung an eine Rentenreform lautet: Wir brauchen nicht nur zwischen Alt und Jung, sondern auch innerhalb einer Generation eine faire Lastenverteilung zugunsten derer, die Kinder erziehen. Wir müssen die offene Flanke des Generationenvertrages von 1957 schließen, indem die dritte Generation einbezogen wird. Wir brauchen einen Dreigenerationenvertrag zwischen Rentnern, heutigen Beitragszahlern und den Beitragszahlern von morgen.

   Deshalb führt für die Union kein Weg daran vorbei, dass Familien bei der Rente gestärkt werden müssen, und zwar in zweierlei Hinsicht. Kindererziehung muss sich längerfristig bei der Rentenhöhe mehr als bisher auszahlen. Frauen und Männer müssen gleichermaßen in die Lage versetzt werden, eine vollständige eigene Rentenbiographie aus Zeiten der Erwerbsarbeit und der Familienarbeit aufzubauen. Wir müssen aber gleichzeitig die Familien auch bei den Beiträgen entlasten. Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vor über zwei Jahren den Anstoß dazu gegeben. Bei SPD und Grünen ist davon leider nichts angekommen. In ihrem Gesetzentwurf ist kein Sterbenswörtchen zur Stärkung der familienpolitischen Elemente bei der Rente enthalten.

   Damit komme ich zur dritten Anforderung. Rentenpolitik ist Vertrauenssache. Wir brauchen mehr Verlässlichkeit. Die Leute haben das rot-grüne Novemberfieber satt, bei dem jedes Jahr am Jahresende entschieden wird, welcher Eingriff in die Rentenfinanzen dieses Mal dran ist. Die Rentenversicherung muss auch für konjunkturell schlechte Zeiten, wie wir sie unter Rot-Grün nun schon im dritten Jahr erleben, wetterfest gemacht werden. Deshalb müssen die Rücklagen der Rentenkassen wieder aufgefüllt werden. Wir brauchen mittel- bis langfristig einen Korridor von ein bis zwei Monatsausgaben bei der Rente. Es ist nicht glaubwürdig, wenn Sie erst drei Jahre lang die Rücklage plündern, das letzte Tafelsilber verscherbeln und nun behaupten, Sie wollten die Rücklage wieder auffüllen. Das nimmt Ihnen niemand mehr ab.

   Der vierte Punkt. Wir brauchen eine Nachfolgeregelung für die Riester-Rente. Es ist richtig, Frau Ministerin Schmidt, dass neben die umlagefinanzierte Rente eine kapitalgedeckte Förderrente treten muss. Sie haben sich lange gesträubt und die Abschlusszahlen der Riester-Verträge schöngeredet. Jetzt wollen Sie das Verfahren vereinfachen und streichen sechs der elf Förderkriterien der Riester-Rente. Das ist erfreulich, aber ich frage Sie auch: Warum bringen Sie nicht den Mut auf und übernehmen die weiter gehenden Vorschläge der Herzog-Kommission und der Rürup-Kommission? Ich denke an die Anhebung der förderfähigen Höchstbeträge und die Erweiterung des Kreises der Förderberechtigten auch auf die Selbstständigen und die anderen, die bisher nicht förderberechtigt sind. Wir wissen aus dem Jahr 2002, dass bis zu 2,7 Milliarden Euro Fördergelder nicht abgerufen worden sind. Deswegen haben wir finanzielle Spielräume, die genutzt werden müssen. Wir brauchen eine deutliche Ausweitung dieser ergänzenden kapitalgedeckten Vorsorge.

   Fünftens. Wir brauchen eine Neuregelung der Rentenbesteuerung. Sie sprechen sich nun für den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung aus. Damit rennen Sie vom Grundsatz her bei uns offene Türen ein. Es war ein grundlegender Webfehler der riesterschen Rentenreform, dass damals das Thema der Rentenbesteuerung ausgeklammert worden ist. Denn Klarheit über das langfristige Leistungsniveau bei der Rente hat man nur, wenn man weiß, wie die steuerlichen Regelungen sind, wie die ergänzende Vorsorge organisiert wird und wie das Niveau bei der gesetzlichen Rente ist.

   Die Riester-Reform ist gescheitert. Wir sollten alles daran setzen, dass es bei der nächsten Rentenreform nicht genauso passiert. Das Hauptkriterium muss sein, dass eine grundlegende Rentenreform kurz- und langfristig solide und verlässlich ist. Die Statik des Gesamtgebäudes einer reformierten Alterssicherung muss stimmen. Schönwetterprognosen wie bei der Riester-Reform vor zwei Jahren helfen nicht weiter. Deswegen werden wir im Frühjahr 2004 keiner Reform zustimmen, bei der klar ist, dass sie bereits im Herbst 2004 wieder nachgebessert werden muss.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Herzstück der Reform muss eine gerechte Lastenverteilung zwischen Jung und Alt sowie eine starke Familienkomponente sein. Aus Sicht der Union ist das unverzichtbar. Diesbezüglich ist die Koalition bislang jede Antwort schuldig geblieben.

   Wir sollten uns das gesamte erste Halbjahr 2004 Zeit nehmen für eine umfassende Beratung innerhalb der parlamentarischen Gremien. Es gilt der Grundsatz: Sorgfalt vor Schnelligkeit.

   Die Reform - auch das ist klar - muss in einem normalen parlamentarischen Verfahren behandelt werden. Konsensrunden im Eilverfahren am Parlament vorbei wird es mit der Union nicht geben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Bevor ich der Kollegin Bender das Wort gebe, gratuliere ich unserer Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Renate Schmidt, recht herzlich zu ihrem heutigen 60. Geburtstag. Herzlichen Glückwunsch!

(Beifall)

   Das Wort hat nun die Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Bei der Reform der Alterssicherung geht es zum einen um soziale Sicherheit im Alter; denn wir wollen Altersarmut verhindern. Zum anderen geht es um Generationengerechtigkeit. Das heißt, dass wir auch an die Beitragsbelastung der jüngeren Generation denken und sie begrenzen müssen.

   In der letzten Legislaturperiode hat Rot-Grün eine Rentenreform gemacht, mit der sie erstmals dafür gesorgt hat, dass die Menschen auch kapitalgedeckte Vorsorge aufbauen können. Das ist übrigens ein Schritt, den die Union ihrerseits nie fertig gebracht hat. Dieses innovative Konzept haben Sie uns zu verdanken. Es ist schön, dass Sie sich jetzt darauf beziehen, auch wenn Sie meinen, es sei gescheitert.

   Die Entwicklung der wirtschaftliche Lage und die Bevölkerungsentwicklung sind anders verlaufen, als es die Experten im Jahre 2001 prognostiziert haben.

(Dr. Heinrich L. Kolb [FDP]: Es ist genauso gekommen!)

Deswegen machen wir jetzt neue Reformschritte. Es geht darum, in der gesetzlichen Rentenversicherung für einen fairen Ausgleich zwischen den Generationen zu sorgen. Daher muss einerseits an die Beitragshöhe und andererseits an ein angemessenes Rentenniveau und eine angemessene Rentensteigerung gedacht werden. Es geht auf der anderen Seite um Erleichterungen bei der kapitalgedeckten Vorsorge, sowohl bei den Betriebsrenten als auch bei der privaten Vorsorge. Zum Dritten sorgen wir für Steuergerechtigkeit in der Alterssicherung, indem wir erstmals zur so genannten nachgelagerten Besteuerung übergehen.

   Wir werden die Rentenformel verändern. In der gesetzlichen Rentenversicherung wird es einen Nachhaltigkeitsfaktor geben. Herr Kollege Storm, ich kann verstehen, dass Sie Ihrem demographischen Faktor nachtrauern. Wenn Sie aber genauer hinschauen, werden Sie feststellen, dass der von uns vorgesehene Nachhaltigkeitsfaktor Ihrem alten Demographiefaktor überlegen ist, weil er das Verhältnis zwischen der Anzahl der Beitragszahlenden und der Anzahl derjenigen, die Rentenleistungen empfangen, ins Verhältnis setzt und auf diese Weise für einen Ausgleich zwischen den Generationen sorgt. Anders, als Sie es dargestellt haben, macht diese Rentenformel jährliche politische Eingriffe überflüssig, weil diese Struktur auf einer vorhersehbaren Entwicklung basiert.

Ich denke, Sie sollten sich dieser Struktur annähern, statt sozusagen aus Prinzip auf die Vergangenheit zu verweisen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Im Übrigen müssen wir auch noch Lasten aus der Vergangenheit abbauen. Wir sind diejenigen, die jetzt - mit angemessenen Übergangsfristen - die Frühverrentung zurückfahren. Hierbei handelt es sich um ein Konzept von Norbert Blüm, mit dem er den Großbetrieben ermöglicht hat, die Rationalisierungswellen über die Sozialversicherungen zu finanzieren.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Mit euren Stimmen!)

Damit wird jetzt Schluss gemacht. Es geht nicht an, dass die Betriebe ständig ältere Leute entlassen und dies auch noch durch die Beitragszahler finanzieren lassen. Sie werden in Zukunft auch die Erfahrung der Älteren nutzen können und müssen. Dafür werden wir die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Jetzt reden Sie aber anders als vor drei Jahren!)

   Wir sollten auch die Frage des Renteneintrittsalters berücksichtigen; das tun wir bei unserer Reform. Die Regierung wird dazu im Jahre 2008 einen Bericht vorlegen. Angesichts der Tatsache, dass die Bevölkerung bei einem immer besseren Gesundheitszustand immer älter wird, spricht vieles dafür, dass das gesetzliche Renteneintrittsalter auf längere Sicht angehoben werden muss. Wir werden, wie gesagt, die Grundlagen schaffen, um nach 2008 über diese Frage zu entscheiden.

   Was ist bisher von der Opposition zu hören? Im Wesentlichen verweigert sie sich.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Wir haben eher ein Konzept vorgelegt als Sie und da sprechen Sie von Verweigerung! Unlogisch!)

   Herr Kollege Storm, Sie haben von einem parlamentarischen Verfahren gesprochen. Wie sieht es denn damit aus? Im Bundesrat wurde die Verschiebung der Rentenauszahlungen auf das Monatsende abgelehnt. Das ist wahrlich kein Riesenschritt. Sie werden niemandem erklären können, warum es unbedingt dabei bleiben soll, dass Menschen, die in Rente gehen, gleichzeitig ihr Gehalt und die Rente ausgezahlt bekommen. Sie könnten sich deshalb leicht zu diesem Schritt, der Einsparungen in Höhe von einigen 100 Millionen Euro bringt, entschließen. Was aber tun Sie? Sie blockieren. So stelle ich mir eine konstruktive Oppositionsarbeit nicht vor.

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sonst schreien sie immer nach Schuldenabbau!)

