Deutscher Bundestag
English    | Français   
 |  Home  |  Sitemap  |  Kontakt  |  Fragen/FAQ
Druckversion  |       
Startseite > INFORMATIONS-CENTER > Plenarprotokolle > Vorläufige Plenarprotokolle >
15. Wahlperiode
[ zurück ]   [ Übersicht ]   [ weiter ]

   95. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 05. März 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Der Kollege Dr. Wolf Bauer feiert heute seinen 65. Geburtstag. Ich gratuliere im Namen des Hauses sehr herzlich und wünsche alles Gute.

(Beifall)

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 17 auf:

Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung

- Drucksache 15/2573 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Bundesminister der Finanzen Hans Eichel das Wort.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Alle Schwarzarbeiter sind versammelt!)

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesem Zusammenhang bitte keine Bemerkungen über die Farbenlehre! Das wäre in diesem Falle schlecht für Sie von der Union.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das stimmt!)

   Wir wollen heute in erster Lesung das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit beraten. Schwarzarbeit richtet in unserer Gesellschaft schwere Schäden an. Das Ergebnis ist, dass der Ehrliche immer mehr den Eindruck hat, er sei der Dumme, nur er müsse Steuern und Abgaben zahlen und andere täten es nicht. Das ist eine Situation, die wir alle nicht hinnehmen können und auf die sich das Fundament eines Staates nicht glaubwürdig gründen lässt. Mit anderen Worten: Der Staat muss sich zwar selbstverständlich seine Rahmenbedingungen - ich komme darauf noch zu sprechen - sehr genau überlegen. Aber wenn er welche schafft, dann muss er sie auch durchsetzen.

   Der Umfang der Schwarzarbeit ist - das liegt in der Natur der Sache - nicht genau bestimmbar. Es geistert die Zahl - es ist der Versuch gemacht worden, das seriös zu berechnen - von 16 bzw. 17 Prozent des Bruttoinlandsprodukts durch die Gazetten. Sie wissen, dass sich Herr Professor Schneider in Linz in besonderem Maße um diese Frage kümmert. Aber ich wiederhole: Richtig feststellbar sind solche Zahlen natürlich nicht. Geht man von einer solchen Größenordnung aus, dann hätten wir es in diesem Jahr mit einem Anteil am Bruttoinlandsprodukt von rund 350 Milliarden Euro zu tun. Wenn wir auf der Basis der OECD-Zahlen von einer Steuer- und Abgabenquote von rund 36 Prozent ausgehen, redeten wir von mehr als 100 Milliarden Euro Steuern und Abgaben, die auf diese Weise den sozialen Sicherungssystemen und dem Staat verloren gingen.

   Wir haben im vergangenen Herbst in der Vorbereitung dieses Gesetzentwurfs und der Debatte darüber versucht, mithilfe von Razzien genauer herauszufinden, wie die Situation in den einzelnen Branchen aussieht. Das Ergebnis bestätigt etwa das, was ich in Zahlen ausgedrückt habe. In einzelnen Branchen, zum Beispiel beim Bau, haben zwischen 15 und 20 Prozent der dort beschäftigten Mitarbeiter schwarz gearbeitet. Den höchsten Anteil, nämlich 25 Prozent, gab es im Bereich der Hotels und Gaststätten.

   Nun will ich nicht missverstanden werden; denn ich weiß, wie eine solche Debatte abläuft. Es geht nicht darum, dass in bestimmten Branchen alle Betriebe so handeln. Das ist nicht der Fall. Das ist übrigens für die ehrlichen Betriebe ein Problem. Aber in bestimmten Branchen taucht Schwarzarbeit in besonderem Umfang auf.

   Das ist dann keine harmlose Veranstaltung mehr. Ein extremer Fall ist die Baubranche. Nicht nur dass darüber Krimis geschrieben werden, sondern es spielen sich auch in der Realität Krimis ab. Wir haben es in manchen Bereichen regelrecht mit organisierter Kriminalität zu tun. Das ist übrigens ein Grund dafür, weswegen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Zoll - dort konzentrieren wir ja den Kampf gegen die Schwarzarbeit - polizeiliche Befugnisse benötigen bzw. Hilfsbeamte der Staatsanwaltschaft sein müssen. Denn die Gefährdung derjenigen, die gegen Schwarzarbeit vorgehen, ist hoch.

Man muss das von dem abgrenzen, was ganz zu Unrecht Anfang dieses Jahres, als es um die Raumpflegerinnen ging - ich komme darauf noch zurück -, diskutiert worden ist. Ich sage bewusst „Raumpflegerinnen“; denn die ganze Debatte hatte etwas Abwertendes, was hier nicht hingehört.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es geht um gewerbsmäßige Steuerhinterziehung, um gewerbsmäßige Hinterziehung von Sozialbeiträgen und es geht mitunter regelrecht auch um international organisierte Kriminalität. Dabei sind die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter - man muss sich das auf Baustellen gelegentlich einmal ansehen - in der Regel die wirklich Ausgebeuteten. Wenn man von Ausbeutung reden kann, dann dort in besonderem Maße. Vielfach befinden sich diese Menschen übrigens - damit sind wir bei den Verstößen gegen das Ausländerrecht - illegal hier im Lande. Sie arbeiten hier unter schlechtesten Arbeitsbedingungen und schlechtesten Lebensbedingungen zu einem Hungerlohn, der auch noch um die Kosten für die Unterkunft gekürzt wird. Die Profiteure sitzen ganz woanders. Deswegen ist der Kern der Veranstaltung - da geht es dann auch um richtig viel Geld - die gewerbsmäßige, die kriminelle Hinterziehung von Steuern und Abgaben, die kriminell organisierte Schwarzarbeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Davon zu trennen ist, was im haushaltsnahen Bereich passiert. Die Regelungen, die diesen Bereich betreffen, waren übrigens - auch darauf komme ich gleich noch zurück - besonders schwierig zu treffen, weil wir auf der einen Seite wissen - das kennen Sie von der Steuerhinterziehung; das bleibt auch so -, dass das kein Kavaliersdelikt ist, wir aber auf der anderen Seite sehr genau unterscheiden zwischen kleinen Schadenssummen, die wir im Effekt wie Ordnungswidrigkeiten regeln wollen, und großen Schadenssummen, hinter denen dann aber auch kriminelle Energie steht. Bei den großen Schadenssummen geht es zum Teil auch um die Verschärfung des Strafrahmens.

   Nun zum Gesetzentwurf. Es geht um drei Elemente. Es geht erstens darum, in diesem Gesetz erstmalig alle Regelungen über die Bekämpfung der Schwarzarbeit und der damit verbundenen Steuerhinterziehung zusammenzufassen, sodass sie übersichtlich und für jedermann erkennbar sind.

   Es geht zweitens darum, Regelungslücken an dieser Stelle zu schließen. Dabei stellt sich zum Beispiel die Frage: Wie grenze ich bestimmte Bereiche ab? Wir haben ausdrücklich gesagt, dass das nicht ganz einfach ist. Klar ist: Nachbarschaftshilfe ist nicht gemeint. Hier wird die Definition etwas schwierig, weil es natürlich auch um kleinere Gefälligkeiten geht; das ist ja zu Recht diskutiert worden. Also steht dazu im Gesetzentwurf: ohne nachhaltige Gewinnerzielungsabsicht. Auch diese Definition ist schwierig; das gebe ich zu. Wenn wir aber in die Praxis sehen, dann merken wir, dass die Antwort relativ einfach ist: Ich kann und will mich überhaupt nicht mit 7 000 Mitarbeitern - 2 000 mehr, als bisher zur Verfügung stehen - beim Kampf gegen die Schwarzarbeit um die Haushalte kümmern müssen. Das fällt in die Zuständigkeit der lokalen Ordnungsbehörden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beim Zoll werden eingesetzt zur Bekämpfung der wirklich kriminellen Schwarzarbeit, also dort, wo wir es mit organisierter Kriminalität zu tun haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es geht drittens um die Schaffung der Voraussetzungen dafür, dass wir in diesem Bereich den Fahndungs- und den Ahndungsdruck kräftig erhöhen können. Deswegen führen wir - wir sind schon dabei - die Bekämpfung der Schwarzarbeit, die bisher durch die Bundesagentur für Arbeit, die frühere Bundesanstalt für Arbeit, mit 2 500 Mitarbeitern erfolgt ist, und die Bekämpfung der illegalen Beschäftigung, für die der Zoll zuständig war, zusammen. Das sind zusammen 5 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter; diese Zusammenführung läuft. Wir stocken diesen Bereich dann noch einmal um 2 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf die genannten 7 000 auf.

   Im privaten Bereich geht es zuallererst um Aufklärung. Ich sage allerdings schon: Rechtsbewusstsein im Lande ist notwendig. Das fängt im Kleinen an. Das ist auch im Strafrecht so. Diebstahl ist in keinem Falle eine Ordnungswidrigkeit, Schwarzfahren auch nicht. Bei der Steuerhinterziehung haben wir eine andere Regelung. Wir sagen zwar, dass auch sie kriminell ist; in bestimmten Fällen wird sie aber nur wie eine Ordnungswidrigkeit behandelt. Das finde ich auch in Ordnung so.

   Nun kommt der entscheidende Punkt: An dieser Stelle müssen wir vor allem einfache Regeln haben. Diese haben wir im haushaltsnahen Bereich im vergangenen Jahr mit den Minijobs geschaffen. Das bestätigen mir auch alle, mit denen ich darüber rede. Jeder weiß, dass es da große Probleme gegeben hat. Jetzt haben wir eine ganz einfache Regelung, die im Übrigen, was die finanzielle Seite betrifft, außerordentlich unkompliziert und günstig ist. Das hat übrigens die Folge, dass die Minijobzentrale bei der Bundesknappschaft jetzt regelrecht überrannt wird mit lauter Anmeldungen. Das ist auch in Ordnung so.

Meine Damen und Herren, man hält uns entgegen - was ich akzeptiere -, dass die bisherigen Regelungen besonders kompliziert waren. Damit muss man aber ganz vorsichtig sein; denn komplizierte Regelungen haben eine jahrzehntelange Tradition in diesem Lande. Auch Sie haben ja schon regiert.

   Wenn wir jetzt eine Regelung haben, die ganz einfach ist und niemanden überfordert, dann sollten wir allerdings überall dafür werben, dass sie nun auch angewandt wird. Das gehört dann dazu.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten
des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Damit zu der Frage, warum der Gesetzentwurf jetzt vorgelegt wird.

   Erstens. Wir haben eine Reihe von Voraussetzungen geschaffen, die es leichter machen, legal zu arbeiten. Ich kenne das Argument - ich sage ganz offen, weil es den Rechtsstaat infrage stellt, teile ich es nicht -, die Steuern und Abgaben seien zu hoch, also habe man eine moralische Rechtfertigung, sie zu hinterziehen. - Davor kann ich nur warnen.

(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Denn es wird immer so sein, dass legale Beschäftigung wesentlich teurer ist als das Hinterziehen von Steuern und Abgaben.

(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Es wird - egal wie hoch die Staatsquote ist - immer einen großen Unterschied zwischen der Legalität und der Illegalität geben.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das ist Ihr Problem:
Sie wollen die Realität nicht sehen!)

Machen Sie also bitte das Rechtsbewusstsein nicht von bestimmten Steuersätzen abhängig! Davor kann ich nur warnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Selbst in Ihren Steuerreformkonzepten veranschlagen Sie kaum geringere Sätze. Das könnten Sie gegenwärtig, wie jeder weiß, nicht bezahlen.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Sie haben doch immer noch ein Erkenntnisproblem! Das sieht man jetzt!)

