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15. Wahlperiode
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   88. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 29. Januar 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich bitte Sie, sich zu erheben.

   Mit tiefer Betroffenheit haben wir erfahren, dass die Vorsitzende des Petitionsausschusses, unsere Kollegin Marita Sehn, am 18. Januar dieses Jahres, nur wenige Monate vor ihrem 49. Geburtstag, auf tragische Weise ums Leben gekommen ist. Auf einem heimatlichen Spaziergang mit ihrer Familie starb sie bei einem Verkehrsunfall, bei dem ihr Bruder ebenfalls sein Leben verlor und ihr Mann schwer verletzt wurde.

   Marita Sehn wurde am 2. Mai 1955 in Rödern geboren. Die ausgebildete Industriekauffrau trat 1985 in die FDP ein, in der sie ab 1992 zehn Jahre lang Kreisvorsitzende im Rhein-Hunsrück-Kreis und seit 1998 Vorsitzende des Bezirks Eifel-Mosel-Hunsrück sowie Mitglied des Landesvorstands Rheinland-Pfalz war. Schon hier begann sich abzuzeichnen, was für die Kollegin so charakteristisch war: ihre Verwurzelung in der Heimat und ihr Einsatz für die Belange der Menschen ihrer Region.

   Auch dass sie in ihrer Zeit als Bundestagsabgeordnete weiterhin Mitglied im Stadtrat Kirchberg und im Verbandsgemeinderat Kirchberg sowie Kreisbeigeordnete blieb, weist auf ihre Bürgernähe und ihr Engagement für ihre Heimat hin.

   Von 1990 bis 1994 und dann wieder seit 1998 war Marita Sehn Mitglied des Bundestages. Sie übernahm 2002 den Vorsitz des Petitionsausschusses - ein Amt, das ihrem Einsatz für die Belange der Menschen entsprach und das sie mit großer Tatkraft und Einfühlungsvermögen für die Anliegen der Petenten ausfüllte. Mit ihrem Wirken erwarb sie sich die Anerkennung und den Respekt ihrer Kollegen über alle Fraktionsgrenzen hinweg.

   Angesichts des Todes unserer Kollegin Sehn sind wir tief bestürzt und sprechen ihren Angehörigen, insbesondere ihrem Mann, unser tief empfundenes Beileid aus. - Ich danke Ihnen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in einer Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

ZP 1 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katherina Reiche, Dr. Maria Böhmer, Thomas Rachel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (7. HRGÄndG)

- Drucksache 15/2385 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Fortsetzung)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

Ausschuss für Kultur und Medien

Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Christoph Hartmann (Homburg), Cornelia Pieper, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (7. HRGÄndG)

- Drucksache 15/2402 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (Fortsetzung)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren
(Ergänzung zu TOP 24)

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr

- Drucksache 15/2359 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Wirtschaftliche und organisatorische Strukturen der Deutschen Flugsicherung dauerhaft verbessern

- Drucksache 15/2393 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss

ZP 3 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 25)

Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Gesetzes zur Sicherstellung einer Übergangsregelung für die Umsatzbesteuerung von Alt-Sportanlagen

- Drucksache 15/2132 -

(Erste Beratung 86. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- Drucksache 15/2414 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
Heinz Seiffert

ZP 4 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der SPD: Umbau der Bundesagentur für Arbeit zu einem modernen Dienstleister

ZP 5 Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU: Einrichtung eines Zukunftsausschusses

- Drucksache 15/2387 -

ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Auswirkungen des von der Bundesregierung geplanten Emissionshandels auf die deutsche Wirtschaft

   Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.

   Außerdem ist vereinbart worden, den Tagesordnungspunkt 21 - Förderung von Gedenkstätten - abzusetzen. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Aktionsprogramm Informationsgesellschaft Deutschland 2006

- Drucksache 15/2315 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesminister Wolfgang Clement das Wort.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Am Beginn dieses Jahres können wir sagen, dass das Jahr 2004, was die Ökonomie angeht, mit größter Wahrscheinlichkeit besser sein wird als die vergangenen drei Jahre. Wir stehen - die Anzeichen dafür sind unübersehbar - am Beginn eines sehr kräftigen weltwirtschaftlichen Aufschwungs. Nach allem, was wir erkennen können, wird die Weltwirtschaft um 3 bis 7 Prozent wachsen. Der Welthandel wird um 7 bis 8 Prozent zulegen.

In der Bundesrepublik Deutschland, einem Land, das exportstärker ist als die meisten anderen Länder auf der Welt, werden wir von diesem Prozess profitieren. Wir werden von dem ökonomischen Schwung, der insbesondere von den USA, von China und übrigens auch von den EU-Beitrittsländern ausgeht, profitieren und von ihm gewissermaßen mitgerissen. Wir können erwarten, dass aufgrund unserer Exportstärke der Aufschwung auch bei uns in Deutschland Fuß fassen wird und dass durch die Reformmaßnahmen, die wir in den Bereichen Steuern und soziale Sicherungssysteme unternommen haben, die Höhe der Investitionen steigen wird und so schließlich die Binnennachfrage in unserem Land gestärkt wird.

   Alle Indikatoren sprechen für eine solche Entwicklung. Der aktuelle Ifo-Geschäftsklimaindex ist im Vergleich zu denen der letzten drei Jahren am besten ausgefallen. Alle Umfragen weisen darauf hin - das geht über unsere Erwartungen hinaus -, dass die Investitionsneigung der Unternehmen des Mittelstandes steigt. Vielleicht können wir außerdem darauf hoffen, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher in Deutschland wieder etwas kauflustiger in die Geschäfte gehen, als das in der zurückliegenden Zeit der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Alle Signale, die wir empfangen können - eine solche Nachricht ist wohl tuend; vor allem außerhalb Deutschlands hat man oft mehr Zuversicht und Optimismus -, weisen darauf hin, dass in der Europäischen Union insgesamt wie auch in Deutschland der Aufschwung einsetzt. Das zeigt, dass wir mit unseren Reformmaßnahmen - diese sind mit denen in den meisten europäischen Ländern übrigens fast identisch - auf dem richtigen Weg sind.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben das Tal der Tränen durchschritten, haben die Talsohle hinter uns gelassen. Allerdings müssen wir auf unserem Weg Kurs halten und müssen auch weiterhin strukturelle Reformen und die Förderung von Innovationen im Blick haben.

   Welche strukturellen Reformen haben wir uns vorgenommen? - Wie Sie wissen, werden wir die Reformen im Bereich der Rentenversicherung fortsetzen und eine langfristig angelegte Rentenreform auf den Weg bringen. Wir werden die vorgesehenen Reformen am Arbeitsmarkt mit aller Konsequenz realisieren, auch nach dem was sich bei der Bundesagentur für Arbeit zugetragen hat. Die Veränderungen, die vorgesehen sind - diese sind richtig -, werden selbstverständlich mit aller Konsequenz durchgesetzt. Wir müssen und wir werden die Kräfte des Wettbewerbs in Deutschland stärken. Regulierung werden wir an den Stellen, an denen sie nicht mehr notwendig ist, reduzieren. In den Bereichen, in denen der Wettbewerb aber noch nicht funktioniert und noch nicht die erforderlichen Erfolge zeigt - das ist etwa auf den Strom- und Gasmärkten der Fall -, werden wir Regulierungen einführen, um dadurch den Wettbewerb zu forcieren. An den Stellen, an denen bestimmte Kräfte den Aufschwung hemmen könnten, insbesondere an den Stellen, an denen zu viel Bürokratie besteht, werden wir den Prozess des Bürokratieabbaus und des
-umbaus fortsetzen.

   Darüber hinaus müssen wir aber auch die Innovationen fördern. Dazu müssen wir die Kräfte der Modernisierung und der Erneuerung in Deutschland stärken. Auf allen Feldern, insbesondere auf denen, die für die weltwirtschaftliche Entwicklung, die für die Weltmärkte von heute und morgen entscheidend sind, müssen wir präsent sein und Spitzenleistungen vollbringen können. Die Voraussetzungen dazu haben wir zu schaffen: in Bund und Ländern, in der Wirtschaft und in allen Bereichen der Bildung, Wissenschaft und Forschung. Wir haben hier einen Prozess in Gang gesetzt; der Bundeskanzler hat zu einem Gespräch über das Thema Innovationen eingeladen. Meine Kollegin Edelgard Bulmahn wird sich dazu näher äußern.

Es bedarf, um auf diesen wichtigen Feldern erfolgreich sein zu können, einer sehr viel stärkeren und engeren Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und Wirtschaft, vor allen Dingen im Bereich des Mittelstandes. Deshalb haben wir unsere Innovationsoffensive mit einem umfassenden Maßnahmenpaket für den Mittelstand verbunden. Ein Schwerpunkt unserer Bemühungen ist, die Finanzierungsmöglichkeiten für junge Technologieunternehmen und High-Tech-Gründungen zu verbessern. Gemeinsam mit der Europäischen Investitionsbank haben wir einen neuen Dachfonds für Beteiligungskapital geschaffen, in den ERP-Mittel und Mittel der Europäischen Investitionsbank von je 250 Millionen Euro fließen. Wir erwarten, dass wir zusammen mit privaten Gebern in den nächsten fünf Jahren fast 2 Milliarden Euro mobilisieren können, um kleine Unternehmen und neu gegründete Unternehmen, die sich in den neuen Technologien engagieren, unterstützen zu können. Diese brauchen - nehmen Sie nur das Beispiel der Bio- und Gentechnologie - längerfristig angelegte finanzielle Unterstützung. Das wollen wir mit solchen Fonds für Beteiligungskapital schaffen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir, die Bundesrepublik Deutschland, müssen uns am Weltmaßstab messen und vor Augen halten, dass wir auf den wichtigsten Feldern, auf denen der Export eine herausragende Rolle spielt, ganz vorn dabei sein müssen, wenn wir unseren heutigen Standard - unseren Lebensstandard und auch unseren Wohlstand - halten wollen. Ganz vorne sind wir in Deutschland heute im Bereich der Automobilindustrie und des Maschinenbaus. Im Chemiesektor sind wir unternehmerisch nicht mehr so kräftig, wie wir es schon einmal waren, und unsere unternehmerische Power insbesondere im Bereich der pharmazeutischen Industrie ist schon lange nicht mehr ausreichend stark.

   Vor diesem Hintergrund ist die Diskussion um das Unternehmen Aventis und seinen so wichtigen Standort in Deutschland - in Frankfurt am Main - für uns auch von so großer Bedeutung. Deshalb weisen wir auf die Bedeutung dieses Standortes immer wieder hin.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Unternehmen Aventis ist übrigens ein Beispiel für eine gelungene unternehmerische partnerschaftliche deutsch-französische Zusammenarbeit. Ich hoffe sehr, dass sich diese partnerschaftliche Zusammenarbeit auch dann als haltbar erweist, wenn möglicherweise neue unternehmerische Wege eingeschlagen werden.

   Wenn wir auf den Weltmärkten auch in Zukunft ganz vorne dabei sein wollen - das müssen wir, wenn wir an der Spitze bleiben wollen -, dann müssen wir auch auf anderen Feldern Spitzenklasse sein. Ich nenne die Bio- und Gentechnologie, die Medizintechnik, die IuK-Technologie, die neuen Energietechniken, die neuen Verkehrstechniken, die Nanotechnologie und die optischen Technologien. Auf diesen Gebieten müssen wir vorne sein, wenn wir bestehen wollen. Hierauf müssen wir unsere Anstrengungen konzentrieren.

   Wir wissen, dass der Informations- und Kommunikationstechnologie eine herausragende Bedeutung zukommt. Sie ist mehr als alle anderen eine Schlüsseltechnologie, weil sie alle anderen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereiche durchdringt. Deshalb müssen wir der Information und Kommunikation eine so herausragende Bedeutung geben und sie sowohl durch die Politik als auch durch die Wirtschaft entsprechend unterstützen.

   Die Aussichten, die Konjunkturzeichen für die IuK-Wirtschaft in Deutschland sind gut. Auch hier haben wir das Tal der Tränen - die Rückgänge in 2002 und die Stagnation in 2003 - hinter uns gelassen. Die Investitionen in die IuK-Technologien ziehen merklich an. Branchenexperten gehen von einem Wachstum der IT-Branche in Europa von etwa 3 Prozent aus. Die zunehmende Nachfrage nach Mobilfunk und Breitband schafft zusätzliche Wachstumsimpulse. Eine OECD-Studie zeigt, dass die flächendeckende Einführung der Informations- und Kommunikationstechnik in vielen OECD-Ländern schon einen deutlichen Wachstumsbeitrag geleistet hat. Bei uns ist dies noch nicht in genügend großem Umfang der Fall. Wir müssen alles daransetzen, das in den IuK-Technologien steckende Potenzial für mehr Produktivität auszuschöpfen und neue Märkte zu erschließen.

   IuK-Technologien sind unverzichtbar für moderne Wirtschaftsstrukturen. Über 80 Prozent der deutschen Exporte hängen mittlerweile vom Einsatz moderner Informations- und Kommunikationstechnologien ab. Sie sind auch für effizientes Verwaltungshandeln und Bürokratieabbau unverzichtbar. Nicht zuletzt gehören Computer und Internet für die Mehrheit der Deutschen inzwischen zum Alltag - ob bei der Arbeit, zu Hause oder in der Schule. Mit dem Masterplan „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“, den wir im Dezember vergangenen Jahres verabschiedet haben, wollen wir uns den neuen Herausforderungen auf diesem Feld stellen und wir wollen deutlich machen, dass dies ein, wenn nicht sogar der wichtigste Teil der von uns eingeleiteten Innovationsoffensive ist.

   Bereits in der vergangenen Legislaturperiode hatte die Bundesregierung ein strategisches Programm zur Gestaltung der Informationsgesellschaft mit konkreten Zielmarken vorgelegt und durchgeführt. Wir können heute sagen, dass wir die wesentlichen Ziele, die wir uns gesteckt hatten, erreicht haben. Heute sind jede Schule und fast jedes Unternehmen in Deutschland online. Über 50 Prozent der deutschen Bevölkerung nutzt das Internet. Mit „Bund Online“ und „MEDIA@Komm“ sind über 500 E-Government-Lösungen entstanden.

Mit dem Programm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ wollen wir nun den Blick weiter nach vorne richten. Ich möchte Ihnen gerne einige Schwerpunkte zu diesem Programm, das wir in der sehr ansehnlichen Schrift „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ zusammengefasst haben, erläutern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Werbung machen könnt ihr!)

- Herr Kollege, Sie wissen, Werbung muss sein. Das gilt erst recht, wenn es um die Informations- und Kommunikationstechnologien geht.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Welche Beratungsfirma hat das gemacht?)

- Dafür mache ich die Vermarktung; das ist meine Pflicht. Wir setzen hier Schwerpunkte, Herr Kollege Kauder, etwa im Bereich von Breitbandmobilfunk und digitalem Fernsehen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): War es eine Agentur aus NRW?)

   In den vergangenen zwei Jahren ist die Zahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland explodiert. Zurzeit gibt es in Deutschland mehr als 5 Millionen dieser schnellen Internetzugänge, der Breitbandanschlüsse, Herr Kollege Kauder. Bis 2010 soll mehr als die Hälfte der deutschen Haushalte über einen Breitbandinternetanschluss verfügen. Das entspricht etwa 20 Millionen Anschlüssen. Natürlich spielt die Hochgeschwindigkeitsdatenübertragung auch für die Geschäftsprozesse der Unternehmen eine zunehmende Rolle. Mit unserer Breitbandinitiative wollen wir Infrastruktur- und Diensteanbieter näher zusammenbringen. Wir hoffen, damit möglichst viele Dienste verfügbar machen zu können.

   Ganz neue Möglichkeiten mit zusätzlichen Chancen für neue Dienste, für Wachstum und Beschäftigung bietet der Mobilfunk. In Deutschland gibt es inzwischen mehr Mobilfunk- als Festnetzanschlüsse. Die so genannte Penetrationsrate liegt in Deutschland inzwischen bei gut 75 Prozent. Diese hervorragende Mobilfunkverbreitung ist eine gute Basis, um noch in diesem Jahr UMTS voranzubringen. Es wird Zeit, dass dies Wirtschaft und Industrie tun, um UMTS zu fördern.

   Gleichzeitig nimmt in Deutschland die Zahl der Hotspots und der Wireless LANs an exponierten Stellen wie Flughäfen und Bahnhöfen rapide zu. Ganze Städte werden mittlerweile zu Wireless LANs vernetzt. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, mobile Anwendungspotenziale besser auszuschöpfen und zu mehr Wettbewerb bei den Infrastrukturen und Diensten zu kommen.

   Ein weiteres wichtiges Feld ist die digitale Rundfunkübertragung. Die Einführung von DVB-T in Berlin ist gelungen. Ich freue mich sehr, dass weitere Regionen in Nordrhein-Westfalen, aber auch im Norden der Bundesrepublik Deutschland insgesamt in der Ausstattung mit DVB-T rasch folgen werden. Die Einführung steht dort unmittelbar bevor. Das ist der richtige Weg, um unser Ziel zu erreichen, bis spätestens 2010 alle vorhandenen Übertragungswege zu digitalisieren.

   Ein weiterer Schwerpunkt des Programms „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ betrifft den E-Commerce. Im letzten Jahr sind in diesem Bereich in Deutschland etwa 100 Milliarden Euro umgesetzt worden. Das Internet ist damit ein bedeutender Wirtschaftsfaktor geworden. Deutschland ist der mit Abstand wichtigste E-Commerce-Markt in Europa.

   Es besteht aber auf diesem Feld bei mittelständischen Unternehmen, bei Handwerksbetrieben sowie bei kleinen und mittleren Unternehmen insgesamt noch immer Nachholbedarf. Zwar sind fast alle Unternehmen inzwischen online; aber erst 10 Prozent steuern ganze Geschäftsprozesse einschließlich Beschaffung und Vertrieb unternehmensübergreifend über das Internet. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf, damit sich auch die kleinen Unternehmen auf den Wettbewerb einstellen, der spätestens mit dem Beitritt der mittel- und osteuropäischen Staaten zur EU noch stärker als zuvor auf uns zukommt.

   Wir versuchen, mit einem Netz regionaler Kompetenzzentren zahlreiche Beratungsmöglichkeiten aufzubauen und so zu helfen, standardisierte Geschäftsprozesse einzuführen. Unser Ziel ist es, dass bis 2008 mindestens 40 Prozent aller Unternehmen integrierte E-Business-Lösungen über die gesamte Wertschöpfungskette anwenden. Dies wäre - das kann man leicht errechnen - im Vergleich zu heute eine Vervierfachung.

   Auch die E-Cards mit digitaler Signatur sind ein wesentliches Element bei der Modernisierung von Geschäfts- und Verwaltungsprozessen. Wirtschaft und Verwaltung haben sich in einem Signaturbündnis zusammengeschlossen, um die Verbreitung und Anwendung von Signaturkarten gemeinsam voranzubringen und zu beschleunigen. Die Kartenprojekte des Bundes werden wir in einer E-Card-Initiative zusammenfassen, um die damit verbundenen Anwendungen zu synchronisieren und zu harmonisieren.

Gleichzeitig werden wir das Signaturgesetz vereinfachen und durch geeignete rechtliche Rahmenbedingungen klare Einführungstermine vorgeben. Damit schaffen wir Investitionssicherheit für E-Cards. Im Bereich der Gesundheit ist dies mit dem Gesundheitssystemmodernisierungsgesetz schon geschehen. In anderen Bereichen, etwa bei der Jobkarte, bereiten wir zurzeit die Gesetzentwürfe vor. Die nächste Generation des Personalausweises wird ein digitaler Ausweis sein. Auch die Banken haben angekündigt, noch in diesem Jahr Bankkarten mit Signaturfunktion herauszubringen. Damit haben wir endlich flächendeckende Anwendungen für Signaturkarten. Ich denke, das freut Unternehmer und Verbraucher. Das stärkt zugleich die internationale Wettbewerbsfähigkeit unserer innovativen Chipkartenindustrie. Das wird wenig beachtet; aber wenn wir unsere Chancen allein auf diesem Feld gemeinsam mit der Wirtschaft entschlossen wahrnehmen, dann kann Deutschland auf einem neuen, sehr spannenden, sehr interessanten Markt einer der Trendsetter und Vorreiter werden. Wir haben gute Voraussetzungen, dass wir das packen können.

   Unser Aktionsprogramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ beschreibt den Weg in eine zukunftsorientierte Gesellschaft. Wie gesagt, schon heute nutzen mehr als die Hälfte unserer Bürgerinnen und Bürger Computer und Internet. Wir dürfen aber die andere Hälfte nicht übersehen. Eine Informationsgesellschaft kann nur eine offene Gesellschaft sein, wenn sie alle Bürgerinnen und Bürger mitnimmt oder jedenfalls versucht, sie mitzunehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb wollen und müssen wir alle Möglichkeiten nutzen, die uns die neuen Medien bieten. Das ist gut für unser Land. Die Vorbereitungen dazu haben wir getroffen. Ich lade alle ein mitzugehen.

   Ich danke Ihnen sehr für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Martina Krogmann, CDU/CSU-Fraktion.

(Jörg Tauss (SPD): Frau Krogmann, jetzt loben Sie uns mal! Das erwarten wir jetzt!)

Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir befinden uns im historischen Jahr 1, in dem Jahr, in dem die Bundesregierung die Bedeutung von Innovationen entdeckt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Deshalb freue ich mich besonders, dass wir heute über die Informationsgesellschaft sprechen. Sie, Herr Minister, haben in Ihrer Rede erstaunlich oft das Wort „Innovation“ verwendet.

(Wolfgang Clement, Bundesminister: Nicht „erstaunlich“!)

Der Bundeskanzler hat in seiner Rede zur Agenda 2010, in der er aus seiner Sicht die wichtigsten Aufgaben des Jahrzehnts dargelegt hat, das Wort „Innovation“ kein einziges Mal gebraucht - Fehlanzeige! Jetzt muss es umso häufiger herhalten, hoffentlich nicht nur zur Ablenkung nach dem Motto: „Gerster ade, Innovation juchhe“.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Tatsächlich hat die Bundesregierung das Thema Informationsgesellschaft in den letzten Jahren in die Ecke gestellt. Als es zu Hochzeiten der New Economy noch chic war und automatisch Schlagzeilen brachte, sich neben einem PC fotografieren zu lassen, da waren Sie noch alle ganz eifrig dabei. Doch als der so genannte Hype vorbei war, haben Sie dieses Thema einfach zu den Akten gelegt, beiseite gewischt, weil es sich nicht mehr so medienwirksam verkaufen ließ. Das war fatal, denn die wirklichen politischen Herausforderungen, die Informationsgesellschaft zu gestalten und weiterzuentwickeln, hatten gerade erst angefangen. Die Quittung für dieses Desinteresse haben wir schon längst bekommen. In allen entscheidenden Bereichen

(Jörg Tauss (SPD): Sind wir besser geworden!)

ist Deutschland in den letzten Jahren zurückgefallen.

(Jörg Tauss (SPD): Falsch!)

Im aktuellen Jahresbericht des Weltwirtschaftsforums 2003/2004 liegt Deutschland in der Kategorie Informationstechnologie auf dem 38. Platz, noch hinter Tunesien. Die Bundesregierung unternimmt aber nichts gegen die Ursachen dieser Misere, sondern sie erfreut sich an dem zweifelhaften Glanz sorgfältig aus dem Zusammenhang gerissener Zahlen.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist Prosa!)

   Jetzt, da Sie das Thema Innovation auf einmal doch noch entdeckt haben, kommen Sie in klassischer SPD-Manier mit Masterplan und Aktionsprogramm. Während andere Länder, zum Beispiel die skandinavischen Staaten, die USA und Großbritannien, bereits vor Jahren richtigerweise eine allumfassende Gesamtstrategie, eine Vision der Informationsgesellschaft präsentiert haben, kommen Sie mit Plänen und Programmen.

(Albert Deß (CDU/CSU): Es fehlt nur noch der Fünfjahresplan!)

Das ist kleinkariert, piefig und geht an den zentralen Herausforderungen der Informationsgesellschaft völlig vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihre Politik ist zu spät, zu langsam und zu halbherzig.

(Beifall bei der CDU/CSU - Brigitte Schulte (Hameln) (SPD): Unqualifizierter Beitrag!)

Informationsgesellschaft bedeutet eine noch nie da gewesene Enthierarchisierung des Wissens. Ein Mausklick - und jedem steht eine ungeheure Menge an Informationen zur Verfügung. Wissen wird zum wichtigsten Produktionsfaktor. Der Innovationszyklus wird immer kürzer. Die Veränderungen betreffen alle Bereiche: unsere Wirtschaft, unsere Gesellschaft, unser Arbeitsleben, unsere Kultur.

   Die Politik muss der Wirtschaft einen klaren ordnungspolitischen Rahmen geben. Die Politik muss auch allen Gruppen der Bevölkerung die Chance geben, an dieser Entwicklung teilzuhaben, und sie muss die ungeheuren Potenziale der neuen Technologien zur Modernisierung unseres Landes entschlossen nutzen. Eines ist klar: Wir müssen im internationalen Technologiewettlauf schneller werden, viel schneller.

   Wir unterstützen die Initiative „Deutschland-Online“, die gemeinsame E-Government-Strategie von Bund, Ländern und Gemeinden vom Juni vergangenen Jahres.

(Jörg Tauss (SPD): Aha! Das ist doch was!)

Schließlich fordern wir das seit vielen Jahren. Hier haben Sie Zeit verschenkt.

(Brigitte Zypries, Bundesministerin: Das ist doch lächerlich! - Otto Schily, Bundesminister: Was haben Sie denn in 16 Jahren gemacht?)

   Mithilfe des Internets können wir aus der deutschen Bürokratie die modernste Verwaltung der Welt machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie aber haben bis heute nicht verstanden, was E-Government bedeutet. Es geht eben nicht darum, einfach ein Formular ins Internet zu stellen. E-Government heißt, die modernen Technologien zu nutzen, um Prozesse zu modernisieren und die Verwaltung zu entstauben. Der Service für Bürger und Unternehmen muss besser, billiger und schneller werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Dann muss das BKA auch nicht umziehen!)

   Stellen Sie sich vor, Sie müssten für einen Behördengang nicht mehr einen halben Tag Urlaub nehmen, auf dem Amt eine Nummer ziehen und warten, bis über der Tür der Amtsstube ein Lämpchen leuchtet und Sie endlich dran sind. Stattdessen könnten Sie dann Ihr Anliegen einfach und bequem von zu Hause aus per Internet erledigen. In Deutschland ist dies fast immer Zukunftsmusik. Der Bund hat es nämlich viel zu lange versäumt, eine wirkliche Vorreiterrolle einzunehmen und die unterschiedlichen Aktivitäten mit Ländern und Kommunen zu koordinieren.

   Als Ergebnis dieser Untätigkeit ist in Deutschland in den vergangenen Jahren ein digitaler Flickenteppich mit unterschiedlichen IT-Anwendungen und Softwarelösungen von Bund, Ländern, Kreisen und Kommunen entstanden. Zu viele unterschiedliche Stellen entwickeln zeitgleich vergleichbare IT-Anwendungen. Das Problem ist, dass diese oft nicht einmal miteinander kommunizieren können. Man muss sich einmal vorstellen, dass inzwischen allein mehr als 100 verschiedene Softwarelösungen für die An- und Ummeldungen pro Jahr genutzt werden.

   Diese mangelnde Standardisierung hat inzwischen zu einer regelrechten Selbstbehinderung der Verwaltung geführt. Aber das scheint Sie nicht weiter zu interessieren. Sie sind stolz darauf - Sie haben die Zahl bereits genannt -, dass schon 232 so genannte internetfähige Dienstleistungen des Bundes im Netz stehen.

(Otto Schily, Bundesminister: Ja, darauf sind wir stolz! - Jörg Tauss (SPD): Wie viele waren es bei Ihnen? Null! - Gegenruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU): Tauss, der schlauste Abgeordnete!)

Wenn man aber genauer hinschaut, wird deutlich, dass mindestens zwei Drittel des Angebots reine Informationen sind - von Interaktivität, Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau keine Spur. Allein fünfmal bietet zum Beispiel der Deutsche Wetterdienst seine Leistungen an. Auch das zählt zu den internetfähigen Dienstleistungen. Ein Link führt zum Servicetelefon Ihrer Familienministerin Renate Schmidt. Da kann man zwar vielleicht nett plaudern; aber mit einer modernen und schlanken Verwaltung hat das nun wirklich gar nichts zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir unterstützen die MEDIA@Komm-Projekte, die übrigens noch von der CDU/CSU-geführten Bundesregierung ins Leben gerufen wurden. Die wirklich fortschrittlichen Lösungen aus der Region Nürnberg, aus Bremen und Esslingen wie ein virtuelles Bauamt oder ein besonders effizientes elektronisches Meldewesen müssen nun aber auch unverzüglich den anderen Städten und Gemeinden zur Verfügung gestellt werden. Es kann doch nicht sein, dass Sie diese Projekte über Jahre finanziell fördern, sie dann aber einfach auslaufen lassen und nicht auf andere Regionen übertragen. Da ist bis heute nichts passiert und das ist schlicht und einfach Verschwendung von Steuergeldern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Jörg Tauss (SPD): Die Standards sind gesetzt!)

   Wir unterstützen das Signaturbündnis. Wir waren weltweit die ersten, die ein Signaturgesetz durchgesetzt haben, auch dies übrigens noch unter einer CDU/CSU-geführten Bundesregierung. Die digitale Signatur wurde dadurch mit der Unterschrift rechtlich gleichgestellt. Die Bundesregierung hat aber auch diesen Vorsprung nicht genutzt.

Sinnvolle Angebote für die Anwendung einer Signaturkarte sind so selten, dass sich kaum ein Bürger eine Chipkarte beschafft hat. Das Signaturbündnis muss dazu führen, dass hier endlich der Durchbruch gelingt. Das ist zentral für das E-Government und für den Standort Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir unterstützen die Einführung der Gesundheitskarte. Aber E-Health ist natürlich viel mehr als bloß eine Karte. E-Health ist die Chance auf eine wirkliche Modernisierung unseres Gesundheitswesens. Aber auch hier fehlt es an einer gemeinsamen Sprache, in der die verschiedenen Systeme in den Arztpraxen, in den Apotheken, in den Krankenhäusern und bei den Krankenkassen miteinander kommunizieren können. Schaffen Sie hier nicht schon wieder einen neuen digitalen Flickenteppich, sondern sorgen Sie dafür, dass jetzt im Gesundheitsbereich schnell eine einheitliche Infrastruktur aufgebaut wird! Dies sind zentrale Anwendungsfelder, auf denen Sie in die Puschen kommen müssen,

(Jörg Tauss (SPD): Ihr!)

und zwar nicht mit kleinkarierten Masterplänen und Aktionsprogrammen, sondern mit Mut und Weitsicht.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Zwei Dinge, die bei der SPD nicht vorhanden sind!)

   Die Vorreiterrolle des Staates als Nachfrager ist enorm wichtig für einen zentralen Zukunftsmarkt, den Sie, Minister Clement, angesprochen haben: den Breitbandmarkt. In der Informationsgesellschaft sind schnelle Datenleistungen genauso wichtig wie die Strom- und die Wasserversorgung. Tatsache ist aber, dass wir unter der rot-grünen Bundesregierung unsere einstige Spitzenposition im Breitbandbereich längst verloren haben. Wir sind im internationalen Vergleich nur noch Mittelmaß. Im vergangenen Jahr hat sich der Abstand zu den führenden Staaten USA, Kanada, Korea, Japan oder - in Europa - zu Dänemark und Schweden sogar weiter vergrößert. Unsere Wirtschaft darf nicht länger den Preis für politische Schlafmützigkeit zahlen; denn dieser Preis ist zu hoch.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jede Verzögerung bedeutet, dass die wirtschaftlichen Vorteile nicht bei uns, sondern in anderen Ländern entstehen.