   Was haben Sie sonst anzubieten? Im Wesentlichen reden Sie immer über die Vergangenheit und halten der Regierung allerlei Fehler vor. Dem ist entgegenzuhalten: Der Verweis auf das angebliche Besserwissen in der Vergangenheit ist noch kein politisches Konzept für die Gegenwart. Zu solch einem Konzept habe ich von Ihnen so gut wie nichts gehört.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Sie haben die Hinterbliebenenversorgung und die Kinderförderung bei der Rente angesprochen, Herr Storm. Darüber können wir reden. Wir setzen zurzeit Steuermittel in Höhe von 12 Milliarden Euro dafür ein, Rentensteigerungen aufgrund von Kindererziehungszeiten zu finanzieren. Das führt übrigens dazu, dass eine Frau mit zwei oder drei Kindern, die wegen der Kindererziehung zeitweise auf Erwerbstätigkeit verzichtet oder Teilzeitarbeit leistet, später eine höhere Rente hat als eine Frau, die durchgängig in Vollzeit erwerbstätig war. Sie müssten erklären, warum Sie das nicht für ausreichend halten und wie Sie eine weitere Förderung der Erziehungszeiten finanzieren wollen. Aber darüber sind Sie sich in der Union wohl selber noch nicht einig.

   Hinsichtlich Ihrer Forderung, dass bei der Hinterbliebenenversorgung die Kinder stärker berücksichtigt werden sollen, können wir zusammenkommen. Was die Überlegung angeht, die Hinterbliebenenversorgung zurückzuführen und im Wesentlichen darauf zu konzentrieren, dass diejenigen Witwen- oder Witwerrente bekommen, die aufgrund von Kindererziehung keine ausreichende Alterssicherung aufgebaut haben, sind wir gesprächsbereit.

   In diesem Zusammenhang ist es uns wichtig, die Gleichstellung von Ehepaaren und eingetragenen gleichgeschlechtlichen Partnerschaften zu erreichen. Denn es gibt keinen Grund, nur bei den Pflichten eine Gleichstellung zu schaffen und die Rechte davon auszunehmen. Das wollen wir ändern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und des Abg. Detlef Parr (FDP))

   Wir werden auch die Riester-Rente vereinfachen. Bisher haben die Bürgerinnen und Bürger etwa 5 Millionen geförderte Altersvorsorgeverträge abgeschlossen. Bei mehr als 30 Millionen Anspruchsberechtigten zeigt das deutlich, dass die Riester-Rente einfacher und flexibler werden muss, damit sie angenommen wird.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das haben wir Ihnen damals schon alles gesagt!)

- Das haben Sie damals also schon alles gesagt. Wenn Sie meinen, dass das so ist, dann machen Sie jetzt doch einfach mit und stimmen zu. Das wäre doch wunderbar.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir werden Ihnen gern Hilfestellung leisten! Sie werden aber nicht darauf eingehen!)

   Mit dem Gesetz wird das Antragsverfahren einfacher. Die Ein- und Auszahlungsbedingungen werden flexibler und die Produkte werden für die Verbraucher und Verbraucherinnen besser vergleichbar. Das sind wichtige Elemente, die wir im parlamentarischen Verfahren noch ausbauen wollen. Wir denken ebenfalls an mehr Flexibilität in der Auszahlungsphase. Wichtig sind uns der Erhalt und der Ausbau des Verbraucherschutzniveaus. Uns liegt dabei besonders am Herzen, dass über die Berücksichtigung von ökologischen, ethischen und sozialen Kriterien regelmäßig und vor Vertragsabschluss informiert wird.

   Nicht zuletzt werden wir die Besteuerung ändern. Den Übergang zur nachgelagerten Besteuerung schreibt uns das Bundesverfassungsgericht vor. Aber es handelt sich - auch das möchte ich einmal sagen - um eine langjährige Forderung der Grünen. Wir werden die Altersvorsorgebeiträge von der Steuer freistellen und erst die entsprechenden Altersbezüge besteuern. Das ist systematisch richtig und bedeutet - das möchte ich gerade angesichts der aktuellen Diskussion sagen - vor allem ein Steuersenkungsprogramm zugunsten der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die komplette Freistellung der Rentenversicherungsbeiträge würde 20 Milliarden Euro im Jahr kosten. Das können die öffentlichen Haushalte nicht in einem Schritt verkraften. Deswegen werden wir für einen schrittweisen Übergang sorgen, der aber schon zwischenzeitlich mit Entlastungen im zweistelligen Milliardenbereich verbunden sein wird. Die Entlastung wird bei etwa 6 bis 8 Milliarden Euro im Jahr liegen. Die Beitragszahler werden also Schritt für Schritt weniger Beiträge versteuern und die Rentner werden Schritt für Schritt einen höheren Anteil ihrer Rente versteuern. Wir werden diesen Übergang sozialverträglich ausgestalten.

   Was bedeutet das für die Rentner und Rentnerinnen? Bisher zahlen die meisten Rentner gar keine Steuern. Durch die Umstellung im Jahre 2005 werden zusätzlich 1,3 Millionen Rentner steuerlich belastet. Das bedeutet, dass insgesamt nur jeder zehnte Rentner - es werden meistens Männer sein -, der heute noch keine Steuern zahlt, zukünftig an das Finanzamt zahlen wird. Es wird sich in der Regel um Rentenempfänger handeln, die neben dem Rentenbezug noch andere Einkünfte haben. Vor diesem Hintergrund sind wir der Meinung, dass der Übergang sozialverträglich ist.

   Es ist des Weiteren festzuhalten, dass im Jahr 2005 reine Renten bis zu 1 574 Euro im Monat steuerfrei bleiben. Das ist weit mehr als die Durchschnittsrente und auch deutlich mehr als die Standardrente. Das heißt, die Rentner werden nicht unangemessen belastet. Gleichzeitig werden die Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen entlastet. Es entsteht damit mehr Spielraum für private Vorsorge. Eigenverantwortung kann mit mehr Entscheidungsfreiheit gelebt werden. Dies ist das Rentenkonzept der rot-grünen Koalition.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Heinrich Kolb, FDP-Fraktion.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kollegin Bender, Sie müssen sich schon entscheiden, warum Sie nur zwei Jahre nach der mit dem Namen des Kollegen Riester verbundenen Reform der Altersvorsorge, die damals von Ihnen gerne als „Jahrhundertreform“ bezeichnet worden ist, einen neuen Versuch unternehmen. Sie haben gesagt, die wirtschaftlichen Prognosen der Experten hätten nicht gestimmt. Ich kann dazu nur sagen: Es ist alles so gekommen, wie die Experten das vorausgesagt haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In Ihrem Gesetzentwurf heißt es, dass die damaligen „Grundannahmen im Lichte neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse teilweise revidiert werden müssen“. Ich habe mich gefragt, was sich hinter dieser schamhaften Floskel eigentlich verbirgt, welche neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse das sein sollen. Sie hätten einfach schreiben sollen: Wir haben uns geirrt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie hätten schon damals auf die Warnungen der Opposition zum Beispiel vor der überbürokratischen Gestaltung der Riester-Rente hören sollen. Dann wären nicht unnötig Zeit und Geld verloren worden.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Herr Dreßen, wenn Sie damals richtig gehandelt und den demographischen Faktor nicht abgeschafft hätten, dann würde die Rentenkasse heute um 3 Milliarden Euro besser dastehen. Das wäre zwar nicht die Lösung aller Probleme, aber auch keine zu vernachlässigende Größe.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Richtig ist: Sie hatten damals nicht den Mut zur vollen Wahrheit und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf kneifen Sie aus unserer Sicht heute erneut: Sie weichen der Beantwortung der Frage nach einem notwendigen Paradigmenwechsel, also nach einem neuen Grundansatz in der Altersvorsorge, weiterhin aus. Deswegen muss man sagen: Die vorgeschlagenen Maßnahmen reichen nicht aus, um die Altersvorsorge der Menschen in unserem Lande sicherzustellen.

   Hier geht es eben um mehr als nur um die gesetzliche Rentenversicherung: Die Altersvorsorge muss gründlich und zügig weiterentwickelt werden, damit sie auch im Jahr 2030 trägt und damit eine flächendeckende Altersarmut verhindert werden kann. Das gilt insbesondere für den konsequenten Ausbau der privaten und der betrieblichen Altersvorsorge. Die hektische Betriebsamkeit, mit der Sie, Frau Ministerin, an dem jetzt vorliegenden Gesetzentwurf praktisch bis zur letzten Minute herumgebastelt haben, lässt im Übrigen weitere Zweifel an der Ausgereiftheit dessen aufkommen, was Sie uns hier vorlegen.

(Beifall bei der FDP)

   Bei einigen Punkten, die wir schon in den zurückliegenden Debatten und im Ausschuss kritisiert hatten, haben Sie sich im Vorfeld dieser Beratungen in die richtige Richtung bewegt: Das gilt für den Vertrauensschutz bei der Frühverrentung, der in seiner ursprünglichen Ausgestaltung rechtsstaatlichen Prinzipien nicht genügt hätte; das gilt für die Unisextarife, die, wie nun feststeht, doch nicht kommen werden, obwohl Sie, Frau Ministerin, zuvor regelrecht einen Popanz aufgebaut haben; das gilt auch für die - mittlerweile fallen gelassene - Wiederankopplung der Hinterbliebenen- oder Invaliditätsrente an die Riester-Rente.

   Sie haben einsehen müssen - der Bundeskanzler persönlich hat es eingeräumt -, dass die Abschaffung des demographischen Faktors kurz nach der Wahl 1998 ein Fehler war. Aus heutiger Sicht war das - ich habe es schon gesagt - ein Fehler, der uns teuer zu stehen kommt. Aber wir begrüßen vor diesem Hintergrund die Einführung des von der Rürup-Kommission empfohlenen Nachhaltigkeitsfaktors, der die Begrenzung des Beitragssatzes auf maximal 22 Prozent im Jahre 2030 sicherstellen soll. Eigentlich ist das eine Wiedereinführung. Da aber nicht sein kann, was nicht sein darf, kommt die demographiebezogene Dämpfung des Rentenanstiegs jetzt in einem neuen Gewand daher; das soll uns recht sein. Wie auch immer: Hauptsache, es wird eine Wirkung erzielt. Sie knüpfen jetzt an das an, was dank unserer Politik schon 1998 Gesetz war.

(Beifall bei der FDP)

   Man muss aber auch sehen: Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor wird das Beitragssatzziel von 22 Prozent im Jahre 2030 zur bestimmenden Größe des in der gesetzlichen Rentenversicherung noch erreichbaren Versorgungsniveaus gemacht. Das könnte die FDP mittragen, wenn den Bürgern die faktische Reduzierung der gesetzlichen Rente auf eine beitragsfinanzierte Grundsicherung offensiv und unmissverständlich nahe gebracht und ihnen darüber hinaus ein klarer Weg aufgezeigt würde, wie der Lebensstandard durch eine weitere, die gesetzliche Rente ergänzende Altersvorsorge zukünftig gesichert werden kann und soll.

(Horst Schild (SPD): Machen Sie doch mal ein paar Vorschläge, Herr Kolb!)