Wir haben gerade bei geringen Einkommen so niedrige Steuersätze - im nächsten Jahr liegen der Eingangssteuersatz bei 15 Prozent und der Grundfreibetrag bei 7 664 Euro - wie niemals in der ganzen Geschichte der Bundesrepublik.

   Zweitens. Wir haben durch Reformen am Arbeitsmarkt - von Minijobs und Ich-AG bis hin zur Zumutbarkeitsregelung -

(Manfred Grund (CDU/CSU):
Nennen Sie doch auch die PSA!)

die Möglichkeit erleichtert, in legale Beschäftigung zu kommen.

   Drittens. Bei den sozialen Sicherungssystemen sind wir dabei - so schwierig das ist, wie jeder weiß -, die Zusatzkosten, die auf der Arbeit liegen, zu begrenzen und wieder zu senken. Auch deswegen müssen diese Gesetze verabschiedet werden.

   Eines ist klar: Die Geschädigten sind am Schluss der ehrliche Arbeitnehmer und der ehrliche Unternehmer. Das ist ein ganz besonderer Ärger: Der Unehrliche konkurriert zu günstigeren Bedingungen mit dem Ehrlichen. Aber weil die Steuern und Abgaben doch gezahlt werden müssen, muss der Ehrliche um so höhere Sätze zahlen. Auf der Rechtfertigung eines solchen Verhaltens kann selbstverständlich keine Gesellschaft aufgebaut werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Heinz Seiffert (CDU/CSU))

   Wir wollen mehr Wachstum und Beschäftigung und wir wollen mehr legale Beschäftigung. Drängen wir doch nicht gerade die Menschen im Niedriglohnbereich in ungeschützte Verhältnisse ab! Das macht keinen Sinn. Ich kenne sehr viele Handwerksmeister, die das keinen Deut anders sehen.

   Lassen Sie uns diesen Bereich, wenn es irgend geht, aus dem parteipolitischen Streit heraushalten! Ich sage allen gesellschaftlichen Gruppen: Lassen Sie uns in gemeinsamer Anstrengung etwas für das Rechtsbewusstsein tun, damit reguläre Beschäftigung in diesem Lande eine größere Chance hat, gerade im Niedriglohnbereich wie in allen anderen Bereichen auch! Wir würden unserem Staat damit zusammen etwas Gutes tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Elke Wülfing, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Elke Wülfing (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrter Herr Minister, wir alle wissen, dass Sie sich redlich bemühen und dass Sie es gut meinen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Das reicht aber nicht aus!)

Aber gut gemeint ist meistens nicht gut gemacht.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das passt auf Ihre Rede!)

   Uns liegt heute in erster Lesung ein Gesetzentwurf vor, der tatsächlich einmal einen ehrlichen Titel hat: Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung. Anders als beim Alterseinkünftegesetz, das, wie Sie sehr genau wissen, in Wahrheit die Besteuerung der Renten und auch der Alterseinkünfte von Selbstständigen beinhaltet,

(Hans Eichel, Bundesminister: Und die Steuerfreistellung auch! - Joachim Poß (SPD): Dazu hat uns das Verfassungsgericht verpflichtet! Was sind denn das für Töne? Das haben Sie 16 Jahre liegen lassen!)

gibt die Regierung mit diesem Titel zu, dass die Bekämpfung der Schwarzarbeit keinen Schritt vorangekommen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

- Herr Poß, Sie quatschen immer nur dazwischen und sind nicht sachlich.

(Zuruf von der SPD: Das ist nicht die Wahrheit!)

   Trotz der Bauabzugsteuer und des Entsendegesetzes sowie der darin enthaltenen Mindestlohnvereinbarung für deutsche Baustellen gibt es auch weiterhin kriminelle, international organisierte und Menschenhändlerringen ähnliche Organisationen zur Vermittlung illegaler Arbeitskräfte aus dem Ausland.

(Zurufe von der SPD)

- Hören Sie mir doch einmal zu! - Dieses Phänomen müssen wir wirklich gemeinsam und mit allen dem Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpfen. Hier müssen das Strafrecht und die Datenübermittlung zum Einsatz kommen und der Zugriff muss verbessert werden. Ob aber Ihr Gesetzentwurf diesem Ziel dient, das wage ich wirklich zu bezweifeln.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wissen Sie eigentlich, was Sie machen? Gestern ist ja auch in der „Monitor“-Sendung unter der Überschrift „Heiße Luft“ sehr deutlich dargestellt worden, dass Sie einfach den Sozialversicherungsausweis abschaffen. Er war zwar wirklich einfach zu fälschen. Aber Sie führen ja nicht einmal eine Chipkarte ein. Sie können die Menschen gar nicht mehr identifizieren. Haben Sie hierzu eigentlich einmal den Sachverstand des Bundesinnenministers oder den der Länderinnenminister eingeholt? Die Länderinnenminister haben ja überhaupt nicht gewusst, dass dieser Gesetzentwurf vorbereitet wird.

(Hans Eichel, Bundesminister: Das stimmt doch gar nicht!)

   Im Rahmen der Beratung und der Anhörung über diesen Gesetzentwurf werden wir dazu noch einiges hören. Auch unser Kollege Gewalt wird sich dazu noch äußern. Diese Art von Schwarzarbeit ist wirklich kein Kavaliersdelikt, sondern handfeste Wirtschaftskriminalität, die dem Gemeinwesen, den Sozialkassen, die Ihnen, Herr Poß, ja sehr wichtig sind, und dem Fiskus wirklich schweren Schaden zufügt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ganz grundsätzlich muss man zum Thema Schwarzarbeit feststellen: Sie ist Teil des gefährlichen Strudels von Massenarbeitslosigkeit, eines rasant anwachsenden Teils von Geringqualifizierten und von steigender Abgabenlast, in dem sich Deutschlands Volkswirtschaft seit einiger Zeit befindet. Hier besteht ein eindeutiger Zusammenhang: In Ländern mit niedrigeren Steuern und Abgaben wie der Schweiz, Großbritannien und den USA wird deutlich weniger schwarz gearbeitet als bei uns. Wenn ein Handwerker mehr als vier Stunden arbeiten muss, um seine eigene Stundenleistung bezahlen zu können, dann ist doch klar, was in diesem Land los ist.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Fragen Sie mal den Meister, was er mit dem Geld macht! - Gegenruf von der CDU/CSU: Beim Meister ist das auch so!)

   Die durchschnittliche Grenzbelastung bei einer Stunde Mehrarbeit liegt für einen Arbeitnehmer in Deutschland bei 66 Prozent. Das ist kein Anreiz für Mehrarbeit. Dieser Anreiz ist gleich null.

(Joachim Poß (SPD): Das sind aber ganz neue Erkenntnisse! Wie war das denn 1998? - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Was haben Sie denn gemacht?)

Das Problem sind aber nicht die Menschen, die Mehrarbeit leisten wollen, das Problem sind die Steuer- und Abgabenlast und das starre Korsett des Sozialstaates mit seinen Lohnersatzleistungen, die in Konkurrenz zum Arbeitslohn stehen. Die Verantwortung für diese Entwicklung trägt sicherlich die Politik. Aber sie tragen in gleicher Weise auch die Tarifparteien.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sehr merkwürdig!)

- Was ist daran merkwürdig?

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ihre Rede überhaupt! - Zuruf von der SPD: Ihr Ton!)

Ich gebe zu: Die Verantwortung für die Politik haben in den letzten Jahren, seit 1998, Sie zu tragen.

(Joachim Poß (SPD): Sie gehen hier ja ganz komisch durch den münsterländischen Kräutergarten!)

- Herr Poß, wissen Sie: Wenn Sie die Realität nicht anerkennen wollen, dann muss ich Ihnen sagen, dass es vor allen Dingen in der SPD-Fraktion nicht nur ein Umsetzungs-, sondern auch immer noch ein Erkenntnisproblem gibt. Begreifen Sie doch endlich einmal, in welcher Situation Deutschland heute ist!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich sage Ihnen: Auch wir hätten den Reformprozess während unserer CDU/CSU-FDP-Regierungen vielleicht noch etwas mutiger angehen können.

(Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD): Ach was! - Zuruf von der SPD: Aber nur vielleicht!)

Das gebe ich durchaus zu. Aber erinnern Sie sich daran, dass Sie zusammen mit den Gewerkschaften und vielen anderen auf der Hofgartenwiese in Bonn zu Großdemonstrationen aufgerufen haben und uns als diejenigen dargestellt haben, die den Sozialstaat zerschlagen wollen. Wer hat denn die kleinen Reformschritte,

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie!)

die wir damals eingeleitet haben, im Bundestagswahlkampf 1998 dazu benutzt, uns auf den Kopf zu hauen

(Zuruf von der SPD: Das merkt man heute noch!)

und der Bevölkerung etwas zu versprechen, was überhaupt nicht realistisch war? Wer hat das denn getan?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Auch gebe ich zu, dass der Bundeskanzler mit der Agenda 2010 in die richtige Richtung geht. Was aber haben Sie mit ihm gemacht? - Sie halten ihn doch nicht einmal mehr für wert Ihr eigener Bundesvorsitzender zu sein!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Was hat das jetzt mit Schwarzarbeit zu tun?)

Kein Parteimitglied weint Ihrem ehemaligen Bundesvorsitzenden auch nur eine Träne nach! Jetzt bin ich einmal gespannt, wie es demnächst läuft. In welche Richtung wollen Sie denn eigentlich? Wollen Sie den Erneuerungsprozess Deutschlands fortführen? Wollen Sie ihn stoppen? Oder wollen Sie ihn zurückführen? - Wir werden sehen. Gestern Abend fand bei Frau Illner eine sehr schöne Diskussion statt, bei der deutlich wurde, wie weit Sie auseinander liegen. Für Deutschland war das ein sehr großer Schaden.

Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ist das, was bei Frau Illner passiert, jetzt der Maßstab? - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hatten Sie einen schönen Fernsehabend?)

   Wie schon gesagt: Schwarzarbeit entsteht da, wo Leistung sich nicht mehr lohnt. Schwarzarbeit entsteht da, wo Menschen mit zu hohen Staatsabgaben belastet werden. Schwarzarbeit entsteht außerdem, wenn Tarifparteien bei Tarifabschlüssen den Markt nicht mehr beachten. - So ist es nun einmal. Die EU-Osterweiterung wird dazu führen, dass die hohen Arbeitskosten in Deutschland immer mehr unter Druck geraten. Eine Stunde menschlicher Arbeit kostet in Deutschland 26,36 Euro, in Tschechien aber nur 2,70 Euro.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach, da wollen Sie hin? - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sehr gut! Jetzt kennen wir Ihre Tendenz!)

- Wenn Sie die Realitäten einfach nicht wahrnehmen wollen, brauchen Sie sich nicht zu wundern, dass wir 4,6 Millionen Arbeitslose haben! Hinzu kommen noch all die anderen, die gar nicht registriert sind, die Sie überhaupt nicht mitzählen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sagen Sie den Leuten doch einmal, dass Sie offenbar einen Stundenlohn von 2 Euro wollen!)

   Ich denke, wir sollten ganz deutlich sagen, womit Schwarzarbeit zusammenhängt: mit unserer hohen Steuer- und Abgabenbelastung. Seit 1997 hätten Sie die Steuerbelastung senken können.

(Joachim Poß (SPD): Haben wir ja!)

- Wie bitte? Im Jahre 1997 hat Ihr damaliger Bundesvorsitzender und Ministerpräsident Lafontaine zusammen mit dem damaligen Ministerpräsidenten Eichel und dem ehemaligen Ministerpräsidenten und jetzigen Bundeskanzler Schröder unsere Steuerreform abgelehnt. Wir hätten seit sieben Jahren niedrigere Steuern haben können; das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie haben lautstark keine Ahnung!)