   Herr Minister, Sie haben völlig zu Recht auf die große Bedeutung der digitalen Wirtschaft für die Informationsgesellschaft hingewiesen. Sie ist - über die eigene Branche hinaus - zentraler Wachstumsmotor und Treiber von Innovationen für die gesamte Volkswirtschaft. Hier wird der weltweite Innovationswettbewerb entschieden. Nur wenn wir hier Spitze sind, werden wir es schaffen, Wettbewerb und Arbeitsplätze zu sichern. Deshalb ist es so wichtig, dass wir in den kommenden Monaten ein gutes Telekommunikationsgesetz verabschieden; denn das TKG ist für die gesamte Branche so etwas wie die Magna Charta. Vom TKG muss ein klares Signal für Wettbewerb, Wachstum und Innovation ausgehen.

   Wir brauchen eine Balance zwischen Infrastruktur- und Dienstewettbewerb. Ich warne davor, irgendeine Technologie oder Anwendung durch staatliche Einflussnahme künstlich zu pushen.

(Jörg Tauss (SPD): Ja, was jetzt?)

Politik darf sich bei Marktentwicklungen nicht zum Schiedsrichter machen. Denn wer hätte vor einigen Jahren den großen Erfolg von SMS vorausgesehen? Kaum einer hätte gedacht, dass man mit Fotoapparaten in das Internet kommt oder dass man mit dem Handy fotografieren kann. Leider gilt auch beim TKG: Die Bundesregierung ist zu spät. Der Gesetzentwurf ist unausgegoren und bar jeder ordnungspolitischen Grundlinie.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gute Ansätze im Referentenentwurf des Bundeswirtschaftsministeriums, die durchaus vorhanden waren, wurden leider im Prozess der Abstimmung mit dem Bundesfinanzministerium völlig verwässert. Zukunftspolitik unter dem Diktat von Herrn Eichel, das passt überhaupt nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist wahr!)

   Wir fordern eine klare Linie für mehr Wettbewerb, weniger Bürokratie und schnellere Verfahren. Das heißt für uns vor allem EU-rechtskonforme Umsetzung, flexibler Einsatz aller Regulierungsinstrumente, Antragsrechte für die Wettbewerber, harte Sanktionen bei Missbrauch, Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und Zuständigkeit der Zivilgerichte. Gehen Sie auf unsere Forderungen ein! Dann ist Ihnen unsere Zustimmung im Bundesrat sicher.

   Mit dem Internet - auch das haben Sie, Herr Clement, angesprochen - ist ein zusätzlicher sozialer Raum entstanden: Wir haben nicht nur auf technischem, sondern auch auf sozialem und kulturellem Gebiet einen Quantensprung gemacht. Die Politik muss auch der menschlichen Dimension der Informationsgesellschaft Rechnung tragen.

   Leider ist die digitale Spaltung der Gesellschaft - die Spaltung in diejenigen, die im Umgang mit PC und Internet fit sind, und diejenigen, die nach wie vor keinen Zugang zur digitalen Welt haben - bereits Realität. Diese Zweiklassengesellschaft darf sich auf keinen Fall weiter verfestigen. Alle Bürgerinnen und Bürger müssen die Möglichkeit haben, an der Informationsgesellschaft - sie bietet große Chancen - teilzuhaben; denn wer nicht „drin“ ist, der ist von der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung bald völlig abgekoppelt.

   Eines muss uns ganz klar sein: Deutschlands Zukunft hängt entscheidend davon ab, ob wir im Bereich Innovation und Information schnell genug und gut genug sind. Wir müssen jetzt das enge Zeitfenster nutzen. Dafür werden wir uns mit ganzer Kraft einsetzen. Verlassen Sie sich darauf!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Fritz Kuhn, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist völlig logisch und richtig: Wer neue Arbeitsplätze schaffen will, muss alles tun, damit die Wirtschaft mehr Innovationen hervorbringt; denn mit neuen Produkten, Dienstleistungen und Produktionsverfahren entstehen in einem Land wie der Bundesrepublik neue Arbeitsplätze.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Jörg Tauss (SPD): Da hat Herr Kuhn Recht!)

   Ich finde, dass wir konkreter werden müssen als Sie, liebe Kollegin, gerade in Ihrer Rede. Wir wissen längst, was Innovationsprozesse blockiert und was sie fördert.

   Erstens. Wer Innovationen voranbringen will, der muss Subventionen für alte Industrien so schnell wie möglich zurückfahren; denn Subventionen lähmen das Neue. Wir haben gesehen, wie schwer sich die Union im Vermittlungsausschuss getan hat, den Subventionsabbau voranzubringen.

   Zweitens. Wer Innovationen will, der muss den Wettbewerb fördern und ihn dort, wo er nicht existiert, herstellen. Deswegen ist das neue Telekommunikationsgesetz so entscheidend. Der Telekom darf nicht aus dem technischen Vorteil, den sie infolge des früheren Monopols hat, immer wieder ein neues Monopol erwachsen. Deshalb muss der Marktbeherrscher die Technik auch für Wettbewerber bereitstellen. Das ist ein wichtiger Punkt, für den wir in der Debatte um das neue Gesetz eintreten.

   Drittens. Ein Land, das sich immer wieder einer Jammerkultur nach dem Motto „Bei uns läuft alles mies und elend!“ hingibt - Sie haben einen Beitrag dazu geleistet -, kann nicht den Spirit, den Geist, entfalten, den wir für Innovationen brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Schlechtreden ist nicht gut für Innovationen.

(Jörg Tauss (SPD): Die da drüben brauchen die Jammerkultur!)

   Viertens. Wir müssen die Schulen, die Hochschulen und die Forschung in unserem Land in Ordnung bringen, wir müssen sie verbessern; denn der wesentliche Boden für die Innovationsfähigkeit einer Volkswirtschaft ist natürlich ihr Bildungswesen: Wie wird Weiterbildung organisiert und was passiert an den Hochschulen und Forschungsstätten?

   Fünftens. Wir müssen für die Firmen, die bei der Finanzierung von Innovationen hohe Risiken eingehen, optimale Finanzierungsbedingungen - steuerlicherseits und durch Förderungen - schaffen. Der neue Dachfonds, der vor kurzem mit ERP-Mitteln eingerichtet worden ist, ist wichtig dafür, dass Innovationsfinanzierungen in Deutschland endlich schneller und besser auf den Weg gebracht werden können.

   Die I-und-K-Technologie ist eine Querschnittstechnologie. Wer im Bereich der I-und-K-Technologie nicht vorne ist, der liegt bei allen Innovationen - auch auf allen anderen Technologiefeldern - hinten. Deswegen ist die Förderung dieses Technologiesegments bzw. Technologienetzes entscheidend für die Innovationsstrategie insgesamt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Die I-und-K-Technologie ist die Basis aller Innovationen. Die breite Diffusion dieser Technik in alle Bereiche ist die Basis für das notwendige Produktivitätswachstum - es muss stärker sein als in der Vergangenheit - in Deutschland.

Herr Minister, wenn ich das Problemfeld, das ich für am bedeutendsten halte, identifizieren soll, dann nenne ich die Schwäche bei der Diffusion von I-und-Koalition-Technik vor allem in die Breite des Mittelstandes, zum Beispiel ins Handwerk. Wenn man die Zahlen aus den USA im Bereich dieser Technologie als Diffusionsmaßstab nimmt, dann erkennt man, dass wir hinten liegen. Die Hauptaufgabe, die sich stellt, lautet: Der Mittelstand und die Kleinbetriebe müssen in der Breite die I-und-K-Technik anwenden können. Dafür muss die Politik in den nächsten Monaten die Weichen stellen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir von den Grünen sind wir der Überzeugung, dass ein Innovationsprozess auch eine Richtung braucht, und sehen deshalb im Zusammenhang mit Ökologie sowie mit kulturellen, sozialen und natürlich wirtschaftlichen Fragen ein extremes und gutes Potenzial für die I-und-K-Technik. Wenn wir es erreichen, mehr Breitbandverkabelung im DSL-System zu schaffen, werden in Zukunft anstelle vieler Konferenzen, derentwegen heute die halbe Republik hin- und herbewegt wird, Videokonferenzen stattfinden können - vielleicht nicht immer, weil Menschen sich auch sehen müssen und die soziale Dimension berücksichtigt werden muss. Aber wir werden vieles von dem, was heute Zeit und eben auch Geld kostet, einsparen können.

   Das E-Commerce hat ein ungeheures Potenzial, übrigens gerade für die älter werdende Gesellschaft. Ich fordere Sie auf, endlich herzugehen und das Potenzial dieser Technologien für die alten Menschen auszuschöpfen. Die Benutzeroberflächen sind heute noch nicht so, dass alte Menschen damit umgehen können. Wer hier zuerst Lösungen anbietet, kann im Dienstleistungsbereich entlang dieser Techniken viele neue Arbeitsplätze schaffen.

   Wir haben ein großes Potenzial, beim so genannten Thema E-Health, also im Gesundheitswesen, die elektronischen Medien einzusetzen. Wenn 55 Prozent der Ärzte in Deutschland offline sind, also nicht mit dem Netz arbeiten können, dann zeigt dies das ungeheure Defizit auf diesem Gebiet. Wir könnten Milliarden einsparen, wenn das anders wäre. Da sage ich wieder: Wo Sie keinen Wettbewerb haben, wie im deutschen Gesundheitssystem, gibt es eben keine gute Durchdringung mit fortschrittlicher Technologie. Das ist ein ganz klares Beispiel dafür, dass wir Wettbewerb im Gesundheitswesen brauchen. Dann werden auch hier Kostensenkung und Effektivität möglich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Das machen Sie doch gerade kaputt mit Ihrer Politik!)

   Selbstverständlich ist E-Government ein entscheidendes Thema; das hat der Minister ausgeführt. Wir können schließlich nicht von der Gesellschaft und von der Wirtschaft verlangen, innovativer zu werden, während andererseits wir in der Regierung in dem, was der Staat an staatlichem Handeln anbietet, eben nicht in der notwendigen Weise innovativ sind.

   Ich will zum Abschluss noch auf zwei Punkte eingehen, die mir wichtig sind. Wir müssen in Deutschland auch selbstkritisch über das reden, was nicht läuft. Der Regierungsbericht ist zum Beispiel in Bezug auf das Thema Toll Collect - das ist ja gar nicht richtig erwähnt - natürlich unterkritisch.

(Lachen des Abg. Georg Girisch (CDU/CSU) - Volker Kauder (CDU/CSU): Da seid ihr sehr innovativ!

Man kann nicht über I-und-K-Technik reden und dann außer Acht lassen, dass zwei große deutsche Firmen bei diesem Thema völlig versagt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Die Politik aber auch!)

Ein mittelständischer Betrieb in Deutschland könnte sich so etwas nicht leisten. Würde der so etwas hinlegen, ginge er baden, er ginge kaputt. Darum kümmert sich niemand.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Da ist aber der Minister verantwortlich!)

   Ich will zu Ihnen, Herr Kauder, einen Satz sagen und komme damit zum Schluss: Ich habe den Eindruck, dass die Union die Innovationsdebatte als breite große politische Debatte verschlafen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie diskutieren darüber, die Leute durch eine Senkung der Steuertarife um 10 Milliarden Euro zu entlasten. Sie sagen, die Bürgerversicherung koste 20 Milliarden Euro; das habaen Sie nicht gegenfinanziert. Damit haben Sie eine Deckungslücke von 30 Milliarden Euro.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Pfeifen im Walde!)

Gleichzeitig beteiligen Sie sich fröhlich an der Diskussion über eine Erhöhung der Ausgaben im Bildungs- und Forschungssystem. Wir werden es schwer haben, die 3 Prozent zu erreichen, aber Sie sind 30 Milliarden Euro von den Zielen entfernt, die hier anstehen. Meines Erachtens haben Sie in der Innovationsdebatte eigentlich nicht viel zu melden, weil Sie gar nicht kapieren, dass Sie sich auch mit der Finanzierung der Mittel für Innovation und für Forschungspolitik auseinander setzen müssen. Sie versprechen den Leuten Entlastungen in Höhe von 30 Milliarden Euro und haben keine blasse Ahnung, wie Sie das finanzieren wollen. Was Sie an der Stelle betreiben, ist Politikverweigerung.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Dafür brauchen wir Sie!)

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN
und bei der SPD )

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben eingeleitet mit einem Blick auf die aktuelle wirtschaftliche Lage. Die Konjunktur hellt sich auf, Gott sei Dank. Aber wir profitieren nur davon, dass andere es besser gemacht haben als wir. In Amerika brummt es, in Asien brummt es, aber nicht bei uns. Wir profitieren von der erfolgreichen Politik anderer.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Die erste Reaktion auf die halbherzigen Beschlüsse im Vermittlungsausschuss war ja, dass das DIW, ein Ihnen nicht gerade feindlich gesonnenes Institut hier in Berlin, die Wachstumsprognose nach unten revidiert hat. Der Kalendereffekt - fünf Feiertage fallen auf ein Wochenende - sorgt für ein Wachstum von 0,6 Prozent. Das gibt übrigens einen dezenten Hinweis zu der Vorstellung, mit weniger Arbeit mehr erreichen zu können. Hinsichtlich 0,7 Prozent Wachstum profitieren wir von der amerikanischen und asiatischen Wirtschaft. Nach der Prognose kommen gerade 0,1 Prozent aus eigener Kraft, aus dem Binnenmarkt. Das zeigt, dass die Hausaufgaben eben nicht erledigt sind und wir bei weitem keinen Anlass zur Entwarnung oder zur Selbstbeweihräucherung haben.

(Beifall bei der FDP)

   Den Reformprozess fortsetzen. - Herr Clement, vieles von dem, was Sie sagen, ist richtig sympathisch, es wird nur nicht gemacht. Heute lesen wir in der Zeitung: Der Bundeskanzler stoppt den Reformprozess, indem er sagt: Bei der Pflegeversicherung ist die Grenze der Belastbarkeit erreicht. - Der Reformprozess wird also nicht fortgeführt. Wo sind denn die Reformen, die konsequent gemacht werden? Sie stoppen sie gerade wieder. So werden Sie die Lohnnebenkosten nicht herunterbekommen. So entsteht nicht mehr Arbeit in Deutschland. Sie verhindern Arbeitsplätze in Deutschland. Das ist die Realität.

(Beifall bei der FDP)

   So trägt der Bundeswirtschaftsminister täglich einen neuen bunten Luftballon durch die Gegend. Der bunte Luftballon des Tages heißt: Aktionsprogramm Informationsgesellschaft. Wenn Sie redlich wären, müssten Sie eigentlich als Titel wählen: Aktionismusprogramm. So etwas ist es nämlich wieder. Da wird alles zusammengeschrieben, es gibt Fleißkärtchen - ein Sammelsurium von Einzelmaßnahmen, das modern klingt, möglichst mit vielen Anglizismen verkleidet, damit man nicht merkt, dass dahinter fast nichts ist. Dieses Sammelsurium bringt uns nicht weiter. Wenn das der Beitrag der angekündigten großen Innovationsoffensive ist, dann kann ich nur sagen: Lassen Sie es lieber!

   Der Ansatz ist wieder von dirigistischem korporatistischem Geist geprägt. Es wird von der Telematik im Gesundheitswesen fabuliert. Wir haben gerade die famose Einführung der Praxisgebühr erlebt. Toll! Wenn das der Ansatz ist, mit dem die Gesundheitspolitik in Deutschland gestaltet werden soll, dann kann ich nur sagen: Gute Nacht, Gesundheitspolitik!

(Beifall bei der FDP - Hubertus Heil (SPD): Sie sind ja ahnungslos!)

- Sie und der Herr Tauss, der Zwischenrufer, sind die großen geistigen Vordenker.

(Hubertus Heil (SPD): Sie haben keine Ahnung! Von E-Health haben Sie noch nichts gehört!)

- Herr Heil, gucken Sie sich einmal Ihren eigenen Weg an!

   Es werden Planzahlen für die Zahl der Internetbenutzer, Größenordnungen für die Zahl der Breitbandanschlüsse genannt, alle möglichen runden Tische und Initiativen abgefeiert. Die Bundesregierung tut mal wieder so, als würde sie persönlich die Bevölkerung mit den Wirtschaftsgütern der IT-Branche versorgen. So ist es aber nicht; das macht der Markt. Wettbewerb und Marktwirtschaft sorgen für eine effiziente und schnelle Umsetzung von neuen Informations- und Kommunikationstechnologien.

(Hubertus Heil (SPD): Binsenweisheit!)

Wettbewerb und Marktwirtschaft sorgen für technischen Fortschritt. Wettbewerb bleibt das wirksamste Entdeckungsverfahren in der Wirtschaft. Dem muss man Vorrang geben. Vorrang dürfen nicht Ihre eigenen Strategien haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das Motto der Bundesregierung lautet: Idee gesucht, Kommission gefunden. Nur, so kommen wir nicht weiter. Die Innovationskommission aus dem Jahr 2001 ist noch nicht aufgelöst. Jetzt hat sich der Bundeskanzler einen Innovationsrat zugelegt. Mit prachtvoller Medieninszenierung wird der staunenden Öffentlichkeit vorgeführt: Jetzt geht es richtig los.

   Das Thema „LKW-Maut in Deutschland“ ist zu Recht angesprochen worden. Selbst Herr Kuhn als Weltökonom konnte es sich nicht verkneifen, über diesen Schandfleck grün-roter Politik zu sprechen. Was herauskommt, wenn die Herren, die die Verantwortung für die LKW-Maut haben, jetzt den Kanzler auch in der Innovationsoffensive beraten, kann ich mir vorstellen, nämlich nichts Vernünftiges.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie machen die Böcke zu Gärtnern. Es stellt sich auch die Frage: Wie wollen Sie uns garantieren, dass auf solchem Wege nicht massive Lobbyinteressen der Beteiligten durchgesetzt werden?

(Jörg Tauss (SPD): Beim Thema Lobby kennen Sie sich gut aus!)

- Herr Tauss, Sie sind Zwischenrufweltmeister.

(Jörg Tauss (SPD): Ja!)

Aber in letzter Zeit sind Sie schwach geworden. Haben Sie neue Weisungen von Ihrem Chef Peters von der IG Metall, weniger Zwischenrufe zu machen?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sie inszenieren ein Treffen von Vorstandsvorsitzenden einiger Großkonzerne als Zukunftsgipfel. Das ist aber ein Gipfel von Pfauenfederträgern. Das ist kein Weg, Deutschland technologisch nach vorn zu bringen.

(Hubertus Heil (SPD): Sollen wir den Rexrodt fragen?)

Sie suggerieren ein Wissen, das dort gar nicht vorhanden ist. Wir haben es doch in der Vergangenheit erlebt. Mit den round tables, den runden Tischen, den eckigen Tischen, den ovalen Tischen - es gibt ganz neue Tischsorten, die man dazu anführen kann -,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die wurden in Rheinland-Pfalz veranstaltet!)

wurden Millionen, ja Milliarden von Steuergeldern versenkt. Echte Anreize für Innovationen sind nicht erzeugt worden. Denken Sie mal an die Vergangenheit, an die Großrechnerförderung und anderes! Das ist der Geist der Planifikation. Da zeigt sich Ihr Misstrauen gegenüber dem Markt.

Jüngstes Beispiel: Online-Jobbörse bei der Bundesanstalt für Arbeit. Das Aktionsprogramm wird großartig verkauft. Über 100 Millionen Euro werden reingebuttert. Jetzt erfährt man - man höre und staune -: Über ein Viertel der 100  Millionen Euro werden für Werbung ausgegeben. Wo ist denn da die Innovation? Das ist doch Selbstbeweihräucherung. Was dabei herauskommt, haben wir erlebt. Das ist der falsche Ansatz. Auch hier haben Sie nicht den Mut zu mehr Marktwirtschaft. Stattdessen pflegen Sie weiter alte syndikalistische Ansätze: ein Drittel Gewerkschaften, ein Drittel Arbeitgeber, ein Drittel Staat. Alle liegen sich schön in den Armen. Vom Tanzen her wissen Sie, dass man, wenn man sich in den Armen liegt, die Hände zum Arbeiten nicht frei hat. Das ist es, was Sie falsch machen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Franz Müntefering (SPD): Das ist doch die Rede, die Sie letztes Mal gehalten haben, Herr Brüderle!)

   Was haben Sie in diesem Bereich gemacht? Durch den massiven Einsatz von öffentlichen Geldern werden innovative private Jobbörsen aus dem Markt gedrängt. Aber ohne diese privaten Jobbörsen wären Sie überhaupt nicht auf die Idee gekommen, dass man online etwas Vernünftiges auf den Weg bringen kann, wenn man es richtig organisiert. Das Neue kommt eben nicht aus den Amtsstuben in die Welt. Innovation kann man nicht an runden Tischen beschließen, Innovationen kann man nicht per Dekret verkünden. Neuheiten entstehen überraschend. Zukunft ist nicht planbar. Es muss mehr Freiräume geben und weniger staatliche Bevormundung. Dieser Ansatz muss verfolgt werden. Wer an jeder Ecke durch Bürokratie gegängelt und durch hohe Abgaben und Steuern geschröpft wird, überlegt sich dreimal, ob er in Deutschland noch Innovationen entwickelt und umsetzt. Das ist doch der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Deutschland ist jetzt ein Musterland für Braindrain, für Auswanderung von Kapital und hoch qualifizierten Fachkräften. Jedes Jahr verlassen 130 000 hoch ausgebildete Wissenschaftler und Spezialisten Deutschland; in der Regel kommen sie nicht zurück, weil Sie ein schlechtes Klima für sie geschaffen haben.

   Nun kommt der Weltökonom Kuhn und verkündet kühn, dass man mit der Schaffung der Informationsgesellschaft einen großen Schritt in die Zukunft macht. Die Grünen tragen die Verantwortung für das fortschrittsfeindliche Klima in der deutschen Gesellschaft.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie haben anfangs in ihrer Programmatik die Computer verteufelt. Ich zitiere aus dem Grundsatzprogramm der Grünen, in dem Computer als Teufelswerkzeug dargestellt werden. Dort steht:

Computern werden wesentliche Arbeitsaufgaben übertragen, während den Menschen nur noch eine sinnentleerte Teilfunktion überlassen bleibt.

Das ist ein Originalzitat. Sie tragen die Verantwortung, dass eine fortschrittsfeindliche Haltung in diesem Land entstanden ist. Sie haben eine Verhinderungs- und Verteufelungskultur in diesem Land initiiert und dementsprechend Stimmung gemacht. Die Konsequenzen müssen wir heute ausbaden. In vielen Bereichen haben Sie Irrwege eingeschlagen und waren unfähig, die Realitäten zu erkennen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ist schon Fasching?)

   Heute verhalten Sie sich wieder bei der Biotechnologie und der Gentechnik, indem Sie wie früher bei der Kernenergie überall Ängste zu erzeugen versuchen und mit Anschauungen von vorgestern operieren. Wenn wir Ihnen gefolgt wären, würden wir heute mit Federkiel auf Pergament schreiben, aber nicht über Informationstechnologie im Bundestag diskutieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Zurufe vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

- Es ist nur recht, dass Sie schreien. Sie sollten sich dafür entschuldigen, was Sie in Deutschland für Unfug angerichtet haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Büßergewand!)

   Der entscheidende Punkt ist, dass Deutschland

(Horst Kubatschka (SPD): Zugabe!)

- das würde ich gerne machen, dann bekommen Sie noch etwas ab; Sie hätten es verdient, aber dafür müssten Sie mir Ihre Redezeit geben - eingemauert ist. Nichts wird flexibel gehandhabt. Das ist überall zu spüren. In den Bremserhäuschen herrscht in Deutschland Vollbeschäftigung; da sitzen alle drin. Durch falsche Mitbestimmungsformen, Tarifkartelle und falsch verstandenen Föderalismus werden in Deutschland Veränderungen verhindert. Die deutsche Gesellschaft ist festgefahren. Wir sind eingemauert. Wir müssen einen Befreiungsschlag machen: raus aus diesem Mauerwerk, weg vom Denken von vorgestern. Ihr Syndikalismus ist die Ursache dafür, dass wir eine so hohe Arbeitslosigkeit haben.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): 18 Prozent!)

- Schämen Sie sich und schreien Sie nicht dazwischen!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Hubertus Heil, SPD-Fraktion.

(Jörg Tauss (SPD): Zur Seriosität zurück!)

Hubertus Heil (SPD):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Brüderle, auf der Tagesordnung steht eigentlich das Thema Informationsgesellschaft

(Jörg Tauss (SPD): Davon versteht er nichts!)

und nicht die Beschäftigung mit dem Industriezweig Phrasendrescherei. Doch gerade den haben Sie ja soeben bedient. Insofern sollten wir uns nun doch wieder dem Thema zuwenden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der steht noch unter Drogen! - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Welche Gewerkschaft ist denn dafür zuständig?)

- Ich weiß es nicht. Das ist ein Bereich, um den sich nur die FDP kümmert. Dafür braucht es dann offensichtlich keine Gewerkschaften.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Blamieren Sie sich nicht weiter und sprechen Sie richtig!)

Ich will ganz klar sagen, dass wir den Begriff Visionen nicht diffamieren sollten. Es gibt zwar den schönen Satz, der Helmut Schmidt zugeschrieben wird: Wer Visionen hat, sollte zum Arzt gehen. Ich glaube aber, dass Helmut Schmidt eher krude Utopien meinte und nicht klare Leitbilder. Richtigerweise wird nun ein Masterplan für diesen Bereich vorgelegt. In anderen Ländern gab es ihn ja schon früher. Wenn Sie zum Beispiel die Anstrengungen, die diese Bundesregierung unter Federführung von Otto Schily im Bereich „bund-online.de“ unternommen hat und die gerade von der Europäischen Union als ein Zugpferd für eine Entwicklung gewürdigt wurden, die wir nachholen mussten, weil Sie sie verpennt haben, diffamieren, möchte ich Ihnen darauf Folgendes sagen: E-Government ist etwas, was wir eher begriffen haben als Sie:

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sie haben noch nicht einmal das normale Regieren begriffen!)

Als wir 1998 die Bundesregierung übernahmen, war im Bundeskanzleramt Rohrpost das Kommunikationsinstrument und nicht das Intranet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will Ihnen klar sagen: Dass wir im Bereich E-Government Nachholbedarf haben, ist unstrittig. Aber die Ursachen dafür liegen nicht bei dieser Bundesregierung, sondern darin, dass Sie in den 90er-Jahren diese Entwicklung verschlafen haben, und auch darin, dass wir diesbezüglich eine Kompetenzzersplitterung in Deutschland haben - zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Nach allen Gutachten, die auch Sie kennen, wissen wir: Vor allem im kommunalen Bereich, aber auch bei den Ländern besteht großer Nachholbedarf. Der Bund ist dagegen der Motor dieser Entwicklung; das bestätigen alle seriösen Studien.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Motor des Nachholbedarfs? Was ist das denn?)

Insofern bitte ich Sie, kein Zerrbild dieser Gesellschaft zu malen, auch nicht dieses Landes.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Dosenpfand und Maut!)

- Herr Kauder, vielleicht sollten Sie einmal zu Themen dazwischenrufen, von denen Sie wirklich Ahnung haben. So nützt es nicht sonderlich viel.

   Meine Damen und Herren, es geht uns um Zweierlei: Wir wollen den Weg in die Informationsgesellschaft beschreiten, indem wir Potenziale in der Branche nutzen, aber wir wollen die Informations- und Kommunikationstechnologien auch nutzen, indem wir sie in vorhandene Produktions- und Dienstleistungsprozesse integrieren. Es geht eben nicht um einen Gegensatz zwischen Old und New Economy, es geht um die Next Economy, um die Frage, wie wir unsere Volkswirtschaft mittels der Informations- und Kommunikationstechnologien modernisieren. Das heißt, dass wir diese Technologien in allen Produktionsprozessen, auf allen Stufen der Wertschöpfungskette, einordnen; ich komme gleich darauf zurück.

   Die Entwicklung in der Branche selbst ist ganz beachtlich. Der Umsatz im Bereich der IuK-Technologien liegt bei 130 Milliarden Euro pro Jahr. Mit 750 000 Beschäftigten ist er einer der größten Wirtschaftssektoren in Deutschland. Die Dynamik der Entwicklung sieht man insbesondere in den einzelnen Sektoren ganz deutlich: Im Vergleich zu 1998 hatten wir im vergangenen Jahr im Mobilfunkbereich eine Steigerung von 14 Millionen Kunden auf 63 Millionen Kunden; das ist sage und schreibe ein Zuwachs von 350 Prozent. Bereits mehr als die Hälfte der Menschen in Deutschland nutzen das Internet.

   Es ist richtig, Herr Brüderle: Die Politik kann da nichts verordnen; das ist etwas, was mit Wettbewerb zu tun hat. Das wissen wir aber schon länger als Sie. Trotzdem geht es um die Frage, ob man sich politische Ziele setzt und alle vorhandenen Akteure miteinander koordiniert. Die Frage ist, ob wir unser ehrgeiziges Ziel erreichen, bis zum Jahre 2010 die Zahl der Breitbandanschlüsse in Deutschland so zu steigern, dass über 50 Prozent der Deutschen die Möglichkeit haben, einen Breitbandanschluss zu nutzen.

   „Breitbandigkeit“ klingt abstrakt, so abstrakt, dass keine Sau weiß, welche Möglichkeiten damit verbunden sind.

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): „Keine Sau“? - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Sprechen Sie hier von den Bürgern der Bundesrepublik Deutschland? - Volker Kauder (CDU/CSU): Sie reden davon, dass „keine Sau“ das weiß? Was ist denn das für eine Formulierung?)

- Ach, hören Sie doch erst mal zu, Herr Kauder! Ich weiß nicht, was Ihr Job hier ist. Ich dachte, Sie sind Geschäftsführer und nicht Geschwätzführer Ihrer Fraktion.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Breitbandigkeit heißt, schneller größere Mengen von Daten zu transportieren. Es geht darum, das im Breitbandbereich für unsere Volkswirtschaft liegende Wachstumspotenzial von 0,3 bis 0,5 Prozent zu nutzen. Das hängt davon ab, dass wir es schaffen, in dem Bereich aufgelaufene Rückstände aufzuarbeiten.

   Diese Investitionsanreize wollen wir schaffen, indem wir das Telekommunikationsgesetz novellieren - die Novelle ist gerade in der Beratung -, indem wir Investitionen sowohl in den Infrastrukturbereich als auch in den Dienstewettbewerb attraktiv machen; beides gehört zusammen. Infrastrukturinvestitionen sind die Voraussetzung dafür, dass die notwendige Technik bereitsteht; aber Dienste sind es, die die Menschen interessieren.

(Beifall bei der SPD)

Breitbandigkeit allein macht keinen froh, aber die Möglichkeiten, die sich über Breitbandigkeit ergeben, sind für die Bürgerinnen und Bürger interessant; sie entscheiden darüber, welche Innovationen in diesem Land angenommen werden.

   Deshalb müssen wir über Anwendungen sprechen. Einige sind vorhin genannt worden, beispielsweise die Frage: Was ist möglich im Gesundheitswesen? Beim Thema E-Health geht es um die Frage, wie wir Effektivitätsreserven nutzen können, aber auch, wie wir die Lebensqualität von Menschen steigern können.

   Vieles ist gesetzgeberisch auf den Weg gebracht; das zeigt der Bericht. Wir haben das Elektronischer-Geschäftsverkehr-Gesetz beschlossen, mit dem Ergebnis, dass der E-Commerce in Deutschland 100 Milliarden Euro pro Jahr ausmacht. Unser Defizit liegt in einem Bereich: Große Unternehmen nützen das Internet auf allen möglichen Ebenen, aber im mittelständischen Bereich gibt es da Nachholbedarf. Dabei geht es nicht darum, dass der Malermeister bunte Seiten ins Internet stellt, es geht - wie gesagt - darum, in den Bereichen Beschaffung, Produktion und Vertrieb diese neuen Informations- und Kommunikationstechnologien als integrierte E-Business-Lösungen einzusetzen, um Produktivitätsfortschritte zu erreichen. Darum geht es, im Interesse der Modernisierung unserer Volkswirtschaft.