   Bei der Begründung der im Alterseinkünftegesetz vorgesehenen Streichung des bisherigen leistungsorientierten Sicherungszieles - § 154 Abs. 3 SGB VI - verstecken Sie sich leider hinter Berechnungsproblemen. Diese Probleme gibt es zwar; aber lassen Sie uns gemeinsam die Dinge so benennen, wie sie nun einmal sind: Der Beitrag der gesetzlichen Rente zur Gesamtaltersvorsorge wird zukünftig geringer sein, als wir es in der Vergangenheit gewohnt waren. So einfach ist das.

(Beifall bei der FDP)

   Zur Wahrheit gehört auch, dass die Menschen in unserem Lande mit dem Aufbau einer privaten oder betrieblichen kapitalgedeckten Altersvorsorge, flankiert von einer deutlich erweiterten staatlichen Förderung, schnellstmöglich beginnen sollen. Das muss uns auch zusätzliches Geld wert sein.

(Zuruf des Abg. Peter Dreßen (SPD))

Deswegen schlagen wir vor, Herr Kollege Dreßen, diejenigen Mittel aus dem Bundeshaushalt zur Förderung der privaten kapitalgedeckten Alterssicherung, die bisher nicht abgeflossen sind, dafür einzusetzen, die Riester-Rente durch das Vorziehen der nächsten Förderstufen noch attraktiver zu machen.

(Beifall bei der FDP)

   Wir werden mit Ihnen im Ausschuss auch über die Schwankungsreserve sprechen. Die von Ihnen im Gesetzentwurf vorgesehene Anhebung des oberen Zielwertes für die Schwankungsreserve auf anderthalb Monatsausgaben genügt nicht. Hierbei geht es um immerhin rund 24 Millionen Euro. Wenn Sie es ernst meinen, dann müssen Sie auch sagen, wie Sie Ihr Ziel erreichen wollen. Ansonsten liegt die Vermutung nahe, dass es sich um eine reine Absichtserklärung handelt.

   Zusammenfassend lässt sich feststellen: Bei der Altersversorgung im Allgemeinen und bei der gesetzlichen Rente im Speziellen handelt es sich um Vertrauensthemen. Da kann man nicht nach dem Prinzip von Trial and Error - Versuch und Irrtum - so lange herumprobieren, bis es irgendwann passt; vielmehr muss das, was wir in den nächsten Monaten leisten, ein wirklich großer Wurf werden, da bei der Altersvorsorge sonst ein dauerhafter Vertrauensschaden einzutreten droht.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Kolb, Sie müssen zum Ende kommen.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Ich komme zum Ende, Frau Präsidentin; der letzte Satz.

   Sie werden bei der Arbeit an dem vorliegenden Gesetzentwurf dringend auf die Mithilfe der Opposition angewiesen sein. Wir sind zur Mithilfe gern bereit. Sie werden sich allerdings ein Stück weit auch auf unsere Vorschläge einlassen müssen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächste Rednerin ist die Kollegin Erika Lotz, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Erika Lotz (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Bevor ich auf den vorliegenden Gesetzentwurf zu sprechen komme, will ich an die letzte rentenpolitische Debatte erinnern. Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben schon angesprochen, dass die Gesetze, die wir eingebracht hatten und die verhindern sollten, dass der Beitragssatz aufgrund konjunktureller Entwicklungen steigt, von Ihnen im Bundesrat blockiert worden sind. Sie sind an der Blockade von CDU/CSU gescheitert. Ich muss noch einmal feststellen, dass die Blockadepolitik kein verantwortungsvolles Handeln ist.

   Sie sind meiner Meinung nach auch nicht glaubwürdig. Sie fordern in der Öffentlichkeit die Entlastung der Wirtschaft, nehmen aber in Kauf, dass der Beitragssatz zur Rentenversicherung steigt; Sie haben sich nämlich dem Vorschlag verweigert, Neurentnern die Rente erst am Monatsende zu zahlen. So kann keine Stabilisierung erreicht werden. Damit ist Ihr Handeln unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

   Ich will noch etwas zu dem sagen, was Herr Storm zum demographischen Faktor ausgeführt hat. Es ist richtig: Der Bundeskanzler hat gesagt, es sei ein Fehler gewesen, den demographischen Faktor zurückzunehmen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Gesagt ist gesagt! - Andreas Storm (CDU/CSU): Da hat er mal Recht gehabt!)

Der Bundeskanzler hat aber nicht gesagt, dass der demographische Faktor zur Bewältigung der Situation ausgereicht hätte. Da liegt der Unterschied zu dem, was wir mit dem Nachhaltigkeitsfaktor auf den Weg bringen werden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das warten wir mal ab!)

   Der Nachhaltigkeitsfaktor berücksichtigt die Lebenserwartung, aber auch die Zahl der Rentnerinnen und Rentner sowie die Zahl der Beitragszahler. Die Zahl der Beitragszahler hatten Sie in Ihrem Kalkül überhaupt nicht drin.

(Zuruf von der FDP: Dann hätten Sie es doch vor fünf Jahren machen können!)

Von daher würde der demographische Faktor heute überhaupt nicht ausreichen. Erzählen Sie also nicht immer solche Märchen!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Storm, Sie waren Mitglied der Herzog-Kommission. Was hat denn die Herzog-Kommission gefordert? Die Herzog-Kommission hat doch im Grunde auch einen Nachhaltigkeitsfaktor gefordert, allerdings ohne Begrenzung nach unten. Was Sie hier aufführen, ist, gelinde gesagt, ebenfalls nicht glaubwürdig.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man könnte auch etwas ganz anderes dazu sagen. Es ist doch Verlogenheit, was hier zum Ausdruck kommt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist unparlamentarisch, Frau Kollegin!)

   Dann noch etwas zu dem anderen Teil Ihrer Forderungen, nämlich Kindererziehungszeiten und Familienaspekte bei der Rente stärker zu berücksichtigen. Da will ich Sie an Folgendes erinnern: Wir haben heute in der Rente neben Kindererziehungszeiten auch Kinderberücksichtigungszeiten, die Aufwertung niedriger Rentenanwartschaften bei schlecht bezahlter Erwerbstätigkeit während der Kinderberücksichtigungszeit. Wir haben Kinderzuschläge zur Hinterbliebenenrente eingeführt. Der VDR hat ausgerechnet, dass sich allein aus den drei Kindererziehungsjahren, der Aufwertung von Pflichtbeiträgen während der Kinderberücksichtigungszeit und dem Kinderzuschlag zur Witwenrente für das erste Kind nach heutigen Werten ein zusätzlicher Rentenanspruch von 192 Euro pro Monat ergibt. Das entspricht einem Beitragswert von 41 800 Euro.

   Die Eltern schon in der aktiven Phase von Beiträgen zu entlasten ist ganz bestimmt nicht die Aufgabe der Rentenversicherung. Damit würden nur kinderlose Rentenversicherte belastet; kinderlose Beamte, Richter, Selbstständige und auch wir Abgeordneten blieben verschont. Solange Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, sich im Vermittlungsausschuss verweigern, aber auch nicht das nötige Geld aus dem Hut zaubern, können wir Eltern nicht aus Steuermitteln entlasten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es ist wichtig, denke ich, gemeinsam dafür zu sorgen, dass es zu einer Akzeptanz der Rentenversicherung kommt, und keine Horrorszenarien an die Wand zu malen. Deshalb werden wir mit dem Nachhaltigkeitsfaktor auch eine so genannte Sicherungsklausel einführen. Es wird nämlich nicht so sein, dass die Anwendung des Nachhaltigkeitsfaktors bei niedriger Lohnentwicklung und einer rückläufigen Zahl der Erwerbstätigen oder bei anderen ungünstigen Faktoren zu einem Minus bei der Rente führen wird. Wir sorgen mit einer Bestimmung in § 68 dafür - ich denke, das ist ganz wichtig -, dass es durch Anwendung des Nachhaltigkeitsfaktors zu keiner Kürzung der Renten kommen kann.

   Lassen Sie mich auch noch etwas zur Diskussion um die Anhebung der Altersgrenzen sagen. Die Diskussion um die Anhebung des Renteneintrittsalters findet ja nicht erst seit Bekanntwerden der Vorschläge der Rürup- bzw. der Herzog-Kommission statt, sondern sie ist schon länger virulent. Sie alle wissen, der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter an der Bevölkerung wird geringer. Es muss deshalb in erster Linie darum gehen, das Potenzial der erwerbsfähigen Personen besser auszuschöpfen. Die Erhöhung der Frauenerwerbsquote auf ein Niveau, wie es bereits heute in den skandinavischen Ländern vorherrscht, ist notwendig; das wird aber meiner Meinung nach alleine nicht ausreichen.

   Vor dem Hintergrund der jetzigen Arbeitsmarktsituation insbesondere für ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer macht es auch keinen Sinn, über eine Anhebung des allgemeinen Renteneintrittsalters zu diskutieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das würde niemand verstehen. Wir wissen ja auch nicht, ab wann sich die Arbeitsmarktsituation für Ältere bessert. Wir haben zwar die Rahmenbedingungen für die Erwerbsarbeit von älteren Arbeitnehmern verbessert, aber die Unternehmen müssen dies jetzt annehmen. Da dies ein gemeinsames Anliegen von uns ist, müssen wir dies auch gemeinsam den Unternehmen nachdrücklich nahe bringen.

(Beifall bei der SPD)

   Wir sind uns, wie ich denke, ebenso einig, dass die Möglichkeiten, vorzeitig in Rente zu gehen, abgebaut werden müssen. Indem wir das frühestmögliche Eintrittsalter aufgrund von Arbeitslosigkeit oder im Rahmen von Altersteilzeit schrittweise von 60 auf 63 Lebensjahre anheben, erschweren wir den Betrieben, über Vorruhestandsregelungen die Zahl der älteren Arbeitnehmer ganz einfach abzubauen und die Belegschaften zulasten der Rentenversicherungskassen zu verjüngen. Das kann nämlich nicht so weitergehen.

   Da man diesen Übergang nicht abrupt gestalten kann, haben wir vernünftige Vertrauensschutzregelungen vorgesehen. Der ursprüngliche Referentenentwurf hatte in diesem Bereich ja für einige Unruhe gesorgt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Der war schlichtweg nicht rechtsstaatlich, Frau Kollegin!)

- Ach, Herr Kolb, sagen Sie doch so etwas nicht.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Man muss doch auch einmal die Wahrheit sagen!)

Denken Sie einmal zurück, wie häufig Sie zu Ihrer Zeit rein in die Kartoffeln und raus aus den Kartoffeln mit blitzartigen Neuregelungen gegangen sind!

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich blicke nach vorne! Wer immer zurückblickt, läuft vor die Wand!)

Wir werden jetzt die Möglichkeit schaffen, damit die Leute disponieren können, dass diejenigen aus den Geburtsjahrgängen 1951 oder früher, die bis zum Jahresende zu Verträgen mit ihren Arbeitgebern kommen, zu den alten Bedingungen mit den entsprechenden Abschlägen ausscheiden können.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Frau Kollegin, Ihre Redezeit ist überschritten.