- Wer keine Ahnung hat, brauchen wir hier nicht zu erläutern.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ja, sicherheitshalber!)

   Nun meint die Bundesregierung, dass das Problem der Schwarzarbeit damit zu lösen ist, dass 7 000 Zollbeamte durch Deutschland laufen und überall kontrollieren.

(Zuruf von der SPD: Die laufen nicht rum, die machen ihre Arbeit!)

Ich habe eben schon gesagt: Die kriminelle Schwarzarbeit muss bekämpft werden. Das geht aber nicht mit diesem Gesetz. Dazu ist es nämlich bei weitem zu schwach.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): 27-mal Zickzack! - Joachim Poß (SPD): Sie wollen die Wirtschaftskriminellen schützen! Schutzpatronin der Steuerhinterzieher und Schwarzarbeiter!)

Ich denke, Sie müssen sich absprechen - die Justizministerin sitzt ja hier -, und wir werden sehen, was die Länderinnenminister Ihnen in der Anhörung zu sagen haben.

   Was nicht geht, meine Damen und Herren, ist das, was Sie zum Thema Rechnungsstellung und Rechnungsaufbewahrung bei Privatpersonen vorhaben. Ich denke, dass wir hier noch einmal genau hinschauen müssen, ob all das nötig ist. Ich könnte Ihnen jetzt vorlesen, was in dem Gesetzentwurf dazu alles steht, was zum Beispiel alles zum Bau gehört, zu einem Eigenheimbesitz, was zum Garten gehört, was Sie alles meinen kontrollieren zu müssen. Wenn ich mir so vorstelle, wie die Zollbeamten von hinten in die Gärten kommen und mal gucken, ob der Frühjahrsschnitt vielleicht schon gemacht worden ist

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Frau Wülfing, das ist Unsinn! Machen Sie sich doch nicht lächerlich!)

oder das Laub gefegt worden ist und wer das denn wohl war, ob es einer aus der Nachbarschaft war oder einer von einem Gärtnereibetrieb, dann muss ich sagen: Ich halte das für eine übertriebene Maßnahme. Lassen Sie den Privatbereich hier heraus!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Zollbeamte hat im Privathaushalt doch überhaupt keine Befugnis! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wo steht das im Gesetz?)

Ich glaube, es ist nicht nötig, dass Zollbeamte da wie Gartenzwerge rumstehen. Dazu sind die Zollbeamten zu teuer. Setzen Sie sie zur Bekämpfung der wirklichen Kriminalität ein, da gehören sie hin!

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da werden sie auch eingesetzt!)

Aber lassen Sie die Rechnungslegungsvorschriften sein! Die sind wirklich lächerlich und ich glaube, das führt zu einer Staatskontrolle sozialistischer Art.

(Lachen bei der SPD - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Karneval war am letzten Mittwoch vorbei!)

Die sollten wir lieber nicht machen. Tun Sie das, was wichtig ist: Kriminalitätsbekämpfung! Aber lassen Sie die Privatpersonen in Ruhe!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU - Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So was Peinliches!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Christine Scheel, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Frau Wülfing, es freut uns, wenn Sie einen schönen Fernsehabend hatten. Aber es geht natürlich nicht, dass Inhalte von verschiedenen Sendungen letztendlich die Grundlage für unsere Gesetzesvorlagen sein sollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Im Übrigen sind sie dafür auch kein Maßstab.

   Wenn man Ihren Ausführungen zuhört, dann könnte man den Eindruck gewinnen, als ob die Lösung des Problems der Schwarzarbeit in der Bundesrepublik Deutschland für die Union darin liegt, dass wir einen Mindestlohn von 2 bis 3 Euro in Deutschland einführen. Das wollen wir nicht. Das war das Einzige, was Sie indirekt an Vorschlägen formuliert haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

So wollen wir unsere Gesellschaft nicht weiterentwickeln.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Sie haben immer noch ein Erkenntnisproblem!)

   Ich bin wirklich niemand, der gern zurückschaut; ich schaue lieber nach vorn. Aber man darf nicht vergessen, Frau Wülfing, dass wir, seit wir mit Rot-Grün regieren,

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Sie versprechen den Leuten auch immer das Blaue vom Himmel!)

mit viel Mühe unter insgesamt schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen versuchen - und zwar teilweise erfolgreich -, die Lohnnebenkosten zu senken. Ich möchte Sie daran erinnern, dass die Lohnnebenkosten in den 90er-Jahren um fast 7 Prozent gestiegen sind. Das ist einer der Gründe, warum in den 90er-Jahren die Schwarzarbeit immer mehr zugenommen hat. Auch das gehört zur Wahrheit. Ich bitte Sie, nicht so zu tun, als hätten Sie mit der Schwarzarbeit in der Bundesrepublik Deutschland nie etwas zu tun gehabt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Das ist seit 1998 nicht gebremst worden! - Gegenruf der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Natürlich ist es gebremst worden!)

   Wir wollen mit diesem Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Schwarzarbeit dafür sorgen, dass es faire Wettbewerbsbedingungen in der Bundesrepublik Deutschland gibt und damit verbunden auch die Chancen von Unternehmen, von Handwerkern und Handwerkerinnen sowie von Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen auf dem legalen Arbeitsmarkt verbessert werden.

   Angesichts der erschreckenden Ausmaße - das muss man einmal sehen -, die die Schwarzarbeit in den letzten Jahren angenommen hat, ist es eine ordnungspolitische Notwendigkeit, dass wir ganz besonders mit Blick auf die Bauwirtschaft in diesem Bereich weiter aktiv werden. Ich lese im „Handelsblatt“ vom 12. Februar 2004, dass im Tarifvertrag 14 Euro Stundenlohn vorgesehen sind, aber einem Portugiesen nur 10 Euro gezahlt werden - Sie haben als Beispiel 2 Euro für Arbeiter aus Marokko und anderen Ländern genannt - und einem Rumänen lediglich 4 Euro. Daher müssen wir in allen möglichen Zusammenhängen gegen Schwarzarbeit vorgehen.

   Bei Vergabeverfahren für Bauaufträge geht es auch darum - egal ob privat oder öffentlich veranlasst -, dass wir eklatante Verstöße gegen einen fairen ökonomischen Wettbewerb bekämpfen wollen. Das ist das Ziel dieses Gesetzes. Finanzminister Eichel hat völlig zu Recht davon gesprochen, dass wir es nicht nur mit ein bisschen Schwarzarbeit und ein bisschen Nebenverdienst in diesem Zusammenhang in der gewerblichen Wirtschaft zu tun haben. Vielmehr haben wir es mit einer organisierten Kriminalität zu tun, die in den letzten Jahren zugenommen hat. Diese gilt es zu bekämpfen und nichts anderes!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Das müssen Sie auch ordentlich machen!)

   Hinsichtlich des Marktvolumens hat Hans Eichel von 350 Milliarden Euro gesprochen. Das heißt, wir reden nicht über Peanuts, sondern über volkswirtschaftlich relevante Größenordnungen. Wir haben eine Zahl von 370 Milliarden Euro, die wir aus verschiedensten Informationsquellen, die es gibt, zusammengetragen haben. Dies ist ja schwierig zu bemessen; das wissen wir alle. Wenn man von 370 Milliarden Euro ausgeht, entspricht das 16,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts von Deutschland. Das bedeutet, dass jeder sechste in Deutschland ausgegebene Euro im Schwarzarbeitsmarkt umgesetzt wird. So kann es nicht weitergehen. Deswegen müssen wir alle zusammenhalten und einen Schritt gegen die Schwarzarbeit vorankommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wenn man von dieser Schätzung ausgeht, dann entgehen den Sozialversicherungskassen und dem Finanzamt jährlich Einnahmen von rund 50 Milliarden Euro.

Das Institut der deutschen Wirtschaft geht sogar davon aus, dass hier 120 Milliarden Euro am Fiskus und an den Sozialversicherungskassen vorbeigeschleust werden.

   Wenn es uns gelingt, konkreter gegen die Schwarzarbeit vorzugehen, werden auch die Probleme in unseren öffentlichen Kassen ein Stück weit gelöst.

(Joachim Poß (SPD): Genau!)

Wäre die Schwarzarbeit mittlerweile nicht fast zur Normalität in der gewerblichen Wirtschaft geworden, wären unsere öffentlichen Kassen, wenn man einmal von den geschätzten Verlusten ausgeht, saniert.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Wenn Sie das tun wollen, dann müssen wir hinter jeden Menschen einen Zöllner stellen! Das geht doch nicht!)

Das ist das Problem.

   Der Ehrliche ist der Dumme, so scheint es vielen. Deshalb ist in der Gesellschaft das Unrechtsbewusstsein bezogen auf die Inanspruchnahme von Schwarzarbeit ein wenig verloren gegangen. Wie gesagt: Es ist deswegen politisch völlig richtig und auch notwendig, dass wir hier aktiv werden.

   Um das Ganze vernünftig greifen zu können, werden der Zollverwaltung als durchführender Behörde mehr Befugnisse gegeben. Die Zahl der Beamten und Beamtinnen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit wird personell aufgestockt - Hans Eichel hat die Zahlen genannt -, unter anderem durch rund 2 700 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Bundesagentur für Arbeit,

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Durch einen zweiwöchigen Lehrgang vom Arbeitsamt!)

die Erfahrungen mit diesen Problemen haben. Es ist richtig, zu versuchen, alles Know-how an Ausbildung in diesem Land zu bündeln, um so eine Behörde zu bekommen, in der das Personal weiter qualifiziert und ausgebildet wird, sodass es eine erfolgreiche Arbeit leisten kann.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): In zweiwöchigen Lehrgängen!)

- Das darf man nicht unterschätzen, Frau Wülfing.

   Sie haben von Zollbeamten gesprochen, die in den Privatgärten nachschauen, ob der Frühjahrsschnitt in Ordnung ist oder nicht. Das ist doch völliger Unsinn!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Leider steht das ja im Gesetz!)

Die Zollbeamten erhalten durch dieses Gesetz natürlich keine Befugnis, in Privatgärten oder in Privathaushalten nachzuschauen. Das ist doch genau der Punkt: Wir konzentrieren uns auf die gewerbliche Wirtschaft und nicht auf die Privathaushalte. Deswegen bitte ich Sie, mit der Mär aufzuhören, dass irgendein Beamter nachschaut, ob und von wem die Hecke geschnitten wurde.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Steht doch in dem Entwurf! - Elke Wülfing (CDU/CSU): Dann haben Sie das Gesetz nicht gelesen! Das steht auf sechs langen Seiten!)

Das hat nichts, aber auch gar nichts mit diesem Gesetz zu tun. Hören Sie auf, einen solchen Unsinn zu erzählen und den Leuten vorzumachen, wir wollten hier irgendetwas entscheiden, was an der Lebenswirklichkeit völlig vorbeigeht!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Elke Wülfing (CDU/CSU): Was ist mit den Geschäften ohne Rechnung?)

   Es ist völlig klar: Wirklich erfolgreich kann die Schwarzarbeit nur dann bekämpft werden, wenn sie sich für die Organisatoren von Schwarzarbeit einfach nicht mehr lohnt. Trotz der Gefahr, entdeckt zu werden, gehen sie heute das Risiko ein, da sie einen großen wirtschaftlichen Vorteil davon haben. Ich gebe dem Minister wirklich Recht:

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das erste Mal!)