(Beifall bei der SPD)

   Ich komme zum Schluss. Informations- und Kommunikationstechnologien sind ein Schlüssel für die Modernisierung unseres Landes. Es geht aber noch um mehr. Die einen wollen die Modernisierung unserer Gesellschaft. Dieses Thema ist für unsere Freunde von den Grünen und für die FDP wichtig; auch wir sind dafür. Die anderen, die Konservativen, wollen eine rein technische oder ökonomische Modernisierung. Wir Sozialdemokraten sagen: Unsere Gesellschaft braucht beides; es muss beides zusammengehen: die gesellschaftliche und die technische Modernisierung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Deshalb darf es nicht sein, dass wir in diesem Land eine digitale Spaltung bekommen. Wir dürfen nicht zulassen, dass die Gesellschaft in User und Loser, in An- und Ausgeschlossene, gespalten wird. Wir wollen, dass moderne Informations- und Kommunikationstechnologien allen Menschen zur Verfügung stehen. Wir wollen kein Privileg und kein Monopol für bestimmte Gruppen in diesem Bereich. Wir wollen einen Nutzen für alle Menschen. Die Chancen dieses Landes in diesem Bereich sind größer, als es die Opposition wahrhaben will.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deutschland ist noch nicht ganz so weit. Aber wir sind auf dem Weg.

   Meine herzliche Bitte ist: Lassen Sie uns bei den anstehenden Gesetzgebungsverfahren, aber auch bei der Förderung dieser Technologien, bei der Bereitstellung von Beteiligungskapital, bei den Kompetenzzentren für den Mittelstand - da sind wir auf einem guten Weg - und im Bereich E-Government nicht nach den Risiken, die es in der Tat gibt, fragen! Lassen Sie uns vor allen Dingen die Chancen betonen, damit wir die Menschen mitnehmen können, und sie an diesen neuen Möglichkeiten teilhaben können! So können wir selbstbestimmte Menschen im Interesse unseres Landes in die Lage versetzen, sich die Informationen zu beschaffen, die sie brauchen, und mithilfe neuer Informations- und Kommunikationstechnologien zu kommunizieren.

   Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Heinz Riesenhuber, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Mikro, Herr Kollege!)

Dr. Heinz Riesenhuber (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hubertus Heil hat so schön dargestellt, dass alles, was geschieht, auf kluge Weise von der Bundesregierung koordiniert wird. Wenn man sich allerdings die Sache genauer anschaut, dann muss man sagen, dass nur das, wo die Bundesregierung nicht dazwischenfasst, relativ in Ordnung ist.

(Jörg van Essen (FDP): Sehr richtig!)

Aber überall da, wo die Bundesregierung anfängt, in ihrer überlegenen Weisheit die Zukunft zu konstruieren, da scheint die Sache schief zu laufen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Lieber Herr Heil, mir liegt dieser „vorzügliche“ Bericht der Bundesregierung vor. Ich muss sagen, dass ich den Bericht im Grundsatz für eine gute Sache halte. Es ist vernünftig, diese verschiedenen Einzelprogramme zu einer einzigen integrierten Strategie zusammenzufassen. Ob sie Erfolg hat, ist wieder eine andere Frage. Die Informationsgesellschaft kann nur funktionieren, wenn alle Bereiche stimmen. Auch die Ausbildung muss stimmen. Im Rahmen der PISA-Studie haben wir im Bereich Lesen Platz 21 und im Bereich der Mathematik und der Naturwissenschaften Platz 20 belegt. Da müssen wir besser werden. Es geht weiter: Das E-Government - Martina Krogmann hat dazu etwas gesagt - und die Rahmenbedingungen, die der Staat vorgibt, müssen stimmen.

   Sie haben in Ihrer Weisheit das World Economic Forum herangezogen. Im Bericht der Bundesregierung wird voller Stolz aus dem Global IT Report zitiert. Was kann man dort finden? Prima! Wir sind von Platz 17 auf Platz 10 vorgerückt - eine erfreuliche Sache.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nächst Tunesien! - Peter Hintze (CDU/CSU): Botswana!)

Lassen Sie uns aber einmal die Zahlen genauer anschauen. Wenn man sich voller Neugier die neuen Zahlen für dieses Jahr anschaut - in der Zwischenzeit hat ja die Regierung ein Jahr weiter regiert, wie wir beglückt feststellen dürfen -,

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

dann muss man erkennen, dass wir um einen Platz zurückgefallen sind.

   Wenn man sich die Details anschaut, wird die Sache noch interessanter. Wir haben drei Komplexe, in denen verschiedene Komponenten zusammengesetzt werden. Der erste Bereich wird im Wesentlichen vom Staat gestaltet. Die anderen Komplexe umfassen die vorhandenen Infrastrukturen und ihre Nutzung. In dem Bereich, der im Wesentlichen vom Staat gestaltet wird, sind wir von Platz 9 auf Platz 17 zurückgefallen. Lieber Herr Heil, ich muss sagen - das biete ich Ihnen als Dienstleistung an -, dass wir folgende Situation haben, die auch durch Ihre Zahlen deutlich erkennbar wird: Wo der Staat dazwischenfasst, wird die Sache schwierig.

Es gibt einzelne Bereiche, die besonders stark betroffen sind. Der Braindrain ist sehr viel stärker geworden. Hier sind wir von Platz 16 auf Platz 28 zurückgefallen. Das Marktumfeld ist schlechter geworden. Hier sind wir von Platz 6 auf Platz 15 abgerutscht. Bei der Venture-Capital-Verfügbarkeit sind wir von Platz 17 auf Platz 30 zurückgefallen. Man glaubt es nicht, dass man bei Mathematik und den Naturwissenschaften noch weiter von Platz 48 zurückrutschen kann: Wir haben Platz 53 erreicht. - Das sind nur einige Beispiele. Ich könnte dazu weiter ausführen. Wenn Sie mir mehr Zeit geben, bin ich bereit, zu allen diesen Punkten im Einzelnen zu elaborieren.

   Dort, wo der Staat an sich Leistung zu erbringen hätte, dort, wo man davon ausgehen sollte, dass er die Voraussetzung dafür schafft, dass die Einzelnen in Wissenschaft, Wirtschaft und im privaten Bereich erfolgreich arbeiten können, liegen wir schlecht. Wo man die Wirtschaft arbeiten lässt, da läuft die Sache prima. Stört die Leute nicht bei der Arbeit! Dann geht etwas voran.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Um einmal auf einen konkreten Bereich einzugehen: Die Bundesregierung ist ja zu der Erkenntnis gelangt, dass Forschung wichtig sei,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut!)

dass wir, wie sie im Bericht schreibt, hier eine Schlüsseltechnologie haben und dass die Aufgabe besteht, die Zahl der zukunftssicheren Arbeitsplätze durch Innovationen zu steigern, was sie unterstützt. Schauen wir uns einmal Kap. 3006, Titelgruppe 31, an; Sie wissen, das betrifft IuK usw. Jeder dieser einzelnen Titel ist 2001, 2002, 2003 und 2004 rückläufig. Das heißt, dass wir in der Situation sind, dass wir, obwohl wir eigentlich beschlossen haben, in Europa in der Forschung Spitze zu werden - 3 Prozent des Bruttosozialproduktes sollen dafür in 2010 verwendet werden -, und Europa selber Spitze werden will, immer mehr zurückfallen. Das werfe ich nicht der Frau Forschungsministerin vor.

(Jörg van Essen (FDP): Die ist ja gar nicht da!)

Das ist eine Sache des Bundeskanzlers. Ein Forschungsminister hat gegenüber dem Finanzminister immer eine relativ schwierige Arbeit.

(Horst Kubatschka (SPD): Das kennen Sie! - Hubertus Heil (SPD): Weil Kohl so modern war!)

- Da habe ich, lieber Herr Kubatschka, hinreichende Erfahrungen.

   Aber eines muss ich sagen: Wenn der Kanzler versprochen hat, die Investitionen in Bildung und Forschung zu verdoppeln, und er daraufhin gewählt worden ist, dann hat die Forschungsministerin eine prachtvolle Stellung, sich wirklich durchzusetzen.

(Jörg van Essen (FDP): Wenn sie denn da ist!)

Stattdessen schmilzt die Sache ab; das ist nicht gut.

   Ich will jetzt nicht alle Punkte im Einzelnen anführen. Zu der guten Position Deutschlands im IuK-Bereich, von der im Aktionsprogramm geschrieben wird, gibt es einen Kommentar aus dem Technologiebericht der Bundesforschungsministerin vom März letzten Jahres. Die Bundesforschungsministerin schreibt in einer Pressemeldung in der Überschrift: Bei IT ist Deutschland abgeschlagen. - Das fasst die Sache zusammen.

   Herr Kuhn, das ist keine Frage eines kultivierten Jammerns. Es geht vielmehr darum, dass man die Probleme beim Namen nennen muss, wenn man sie lösen will. Das soll wohl der Sinn des Aktionsplans sein. Sein Mangel ist, dass kein Zusammenhang zwischen dem, was die Bundesregierung tut, und dem, was sie erreichen will, hergestellt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Sie schreiben, dass Sie konkrete Ziele beschreiben und konkrete Daten angeben. Wenn Sie auf die Seiten 6 und 7 schauen - das ist dazu das Einzige -, dann sehen Sie Kraut und Rüben in einer bunten Gemengelage. Da finden Sie die Erwartung im Hinblick auf die Marktpenetration von Handys, die auch der Wirtschaftsminister voller Stolz dargestellt hat. Da finden Sie eine Reihe von weiteren Punkten, mit denen die Bundesregierung gar nichts zu tun hat.

   Die Frage, wie man in der Bildung, in der Ausbildung und bei den Infrastrukturen Ziele erreicht und Defizite aufarbeitet, ist interessant. Als Beispiel nehme ich E-Health; Kollege Kuhn hat hierzu einige grundsätzliche Bemerkungen gemacht. Über E-Health wird in dem Bericht in einem von sechs großen Kapiteln geschrieben, was hier im Einzelnen passieren müsse und wie der Stand sei. Da ist diese schöne Tabelle - ich glaube, Herr Kuhn hat sie angesprochen -, in der Sie sagen: Hier in Deutschland sind - mit weitem Abstand hinter anderen - nur 6 Prozent der Allgemeinmediziner in einem medizinerspezifischen Netzwerk. Da fragt man sich: Warum? Sind deutsche Mediziner dümmer? - Eher unwahrscheinlich.

(Hubertus Heil (SPD): Nein, weil Sie die Kartelle vertreten! Das ist der Punkt!)

- Lieber Herr Heil, ich kann Ihnen eine Antwort geben - auch Herr Kuhn war mit dem Begriff „Wettbewerb“ schnell bei der Hand -: Man muss spezifisch und nicht nur grundsätzlich denken.

(Hubertus Heil (SPD): Aber auch spezifisch!)

   In dem Bericht findet sich eine prächtige Fußnote. Sie ist ganz klein gedruckt; sie ist die einzige Fußnote in dem ganzen Bericht. Da wird nämlich geschrieben, dass die kassenärztlichen Vereinigungen den Medizinern untersagt haben,

(Jörg Tauss (SPD): Aha!)

die Daten auszutauschen, weil die entsprechenden Sicherheitsstandards nicht gegeben seien.

Wenn es aber so ist, dann frage ich: Wer setzt denn die Sicherheitsstandards? Das tun doch nicht die Mediziner. Seit fünf Jahren regieren Sie. Wo sind die Standards?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wann erbringen Sie die Leistungen, die vom Staat verlangt werden können? Dort, wo Sie ran müssen, sind Sie nicht da, während Sie dort, wo wir erfolgreich sind, Sie aber nichts zu tun haben, grundsätzliche Reden halten, die ganz ausgezeichnet sind.

   Dankenswerterweise hat Herr Kuhn eines der Glanzstücke deutscher Public Private Partnership lobend erwähnt: Die Maut ist ein klassisches Beispiel dafür, dass man eine wirklich exzellente Idee so gegen die Wand fahren kann, dass die gesamte Bundesregierung mit abgeschnittenen Hosen dasteht, was wirklich kein schöner Anblick ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dass Sie etwas, was einmal eine glanzvolle Spitzmarke deutscher Technik sein sollte, so hinstellen, dass sich ganz Europa vor Heiterkeit den Bauch hält, ist keine besonders großartige Sache.

   Ich möchte zusammenfassen: Es gibt überall, bei E-Government und E-Health, bei der Erziehung und der Ausbildung, in der Frage des Braindrain, beim Haushalt des Forschungsministers, Probleme. Hier sollte die Bundesregierung eigentlich etwas tun.

(Zuruf des Abg. Hubertus Heil (SPD))

- Ja, Sie haben einen schönen Bericht geschrieben. Das ist eine wirklich wunderbare Sammlung von exzellenten Euphemismen. Da heißt es nicht: Wir befinden uns in einem schlechten Zustand. Stattdessen heißt es: Wir haben ein großes Entwicklungspotenzial. Das ist prima.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Aber bisher haben Sie noch nicht abgeleitet, was Sie tun sollen.

   Zum Glück haben wir ja noch einen Bundeskanzler. Wenn ein Problem ganz kritisch wird, ist der Bundeskanzler zur Stelle

(Hubertus Heil (SPD): Im Gegensatz zu Helmut Kohl ist das ja schon ein Fortschritt!)

und wir bekommen eine Kommission oder einen Arbeitskreis, eine Geschäftsstelle oder einen Berater oder auch alles zusammen. Gott sei Dank haben wir jetzt das Jahr der Innovation. Das ist eine tolle Sache, das finde ich wirklich prima.

   Das „Handelsblatt“ fragt etwas skeptisch, ob diese Politblase mit Inhalt gefüllt werden kann. Das ist sicher das normale Ressentiment der bürgerlichen Presse. Aber der Bundeskanzler hat ein großes Wort gesagt - wenn das keine Wende im Denken der Regierungspartei ist -: Wir sollten erst über die Chancen und dann über die Risiken nachdenken.

(Hubertus Heil (SPD): Genau!)

- Herr Heil, Sie haben das mit Begeisterung aufgegriffen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich finde das prima, so haben auch wir immer gedacht. Aber ich muss sagen: Größer ist die Freude im Himmel über einen Bundeskanzler, der sich bekehrt, als über 99 gerechte Christdemokraten, die der Bekehrung nicht bedürfen. Das ist etwas, was wir hier in Demut entgegennehmen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Das ist Hoffart! Hoffart ist eine Todsünde!)

Wir freuen uns über den Bundeskanzler und seine Bekehrung. Denn dann kann uns nicht mehr so etwas passieren, wie damals in Hessen, als die Insulinanlage von jemandem, der heute in der Bundesregierung sitzt, über neun Jahre verzögert wurde. Es wird uns auch nicht mehr passieren, dass wir aus einer exzellenten Kerntechnik so aussteigen, dass wir nicht einmal Reaktoren in anderen Ländern aufmotzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Es wird uns auch kein Moratorium für grüne Gentechnik mehr passieren und es wird uns nicht passieren, dass der Transrapid in unserem Land zu Tode diskutiert wird, während er in China fährt und das Know-how wer weiß wo verloren gegangen ist.

   Wenn der Kanzler jetzt wirklich voller Entschlossenheit zu den Chancen steht, dann gibt es eine leuchtende Zukunft für unser Land. Denn die oben genannten Probleme sind ganz unterschiedlicher Art, aber sie haben vielleicht einen gemeinsamen Grund, nämlich eine Haltung des Pessimismus. Herr Kuhn sprach vom Jammertal. Woher kommt diese Haltung?

(Jörg Tauss (SPD): Von Ihnen!)

   Sie können nicht eine Technik nach der anderen verteufeln und sich danach wundern, dass ein Jammertal entsteht. Wenn Sie nicht den Erfolg herausstellen und nicht Spitzentechnik und Spitzenleistung mit Begeisterung unterstützen, entsteht im Land auch nicht die Zuversicht und die Fröhlichkeit, neue Herausforderungen aufzugreifen und sie anzugehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir haben eine wunderbare Chance. Das, was hier entstehen kann, ist ein Wachstum das sich aus Intelligenz speist. Ressourcen und Energien werden nicht verbraucht. Es handelt sich um ein Wachstum, das im Grunde unbegrenzt ist, weil es keine Ressourcen verbraucht.

Das wäre doch etwas, was die Grünen mit Begeisterung aufnehmen sollten. Ich rede ja erst gar nicht von Ihren alten Diskussionen über die Jobkiller, die ich auch noch miterlebt habe.

   Darin, dieses in den unterschiedlichen Bereichen beharrlich aufzubauen,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Haben wir doch!)

liegt die Chance für die Zukunft, die Chance für ein Wachstum des guten Gewissens. Ich meine damit keinen technokratischen Hurrapatriotismus. Dafür plädiert niemand. Mit Blick auf diese Chancen, die unser hoch verehrter Herr Bundeskanzler in einer so vorzüglichen Weise beschwört, müssen wir die beharrliche Arbeit und die Entschlossenheit der tüchtigen Leute in Unternehmen und Instituten unterstützen. Diese stützen die Zukunft Deutschlands und hier sollte eine Regierung nicht stören.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Grietje Bettin, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bedaure, dass die Opposition zu diesem für Deutschland so zukunftsweisenden Thema nicht mehr als diesen allgemeinen politischen Rundumschlag zu bieten hatte.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Die Informationsgesellschaft entwickelt sich rasant

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Kleines Karo!)

- da können Sie schlechtreden, was Sie wollen, liebe Opposition -: Im Jahre 2003 war laut einer Onlinestudie von ARD und ZDF erstmals die Hälfte der deutschen Bevölkerung ab 14 Jahren online. Insbesondere der Anteil von Frauen und älteren Menschen ist stark gestiegen. Rot-grüne Initiativen wie „Frauen ans Netz“ oder „Internet für alle“ zeigen eindeutig Wirkung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Bedeutung der Informations- und Kommunikationsbranche für die rot-grüne Politik wird mit dem vorgelegten Aktionsprogramm bestätigt und ausgebaut. Wir müssen insbesondere sicherstellen, dass dieser Masterplan auch wirklich die gesamte Bevölkerung erreicht. Was nützen uns die tollsten E-Learning-Projekte, solange nicht jeder Schüler oder jeder Student in der Lage ist, das in der Schule oder an der Uni Gelernte zu Hause weiter auszuprobieren?

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Bildung heißt auch Chancengleichheit - so lautet einer der zentralen Leitsätze des Aktionsprogramms. Hier sind wir - und das ist Aufgabe von Bund und Ländern - sicher noch weit von unserem angestrebten Ziel entfernt.

   Ich möchte zwei ehrgeizige Ziele dieses Programms herausheben: Der Anteil der Internetnutzerinnen und -nutzer soll bis zum Jahre 2005 auf 75 Prozent steigen und mittelfristig soll der Anteil von Frauen an den IT-Berufsausbildungen und Informatikstudiengängen auf 40 Prozent gesteigert werden. Momentan liegt der Frauenanteil hier bei 10 bis 15 Prozent. Es wird sicher schwer, diese Zielmarken im angestrebten Zeitraum zu erreichen, aber gerade deshalb unterstütze ich die Bundesregierung an dieser Stelle ausdrücklich.

   Es gilt, die gleichberechtigte Teilhabe aller gesellschaftlichen Gruppen an der Informationsgesellschaft sicherzustellen. Eine höhere Nutzung und Akzeptanz neuer technischer Möglichkeiten ergibt sich bei einer breiteren Nutzerschicht nahezu von selbst und liefert wiederum die Grundlage für die permanente Weiterentwicklung neuer zukunftsweisender Technologien und Wirtschaftszweige.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Das ist auch alles sehr konkret! Es gibt eine Sprache, die heißt „Jubelpersisch“!)

   Im Zusammenhang mit der Ausweitung der Nutzerschichten möchte ich einige Beispiele nennen: Was nützt mir die digitale Signatur in Verbindung mit einem entsprechenden Gesetz, wenn ich nicht die Technik zur Verfügung habe, um eine rechtsverbindliche Unterschrift von meinem PC aus zu leisten? Wie soll ich der elektronischen Gesundheitskarte vertrauen, wenn ich selber nicht in der Lage bin, die Technik nachzuvollziehen und die hier gespeicherten Daten einzusehen?

   Die Bundesregierung möchte mit diesem Aktionsprogramm eine Spitzenstellung in der globalen Medien- und Kommunikationslandschaft einnehmen.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Hurra!)

Es ist wenig zielführend, sich über internationale Rankings zu streiten, Herr Kollege Riesenhuber. Fakt ist: Es geht nach oben, aber - das gebe ich offen zu - es ist noch Platz für eine höhere Platzierung!

   Um eine weitere Verbesserung zu erreichen, finden wir im Aktionsplan hervorragende Projekte und Maßnahmen wie zum Beispiel die „Deutsche Breitbandinitiative“ oder die „Stiftung Digitale Chancen“.

Neben der wirtschaftspolitischen Dimension des Netzes, das heißt der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, ist für uns Grüne gerade auch der gerechte und offene Zugang zu Wissen eine gleichberechtigte Zielsetzung bei der Gestaltung der Informationsgesellschaft. Dabei darf uns ein zu restriktives Urheber- oder Patentrecht nicht im Wege stehen. Hier denke ich unter anderem an den so genannten Zweiten Korb einer Reform des Urheberrechts und an die bevorstehende Softwarepatent-Richtlinie der EU.

   Ein weiteres, zukunftsträchtiges Thema der Informationsgesellschaft ist E-Government in Verbindung mit E-Demokratie. Auch in diesem Aktionsprogramm spielt der Bereich E-Demokratie eine Rolle, wenn auch leider nicht mehr ganz so exponiert wie in der Vergangenheit. Der Deutsche Bundestag ist geradezu dafür prädestiniert, in Sachen E-Demokratie mit gutem Beispiel voranzugehen. Wir müssen unsere politischen Strukturen ebenfalls an die Herausforderungen der Informationsgesellschaft anpassen und innovative Ansätze wie, unter vielen anderen, das E-Demokratie-Projekt aus der letzten Legislaturperiode unbedingt weiterentwickeln.

   All das hier Aufgezeigte sind spannende, zukunftsweisende Themen, über die es sich zu streiten lohnt. Letztendlich glaube ich - das wurde auch in der Debatte deutlich -, dass wir in der Sache durchaus in dieselbe Richtung streben. Daran sollten wir arbeiten.

   Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Petra Pau das Wort.

Petra Pau (fraktionslos):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Thema Informationsgesellschaft ist seit Jahren in aller Munde. Jahr für Jahr wird deutlicher, welche großen Chancen, aber auch welche erheblichen Risiken damit verbunden sind. Im Alltag sind Handy und Computer Marken- und Modezeichen dafür. Online-Banking und -Shopping nehmen zu. Selbst dort, wo die Bürger mit der Bürokratie ringen, erspart das Internet zunehmend endlose Behördengänge. All das zeigt die Chancen, die modernen Kommunikationstechnologien innewohnen.

(Hubertus Heil (SPD): Aber?)

   Zur hemmungslosen Euphorie gibt es allerdings keinen Grund. Auch das wir immer klarer. Drei Fakten können das verdeutlichen. Erstens. Inzwischen verfügen 14 Prozent der Weltbevölkerung über einen Zugang zu modernen Kommunikationsmitteln und -netzen. Davon leben 79 Prozent in den OECD-Staaten. Anders gesagt: Die Mehrheit der Weltbevölkerung hat keinerlei Zugang zu der modernen Welt, über die wir hier heute Morgen reden. Zweitens. Von denen, die Zugang haben, werden vor allem SMS und E-Mail sowie das Internet genutzt. Die Menge sagt aber noch nichts über die Qualität der Kommunikation aus. Drittens. Die Zahl der Firmen, die zum IT-Bereich zählen, hat zugenommen; mit ihnen aber auch die Zahl der Billigjobs. Dort, wo moderne Kommunikationsmittel angewandt werden, werden Arbeitsplätze weiter abgebaut. Selbst unmittelbar in der Telekommunikationsindustrie gibt es heute nur 4 Prozent mehr Arbeitsplätze als vor sechs Jahren.

   Auch das gehört zur Bilanz und beschreibt die Kehrseiten sowie drängende Herausforderungen für die Politik; übrigens nicht nur für die Forschungs-, Arbeitsmarkt- oder Sozialpolitik, sondern vor allem auch für die Bildungspolitik. Medienkompetenz wird zunehmend zur Überlebenskompetenz und zur Kulturfrage im weitesten Sinne. Wie man einen Computer bedient, sich durch das Internet klickt oder per Handy einen Grand Prix entscheidet, wissen heute schon Vorschulkinder. Wie man aber all diese Möglichkeiten gebraucht, ohne missbraucht zu werden, das ist ein sehr weites Feld. Diesen Fragen gebührt viel mehr Aufmerksamkeit als bislang praktiziert.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Hinzu kommt ein weiteres Problem, das die PDS im Bundestag auch immer wieder anspricht: Mit der so genannten Informationsgesellschaft wachsen die technischen Möglichkeiten, Herr fremder Daten zu werden. Im selben Tempo nehmen übrigens die Begehrlichkeiten zu, persönliche Daten zu sammeln. Leider nimmt auch die Naivität vieler zu, mit der sie Daten und damit ihre Persönlichkeit preisgeben. Daher wäre es Aufgabe der Politik, vor diese Entwicklung Riegel zu schieben und in diesem Bereich noch mehr Aufklärung zu fördern.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

In der Praxis geschieht das Gegenteil, leider auch durch die Politik von Rot-Grün. Der Datenschutz ist zum Stiefkind des Schicksals geworden. Wer ein Handy benutzt, im Internet surft, sich im Auto navigieren lässt oder durch den Gebrauch einer Kunden-Card auf Rabatte hofft, hinterlässt Spuren, die eifrig gesammelt, gebündelt und auch vermarktet werden. Die nächste Generation von „Schnüffelchips“ wird bereits millionenfach produziert und ist in Erprobung. Diese werden nicht nur von tüchtigen Geschäftsleuten eingesetzt, sondern auch von Staats wegen; davon war heute schon die Rede. Darüber liest man aber nur sehr wenig im vorliegenden Aktionsprogramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“. Weshalb eigentlich, Herr Minister?

   Ich rede im Übrigen nicht gegen den Chip. Ein Chip an sich ist unschuldig.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sehr gut! - Hubertus Heil (SPD): Kartoffelchip!)

Das Internet brauche ich für meine Arbeit genauso wie das Handy. Das macht mich aber nicht blauäugig gegenüber den Gefahren für die Gesellschaft wie für die Demokratie. Gesellschaft und Demokratie ziehen nicht nur Nutzen, sie sind auch gefährdet, solange die Politik nicht ihre Hausaufgaben macht.

   Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) - Jörg Tauss (SPD): Das ist aber euphorisch da hinten! Mein lieber Mann!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Parlamentarischen Staatssekretär Christoph Matschie.

Christoph Matschie, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, wer sich im Wettbewerb durchsetzen will, der braucht Mut und Selbstbewusstsein. Davon war in Ihren Reden wenig zu spüren. Wer so jammert wie Sie, der sitzt zu Recht auf der Oppositionsbank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Jetzt kommt aber ein Feuerwerk!)

Wir brauchen Mut und Selbstbewusstsein, um dieses Land weiter voranbringen zu können und um zu erreichen, dass wir uns im Wettbewerb durchsetzen. Von mir aus bedarf es auch der Fröhlichkeit, Herr Riesenhuber. Ich gebe Ihnen Recht: Sie kann nie schaden. Wenn Sie dies erreichen wollen, haben Sie in der eigenen Fraktion aber noch viel vor sich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Unfreiwillige Komik hilft da auch nicht weiter!)

   Wenn man sich die Situation anschaut, dann muss man zu dem Schluss kommen, dass Deutschland trotz aller Probleme, die es noch immer gibt, ein starkes Land ist. Schließlich bedarf es der Stärke, um wie wir Exportweltmeister und um wie wir mit Abstand der bedeutendste E-Commerce-Markt in Europa zu sein. Sie haben hier in Ihren Reden nur deutlich gemacht, was wir in diesem Land nicht schaffen. Wie konnte es uns aber gelingen, dass beispielsweise AMD in Dresden eine Milliardeninvestition tätigt und dort eine Chipfabrik baut? -

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Weil wir eine starke Regierung in Sachsen haben!)

Die Antwort lautet: Weil wir gut sind an diesem Standort und weil wir die Voraussetzungen in der Forschung und Entwicklung geschaffen und ein Cluster aufgebaut haben. Es war diese Bundesregierung, die diese Entwicklung wesentlich vorangetrieben hat.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Peter Hintze (CDU/CSU): Das war eine richtige Frage, Herr Matschie!)

Der Raum Dresden ist heute einer der bedeutendsten Standorte für Mikroelektronik in Europa.

(Peter Hintze (CDU/CSU): Stimmt!)

- Sehen Sie! - Wir werden auf dem Weg der Förderung der Forschung, den wir eingeschlagen haben, weitergehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Wir wollen, dass Thüringen Dresden folgt und nicht Frankfurt an der Oder!)

   Es lassen sich noch andere Beispiele nennen. General Electric baut in Deutschland gerade ein neues Forschungs- und Entwicklungszentrum. Das sind, wie ich finde, sehr klare Belege dafür, dass dieses Land stark ist und dass es gute Voraussetzungen für Forschung und Entwicklung bietet, auch in dem Bereich, über den wir heute diskutieren.

   Frau Krogmann, wir haben uns nicht erst heute auf den Weg gemacht; das ist Ihnen vielleicht entgangen. Das Thema Informationsgesellschaft haben wir schon im Rahmen des Programms „Innovation und Arbeitsplätze in der Informationsgesellschaft im 21. Jahrhundert“ 1999 aufgegriffen. Das Programm, das wir damals aufgelegt haben, hat deutliche Erfolge erzielt; das sehen Sie an den Beispielen, die ich Ihnen genannt habe. Diesen Weg setzen wir mit dem neuen Aktionsprogramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ fort.

   Wir haben das Förderprogramm „IT-Forschung 2006“ aufgelegt. In diesem Förderprogramm stellt die Bundesregierung insgesamt 3 Milliarden Euro für Forschung und Entwicklung zur Verfügung. Sie sehen: Wir kleckern in diesem Bereich nicht, sondern klotzen. Wir bringen das Land voran.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ein Beispiel aus diesem Programm will ich Ihnen nennen, nämlich das Programm „Mobiles Internet“. Europa ist heute weltweit der größte Markt für Mobilkommunikation. Deutschland spielt dabei eine ganz wichtige Rolle. Wir wollen diese Stärke Deutschlands und Europas in diesem Bereich weiter ausbauen und haben deshalb eine Reihe von Projekten initiiert, beispielsweise um einen Standard für ein Gigabit-Wireless-LAN zu entwickeln oder um Chips für mobile Endgeräte der nächsten Generation weiterzuentwickeln.

Die Entwicklung von Standards für ein drahtloses Datennetz im Automobilbereich oder der Aufbau eines mobilen Wissenschaftsnetzes werden mit Forschungsprogrammen gefördert. Das Fördervolumen dieser Projekte, die ich Ihnen eben genannt habe, beträgt in der ersten Stufe 60 Millionen Euro. Wir packen die vor uns liegenden Aufgaben an und bringen Forschung und Entwicklung auf diesem Gebiet weiter.

   Wir wissen aber auch: Innovation ist mehr als ein technisches Problem und auch mehr als technischer Fortschritt. Es braucht Menschen, die mit dieser Technik umgehen und diesen Fortschritt gestalten können. Deshalb diskutieren wir über Veränderungen in unserem Bildungssystem. Wir haben die Debatte über die Weiterentwicklung der Schulen in Deutschland hier im Hause geführt. Sie haben sich anfangs gegen das von uns aufgelegte Programm zur Weiterentwicklung von Ganztagsangeboten gesperrt. Heute ist für alle klar: Solche Ganztagsangebote sind wichtig, um auch auf solchen neuen Feldern zusätzliche Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche zu machen und dazu beizutragen, dass es nicht zu einer digitalen Spaltung in der Gesellschaft kommt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Alle Menschen müssen Zugang zu diesen neuen Medien haben und lernen, damit umzugehen und die Vorteile dieser neuen Technik zu nutzen.