Erika Lotz (SPD):

Vor uns liegen Beratungen. Ich hoffe, dass wir gemeinsam zu einer guten Regelung für die Rente sowie für die Rentnerinnen und Rentner kommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wenn Sie sich helfen lassen, dann ja!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Wolfgang Zöller, CDU/CSU-Fraktion.

Wolfgang Zöller (CDU/CSU):

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Kollegin Lotz, sie werden verstehen, dass ich Ihren Vorwurf der Blockade nicht im Raum stehen lassen kann. Wenn im Bereich der Rentensystematik jemand blockiert hat, dann war es Rot-Grün.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir hatten mit Mehrheit im Deutschen Bundestag ein Rentenreformgesetz beschlossen. Sie haben dieses Gesetz damals zwei Jahre lang mit Ihrer Mehrheit im Bundesrat verhindert und anschließend haben Sie dieses Reformgesetz aufgehoben.

(Erika Lotz (SPD): Nur Teile, Herr Zöller!)

Wenn Sie nur einmal kurz in die entsprechenden Protokolle sehen, dann werden Sie feststellen, wer blockiert hat.

   Rente ist in großem Maße Vertrauenssache. Es ist nun leider eine Tatsache, dass dieses Vertrauen besonders durch Rot-Grün in den letzten zwei Jahren mehr als erschüttert wurde. Das lag auch daran, dass man mit Zahlen nicht ehrlich umgegangen ist und den Bürgern vor Wahlen nicht die tatsächlichen finanziellen Verhältnisse dargelegt hat.

   Heute legen Sie einen Gesetzentwurf vor, in dem von nachhaltigen Finanzierungsgrundlagen der Rentenversicherung die Rede ist. Die Überschrift des Gesetzentwurfes suggeriert, dass dieses Gesetz, wie es jetzt vorgelegt wird, nachhaltig sei. Nach der gängigen Definition dieses inflationär gebrauchten Begriffes der Nachhaltigkeit muss das Gesetz nicht nur den Bedürfnissen der heutigen Generation entsprechen, sondern es darf auch die Möglichkeiten künftiger Generationen nicht schmälern.

   Ich habe Zweifel, ob Ihr Gesetzentwurf dem gerecht wird. Ich möchte dies an einigen Aspekten darstellen. Durch die beabsichtigte Modifizierung der Rentenanpassungsformel wollen Sie die Rentendynamik an der beitragspflichtigen Gehaltssumme ausrichten. Das Verhältnis von Rentnern und versicherungspflichtig Beschäftigten soll rentendämpfend wirken. Das alles sind drastische Maßnahmen, die Sie den Rentnern aufbürden. Dabei hätte - das können Sie nicht abstreiten - der demographische Faktor seine Wirkung entfalten können, sodass das Problem heute nicht in diesem Umfang bestehen würde. Jetzt muss Versäumtes umso schmerzlicher nachgeholt werden.

   Eine Rentendrosselung bei gleichzeitiger Deckelung des Beitragssatzes bei zum Beispiel 22 Prozent wirft etliche Fragen und Probleme auf, die in Ihrem Gesetzentwurf leider nicht gelöst werden.

   Erstens. Ein Beitragssatz von 22 Prozent mutet der kommenden Generation von Beitragszahlern zunächst einmal mehr zu, als wir, die wir heute in das Rentensystem einzahlen, bereit sind zu zahlen. Ist das nachhaltig?

   Zweitens. Eine Rentendrosselung, die aus mehreren Faktoren resultiert - angefangen bei der Entwicklung des Arbeitsmarktes bis zur Entwicklung der Lebenserwartung und des Altersvorsorgefaktors -, birgt das große Risiko eines freien Falls des Rentenniveaus. Ist das nachhaltig?

   Drittens. Ihr Nachhaltigkeitsfaktor wird die Rentnerinnen und Rentner für jede Form schlechter Arbeitsmarkt- oder Wirtschaftspolitik faktisch in Mithaftung nehmen. Ist das nachhaltig?

   Viertens. Durch das sinkende Rentenniveau entsteht eine gewisse Verunsicherung und umso weniger wird die private Altersvorsorge in Anspruch genommen. Wer schon heute von einem Beitragssatz in Höhe von 22 Prozent spricht, muss natürlich auch berücksichtigen, dass sich viele junge Menschen die Frage stellen: Wie kann ich meine zusätzliche Alterssicherung bei diesen hohen Beitragssätzen überhaupt finanzieren?

   Meines Erachtens ist den Menschen nicht gedient, wenn es nur in der Überschrift des Gesetzes eine nachhaltige Sicherung gibt. Wir müssen mehr Aufrichtigkeit beweisen. Ich bin froh, dass die Ministerin heute endlich einmal zugegeben hat, dass die gesetzliche Rente künftig nicht mehr den Lebensstandard sichern kann. Entsprechende Äußerungen von uns sind immer als unsozial abgestempelt worden.

   Ein Problem müssen wir alle gemeinsam sehen: Eine Rente, die einen Beitragssatz von über 20 Prozent hat und die bei über 40 Jahren Beitragsleistung eine Rentenhöhe zur Folge hat, die sich nicht signifikant von der Sozialhilfe unterscheidet, wird dazu führen, dass die Menschen die Legitimationsfrage unseres Rentensystems in den Vordergrund stellen.

Deshalb ist dieses Problem mit schönen Überschriften nicht zu lösen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir haben völlig außer Acht gelassen, dass die demographische Zeitbombe erst noch zündet. Wir tun so, als sei das demographische Problem schon jetzt das Problem Nummer eins. Aber dies wird es, wie alle Wissenschaftler sagen, erst in einigen Jahren sein. Deshalb verwundert es, dass in Ihrem Reformvorschlag nicht auf Familienkomponenten eingegangen wird.

   Angesichts einer Umfrage in der letzten Woche, wonach sich 79 Prozent der kinderlosen jungen Leute Kinder wünschen, muss man sich die Frage stellen, warum dieser Kinderwunsch nicht umgesetzt wird. Es kann wohl mit den Rahmenbedingungen in unserem Land nicht so richtig stimmen.

(Erika Lotz (SPD): Weil es keine Betreuungsmöglichkeiten in Bayern gibt!)

Wir müssen das Spannungsfeld „Kind-Kosten-Lohnausfall“ entschärfen.

(Erika Lotz (SPD): Betreuung!)

   Aber wir können nicht bei der Verbesserung der Rahmenbedingungen stehen bleiben. Die Familie muss ein Maßstab für gerechte Sozialreformen sein. Wer die familienpolitische Dimension der Rentenreform übersieht, greift massiv in die Familienplanung ein. Denn er erweckt die falsche Vorstellung, dass Kinder zur Finanzierung der eigenen Alterssicherung eigentlich gar nicht notwendig sind. Weiterhin wird die Doppelbelastung, die durch gleichzeitige Investitionen in Kinder und Alterssicherungssysteme entsteht, in Kauf genommen.

   Diese Zusammenhänge haben schon längst dazu geführt, dass unsere Gesellschaft gespalten wurde, dass Familien und Frauen zu den Verlierern dieses Systems wurden. Eine moderne Rentenpolitik muss deshalb auch hierauf eine Antwort geben und die bestehenden Benachteiligungen ausgleichen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Unseres Erachtens muss deshalb die gesamte Sozialpolitik mehr als bisher dem Umstand Rechnung tragen, dass Kinderlose weit größere Möglichkeiten zu Konsum und zusätzlicher Vorsorge haben als vergleichbare Einkommensbezieher mit Kindern. Eine Rentenreform, die diesem unbestreitbaren Faktum mit keinem Wort Tribut zollt, verdient eigentlich nicht das Urteil „nachhaltig“.

   Wer wieder Vertrauen in dieses System, in die Rente aufbauen will, muss der Nachhaltigkeit mehr Gewicht verleihen. Wir sind bereit, daran mitzuarbeiten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat die Parlamentarische Staatssekretärin Dr. Barbara Hendricks.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Deutschland braucht ein zukunftsfähiges Alterssicherungssystem. Dazu gehört eine nachhaltige Regelung zur steuerlichen Behandlung der Altersvorsorge und der Alterseinkünfte. Hierzu dient der vorliegende Koalitionsentwurf eines Alterseinkünftegesetzes, der dem Regierungsentwurf entspricht.

   Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung sind zwar seit jeher steuerpflichtig - auch wenn viele Menschen das nicht immer so wahrgenommen haben -, aber sie werden nur teilweise, und zwar mit dem so genannten Ertragsanteil, zur Einkommensteuer herangezogen. Demgegenüber müssen Beamten- und Werkspensionen in voller Höhe versteuert werden.

   Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil vom März des vergangenen Jahres entschieden, dass diese unterschiedliche steuerliche Behandlung nicht mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes vereinbar ist, und hat daher den Gesetzgeber verpflichtet, spätestens mit Wirkung zum 1. Januar 2005 eine verfassungskonforme Neuregelung zu treffen. Dem dient der vorliegende Gesetzentwurf.

Die Bundesregierung hat daraufhin eine Sachverständigenkommission eingesetzt, deren Vorschläge in dem Entwurf eines Alterseinkünftegesetzes aufgegangen sind, worüber wir heute in erster Lesung beraten. Im Ergebnis soll eine systematisch schlüssige und folgerichtige Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen erreicht werden. Das wird auf jeden Fall gesamtwirtschaftlich vorteilhaft sein. Es ist gewiss auch sozial tragfähig. Das Besteuerungssystem soll dadurch auch transparenter und einfacher werden. Es entspricht übrigens vom Prinzip her den Vorschlägen, die Ihr stellvertretender Fraktionsvorsitzender Friedrich Merz zu diesem Themenkreis gemacht hat.

   Schwerpunkt des Gesetzentwurfs ist der schrittweise Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften mit dem Kernelement des steuerlichen Abzugs von Altersvorsorgebeiträgen bei den aktiv Erwerbstätigen. Für die im Erwerbsleben stehenden Bürgerinnen und Bürger bietet die Überleitung auf das nachgelagerte Verfahren die Chance, das Altersvorsorgeniveau längerfristig noch zu verbessern.

   Durch die schrittweise ansteigende steuerliche Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen - also durch positive Berücksichtigung - erweitert sich der Spielraum für die Zukunftsvorsorge. Da die Steuersätze in der aktiven Lebensphase typischerweise höher als im Alter sind, führt der Übergang auf das nachgelagerte Verfahren unter dem Strich zu einer Entlastung für die Steuerzahler.

   Es besteht aber auch für die Rentner keinerlei Grund zu Befürchtungen. Die große Masse der Rentner muss auch in Zukunft keine Steuern auf die Rente zahlen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Erika Lotz (SPD): Das ist doch ein Wort!)