Selbst wenn wir Spielräume dafür hätten, die Steuersätze und die Beiträge zur Sozialversicherung in absehbarer Zeit erheblich zu senken, bliebe das Argument des wirtschaftlichen Vorteils. Wenn man nämlich überhaupt keine Steuern und Abgaben darauf zahlt, hat man immer einen Vorteil gegenüber denjenigen, die dies tun, und sei er noch so gering. Diesen Vorteil würde es weiterhin geben. Deswegen ist es nicht die Lösung des Problems, mit der Steuer noch ein wenig herunterzugehen, wie Sie das fordern. Dieses Trauerspiel haben wir jetzt ja erlebt: Der Bierdeckel wurde beerdigt. Dass das schwierig ist, wissen Sie mittlerweile auch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Joachim Poß (SPD): Beerdigung eines Bierdeckels!)

   Wir müssen dafür sorgen, dass Schulungsmaßnahmen für das Personal durchgeführt werden, damit im Gerichtsverfahren beweissichere Unterlagen vorgelegt werden können. Im Jahre 2003 haben wir zum Beispiel 364 strafprozessuale Maßnahmen durchgeführt. Dadurch konnten 34 Millionen Euro sichergestellt werden. Das ist leider nicht sehr viel. Wir müssen unsere Anstrengungen verstärken, um eine höhere Abschöpfung von Vermögensvorteilen zu erreichen. Das hat viel mit Ausbildung und Personalstärke zu tun. Das ist mit ein Grund dafür, weshalb die Behörde aufgestockt wird. Die Organisatoren von Schwarzarbeit müssen letztendlich wirklich die Verlierer werden. Das erreichen wir, indem wir ihre Gewinne abschöpfen.

Das hat eine abschreckende Wirkung für diejenigen, die sich überlegen, eine Tätigkeit legal oder illegal durchführen zu lassen. Dies würde sich dann in Zukunft nicht mehr lohnen. Wir müssen auch eine Änderung in der Moral erreichen. Dazu trägt auch die Aufstockung des Personals bei.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja grotesk!)

   Ich bin sehr froh darüber, dass die Minijobs bei der Minijobzentrale der Bundesknappschaft mittlerweile sehr unbürokratisch angemeldet werden können. Im Übrigen sind die Arbeitgeber, also Privathaushalte, die eine Haushaltshilfe beschäftigen, mit den pauschalen Abgaben sehr gut bedient. Die Ausgaben für 400-Euro-Minijobs in Privathaushalten sind bis 510 Euro steuerlich absetzbar. Das ist ein guter Ansatz. Deswegen kann ich nur an alle appellieren, die in ihrem Haushalt regelmäßig Personen beschäftigen: Meldet sie bei der Minijobzentrale an! Es ist jetzt ein unbürokratisches Verfahren und die Anmeldung ist steuerlich durchaus nicht uninteressant.

   Letzte Bemerkung - der Präsident signalisiert das Ende meiner Redezeit -: Die Bekämpfung von Schwarzarbeit darf kein parteipolitisches und taktisches Projekt vonseiten der Union werden. Ich bitte Sie, sowohl die CDU/CSU als auch die FDP, inständig: Beteiligen Sie sich durch Zustimmung zu diesem Gesetz an einem weiteren Vorgehen gegen die Schwarzarbeit. Leisten Sie Ihren Beitrag! Wenn Sie bessere Vorschläge haben, dann legen Sie sie auf den Tisch. Ich habe bis heute keine gesehen.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Und ihr legt sie dann ab, wie gewohnt!)

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Nun hat Kollege Carl-Ludwig Thiele, FDP-Fraktion, das Wort.

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Schwarzarbeit ist Realität in Deutschland; darauf ist zu Recht hingewiesen worden. Naturgemäß lässt sich das Volumen der Schwarzarbeit statistisch gar nicht erfassen. Aber es gibt Untersuchungen darüber. Die FDP hat schon im Frühjahr letzten Jahres in ihrer Anfrage an die Bundesregierung über Schattenwirtschaft in Deutschland darauf verwiesen, dass das Volumen circa 350 Milliarden Euro im Jahr betragen soll. Das entspricht gut 16 Prozent unseres Bruttoinlandsproduktes. Professor Schneider, ein Experte, der sich wissenschaftlich mit dem Thema Schwarzarbeit befasst, hat errechnet, dass etwa 9 Millionen Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland auf Schwarzarbeit beruhen.

   Wenn das die Realität ist, dann muss man sich dieser Realität stellen. Wir als FDP treten dafür ein, dass schwere Fälle von gewerblicher Schwarzarbeit konsequent durch Zollfahnder verfolgt werden. Hierbei geht es häufig um organisierte Wirtschaftskriminalität, die gerade die Firmen im Wettbewerb schlechter stellt, die sich ordnungsgemäß verhalten, wohingegen die anderen Firmen Wettbewerbsvorteile genießen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es ist richtig, dass Schwarzarbeit verboten ist. Es ist auch richtig, dass Verstöße strafrechtlich verfolgt werden müssen. Aber nach den bisherigen Beiträgen hat man den Eindruck, dass es dazu bislang überhaupt kein Gesetz gibt, sondern dass mit dem vorliegenden Gesetz Schwarzarbeit in Deutschland erstmalig unter Strafe gestellt wird. Deshalb sollen alle diesem Gesetz zustimmen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat doch keiner gesagt!)

   Eines müssen wir feststellen, Frau Kollegin Scheel: Unter Rot-Grün steigt der Anteil der Schwarzarbeit am Bruttoinlandsprodukt, wenn man auf die Untersuchung zurückgreift, die Sie selbst genannt haben.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): So ist es! Leider wahr! - Anette Kramme (SPD): Dann schauen Sie sich das von Professor Schneider einmal genauer an!)

Gleichzeitig aber wird von Rot-Grün ein Gesetz nach dem anderen verabschiedet, mit dem die Schwarzarbeit unterbunden werden soll. Ich nenne das Gesetz zur Eindämmung illegaler Betätigung im Baugewerbe und das Steuerverkürzungsbekämpfungsgesetz gegen Umsatzsteuerbetrug. Darüber hinaus stehen in vielen anderen Gesetzen Einzelmaßnahmen, mit denen der Schwarzarbeit so zu Leibe gerückt werden soll, dass sie längst abgeschafft sein müsste und nicht mehr stattfinden dürfte, zumindest wenn die Gesetze, die Sie beschließen, die Wirkung entfalten würden, auf die Sie hoffen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Denen haben Sie doch teilweise zugestimmt, wenn ich mich recht erinnere!)

   Mein Eindruck ist, dass wir an dieser Stelle in Deutschland kein Gesetzesdefizit haben, sondern ein Vollzugsdefizit. Da muss angesetzt werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Man kann als Gesetzgeber nicht nur neue Gesetze beschließen, aber den Vollzug im Argen lassen. Deswegen kann man, Herr Finanzminister, sehr wohl darüber reden, in diesem Bereich mehr Personal einzusetzen, das in den gewerblichen Bereichen, in denen Schwarzarbeit betrieben wird, tätig wird, um Änderungen herbeizuführen.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wird doch gemacht! - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mehr als 7 000!)

   Dieser Gesetzentwurf hat aber eine Vorgeschichte - ich glaube, es ist redlich, dies im Parlament anzusprechen -; denn der ursprüngliche Entwurf wurde schon zur Jahreswende ins Internet gestellt. Nach der Formulierung dieses Gesetzentwurfs sollte erstmalig auch die Nichtanmeldung von Minijobs strafrechtlich verfolgt werden können. Dadurch entstand in der Öffentlichkeit der verheerende Eindruck, dass die Regierung es vor allem auf Putzfrauen und private Arbeitgeber, weniger aber auf kriminelle Firmen im Bereich der gewerblichen Schwarzarbeit abgesehen hat. Die politische Verantwortung dafür, dass dieser Eindruck entstanden ist,

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Tragen Sie!)

tragen der Finanzminister und seine Staatssekretärin, weil das ein Gesetzentwurf des Finanzministeriums war.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Der ursprüngliche Gesetzentwurf zeigt leider die wahre Einstellung der rot-grünen Koalition und des Finanzministeriums. Jeglicher Missbrauch, auch der im Nachbarschaftsverhältnis, zum Beispiel beim Babysitten oder wenn ein Schüler einem anderen bei den Schularbeiten hilft, sollte illegal sein und bestraft werden.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wo steht das? Unsinn!)

Das konnte nur durch einen massiven Aufschrei der Bevölkerung gebremst werden. Ansonsten hätten wir diesen Punkt hier unverändert gehabt.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist Verleumdung, was Sie machen!)

Ich darf mich bei denjenigen bedanken, die das öffentlich gemacht haben, sodass wir uns mit diesen Regelungen zum Glück in dem Gesetzgebungsverfahren nicht mehr zu beschäftigen haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Der eigentliche Punkt ist: Wir müssen an die Ursachen der Schwarzarbeit herangehen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ach nee!)

Worin liegen denn die Ursachen für die Schwarzarbeit, auch in den privaten Haushalten? Wir haben eine viel zu hohe Steuer- und Abgabenbelastung. Der viel wirksamere Weg zur Bekämpfung der Schwarzarbeit würde darin bestehen, dass der Staat endlich die Steuern- und Abgabenbelastung zurückführt. Es ist doch für einen Kfz-Mechaniker überhaupt nicht verständlich, dass er fünf Stunden arbeiten muss, um sich dann als Kunde seiner eigenen Werkstatt nur eine Stunde dieser von ihm selbst erbrachten Arbeit leisten zu können.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Neulich waren es noch vier Stunden!)

Da liegt doch die Ursache für die Fehlentwicklung in unserem Lande.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Deshalb ist mir absolut unerklärlich, dass wir über Vereinfachung reden - auch Sie reden über Vereinfachung -, aber der von der FDP vorgelegte Entwurf einer Steuerreform, der tatsächlich eine Vereinfachung darstellt, im Vorfeld in Bausch und Bogen abgelehnt wird. Parallel muss man daran erinnern, dass Rot-Grün ein Riesenprogramm zur Schaffung von Schwarzarbeit nach dem Regierungswechsel 1998 aufgelegt hat, indem die 630-Mark-Jobs praktisch verboten wurden. Wir haben immer davor gewarnt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn ich durch gesetzgeberisches Handeln Personen, die nicht bereit waren, das zu akzeptieren, in die Kriminalität führe, dann bereite ich das Umfeld dafür, Schwarzarbeit als Kavaliersdelikt zu empfinden. Das war doch eine schlechte Arbeit des Gesetzgebers. Es ist nur der Opposition zu verdanken, der Union und der FDP, dass wir diese Arbeitsverhältnisse gegen Ihren anhaltenden Widerstand als 400-Euro-Arbeitsverhältnisse jetzt wieder implementiert haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Sie, Frau Scheel, verweisen darauf, dass es jetzt möglich ist, für in privaten Haushalten Beschäftigte 500 Euro von der Steuer abzusetzen.

(Horst Schild (SPD): 510!)

Nehmen wir einmal den Spitzensteuertarif des nächsten Jahres in Höhe von 42 Prozent. Was bringt das dann für den Einzelnen? Das bringt einen Steuervorteil von 200 Euro.

(Horst Schild (SPD): Nein, direkt von der Steuerschuld! - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wird doch direkt von der Steuerschuld abgezogen! Sie haben es immer noch nicht verstanden! - Joachim Poß (SPD): Machen Sie sich doch mal sachkundig!)