   Wir diskutieren heute über die Weiterentwicklung unserer Hochschullandschaft. Auch hier stehen Sie auf der Bremse. Sie suchen immer nur das Haar in der Suppe, anstatt zu sagen: Lasst es uns in diesem Land gemeinsam anpacken, lasst uns die Entwicklung vorantreiben und darüber diskutieren, wie unsere Hochschulen Spitze werden können!

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): In Ihrer Suppe sind mehr Haare als Nudeln!)

- Sie können sich gern darüber lustig machen. Auf diese Art und Weise wird sich unsere Hochschullandschaft aber nicht weiterentwickeln.

(Beifall bei der SPD)

Dies wird nur geschehen, wenn wir Ideen dafür entwickeln, wie wir die Entwicklung hier voranbringen können.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Dann entwickeln Sie mal!)

   Zu diesem Bildungsbereich gehören auch ganz spezifische Programme, durch die die Informationstechnologien in der Bildung stärker zur Anwendung kommen können. Heute haben alle Schulen einen kostenfreien Internetzugang. Das ist unter dieser Bundesregierung gelungen. Als Sie noch am Ruder waren, haben Sie sich überhaupt nicht dafür interessiert.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Bezogen auf die Bildungssoftware sind wir heute international in einer führenden Position. Wir wollen diese Position weiter ausbauen. Deshalb investieren wir mithilfe unseres Programms „Neue Medien in der Bildung“ in die Forschung und Entwicklung.

   Wer sich anschaut, was in den letzten Jahren gelungen ist, der sieht, dass Deutschland im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien im Aufbruch ist. Wir haben eine erfolgreiche Kooperation von Wirtschaft, Staat und Forschung etabliert. Beispiele wie die Initiative D21, die Deutsche Breitbandinitiative oder auch die Initiative Digitaler Rundfunk stehen dafür. Gemeinsam mit der Wirtschaft und der Forschung wollen wir diesen Weg weitergehen.

   Jammern Sie weiter, wenn Sie wollen. Wir bringen das Land inzwischen voran.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Ist die Rede zu Ende? - Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Georg Nüßlein, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Georg Nüßlein (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Matschie, dass man in Ihrer Situation und für Ihr permanentes „Weiter so!“ Selbstbewusstsein und Fröhlichkeit braucht, ist unbestritten.

(Jörg Tauss (SPD): Ja, dann verstreuen Sie jetzt mal und loben Sie uns! Aufbruch!)

- Gerne. Der Einsatz der Informations- und Kommunikationstechnik bestimmt heute - das ist unbestritten - das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben in einer Art und Weise, wie es sich selbst die Pioniere dieser Technik nicht vorstellen konnten. Der IBM-Gründer, Thomas Watson junior, ging zum Beispiel von einem weltweiten Bedarf von gerade einmal fünf Computern aus. Das zeigt uns, dass Innovation nicht planbar ist. Es zeigt uns aber auch, dass man sich über die technische Zukunft trotz allem durchaus programmatisch und offen Gedanken machen kann. Herr Tauss, damit Sie es hören, ich lobe ich Sie jetzt:

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Insofern ist ein Aktionsprogramm wie das, welches nun vorliegt, prinzipiell zu begrüßen.

(Jörg Tauss (SPD): Sehr gut!)

Den Worten müssen dann aber auch Taten folgen.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist wahr!)

Taten braucht das Land mehr als Ihre Worte, Ihre Megaperls und Ihr TAED-System für die Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP))

   Die Informations- und Telekommunikationstechnologie war ein Quantensprung. Das kann man von dem vorliegenden Programm nicht behaupten; zudem kommt es reichlich spät. Um noch etwas Positives anzufügen: Es basiert auf dem, was unter der Regierung Kohl politisch angestoßen wurde, insbesondere der Liberalisierung des Telekommunikationsmarktes.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es drängt sich der Eindruck auf, dass viele der in dem Programm genannten Ziele in der Hoffnung formuliert sind, dass die Wirtschaft sie aus eigener Kraft erreicht: Internetzugang für 75 Prozent der Bevölkerung bis 2005, die Breitbandnutzung in 50 Prozent aller Haushalte bis 2010 oder der UMTS-Dienstestart noch heuer.

   Stichwort UMTS. Ich weiß, Sie können es vermutlich nicht mehr hören, aber man muss ganz klar sehen, wie Aktionsprogramme und Aktionen dieser Regierung auseinander driften. Herr Minister Clement, es ist zynisch, von der Wirtschaft zu verlangen, es sei höchste Zeit - das haben Sie gesagt -, etwas zu tun. Der Finanzminister war es doch, der der Wirtschaft bei dieser Versteigerung mit 51 Milliarden Euro eine riesige Last aufgebürdet hat, die die Umsetzung jetzt deutlich belastet und verzögert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP) - Jörg Tauss (SPD): Er stand nicht mit dem Revolver daneben!)

   Das zeigt, dass man Innovationen zwar nicht staatlich verordnen, aber staatlich kaputtmachen kann. Gleiches gilt für Eliteuniversitäten. Innovation entsteht in den Köpfen, genauso wie Elitewissen.

(Hubertus Heil (SPD): Aber nicht automatisch!)

- Sie entstehen nicht automatisch, wie man an Ihnen deutlich merkt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP))

Man braucht Motivation und fördernde Rahmenbedingungen. Dafür ist die Politik zuständig. In der Realität aber kommt die TKG-Novelle, die in der Tat das Herzstück Ihres Aktionsprogramms zur Informationsgesellschaft darstellt und politisch umzusetzen ist, zu spät.

(Klaus Brandner (SPD): Worüber sprechen Sie jetzt? - Hubertus Heil (SPD): Sie haben nicht viel Ahnung!)

Die TKG-Novelle kommt sogar so spät, dass die EU ein Vertragsverletzungsverfahren einleitet. Die Unternehmen hatten lange Zeit keine Rechts- und Planungssicherheit und es gibt noch eine ganze Reihe von unbestimmten Termini - das wissen Sie, Kollege Heil -, die es auszugestalten gilt.

   Darüber hinaus besteht Diskussionsbedarf, wie wir einen innovationsfördernden Wettbewerb erreichen wollen, um das Monopol der Deutschen Telekom unumkehrbar zu brechen. Ich bitte die rot-grüne Mehrheit, über ein paar Punkte nachzudenken, die ich anführen möchte. Das Antragsrecht für die Wettbewerber ist ein wesentlicher Ansatzpunkt, um die Verfahren zu beschleunigen; meine Vorredner haben das bestätigt. Fakturierung und Inkasso aus einer Hand dienen nicht nur dem Verbraucherschutz, sondern auch der Sicherung der Liquidität der Wettbewerber und der Aufrechterhaltung gut funktionierender Geschäftsmodelle im Dienstleisterbereich.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Hubertus Heil (SPD): Wie heißt der Auskunftsdienst in Ihrem Wahlkreis? - Gegenruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU): Unheil, seien Sie ruhig!)

   Innovation bedingt Investitionen. Investiert wird aber nur, wenn man kalkulieren kann. Man muss wissen, wie sich die Zukunft gestaltet. Genau das ist das Problem: Ihre Politik ist nicht kalkulierbar. Das gilt für eine ganze Reihe Politikfelder. Ich möchte mich auf Bildung und Forschung beschränken, weil es zum Thema passt. Einerseits fordern Sie millionenteure Eliteunis, andererseits kürzen Sie den Bildungs- und Forschungsetat.

(Jörg Tauss (SPD): Falsch, falsch!)

Einerseits kündigen Sie eine Innovationsoffensive an, zum Beispiel in der Mikro- und Nanotechnologie, der Bio- und Gentechnologie sowie in den Materialwissenschaften und der Energietechnologie, andererseits kürzen Sie die Mittel in der Genomforschung um 17 Millionen Euro, in der Nanotechnologie um 6 Millionen Euro und in der Produktionstechnologie um 1,2 Millionen Euro.

Das ist rot-grüne Konsequenz.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nun wollen Sie auch die Informations- und Telekommunikationsbranche in die so genannte Innovationsoffensive einbeziehen. Den Delinquenten schwant sicher schon Böses. Sie sprechen von der Innovationsoffensive und halten an alten Kamellen fest. Vieles ist schon angeführt worden: keine betrieblichen Bündnisse für Arbeit, keine Flexibilisierung der Arbeitszeit, Ausbildungsplatzabgabe und mit hoher Wahrscheinlichkeit keine große Steuerreform bzw. keine weitreichenden Steuervereinfachungen.

(Hubertus Heil (SPD): Thema verfehlt! Setzen! Sechs!)

Lassen Sie mich zum Thema E-Government kommen. Die Steuererklärung online abzugeben ist zwar eine schöne Sache; Voraussetzung wäre aber, dass der Durchschnittsbürger überhaupt in der Lage ist, seine Erklärung selbst - und sei es in Papierform - auszufüllen. Das wäre innovativ.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Statt echter Innovation kommt ein Innovationsbeirat nach dem anderen. Insgesamt hat dabei die ITK-Branche noch Glück, weil sie als prinzipiell erwünscht in Deutschland eingestuft wird. Sonst sagen Sie von der SPD immer, womit wir in Deutschland in Zukunft unser Geld nicht verdienen wollen. Jedenfalls lassen Sie sich das von den Grünen diktieren.

(Jörg Tauss (SPD): Was?)

Forschungsreaktoren, Kern- und Verteidigungstechnik, Gentechnik, Chemie usw. - überall kann Bedenken haben, was die Sicherheit angeht. Wir können aber die Frage, was wir in Zukunft machen wollen, nicht nur negativ beantworten. Man muss die Frage - das ist die Aufgabe einer Regierung - positiv beantworten: Womit wollen wir in Zukunft unser Geld verdienen? Womit wollen wir vorankommen? Mit einem Dosenpfand zum Wegwerfen, mit einer Maut, über die Österreich lacht, und mit einem Transrapid, der nur in China fährt, werden wir nicht weiterkommen.

(Michael Glos (CDU/CSU): Sehr wahr!)

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Jörg Tauss, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD - Michael Glos (CDU/CSU): Ei der Tauss!)

Jörg Tauss (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube meinem Fraktionsvorsitzenden. Jemand, der den Transrapid im Emsland 16 Jahre lang im Kreis hat fahren lassen, sollte zu dem Thema nicht reden.

(Beifall bei der SPD)

   Einige Dinge sollten wir klarstellen. Erster Punkt. Lieber Kollege Nüßlein, Sie haben über das TKG geredet und beklagt, dass dieses noch nicht umgesetzt sei. Das TKG ist - so haben wir es angekündigt - in einem sehr offenen und transparenten Prozess mit den Betroffenen diskutiert worden, was bei der Wirtschaft auf große Zustimmung stieß. So stelle ich mir die Entstehung eines Gesetzes vor. Die Diskussionsphase dauert noch an. Sie werden zur Beschlussfassung ein TKG auf den Tisch bekommen, das mit Sicherheit Ihr Gesetz um einiges verbessert. Davon können Sie ausgehen.

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Sie hätten nur ein Jahr vorher anfangen müssen!)

   Zweiter Punkt. Ich finde es ausgesprochen putzig, dass ausgerechnet jemand aus Bayern sich hier hinstellt und über die Kürzungen bei Bildung und Forschung jammert. Ich sage Ihnen: Wir haben den Etat für Bildung und Forschung kontinuierlich erhöht. Zu Ihrer Zeit gab es überhaupt kein Genomforschungsnetz, Genomforschung fand zu Ihrer Regierungszeit nicht statt. Heute sind wir weltweit an der Spitze in diesem Bereich, und zwar dank der Erlöse in Milliardenhöhe im Zusammenhang mit der Vergabe der UMTS-Lizenzen, die wir - das sage ich, um einer Legendenbildung entgegenzuwirken - auch in diesen Bereich investiert haben.

(Beifall bei der SPD)

   Apropos UMTS: Ich kann mich nicht erinnern, dass Karl Diller, den ich hier sitzen sehe, die Anbieter mit dem Revolver bedroht hat, als es um die Vergabe der UMTS-Lizenzen ging. Natürlich hat der Finanzminister das Geld gerne genommen. Aber wenn hoch bezahlte Vorstände sich an dieser Versteigerung ohne einen Businessplan in der Tasche beteiligen, dann dürfen Sie das nicht dem Finanzminister vorwerfen. Mit dem Geld, das die Firmen bezahlt haben, haben wir zumindest vernünftige Politik in den Bereichen Bildung und Forschung und Verkehrsinfrastruktur gemacht. Das andere ist nicht unser, sondern deren Bier.

(Beifall bei der SPD)

   Dritter Punkt. Liebe Kollegin Krogmann, Sie irren, wenn Sie sagen, dass MEDIA@Komm keine Standards hervorgebracht hätte. Ich weiß gar nicht, wie Sie darauf kommen. MEDIA@Komm gibt es in Bremen, Nürnberg und Esslingen. Bremen hat nicht nur den Vorteil einer guten Regierung, die sozialdemokratisch geführt ist, sondern auch den Vorteil, dass die Grenzen von Kommune und Land übereinstimmen. Dort wurden Standards gesetzt, die bundesweit übernommen werden können. Über 300 E-Government-Lösungen sind zwischenzeitlich aus dem Land Bremen und aus Nürnberg und Esslingen angeboten worden und werden von den Kommunen genutzt. Es ist eine Legende, dass keine Standards gesetzt wurden. Das stimmt nicht.

   Zur Gruppe der PDS, deren Vertreterinnen leider nicht mehr da sind: Die IT-Sicherheit ist einer der ganz wesentlichen Punkte. Lesen Sie das im Bericht nach! Die IT-Sicherheit ist ein Aspekt des Datenschutzes. Die Kollegin Ute Vogt, die auf der Regierungsbank Platz genommen hat, hat aus diesem Grund schon 1998 begonnen, das Thema moderner Datenschutz systematisch für den Innenbereich zu bearbeiten.

   Zur FDP sage ich nichts, nicht nur, weil Herr Brüderle gerade in ein Gespräch vertieft ist.

Lieber Herr Brüderle, wir - ich als Badener und Sie als Pfälzer - können uns hervorragend über Weine unterhalten; davon verstehen Sie sicherlich etwas. Von dem modernen Datenschutz verstehen Sie aber weiß Gott nichts.

   Die FDP hat sogar versucht, ein digitales Urheberrecht zu verhindern. Sie wollten noch im vergangenen Jahr in den Schulen das, was auf dem Papier möglich ist, nämlich dass man eine Kopie fertigt, am Computer verbieten. Sie haben sich am Zustandekommen des Gesetzes noch nicht einmal beteiligt. An dieser Stelle muss ich ausnahmsweise meinen Freunden von der CDU/CSU zur Seite springen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Drohungen!)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ihr habt euch konstruktiv beteiligt. Gemeinsam haben wir ein digitales Urheberrecht geschaffen, lieber Kollege Krings. Sie von der FDP aber sind noch nicht einmal zu den Beratungen gekommen.

   Ihr Kollege Hartmann hat völlig Recht, Herr Brüderle: Die FDP muss endlich aufwachen. Der Kollege Kubicki hat festgestellt, dass Sie ein nicht ernst zu nehmendes politisches Gleichgewicht geworden sind. Das ist die einzige Beschreibung, die auf Ihren Verein zutrifft. Lassen wir das bei dieser Gelegenheit auf sich beruhen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Jetzt erst komme ich zum eigentlichen Thema meiner Rede, aber der Präsident hat mir noch einige Minuten Redezeit gewährt.

(Lachen bei der CDU/CSU - Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP): Schade um die Zeit!)

- Mir bleiben drei Minuten und 14 Sekunden, die ich auch nutzen werde.

   Wir diskutieren heute nicht zum ersten Mal über die globale Informationsgesellschaft. Vielmehr hat die Bundesregierung dieses Thema kontinuierlich vorangebracht und mit dem Aktionsprogramm „Informationsgesellschaft Deutschland 2006“ sind viele Ihrer Versäumnisse zwischenzeitlich korrigiert worden. Sie haben durchaus Recht, Herr Riesenhuber: Auch mir reicht der von uns erreichte Platz 10 nicht aus. Gestartet sind wir aber von Platz 17, den wir von Ihnen übernommen haben. Von dieser Position aus haben wir uns bis heute auf den zehnten Platz vorgearbeitet. Ich bin aber erst dann zufrieden, wenn wir den ersten Platz erreicht haben. Das ist völlig klar.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

In diesem Punkt finden wir vielleicht zueinander.

   Wir wollen uns nicht auf dem bisher Erreichten ausruhen. Wenn Sie feststellen, dass die Entwicklung wieder ein bisschen rückläufig ist, dann will ich Ihnen auch die Gründe dafür nennen. Gelegentlich gewinnen Sie die eine oder andere Landtagswahl; das ärgert uns sehr. Mit jedem Land, das Sie regieren, gehen wir wieder ein paar Schritte zurück. Das ist unser Problem. Würde nur der Bund in der Statistik berücksichtigt, lägen wir längst an der Spitze. Beim E-Government sind wir europäische Spitze

(Beifall bei der SPD)

und auch den globalen Vergleich brauchen wir, so glaube ich, nicht zu scheuen. Das sollte der Gerechtigkeit und der Korrektheit halber auch erwähnt werden.

   Lassen Sie mich einige Anmerkungen zum Thema Bildung und Forschung machen. Seit dem Jahr 2001 ist jede Schule in Deutschland online. Ich denke, das reicht aber nicht aus. In vielen Schulen ist leider immer noch nur der Rektor online, während die Schülerinnen und Schüler keinen ausreichenden Zugang zum Internet haben. In vielen Bereichen in Ihrer Verantwortung, insbesondere in den Ländern, besteht auch noch hinsichtlich der Inhalte Handlungsbedarf. Ich sehe, dass die Bundesratsbank einigermaßen gut besetzt ist. Schreiben Sie sich alles auf! Es geht um Inhalte, Frau Schipanski. Reden alleine reicht nicht; jetzt müsst ihr in den Ländern ein bisschen was tun.

(Widerspruch der Ministerin Dr. Dagmar Schipanski (Thüringen))

Für die technische Infrastruktur haben wir einiges getan. Ich freue mich, dass Sie hier sind. Wenn es um das Thema Bildung geht, ist die Bundesratsbank sonst nicht so gut besetzt.

   Wir wollen den Bereich neuer Medien zum Bildungsalltag machen. Bildung heißt in diesem Zusammenhang Chancengleichheit, barrierefreier Zugang zum Internet und Medienkompetenz für die Kinder, um sich in der neuen Welt der Informationsgesellschaft zurechtfinden zu können.

   Ich komme zum E-Government. Liebe Kollegin Krogmann, ich habe Ihnen dazu schon einiges gesagt. Frau Ministerin Zypries, die leider nicht mehr im Saal ist - jetzt sitzt Staatssekretär Hartenbach auf der Regierungsbank -, muss an dieser Stelle ausdrücklich gelobt werden. Sie hat seinerzeit als Staatssekretärin im Innenministerium im Bereich E-Government Unglaubliches geleistet. Dafür ist ihr zu danken. Sie hat Deutschland in diesem Bereich vorangebracht.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wären Sie in den Ländern nur einigermaßen vergleichbar nachgezogen, dann sähe unsere Position um einiges besser aus.

   Wir müssen allerdings noch einiges mehr tun. Dazu gehört beispielsweise - das wurde auch kürzlich auf unserer Klausurtagung angesprochen - der Bereich Datenschutz. An dieser Stelle könnten wir zueinander finden, Herr Riesenhuber. Das wäre eine Innovation, die keine Mehrkosten verursacht. Mit einem modernen Datenschutz, in dessen Mittelpunkt die Technik steht - Datenschutz und IT-Sicherheit durch Technik! -, ließe sich viel erreichen. Wir könnten - da sollte uns das Ministerium behilflich sein - Milliardenmärkte für Deutschland erschließen; denn dieser Bereich käme dem Sicherheitsbedürfnis der Deutschen, das uns im Vergleich zur Risikofreude der Amerikaner oft vorgeworfen wird, entgegen. Dieses Grundbedürfnis der Deutschen, das uns so oft blockiert, könnte in der Kombination mit moderner Technik hier einmal neue Milliardenmärkte öffnen. Darüber müssen wir reden und an diese Bereiche müssen wir herangehen.

   Die rote Lampe leuchtet auf. Deshalb erlauben Sie nur noch einige Stichworte zum Schluss.

(Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP): Das reicht, Herr Tauss!)

Zur Informationsgesellschaft gehört, dass nicht desinformiert wird. Es ist über Fröhlichkeit gesprochen worden. Was haben Sie nicht alles über dieses Land erzählt: Sie haben festgestellt, dass wir die höchste Arbeitslosenquote haben. Die Arbeitslosenquote ist zwar in der Tat hoch, aber der Höchststand lag in Ihrer Regierungszeit. Sie haben festgestellt, die Staatsschulden hätten einen Höchststand erreicht. Nein, die höchsten Staatsschulden haben Sie gemacht.

Sie haben befürchtet, der Euro werde weich. Heute müssen wir uns Sorgen darüber machen, dass der Euro zu stark wird. Wer wie Sie in einen Wettbewerb mit anderen eintreten will, in dem es darum geht, Deutschland mies zu machen, der sollte mit dem Finger nicht auf andere, sondern auf sich selbst zeigen. Das kann man auch von jemandem erwarten, dessen Inhalte auf einen Bierfilz passen. Das ist der Punkt, über den parallel diskutiert werden muss.

   Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/2315 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse sowie an den Innenausschuss vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkte 4 a und 4 b sowie Zusatzpunkte 1 a und 1 b auf:

4. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Perspektiven schaffen für das Jahr der Technik 2004

- Drucksache 15/2161 -

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (17. Ausschuss)

- zu dem Antrag der Abgeordneten Michael Kretschmer, Katherina Reiche, Thomas Rachel, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Die Innovationskraft Deutschlands stärken - Zukunftschancen durch moderne Forschungsförderung eröffnen

- zu dem Antrag der Abgeordneten Ulrike Flache, Cornelia Pieper, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Aktionsplan für freie, effiziente und innovative Forschung

- Drucksachen 15/1696, 15/1932, 15/2383 -

Berichterstattung:

Abgeordnete Jörg Tauss
Michael Kretschmer,
Hans-Josef Fell
Ulrike Flach

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss

ZP 1 a) Erste Beratung des von den Abgeordneten Katherina Reiche, Dr. Maria Böhmer, Thomas Rachel, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (7. HRGÄndG)

- Drucksache 15/2385 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

b) Erste Beratung des von den Abgeordneten Ulrike Flach, Christoph Hartmann (Homburg), Cornelia Pieper, weiteren Abgeordneten und der Fraktion der FDP eingebrachten Entwurfs eines Siebten Gesetzes zur Änderung des Hochschulrahmengesetzes (7. HRGÄndG)

- Drucksache 15/2402 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile der Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Katherina Reiche (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland ist im Stimmungstief und bei der SPD haben Verheißungsparolen Konjunktur. Die letzte war die Eliteuni. Meine Damen und Herren von der Regierung, ich würde mich freuen, wenn Sie sich wieder einmal auf den alten Goethe besinnen würden: „Die Macht soll handeln, nicht reden.“ Ich möchte so gerne glauben, dass Sie die Geröllhalden des ideologischen Widerstands gegen Fortschritt, Leistung und Wettbewerb beseitigen wollen. Bei Herrn Matschie gibt es durchaus lichte Momente, zum Beispiel dann, wenn er wie gestern die Abschaffung der ZVS fordert oder sich für die Einführung von Studiengebühren stark macht. Nur, dann wird er ins Ministerbüro bestellt, muss Abbitte leisten und alles verharrt im Stillstand.

   Die technologische Dienstleistungsbilanz ist negativ. Tausende junger Wissenschaftler verlassen das Land. Innovative Branchen brechen weg oder entstehen erst gar nicht. Der Gegenwartskonsum steigt und die Zukunftsinvestitionen sinken. Gerade erst sind 80 Millionen Euro aus dem BMBF-Haushalt in die Rentenkasse transferiert worden.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Kassandra!)

Das Schiff Deutschland ist in einer Schräglage. Der Kapitän wirft derzeit allen Ballast über Bord, was damit endet, dass alles weg ist, was noch gut gebraucht werden könnte, und ergibt sich dann dem Schicksal. Überall werden Mittel über Bord geworfen, zum Beispiel bei den Zukunftstechnologien und bei den Hochschulen. Sie starten Kampagnen ohne Substanz und produzieren fixe Ideen - Innovation als Placebo!

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben Sie hoffentlich nicht selber geschrieben, was Sie da vortragen!)

   Kampagne Nummer eins, die Eliteuni: Erst ging es nur um eine Eliteuniversität. Dann waren es zehn und nun sind es vier bis sechs Eliteuniversitäten. Erst sollten sie verordnet und jetzt über eine Art Preisausschreiben gesucht werden. Der Preis beträgt 5 mal 50 Millionen Euro für die deutschen Harvards. Woher das Geld kommen soll, weiß niemand, auf keinen Fall von Herrn Eichel, wie er gestern über die Presse mitteilen ließ.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Bislang passte Elite zur SPD wie Atomkraft zu den Grünen. Hervorragende Hochschulen können nicht verordnet werden. Sie müssen sich im freien Wettbewerb entwickeln können. Dafür brauchen die deutschen Universitäten vor allem eines: Freiheit -

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Freiheit, über ihr eigenes Geld zu verfügen, Freiheit, die Balance zwischen Forschung und Lehre zu finden, Freiheit, ihr Profil im Wettbewerb zu finden, Freiheit, sich die Studenten auszusuchen, sowie Freiheit für Auftragsforschung und Kooperation mit der Industrie. Sie verweigern jedoch den Hochschulen zum Beispiel, sich die qualifiziertesten Bewerber auszusuchen. Sie streichen im Haushalt 2004 135 Millionen Euro für den Hochschulbau. Sie sperren sich gegen die Einführung von Studienbeiträgen und gängeln die Hochschulen mit der Regeleinführung der Juniorprofessur und der De-facto-Abschaffung der Habilitation. Seit fünf Jahren kündigen Sie zudem an, das starre BAT-Gefüge zu lockern. Aber nichts passiert. Größer kann die Kluft zwischen Ankündigung und Realität nicht sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Harvard ist nicht als Eliteuni gebaut worden. Sie hat sich vielmehr durch Exzellenz, Konkurrenz und Freiheit für Experimente zu einer solchen entwickelt.

   Kampagne Nummer zwei, mehr Geld für Forschung: Tatsache ist, dass der Haushalt 2004 um satte 0,25 Milliarden Euro sinkt. Der UMTS-Mittelfluss ist versiegt. Wir haben Sie vor dem kurzsichtigen Einsatz dieser Mittel gewarnt; denn Forschung braucht langfristige Planungssicherheit. Aber es ist ja nicht so, dass der Regierung keine Finanzierungsquellen einfielen. Herr Clement will die Autobahnen privatisieren. Andere wollen die Goldreserven verkaufen. Die SPD-Linke will die Erbschaftsteuer zugunsten der Forschung erhöhen.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Chaos!)

Tanken für die Rente, Rauchen für die Sicherheit und jetzt - das ist etwas Neues - Sterben für die Zukunft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Kampagne Nummer drei: Innovationsrat. An Räten und Beiräten hat es nun wirklich nicht gemangelt. Im Bundesforschungsministerium existierte ein solcher Zirkel; wir haben nie etwas von Ergebnissen gehört. Richtig schädlich sind solche Treffen nicht; schädlich ist die Vorstellung, sie könnten irgendwie nützlich sein. Man wird das Gefühl nicht los, dass bei der SPD das Wort „Räte“ von „raten“ kommt: Was können wir morgen tun?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU: Ratlos!)

   Kampagne Nummer vier: Neuordnung der Forschungslandschaft. Die Idee ist, die Forschung beim Bund zu konzentrieren und die Grundlast für den Hochschulbau den Ländern zuzuweisen. Frau Bulmahn, Sie stehen mit Ihren Ideen ziemlich allein da.

(Jörg Tauss (SPD): Das fordern Sie in der Föderalismuskommission! Ist die Forderung erledigt?)

Die SPD-Wissenschaftsminister und die Forschungsorganisationen haben sich prompt gewehrt.

   Was brauchen wir wirklich?

   Erstens: Hochschulen in Freiheit, im Wettbewerb und in eigener Verantwortung. Wir legen Ihnen heute eine Novelle des Hochschulrahmengesetzes vor. Das ist ein Lackmustest für Sie; Sie können hier beweisen, wie ernst sie es mit einer Eliteuniversität tatsächlich meinen.

   Der ehemalige Präsident der HRK Professor Roellecke hat einmal gesagt:

Jede Organisation entscheidet über die Aufnahme ihrer Mitglieder. Davon gibt es zwei Ausnahmen: die Gefängnisse und die Universitäten.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ohne Selbstauswahl wird es keinen echten Wettbewerb zwischen den Hochschulen geben. Studenten sollen dorthin gehen, wo sie die beste Forschung, die beste Lehre und die beste Betreuung finden. Unser heutiges Angebot an Sie ist auch ein Kompromiss, weil wir die Selbstauswahl stufenweise ermöglichen wollen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

   Zweitens. Das Verbot von Studiengebühren muss fallen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Es führt über kurz oder lang kein Weg daran vorbei. Ein Studium ist immer eine persönliche Investition in die Zukunft. Selbst Fritz Kuhn sagte:

Kindergartenplätze ... kosten hohe Gebühren, ... Gleichzeitig sind akademische Studien gebührenfrei, ... Diesen Widerspruch kann mir niemand erklären.

Auch wir können ihn nicht erklären. Studiengebühren werden gebraucht, nicht um die Hochschulen maßgeblich zu finanzieren, sondern um einen Beitrag zu Effizienz und Wettbewerb zu leisten.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Keine Tabaksteuer, aber eine Studentensteuer! Das passt nicht zusammen! - Dr. Angela Merkel (CDU/CSU): Guter Mann, der Kuhn!)

   Drittens. Habilitation und Juniorprofessur müssen nebeneinander bestehen bleiben. Hierbei ist die Wahlfreiheit auf der Ebene der Fakultäten notwendig. Die amerikanischen Universitäten sind deshalb so gut, weil sie „Lehre aus Forschung“ betreiben. Wir brauchen deshalb wieder mehr Forschung an den Hochschulen. Das muss über gemeinsame Berufungen und Projekte zwischen Universität und außeruniversitärer Forschung hinausgehen.

(Jörg Tauss (SPD): Das Konzept kommt von Frau Bulmahn!)

Das schaffen wir nicht, wenn der Bund für die Forschung und die Länder für die Hochschulen verantwortlich sind.

   Vor allem aber brauchen wir innovationsfreundliche Rahmenbedingungen. Ständig kommen neue Wachstumsbremsen hinzu: Die Biopatentrichtlinie wurde nicht umgesetzt. Wenn es mit der EU-Chemikalienpolitik so weitergeht und Sie auf europäischer Ebene nichts tun, wird die chemische Industrie in Deutschland kaputtgehen. Wenn die Zulassung eines neuen Fotolacks für die Chipherstellung künftig sechs Monate dauert, dann hinkt die deutsche Industrie Produktionszyklen schlichtweg hinterher. Die ideologischen Scheuklappen werden auch nicht weniger: Herr Trittin möchte am liebsten die Atomtechnik in China verbieten; Frau Künast nutzt die Grüne Woche für einen Feldzug gegen die Gentechnik.

   Wir müssen uns deshalb - viertens - um die Stimmung in der Bevölkerung kümmern. Hubert Markl hat es einmal so ausgedrückt:

Die deutsche Gesellschaft liebt die Wissenschaft geradezu, so lange nichts dabei herauskommt, was gewohnte Verhältnisse radikal verändern könnte.