   Insgesamt gibt es 14,2 Millionen Steuerpflichtige mit Rentenbezügen. Die Zahl von 14,2 Millionen ergibt sich, weil Rentnerehepaare als ein Steuerpflichtiger gezählt werden; es gibt in der Bundesrepublik, wie Sie wissen, circa 19 Millionen Rentner. Drei Viertel der steuerpflichtigen Rentenbezieher werden auch nach neuem Recht nicht steuerbelastet. Rund 3,3 Millionen steuerpflichtige Rentenempfänger - das sind 23 Prozent aller derzeitigen Rentenempfänger - werden nach dem neuen Steuerrecht steuerbelastet sein. Nach geltendem Recht sind bereits 2 Millionen Rentner steuerbelastet. Es stimmt, was Frau Kollegin Bender eben gesagt hat: 1,3 Millionen Rentner werden zusätzlich steuerbelastet sein.

   Nach dem Gesetzentwurf werden die Rentenbezüge bei den Alleinstehenden unter den so genannten Bestandsrentnern - das sind diejenigen, die schon heute Rentenbezieher sind - und den so genannten Neufällen des Jahres 2005 bis zu einer Höhe von rund 18 900 Euro pro Jahr - das sind 1 575 Euro pro Monat - weiterhin steuerlich nicht belastet, wenn neben der Rente keine anderen Einkünfte vorliegen. Dies bezieht sich auf Alleinstehende; für Verheiratete gelten natürlich entsprechend höhere Beträge.

   Bei alleinstehenden Beamtenpensionären beginnt die Steuerbelastung übrigens bei jährlichen Versorgungsbezügen von rund 12 900 Euro. Es gibt also zu Beginn immer noch eine Ungleichbehandlung von Rentnern und Pensionären. Erst nach einem sehr langen Übergang wird es zu einer Gleichbehandlung kommen, wie sie das Bundesverfassungsgericht uns vorgeschrieben hat.

   Durchschnittsrenten bleiben auch künftig steuerunbelastet. Das gilt auch dann, wenn eine normale Betriebsrente hinzukommt.

   Eine steuerliche Mehrbelastung wird überwiegend nur in den Fällen entstehen, in denen neben der Rente noch andere nennenswerte Einkünfte aus Werkspensionen, aus Vermietung und Verpachtung, aus Kapitalvermögen oder von noch erwerbstätigen Ehepartnern hinzukommen. In diesen Fällen ist die Rente übrigens oft als Nebeneinkommen anzusehen.

   Die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten der Rentenempfänger sind aus verfassungsrechtlicher Sicht durch den vorgelegten Gesetzentwurf ausgeschöpft. Deshalb ist der Übergang so langfristig angelegt. Es bleibt - ich sagte es eben schon - bei einer Ungleichbehandlung, die erst langfristig aufgehoben wird. Eine weiter gehende und länger fortgesetzte Privilegierung von Rentenempfängern gegenüber den noch aktiv Erwerbstätigen wäre verfassungsrechtlich kaum noch vertretbar.

   Ich möchte Ihnen nun kurz die wichtigsten Elemente des Gesetzentwurfes darstellen.

   Erstens: schrittweiser Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Leibrenten. Die Altersvorsorgebeiträge in der aktiven Zeit werden also steuerentlastet und die darauf beruhenden Renten in der nicht mehr aktiven Zeit werden besteuert.

   Und zweitens: beschränkte Abziehbarkeit der Beiträge zur Leibrentenversicherung. Sie wird folgendermaßen ausgestaltet sein: Beiträge zu Leibrentenversicherungen sind als Sonderausgaben beschränkt abziehbar. Dafür müssen die erworbenen Anwartschaften nicht beleihbar, nicht vererbbar, nicht veräußerbar, nicht übertragbar und nicht kapitalisierbar sein. Diese Regelung haben nicht wir erfunden, sondern sie gilt schon für die gesetzliche Rentenversicherung und die berufsständischen Versorgungen, so wie sie heute ausgestaltet sind, und für neu zu entwickelnde private kapitalgedeckte Leibrentenversicherungen.

   Beim Sonderausgabenabzug gilt für alle Steuerpflichtigen ein einheitlicher Höchstbetrag, der im Jahre 2025, in der Endstufe, 20 000 Euro beträgt. Das ermöglicht eine angemessene steuerlich geförderte Altersvorsorge auch außerhalb der gesetzlichen Pflichtversicherungssysteme.

   Die geleisteten Altersvorsorgebeiträge, also die Arbeitnehmer- und die Arbeitgeberbeiträge, werden ab dem Jahr 2005, beginnend mit einem Prozentsatz von 60 Prozent, jährlich um 2 Punkte ansteigend, abziehbar sein. Zur Vermeidung von Schlechterstellungen bleibt der Abzug von Vorsorgeaufwendungen nach bisherigem Recht jedenfalls für einen Übergangszeitraum gewährleistet. Er wird durch eine automatische Günstigerprüfung im Besteuerungsverfahren sichergestellt werden. Im Jahr 2025 werden Altersvorsorgebeiträge in vollem Umfang, also dann zu 100 Prozent, von der Steuer abziehbar sein.

   Leibrenten, die auf abziehbaren Altersvorsorgebeiträgen beruhen, werden ab dem Jahre 2005 einheitlich - auch bei Selbstständigen - zu 50 Prozent der Besteuerung unterliegen. Dies gilt für alle Bestandsrenten und die in diesem Jahr erstmals gezahlten Renten. Der steuerbare Anteil der Rente wird für jeden neu hinzukommenden Rentnerjahrgang bis zum Jahr 2040 in Schritten angehoben. Erst bei Personen, die im Jahre 2040 in Rente gehen, wird die Rente zu 100 Prozent besteuert.

   Der steuerbare Anteil der Rente wird für jeden neu hinzukommenden Rentnerjahrgang bis zum Jahre 2020 in Schritten von 2 Prozent auf 80 Prozent und anschließend in Schritten von 1 Prozent bis zum Jahre 2040 auf 100 Prozent angehoben.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute ist nicht die Gelegenheit, auf alle Einzelheiten des Gesetzentwurfes einzugehen. Dazu wird es sicherlich in den Ausschüssen vertiefte Gelegenheit geben. Die Bürgerinnen und Bürger können sich jedenfalls darauf verlassen: Das Gesetz führt zu deutlichen Mindereinnahmen für den Gesamthaushalt. Anders ausgedrückt: Es verbleibt Geld bei den Bürgerinnen und Bürgern.

   Das Gesetz entspricht den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts. Es sorgt für Gleichbehandlung von Rentnern und Pensionären und es sorgt für Gleichbehandlung der Aktiven und der nicht mehr Aktiven. Ganz wichtig ist: Die aktiv Beschäftigten erhalten mehr Spielraum zu weiterer privater Vorsorge.

   Ich hoffe, wir können dieses Gesetz in diesem Hause mit großem Einvernehmen verabschieden, weil es der steuerpolitischen Linie von uns allen entspricht. Ich denke, dies wird möglich sein. Ich glaube, dass es sich sehr gut in eine gesamte Nachhaltigkeitsstrategie einpasst. Die Hauptaufgabe, die vor uns liegt, ist es, die Aktiven in den Stand zu versetzen, auch selbst für ihren Lebensabend vorzusorgen und gleichzeitig auch für ihre Familien zu sorgen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Professor Andreas Pinkwart, FDP-Fraktion.

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen wird zum einen die steuerliche Gleichbehandlung der unterschiedlichen Altersvorsorgewege angestrebt. Ob dies mit dem vorliegenden Entwurf in hinreichendem Maße gelingt, wird sich in den weiteren Beratungen, auch in der Anhörung des Finanzausschusses, noch erweisen müssen.

   Ich möchte jedenfalls bereits hier Zweifel anmelden, ob die vorgesehene Gleichbehandlung von Alterseinkünften aus unselbstständiger Tätigkeit mit jenen aus selbstständiger Tätigkeit tatsächlich der geeignete Weg ist. Es ist ja fraglich, ob es fair ist, wenn Ungleiches gleich besteuert wird. Wir jedenfalls halten schon einmal fest, dass es gelingen muss, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken an diesem Entwurf angemeldet werden können, weil es zu einer Doppelbesteuerung kommen könnte.

   Zum anderen wird mit dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung eine Weichenstellung zur langfristigen Stabilisierung der Anzahl der Steuerzahler bei der direkten Besteuerung erreicht, selbst wenn das Aufkommensniveau dadurch abgesenkt werden könnte. XXXXX

Aber es ist natürlich wichtig, dass sich möglichst viele Bürgerinnen und Bürger an dieser Besteuerung beteiligen. Denn dann haben alle Wählerinnen und Wähler auch ein Interesse daran, dass es zu einer insgesamt erträglichen Besteuerung kommt,

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist richtig!)

und damit wird die Bereitschaft der Menschen insgesamt groß, zu niedrigen und, wie ich hoffe, dann auch einfachen Steuern zu kommen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Indem mit diesem Entwurf schließlich der Versuch unternommen wird, bei der so genannten Riester-Rente zu der für eine breitere Akzeptanz notwendigen Vereinfachung zu gelangen, versucht Rot-Grün endlich, einen weiteren gravierenden Fehler der bisherigen Regierungsarbeit zu korrigieren. In Wahrheit, meine Damen und Herren, sind Sie bei der Riester-Rente bisher zu kurz gesprungen und haben sich im Bürokratiedickicht verheddert. Dies muss jetzt grundlegend in Ordnung gebracht werden.

   Hierzu ist es erstens notwendig, eine grundlegende Vereinfachung und Entbürokratisierung des Förderverfahrens sicherzustellen und zweitens ein schnelles Vorziehen und eine Dynamisierung des förderfähigen Höchstbetrages sowie die Öffnung der privaten Altersvorsorge für alle einkommensteuerpflichtigen Bevölkerungsgruppen vorzusehen. Schließlich muss die Herstellung des Vertrauensschutzes im Bereich der Altersvorsorge dadurch sichergestellt werden, dass man mit dieser Reform - gerade bei der Riester-Rente, also der Kapitaldeckung - nicht erneut zu kurz springt, wie es der Entwurf zunächst vermuten lässt. Vielmehr müssen wir an dieser Stelle durch eine echte kapitalgedeckte Vorsorgesäule zu einer grundlegenden Verbesserung kommen.

(Beifall bei der FDP)

   Schließlich möchte ich für meine Fraktion anmerken, dass die nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte eigentlich das Einfallstor sein sollte, um im kommenden Jahr nicht nur an dieser Stelle, sondern beim gesamten Steuerrecht zu einer grundlegenden Vereinfachung und Steuersenkung zu kommen. Die FDP-Fraktion hat hierzu einen umfassenden Entwurf vorgelegt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Jawohl!)