   Würde aber dem Entwurf der FDP gefolgt - wir haben in unserem Gesetzentwurf vorgeschlagen, auch Haushalte als Arbeitgeber einzustufen -, dann bestünde die Möglichkeit, wenn Sozialversicherungspflicht nachgewiesen wurde, unter bestimmten Voraussetzungen bis zu 12 000 Euro von der Steuerschuld abzusetzen. Das ist ein Programm zur Förderung der Beschäftigung, und zwar der „weißen Beschäftigung“ in unserem Lande. Das ist doch der richtige Schritt, um gegen Schwarzarbeit vorzugehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir werden die Beratungen verfolgen. Wir werden uns konstruktiv daran beteiligen. Wir sind mit Ihnen der Auffassung, dass gerade gegen die gewerbliche Schwarzarbeit massiv vorgegangen werden muss. Das betrifft zum Beispiel das Taxigewerbe und die Gastronomie. Wir sind nicht bereit, zu akzeptieren, dass derjenige, der sich gesetzestreu verhält, wirtschaftliche Nachteile gegenüber einem Mitbewerber erleidet, der steuerunehrlich ist.

Aber an der Stelle besteht aus unserer Sicht eher ein Vollzugsdefizit als ein gesetzgeberisches Defizit.

   Ich muss Ihnen gestehen: Ich habe nicht den Glauben, dass sich die Realität in unserem Lande dadurch ändert, dass ein Gesetz nach dem anderen gegen Steuerhinterziehung, Schwarzarbeit und ähnliches beschlossen wird. Ich habe die Hoffnung, dass auch Sie im Zuge der Beratungen erkennen, dass das allein nicht die Lösung sein kann. Wir müssen die Vollzugsdefizite beseitigen. Dafür sichern wir unsere konstruktive Mitarbeit zu.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Reinhard Schultz, SPD-Fraktion, das Wort.

Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Heute Morgen haben wir schon recht merkwürdige Einlassungen gehört, zunächst von der heiligen Elke, die sich als Schutzpatronin aller Schwarzarbeiter und Steuerhinterzieher entpuppt hat,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

aber auch von Herrn Thiele, der eher von den Defiziten abgelenkt hat, die 16 Jahre lang die deutsche Politik bestimmt haben.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Sie sind anscheinend immer noch nicht in der Regierung angekommen!)

Wir versuchen jetzt mühsam, die von Ihnen zu Recht genannten Mitursachen für die Schwarzarbeit zu bekämpfen, indem wir die volkswirtschaftliche Steuerquote und die Belastung durch Sozialabgaben senken. Dabei sind wir ganz erfolgreich. Wenn uns alle internationalen Institute bestätigen, dass unsere volkswirtschaftliche Steuerquote nur noch bei gut 22 Prozent liegt und im OECD-Vergleich deutlich niedriger ist als in Ihrer Regierungszeit,

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Die haben sich schon längst für die falschen Zahlen entschuldigt!)

und wir uns zudem anstrengen, sowohl den Anstieg der Beiträge in der Rentenversicherung als auch im Gesundheitswesen zu begrenzen oder sogar zu senken, dann sind wir auf dem richtigen Weg. Das haben Sie in Ihrer Regierungszeit nicht zustande gebracht. Sie haben das nicht einmal angepackt.

(Beifall bei der SPD - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das stimmt doch gar nicht!)

   Wenn Sie es für ein Geheimrezept halten sollten, Löhne wie in Tschechien oder Marokko anzustreben,

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das hat doch keiner gesagt!)

dann muss den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in der gewerblichen Wirtschaft erklärt werden, wie dieses Geheimrezept aussieht und wovon sie dann leben sollen. Ab einer bestimmten Grenze ist auch Lohndumping eine Einladung zu Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung; das wissen Sie ganz genau.

(Beifall bei der SPD)

   Der Herr Finanzminister hat dargestellt, welche Summe das volkswirtschaftliche Gesamtvolumen der Schwarzarbeit in Deutschland inzwischen ausmacht: 350 Milliarden bis 360 Milliarden Euro. Bekanntlich werden auf diesen Umsatz von Arbeitsleistungen weder Lohn- noch Einkommensteuer, noch Unternehmenssteuer, noch Umsatzsteuer und auch keine Sozialversicherungsbeiträge gezahlt. Wer Schwarzarbeiter und illegal beschäftigte Ausländer einsetzt, betrügt die Gemeinschaft aller ehrlichen Steuerzahler und Sozialversicherten aufs Gröbste. Wer das duldet, trägt dazu bei, dass die Steuerlast und auch die Beitragslast ansteigen müssen, weil sich ein Teil der an der Volkswirtschaft Beteiligten der Beitragszahlung genauso entzieht wie der Steuerzahlung.

   Schon deswegen - aus Gerechtigkeitsgründen wie auch um des Zieles willen, Beiträge und Steuern niedrig zu halten - ist es wichtig, diesen Sumpf von gewerbsmäßiger Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung trockenzulegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Elke Wülfing (CDU/CSU): Da können sogar wir klatschen!)

- Ich bitte darum, Frau Wülfing. Warum klatschen Sie dann nicht? Sie murmeln in Ihren nicht vorhandenen Bart, Sie könnten klatschen. Dann klatschen Sie doch! Das fände ich besser.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Lesen Sie meine Rede mal nach! Sie wissen genau, dass wir das Gleiche sagen!)

- Das ist sehr ermutigend.

   Das Dulden von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung insbesondere im Baubereich, auch deren Verniedlichung, trägt dazu bei, die Existenzgrundlage von Bauunternehmern, Handwerkern und Arbeitern, die ihre Steuern und Sozialversicherungsbeiträge zahlen und sich damit einem ehrlichen Wettbewerb aussetzen, zu gefährden bzw. sie ihnen zu entziehen.

   Der Kampf gegen organisierte Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung gehört in eine Reihe mit dem Kampf gegen Steuerhinterziehung und insbesondere gegen organisierten Umsatzsteuerbetrug. Es gibt darüber hinaus enge Verknüpfungen zwischen organisierter Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung auf der einen Seite und organisierter Kriminalität zum Beispiel bei Schlepperbanden und Geldwäsche auf der anderen Seite. Auch diese Schnittstelle muss man im Auge haben, wenn man unseren vorliegenden Gesetzentwurf bewertet.

   Die Bundesregierung und die rot-grüne Koalition haben frühzeitig den Kampf gegen Schwarzarbeit und illegale Beschäftigung aufgenommen. Im Mittelpunkt ihrer Strategie stehen nicht Kontrolle, Strafverfolgung und Kriminalitätsbekämpfung, sondern steht der Bau von Brücken aus der Illegalität in legale Beschäftigung. Deswegen fördern wir Minijobs und haben wir das Instrument der Ich-AG geschaffen. Menschen in kleinteiligen Beschäftigungsverhältnissen sollen eine echte legale Alternative zu Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In einigen Branchen ist diese Brücke auch beschritten worden, allen voran in der Gastronomie. Ein großer Teil der relativ hohen Zahl der Anmeldungen von Minijobs bei der Bundesknappschaft entfällt auf Beschäftigte aus dem Bereich der Gastronomie. Diesem Vorbild sollten andere Branchen folgen.

   Wir haben durch Einrichtung eines Zentralregisters für Unternehmen, die im Baubereich tätig sind, und durch die Einführung der so genannten Bauabzugsteuer für deutlich mehr Transparenz gesorgt. Es ist nun klar, ob es sich um ein Unternehmen handelt, das seine Mitarbeiter sozialversichert, oder um ein Unternehmen, das in der Grauzone arbeitet. Die entsprechenden Regelungen zeigen erkennbare Wirkung im Baubereich, und das, obwohl sie noch nicht lange in Kraft sind.

   Wir haben durch Verlagerung der Zuständigkeiten bei der Bekämpfung von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung und die Zusammenführung der hiermit Beschäftigten bei der Arbeitsverwaltung und dem Zoll zum 1. Januar dieses Jahres für eine schlagkräftige Taskforce unter dem Kommando des Zolls gesorgt. Jeweils 2 500 Bedienstete der Arbeitsverwaltung und des Zolls arbeiten an 133 Standorten unter Federführung von 20 Hauptzollämtern zusammen. Die Gesamtkoordination liegt schwerpunktmäßig bei der Oberfinanzdirektion Köln. Man sollte diese Organisationsreform zugunsten von mehr Schlagkraft und Durchsetzungsvermögen nicht voreilig bewerten; denn sie wirkt, wie gesagt, erst seit dem 1. Januar 2004. Ich bin aber überzeugt davon, dass das ein großer Erfolg werden wird. Insofern ist eine Aufstockung um weitere 2 500 Mitarbeiter nur konsequent. Diese werden nicht etwa zulasten des Steuerzahlers eingestellt, sondern aus anderen Behörden abgezogen, und zwar schwerpunktmäßig aus dem Bereich des Zolls; denn dort fallen nach dem Beitritt der osteuropäischen Länder zur EU bestimmte Aufgaben, zum Beispiel die Überwachung der Ostgrenzen, weg.

   Ich glaube, dass der Zoll - weil er schon immer polizeiliche Aufgaben wahrgenommen hat - sowohl von Gesetzes wegen als auch von der Praxis her robust genug ist, um sich zum Beispiel auf Baustellen gegen sehr große und zum Teil sehr handfeste Widerstände durchzusetzen, auf die man trifft, wenn es darum geht, Menschen zu identifizieren, die schwarzarbeiten oder illegal beschäftigen, Unterlagen zu beschlagnahmen sowie sich Zutritt zu Geschäftsräumen und Fahrzeugen zu verschaffen. Das sind klassische Polizeieinsätze, die nicht mit Stenoblock und Aktentasche bewältigt werden können, sondern konsequent und polizeilich durchgezogen werden müssen. Insofern ist die vom Minister entwickelte Organisationsreform im Hinblick auf den Kampf gegen organisierte Kriminalität in Gestalt von Schwarzarbeit und illegaler Beschäftigung genau richtig.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das ist ein stumpfes Schwert!)

   Wir finden es völlig richtig, dass künftig Unternehmen, die bei der Beschäftigung von Schwarzarbeitern und anderen Illegalen erwischt worden sind, von öffentlichen Ausschreibungen für lange Zeit, drei Jahre, ausgeschlossen werden. Ich erwarte außerdem, dass große private Auftraggeber dem in ihrer Ausschreibungspraxis folgen; denn solche Sünder sind demnächst über ein Zentralregister identifizierbar. Man weiß also ganz genau, wen man an einer Ausschreibung beteiligt. Wir erwarten, wie gesagt, dass die private Wirtschaft dem guten Beispiel der öffentlichen Hand folgt und dazu beiträgt, diesen Sumpf trockenzulegen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Im Übrigen ist die Zusammenarbeit zwischen Zoll, Polizei und anderen Behörden insbesondere an der Schnittstelle von Schwarzarbeit, illegaler Beschäftigung und sonstiger organisierter Kriminalität sichergestellt. Die Durchlässigkeit von Informationen wird gegeben sein.

Wenn eine weitere Durchlässigkeit nötig sein sollte - es kann sein, dass sich das im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens ergibt -, dann werden wir uns dem stellen und die notwendigen Maßnahmen im weiteren Gesetzgebungsprozess ergreifen. Wir sind für Anregungen sowohl von den betroffenen Berufsständen als auch von der Opposition sehr offen.

   Wir unterscheiden in unserem Gesetzentwurf bewusst zwischen organisierter, gewerbsmäßiger Schwarzarbeit auf der einen Seite und Nachbarschaftshilfe, Hilfe auf privaten Baustellen und Beschäftigung in privaten Haushalten auf der anderen Seite. Es ist doch gar keine Frage, dass wir den ersten Referentenentwurf, der auf Beamtenebene erarbeitet worden ist und der leider - natürlich durch eine bestimmte Schlagseite in der Darstellung - die öffentliche Diskussion anfangs bestimmt hat, nicht wollten, weder der Sache nach noch vom Echo her.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Vor allem vom Echo her!)