Aber genau das müssen wir den Menschen sagen: Es muss Veränderungen geben. Wie lange haben wir über Informationstechnik und Multimedia geredet? Heute ist klar - diese Debatte wurde gerade geführt -: Die Nationen, die früh darauf gesetzt hatten, hatten im vergangenen Jahrzehnt die höchsten Wachstumsraten. Während die Deutschen über die Schädlichkeit von gentechnischem Insulin diskutierten, produzierten es andere Staaten. Der Transrapid fährt in China; das ist eine Schande. Ich prophezeie Ihnen: Andere Länder werden die grüne Gentechnik zur Herstellung von Pharmaka und allergenfreien Lebensmitteln nutzen und wir werden, wenn Sie noch lange regieren, die Lizenzgebühren zahlen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Es ist die Aufgabe politischer Führung, den Menschen Mut zu machen, Optimismus und Offenheit zu zeigen und Innovation als Chance zu begreifen. Tun Sie das endlich, aus Verantwortung diesem Land gegenüber!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Michael Müller, SPD-Fraktion.

Michael Müller (Düsseldorf) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit dem Anfang dieses Jahres haben wir begonnen, das Thema Innovationen ins Zentrum zu rücken. Ich glaube, dass dieser Aufschlag eine Chance für die Festigung der Reformpolitik und für unser Land ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich sehe, dass der Aufschlag, der dagegen jetzt von Ihnen gemacht wird, wieder nur Skandalisierung und Doppelbödigkeit ist. Daher befürchte ich, dass wir diese Chance nicht so nutzen, wie wir sie nutzen könnten und müssten. Das ist mein Problem.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie glauben doch nicht im Ernst, dass ein Land zu Innovationen fähig ist, wenn wir nicht ein Mindestmaß an Berechenbarkeit und Sicherheit schaffen. Wenn aber alles skandalisiert und jede Kleinigkeit zur Staatskatastrophe gemacht wird, wie sollen dann die Menschen Vertrauen in die Zukunft gewinnen? Das ist doch nicht möglich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie sind deshalb die größte Innovationsbremse. Ich bitte Sie wirklich zu begreifen: Alle erfolgreichen Epochen in der Bundesrepublik waren auch mit einem Mindestmaß an Sicherheit, Klarheit und Orientierung verbunden und nicht mit dem Niederreden und dem Kaputtmachen jeder neuen Idee. Wir wollen Innovationen durchsetzen, und Sie können sicher sein, dass wir uns davon auch nicht abbringen lassen werden.

   Innovationen bedeuten nicht, dass wir jetzt die Agenda 2010 beenden. Ganz im Gegenteil: Sie gehört entscheidend dazu. Die Anstrengungen, die wir jetzt unternehmen, beinhalten eine Doppelaufgabe. Auf der einen Seite holen wir Reformen nach, die viele andere Länder in den 90er-Jahren, als Sie an der Regierung waren, durchgeführt haben. Dänemark, Niederlande, die anderen skandinavischen Länder und Großbritannien haben diese Reformen begonnen, als hier in der Bundesrepublik die Regierung nicht einmal darüber redete.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So war das! Genau!)

Diese Länder haben damals die Reformen unter günstigen wirtschaftlichen Bedingungen durchgeführt; wir müssen das heute unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen tun. Aber wir sind dazu bereit, und zwar nicht weil wir den Menschen Lasten aufbürden wollen, sondern weil Reformen eine Voraussetzung für wieder mehr politische, ökonomische und gesellschaftliche Handlungsfähigkeit sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen deshalb einen engen Zusammenhang mit der jetzt beginnenden zweiten Epoche, mit der Gestaltung einer neuen Phase unserer Entwicklung, der Gestaltung der Globalisierung.

   Meine Damen und Herren, wenn man die derzeitigen Erkenntnisse der Wissenschaft und die Managementtheorien nachvollzieht, stellt man fest: Dort wird die entscheidende Position vertreten, dass heute nicht mehr die einseitige Ausrichtung auf ein „kapitalorientiertes Management“ das wirtschaftliche Leben und auch die sozialen Systeme bestimmt, wie es in den letzten zehn bis 15 Jahren der Fall war. Das ist vorbei. Wir treten in eine neue Phase ein, in der, wie es beispielsweise die renommierte Londoner Business School sagt, wieder die „Ressource Mensch“ im Zentrum steht.

   In den letzten zehn bis 15 Jahren stand eher ein Modell der Kurzfristigkeit und der schnellen Kapitalvermehrung im Zentrum. Diese Phase ist vorbei. Wir haben große Chancen, das europäische Gesellschaftsmodell wieder nach vorne zu bringen, weil es in der neuen Phase wieder auf Teamfähigkeit, Kreativität, soziale Kompetenz und intelligente Vernetzung ankommt. All das sind Fähigkeiten, die wir in der Bundesrepublik haben und die wir jetzt nutzen werden und nutzen wollen. Bitte zerreden Sie das nicht. Das wird unsere Stärke in der Zukunft werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, eine geschichtliche Bewertung dessen, warum wir in der Vergangenheit Stabilität in der Bundesrepublik hatten, zeigt: Stabilität hatten wir immer, wenn wir Innovationen und technologische Entwicklungen mit sozialer Entwicklung und gesellschaftlichem Fortschritt zusammengebracht haben, nur in diesem Zusammenhang. Plattitüden helfen da nicht weiter, sondern es muss eine Integration zwischen gesellschaftlicher Entwicklung und technisch-ökonomischer Entwicklung geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Nach dem Krieg hatten wir zuerst die Phase der Sozialen Marktwirtschaft. „Wohlstand für alle“ war nicht der Glaube, man könne nur mit ökonomischer Verengung etwas erreichen. Es gab vielmehr einen sozialen Grundkonsens, der die Bundesrepublik zu vielen Innovationen, zu großen Leistungen und zu hervorragenden Ergebnissen gebracht hat. Das war die erste Phase.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ende der 60er-Jahre gab es eine zweite Phase, die Phase „Mehr Demokratie wagen“ mit inneren Reformen. Auch in dieser Phase war die wirtschaftlich-technische Leistungsfähigkeit mit gesellschaftlichem Fortschritt verbunden. Leider ist diese Grundphilosophie in den 80er-Jahren nicht mehr fortentwickelt worden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Das ist ein Kern unserer heutigen Probleme. In den 80er- und speziell in den 90er-Jahren hat es nicht den Zusammenhang zwischen wirtschaftlich-technischer Entwicklung und gesellschaftlichem Fortschritt gegeben. Sie haben auf die neuen Herausforderungen keine Antworten gegeben. Mit der Globalisierung wurde es noch schärfer, weil Sie sich im Kern nur einem ökonomischen Modell angepasst haben, das - das ist das entscheidende Problem - mit den deutschen und europäischen Sozialbedingungen nicht in Einklang zu bringen ist. Das geht einfach nicht.

(Beifall bei der SPD - Klaus Uwe Benneter (SPD): Aber in Einklang gebracht werden soll!)

   Das amerikanische Modell beispielsweise ist für sich genommen völlig logisch. Aber die Kurzfristigkeit in diesem System, die Finanzierungsausrichtung dieses Systems, die Ranking-Methoden können nicht mit dem in Einklang gebracht werden, was die europäische Stärke ist: der Interessenausgleich, die Fähigkeit zur Zusammenarbeit, die langfristigen Innovationsketten.

   Jetzt haben wir am Beginn einer neuen Epoche wieder unsere Stärken zu zeigen. Deshalb bitte ich Sie, diese Phase der Innovationspolitik als Chance zu begreifen, wieder gesellschaftlichen Konsens, mehr Integration, mehr Beschäftigung, mehr soziale Stabilität und vor allem mehr Chancen für alle Menschen zu erreichen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Nur so wird es funktionieren. Es ist eine Illusion, zu glauben, wir bekommen Reformen durch, wenn die Menschen verunsichert sind. Die Menschen brauchen eine klare Zukunftsperspektive. Diese können wir mit dem Thema Innovation geben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Herr Riesenhuber - ich weiß gar nicht, ob er noch im Saal ist -, in der Frage der Effizienzrevolution beispielsweise bin ich völlig auf Ihrer Seite.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Natürlich ist es ein richtiger Weg, in der Zukunft die Produktivität und den technischen Fortschritt vor allem auf eine Entwicklung zu lenken, die weniger Ressourcen und weniger Energie verbraucht. Wenn wir das tun, machen wir aber leider die Erfahrung, dass wir Widerstand gerade von Ihnen bekommen. Das ist doch die Realität in dieser Frage.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Das Gleiche gilt, wenn Sie sich hier hinstellen und fordern: mehr Mittel für Forschung und Bildung. - Natürlich wollen auch wir das und tun es. - Bitte sagen Sie das aber auch den von Ihnen regierten Ländern! Überwiegend ist das eine Bund-Länder-Aufgabe, bei der die Mehrheit von den Ländern getragen wird. Bitte sagen Sie es ihnen! Es ist ja richtig und wir wollen es auch.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Was die Bildungspolitik angeht, so warnen wir davor, nur Spitzenuniversitäten zu schaffen, so wichtig sie auch sind; ich bin sehr dafür. Wir müssen vielmehr Spitze mit Breite verbinden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die große Stärke Europas ist, in der Breite viel stärker als beispielsweise Amerika zu sein. Wenn wir dies mit mehr Spitze verbänden, würde uns das einen unglaublichen Vorteil bringen. Tun wir es! Tun wir es, weil es richtig ist, meine Damen und Herren!

   Zum Abschluss will ich ein Beispiel schildern. Ich war vor einiger Zeit bei Bosch. Da sagte der Forschungschef: Vor fünf Jahren habe ich auf die Umweltpolitiker geschimpft. Heute bin ich dankbar dafür, dass es sie gibt. Nur dadurch haben wir mehr Gelder investiert, beispielsweise in moderne Antriebstechniken. Nur dadurch haben wir beispielsweise beim TDI, bei den Common-Rail-Systemen und Ähnlichem Fortschritte gemacht. - Die Gesellschaft muss Druck für Forschung und Innovation machen. Sie muss sagen, dass sie das will. Wir brauchen diese Innovationskultur. Sie fällt nicht vom Himmel. Sie wird auch nicht dadurch ausgelöst, dass man immer wieder sagt: Der Markt regelt alles. - Nein, der Markt ist immer kurzfristiger geworden. Deshalb brauchen wir politische Rahmensetzungen und gesellschaftlichen Konsens.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Bei dem Thema Innovation geht es um die Zukunft unserer Gesellschaft, um die Frage, wie wir Nachhaltigkeit, soziale Sicherheit und mehr Beschäftigung erreichen. Deshalb sollten wir in der Diskussion nicht mit gegenseitigen Unterstellungen, gegenseitigen Diffamierungen und bloßer Destruktion arbeiten, sondern wir sollten einen Wettbewerb der Ideen und der Kreativität entfalten. Das muss unsere Aufgabe sein.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Ulrike Flach, FDP-Fraktion.

Ulrike Flach (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Immer mehr wird erkennbar, dass das Jahr 2004 zu einem Jahr der Entscheidung in der deutschen Forschungspolitik wird. Ich bin ganz Ihrer Meinung, Herr Müller, dass wir das alles gemeinsam tun müssen und dass wir auf diesem Weg über Diffamierungen natürlich nicht weiterkommen. Da haben wir also überhaupt keinen Dissens. Aber ich bin nicht der Meinung, Herr Müller, dass wir das über eine mediale Großkampagne mit dem Namen „Innovation“ schaffen werden.

   Was erleben wir im Augenblick bei Ihnen? Sie sind mit großen Auftritten gestartet und kündigen uns sozusagen von Tag zu Tag neue bahnbrechende Offensiven an.

(Jörg Tauss (SPD): Na, na, na!)

„Deutschland. Das von morgen“ - allein schon der Titel verdient einen linguistischen Innovationspreis.

(Beifall bei der FDP sowie der Abg. Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU) - Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Wir haben Sie nur überrascht!)

„Brain up!“ - das war so innovativ, dass nur noch ein Bruchteil der Bevölkerung verstand, was das überhaupt heißen soll.

Sie geben jeden Tag in Ihren Reden neue Millionenbeträge aus, ohne auch nur einen Bruchteil davon in den Haushalt eingestellt zu haben. Innovation, liebe Kollegen von SPD und Grünen, ist bei Ihnen medialer Verkauf von Luftschlössern. Innovation bei der FDP ist Reform veralteter Strukturen, Wettbewerb mit dem klaren Ziel, dieses Land nach vorne zu bringen, und Freiheit für Wissenschaft und Forschung.

(Beifall bei der FDP - Jörg Tauss (SPD): Die FDP muss aufwachen!)

   Ich möchte Ihnen an drei Beispielen vorführen, wie sich Ihre Vorstellung von Innovation von unserer unterscheidet, lieber Herr Tauss:

   Beispiel Elitehochschulen. Zu Beginn dieses Jahres - Frau Reiche hat schon darauf hingewiesen - kamen der Kanzler, Herr Scholz und Frau Bulmahn mit ihrer Forderung, zehn Elitehochschulen - zehn Harvards, Yales oder Oxfords in Deutschland - zu gründen. Ich finde allein schon die Reihenfolge der Personen interessant.

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Wer ist denn Scholz?)

Dann ist Ihnen aufgefallen, dass diese Hochschulen Etats von rund 2 Milliarden Euro haben. Selbst wenn man annimmt, dass sich die Wirtschaft engagieren und zwei Drittel der Etats tragen würde - Studiengebühren schließen Sie ja nach wie vor aus -, müssten Sie ungefähr 800 Millionen Euro pro Hochschule rechnen, also 8 Milliarden. Das ist aber Ihr derzeitiger Gesamtetat, Frau Bulmahn. Das ist also nicht realistisch. Hierbei handelt es sich um ein Wolkenkuckucksheim in Hochpotenz.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sie haben es aber wenigstens geschafft, Frau Bulmahn, den Elitebegriff zu besetzen. Das gebe ich ohne weiteres zu. Ich begrüße das als Liberale; denn schließlich haben wir uns jahrelang von Ihnen beschimpfen lassen müssen, wenn wir diesen Begriff verwendeten. Die Kollegen von der Union neigen dazu, auf Sie hereinzufallen. Uns ist es egal, ob Sie von Eliten, von Spitzen- oder Höchstleistungen reden. Wir wollen nur, dass Deutschland bei Forschung und Bildung endlich wieder Platz eins in der Welt einnimmt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Nun ist aus Ihrem Elitehochschulprogramm ein Wettbewerb geworden, demzufolge nicht mehr zehn, sondern drei bis sechs Universitäten ab dem Wahljahr 2006 - man beachte den Zeitpunkt! - Fördermittel in Höhe von 50 Millionen Euro fünf Jahre lang erhalten können. Die FDP ist bekanntlich immer für Wettbewerb, aber es ist erstaunlich, wie aus zehn Eliteuniversitäten à la Harvard innerhalb von zwei Wochen ein Preisausschreiben wird, bei dem es 50 Millionen Euro zu gewinnen gibt. Sie werden als Miniaturisierungsministerin in die Geschichte eingehen, liebe Frau Bulmahn.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Um wieder in die Spitzenliga vorzustoßen, reicht das aber nicht. Dazu sind vielmehr andere Strukturen und mehr Wettbewerb nötig, vor allem natürlich die Wahrung der Autonomie von Hochschulen und Forschungseinrichtungen.

(Jörg Tauss (SPD): Länder!)

Deswegen nehmen wir die Kritik des Wissenschaftsrates in unseren Anträgen auf. Wir wollen ein Forum für Forschungsförderung, Lücken besser erkennen, um Prioritäten und Nachrangigkeiten festzulegen, wir wollen einen modernen Wissenschaftstarifvertrag und - das ist im Hinblick auf die Haushalte das Wichtigste - die unselige Ressortforschung des Bundes neu ordnen, nachdem sie gründlich evaluiert wurde.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Flach, der Kollege Tauss möchte Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Ulrike Flach (FDP):

Herrn Tauss habe ich heute schon zweimal gehört. Ich weiß nicht, ob ich Sie noch ertragen kann, Herr Tauss, aber ich will es einmal versuchen.

Jörg Tauss (SPD):

Frau Flach, Sie können; ich will Ihnen Mut machen bezüglich meiner Frage. Wir sind uns ja bezüglich der Notwendigkeit eines Wissenschaftstarifvertrages einig. Das haben wir ja auch festgestellt. Meine Frage lautet: Welche Initiativen liegen zwischenzeitlich aus den Ländern, in denen die FDP mitregiert, für diesen Wissenschaftstarifvertrag im Rahmen der Tarifgemeinschaft der Länder vor?

(Cornelia Pieper (FDP): Abschaffung der ZVS!)

Ulrike Flach (FDP):

Lieber Herr Tauss, welche Initiativen liegen denn von Ländern vor, in denen die SPD regiert? Sie wissen doch, dass wir jetzt darüber im Bundestag diskutieren. Bei unserem ersten gemeinsamen Auftritt heute Morgen haben Sie noch darauf hingewiesen, dass man immer über das reden soll, wofür man auch zuständig ist. In diesem Punkt bin ich ganz Ihrer Meinung: Ich rede jetzt über das, was in meine Zuständigkeit fällt. Wir haben Ihnen einen Vorschlag auf den Tisch gelegt. Ich hoffe, dass in diesem Fall SPD und Grüne ausnahmsweise einmal mit uns an einem Strang ziehen.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das wird nichts!)

   Jagen wir doch jetzt einmal Ihren Innenminister. Gehen wir einmal gemeinsam an die TdL. Dann könnte daraus doch etwas werden. Ich habe nichts dagegen. Ich fordere von dieser Stelle aus immer gemeinsames Handeln der Bildungs- und Forschungspolitiker ein. Falls Sie, lieber Herr Tauss, ausnahmsweise in dieser Frage meiner Meinung sind, kann ich Ihnen zusagen, dass die FDP Sie unterstützt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Flach, ist meine Vermutung richtig, dass Sie nun auch eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper akzeptieren würden?

Ulrike Flach (FDP):

Sie höre ich natürlich immer gerne. Bitte.

Cornelia Pieper (FDP):

Liebe Kollegin Flach, Frau Vorsitzende des zuständigen Ausschusses, können Sie mir Initiativen der SPD-regierten Länder zur Abschaffung der zentralen Vergabestelle für Studienplätze nennen und können Sie mir Initiativen der FDP - die in den Ländern mitregiert - zur Abschaffung der ZVS nennen?

(Ulrich Kasparick (SPD): Das ist keine Bundessache!)

Ulrike Flach (FDP):

Das ist ein interessantes Gebiet. Diesbezügliche Initiativen der SPD kann ich mir überhaupt nicht vorstellen, ich kenne auch keine außer dieser wirklich wohl begründeten Initiative von Herrn Matschie, die leider über Nacht von Frau Bulmahn eingestampft wurde.

(Jörg Tauss (SPD): Falsch! - Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU): Frau Bulmahn hat aus Matschie Matschie gemacht!)

Von den von uns mitregierten Ländern sind es Baden-Württemberg und Hamburg; beide wollen auf diesem Gebiet tätig werden und sie werden es tun. Insofern bin ich beruhigt.

(Beifall bei der FDP)

   Damit kommen wir zum zweiten Themenpunkt, dem Jahr der Technik. Frau Bulmahn, Sie haben gestern das Jahr der Technik eröffnet. Ich will Ihnen ganz klar sagen: Ich finde es gut, dass es diese Leitthemen bei dieser Veranstaltung gibt. Aber ein Jahr der Technik muss auch ein Ja zur Technik heißen. Da bin ich mit Frau Reiche völlig einer Meinung: Sie regieren doch mit einer Partei, die bei wichtigen Technologien wie der Kernfusion oder der Roten und der Grünen Gentechnik Nein statt Ja sagt. Natürlich ist es richtig, wie Herr Fell bei jeder Gelegenheit erklärt, dass dies nur ein kleiner Bereich der Biowissenschaften ist.

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das sollten Sie einmal zur Kenntnis nehmen!)

Aber Sie haben am Montag ganz klar gesagt: Wir fördern das, was Produkte bringt, was schnell in die Anwendung geht.

(Cornelia Pieper (FDP): Richtig!)

Was ist denn nun mit der Grünen Gentechnik? Natürlich stehen wir dort vor der Anwendung: Es gibt Länder wie Sachsen-Anhalt, die liebend gerne die Grüne Gentechnik einsetzen würden.

(Ulrich Kasparick (SPD): Das sehen die Bauern aber anders! Die Bauern wollen das nicht!)

Aber wer blockiert denn? - Die andere Seite Ihrer Regierungsbank! Ihre Politik ist in diesem Falle klar durch die grüne Partei gekennzeichnet.

(Beifall bei der FDP)

   Sie haben eben keine konsistente, über alle Ressorts greifende Strategie zur Förderung innovativer Technologie. Während die internationale Konkurrenz Riesenprogramme für neue Technologien bündelt, müssen Sie, Frau Bulmahn, Mittel kürzen und mit dem Koalitionspartner kämpfen. Was mich besonders erschüttert: Diese Regierung ist sich noch nicht einmal einig, wenn sie über den Begriff „Innovation“ streitet. Da lese ich von Herrn Fischer völlig andere Sachen als das, was ich von Herrn Tauss oder Frau Bulmahn höre. Wie wollen Sie da zu einer gemeinsamen Strategie kommen?

(Jörg Tauss (SPD): Die haben wir!)

   Unabhängig vom fehlenden Geld und ideologischen Grabenkämpfen müssen Sie sich auch einem anderen Vorwurf stellen: Frau Bulmahn, Sie haben nicht die Kraft, die Weichen für eine innovative, autonome und international konkurrenzfähige Hochschul- und Forschungslandschaft zu stellen.

(Ulrich Kasparick (SPD): Das sehen wir anders!)

Verbale Innovationsoffensiven sind nett, aber sie gehen unseren Problemen nicht an die Wurzel. Wer an die Spitze will, muss mit der Axt endlich an das unselige Hochschulrahmengesetz:

(Jörg Tauss (SPD): Jetzt geht es aber los!)

Wir müssen den Hochschulen Luft geben. Nur freie und selbstständig agierende Hochschulen haben eine Chance, im Wettbewerb zu bestehen.

(Jörg Tauss (SPD): Setzt doch mal um!)

   Deswegen legen wir Ihnen heute als einzige Fraktion eine umfassende Novelle vor - statt des Versuches, schrittweise, wie es die Kollegen von der CDU/CSU machen, bloß einige kleine Punkte zu ändern. Wir haben getan, was Sie, Frau Bulmahn, immer fordern. In Ihrem Ministerium gibt es dagegen nicht einmal eine entsprechende Arbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst. Unser Vorschlag gibt den Hochschulen die Freiheit zurück: Sie werden zuständig für das Personal, welches natürlich nicht mehr verbeamtet sein muss. Sie entscheiden selbst über die Aufnahme ihrer Studenten - und zwar aller Studenten, liebe Kollegen von CDU und CSU! -, durch Eingangstests oder von ihnen selbst festzulegende Verfahren. Das heißt das Aus für die ZVS; dieses Relikt einer steinzeitlichen Zwangsbewirtschaftung muss abgeschafft werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir geben den Hochschulen die Freiheit, Studiengebühren zu erheben. Jede Hochschule soll das Recht haben, Gebühren zu nehmen, wenn sie es will. Genauso soll jede Hochschule das Recht haben, Gebühren nicht zu nehmen, wenn sie es nicht will. Das ist Autonomie, meine Damen und Herren, statt Gängelung von oben.

(Beifall bei der FDP)

   Gleiches gilt für die verfassten Studierendenschaften: Es ist doch absurd, dass einer Kunsthochschule im bisherigen Gesetz vorgeschrieben wird, dass eine Studierendenschaft den Studierendensport zu fördern hat. Überlegen Sie einmal das Absurde der jetzigen Situation!

   Während die Union lediglich die beiden letzten HRG-Novellen zurückdrehen will, legen wir Ihnen heute einen umfassenden Autonomie- und Wettbewerbsentwurf vor. Wir brauchen ein HRG - kurz, knapp, schlank und liberal. Es wird - das ist besonders charmant - keine Kosten verursachen.

(Jörg Tauss (SPD): Wenn Sie das „liberal“ weglassen, ist das nicht schlecht!)

   Liebe Kollegen, unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch. Sie werden wahrscheinlich in einigen Jahren auch dahin kommen, wo wir heute sind; daran sind wir Liberale gewöhnt.

(Cornelia Pieper (FDP): Und unser Leid! Wir sind immer unserer Zeit voraus!)

Das ist der Unterschied: Wir machen’s konkret, Sie machen’s zu spät!

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich meine eigenen Argumente vortrage, will ich auf einige Argumente meiner Vorrednerinnen eingehen.

   Ich will zunächst auf das eingehen, was Frau Reiche gesagt hat. Frau Reiche hat verschiedene Dinge behauptet. Unter anderem hat sie behauptet, es würden Tausende von akademischen Wissenschaftlern auf die andere Seite des Teiches nach Amerika gehen. Sie sagt, es gebe sozusagen einen großen Exodus aus Deutschland. Das Gegenteil ist wahr.

   Ich will Ihnen ein Beispiel nennen. Professor Hans Schöler, einer der führenden Stammzellenforscher der Welt, der der Union nicht unbekannt ist und der bis vor kurzem an der University of Pennsylvania geforscht hat, kehrt jetzt zurück nach Deutschland, und zwar an das Max-Planck-Institut in Münster. Das ist genau der richtige Weg; das ist genau der Weg, den wir wollen und fördern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Professor Schöler kommt gerne nach Deutschland zurück. Er hat vor wenigen Tagen über die Presse verlauten lassen, dass eine Novellierung des Stammzellgesetzes nicht notwendig sei. Frau Reiche hat immer wieder betont, das Stammzellgesetz sei eine Hauptbarriere für den Forschungsfortschritt im Bereich der Biowissenschaften. Das ist die Wahrheit. Die gleichen Kollegen von der CDU/CSU, die uns hier immer und immer wieder erzählen, dass das Stammzellgesetz eine große Errungenschaft sei, klatschen gleichzeitig Beifall, wenn Frau Reiche das genaue Gegenteil erzählt. Das ist unehrlich. Dieses Reden mit gespaltener Zunge lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Loske, möchten Sie gleich zu Beginn Ihrer Rede eine Zwischenfrage von Frau Flach beantworten?

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein, ich möchte erst meine Argumente vortragen.

   Auch mein zweiter Punkt betrifft die Ausführungen von Frau Reiche. Ich zitiere einen jungen deutschen Genwissenschaftler, der zurzeit an der Universität Stanford arbeitet. Er hat vor wenigen Tagen einen langen Leserbrief veröffentlicht. Unter anderem spricht er über die Kultur an amerikanischen Universitäten. Ich zitiere wörtlich aus diesem Brief:

Vergleicht man ... den Einwanderungskinderanteil an US-Spitzenunis mit dem an deutschen Unis - so genannte Ausländerkinder -, dann wird eigentlich schnell klar, was ich meine. Am MIT

- das ist das Massachusetts Institute of Technology -

hatte fast jeder zweite Student asiatische Features. Wie viele Deutsche türkischer Herkunft hatte ich in Berlin in meinem Studium? Einen in ungefähr 150. Ziemlich ärmlich, oder?

   Jetzt komme ich zu Ihnen, Frau Reiche. Sie können nicht über die Internationalisierung unserer Hochschulen reden und gleichzeitig den Zuwanderern über das Arbeitsrecht und über das Zuwanderungsrecht einen Knüppel nach dem anderen zwischen die Beine werfen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das lassen wir uns nicht gefallen; das ist absolut widersprüchlich und unehrlich.

   Sie sind doch selber einmal Wissenschaftlerin gewesen. Aber offenbar beherrschen Sie die Mathematik nicht. Zwischen 1994 und 1998 sind die Ausgaben für Bildung und Forschung um 5 Prozent gesunken. Aber zwischen 1998 und heute sind sie, wenn man das BAföG hinzunimmt, um 30 Prozent gestiegen. Jetzt frage ich Sie: Was ist mehr: minus 5 Prozent oder plus 30 Prozent? Diese Frage müssten Sie doch beantworten können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ein weiterer Punkt ist die Anzahl der Studierenden. Als wir 1998 an die Regierung kamen, lag der Anteil derjenigen eines Jahrgangs, die ein Studium aufgenommen haben, bei 27 Prozent. Heute liegt der Anteil bei über einem Drittel. Ich will nicht sagen, dass Quantität alles ist; davon bin ich weit entfernt. Aber die Verlogenheit, die Sie an den Tag legen, ist inakzeptabel. Zu Ihrer Regierungszeit ist der Anteil der Studierenden immer weiter gesunken. Auch die Anzahl derer, die BAföG bezogen haben, ist immer weiter zurückgegangen. Was Sie hier erzählen, ist wirklich vollkommen unglaubwürdig. Das muss ich ganz klar sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Frau Flach, man kann viel über die Grüne Gentechnik reden. Aber nur weil Sie der Meinung sind, man brauche eine Durchbrecherstrategie, kann man noch lange nicht sämtliche wissenschaftlichen Einwände, aber auch Befürchtungen der Bürger einfach über den Haufen werfen.

(Ulrike Flach (FDP): Welche denn?)

Wir wissen, dass 70 Prozent der Bevölkerung gegenüber der Grünen Gentechnik skeptisch eingestellt sind. Das haben wir als diejenigen, die wir die Bürger im Parlament vertreten, zu respektieren.

   Wir wollen mit dem Gentechnikgesetz Transparenz und Koexistenz sichern. Wir stellen auch sicher, dass die ökologische Schädlichkeit, soweit wir heute darüber Bescheid wissen, ausgeschlossen werden kann. Das ist genau der richtige Weg. Deswegen ist das Gentechnikgesetz ein gutes Gesetz. Das möchte ich hier betonen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ulrike Flach (FDP): Aus Ihrer Sicht!)

   Ich habe meine Redezeit jetzt weitgehend verbraucht. Aber es war einmal notwendig, auf die Äußerungen der Kolleginnen einzugehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Die Forschungsdebatte ist für uns eine Debatte über Finanzen und Strukturen. Das sind zwei Seiten einer Medaille, die zusammengehören. Für uns geht es bei den Strukturreformen - ich muss jetzt leider im Telegrammstil sprechen - um Folgendes:

   Erstens. Wir müssen zunächst einmal die Hochschulen und Forschungseinrichtungen - da stimme ich Ihnen zu, Frau Flach - vom Korsett des öffentlichen Dienstrechts befreien.

(Ulrike Flach (FDP): Dann machen Sie es doch!)

Wir brauchen einen Wissenschaftstarifvertrag. Das können wir gerne zusammen machen.

   Zweitens. Die Finanzierung der Hochschulen muss stärker über die Nachfrage gesteuert werden. Unser Konzept heißt deshalb Bildungsgutscheine; dafür setzen wir uns ein. In NRW werden diese Gutscheine bereits eingeführt.

   Wir müssen den Hochschulen - da haben Sie Recht - mehr Autonomie geben. Sie brauchen mehr Personalautonomie, mehr Haushaltsautonomie und bessere Möglichkeiten, ihre Studierenden selbst auszuwählen.

(Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU): So ist es!)

Das ist zutreffend. Was aber die Finanzierung der Hochschulen betrifft, warne ich vor einer Verengung der Debatte auf Studiengebühren; ich komme gleich darauf zurück.

   Wir müssen auch sehen, wie man zusätzliches Geld mobilisieren kann: durch Stiftungskapital, durch Patentverwertungsstrukturen und auch durch Weiterbildung. Es ist doch ein Witz, dass unsere Universitäten fünf Monate im Jahr leer stehen. In dieser Zeit kann Weiterbildung stattfinden; dazu kann auch die Wirtschaft einen Beitrag leisten. Ich glaube, diese Einnahmequellen müssen wir ausbauen.