   Die Regierung hatte angekündigt, auch sie wolle dem Parlament noch Vorschläge zur Steuervereinfachung vorlegen. Hier ist sie in der Pflicht, ihren Beitrag zu leisten. Aus unserer Sicht wäre es dabei insbesondere wichtig, dass in Deutschland endlich Kinder mit Erwachsenen steuerrechtlich gleichgestellt würden. Denn das wäre eine entscheidende Voraussetzung dafür, auf dem Gebiet der Familienförderung und damit bei der Sicherung unserer Alterssicherungssysteme zu der gebotenen Nachhaltigkeit zu kommen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat die Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Sie wollen einen Nachhaltigkeitsfaktor in die Rentenversicherung einführen. Was Sie als Nachhaltigkeitsfaktor bezeichnen, ist aber schlicht ein Rentenkürzungsfaktor. Ich finde, Sie sollten die Dinge beim Namen nennen. Es geht um Rentenkürzungen für alle: für die, die schon eine Rente bekommen, und für die, die heute noch arbeiten oder arbeitslos sind. Das ist weder sozial noch gerecht.

   Ich werde Ihnen ganz kurz erläutern, was die PDS auf dem Gebiet der Rente vorschlägt. Wir wollen eine Erwerbstätigenversicherung, das heißt eine Rente von allen für alle.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Beamte, Abgeordnete, Freiberufler und Selbstständige sollen in die Rentenkasse einzahlen. Damit wird die solidarische Basis für die Rentenversicherung erweitert.

   Wir wollen eine Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze.

   Außerdem schlagen wir als PDS vor, den Arbeitgeberbeitrag zu den Sozialversicherungen von der Lohnsumme auf die Bruttowertschöpfung umzustellen. Damit könnte man erreichen, dass der Abbau von Arbeitsplätzen nicht länger belohnt wird. Wir wollen die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zur Grundlage der Berechnungen machen und dazu beitragen, dass Arbeitsplätze erhalten bleiben.

   Die PDS lehnt die Erhöhung des Renteneintrittsalters ab. Die im Nachhaltigkeitsgesetz vorgesehene Anhebung des frühestmöglichen Renteneintrittsalters auf 63 Jahre und die sehr engen Vertrauensschutzregelungen sind keine akzeptable Lösung. Stattdessen schlagen wir vor, Modelle für flexible Altersgrenzen zu entwickeln. Diese Modelle müssen erstens der Tatsache Rechnung tragen, dass besonders belastete Beschäftigte aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Berufsleben ausscheiden. Zweitens wissen wir doch alle, dass heutige Erwerbslebensläufe nicht mehr so wie früher sind. Diese Modelle müssen den heutigen Erwerbslebensläufen also stärker gerecht werden.

   Die Einführung eines Mindestsockels in der gesetzlichen Rentenversicherung kann zur Verhinderung von Altersarmut beitragen. Dazu schlagen wir von der PDS ein Modell vor, das für Geringverdienende eine Rente mit Grundbetrag vorsieht. Ziel soll sein, dass diese Menschen für eine langjährige Versicherungszeit trotz niedriger eingezahlter Beiträge einen existenzsichernden Grundbetrag aus der gesetzlichen Rentenversicherung erhalten. Wer mindestens 30 Jahre lang in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt und sich in dieser Zeit mindestens 15 Entgeltpunkte erarbeitet hat, müsste aus unserer Sicht eine Rente erhalten, die mindestens 30 Entgeltpunkten entspricht. Damit würde man erreichen, dass die Rentner weitgehend unabhängig von der Sozialhilfe werden. Denn es kann doch nicht sein, dass jemand sein Leben lang gearbeitet und eingezahlt hat und im Alter zum Sozialamt gehen muss!

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Es sind in der jüngeren Vergangenheit auf den Gebieten der Alterssicherung von Frauen und der Familienarbeit zwar Verbesserungen erreicht worden - das ist in dieser Debatte schon gesagt worden -, diese halten wir aber nicht für ausreichend. Wir als PDS setzen uns für die Anerkennung einer Kindererziehungszeit von drei Jahren für jedes Kind ein. Dies muss auch für die vor dem 1. Januar 1992 geborenen Kinder gelten. Die Zeiten für Kindererziehung bei gleichzeitiger Erwerbstätigkeit von Frauen - das gilt auch für Männer; denn auch Männer nehmen Erziehungszeiten in Anspruch - müssen besser angerechnet werden.

   Meine Damen und Herren, ich habe Ihnen damit kurz und bündig das Rentenkonzept der PDS dargestellt. Es ist sozial und solidarisch. Wir wollen eine Rente von allen für alle. Wenn Sie unsere Empfehlungen in Ihren Gesetzentwurf aufnehmen würden, dann wäre das einen Schritt zur Verbesserung Ihrer Vorschläge.

   Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Gerald Weiß, CDU/CSU-Fraktion.

Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte in meiner Rede einige Aspekte meiner Vorrednerinnen und Vorredner aufnehmen. Das Gesetz, das wir heute behandeln, ist ein Fehlerkorrekturgesetz von Rot-Grün. Nach Jahren der Irrungen und Wirrungen in der Rentenpolitik, in denen wir einer Kanonade von Rentengesetzen ausgesetzt waren - diese haben die Rentnerinnen und Rentner, die Beitragszahler und die Steuerzahler schlechter gestellt -,

(Erika Lotz (SPD): Lieber Himmel, das war bei euch doch auch so!)

erleben wir nun den Versuch, gravierende Irrtümer zu beseitigen. Ich gestehe Ihnen zu, dass mit dem Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, die Chance besteht, dass Sie nach fünf Jahren das eine oder andere richtig machen. Die Wahrscheinlichkeit aber, dass Sie wieder gravierende Fehler machen, ist größer.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Jedenfalls dann, wenn sie es ohne uns machen!)

   Ich möchte mit dem Titel Ihres Gesetzentwurfs beginnen, Frau Schmidt. Sie nennen es Rentenversicherungs-Nachhaltigkeitsgesetz. Da darin allerdings noch nicht einmal eine Familienkomponente vorgesehen ist, verdient es diesen Namen nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Erika Lotz (SPD): Sie wollen das wieder zulasten der Beitragszahler machen! Weitere Irrungen und Wirrungen setzen sich fort! - Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr müsst mal sagen, wie ihr das finanzieren wollt! Wir haben hier doch keine Füllhörner!)

Um den Generationenvertrag überhaupt fortsetzen zu können, ist es am wichtigsten, dass es auch Folgegenerationen gibt. Wenn diese partiell ausbleiben, dann liegt das unter anderem an der unzureichenden Familienförderung.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Finanzierungskonzepte, kein Wunschzettel, auch wenn bald Weihnachten ist!)

Es ist zwingend notwendig, dass es für Erziehung mehr Rente gibt und dass Erziehende niedrigere Beiträge zahlen müssen. Jedes Nachhaltigkeitsgesetz zur Rente, das diesem Anspruch nicht genügt, ist nichts wert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Als weiteren Aspekt möchte ich die Riester-Rente ansprechen; wie der Kollege Storm nenne ich sie lieber kapitalgedeckte Förderrente. Sie wurde von Ihnen über den grünen Klee gelobt, obwohl Sie wussten, dass Hunderttausende von Verträgen gekündigt wurden. Vor dem Hintergrund des heute eingebrachten Gesetzentwurfs loben Sie nun die Entbürokratisierung der Riester-Rente, die Sie sich vorgenommen haben. Das haben wir Ihnen doch jahrelang vorgehalten.

   Ich muss sagen: Das Risiko, dass Sie bei dieser wünschenswerten Entbürokratisierung der Riester-Rente wieder auf halbem Wege stehen bleiben, ist sehr groß.

(Erika Lotz (SPD): Ihr hattet euch gar nicht auf den Weg begeben!)

Die Kreditwirtschaft, die Fachwelt, spricht von einer reinen Augenwischerei. Die Reduzierung der Zertifizierungskriterien für die Riester-Rente sei lediglich eine redaktionelle Neustrukturierung und laufe ins Leere, sagt der Zentrale Kreditausschuss. Das ist inhaltlich keine wirkliche Verbesserung.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das genügt nicht!)

Ihr eigenes Finanzministerium hat zum Ziel, das mit diesem Gesetz verfolgt wird, mit entwaffnender Offenheit gesagt: Sachlich zusammenhängende Kriterien werden zusammengefasst; auf Anforderungen, die an anderer Stelle hinreichend geregelt sind, wird verzichtet. Das ist keine Entbürokratisierung, das ist doch nur eine Verkürzung des Gesetzestextes.

(Beifall bei der CDU/CSU - Erika Lotz (SPD): Das ist auch schon mal was wert!)

   Es reicht nicht aus, von elf auf fünf Kriterien herunterzugehen. Bisher haben Sie keine Vereinfachungen erzielt. Frau Schmidt, wenn man Ihnen etwas Positives zugestehen will, dann kann man sagen, dass vielleicht eine Vereinfachung intendiert ist.

(Peter Dreßen (SPD): Wollen Sie den Vertrauensschutz ganz abschaffen? - Erika Lotz (SPD): Sie müssen sich nicht genieren, wenn Sie etwas Gutes sagen wollen!)

   Wir halten Ihnen noch einmal entgegen, Frau Lotz: Wir wollen nur zwei Kriterien, nämlich Langfristigkeit und Sicherheit; das reicht. Im Übrigen wollen wir Wahlfreiheit, Anlagefreiheit und Entscheidungsfreiheit für den Einzelnen, der für sein Alter vorsorgen will.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Freiheit!)

Das ist die freiheitliche Alternative.

(Peter Dreßen (SPD): Die hat er doch jetzt schon!)

Sie kommen von diesem Bürokratiemonstrum einfach nicht weg.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer zahlt es euch?)

   Ich komme nun zur veränderten Rentenformel. Ihre jetzige Konstruktion ist sehr kompliziert. Es gibt zwei Faktoren: den weiter wirkenden Riester-Faktor und einen Rentendämpfungsfaktor. Der neue Nachhaltigkeitsfaktor, der ummodellierte blümsche Rentenfaktor, den Sie einmal als unanständig bezeichnet und aus der Rentenformel herausgeschmissen haben, soll jetzt wiederkehren. Welcher normale Mensch in Deutschland soll diese komplizierte Mechanik, diese komplizierte Rentenformel begreifen?

(Otto Fricke (FDP): Professoren!)

Wir werden uns die Auswirkungen der Dopplung dieser beiden Dämpfungs- und Bremsfaktoren auf die Renten genau anschauen. Ich bekräftige das, was der Kollege Zöller eben gesagt hat: Nach lebenslangem Beitragszahlen darf und kann die Rente im Alter der Sozialhilfe nicht zum Verwechseln ähnlich sein.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber es ist doch nun einmal so, Herr Weiß! Es wird auch nicht mehr besser werden!)

Das wäre weder leistungs- noch lastengerecht.

   Wir werden an diesem Gesetzeswerk konstruktiv mitarbeiten. Manches hat positive Ansätze, manches führt nicht weiter und manches führt in die Irre. Gehen wir an die Arbeit!

   Danke.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Nächster Redner ist der Kollege Horst Schild, SPD-Fraktion.

Horst Schild (SPD):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Weiß, zumindest das Letzte stimmt versöhnlich, nämlich die Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir müssen euch ja helfen! Alleine schafft ihr es ja nicht!)

- Nein.