   Es ist ein Beweis für das Funktionieren des politischen Prozesses zwischen Koalitionsparteien und Regierung, dass dies, bevor aus der Vorlage ein Kabinettsentwurf wurde und dieser dem Parlament zugeleitet wurde, korrigiert worden ist. Es ist nicht etwa ein Zeichen von Schwäche, sondern ein Zeichen von Stärke, dass Fehler im Referentenentwurf im politischen Prozess aus eigenem Antrieb und aus eigener Kraft bereinigt worden sind. Wir haben uns darüber genauso geärgert wie Sie und wir haben sofort gehandelt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Heinz Seiffert (CDU/CSU): Ihr seid einfach genial!)

- Ja, das ist wahr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mich nicht getraut, das so zu sagen. Aber wenn Sie das so schön ausdrücken, dann will ich dem ausdrücklich nicht widersprechen.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Eigenlob stinkt! - Heinz Seiffert (CDU/CSU): Ich habe es aber nicht so gemeint!)

- Das bedauere ich jetzt aber zutiefst, lieber Kollege.

   Wir haben die große Chance, den Anbietern wie auch den Abnehmern von Dienstleistungen in privaten Haushalten durch Werbung und Überzeugungsarbeit nahe zu bringen, dass es ökonomisch blödsinnig ist und sich gar nicht lohnt, sich auf Schwarzarbeit einzulassen. Wir haben die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass für den Arbeitgeber einer Putzfrau - ich benutze einmal diesen Begriff, weil viele solcher Damen über den Begriff Raumpflegerin etwas verwundert sind und sich selbst als Putzfrau bezeichnen; man sollte da wirklich nicht zu sensibel sein -, die für 280 Euro schwarzarbeiten würde, bei legaler Beschäftigung mit einem pauschalen Sozialversicherungsbeitrag und unter Berücksichtigung der steuerlichen Entlastung Kosten in Höhe von präzise 283,68 Euro anfallen würden. Der Unterschied zwischen illegaler und legaler Beschäftigung liegt bei diesem Beispiel bei 3,68 Euro. Ich finde, man muss dafür werben, dass immer mehr den Weg der Legalität beschreiten.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Schultz, Sie müssen zum Ende kommen.

Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD):

Auch die Menschen, die kleinste Beschäftigungsverhältnisse eingehen - nicht nur eines, sondern mehrere -, sollen über Dienstleistungsagenturen oder über Ich-AGs diesen Weg beschreiten, also ihre Arbeit sozialversichert und legal anbieten.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Der redet schwarz! Er überzieht illegal!)

   Das ist aber keine Frage des Strafrechts, sondern eine Frage der gesellschaftspolitischen Überzeugungsarbeit. Ich glaube, wenn wir den Anbietern von organisierter, gewerbsmäßiger Schwarzarbeit auf die Finger klopfen, dann werden wir einen Beitrag dazu leisten, dass sich die Leute im kleinen, privaten Bereich eher ehrlich verhalten, als wenn sie sehen, dass große, organisierte Kriminalität nicht verfolgt wird und stattdessen immer nur auf sie gezeigt wird.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Stefan Müller, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Man wäre bei dem, was wir heute diskutieren, fast geneigt zu sagen: Es gibt Gott sei Dank noch Wirtschaftszweige in Deutschland, die florieren. Einer davon ist zumindest die Schwarzarbeit. Die eindrucksvollen Zahlen wurden schon von mehreren Seiten hier vorgetragen. Ich will sie nicht wiederholen. Man kann aber schon mit Fug und Recht sagen, dass die Schwarzarbeit leider Gottes in der Tat zu den blühendsten Wirtschaftszweigen in ganz Deutschland geworden ist.

   Jeder Schwarzarbeiter ackert - es gibt keine genauen Erhebungen, aber Schätzungen gehen davon aus - 428 Stunden im Jahr am Fiskus vorbei. Das entspricht in etwa einem Viertel der tariflichen Jahressollarbeitszeit. Die dabei erzielte Wertschöpfung - wir haben es gerade schon gehört - beträgt mittlerweile über 16 Prozent des offiziellen Bruttoinlandsprodukts. Allein in den letzten vier Jahren ist im Übrigen die erzielte Wertschöpfung um gut ein Viertel gestiegen. Ich finde, das ist sehr bemerkenswert; ich werde später noch einmal darauf zurückkommen.

Wenn wir diese Zahlen vortragen, müssen wir ehrlicherweise hinzufügen, dass wir damit, wie in vielen Bereichen auch, im europäischen Mittelfeld liegen. Richtig ist, dass wir ein Musterknabe, so wie wir es früher einmal waren, schon lange nicht mehr sind.

   Das Schlimme bei der ganzen Geschichte ist Folgendes: Anscheinend gibt es in Deutschland sehr viel Verständnis dafür, dass der Anteil der Schwarzarbeit so hoch ist - das sollte uns, wie ich meine, wirklich zu denken geben -; zumindest ergab das eine Umfrage im vergangenen Jahr. Ein Unrechtsbewusstsein in Bezug auf Schwarzarbeit scheint kaum vorhanden zu sein. Auf die Frage: „Haben Sie Verständnis dafür, dass Privatleute bzw. Firmen Schwarzarbeiter beschäftigen?“ hat mehr als die Hälfte der Befragten durchaus Verständnis geäußert bzw. zum Ausdruck gebracht, dass sie gegen die illegale Beschäftigung nichts einzuwenden haben. Das heißt, egal ob es um Hausputz, Renovierung, Umzug oder die Dauerwelle geht: Immer mehr Bürger scheinen die preisgünstige Alternative jenseits der Legalität zu entdecken. Es scheint mittlerweile die Einstellung vorzuherrschen, dass die Schwarzarbeit das Korrektiv des kleinen Mannes ist, über das er sich das zurückholen kann, was ihm der Staat vermeintlich unberechtigterweise vorher abgenommen hat.

   Ohne Zweifel - der Herr Bundesfinanzminister hat es angesprochen - sind die Auswirkungen für den Staat erheblich, gerade in Zeiten leerer Kassen umso dramatischer. Für den Fiskus bedeutet dieses Schattenwirtschaftswachstum jedes Jahr Steuer- und Abgabenausfälle in Milliardenhöhe. Herr Bundesfinanzminister, es ist grundsätzlich zu begrüßen, dass Sie zu erreichen versuchen, das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen. Der Staat muss ein Interesse daran haben, dass die Schwarzarbeit wirksam bekämpft wird. Das muss aber mit einem Bündel aus repressiven und präventiven Maßnahmen geschehen.

   Sicherlich ist es wichtig, dass bei allem das Ziel sein muss, das Unrechtsbewusstsein in der Bevölkerung zu schärfen. Aber ich muss schon einmal deutlich sagen, Herr Finanzminister: Die Vorschläge, die Sie bisher gebracht haben, haben Augenmaß und Verhältnismäßigkeit schon sehr vermissen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben mit Ihrem ursprünglichen Entwurf, den Sie durch Mitarbeiter Ihres Hauses ins Internet haben stellen lassen, dieses rechte Maß der Verhältnismäßigkeit, wie ich meine, deutlich überschritten.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

   Man muss sich die Diskussion, die wir zum Jahreswechsel hatten, schon noch einmal vergegenwärtigen. Sie wollten mit einem Heer von 7 000 Zollfahndern zur Jagd auf die Putzfrau blasen, um den Bürgerinnen und Bürgern in diesem Land ein neues Unrechtsbewusstsein einzubläuen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Aber nun ist langsam gut! Das ist schon seit Tagen und Wochen klargestellt!)

- Sie müssen sich das schon noch einmal anhören, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wärmen Sie doch den Unsinn nicht auf! Sie bedienen die „Bild“-Zeitung, mehr doch nicht!)

Sie haben die politische Brisanz dieses Themas schlicht und ergreifend nicht erkannt. Das hat einmal mehr gezeigt, dass Sie kein Gefühl für die Befindlichkeiten der Menschen in unserem Land haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Es kommt doch nicht von ungefähr, dass der Herr Bundeskanzler höchstpersönlich das ganze Projekt - wieder einmal - zur Chefsache erklärt hat und selbst Hand an diesen Gesetzentwurf gelegt hat. Das hat einmal mehr gezeigt, Herr Finanzminister, dass Sie im System Schröder keine Macht und keine Bedeutung mehr haben.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Das ist leider so!)

Es wird auch schon ganz öffentlich darüber philosophiert, wie Ihr Nachfolger heißt. Im Augenblick ist, glaube ich, Herr Struck der heißeste Kandidat. Wir werden noch erleben, wer es dann tatsächlich wird.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist das Niveau, auf dem Sie diskutieren!)

Diese Affäre, die Sie angezettelt haben, zeigt einmal mehr: Hans Eichel hat in dieser Bundesregierung keine Zukunft mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Da klatsch schon fast niemand bei der CDU/CSU, weil das Unsinn ist!)

   Mit Blick auf die Erreichung des Ziels, die Schwarzarbeit wirksam zu bekämpfen, müssen wir den vorliegenden Gesetzentwurf natürlich ganz nüchtern beleuchten. Wir werden dazu in den anstehenden Gesetzesberatungen im Ausschuss genügend Zeit haben. Es ist geplant, die Schwarzarbeit mit einer ganzen Reihe von Maßnahmen zu bekämpfen. Es sollen Kontrollregelungen aus verschiedenen Regelwerken einheitlich zusammengeführt werden. Es soll das Kontroll- und Prüfrecht der Zollverwaltung erweitert werden. Dazu soll eine neue Superbehörde mit über 7 000 Mitarbeitern geschaffen werden. Es sollen Straftatbestände ergänzt werden, um den Unrechtsgehalt von Schwarzarbeit zu verdeutlichen. Es soll eine Rechnungsstellungspflicht für Unternehmen und eine Rechnungsaufbewahrungspflicht für Private eingeführt werden.

   Bei all dem gibt es meines Erachtens schon noch eine ganze Reihe von Fragen, die wir in den weiteren Beratungen klären müssen, nämlich: Wird mit dem vorliegenden Gesetzentwurf das erklärte Ziel erreicht, das Unrechtsbewusstsein der Bevölkerung zu schärfen? Sind die vorbeugenden Maßnahmen, die jetzt im Gesetzentwurf stehen - die allein repressiven Charakters sind -, tatsächlich ausreichend, um dieses Ziel zu erreichen? Schließlich die Frage: Führen die Maßnahmen, die Sie vorgeschlagen haben, nicht letztendlich zu einer neuen Welle von Bürokratie in unserem Land? Diese Fragen wollen wir klären. Wir sind da offen. Es ist aber auch die Frage zu klären, ob nicht der Aufbau einer neuen Superbehörde letztendlich dazu führen wird, dass in diesem Lande noch sehr viel mehr Personal- und Sachkosten für diesen Bereich anfallen werden. Zumindest Schätzungen gehen im Augenblick davon aus, dass die Personal- und Sachkosten zur Bekämpfung der Schwarzarbeit im kommenden Jahr auf rund 500 Millionen Euro ansteigen werden, und das, obwohl sie in den Jahren von 1998 bis 2002 bereits um 40 Prozent gestiegen sind.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Da können Sie einmal sehen: Wir haben mehr gemacht als Sie vorher!)