   In diesen Kontext gehören übrigens auch Wettbewerbe. Ich halte Wettbewerbe für eine gute Idee, will aber zwei Dinge hinzufügen:

   Erstens. Der Titel „Brain up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten“ hat mir nicht gefallen. Das klingt für mich eher nach Quiz als nach Alexander von Humboldt; das muss ich ohne weiteres zugeben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Zweitens. Wir sollten nicht denken, dass unsere Universitäten große Maschinen sind, in die man oben Geld hineinschüttet und bei denen unten Produkte herauskommen. Unsere Universitäten brauchen mehr Zweckfreiheit. Dann kommen am Ende mehr Innovationen heraus. Also keine Konditionierung auf marktfähige Produkte, sondern auf Spitzenforschung - das ist das Entscheidende.

   Jetzt wird mir hier signalisiert, dass ich zum Ende kommen muss, deshalb kann ich zu den Studiengebühren nur noch sehr wenig sagen. Unser Gegenmodell - das habe ich bereits gesagt - ist das Modell der Bildungsgutscheine. Es gibt in unserer Fraktion einige - dazu gehöre auch ich -, die Studiengebühren nicht prinzipiell abgeneigt sind; das gebe ich ohne weiteres zu.

(Ulrike Flach (FDP): Also stimmen Sie uns doch einmal zu!)

Aber wir müssen über die Randbedingungen reden. Wir können heute doch nicht über Studiengebühren sprechen, wenn unsere Universitäten gleichzeitig verlottern. Das wäre ungefähr so, als wenn ein Kaufmann, dessen Produkte immer schlechter werden, sagt: Ich muss jetzt die Preise erhöhen, damit ich überhaupt noch Gewinne erziele. So geht das nicht! Wir müssen über die Randbedingungen reden. Wir müssen sicherstellen, dass es ein Stipendiensystem gibt, dass soziale Selektion ausgeschlossen wird und dass sich der Staat - das ist am allerwichtigsten - nicht aus der Bildungsfinanzierung zurückzieht.

   Wenn wir das gemeinsam geschafft haben - im Moment ist das nicht so; Sie wissen genau, dass sich die Länder mehr und mehr zurückziehen -

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege!

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

- ich bin fertig -, dann können wir über Studiengebühren reden, aber nicht aus heiterem Himmel und ohne Kontext. Da machen wir auf keinen Fall mit.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Loske, darf ich daran erinnern, dass dann, wenn die Uhr blinkt, nicht die Nachspielzeit beginnt, die dann Gelegenheit gibt, den eigentlichen Höhepunkt der Rede einzuleiten, sondern dass dann die Redezeit beendet ist.

(Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Danke, Herr Präsident! Ich werde mir das zu Herzen nehmen!)

   Nun erteile ich das Wort der Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst des Freistaates Thüringen, Frau Professor Schipanski.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten! Das Thema Innovation beherrscht im Moment zu einem guten Teil die öffentliche Diskussion. Ich muss Ihnen sagen: Ich finde das hervorragend.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU, der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Durch uns!)

Denn schon lange weist die CDU auf die grundlegende Bedeutung von Forschung, Wissenschaft und Bildung für die Zukunft unseres Landes hin.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Bundesregierung hat das Jahr 2004 zum Jahr der Innovationen und zum Jahr der Technik ausgerufen. Ich begrüße das. Wir müssen gemeinsam alles dafür tun, ein technik- und forschungsfreundliches Klima in Deutschland zu fördern. Ich werte es als ein Kompliment für Thüringen - das sei mir an dieser Stelle gestattet -, dass die SPD die Bedeutung von Innovation und Eliten gerade in Weimar erkannt hat. Offensichtlich ist sie vom Geist des Aufbruchs und der Innovation, der in unserem CDU-regierten Land herrscht, angesteckt worden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Der alte Geist war ein sozialdemokratischer!)

   Jetzt will die Bundesregierung der Ankündigung Taten folgen lassen. Hierzu hat sie einen Wettbewerb ausgerufen: „Brain up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten“. Ich verzichte an dieser Stelle auf die Untersuchung der Frage, ob die sprachliche Nähe zu einer zweifelhaften Castingshow bewusst gewählt wurde oder ein Zufall ist.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Peinlich ist das!)

Tatsache ist jedoch: Die Länder lehnen diese Pläne einhellig ab. Wir sehen darin einen weiteren Versuch, den Föderalismus auszuhöhlen und stattdessen mithilfe einzelner Prestigeprojekte Öffentlichkeitsarbeit zu betreiben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Selbst der grüne Koalitionspartner hält dies für ein „fragwürdiges Konzept“.

   Der Ansatz ist aber auch ordnungs- und wissenschaftspolitisch inkonsequent und falsch:

   Erstens. Laut Zielsetzung der Weimarer Leitlinien sollen sich in Deutschland Spitzenuniversitäten etablieren, die mit Harvard oder Stanford konkurrieren können. Ein ehrenwertes Ziel! Nur verkennen Sie dabei völlig, dass sich die genannten amerikanischen Universitäten in einem völlig anderen Umfeld entwickelt haben: in einem Umfeld von Wettbewerb und hochschulpolitischer Freiheit, von Studiengebühren und Stiftungskapital bis hin zu wirtschaftlicher Betätigung.

Anstatt jetzt eine umfassende Deregulierung einzuleiten, damit sich ein solcher Wettbewerb auch bei uns entfalten kann, soll eine kleine Zahl von Universitäten - warum eigentlich fünf? - quasi per Dekret den Ritterschlag zur Spitzenuniversität erhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die „FAZ“ hat diese Politik gestern mit Planwirtschaft verglichen. Als guter Kenner der Planwirtschaft fühle ich mich fatal an Fünfjahrespläne erinnert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Kommt die Zahl fünf vielleicht von Fünfjahresplänen? Derjenige, der Fünfjahrespläne erlebt hat, weiß, dass diese Pläne nie eingehalten worden sind.

(Ulrich Kasparick (SPD): Das ist unglaublich! Wettbewerb ist das Gegenteil!)

   Wenn Sie also den Universitäten in Deutschland die Möglichkeit bieten wollen, in die Liga der Eliteuniversitäten aufzusteigen, dann müssen Sie entsprechende Rahmenbedingungen für Freiheit und Wettbewerb schaffen und dürfen das Hochschulrahmengesetz nicht mit immer neuen Regulierungen überfrachten. Ich begrüße den Vorschlag von Frau Flach, wir werden uns darüber unterhalten müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Es kommt darauf an, Rahmenbedingungen für den Wettbewerb zu schaffen, den Hochschulen und Wissenschaft aus sich selbst heraus betreiben können. Die Realität ist hier nämlich weiter, als die Bundesregierung annimmt. Es gibt bereits eine ganze Reihe von Fakultäten, deren Ruf auch international absolut exzellent ist.

   Das Gleiche gilt für bestimmte außeruniversitäre Institute. Diesen positiven Ansatz müssen wir nutzen, ihm müssen wir die Chance geben, sich weiterzuentwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen):

Ja.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte schön, Herr Tauss.

Jörg Tauss (SPD):

Ich bin dankbar, dass Sie sich in dieser Frage unseren Überlegungen angenähert haben. Frau Flach hat vorhin zum Thema Zuständigkeit gefragt. Ich habe nichts dagegen, wenn Sie hier über das Hochschulrahmengesetz reden, Frau Ministerin. Ich frage aber an dieser Stelle: Warum hat das Land Thüringen die Möglichkeiten, die wir durch die Öffnung des Hochschulrahmengesetzes, beispielsweise im Besoldungsrecht, gegeben haben, bisher nicht genutzt? Warum haben erst drei Bundesländer die neuen Regelungen umgesetzt? Warum sind erst drei Bundesländer an diese Frage herangegangen?

   Auf die Frage, warum noch keine Initiativen zum Wissenschaftstarifvertrag ergriffen worden sind, will ich der Fairness halber nicht eingehen. Auch da haben Sie sich nicht durchgesetzt. Ich freue mich aber, dass wir hier einer Meinung sind.

   Meine Frage: Warum setzen Sie das, was heute möglich ist, nicht um?

Dr. Dagmar Schipanski, Ministerin (Thüringen):

Das kann ich Ihnen ganz genau beantworten. Wir werden das insgesamt umsetzen, wenn über die Klage entschieden ist, wie mit der Habilitation umzugehen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Jörg Tauss (SPD): Ach so! Diese alte Geschichte!)

Das heißt, wir müssen genau das durchsetzen, was uns richtig erscheint, und nichts anderes.

   Lassen Sie mich zu den Universitäten zurückkommen. Wir brauchen Wettbewerb und Freiheit an den Universitäten. Es ist richtig, hier sind auch wir Länder gefordert. Die Bundesregierung sollte aber aus gesamtstaatlicher Verantwortung dafür sorgen, dass sich die Voraussetzungen zur Teilnahme am Wettbewerb insgesamt verbessern. Wir Länder sind selbstverständlich gefordert. In diesem Zusammenhang möchte ich nur erwähnen - Herr Loske hat vorhin ausgeführt, dass sich die Hochschulen an der Weiterbildung beteiligen sollen -: Im Thüringer Hochschulgesetz ist das längst verankert. Unsere Hochschulen können sich an der Weiterbildung beteiligen und dafür Gebühren erheben. Die Länder nutzen die Freiheiten, die ihnen im Rahmen des engen Regulierungsgesetzes gegeben sind, aber wir brauchen noch mehr Freiheiten, um unsere Hochschulen für den Wettbewerb fit zu machen.

   Dazu gehört auch ein Wissenschaftstarifvertrag, über den wir diskutieren, aber ich wünsche mir auch von den SPD-regierten Ländern einen Vorschlag

(Lachen bei der SPD - Jörg Tauss (SPD): Immer wir!)

- über den wir diskutieren können. Wir können nicht einfach die Zeit für die Lehre festlegen, wir können auch nicht den Zeitraum festlegen, wie lange man an einer Hochschule bleiben darf, bevor man automatisch gehen muss. Diese starren Zeitregelungen, die detaillierten Stundenfestlegungen verhindern angemessene Reaktionen der Hochschulen auf verändertes Studierverhalten oder auf sich rasch entwickelnde Forschungsgebiete.

   Was tut die Bundesregierung? Anstatt die Wettbewerbsbedingungen zu verbessern, kürzt sie die Mittel für den Hochschulbau um 135 Millionen Euro. Vergleicht man diese Politik mit den neuerlich angekündigten Millionen, dann heißt das im Klartext: Die Bundesregierung will sich mit einzelnen Leuchttürmen auf Kosten der Fläche profilieren. Diese Politik trifft die neuen Ländern in ganz besonderer Weise;

(Nicolette Kressl (SPD): Falsch!)

denn unsere Hochschulen hatten nicht die Chance, in 15 Jahren 40 Jahre Vorsprung der alten Länder aufzuholen.

(Beifall der Abg. Cornelia Pieper (FDP))

Die Chefsache „Aufbau Ost“, meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, erweist sich ein weiteres Mal als leere Drohung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Das war schon einmal so, nämlich als die UMTS-Erlöse verteilt wurden. Die Messlatte für die Hochschulen zur Teilnahme an dem Programm der DFG-Forschungszentren war so hoch angelegt, dass keine einzige Universität der neuen Länder überhaupt eine Chance hatte. Noch sind die Voraussetzungen nicht gleich. Das muss berücksichtigt werden. Hier erwarten wir ein Engagement für den Aufbau Ost.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Auf der anderen Seite jedoch möchte ich betonen, dass gerade die DFG dafür prädestiniert ist, dem wissenschaftlichen Wettbewerb in Deutschland neue Impulse zu verleihen.

(Beifall des Abg. Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU))

Schließlich folgt die DFG bei der Mittelvergabe ausschließlich Wissenschafts- und Exzellenzkriterien. Vor diesem Hintergrund möchte ich einen Vorschlag unterbreiten, der die Forschung in unserem Land nach Wettbewerbskriterien voranbringt und den Willen der Bundesregierung aufgreift, sich zu engagieren: Die Deutsche Forschungsgemeinschaft erhält das angekündigte Geld,

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

aber ohne an anderer Stelle Mittel zu kürzen, etwa für den Hochschulbau oder die Projektforschung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Damit erhält die DFG die Möglichkeit, nach ihren eigenen Regularien, nämlich nach der Exzellenz von Forschungsanträgen, die besten Vorhaben aus allen Hochschulen zu fördern und auch auszustatten. Dabei sollten die Nachwuchswissenschaftler, die über diese Förderung eingestellt werden, zugleich zur Lehre an den Universitäten verpflichtet werden. Denn die Einheit von Forschung und Lehre ist nach wie vor das entscheidende Merkmal der deutschen Universitäten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Damit würde der dringend notwendige wechselseitige Zusammenhang von Forschung und Lehre in einer ganz neuen Qualität in den Universitäten verankert. Bei der Vergabe der Mittel könnten durchaus auch mit außeruniversitären Instituten vernetzte Forschungsvorhaben, verbunden mit Promotionsstudiengängen oder Graduiertenkollegs, Kriterien für Auswahl und Exzellenz sein.

   Ich glaube, hieran lässt sich eine gute Diskussion anknüpfen, wie im freien Wettbewerb Elite heranwächst, ausgebildet und gefördert und nicht per Dekret verordnet wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Zugleich hätten wir ein Grundproblem der deutschen Universitäten, nämlich das der unzureichenden Zahl wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Lehre, mit gelöst. Das könnte zu mehr und besserer Forschung und Lehre, aber auch zu veränderten und besser vernetzten neuen Strukturen in der Forschungslandschaft führen. Selbstverständlich müsste ein entsprechendes Engagement von Wirtschaft und privaten Förderern für die Universitäten belohnt werden.

   Es gibt eine Reihe von Vorschlägen, die häufig diskutiert wurden. Aber leider erfolgt in unserem Land die Umsetzung häufig nur sehr zögernd. Auch die letzte Auseinandersetzung zwischen Frau Bulmahn und Herrn Matschie über die Abschaffung der ZVS zeigt das: vor, zurück, zur Seite, ran. Wir haben aber noch kein Ergebnis.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Die ZVS ist doch euer Bier! Der redet schon als Ministerpräsident! Haben Sie das noch nicht gemerkt?)

   Im Übrigen sei mir gestattet, zum Abschluss darauf hinzuweisen, dass die größte Schwäche von Deutschland nicht das Finden von Forschungsergebnissen ist. Darin sind wir nach wie vor exzellent und international sehr anerkannt. Unsere Schwäche ist die Umsetzung von Forschungsergebnissen in wirtschaftliche Nutzung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dieses Problem aber lösen wir nicht durch die Festlegung von Eliteuniversitäten. Das Problem lösen wir nur durch kontinuierliche Verzahnung von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen und deren gemeinsame Verzahnung mit der Wirtschaft. Das muss flächendeckend passieren. Die fünf Leuchttürme, die wir errichten wollen, werden das Ganze nur überstrahlen, werden aber keine Tiefenwirkung haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Aber die Clusterbildung, die wir mit dem Bio-Regio-Wettbewerb unter Jürgen Rüttgers initiiert haben, die wir in den CDU-geführten Ländern aufgenommen haben, die wir pflegen und die wir trotz der schwierigen Rahmenbedingungen immer weiter voranzutreiben versuchen,

(Jörg Tauss (SPD): Die wir finanzieren!)

kann uns dort voranbringen. Dafür sind die neuen Länder ein gutes Beispiel; denn unsere neue Wirtschaft ist nur aufgrund der direkten Umsetzung von Forschungsergebnissen in neue Produkte auf den Stand gekommen, auf dem sie heute ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Bedanken Sie sich bei uns!)

   Dieses Miteinander würden wir kaputtmachen, wenn wir dem Vorschlag folgen würden, die gut gewachsene Forschungslandschaft jetzt zu zerschlagen, also bestimmte Forschungseinrichtungen dem Bund und andere den Ländern zuzuordnen.

(Jörg Tauss (SPD): Sie sind ja strukturkonservativ!)

Diese Strukturreformen würden die deutsche Forschungslandschaft nicht voranbringen.

(Jörg Tauss (SPD): Also keine Reformen!)

Deshalb sage ich: Wir sollten die derzeitige Diskussion offensiv führen und der Wissenschaftspolitik in unserem Land neue Impulse geben. Dazu brauchen wir keine zentralen Vorgaben. Der föderale Wettbewerb der Länder bietet genügend Chancen. Wir müssen sie nur nutzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nun erteile ich der Bundesministerin für Bildung und Forschung, Edelgard Bulmahn, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Innovationen sind der Schlüssel für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die Zukunftsfähigkeit unseres Landes hängt wirklich entscheidend von Bildung, Forschung und Wissenschaft ab. Aber, liebe Frau Kollegin, es reicht nicht aus, das nur zu beschwören. Man muss auch entsprechend handeln.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Bundesregierung macht genau das. Sie handelt.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Wo denn?)

Der Startschuss dafür ist am 15. Januar dieses Jahres gefallen. Gemeinsam mit Wissenschaft, Wirtschaft und Gewerkschaften hat die Bundesregierung die Initiative „Partnerschaft für Innovation“ gestartet. Dabei müssen wir alle bereit sein, ausgetretene Pfade zu verlassen und neue Wege zu gehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   „Wasch mich, aber mach mich nicht nass“: Wenn man nach dieser Devise vorgeht, liebe Kolleginnen und Kollegen, wird sich in unserem Lande überhaupt nichts bewegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb, liebe Frau Schipanski, kann man auch nicht unter Hinweis auf den Föderalismus und Zuständigkeiten notwendige Modernisierungen und Veränderungen in unserem Land in Frage stellen und boykottieren. Das geht nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie mich ausdrücklich sagen: Jeder ist gefordert, einen Beitrag zum gemeinsamen Aufbruch zu leisten.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Bulmahn, darf die Kollegin Pieper Ihnen eine Zwischenfrage stellen?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Das darf sie.

Cornelia Pieper (FDP):

Vielen Dank, Frau Ministerin. - In Ihrer Humboldt-Rede haben Sie sich jüngst für mehr Autonomie der Hochschulen in diesem Land ausgesprochen. Das habe ich mit großem Wohlwollen gehört. Sie haben sogar gesagt, Sie wollten eine Novelle zum Hochschulrahmengesetz vorlegen und es auf zwei bis drei Seiten kürzen. Wann legen Sie, Frau Ministerin, eine Novelle zum Hochschulrahmengesetz vor? Wann können wir Ihren Gesetzentwurf erwarten?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Das, liebe Frau Pieper, wird Inhalt des Gespräches sein, das ich mit einigen Landesministern am 4. Februar dieses Jahres führen werde.

(Cornelia Pieper (FDP): Ich denke, Sie brauchen drei Jahre, Frau Bulmahn! Das haben Sie gesagt!)

Deshalb sage ich ausdrücklich: Es reicht nicht, das zu beschwören.

(Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das war eine präzise Antwort!)

Man muss es auch tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, die Hochschullandschaft Deutschlands kann sich sehen lassen. Wäre dem nicht so, wären deutsche Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler bei amerikanischen Forschungseinrichtungen und Unternehmen nicht so gefragt, wie sie es sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In der Breite sind wir stark. Aber wir brauchen auch Spitzenuniversitäten, die internationale Strahlkraft haben, in die Menschen aus aller Welt gehen und dort forschen wollen. Denn eines ist klar: Wir müssen international attraktiver werden. Wir müssen die Leistungsfähigkeit der Hochschulen in der Breite stärken. Aber wir brauchen auch die Spitze.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   In den letzten Jahren hat die Bundesregierung die Hochschulen in der Breite gestärkt. Auch hier sage ich ausdrücklich: Entscheidend ist das Handeln. Unter dieser Bundesregierung ist die Zahl der Studierenden um ein Drittel gestiegen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Unter dieser Bundesregierung sind die Studienförderung erheblich verbessert, das BAföG reformiert und Bildungskredite geschaffen worden. Unter dieser Bundesregierung wurden die Mittel für die Hochschulen um 23 Prozent erhöht, unter der vorherigen wurden sie reduziert.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Zum Vergleich nenne ich Ihnen folgendes Beispiel: Das Land Bayern, das sich ja immer selbst damit preist, sehr viel für die Hochschulen zu tun, hat die Ausgaben für Hochschulen um 2 Prozent erhöht. Wir haben sie im gleichen Zeitraum um 23 Prozent erhöht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das ist der Unterschied zwischen Taten und Worten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der SPD: Wir reden und handeln!)

   Spitzenförderung und Breitenförderung - lassen Sie mich das ausdrücklich sagen - sind zwei Seiten einer Medaille und lassen sich nicht gegeneinander ausspielen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Genau so ist es!)

Es muss uns in Deutschland gelingen, aus unseren vorhandenen Stärken heraus Spitzenzentren zu entwickeln.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deshalb habe ich immer so nachdrücklich gesagt: Spitzenuniversitäten können nicht per Dekret erlassen werden. Spitzenuniversitäten müssen sich im Wettbewerb entwickeln.

(Beifall bei der SPD)

   Liebe Frau Schipanski, ich muss Ihnen ausdrücklich sagen: Das ist das genaue Gegenteil von Planwirtschaft.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich wundere mich, dass Sie sich hier gegen diesen Wettbewerb aussprechen. Denn an anderer Stelle preisen Sie den Wettbewerb zu Recht,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie wissen doch gar nicht, was Marktwirtschaft ist!)

zum Beispiel in den Bereichen Bio-Regio und Inno-Regio. Genau das brauchen wir auch in der Wissenschaft. Denn Wettbewerb ist ein Charakteristikum von Wissenschaft.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Im Übrigen stelle ich fest: Inzwischen will sich eine große Zahl von Universitäten diesem Wettbewerb stellen. Deshalb wird auch für mehr Wettbewerb gesorgt. Mir geht es um die Hochschulen, um die Universitäten sowie um die Studierenden und um die Lehrenden an diesen Einrichtungen. Ihnen möchte ich die notwendige Unterstützung geben. Sie sollen eine Chance bekommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Bergner?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Ja.

Dr. Christoph Bergner (CDU/CSU):

Frau Ministerin, Sie könnten sehr zum Dialog und zur problembezogenen Diskussion beitragen, wenn Sie zu dem Vorschlag der Thüringer Wissenschaftsministerin Stellung nehmen könnten, die gesagt hat, Sie sollten die Mittel, die Sie für Ihren „Preisausschreibenwettbewerb“ eingeplant haben, besser der Deutschen Forschungsgemeinschaft - zusätzlich zu allen übrigen Verpflichtungen des Bundes - zur Verfügung stellen. Ich finde, das ist ein sehr wettbewerbsbezogenes Konzept.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Was ist daran Wettbewerb?)

Was sagen Sie zu dem Vorschlag der Thüringer Wissenschaftsministerin?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Ich treffe mich am 16. Februar mit den Präsidenten der Forschungsorganisationen und der Hochschulrektorenkonferenz, um gemeinsam mit ihnen meinen Vorschlag zu erörtern. Natürlich werde ich gute Änderungsvorschläge von ihnen aufgreifen. Ich habe mit den Präsidenten bereits gesprochen, bevor ich den Vorschlag der Öffentlichkeit vorgelegt habe, habe ihre Meinungen angehört und ihre Ratschläge eingeholt und diese in mein Konzept eingearbeitet. So werde ich auch weiterhin verfahren.

   Ich habe mit ihnen in dem damaligen Gespräch übereingestimmt, dass es richtig ist, dass ein Wettbewerb ausgeschrieben wird, dass die Universitäten selber ein Konzept entwickeln, mit dem sie in die Spitze vordringen wollen, und dass sie selber entscheiden, ob sie außeruniversitäre Forschungseinrichtungen oder die Wirtschaft integrieren. Unser gemeinsamer Wunsch war, dass das jeweilige Bundesland, die Region und die Stadt das Vorhaben ihrer Universität mit allen Kräften unterstützen. Darauf kommt es an.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Man wird dann feststellen können, ob die Worte mit den Taten übereinstimmen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nun möchte der Kollege Lensing eine Zwischenfrage stellen.

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Gerne.

(Jörg Tauss (SPD): Lensing kann auch noch etwas lernen! Das kann nicht schaden! Herr Kauder müsste viele Fragen stellen! Das schaffen wir aber leider nicht mehr! - Volker Kauder (CDU/CSU): Das hätte keinen Sinn! Denn Sie verstehen meine Antworten nie! Dazu muss man ein Minimum an Verstand haben!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Die spontane Debatte, die sich in den ersten Reihen unter einzelnen Kollegen abspielt, hat sicherlich einen gewissen Reiz, entspricht aber nicht ganz den Formvorschriften unserer Plenardebatten.

   Zu einer Zwischenfrage hat jetzt der Kollege Lensing das Wort.

Werner Lensing (CDU/CSU):

Zu dem, was der Kollege Kauder gesagt hat, erlaube ich mir noch den Hinweis, dass das immer auch eine Frage des jeweiligen individuellen intellektuellen Zuschnitts ist.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie sprechen aus Erfahrung, Herr Kollege!)

   Frau Ministerin Bulmahn, der Vorstoß der SPD zur Förderung von Eliten, von vielen als Paradigmenwechsel verstanden, wird, wenn man die Presse liest, vorrangig als populistisches Wendemanöver begriffen. Ich frage Sie: Wie soll man diesen Aussagen einer Partei glauben,

(Jörg Tauss (SPD): Uns können Sie immer glauben!)

die früher - primär aus ideologischen Gründen - das Wort Elite nicht einmal in den Mund nehmen wollte?

(Horst Kubatschka (SPD): Witzbold!)

   Darüber hinaus frage ich Sie: Liegt der Grund für die allgemeine Nivellierung an Schulen und Hochschulen, vor allem in Nordrhein-Westfalen, nicht zuletzt darin, dass Sie keinen Unterschied zwischen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit machen? Das Verfolgen des Ziels der Chancengleichheit führt bekanntlich zur allgemeinen Gleichmacherei, während die Chancengerechtigkeit die individuelle Kraft des Einzelnen fördert.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, Ihre Frage bitte.

Werner Lensing (CDU/CSU):

Können Sie mir in dieser Frage - darauf steuern meine Aussagen hin, Herr Präsident -, nicht uneingeschränkt Recht geben?

(Heiterkeit bei der CDU/CSU, der SPD und der FDP)

Schließlich ist Leistung zu fordern human und Leistung zu verweigern inhuman?

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Bulmahn, bevor Sie die Frage freundlicherweise beantworten, darf ich einmal einen gut gemeinten Hinweis geben: Wie im Augenblick sicher der Kollege Lensing, so empfinde auch ich es als schwer erträgliche Härte, dass die Geschäftsführer der jeweiligen Fraktionen immer nur einen kleinen Teil der Kollegen förmlich als Redner anmelden.

(Heiterkeit und Beifall im ganzen Hause)

   Ich kann aber nichts daran ändern und muss deswegen darauf hinweisen, dass Zwischenfragen so gestellt werden müssen, wie es der Begriff zum Ausdruck bringt, nämlich als Zwischenfragen. Es dürfen keine förmlich nicht angemeldete Reden sein. - Bitte schön, Frau Kollegin.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Die Reaktion ist aber immer nur bei der CDU/CSU zu spüren!)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Lieber Herr Kollege Lensing, ich sage ausdrücklich: Unser Land braucht Leistungseliten. Was wir weniger brauchen, sind Erbeneliten.

(Beifall bei der SPD)

Vielleicht gibt es hier einen Unterschied zwischen unseren Auffassungen. Wir brauchen in unserem Land Leistungseliten und Leistungsträger.

   Menschen sind sehr unterschiedlich. Deshalb ist es eine ganz wichtige Aufgabe der Bildungspolitik, Sorge dafür zu tragen, dass nicht ein einziges Talent in unserem Land verschüttet wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Herr Tauss, sie meint nicht Sie! - Jörg Tauss (SPD): Ich bin doch der intelligenteste Abgeordnete!)

Ich denke, dabei nützt Ihr diffiziles Auseinanderdefinieren von Begriffen nur sehr wenig. Ich glaube, dass kein Mensch in diesem Lande wirklich Spaß daran hat oder es interessant findet, zu differenzieren und über den Unterschied zwischen Chancengleichheit und Chancengerechtigkeit zu diskutieren.

   Im Kern geht es doch darum, dass die Kinder in den Schulen nicht entmutigt werden dürfen, sondern dass sie ermutigt werden müssen, ihre Talente zu nutzen und ihre Fähigkeiten zu entwickeln. Dafür ist es notwendig und wichtig, dass man die Kinder nicht frühzeitig sortiert, einordnet und entmutigt und - deshalb dränge und bestehe ich so darauf - dass das Prinzip der individuellen Förderung in unseren Schulen zum Kern des Unterrichtsgeschehens und auch zum Mittelpunkt des Geschehens in unserer Gesellschaft wird.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wir müssen in unserem Land endlich wieder auch ein Stück Bildungsoptimismus entwickeln; denn die Menschen können einfach viel mehr, als wir ihnen häufig zutrauen.

   Das ist aus meiner Sicht der eigentlich notwendige Klima- und Kulturwechsel, den wir in unserem Land brauchen. Wir müssen begreifen, dass wir jedem Kind eine Chance geben müssen. Wie dies geschieht, wird immer sehr unterschiedlich aussehen. Die individuelle Förderung, Ermutigung und Unterstützung müssen dabei das A und O sein. Nur dann werden wir die Leistungseliten haben, die wir brauchen, um unser Land auch weiterhin nach vorne zu bringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich zu den Spitzenuniversitäten zurückkommen. Ich habe vorhin gesagt, jede Universität entscheidet selbst, mit welchem Konzept sie in die Spitze vordringt. Die Besten sollen nicht von Politikern, Beamten oder Ministerien, sondern von einer international zusammengesetzten Jury, einer Expertenkommission, ausgewählt werden. Diese wählt die besten zehn Vorschläge in der ersten Runde aus. Danach erhalten die Universitäten die notwendige Unterstützung, um die Entwurfsskizzen zu einem umfassenden Konzept auszuarbeiten. Aus diesen ersten zehn ausgewählten Hochschulen und ihren Konzepten - nicht mehr Entwürfen - werden dann die besten vier, fünf oder sechs Hochschulen ausgewählt.

   Weil ich davon überzeugt bin, dass sich die Spitze, die Elite immer wieder dem Wettbewerb stellen muss, werden wir nach vier Jahren eine weitere Runde durchführen. Es ist also kein starres, sondern ein offenes System, sodass zum Beispiel auch die Hochschulen, die beim ersten Mal noch nicht mitmachen können, eine Chance erhalten.

(Ulrike Flach (FDP): Dazwischen erlauben Sie aber noch Wahlen, Frau Ministerin!)

- Frau Flach, der Bund wird den ausgewählten Universitäten 50 Millionen Euro pro Jahr geben. Fünf mal 50 sind 250. 250 Millionen Euro zusätzlich ist eine ganze Menge Geld für unsere Hochschulen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das entspricht dem gesamten Jahreshaushalt einer sehr großen Universität. Von daher können wir damit wirklich einen Schub in der Entwicklung von Universitäten erreichen.

Spitzenuniversitäten sollen sich durch ein klares Profil in Wissenschaft und Forschung auszeichnen. Herausragende wissenschaftliche Leistungen, eine erstklassige, an internationalen Standards orientierte Lehre und enge Kooperationen mit den außeruniversitären Forschungseinrichtungen und der Wirtschaft sind dabei wichtige Kriterien. Auch eine gute Betreuung der Studierenden und ein modernes Management machen Spitzenuniversitäten aus.

   Darüber hinaus - darin stimme ich mit allen Rednern überein - brauchen unsere Hochschulen die größtmögliche Autonomie. Sie müssen ihr Profil eigenständig bilden können. Dazu zählt für mich, dass die Hochschulen die Möglichkeit erhalten, ihre Studierenden weitgehend selbst auszusuchen.

(Ulrike Flach (FDP): Alle, Frau Bulmahn! - Michael Kretschmer (CDU/CSU): Was heißt „weitgehend“?)

   Wie Sie wissen, verhandeln wir derzeit mit den Ländern über eine konsensfähige Lösung.

(Ulrike Flach (FDP): Aber ohne Ergebnis!)