   Eines lassen Sie mich aber auch einmal deutlich sagen. Einen Gesetzentwurf zu diskreditieren, weil der Zentrale Kreditausschuss an der Fassung der Zertifizierungskriterien Kritik übt, ist für uns kein Maßstab. Wir nehmen so etwas durchaus ernst und werden das auch beachten,

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Dann machen Sie mal so weiter!)

aber die Kreditwirtschaft hat nun wirklich ein anderes Interesse an der Riester-Rente als diejenigen, die im Alter darauf bauen müssen, dass sie neben der gesetzlichen Rente noch eine zusätzliche kapitalgedeckte Einkommensart haben.

(Beifall bei der SPD)

Das muss nicht mit den Vorstellungen des Zentralen Kreditausschusses identisch sein; der denkt eher an die in seinem Bereich organisierten Banken sowie Kredit- und Investmentinstitute.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Erlauben Sie mir noch einen zweiten Hinweis. Herr Kollege Storm, Sie haben heute - wie schon häufig in der Vergangenheit - Ihren Beitrag wieder damit begonnen, die Riester-Rente zu diskreditieren.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ein Erfolg ist sie wirklich nicht, dass muss man sagen!)

Ich gebe zu, Herr Kollege Kolb, auch wir haben bisweilen Erwartungen gehabt, die über das, was bislang vorliegt, hinausgehen; das ist völlig unbestritten. Aber zu sagen, es sei kein wesentlicher Schritt nach vorn, wenn vier bis fünf Millionen Verträge im Bereich der privaten Altersvorsorge abgeschlossen worden sind,

(Erika Lotz (SPD): Unverschämt! - Andreas Storm (CDU/CSU): Es gibt aber 35 Millionen Berechtigte!)

ist doch eine Diskreditionierung der von uns allen gemeinsam eingeschlagenen Richtung.

   Man muss zur Kenntnis nehmen, dass die Riester-Rente ein völlig neues Produkt gewesen ist. Sich für die Riester-Rente zu entscheiden setzt die Entscheidung voraus, sich für viele Jahre zu binden. Viele Menschen in diesem Lande sind aber schon in der Vergangenheit im Bereich der Vermögensbildung und im Bereich der Immobilien Bindungen eingegangen. Man muss also in Kauf nehmen, dass es vielleicht einige Jahre dauert, bis die Riester-Rente einen wesentlich höheren Anteil von Menschen in diesem Lande erreicht als bisher.

   Es hilft den Menschen nicht, wenn Sie diese Form der privaten Altersvorsorge weiterhin diskreditieren;

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

denn damit treffen Sie nicht in erster Linie uns, sondern Sie verunsichern Millionen von Menschen, die vor der Frage stehen, ob sie private Altersvorsorge betreiben und sich engagieren sollen.

(Erika Lotz (SPD): Verantwortungslos! - Peter Dreßen (SPD): Das wollen die doch gar nicht!)

Wir haben Verständnis dafür gehabt, dass Sie damals vor der Bundestagswahl gesagt haben: Wenn wir an die Regierung kommen, werden wir das alles ändern. Nun sind Sie nicht an die Regierung gekommen. Ich hoffe, Sie sind jetzt bereit, in dieser Frage konstruktiv mit uns zusammenzuarbeiten.

   Lassen Sie mich noch kurz darauf eingehen, was wir mit dem Alterseinkünftegesetz erreichen wollen. Wir wollen die Einführung der nachgelagerten Besteuerung, und zwar für nahezu alle Alterseinkünfte. In diesem Punkt waren wir uns in der Vergangenheit weitestgehend einig. Ich hoffe, dass wir im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens feststellen, dass das auch tragfähig ist; denn wir wollen das gerne gemeinsam machen und wir müssen das gemeinsam machen. Das ist auch im Interesse der Menschen, die sich darauf verlassen können müssen, wenn sie zukünftig privat und betrieblich vorsorgen.

   Damit bin ich beim zweiten Punkt. Wir wollen die betriebliche Altersvorsorge stärken. Die betriebliche Altersvorsorge ist seit der Verabschiedung des Altersvermögensgesetzes eine Erfolgsstory; das ist unbestritten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie reden sich da was ein!)

Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist so viel für die betriebliche Altersvorsorge getan worden wie seit der Verabschiedung des Altersvermögensgesetzes.

(Zuruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP))

- Die betriebliche Altersvorsorge, Herr Kolb, ist doch nun wirklich nachvollziehbar und auch relativ einfach. Wir haben im Übrigen nur zusätzliche Vereinfachungen in die betriebliche Altersvorsorge hineingebracht, keine Erschwernisse.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das will ja schon etwas heißen bei Ihnen!)

- Das will nichts heißen, das ist so. Sie sollten das einmal zur Kenntnis nehmen.

   Über die Vereinfachung der Förderung der privaten Altersvorsorge haben wir gesprochen. Wir gehen im Übrigen - lassen Sie mich das deutlich sagen - weit über das hinaus, was uns das Bundesverfassungsgericht am 6. März letzten Jahres auferlegt hat.

   Wir alle haben uns - das darf man zugestehen - in der Vergangenheit schwer getan. Wir wussten seit dem ersten Urteil des Bundesverfassungsgerichts zu diesem Thema im Jahre 1980, dass der Gesetzgeber handeln muss.

(Peter Dreßen (SPD): So ist es!)

Wir alle haben uns davor gedrückt.

(Erika Lotz (SPD): 16 Jahre! - Gegenruf des Abg. Gerald Weiß (Groß-Gerau) (CDU/CSU): Fünf Jahre!)

Man darf der Fairness halber sagen: Auch die CDU/CSU hat in ihren Petersberger Beschlüssen einen Versuch gestartet, in die 50-prozentige Besteuerung einzusteigen. Das mag vielleicht - das sage ich in aller Deutlichkeit - vor Jahren noch gereicht haben, um den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts Rechnung zu tragen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Aber das war doch der richtige Weg!)

Heute aber würde das nicht mehr ausreichen, um dem Buchstaben des Urteils Rechnung zu tragen.

Wir gehen also deutlich weiter. Wir wollen im Zuge des Verfahrens - wir gehen davon aus, dass dieser Gesetzentwurf das hergibt - den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts Rechnung tragen. Herr Kollege Pinkwart, Sie haben vorhin gesagt, man dürfe Gleiches nicht mit Ungleichem vergleichen. Ich rate Ihnen: Schauen Sie sich das Urteil noch einmal an! Da Sie Jurist sind und davon mehr verstehen als ich, werden Sie erkennen: Das Bundesverfassungsgericht hat auf die Einkünfte im Alter und das Prinzip der Leistungsfähigkeit abgehoben. Natürlich müssen wir berücksichtigen, dass die Doppelbesteuerung, die uns das Bundesverfassungsgericht mit Recht untersagt, vermieden wird. Das greifen wir gerne auf. Im Zuge des weiteren Verfahrens werden wir dieses Ziel im Auge behalten. Ich gehe davon aus, dass dies ein zentraler Gegenstand der öffentlichen Anhörung sein wird.

   Hier sind Forderungen erhoben worden, man möge dieses und jenes noch einbeziehen. Dafür haben wir Verständnis. Aber das Bundesverfassungsgericht hat uns auch vor dem Hintergrund der finanziellen Auswirkungen auf den Haushalt ausdrücklich zugestanden, die Übergangsregelung langfristig über mindestens eine Generation Schritt für Schritt umzusetzen. Jeder, der hier in Berlin oder in einem Land Verantwortung trägt, wird darauf achten müssen. Bei der Frage der steuerlichen Behandlung von Alterseinkünften haben wir eine Regelung gefunden, die dem Einkommensteuerrecht folgt. Jeder Euro, der dafür zusätzlich ausgegeben werden muss, muss von den Ländern und Kommunen mitgetragen werden.

   Ich will eines deutlich machen: Die damalige Präsidentin des Bundesverfassungsgerichts, Frau Limbach, hat seinerzeit ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für Rentner kein Anlass zu Angst oder Aufruhr bestehe. Niedrige und mittlere Renten würden auch zukünftig nicht belastet. Das gilt auch für unseren Gesetzentwurf. Bestandsrenten und Neufälle im Jahr 2005 - Frau Staatssekretärin hat dies vorhin schon angesprochen - sind bis zu einer Größenordnung von 19 000 Euro bei Alleinstehenden und von 38 000 Euro bei Verheirateten steuerfrei. Das heißt, Durchschnittsrenten, zu denen noch durchschnittliche Betriebsrenten hinzukommen, bleiben auch zukünftig steuerfrei.

   Ich hoffe, dass wir uns im Laufe des Verfahrens - aus Ihren Reihen gibt es einige positive Signale; das verkennen wir nicht - darauf einigen, zum 1. Januar 2005 eine den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts gerechtwerdende Lösung zu finden.

   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Klaus-Peter Flosbach, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Über die andauernde Rentendiskussion sind die Menschen zutiefst beunruhigt. Sie fragen sich nicht nur: Wie sicher ist meine Rente? Sie wollen auch wissen: Was bleibt in Zukunft nach Abzug der Steuern noch übrig? Diese Rentendiskussion verfolgen viele Menschen - nicht nur Rentner -,auch sehr viele junge Leute. Sie fragen sich: Was kann ich heute für meine zukünftige Rente zurücklegen, und zwar steuerfrei? Auf der anderen Seite will natürlich jeder wissen: Was bleibt mir netto von der Altersrente übrig?

   Das Interesse ist deshalb so hoch, weil nach dem vorliegenden Gesetzentwurf - Frau Bender hat darauf hingewiesen - in Zukunft immerhin zusätzlich 1,3 Millionen Menschen Steuern zahlen müssen. Sie haben allerdings nicht erwähnt, Frau Bender, dass danach 2 Millionen Rentner mehr Steuern als bisher zahlen müssen. Das sollten Sie den Bürgern deutlich machen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie haben heute ein neues Besteuerungskonzept für die Rente vorgelegt. Allerdings ist Ihr Entwurf nicht geeignet, um den Bürgern klar, transparent und verständlich aufzuzeigen, was auf sie zukommt.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Das wäre ja mal etwas Neues!)

Gerade für die Rentner ist die Rentenhöhe und die steuerliche Verlässlichkeit besonders wichtig. Aus Gründen des Vertrauensschutzes können im Bereich der Alterversorgung nicht ständig beliebig neue Änderungen eingeführt werden, wie Sie es bei der Riester-Rente gemacht haben.

(Peter Dreßen (SPD): Was reden Sie da?)

   Wir können uns kein zweites Riester-Modell mehr leisten. Von dem ersten Modell sind die Menschen zutiefst enttäuscht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Horst Schild (SPD): Das Riester-Modell ist ein Fördermodell und kein Steuermodell!)

Herr Schild, die jetzt vorliegenden Änderungen der Riester-Rente beweisen doch, dass Ihr Modell restlos misslungen ist. Auf der ersten Seite Ihrer Begründung schreiben Sie, Sie wollten das Riester-Modell noch unbürokratischer machen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist ja Satire!)