   Insgesamt, Herr Schmidt, lässt sich feststellen, dass Sie bei diesem Gesetzentwurf einmal mehr auf das zurückgreifen, was Sie auch in der Vergangenheit immer wieder gemacht haben, nämlich auf den altbekannten Mix aus Verfolgung und Strafe. Dabei zeigt ja die Vergangenheit immer wieder, dass das alleine nicht reicht. Meine Damen und Herren, mehr Razzien und höhere Strafen sind auch in der Vergangenheit immer ins Leere gelaufen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): So ist es!)

Sie reichen vielleicht dazu, dem harten Kern der Schwarzarbeit zu Leibe zu rücken, denn auch das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung der Schwarzarbeit, das erst im Jahre 2002 in Kraft getreten ist -

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

das müssen Sie einfach zur Kenntnis nehmen, Herr Schmidt, da bin ich wieder bei Ihnen -, hat den weiteren Anstieg der Schwarzarbeit nicht verhindert.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): So ist es!)

Obwohl Sie damals schon ausschließlich auf Sanktionen gesetzt haben - die Sanktionen wurden verschärft, die Verfolgungsbehörden effizienter strukturiert -, ist die Schwarzarbeit dennoch weiter angestiegen.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Leider wahr! - Ernst Hinsken (CDU/CSU): So ist es!)

   Meine Damen und Herren, es dürfen eben nicht immer nur die Symptome, sondern es müssen auch einmal die Ursachen für die illegale Beschäftigung untersucht und bekämpft werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die wesentlichen Gründe - sie wurden ja gerade genannt - für die Expansion der Schwarzarbeit sind doch, wie zahlreiche Studien belegen, die Steuer- und Abgabenbelastung, die hohe Regulierungsdichte, das Niveau der Lohnersatzleistungen und die zunehmende Freizeit infolge von Arbeitszeitverkürzungen. Das habe ich mir im Übrigen nicht aus den Fingern gesogen bzw. selbst ausgedacht, sondern das ist in der Antwort auf die Kleine Anfrage der FDP-Fraktion vom vergangenen Jahr nachzulesen. An Erkenntnissen scheint es der Bundesregierung ja nicht zu mangeln.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

   Ich möchte aber die Punkte, die Sie schriftlich mitgeteilt haben, Herr Bundesfinanzminister, und die ich hier vorgetragen habe, noch um einige ergänzen: fehlende Planungssicherheit aufgrund politischer Entscheidungen und daraus folgend eine hohe Verunsicherung innerhalb Bevölkerung sowie das Gefühl, seit langem vor allem im Bereich der Steuern ungerecht behandelt zu werden. Das sind die Gründe für das Ansteigen der Schwarzarbeit, und dafür, meine Damen und Herren von SPD und Grünen, tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, eine wirksame Therapie für die Bekämpfung der Schwarzarbeit kann also nur lauten: Steuern und Abgaben müssen herunter, das Steuerrecht muss einfacher und gerechter werden

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

- CDU und CSU werden am kommenden Sonntag dazu einen Vorschlag machen;

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Da sind wir sehr gespannt!)

von Ihnen hört man zu diesem Thema bis heute noch nichts -, der unflexible Arbeitsmarkt muss reformiert und strukturelle Verkrustungen müssen aufgebrochen werden. Eines, verehrte Kolleginnen und Kollegen, muss natürlich klar sein: Schwarzarbeit ist keine bezahlte Freizeitbeschäftigung. Schwarzarbeit ist ohne Zweifel zu einem gesellschaftlichen Problem geworden, dem wir mit Maß und Ziel begegnen müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Anette Kramme, SPD-Fraktion.

Anette Kramme (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte mit einigen Thesen bzw. politischen Prämissen arbeiten:

   These Nummer eins lautet - das ist, wie ich denke, völlig unstreitig -: Schwarzarbeit ist ein Krebsgeschwür. Schwarzarbeit verursacht erhebliche gesellschaftliche Schäden. Bereits Hans Eichel hat aufgeführt, dass das Volumen der Schattenwirtschaft, also der Schwarzarbeit, circa 17 Prozent des Bruttosozialproduktes ausmacht.

Man kann es auch anders ausdrücken: Das entspricht etwa 370 Milliarden Euro. Man kann auch weitere Zahlen anführen: Pro 100 000 legale Arbeitsplätze, die durch illegale Beschäftigung verdrängt werden, entgehen den Sozialversicherungssystemen 1,1 Milliarden Euro, es entgehen dem Staat 480 Millionen Euro an Steuern. Zehn illegale Arbeitsplätze vernichten sechs legale Arbeitsplätze.

   Ein weiteres Beispiel für die Schwarzarbeit: 300 000 illegale Beschäftigte im Baubereich haben 180 000 legale Arbeitnehmer verdrängt.

   Schwarzarbeit geht mit massivsten Phänomenen einher, die man nur noch als skandalös bezeichnen kann. Ein Beispiel: Es werden Bauarbeiter aus Weißrussland und der Ukraine angeworben. Sie arbeiten hier und erhalten selbstverständlich keine Lohnzahlung. Denn die Bauunternehmer bekommen, kurz bevor diese Bauarbeiter ihre Arbeit beenden, ein vermeintlich schlechtes Gewissen und machen eine Selbstanzeige, woraufhin die ausländischen Arbeitnehmer in ihre Heimat zurückgeschickt werden und natürlich keinen Lohn bekommen. Ein erster Punkt.

   Ein zweiter Punkt. Zielrichtung unserer Politik sind nicht die Privathaushalte.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Warum schreiben Sie das dann in das Gesetz?)

Herr Müller, Sie verbreiten hier böse Gerüchte; man nennt so etwas auch: ein böser Finger sein.

(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Da würde ich mich sehr zurückhalten, Frau Kollegin! - Elke Wülfing (CDU/CSU): Lesen Sie erst einmal das Gesetz!)

Schwarzarbeit in Privathaushalten ist natürlich kein Kavaliersdelikt; das ist völlig unstreitig. Wir wollen jedoch in diesem Zusammenhang Schwarzarbeiter auf den rechtmäßigen Weg verweisen. Insoweit hatte die Debatte von Anfang des Jahres ihre nützlichen Seiten: Es hat einen riesigen Ansturm auf die Bundesknappschaft gegeben. Statt 38 000 Arbeitnehmern in Privathaushalten waren im Januar 2004 bereits 70 000 Arbeitnehmer gemeldet.

   Zielrichtung sind, wie gesagt, nicht die Privathaushalte. Wir wollen kein Denunziantentum. Wir registrieren, dass in Privathaushalten lediglich kleine Schäden verursacht werden im Vergleich zu den teilweise mafiösen Strukturen im Bereich der gewerblichen Unternehmen.

   Ein dritter Punkt. Abgabensenkungen können Schwarzarbeit nicht umfassend verhindern. Meine Damen und Herren von der CDU/CSU und der FDP, ich kann nur eines sagen: Ihr Politikansatz in diesem Bereich ist von einer einzigartigen Naivität geprägt. Ich will auch das an einem Beispiel festmachen: Es gibt Baustellenkontrollen. Bei diesen Baustellenkontrollen wird immer wieder festgestellt, dass im Baubereich nicht nur nicht der gesetzliche Mindestlohn gezahlt wird, sondern Bauarbeiter häufig Stundensätze von lediglich 2 Euro erhalten.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Dann schaffen wir den Sozialversicherungsausweis ab, damit Sie die gar nicht mehr identifizieren können!)

   Der Sachverhalt ist, dass Schwarzarbeit immer billiger sein wird als legale Arbeit, die einen Sozialversicherungsschutz bietet und mit der Sozialleistungen des Staates einhergehen.

   Wie gesagt: Ihr Politikansatz ist von einer einzigartigen Naivität geprägt.

(Beifall bei der SPD - Lachen der Abg. Elke Wülfing (CDU/CSU) - Elke Wülfing (CDU/CSU): Ich weiß nicht, ob Sie das beurteilen können!)

   Punkt vier. Unsere Zielrichtung sind die gewerblichen Unternehmen. Wir wollen die mafiösen Strukturen in diesem Bereich beseitigen, zumindest abmildern, verkleinern. Wir sind hier bereits erheblich tätig geworden. Ich möchte nur auf das Gesetz zur Erleichterung der Bekämpfung von illegaler Beschäftigung und Schwarzarbeit hinweisen. Ich denke, wir haben einen Quantensprung getan, indem wir die Generalunternehmerhaftung für Sozialabgaben eingeführt haben. Ich möchte nicht, dass die Generalunternehmer in dieser Republik so weitermachen können wie bisher, sondern ich möchte sehen und hören, dass sie ihre Subunternehmer beobachten und darauf achten, dass Sozialabgaben abgeführt werden. Es soll keine unüberschaubaren Ketten von Subunternehmern geben, sondern klare Verantwortlichkeiten. In diesem Sinne haben wir mit diesem Gesetz einen Quantensprung getan.

   Punkt 5. Wir sind weiter aktiv, weil wir entdeckt haben, dass es nicht nur Vollzugsdefizite, sondern auch Strafbarkeitslücken gibt. Wir ändern deshalb § 266 a StGB. Es soll so sein, dass nicht nur das Vorenthalten von Arbeitnehmerbeiträgen zu den Sozialversicherungen strafbar ist. Auch das Vorenthalten der logischerweise zum Arbeitnehmergehalt gehörenden Arbeitgeberbeiträge soll ebenfalls den Tatbestand in § 266 a StGB erfüllen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Kramme, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?

Anette Kramme (SPD):

Ja.

Ernst Hinsken (CDU/CSU):

Werte Frau Kollegin Kramme, ich pflichte Ihnen bei, dass auch Generalunternehmer dafür sorgen müssen, dass alles ordnungsgemäß ist. Wie ist aber die Situation bei den Ich-AGs? Sind Sie der Meinung, dass es auch da Überprüfungen geben muss? Man kann nämlich auch in diesem Bereich in die Schwarzarbeit flüchten, weil nicht genau überprüft werden kann, wie viele Stunden an Arbeitsleistung der eine für den anderen erbringt. Hier wird ein weiteres Tor für die Schwarzarbeit geöffnet, was ich nicht verstehen kann. Deshalb möchte ich von Ihnen eine Antwort auf die Frage, wie nach Ihrer Vorstellung dieses Problem bewältigt werden kann.

Anette Kramme (SPD):

Ich sage Ihnen ganz klar: Meines Erachtens liegen Sie mit Ihrer Meinung völlig daneben.

(Zurufe von der CDU/CSU: Er steht doch!)

Sie liegen deshalb völlig daneben, weil die Ich-AG ein großartiges Instrument ist, das dafür sorgt, Arbeitnehmer aus dem Bereich der illegalen Beschäftigung herauszuholen und ihre Beschäftigung mithilfe der Förderinstrumente der BA auf eine legale Grundlage zu stellen.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Wie das im Gesetz behandelt wird, ist seine Frage! - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wie wird das überprüft?)

Ich denke, das ist ein großer Schritt, den wir im Zusammenhang mit der Bekämpfung der Schwarzarbeit getan haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ernst Hinsken (CDU/CSU): Wie wird das überprüft? - Elke Wülfing (CDU/CSU): Wir wollen trotzdem wissen, wie das im Gesetz behandelt wird!)

   Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen, den ich ebenfalls für sehr bedeutend halte.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Sie haben die Frage nicht beantwortet! - Gegenruf des Abg. Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Herr Hinsken, lassen Sie sich das nächste Mal Redezeit geben!)