Wie Sie auch wissen, treten die einen Länder für eine 25-prozentige Quote und die anderen Länder für eine 50-prozentige Quote ein. Ich habe gesagt: Ich möchte, dass der Anteil möglichst hoch ist. Aber wir müssen zu einer vernünftigen Vereinbarung kommen, die praktikabel und gerecht ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darüber müssen wir reden. Ich bitte alle Kollegen, die sich hier geäußert haben, in ihren Parteien dafür Sorge zu tragen, dass wir zu einem Ergebnis kommen; denn ohne die Länder können wir nichts machen. Sie sind in erster Linie gefragt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich habe bereits mehrfach deutlich gemacht, dass ich bereit bin, das Hochschulrahmengesetz wirklich gründlich zu entrümpeln. Aus meiner Sicht reichen zwei bis drei Seiten Gesetzestext.

(Ulrike Flach (FDP): Dann machen Sie es doch mit uns gemeinsam!)

Dieser Text sollte nur noch das enthalten, was länderübergreifend geregelt werden kann. Das sind die Bereiche Zulassung, Abschlüsse, Dienstrecht und Qualitätssicherung. Mehr muss im Text nicht stehen.

(Ulrike Flach (FDP): Also ran!)

   Frau Flach, ich bin allerdings nicht so blauäugig, zu glauben, wir müssten nur Regelungen streichen und dann hätten die Hochschulen die Freiheit, die sie brauchen und die ich ihnen geben will. Vielmehr müssen wir hier zu klaren Absprachen kommen, damit die Länder ihre Hochschulen tatsächlich in die Freiheit entlassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Genau das ist der Punkt!)

Es hilft den Hochschulen überhaupt nichts, wenn der Bund Vorschriften streicht - das haben wir im Übrigen auch schon gemacht - und dann die Länder jeden Freiraum, den sie haben, wieder im Detail ausfüllen. Deshalb müssen wir zu klaren Vereinbarungen kommen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Jörg Tauss (SPD): Besoldungsrecht? Bayern!)

   Zur Zukunft der ZVS. Ich bin für jede Veränderung der ZVS offen. Es bringt nichts, wenn von Journalisten und auch hier behauptet wird, es gebe hier einen Dissens. Darüber gibt es keinen Dissens zwischen uns: Ich bin für jede Veränderung der ZVS offen. Ich möchte allerdings darauf hinweisen: Die ZVS arbeitet auf der Basis eines Staatsvertrages zwischen den Ländern.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Der Bund ist nicht Mitträger dieser Einrichtung. Deshalb müssen die Bundesländer untereinander zu einem Konsens kommen. Punkt.

(Ulrich Kasparick (SPD): Basta! Beifall des Abg. Ulrich Kasparick (SPD))

   Wirtschaft und öffentliche Hand haben die Investitionen in Forschung und Entwicklung seit 1998 von 2,3 auf 2,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts erhöht. Hier müssen wir aber noch weiter zulegen, wenn wir das Ziel, das die Regierungschefs der EU untereinander vereinbart haben, nämlich 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Forschung und Entwicklung bereitzustellen, erreichen wollen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hierzu wünsche ich mir in diesem Parlament den Willen aller Fraktionen, an der Erreichung dieses Ziel mitzuarbeiten. Das wird nicht einfach sein; das wissen wir. Wir müssen es aber schaffen. Ich sage ausdrücklich: Es nützt nichts, wenn es die Bundesregierung alleine macht. Die Wirtschaft muss kräftig zulegen. Zwei Drittel der Mittel müssen von der Wirtschaft aufgebracht werden.

(Ulrike Flach (FDP): Tut sie ja schon!)

- Sie muss auch weiterhin kräftig zulegen, Frau Flach. Auch die Länder müssen deutlich aufstocken.

(Ulrike Flach (FDP): Das ist richtig!)

Wenn wir nämlich die Mittel erhöhen, aber die Länder kürzen, wie das zum Beispiel das Land Niedersachsen zurzeit massiv macht,

(Ulrike Flach (FDP): Alle!)

dann bringt das den Hochschulen überhaupt nichts. Dann wird das für sie ein Nullsummenspiel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Innovationen brauchen eine exzellente Forschungsbasis. Die Bundesregierung hat seit 1998 die institutionelle Förderung deshalb erheblich gesteigert. Wissenschaft benötigt darüber hinaus mittelfristige Planungssicherheit. Daher will ich den Forschungsorganisationen anbieten, ihnen genau diese mittelfristige Planungssicherheit zu geben.

   Im Gegenzug erwarte ich die Bereitschaft zu Zielvereinbarungen wie mehr Chancen für den wissenschaftlichen Nachwuchs, mehr Vernetzung der außeruniversitären Forschung mit der Universität - die Forschung muss wieder auf den Campus zurückkehren -, keine Auflösung und Veränderung der Forschungsorganisation, aber mehr Brücken, Vernetzung und Internationalität sowie mehr Wettbewerb innerhalb der Forschungsorganisationen. Darüber will ich mit den Präsidenten der Forschungs- und Wissenschaftsorganisationen am 16. Februar diskutieren.

(Ulrike Flach (FDP): Wie stehen Sie denn zur Grundlagenforschung, Frau Bulmahn?)

- Ist das eine Frage oder nicht?

(Heiterkeit)

Kurz gesagt: ja zur Grundlagenforschung.

Wir dürfen uns nicht auf Innovationen als mehr oder minder zufällige Nebenprodukte der Forschung verlassen. Deshalb werde ich die Projektförderung meines Ministeriums auf Technologien, die neue Wachstumsfelder erschließen, und auf Basistechnologien, die als Wachstumstreiber in vielen Branchen wirken, ausrichten. Das sind die Informations- und Kommunikationstechnologien, die Nanotechnologien, die Biotechnologien, die optischen Technologien und die Umwelttechnologien, die auch eine wichtige Rolle spielen. Entscheidend ist immer, dass das Wissen gezielt genutzt wird. Was die Forscher entdecken, muss schnell in marktfähige Produkte umgesetzt werden. Das setzt auch neue Formen der Partnerschaft zwischen Wissenschaft und Wirtschaft voraus, die neben die klassischen Verbundvorhaben getreten sind.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Möchten Sie, um die inzwischen abgelaufene Redezeit zu verlängern, eine Zwischenfrage zulassen?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Ja, ich gestatte alle Fragen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Bitte schön, Herr Kollege Kretschmer.

Michael Kretschmer (CDU/CSU):

Frau Ministerin, ich möchte Sie gerne nach Deutschland - in das von heute - zurückholen. Sie sprechen gerade über Projektförderung und mittelfristige Planungssicherheit. Wir sehen, dass an allen möglichen Stellen gekürzt wird. Ich nenne das Programm FUTOUR, das wegfällt. Es ist das einzige Programm, das technologieorientierte Unternehmensgründungen aus Hochschulen heraus, von denen Sie gerade gesprochen haben, ermöglicht.

(Ulrich Kasparick (SPD): Was ist denn Ihre Frage?)

„Pro Inno I“ ist im vergangenen Jahr ausgelaufen. Das neue Programm ist noch nicht angelaufen. Viele Fachprogramme Ihres Hauses laufen nicht mehr weiter. Anträge werden nicht angenommen. Bei uns stapeln sich die Briefe der Unternehmer, die forschen möchten. Wie passt es zu dem, was Sie gesagt haben, wenn diese Fachprogramme wegen der globalen Minderausgabe oder aus welchen Gründen auch immer reduziert werden und keine neuen Anträge angenommen werden?

(Jörg Tauss (SPD): Gute Steilvorlage!)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Lieber Herr Kollege, die programmbezogene, projektorientierte Forschungsförderung, die ein Weg der Forschungsförderung neben der Förderung der Forschungsorganisation und der Deutschen Forschungsgemeinschaft darstellt, ist unter dieser Bundesregierung ebenfalls verstärkt worden. Wir haben auch die Forschungsförderung zum Beispiel der DFG und der MPG deutlich gesteigert.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): Das war gar nicht seine Frage!)

Die programmbezogene Projektförderung, auf die Sie sich beziehen, ist gegenüber derjenigen unter der CDU/CSU-geführten Bundesregierung um 1,1 Milliarden Euro gestiegen.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Zuhören, Herr Kollege!)

Man muss sich schon mit den Fakten auseinander setzen. Das gehört auch zur Bildung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Damit haben wir es geschafft, dass deutlich mehr kleinere und mittlere Unternehmen an unseren Programmen partizipieren. Ich sage ausdrücklich, dass ich in diesem Jahr in einigen Bereichen der Programmförderung auch kürzen musste. Deshalb habe ich hier nachdrücklich gesagt, dass wir in den kommenden Haushaltsjahren wieder mehr Mittel in Bildung und Forschung investieren müssen. Daran geht kein Weg vorbei.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir müssen das schaffen, damit unsere Wissenschaftler, aber auch die Forschungseinrichtungen und vor allem die Unternehmen die Chance haben,

(Zuruf von der CDU/CSU: An uns soll es nicht liegen!)

mit neuen Produkten, neuen Verfahren und neuen Dienstleistungen wieder Märkte zurückzuerobern.

   Das ist uns in zwei Bereichen gelungen, lieber Herr Kollege Kretschmer. Es ist uns zum Beispiel bei der Chipmaskentechnologie gelungen. Amerikanische Unternehmen haben ihre Forschungs- und Entwicklungsabteilungen wieder nach Deutschland verlagert.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vor fünf Jahren hätte niemand hier im Hause geglaubt, dass das geschehen könnte.

(Jörg Tauss (SPD): Laser! So ist es!)

Wir haben das geschafft. Sie waren dabei und wissen es. Wir haben es in der Lasertechnik geschafft. In wichtigen Bereichen - ich nenne Industrielaser und Systemlaser - sind wir wieder Weltspitze. Hier haben wir einen Weltmarktanteil von 40 Prozent. In diesem Sektor arbeiten mittlerweile 50 000 Beschäftigte.

   Was die Gründungen von Unternehmen der Biotechnologie und die Zahl der Unternehmen betrifft, sind wir in Europa an der Spitze. Damit das so bleibt und wir diese Wachstumsentwicklung aufrechterhalten können, brauchen wir auch in den kommenden Jahren wieder mehr Geld für Forschung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich werde deshalb die Forschungsförderung noch stärker auf eine Missionsorientierung ausrichten. Das könnte zum Beispiel „Alzheimer 2010 besiegen“ sein. Das ist eine solche Missionsorientierung.

(Jörg Tauss (SPD): Schönes Ziel!)

Entscheidend ist immer, dass die Wissenschaft um den besten Weg zur Erreichung des Ziels konkurriert und dies an klar definierten Meilensteinen überprüft wird.

   Meine Redezeit ist abgelaufen. Ich könnte noch vieles ausführen, aber ich muss jetzt zum Ende kommen.

   Ich wünsche mir, dass das Parlament häufiger über Forschung und Entwicklung diskutiert

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

und dass bei allen auch der Wille vorhanden ist, zu handeln. Denn wir haben eine Menge zu bieten und wir können vieles leisten. Richtig ist aber auch, dass andere Länder ebenfalls viel leisten. Deshalb kommt es darauf an, gemeinsam die Innovationsfähigkeit unseres Landes zu verbessern.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN) - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das war doch ganz anders als dieser kritische Kram der CDU/CSU!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Bevor ich der Kollegin Marion Seib das Wort erteile, bitte ich alle Kollegen, die sich noch zu Zwischenfragen gemeldet hatten, um Nachsicht, dass ich das nach Ablauf der Redezeit nicht mehr berücksichtigen kann, selbst wenn der jeweilige Redner oder die jeweilige Rednerin durchaus Interesse an der Zulassung weiterer Zwischenfragen haben könnte.

   Nun hat die Kollegin Marion Seib, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Marion Seib (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine verehrten Kolleginnen und Kollegen! „Die Handlungen der Menschen leben fort in den Wirkungen.“

(Ulrich Kasparick (SPD): Donnerwetter!)

- Donnerwetter! Dieser Satz von Gottfried Wilhelm Leibniz setzt die Überschrift über das derzeit notwendige Handeln in der Hochschul- und Forschungspolitik.

   Wenn es darum geht, die Ressourcen von Hochschulen, außeruniversitären Forschungseinrichtungen, klein- und mittelständischen Unternehmen und auch der Großindustrie zu bündeln und gegenseitig nutzbar zu machen, dann spielen vor allem Kompetenzzentren oder Hightech-Cluster eine wichtige Rolle.

   Die Verknüpfung des Know-hows unterschiedlicher Akteure und deren interdisziplinäre Zusammenarbeit hat sich als Innovationsschmiede bestens bewährt. Wir tun das.

(Jörg Tauss (SPD): Wo? - Ulrich Kasparick (SPD): Wer?)

Wir in Bayern können dabei auf bereits bestehende und erfolgreiche Kräfteverbünde verweisen, wie im fränkischen Erlangen-Nürnberg im Bereich Material-, Laser- oder Medizintechnologie oder im oberbayerischen Martinsried, wo sich in der Umgebung des Genzentrums der Universität München zahlreiche Unternehmen der so genannten Roten Biotechnologie angesiedelt haben. Wir wollen keine Elite-Inseln, sondern ein flächendeckendes Qualitätsnetz in Länderzuständigkeit. Jede Hochschule muss in den Bereichen ihres unverwechselbaren Profils eine Spitzenstellung im internationalen Wettbewerb einnehmen können.

(Jörg Tauss (SPD): Zulasten der Breite! Genau der falsche Weg!)

   Das Elitenetzwerk Bayern verknüpft die besten Module der bayerischen Hochschulen nach einem strengen Auswahlverfahren zu Elitestudiengängen und internationalen Doktorandenkollegs. Statt weniger Qualitätszellen wollen wir ein weites Qualitätsnetz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Aufgrund der Experimentierklausel im bayerischen Landeshochschulgesetz hat sich die Technische Universität München mit ihrem besonders technikorientierten Profil als außerordentlich reformfreudig erwiesen. Sie erprobt neue Organisationsmodelle und lässt diese auch regelmäßig evaluieren.

   In Weihenstephan zum Beispiel ist ein international hochrangiges Kompetenzzentrum in den Bereichen Ernährung, Landnutzung und Umwelt entstanden. In Garching, Herr Matschie - er ist nicht mehr im Saal -, ist auf der grünen Wiese ein Campus für moderne Hightechforschung entstanden. Es wurde ein Technologiezentrum von Weltrang geschaffen, das auch zur Ansiedlung des Forschungszentrums von General Electric führte. Beim Ausbau der Fakultäten für Maschinenwesen, für Informatik und Mathematik wurden neue Finanzierungsmodelle gefunden.

   Mit den 50 Millionen Euro aus der bayerischen Hightechoffensive, dem Wissenstransfer in die Wirtschaft sowie mit einer laufenden Evaluation wurde die Gestaltung und Vernetzung auf Länderebene ermöglicht.

(Jörg Tauss (SPD): Und der Rest an der Börse verspekuliert! 1 Milliarde!)

Das brauchen wir auch auf Bundesebene;

(Beifall bei der CDU/CSU)

denn in einem Elitenetzwerk kommen viele zum Zug.

   Es wurden Anträge aus der Geisteswissenschaft, Neurowissenschaft, Mathematik, Physik, Ökonomie, Recht, Geowissenschaften und Biomedizin vorgelegt. Derzeit liegen 29 Anträge vor. Drei wichtige Punkte werden dabei besonders gewertet: neue Formen der Studenten- und Doktorandenbetreuung, der hohe Grad an internationaler Vernetzung und der deutliche Wille zur Zusammenarbeit mit anderen Hochschulen.

   Die Beispiele zeigen, dass sich die Hochschulen hervorragend in der Freiheit bewegen und bewähren können.

(Jörg Tauss (SPD): Dafür müssen wir sie in die Freiheit entlassen? Was denn nun?)

Deshalb gilt es, den Hochschulen und den Ländern die Freiheiten zu bieten, die für die Weiterentwicklung, Konkurrenzfähigkeit und eine exzellente Forschung und Lehre wichtig sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie der Abg. Ulrike Flach (FDP))

   Frau Ministerin, offensichtlich haben Sie erkannt, dass mit staatlicher Gängelung kein Staat zu machen ist. Aber Ihre Struktureingriffe sind komplett falsch.

(Jörg Tauss (SPD): Das bayerische Wissenschaftsministerium!)

Sie versuchen nun, den an den Hochschulen entstandenen Brand mit Benzin zu löschen. Sie wollen die Mittel, die Sie dem Hochschulbau entziehen, für wenige einsetzen.

(Jörg Tauss (SPD): Unverschämtheit!)

Die in der Fläche vorhandene, aber von Ihnen ignorierte Exzellenz wird weiter darben. Offensichtlich wollen Sie sich aus dem Hochschulbau zurückziehen, indem Sie die Mittel kontinuierlich zurückfahren.

(Nicolette Kressl (SPD): Es sind doch die Länder, die das wollen!)

Auch wenn Sie bei den Politikern der Union Uneinigkeit zu konstruieren versuchen, unsere Linie ist klar:

(Jörg Tauss (SPD): Oh!)

Entweder halten Sie an der Gemeinschaftsaufgabe im Hochschulbau fest und stellen kontinuierlich und zuverlässig die entsprechend dynamisierten Mittel zur Verfügung oder Sie verabschieden sich aus der Gemeinschaftsaufgabe und stellen die anteiligen Bundesmittel für den Hochschulbau den Ländern zur Verfügung, und zwar in vollem Umfang und dynamisiert.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Im Hinblick auf die derzeit bis zu einem Jahr dauernden Genehmigungsverfahren wäre das schlichtweg die bessere Alternative.

(Jörg Tauss (SPD): Ist das auch Stoibers Position?)

   Wir lassen es Ihnen nicht durchgehen, dass Sie sich für alles zuständig erklären, dass Sie aber die notwendige Finanzausstattung ständig zurückführen oder zeitlich begrenzen.

(Ulrich Kasparick (SPD): Plus 23 Prozent!)

Wir lassen es Ihnen ebenfalls nicht durchgehen, wenn Sie sich nach bekanntem Muster in Länderkompetenzen einzukaufen versuchen. Verabschieden Sie sich nicht nur von der ZVS in ihrer heutigen Form, sondern auch vom Studiengebührenverbot und von einem viel zu fett gewordenen Hochschulrahmengesetz.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Soll Herr Stoiber den Staatsvertrag doch kündigen! - Jörg Tauss (SPD): Nicht zu fassen!)

   Die Länder und die Hochschulen werden unter den Leitzielen Eigenverantwortung, Wettbewerb und Qualitätssicherung sowie unter Beachtung des Grundsatzes der Berufsfreiheit,

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das sind doch alles Sprüche! Sagen Sie das mal Herrn Stoiber!)

wie es das Bundesverfassungsgericht formuliert hat, das schaffen, was Sie sich so sehnlichst wünschen: exzellente Forschung und Lehre auch für die von Ihnen nicht per Preisausschreiben gefundenen 300 Hochschulen der Republik.

   Besten Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich bedanke mich auch für die vorbildliche Unterbietung der Redezeit, was außerordentlich selten vorkommt.

   Nun hat das Wort der Kollege Hans-Josef Fell, Bündnis 90/Die Grünen.

Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dieses Jahr soll das Jahr der Innovationen werden.

(Jörg Tauss (SPD): Jahrzehnt!)

Nein, dieses Jahr muss das Jahr der Innovation werden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Denn sonst verlieren wir den Anschluss. Schweden und Finnland haben es vorgemacht. Sie haben eine erfolgreiche Bildungspolitik und investieren vor allem viel mehr Geld in Forschung und Entwicklung, als wir das tun. Auch die steuerlichen Rahmenbedingungen zum Beispiel für Venture Capital sind dort besser als bei uns.

   Wir haben in diesem Jahr die Chance, eine Aufbruchstimmung zu erzeugen. Dafür müssen wir aber auch die Weichen stellen. Innovation muss zwar das wichtigste Thema sein - das haben wir bereits erreicht -, aber wir müssen auch handeln. Wir werden dabei darauf angewiesen sein, dass Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, an diesem Strang mitziehen und keine wichtigen Reformen blockieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie ziehen doch nirgendwo!)

   Wir werden sowohl im Bund als auch in den Ländern sehr viel Geld umschichten müssen. Weg von den Subventionen für Schädliches und Verkrustetes hin zu Forschung und Entwicklung sowie zu einem besseren Steuerrecht vor allem für junge, innovative Unternehmen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Union hat im Bundestag Anträge vorgelegt, die darauf abzielen, die steuerlichen Rahmenbedingungen für innovative Unternehmen zu verbessern. CDU und CSU präsentieren aber derzeit alle paar Tage ein neues Steuerkonzept. Ich möchte Ihnen an dieser Stelle raten: Arbeiten Sie das, was Sie in Ihren Anträgen fordern, erst einmal in Ihre Steuervorschläge ein. Das haben Sie bisher versäumt. In Ihren Steuervorschlägen lässt sich nichts dazu finden.

Wer an Steinkohlesubventionen, an der Förderung des Agrardiesels, an der Entfernungspauschale oder an der Eigenheimzulage festhält und gleichzeitig die Aufstockung der Mittel für Bildung, Forschung und Entwicklung verwehrt, sägt an der Zukunft dieses Landes. Leider haben Sie sich von der Union im Vermittlungsausschuss - teilweise sogar mit Erfolg - um die Konservierung der alten Strukturen bemüht, statt eine Offensive für Bildung und Forschung einzufordern. Ihre heutigen Forschungsvorschläge greifen zudem viel zu kurz und gehen sogar in die falsche Richtung. Wir können ihnen nicht zustimmen.

(Jörg Tauss (SPD): Was heißt hier „die heutigen“? Alle! Ständig! Furchtbar!)

   Ein Wettbewerb der Hochschulen - von Frau Bulmahn vorgeschlagen - kann, richtig gestaltet, eine positive Dynamik auslösen. Aber was helfen denn die vom Bund eingestellten Millionen, wenn in den Ländern im gleichen Zeitraum das entsprechende Geld eingespart wird? Frau Seib, Sie haben das bayerische Modell mit guten Maßnahmen für Bildung und Forschung vorgeschlagen.

(Jörg Tauss (SPD): Jetzt aber!)

Waren Sie letzte Woche in Würzburg, als Studenten beim Besuch von Herrn Minister Goppel auf die Straße gegangen sind, um gegen die massiven Kürzungen im bayerischen Landeshaushalt zu protestieren? Dieses Modell wollen wir nicht haben. Sie haben hier ein schlechtes Beispiel geliefert. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Zur Reform des Hochschulrahmengesetzes möchte ich hier nur so viel sagen: Sie ist zwingend notwendig; aber Bund und Länder müssen gemeinsam erklären, wie es weitergehen soll. Diesen Prozess hat Ministerin Bulmahn begonnen. Aber es kann nicht sein, dass sich der Bund zurückzieht, um den Hochschulen die von uns Grünen schon lange geforderte Autonomie zu geben; denn dann kommen die Länder und regeln alles selbst wieder genauso wettbewerbsfern wie bisher.

   Wenn wir das Thema Innovationen ernst nehmen - wir müssen es tun -, dann müssen wir in den nächsten Jahren im Bund und in den Ländern einige Milliarden Euro hin zu Bildung und Forschung umschichten. Wir müssen das Geld so umschichten, dass für die Wirtschaft deutliche Anreize geschaffen werden, dabei mitzumachen. Vor allem muss deutlich mehr Kapital für Innovationen in der Wirtschaft bereitgestellt werden. Aber es gilt auch: Geld allein wird nicht reichen. Das heißt, wir brauchen ein Klima, in dem mehr Mut entsteht, neue Ideen zu entwickeln, zuzulassen und umzusetzen. Wir brauchen nicht, wie Bush vorschlägt, neue Astronauten auf dem Mond oder auf dem Mars. Wir brauchen Ideen, wie die Probleme auf diesem Planeten gelöst werden können.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Frau Bulmahn sucht doch Wasser auf dem Mars!)

Wir brauchen Unternehmer und Wissenschaftler, die daran arbeiten, und wir brauchen eine Politik, die den Weg dazu frei macht. Wir brauchen Leitvisionen, die die Gesellschaft mitreißen und Innovationen hervorrufen.

   Eine solche Leitvision kann die Problemlösung für die alternde Gesellschaft sein. Wir Deutschen werden immer älter und müssen gleichzeitig innovativer werden. Es muss uns gelingen, die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen, indem wir neue Dienstleistungen, neue Technologien und neue Medikamente entwickeln. Deutschland als alternde Gesellschaft muss die Demenz sehr ernst nehmen. Wir wollen Alzheimer besiegen oder wenigstens stark zurückdrängen.

   Eine zweite Leitvision ist das solare Zeitalter. Wir müssen uns darauf einstellen, dass die Erdölressourcen knapp werden und dass wir eine vollkommen neue Energieversorgung benötigen. Der Klimaschutz verbietet ein Ausweichen auf die Kohle. Folglich brauchen wir eine Vision des solaren Wirtschaftens für die Energie- und Stoffwirtschaft. Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, setzen stattdessen auf alte, von der Mehrheit der Gesellschaft längst abgelehnte Technologien wie Kernenergie oder gentechnisch veränderte Lebensmittel. Beides wird von 80 Prozent der Bürger abgelehnt. Sie lehnen Reformen wie REACH ab, die der chemischen Industrie neue, große Chancen für umweltfreundliche Innovationen gibt. Sie beharren stattdessen auf der jetzigen Altstoffverordnung, die in den letzten 20 Jahren kaum neue Stoffe entwickeln ließ. Daran erkennt man Ihre Innovationsfeindlichkeit.

   Wir setzen dagegen auf eine Innovationsoffensive, die Techniken befördert, die eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz haben, wie die Biotechnologie für neue Treibstoffe, für Solartechniken, für neue Dienstleistungen in der Gesellschaft.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD))

Wir wollen die Menschen mitreißen und ihnen Mut zur Arbeit an der Lösung der ökologischen und sozialen Probleme geben. So schaffen wir gleichzeitig Arbeitsplätze.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Was ist mit den ökonomischen Problemen?)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS.

   Bereits im Jahr 1990 stellte Professor Simon, der damalige Präsident des Wissenschaftsrates, dem Hochschulsystem der Bundesrepublik ein schlechtes Zeugnis aus. Er sagte: „Das Hochschulsystem der Bundesrepublik ist im Kern verrottet.“ Jetzt, 14 Jahre später, reagiert die SPD mit dem Vorschlag, Eliteuniversitäten zu fördern. Angeblich war es eine Idee von Herrn Müntefering: Brain up! Deutschland sucht seine Spitzenuniversitäten!

(Jörg Tauss (SPD): Der Müntefering ist gut!)

   Wenn wir hier über Wissenschaftssysteme reden, sollten wir klar unterscheiden, was wir als Tribut an die Eventkultur betrachten und was langfristig wissenschaftspolitisch erreicht werden soll. Ich finde, Sie sollten sich weniger von Herrn Henkel oder von den Programmdirektoren von RTL oder SAT 1 beeinflussen lassen, sondern einfach einmal in eine seriöse Statistik schauen.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) - Jörg Tauss (SPD): Ausgerechnet Herr Henkel!)

   Die OECD hat für ausgewählte Länder eine schöne Übersicht über die Studienanfängerquote vorgelegt. Neuseeland liegt mit 75,8 Prozent auf Platz 1, Deutschland auf Platz - Sie dürfen raten - 23. Unser Nachbarland Polen zum Beispiel liegt auf Platz 4 und Ungarn auf Platz 8. Schon allein aufgrund dieser Zahlen ist Ihre Idee von Eliteuniversitäten der Lächerlichkeit preisgegeben.

   Wir werden in Deutschland nur dann Spitzenkräfte hervorbringen können, wenn wir einen breiten Zugang zur Bildung ermöglichen. Doch davon sind wir weit entfernt. Die kürzlich veröffentlichte IGLU-Studie hat das wieder einmal untermauert. In unserem Land studieren nicht zu viele Menschen, sondern zu wenige und ihr Lebensweg wird sehr früh, bereits in der Grundschule, festgelegt. Hinzu kommt, dass sich in der Bundesrepublik die wenigen Studenten noch weniger Studienplätze teilen müssen. Doch dieses Problem wollen Sie offenbar gar nicht lösen. Sie wollen einen Bruchteil dieser Studenten besser stellen als den Rest und hoffen, so eine Elite bilden zu können.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wenn Sie zugehört hätten, hätten Sie das jetzt nicht ablesen müssen!)

Ich denke, das wird nicht funktionieren. Das ist leider der falsche Weg.

   Mich erinnert das ein bisschen an den Transrapid. Sie finanzieren mit sehr viel Steuergeldern einen Schnellzug, der nicht mit dem Schienensystem in unserem Land kompatibel ist. Sie sind offensichtlich zufrieden, wenn ein Hochleistungszug im Emsland im Kreis herum fährt, die Bürger aber weiter auf verspätete Züge der Deutschen Bahn warten müssen. Mit solchen kurzatmigen Brain-up-Initiativen werden Sie das Wissenschaftssystem auf Dauer nicht stärken; Sie werden es weiter schwächen, weil Sie nämlich eine Illusion verkaufen.

   Wir sollten lieber über die vorhandene Spitzenforschung in der Bundesrepublik reden. Aufgrund der im letzten Jahr stagnierenden Finanzierung kam es bei der Max-Planck-Gesellschaft - Herr Tauss ist ja Experte für die Max-Planck-Gesellschaft -

(Axel E. Fischer (Karlsruhe-Land) (CDU/CSU): Meint er!)

- meint er, das war von mir auch nicht ganz ernst gemeint; Sie kennen ja die Auseinandersetzung zwischen uns - zur Streichung von einem Drittel der selbstständigen Nachwuchsgruppen. Ich frage mich: Was machen Sie denn mit den Elitestudenten nach der Uni, wenn die Zahl der Stellen für die Spitzenforschung in den Forschungsorganisationen stagniert oder sogar rückläufig ist? Frau Bulmahn, Sie sollten die vorhandene Spitzenforschung fördern und den Wissenschaftsorganisationen eine längere Planungssicherheit geben. Das wäre eine wirklich gute und nachhaltige Wissenschaftspolitik.

   Nun noch ein Wort zum Kanzler Gerhard Schröder. Die „FAZ“ schreibt am 27. Januar, 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts flössen jährlich in die ostdeutschen Länder. Herr Schröder wird zitiert - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -:

Ich wage mir gar nicht auszudenken, was wäre, hätten wir auch nur zehn Prozent davon für die nationale Forschung…

Abgesehen davon, dass hier wieder einmal der Eindruck vermittelt wird, das Geld sei für den Osten eigentlich zu schade, ist es doch gerade Sache des Bundeskanzlers, etwas dafür zu tun, damit mehr Geld aus dem Solidarpakt II für Wissenschaft und Forschung im Osten ausgegeben wird. Denn gerade im Osten brauchen wir überproportional viel Wissenschaft und Forschung und wir brauchen dringend Spitzenforschung.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Ich kann das auch begründen.

   Erstens. Von der Abwicklung von Wissenschaft und Forschung nach der Wende haben sich die Industrieforschung, die Universitäten und die außeruniversitäre Forschung noch nicht erholt. Auf 1 000 Einwohner kommt nur noch ein Wissenschaftler. Das ist eine dramatisch niedrige Zahl.

   Zweitens. Ich denke, alle müssten inzwischen erkannt haben, dass mit Lausitzring und Vergnügungspark der Osten nicht zu retten ist, sondern nur durch langfristig wirkende Ansiedlung von Spitzenforschung, zum Beispiel von Max-Planck-Instituten.

   Drittens. Wenn wir die Jugend im Osten halten wollen, dann müssen wir Wissenschaft und Forschung im Osten ansiedeln, um kreativem wissenschaftlichen Nachwuchs auch hier eine Chance zu geben.

   Mein Vorschlag lautet also: Frau Bulmahn, legen Sie ein Wissenschaftsprogramm für die neuen Länder auf, treffen Sie eine Vereinbarung mit den Ländern, die sicherstellt, dass mehr Geld aus dem Solidarpakt II in Bildung, Wissenschaft und Forschung fließt. Für ein solches Programm und für eine solche Unternehmung hätten Sie auch die volle Unterstützung der PDS im Bundestag.

   Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) - Jörg Tauss (SPD): Frau Expertin, das war wieder mal was!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Walter Hoffmann, SPD-Fraktion.

Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich will mich auf einige Anmerkungen zum Zusammenhang von Innovation, Forschung und Entwicklung sowie Wirtschaftspolitik konzentrieren, die in der bisherigen Diskussion vielleicht noch nicht in angemessenem Umfang einbezogen worden sind.

   Erlauben Sie mir einen persönlichen Einstieg. Ich habe in meinem Bekanntenkreis eine Reihe von Personen, die auf dem chinesischen Markt beruflich tätig sind. Sie investieren dort, verkaufen Produkte und Dienstleistungen und nutzen alle Chancen, die sich in der Volkswirtschaft des größten Landes der Erde ergeben. Wenn wir zusammenkommen, berichten sie von den Erfahrungen, die sie dort machen. Diese Erfahrungen sind aus meiner Sicht für unsere Diskussion zur Modernisierung unseres Landes von großer Bedeutung.

   Sie berichten zum Beispiel, dass in China eine Arbeitsstunde 2,50 Euro kostet und dass die Menschen dort häufig bereit sind, für diesen Preis rund um die Uhr zu arbeiten. Wir alle wissen, dass unsere Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen, aber auch die Arbeitnehmer mit chinesischen Unternehmen, Produkten und Dienstleistungen sowie Arbeitnehmern konkurrieren. Uns allen ist auch klar, dass wir mit Lohnkosten in Höhe von 2,50 Euro in der Stunde nicht konkurrieren können und nicht konkurrieren wollen.

   Dennoch sind diese Personen auf dem chinesischen Markt erfolgreich. Das hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein ganz entscheidender Faktor ist, dass sie über eine gute Ausbildung, auch im Vergleich zu chinesischen Arbeitnehmern oder Unternehmern, verfügen. Ein weiterer Faktor ist, dass sie hoch qualifizierte Mitarbeiter haben, die ebenfalls gut ausgebildet sind. Ein anderer Faktor ist, dass sie auf dem chinesischen Markt qualitativ hochwertige innovative Produkte vertreiben, die mit moderner Spitzentechnologie erzeugt werden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Stärke heißt - um es einmal ein bisschen plakativ zu sagen -: Innovation. Innovation faktisch als Motor für die Entwicklung dieser Produkte, die dann auf dem chinesischen Markt abgesetzt werden.

   Wir alle wissen, dass Deutschland im 20. Jahrhundert eines der innovativsten Länder der Welt in den Bereichen Technik, Naturwissenschaft und Forschung war. Wir sind in vielen Bereichen - das ist von vielen Vorrednern schon gesagt worden - nach wie vor vorn. Das belegen nicht nur unsere eigenen Zahlen, sondern auch objektive Studien, zum Beispiel von der Prognos AG; eine Studie wurde erst vor wenigen Tagen veröffentlicht.

   Die Stärken Deutschlands liegen auch - nicht nur - in der Automobilindustrie, in der Chemieindustrie, im Werkzeugmaschinenbau und in der Biotechnologie. Das sind einige wichtige Innovationsbranchen in unserem Land.

   Die Automobilindustrie ist weltweit wohl die innovativste Branche überhaupt. Sie hat ihre Forschungsausgaben in den letzten zehn Jahren deutlich erhöht. In vielen Bereichen, in der Motorentechnik, in der Elektronik, bei den Sicherheitsstandards, sind wir führend. Darauf sollten wir und darauf können wir auch stolz sein.

   Die chemische Industrie ist der Innovationsmotor in Deutschland. Ein Großteil der Neuentwicklungen der chemischen Industrie hat entscheidende Bedeutung für Prozesse in anderen Branchen, übrigens auch in der Automobilindustrie.

   Vorhin ist die Lasertechnik genannt worden. Sie ist ein Beispiel aus dem Werkzeugmaschinenbau. Jede fünfte Werkzeugmaschine der Welt kommt aus Deutschland. Die zehn größten Werkzeugmaschinenhersteller, die größten Unternehmen dieser Branche, sind deutsche Unternehmen. Ihre Innovationen haben entscheidenden Anteil an den Innovationen fast aller anderen Branchen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich hatte am Rande eines Neujahrsempfangs Gelegenheit, mit einem Wissenschaftler der Gesellschaft für Schwerionenforschung zu sprechen. Er kam nach seiner Rede auf mich zu und sagte: Herr Hoffmann, wir haben fast so viele oder sogar mehr Patente als die Vereinigten Staaten. Darauf können wir stolz sein. Wir sollten das offensiv und selbstbewusst nach außen vertreten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich habe das deshalb gesagt, weil vorhin Frau Reiche dieses Horrorszenario gebracht hat. Uns allen ist doch klar, denke ich, dass Innovationen nicht allein durch mehr Geld kommen;

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

sie hängen mit einem innovationsfreundlichen Klima zusammen. Daran haben auch die Meinungsträger des Deutschen Bundestages einen ganz entscheidenden Anteil.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die positive Entwicklung in der Biotechnologie ist bereits geschildert worden. Darauf einzugehen kann ich mir hier sparen.

Die Prognos AG befasst sich auch mit der Frage: Wie könnte es möglicherweise im Jahr 2020 aussehen? Auch da sieht es gut aus. Sie sagt: Wir werden eine wichtige Rolle als Hochtechnologieland spielen - aber nur dann, wenn bestimmte Weichenstellungen vorgenommen werden.

(Jörg Tauss (SPD): Ja!)

Nur dann bleiben wir an der Spitze, nur dann werden wir den Wohlstand in unserem Land erhalten. Das bedeutet im Grunde genommen: Wir müssen die Bedingungen für Innovationen und Investitionen verbessern, das Problem der Alterung unserer Gesellschaft in den Griff bekommen, Staat und Gesellschaft modernisieren und Forschung und Bildung stärker fördern, als wir es heute tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es gibt keinen Grund zur Selbstzufriedenheit; damit ich nicht missverstanden werde. Das ist gar nicht das Thema. Die anderen haben nicht geschlafen, sie sind besser geworden. Wir müssen somit hart daran arbeiten, dass wir den Vorsprung in den Bereichen, wo wir spitze sind, aber auch in anderen Bereichen halten. Das geschieht auch. Wir brauchen neue innovative Produkte und Verfahren mit hoher Qualität, kluge Lösungen bei wettbewerbsfähigen Lohnkosten und eine Verbesserung der Standortbedingungen.

   Im Jahre 2003 haben wir wichtige Voraussetzungen geschaffen. Viele Diskussionen, die hier liefen, konzentrierten sich auf die Agenda 2010. Viele Schwerpunkte betreffen in der Tat den Umbau der sozialen Sicherungssysteme. Aber darum ging es ja nicht alleine. Viele konkrete Schritte, die wir mit der Agenda 2010 beschlossen haben, betrafen den wirtschaftspolitischen Rahmen und verbesserten die Möglichkeiten für Innovationen: Senkung der Steuern, Förderung der Gründung von Unternehmen, Abbau hemmender Regelungen. Trotz des Sparkurses haben wir die Investitionen des Bundes in Forschung und Entwicklung gestärkt. Wir sind dabei dem Ziel, die Lohnnebenkosten auf unter 40 Prozent zu drücken, ein Stück näher gekommen. Im steuerlichen Bereich haben wir einen großen Schritt gemacht. Wir wollten noch weiter gehen; Sie haben es blockiert. Nun gut, wir werden weiter daran arbeiten.

   Lassen Sie mich in dem Zusammenhang noch einmal deutlich sagen: Ohne soziale Sicherheit und ohne sozialen Ausgleich, ohne Solidarität der Starken mit den Schwachen werden nur wenige die Chance haben, Wissen zu erwerben und zu Innovationen beizutragen. Anders ausgedrückt: Die Erhaltung unseres Sozialstaates ist wichtiger Bestandteil einer zukunftsgerichteten Wirtschaftspolitik und Voraussetzung für Innovationen. Hier besteht aus meiner Sicht ein ganz entscheidender Zusammenhang, der häufig nicht ausreichend berücksichtigt wird. Umgekehrt gesagt: Ohne Innovationen gibt es kein Wachstum und keine soziale Sicherheit. Wir brauchen daher mehr Investitionen - das wurde bereits gesagt - in Wirtschaft und Staat. Wir brauchen eine bessere Innovationsförderung. Diese muss sich vor allen Dingen auf kleine und mittlere Betriebe konzentrieren. Wir müssen auch die berufliche Ausbildung verbessern - das ist ein entscheidender Standortvorteil -, benachteiligten Gruppen besseren Zugang zu Bildung ermöglichen und für mehr Kinderfreundlichkeit durch bessere Möglichkeiten zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf sorgen. Da wird eine ganze Menge getan. Wir haben Milliarden investiert; diese bleiben aber häufig bei den Ländern hängen und werden nicht zur Umsetzung von Maßnahmen verwendet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie uns auch gemeinsam daran arbeiten, das Potenzial älterer Arbeitnehmer zu reaktivieren. Wir sollten nicht darauf stolz sein, wenn wir ältere Arbeitnehmer möglichst frühzeitig, schon mit 50, 51, 52 Jahren, nach Hause schicken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dieses enorme Potenzial sollten wir mittel- und langfristig auch für Innovationen nutzen.

   Wir brauchen eine bessere Verzahnung von Forschung und Unternehmen zur schnelleren Entwicklung marktreifer Produkte; damit gäbe es auch mehr Weltmarktpatente aus Deutschland.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Redezeit.

Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD):

Abschließend lassen Sie mich noch sagen: Ein wichtiger Punkt ist Bürokratieabbau, denn kleinere und mittlere Betriebe, die forschen und entwickeln wollen, kranken an einem Übermaß an Bürokratie. Von daher ist der Abbau von Bürokratie und Wettbewerbsbeschränkungen ein weiterer wichtiger Schwerpunkt.

   Innovation ist ein langfristiger Prozess, in den wir alle gesellschaftlichen Kräfte einbinden müssen. Deshalb ist es gut, dass der Bundeskanzler das Jahr 2004 zum Jahr der Innovationen erklärt hat. Hier sind wir alle gefordert und sollten daran mitarbeiten. Es geht um die Zukunftsfähigkeit unseres Landes auf einem immer schwieriger werdenden Weltmarkt. In diesem Sinne sollten wir das ganz aktiv und mit viel Drive unterstützen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort Frau Professor Böhmer, CDU/CSU-Fraktion.

Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Rede der Bundesministerin Bulmahn ist ein Paradebeispiel dafür, wie diese Bundesregierung immer wieder Ankündigungspolitik betreibt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das Auseinanderklaffen zwischen Reden und Handeln, Frau Bulmahn, ist eklatant. Auf die Frage, wann Sie endlich Gesetzentwürfe zum Hochschulrahmengesetz vorlegen, haben Sie geantwortet, Sie wollten erst reden. Auf die Frage, wie Sie die Mittel verteilen, haben Sie geantwortet, Sie wollten erst reden. Sie haben doch in den ganzen Jahren genug Zeit gehabt, um zu reden und zu handeln! Aber Sie haben kostbare Zeit verstreichen lassen. Das holt Sie jetzt ein; denn Sie haben die Weichen über Jahre hinweg falsch gestellt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Wieder mal Quatsch mit Soße!)

   Wir müssen auch fragen, was es mit dieser Innovationsrhetorik auf sich hat. Innovation ist kein Selbstzweck. Innovation ist auch nicht planbar; das wissen Sie genau. Trotzdem versuchen Sie immer wieder, Innovationen zu planen.

(Zuruf von der SPD: Quatsch!)

Ich frage mich: Welche Innovationen meinen Sie eigentlich?

(Hans-Josef Fell (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben wir doch gerade gezeigt!)

Sie haben in Ihrer Rede am vergangenen Montag gesagt: Förderung nur von Forschung, die Fortschritt und Beschäftigung schafft. Was ist denn eigentlich Fortschritt? Wenn ich Herrn Fell höre, wird mir, ehrlich gesagt, doch etwas angst und bange.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Mir auch!)

   Ich sehe, dass Sie oft klare Grenzziehungen vornehmen. Aber an bestimmten Stellen - ich nenne die Grüne Gentechnologie und das REACH-Programm im Zusammenhang mit der Chemikalienpolitik; ich könnte auch den Emissionshandel hinzufügen - liegen Innovationshemmer erster Klasse auf dem Tisch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das wird dazu führen, dass Chemieunternehmen abwandern, dass Arbeitsplätze wegfallen und dass wir in unserem Land noch weniger Wachstum haben werden, als es jetzt der Fall ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Das ist die rot-grüne Politik!)

   Ich habe sehr wohl gehört, Herr Hoffmann, dass Sie davon sprachen, man müsse Deutschland jetzt stärken. Sie haben auch von der Automobilindustrie gesprochen. Ich halte eine ganze Menge davon, dass man das, was man klassische Bereiche nennt - ob Automobil, Chemie, Pharmazie oder Maschinenbau -, stärkt und mit neuen Bereichen verbindet. Die Verbindung von Automobilindustrie und Digitalisierung ist ein großer Ansatzpunkt für uns.

(Jörg Tauss (SPD): Natürlich: Es ist kein Chip im Auto! Das gilt vielleicht für den Käfer Jahrgang 1950!)

Das wird kurzfristig zu mehr Arbeitsplätzen und mehr Wachstum in unserem Land führen. Man muss an der richtigen Stelle fördern und darf nicht nur Nebelkerzen werfen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Haben Sie einen Käfer Jahrgang 1950?)

   Frau Bulmahn, ich habe gerne von Ihnen gehört, dass Sie die Forschung auf dem Campus stärken wollen und vor allen Dingen dorthin zurückholen wollen. Aber Ihre Weichenstellung bewirkt genau das Gegenteil von dem, was notwendig ist. Wenn Sie in Ihrer Rede vom 20. Januar verkünden, dass Sie die großen Forschungsorganisationen unter Ihr Dach, also in die Zuständigkeit des Bundes, übernehmen wollen, aber die Leibniz-Gesellschaft gleich zerschlagen und die Finanzierung des Hochschulbaus in die Zuständigkeit der Länder übertragen wollen, dann kann ich Ihnen nur sagen: Herr Zöllner, Ihr Kollege aus Rheinland-Pfalz, der Sprecher der SPD-Wissenschaftsminister, hat erklärt, dass diese Verlagerung der Spitzenorganisationen zum Bund die deutsche Hochschullandschaft ins Mark treffen würde. Das stimmt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wo er Recht hat, hat er Recht!)

Der Deutsche Hochschulverband hat erklärt, dass das der Anfang vom Ende der Spitzenforschung an den Universitäten sei.

(Nicolette Kressl (SPD): Wollen Sie die Kollegen aus Ihrer Fraktion fragen?)

Sie zerschlagen das, was gewachsen ist, und schwächen die Stärken, die wir haben. Das geht in die falsche Richtung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Nicolette Kressl (SPD): Könnten Sie einmal mit Herrn Röttgen reden?)

Ich fand es eine besonders aparte Antwort von Ihnen, als Sie uns mit Ihrer neuen Idee „Brain-up“ konfrontiert haben. Die Wortschöpfung ist heute schon hinreichend kommentiert worden. Man muss aber auch einmal darüber nachdenken, welchen Verschnitt diese Idee bedeutet. Peter Glotz hat Ihnen geraten, von Ihrem Eliteexperiment Abstand zu nehmen, weil er es für den falschen Weg hält. Er hat sehr wohl gefordert, dass an drei Universitäten 50 Millionen Euro pro Jahr gegeben werden sollten. Das ist die Idee von Peter Glotz. Aber er hat etwas Wesentliches hinzugefügt, nämlich dass die Hochschulen, gerade wenn es um Spitzenleistungen gehen soll, aus der Fachaufsicht durch die Ministerien und dem starren Beamtenrecht entlassen werden müssten. Geld allein, noch dazu in einem Wettbewerb, der formalisiert ist, der neue Bürokratie bedeutet und neue Kommissionen schafft - die Sie ja alle so lieben -, wird nicht zu dem Ergebnis führen, das Sie sich wünschen und das wir dringend brauchen, nämlich zu einer Wissenschaftselite in unserem Land. Eine Elite zu schaffen, die nur auf einige wenige Universitäten konzentriert ist, geht völlig an der Sache vorbei.

(Beifall bei der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Starten Sie doch einmal eine beamtenrechtliche Initiative! Da kommt aus Ihrer Ecke überhaupt nichts!)

   Sie haben uns erklärt, dass Sie das Hochschulrahmengesetz entrümpeln wollen. Aber in den letzten Jahren haben Sie genau das Gegenteil gemacht. Sie haben die Hochschulen in die Zwangsjacke eines rechtlichen Korsetts gesteckt. Jetzt spielen Sie sich als Retterin der Hochschulfreiheit auf. Das finde ich unerhört.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir müssen endlich mit Reformen Ernst machen. Wir haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Wege weist, wie man weniger Bürokratie und weniger rechtliche Einengung erreichen kann, und der deutlich macht, welche falschen Vorschriften abzuschaffen sind. Die FDP - Kompliment - hat ebenfalls einen Gesetzentwurf vorgelegt. Es gibt damit zwei grundlegende Initiativen zur Novellierung des HRG. Wenn Sie zu beiden Ja sagen, dann kommen wir ganz schnell - das ist auch notwendig - zu mehr Freiheit und damit zu mehr Autonomie für die Hochschulen sowie zu mehr Wettbewerb. Das sind wesentliche Voraussetzungen für Spitzenleistungen der Wissenschaft in unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich sage Ihnen auch ganz klar: Sie greifen immer wieder in die Kiste alter Ideen. Sie haben beispielsweise den Hochschulen den Juniorprofessor verordnet, obwohl Sie es längst hätten besser wissen müssen. Der Juniorprofessor ist das, was vor Jahren einmal der Assistenzprofessor war. Dieses Experiment ist gescheitert. Denn schon damals konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die sich im Hochschulbereich qualifizieren wollten, nicht forschen, weil sie von der Lehre sozusagen aufgesogen wurden. Sie hatten keinen Tenure Track und sie standen nachher mit größten Existenzsorgen da.

   Jetzt machen Sie wieder den gleichen Fehler. Sie binden Kräfte an der falschen Stelle und schaffen die Habilitation faktisch ab, anstatt den Universitäten die notwendige Freiheit zu geben. Lassen Sie die Qualifizierungen zu, die angezeigt sind, und schreiben Sie nicht immer den Ländern und den Universitäten vor, was sie zu tun haben!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Leitlinien für die Schaffung von Exzellenz und Wissenschaftselite, die es geben muss, heißen - ganz im humboldtschen Sinne -: Freiheit und Verantwortung, Einheit von Forschung und Lehre. Dazu muss man aber richtig handeln. Das heißt, wir brauchen ein schlankes Hochschulrahmengesetz ohne Verbot von Studiengebühren und eine Auswahlmöglichkeit für Studenten.

   Es muss noch weitergehen. Bei dem Auswahlrecht für Studenten haben wir uns jetzt an den Vorschlägen orientiert, die von Länderseite entwickelt wurden. Wir sind uns völlig darin einig, dass die Studierenden zu 100 Prozent von den Universitäten ausgewählt werden sollten und dass die ZVS in ihrer derzeitigen Form fallen muss. Damit muss Schluss sein. Sie können sie morgen abschaffen. Tun Sie es also!

(Jörg Tauss (SPD): Damit muss Schluss sein? Mit dem Fallen muss Schluss sein! - Gegenruf des Abg. Thomas Rachel (CDU/CSU): Es war so ruhig hier! Jetzt redet er dazwischen!)

- Mit der ZVS muss Schluss sein. Das wissen Sie ganz genau. Herr Tauss, Sie wollen das Gegenteil.

(Jörg Tauss (SPD): Ist doch Unfug, völliger Unfug!)

   Wir müssen weitergehen. Auf der Länderebene muss es schlanke Hochschulgesetze geben. Wir brauchen im Hochschulbereich einen Dreiklang der Freiheit: erstens Organisationsfreiheit der Hochschulen, die Möglichkeit zur Profilbildung und das Herunterbrechen der Kompetenzen auf die Fachbereiche.

   Wir brauchen zweitens Personalfreiheit, nicht nur was die Auswahl der Studenten betrifft. Wir brauchen die Möglichkeit der staatsfreien Berufung der Professoren durch die Hochschulen. Die Hochschulen müssen Dienstherreneigenschaft und Arbeitgeberfunktion erhalten.

(Peter Dreßen (SPD): Das müssen Sie dem Ministerpräsident Teufel erzählen!)

Es kann nicht sein, dass der Wissenschaftsminister immer noch derjenige ist, der letztendlich der Dienstherr ist. Hier müssen der Präsident bzw. der Rektor einer Universität in der Verantwortung stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir brauchen drittens Finanzfreiheit. Frau Ministerin, Sie sträuben sich immer noch gegen die Einführung von Studiengebühren. Ich stimme sehr der Aussage zu, dass es den Hochschulen überlassen bleiben muss, ob sie Studiengebühren einführen wollen oder nicht.

   Erforderlich sind aber nicht nur Veränderungen auf der Einnahmeseite. Auf der Ausgabenseite sind globale Budgets für die Hochschulen notwendig, damit diese - entsprechend ihren Schwerpunkten - entscheiden können, wie die finanziellen Mittel für Personal- und Sachkosten eingesetzt werden sollen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, auch Sie denken bitte an die Redezeit.

Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU):

Ich denke an die Redezeit und möchte nur noch einen letzten Punkt, nämlich die Finanzierungsfrage, aufgreifen. Der Bundeskanzler hat am Montag dieser Woche erklärt: Weg von Vergangenheitssubventionen, hin zu Zukunftsinvestitionen!

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sehr gut!)

Sie können damit Ernst machen. Es gibt derzeit eine Vergangenheitssubvention: Subventionen in Höhe von 16 Milliarden Euro fließen in die Steinkohle. Ich sage Ihnen: Schichten Sie um!

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie haben keine Ahnung!)

Geben Sie 5 Milliarden davon für die Hochschulen aus! Das wäre ein Hochschulsonderprogramm, das sich wirklich lohnen und das den Hochschulen helfen würde. Statt einer punktuellen Förderung von fünf Universitäten müssen wir alle Universitäten stärken, um wirklich zu Spitzenleistungen zu kommen.

   Wir fordern Sie auf, von den Vergangenheitssubventionen wegzukommen. Investitionen in die Zukunft müssen gelingen. Ich bin zugleich dafür, den Vorschlag zu realisieren, -

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin!

Dr. Maria Böhmer (CDU/CSU):

- dass die Hochschulreform für jeden Euro an Drittmitteln mit Mitteln aus diesem Hochschulsonderprogramm belohnt wird. Dies ist eine leistungsorientierte Förderung. Es muss mit der Finanzierung sowie mit der Freiheit der Forschung vorangehen. Wir wollen den humboldtschen Gedanken wieder beleben.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ulrich Kasparick, SPD-Fraktion.

Ulrich Kasparick (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Worum geht es heute? Es geht um die Frage, wie wir Deutschland zukunftsfähig gestalten können. Wir dürfen nicht länger von der Substanz leben, sondern müssen in die Zukunftsbereiche investieren, von denen sich erwarten lässt, dass sie Gewähr dafür bieten, dass unsere sozialen Sicherungssysteme stabil gehalten werden können.

   Wer auf die europäische Landkarte schaut und sich fragt, wo die starken Wirtschaftsräume sind, der sieht: Sie sind dort, wo es starke Forschungscluster gibt. In deren Zentrum sind die Universitäten. Deswegen ist es richtig, dass die Bundesregierung jetzt nach einem Erfolg versprechenden Weg sucht und vorgeschlagen hat, wie man die Zentren dieser Cluster, die Universitäten, stärkt.

   Das macht man nicht auf dem planwirtschaftlichen Wege, wie dies Frau Schipanski annimmt. Ich widerspreche ihr da. Ich verstehe überhaupt nicht, in was für einem Land sie lebt, wenn sie von Planwirtschaft redet. Es geht vielmehr darum, diejenigen, die sich bewegen wollen, zu unterstützen.

   Es gab in Ostdeutschland sehr verschiedene Reaktionen auf den Vorschlag, einen solchen Wettbewerb durchzuführen. Es gibt einige, die immer noch die alte Mentalität an sich haben. Sie fangen als Erstes an, zu jammern, und sagen: Wir sind zu klein; wir können uns nicht beteiligen; wir sind benachteiligt. - Dann gibt es andere, wie zum Beispiel die Universität Leipzig, die sagt: Wir sind dabei,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wir werden uns bewerben und uns mit der außeruniversitären Forschung vernetzen, wir schauen, dass wir die Stärken der Region so einsetzen, dass wir wirklich in der Oberliga mitspielen können.

   Dass das geht, zeigen eindrückliche Zahlen aus Regionen in Deutschland, die so manch einer der Kollegen hier noch nicht kennt, wobei ich die Kollegen einladen möchte, sich diese Entwicklung einmal anzusehen.

(Zuruf von der SPD: Jawohl!)

   Innerhalb von zehn Jahren ist es gelungen, an allen gesamtdeutschen Diskussionen vorbei Forschungscluster in Ostdeutschland aufzubauen, die stärker sind als Wirtschaftsregionen im Westen. Ohne dass es die große Öffentlichkeit gefeiert und wahrgenommen hat, ist es im Forschungsraum Dresden durch ein zwischen Bund und Land abgestimmtes Verhalten gelungen, mit der Mikroelektronik einen Bereich aufzubauen, der Nummer eins in Europa ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie der Abg. Ulrike Flach (FDP))

Der richtige Weg ist: Ausbau von Forschung, insbesondere der außeruniversitären Forschungsinstitute durch eine zielgerichtete Ansiedlungspolitik.

   Wie ist das erreicht worden? Man hat gelernt, dass man sich thematisch aufstellen muss. Das kann man exemplarisch in Dresden studieren. Ich finde es toll: Dresden bzw. die dortige Region hat es mittlerweile in einem zwischen Bund und Land gut abgestimmten Verfahren geschafft, Stuttgart, was die Zahl der Fraunhofer-Institute anbetrifft, abzuhängen. Das ist gut.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

In dieser ostdeutschen Region befinden sich neun Fraunhofer-Institute; Stuttgart schaut in die Röhre. So muss der Wettbewerb aufgestellt sein.

   Ich finde es bemerkenswert: Als Porsche nach Leipzig kam, hat man die Mitarbeiter gefragt: Warum kommt ihr ausgerechnet nach Leipzig? Warum bleibt ihr nicht in Stuttgart oder geht in andere schöne Regionen, wo es ein viel günstigeres Umfeld gibt? Wissen Sie, was Wendelin Wiedeking den Journalisten geantwortet hat? Er hat gesagt: Leipzig ist eine so dynamische Region; da muss man dabei sein.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

   Um diese Regionen geht es. Es geht darum, diese Regionen zu stärken. Wie schafft man das? Man erreicht das durch Wettbewerb und nicht dadurch, dass man wie Frau Schipanski von Planwirtschaft redet. Genau das Gegenteil wollen wir auf den Weg bringen; genau das Gegenteil brauchen wir.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen diejenigen stärken, die sich endlich bewegen wollen.

   Ich möchte noch etwas zu den Themen sagen, um die es geht. Es ist richtig, was heute bereits angemerkt worden ist: Deutschland hat industriepolitisch Stärken, aber Deutschland hat auch Schwächen im System. Es ist gut, wenn wir uns nicht nur europäisch, sondern weltweit vergleichen. Wir müssen sehen, bei welchen Themen wir im europäischen und internationalen Vergleich gut sind.

   Um Regionen wie Halle, Leipzig oder Jena zu ermutigen, brauchen wir zündende Leitideen. Es geht nicht nur darum, Technologien nach vorn zu bringen - das sagen uns die Forscher vom Institut für Innovationsforschung, das Fraunhofer-Institut macht sehr gute Arbeiten dazu -, wir brauchen darüber hinaus sehr gute Leitideen. Eine dieser Ideen ist heute schon genannt worden: die Bekämpfung von Krankheiten, beispielsweise von Alzheimer bis 2010.

   Ich glaube, wir brauchen darüber hinaus noch andere Ideen. Ich nenne ein Leitbild, von dem ich glaube, dass insbesondere Ostdeutschland davon profitieren kann. Wir fördern zurzeit das Programm „Stadtumbau Ost“ mit über 3 Milliarden Euro. Das müssen wir mit dem Themenbereich „solares Bauen“ verknüpfen. Es muss gelingen, die Arbeit der guten Forschungsinstitute wie der Fraunhofer-Institute und der Blaue-Listen-Institute mit der guten Universitäten bei solchen Themen zu verknüpfen. Denn wenn wir schon so viel Bundesmittel in die Hand nehmen und ein großes Stadtumbauprogramm auflegen, dann müssen wir es an moderne Bedingungen knüpfen. Dazu gehört nach meiner Auffassung zum Beispiel ein Leitbild wie die „solare Stadt“. Das kann funktionieren, so etwas ist lohnend.

   Ich wünsche mir darüber hinaus sehr, dass sich die guten Kraftwerkstechniker, die es zum Beispiel in Sachsen oder in Sachsen-Anhalt gibt, an dem nächsten großen Forschungsprojekt, das wir im Energiebereich vorhaben, nämlich dem kohlendioxidfreien Kohlekraftwerk, beteiligen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das sind doch Modelle, die wir fördern müssen. Wir müssen heimische Rohstoffe so fördern und Projekte mit so guter Technologie ausstatten, dass sie exportfähig sind.

   Worum geht es im Kern? Es geht darum, Wirtschaftsräume stark zu machen und diejenigen zu ermutigen, die sich wirklich bewegen wollen. Wir brauchen keine Bremser, die nur darüber klagen, was in der Vergangenheit nicht ging, sondern wir brauchen Menschen, die anpacken wollen und sich dem Wettbewerb stellen wollen, weil sie sich darauf freuen, sich endlich beteiligen zu können. Diese Menschen werden zeigen, dass wir mit den starken Regionen in Europa mithalten können.

   Ich bin mir sicher, wir werden, wenn wir über die Auswertung dieses Wettbewerbs sprechen werden, nicht nur über die Region Dresden reden können, sondern über weitere starke ostdeutsche Regionen.

   Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage zu Tagesordungspunkt 4 a - das ist die Drucksache 15/2161 - an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Wir kommen dann zur Abstimmung über die Vorlage zu Tagesordnungspunkt 4 b.

   Der Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2383 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf der Drucksache 15/1696 mit dem Titel „Die Innovationskraft Deutschlands stärken - Zukunftschancen durch moderne Forschungsförderung eröffnen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

   Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf der Drucksache 15/1932 mit dem Titel „Aktionsplan für freie, effiziente und innovative Forschung“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Auch diese Beschlussempfehlung ist angenommen.

   Damit kommen wir zu den Zusatzpunkten 1 a und 1 b. Interfraktionell wird die Überweisung der Gesetzentwürfe auf den Drucksachen 15/2385 und 15/2402 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 d sowie die Zusatzpunkte 2 a und 2 b auf:

24. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der Gebühren in Handels-, Partnerschafts- und Genossenschaftsregistersachen (Handelsregistergebühren-Neuordnungsgesetz - HRegGebNeuOG)

- Drucksache 15/2251 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 28. Mai 1999 zur Vereinheitlichung bestimmter Vorschriften über die Beförderung im internationalen Luftverkehr (Montrealer Übereinkommen)

- Drucksache 15/2285 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Strafrechtsänderungsgesetzes - Schutz der Intimsphäre

- Drucksache 15/1891 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Modernisierung des
Kostenrechts (Kostenrechtsmodernisierungsgesetz - KostRMoG)

- Drucksache 15/2403 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

ZP 2 a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Harmonisierung des Haftungsrechts im Luftverkehr

- Drucksache 15/2359 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP

Wirtschaftliche und organisatorische Strukturen der Deutschen Flugsicherung dauerhaft verbessern

- Drucksache 15/2393 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Verteidigungsausschuss
Haushaltsausschuss

   Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Darf ich dazu Ihr Einverständnis feststellen? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 88. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 29. Januar 2004,
veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15088
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