Das heißt, es wäre vorher unbürokratisch gewesen. Sie folgen nicht einmal Ihrer eigenen Rürup-Kommission, die deutlich gemacht hat, dass alle einbezogen werden müssten, auch die Selbstständigen und die Landwirte, um die Abgrenzungsschwierigkeiten zu vermeiden.

(Horst Schild (SPD): Sie sind doch Ihrer Herzog-Kommission auch nicht gefolgt!)

Nehmen Sie doch diese Vorschläge auf! Wir alle wissen doch, dass die Riester-Rente ein bürokratisches Monstrum ist.

(Beifall bei der CDU/CSU - Horst Schild (SPD): Das ist doch Unsinn! - Erika Lotz (SPD): Das wird durch Wiederholungen nicht wahrer!)

   Sie wollen allen eine zusätzliche Altersversorgung als Ersatz für die zurückgehende Rente anbieten. Von 35 Millionen möglichen Fällen sind nur in 5 Millionen Fällen Rentenverträge abgeschlossen worden. Das beweist doch, dass das Ganze bürokratisch ist.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ein Flop!)

   Warum haben Sie dieses Gesetz vorgelegt? Das Bundesverfassungsgericht hat am 6. März 2002 die Besteuerung von Beamtenpensionen und Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung für verfassungswidrig erklärt. Wir wissen auch, dass diese Neuordnung zum 1. Januar 2005 notwendig ist. Wir bieten Ihnen eine Zusammenarbeit an, weil der Bundesrat ohnehin zustimmen muss.

(Horst Schild (SPD): Das ist auch notwendig!)

   Die nachgelagerte Besteuerung von Renten ist systematisch und richtig. Es ist ein vernünftiger Grundsatz, dass alle Einkünfte nur einmal versteuert werden müssen. Diese nachgelagerte Besteuerung wird also auch von uns unterstützt, vorausgesetzt, dass auf der Gegenseite die Beiträge für die Altersversorgung nicht aus bereits versteuertem Einkommen bezahlt werden müssen. Herr Professor Pinkwart, Sie haben bereits darauf hingewiesen.

   Da ist das erste Problem. Ab 2005 sollen alle Bestands- und Neurenten zu 50 Prozent der Besteuerung unterworfen werden. Das gilt für alle Rentner, auch für Selbstständige.

(Horst Schild (SPD): Das hatten Sie auch in den Petersberger Beschlüssen!)

Anschließend steigt die Besteuerung, bis sie in 15 Jahren 80 Prozent erreicht hat.

Die Begründung, dass 50 Prozent der Beiträge durch den steuerfreien Arbeitgeberanteil finanziert worden seien, mag richtig sein. Das trifft für Angestellte zu. Aber bei den so genannten freiwillig Pflichtversicherten oder bei denjenigen, die in einem Versorgungswerk sind, trifft dies schon nicht mehr zu. Denn die geringen Abzugsmöglichkeiten sind in der Regel bereits durch Krankenversicherungsbeiträge, Pflegeversicherungsbeiträge, Unfallversicherungsbeiträge und Haftpflichtversicherungsbeiträge aufgezehrt. So sind die Altersvorsorgebeiträge aus bereits versteuertem Einkommen bezahlt worden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist richtig!)

   Wenn das zutrifft - wir wollen das noch prüfen -, dann handelt es sich um eine Doppelbesteuerung. Dies verstößt gegen den vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsatz des Verbotes einer Zweifachbesteuerung. Wenn das also zutrifft, fangen wir wieder von vorne an. Kurios ist zudem, dass man durch die Steigerung der Besteuerung der Renten besser dran ist, je früher man in Rente geht. Bei der Besteuerung des Ertragsanteils war es so, dass man umso weniger Steuern zahlt, je später man in Rente geht. Beim neuen System wird es so sein, dass man umso weniger Steuern zahlt, je früher man in Rente geht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Welch ein Irrsinn!)

   Auch auf der Beitragsseite sollten wir einmal genau hinsehen, was zukünftig als Vorsorgeaufwendungen abziehbar ist. Hier ist eine Staffelung mit anfangs 60 Prozent Abzugsbeträgen vorgesehen. Auch wir sind der Meinung - Sie haben das Merz-Konzept angesprochen -, dass ein laufendes Einkommen im Rentenalter die Grundlage des steuerlichen Abzugs von Vorsorgeaufwendungen sein muss. Sie ist die Grundlage, aber sie ist nicht alles. Das Problem bei Ihrem Konzept ist, dass Sie überhaupt nur drei Wahlmöglichkeiten eröffnen. Sie haben erstens die gesetzliche Rentenversicherung, zweitens das Versorgungswerk bei den freien Berufen und als dritte Säule bieten Sie die neu zu entwickelnde private Leibrentenversicherung auf Kapitalbasis an.

(Horst Schild (SPD): Die gibt es schon!)

- Ich komme noch darauf.

   Dieses neue Angebot an die Bürger ist nicht vererbbar, nicht beleihbar, nicht veräußerbar, nicht übertragbar, nicht vorzeitig auszahlbar und nicht kapitalisierbar.

(Peter Dreßen (SPD): Sollen sie die veräußern, oder was? Das ist bei der Rente so!)

Die Anforderungen übertreffen die Bedingungen der Riester-Rente deutlich hinsichtlich der Strenge und der Regelungsdichte. Glauben Sie ernsthaft, dass Sie bei den Bürgern Begeisterungsstürme ernten werden und dass Sie die Menschen ermutigen können, für das Alter vorzusorgen, wenn diese sechs Nein demnächst von den Plakatsäulen auf die Menschen einstürzen? Die Menschen fühlen sich in ihrem Eigentum bedroht, weil es eingeengt wird.

(Peter Dreßen (SPD): Das ist doch falsch, was Sie erzählen! - Gegenruf von der CDU/CSU: Hören Sie doch einmal zu! Der versteht doch wenigstens etwas davon!)

   Wir sollten uns genau ansehen, was Vorsorgeprodukte sind und was der Finanzmarkt bieten kann. Im Finanzausschuss - Herr Schild ist Mitglied - diskutieren wir derzeit darüber, welche Möglichkeiten der Finanzmarkt hergibt, die bedürfnisgerecht sind und vom Verbraucher akzeptiert werden. Ich möchte einige Beispiele nennen:

   Erstens. Warum dürfen eigentlich Spar- und Fondsprodukte nicht als Vorsorgeprodukte anerkannt werden - bei der Riester-Rente ist das der Fall -, wenn die Auszahlung frühestens zum 60. Lebensjahr erfolgt und eine laufende Auszahlung bis zum 85. Lebensjahr garantiert wird. Darüber sollten wir nachdenken. Bei der Riester-Rente ist sogar eine 30-prozentige Kapitalauszahlung möglich. Den anderen Privatvorsorgern verwehren wir das.

   Zweitens. In der betrieblichen Altersvorsorge folgen Sie nicht den Vorschlägen von Herrn Rürup. Die Lohnsteuerpauschalierung in der Direktversicherung wurde aufgehoben. Sowohl Herr Rürup als auch die Arbeitsgemeinschaft für betriebliche Altersversorgung sagt deutlich: Da die betrieblichen Direktversicherungen demnächst versteuert werden, müssen die Beträge angehoben und höhere Vorsorgemöglichkeiten im Bereich der betrieblichen Altersversorgung erlaubt werden.

   Drittens. Es gibt eine Vielzahl von privaten Leibrentenversicherungen - das bedeutet eine Vielzahl unterschiedlicher Möglichkeiten -, die eine lebenslange Rente garantieren, die aber auch vererbbar sein können. Tritt der Todesfall kurz nach Beginn der Auszahlung der Leibrente ein, kann ein größerer Teil des Kapitals an die Hinterbliebenen ausgeschüttet werden. Warum verbauen wir den Menschen die Möglichkeiten? Ein Single hat ganz andere Interessen als ein Familienverbund. Ein Familienverbund denkt natürlich an die Vererbung.

   Viertens. Rot-Grün will die Erträge aus ab 2005 neu abgeschlossenen Verträgen über eine Kapitalversicherung oder eine fondsgebundene Lebensversicherung voll steuerpflichtig machen. Kursgewinne aus Einzelpapieren oder Fonds sind hingegen nach einem Jahr steuerfrei. Das heißt, wenn jemand im Rahmen eines Versicherungsvertrages langfristig für das Alter vorsorgt, ist der Ertrag voll steuerpflichtig, während der einzelne Kapitalanleger steuerfrei gestellt wird. Wir sollten darüber nachdenken, ob das der richtige Weg ist. Das ist systematisch falsch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir werfen Ihnen vor, dass Sie immer wieder unsystematische Einzelfallentscheidungen treffen, anstatt das große und wichtige Thema der Altersversorgung in eine Neuordnung des gesamten Steuersystems, wie es zum Beispiel Friedrich Merz vorsieht, einzubetten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Zumindest sollten Sie diesen Komplex in die Besteuerung der Zinsgewinne, der Dividenden und der Veräußerungsgewinne einbetten.

   Ihr Gesetzentwurf hat einen weiteren Mangel, der sich wie ein rot-grüner Faden durch alle Steuergesetze dieses Jahres zieht. Sie peitschen das Gesetz - die Drucksache stammt vom 9. Dezember - mit hohem Tempo ohne ausreichende Beratung durch. Der Deutsche Steuerberaterverband schreibt in seiner ersten Stellungnahme vom 13. November 2003 an das Finanzministerium:

Aufseiten der Verbände kann man sich, bedingt durch die Kürze der eingeräumten Fristen,

- neun Tage -

nicht immer des Eindrucks erwehren, dass eine Stellungnahme der entsprechenden Verbände in Wirklichkeit gar nicht gewollt ist.

Der Zentrale Kreditausschuss spricht von einer ungewöhnlichen Kürze der Konsultationsfrist, die nicht der Bedeutung des Gesetzesvorhabens gerecht wird.

(Horst Schild (SPD): Wir machen doch noch eine Anhörung!)

- Ja, die Anhörung kommt. Das alles wird aber innerhalb von zwei Monaten nach der Weihnachtspause durchgezogen.

   Die Union bietet Ihnen eine konstruktive Zusammenarbeit an, damit über dieses Thema im Bundestag entschieden wird und wir uns damit nicht erneut lange im Vermittlungsausschuss beschäftigen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) - Horst Schild (SPD): Das ist ein Wort!)

   Ziel der Steuergesetzgebung ist es unseres Erachtens, die Bürger verstärkt zu eigenen Vorsorgeanstrengungen zu bewegen. Hierfür ist es erforderlich, einfache und klare gesetzliche Regelungen zu finden. Diese müssen von den Bürgern verstanden und akzeptiert werden, damit es auch zum gewünschten Verhalten, zur Eigenvorsorge, kommt. Ihr Gesetzentwurf erfüllt diesen Anspruch nicht.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 15/2149 und 15/2150 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Die Vorlage auf Drucksache 15/2150 soll zusätzlich an den Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit, den Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft sowie an den Haushaltsausschuss gemäß § 96 der Geschäftsordnung überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 82. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 12. Dezember 2003,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15083
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