- Natürlich habe ich die Frage beantwortet. - Es geht um den Bereich der Unfallversicherung. Es ist richtig, dass der Schwarzarbeiter als Person geschützt ist, wenn es zu einem Arbeitsunfall kommt. Ich sage aber auch, dass es nicht richtig ist, wenn Unternehmen, die Schwarzarbeit in Auftrag geben, für Unfälle bislang nicht in Regress genommen worden sind. Denn die Schwarzarbeit verursacht Einnahmeausfälle in Höhe von circa 1,1 Milliarden Euro. Auch in diesem Bereich sind wir einen ganz wichtigen Schritt gegangen.

   Herr Thiele, apropos Vollzugsdefizit. Ich denke, Sie ignorieren an dieser Stelle die Tatsache, dass wir die Bundesagentur für Arbeit dadurch entlasten, dass wir die Bekämpfung der Schwarzarbeit aus dem Zuständigkeitsbereich der Arbeitsämter herausnehmen. Ich denke, die Konzentration auf eine Stelle wird die Vollzugsdefizite in einem ganz erheblichen Maße abbauen.

   Sie zitieren immer wieder Professor Schneider und das IAW. Ich will das an dieser Stelle ebenfalls gerne tun. Professor Schneider ist unstreitig ein hervorragender Experte. Ich darf sagen: Er ist der Guru der Bekämpfung der Schwarzarbeit. Es ist daher wichtig, dass seine Aussagen - wie auch die Aussagen des IAW - vollständig zitiert werden. Das IAW stellte im Jahr 2001 fest: Seit dem Jahr 2000 entwickelt sich die Schattenwirtschaft zum ersten Mal seit den 80er-Jahren nicht stärker als die offizielle Wirtschaft. Davor ist dagegen die Schattenwirtschaft immer stärker angestiegen als die offizielle Wirtschaft. Kommentiert wurde diese Entwicklung wie folgt:

Vermutlich ist Hauptursache für das geringere Ansteigen der Schattenwirtschaft in Deutschland die in Kraft getretene Steuerreform, die bei der direkten Einkommensteuer, aber auch bei anderen Steuern eine spürbare Entlastung gebracht hat.

Ich behaupte, Ihre Aussage ist falsch. Wir haben vielmehr den Sachverhalt festzustellen, dass gerade in den 80er- und 90er-Jahren bis zu unserer Regierungsübernahme in Sachen Bekämpfung der Schwarzarbeit nichts passiert ist.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Das stimmt überhaupt nicht! Jetzt ist aber Schluss!)

   Ich möchte einen weiteren Punkt ansprechen. Er betrifft die Erfolge unserer Politik. Für dieses Jahr sagt Professor Dr. Friedrich Schneider von der Universität Linz einen Rückgang der Schwarzarbeit voraus. Danach soll der Umfang der Schwarzarbeit von 370 Milliarden Euro auf 364 Milliarden Euro sinken. Dies bedeutet, dass erstmals in Deutschland die Schattenwirtschaft nicht weiter anwächst. Die Gründe für diese Trendwende sieht Professor Schneider in unserer Politik: in der erweiterten Minijobregelung, in der Neuregelung der Handwerksordnung und in den Gesetzen zu Reformen am Arbeitsmarkt.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, mit dem vorliegenden Gesetzentwurf gehen wir einen weiteren entscheidenden Schritt in Richtung faire Wettbewerbsbedingungen. Ich denke, das ist ein guter Tag für legal arbeitende Unternehmen und für legal arbeitende Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.

   Ich bedanke mich ganz herzlich.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Roland Gewalt, CDU/CSU-Fraktion.

Roland Gewalt (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Rot-Grün hat mit dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz einen Entwurf vorgelegt, bei dessen Lektüre die Fachleute in den Landeskriminalämtern vor Entsetzen die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen haben.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Siehste!)

Der Gesetzentwurf weist so schwerwiegende handwerkliche Fehler auf, dass der Polizei die Bekämpfung organisierter Kriminalität ausgesprochen erschwert und nicht erleichtert wird, Herr Bundesminister.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Kompetenzgerangel wird es geben!)

   Schwarzarbeit ist oftmals - das wissen alle Experten, die damit zu tun haben - nur eine Facette der organisierten Kriminalität.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): So ist es!)

Wer gegen Schwarzarbeit ermittelt, stößt oftmals auf andere schwere Straftaten wie Menschenschmuggel, Menschenhandel, Drogendelikte, Schlepperei, Subventionsbetrug und Urkundenfälschung; um nur einige Delikte zu nennen. Dies sind Kriminalitätsbereiche, für die nach wie vor die Landeskriminalämter zuständig sind. Nur werden diese Landeskriminalämter, wenn es nach Ihrem Gesetzentwurf geht, insbesondere keine personenbezogenen Informationen mehr vom Zoll erhalten, wenn der Zoll bei Ermittlungen gegen die Schwarzarbeit auf organisierte Kriminalität stößt.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Das Gesetz ist richtig schludrig gemacht! Als ob das Finanzministerium keine Ahnung davon hat!)

Wieder einmal wird bei Ihnen - das ist ausgesprochen ärgerlich - der Datenschutz über die Notwendigkeiten der Strafverfolgung gestellt. So geht es nicht!

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die negativen Folgen für die Ermittlungstätigkeit der Kriminalpolizeien der Länder und auch des Bundeskriminalamtes sind gravierend. In vielen Großstädten Deutschlands, in Berlin, in Hamburg und auch in München, gibt es mittlerweile sehr erfolgreich arbeitende gemeinsame Ermittlungsgruppen des Zolls, der Polizei und der Bundesagentur für Arbeit, die sich insbesondere auf die Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Rahmen der Schwarzarbeit konzentrieren.

   Es ist geradezu grotesk, wenn der Mitarbeiter des Zolls in einer solchen gemeinsamen Ermittlungsgruppe Informationen über organisierte Kriminalität, die er erhält, nicht an den neben ihm sitzenden Kripobeamten aus dem Landeskriminalamt weitergeben kann.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig! - Elke Wülfing (CDU/CSU): Einfach schlampig gemacht!)

Mit Ihrem Gesetzentwurf werden die Möglichkeiten der Ermittler nicht verstärkt. Dieser wird ganz im Gegenteil zum Schikanierzwickel für Kriminalpolizei und Zoll. Das ist mit Sicherheit nicht der richtige Weg, Herr Bundesminister.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Elke Wülfing (CDU/CSU): Da, wo sie zuschlagen müssen, tun sie es nicht!)

   Schaut man sich den Werdegang dieses Gesetzentwurfes an, dann verwundern diese schwerwiegenden Fehler allerdings nicht. Der Referentenentwurf ist den Landesregierungen erst - man beachte das Datum - am 19. Dezember 2003 übermittelt worden. Frist zur Stellungnahme: Jahresanfang 2004.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Da war der Weihnachtsmann am Werk!)

Selbst noch so eifrige Landesminister haben über Weihnachten etwas anderes zu tun, als rot-grüne Gesetzentwürfe zu prüfen.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

   Aber damit nicht genug, Herr Bundesfinanzminister: Sie haben es auch noch fertig bekommen, diesen Gesetzentwurf an weitgehend unzuständige Ministerien weiterzuleiten. Auch im Finanzministerium sollte eigentlich bekannt sein, dass die Innen- und Justizministerien in den Ländern für die Kriminalitätsbekämpfung zuständig sind und weniger die Sozialministerien, an die Sie den Gesetzentwurf geschickt haben.

(Lachen der Abg. Elke Wülfing (CDU/CSU))

   Dennoch ist es einigen Landesregierungen gelungen - das ist angesichts dieses Werdeganges einigermaßen erstaunlich -, Stellungnahmen abzugeben, die - das betone ich - parteiübergreifend negativ ausfielen, Herr Bundesfinanzminister.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Na so was!)

Herr Eichel, Ihr Parteifreund, der Berliner Innensenator Dr. Körting - übrigens ein exzellenter Jurist, der früher einmal Justizsenator und Vizepräsident des Berliner Verfassungsgerichtshofes war -, hat kein gutes Haar an Ihrem Gesetzentwurf gelassen. Am 13. Januar 2004 titelte der Berliner „Tagesspiegel“:

Innensenator kritisiert Gesetzentwurf zur illegalen Beschäftigung: Kampf gegen organisierte Kriminalität wird erschwert.

Das sind die Tatsachen, Herr Bundesminister.

(Elke Wülfing (CDU/CSU), zur SPD gewandt: „Erschwert“! Hört doch einmal zu!)

   Leider zeigten Sie sich auch gegenüber Ihren Parteifreunden, Herr Bundesminister, ausgesprochen beratungsresistent.

Denn der Gesetzentwurf mit seinen völlig überzogenen datenschutzrechtlichen Bestimmungen wurde am 18. Februar von der Bundesregierung verabschiedet. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, ich hoffe, Sie erwarten nicht, dass wir ein solches Flickwerk mittragen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Kollegin Petra Pau.

Es ist ein gesellschaftliches Problem und kann auch nur so behandelt werden.

   Das betrifft übrigens auch die Vergabepraxis und die Förderpolitik. Solange der Staat - öffentliche Auftraggeber gehören dazu - Schwarzarbeit duldet, ist er Mittäter oder Hehler. Das ist übrigens auch ein Grund für die Verteidigung eines Tarifrechts, bei dem die Regel die Regel und die Ausnahme auch die Ausnahme bleibt.

   Damit komme ich zu meinem vorerst letzten Gedanken: Wir sprechen über ein - im Doppelsinn - grenzenloses Phänomen, nicht über ein typisch deutsches. Also bedarf es internationaler Standards. Wir haben eine EU mit einem umstrittenen Stabilitätspakt. Wir haben aber noch immer keine EU mit einem Sozialpakt. Die PDS fordert ihn seit langem ein. Ich denke, die Beratungen über diesen Gesetzentwurf wären eine gute Gelegenheit, auch darüber nachzudenken, wie wir EU-weite Regelungen finden.

   Danke schön.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) - Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Das war eine gute Rede!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ich glaube, dass das Thema Schwarzarbeit, worüber wir hier heute Morgen diskutieren, arbeitsmarktpolitisch auf jeden Fall ein sehr vielschichtiges Thema ist. Dies hat die Debatte auch ein Stück weit gezeigt. Ich glaube auch, dass wir ihr nur mit sehr unterschiedlichen Maßnahmen ein Stück weit Herr werden können.

   Nach meiner Beobachtung gibt es drei große Bereiche von Schwarzarbeit. Es gibt einmal die organisierte Schwarzarbeit, zum Beispiel am Bau. Hierzu kann ich nur sagen: Hier werden Sie die Dinge durch kein Anreizsystem verändern können, denn so billig können wir nie werden, dass wir bei einem Lohnverhältnis von 1 : 8 oder 1 : 10 gegenüber osteuropäischen Arbeitnehmern konkurrenzfähig wären.

(Beifall bei der SPD - Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Da sprechen Sie noch einmal mit Frau Wülfing! - Gegenruf der Abg. Elke Wülfing (CDU/CSU): Ich habe nichts anderes gesagt!)

Dieser kriminellen Machenschaften kann man nur mit ganz scharfer Kontrolle Herr werden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und der FDP)

   Eine Entscheidung dazu haben wir im Übrigen im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit einmütig getroffen, nämlich dass die Zuständigkeit für die Schwarzarbeitsbekämpfung weg von der Bundesanstalt für Arbeit auf den Zoll konzentriert werden soll, auch deshalb, weil der Zoll Polizeigewalt hat. Eines kommt noch hinzu: Es passt nicht ganz zusammen, dass eine Agentur morgens einen Mitarbeiter, der für Lehrstellen und Ausbildungsfragen zuständig ist, schickt, um nach Lehrstellen zu fragen, und nachmittags den selben Betrieb wegen Schwarzarbeit kontrolliert. Das wissen wir auch. Deswegen ist die Entscheidung richtig. Insbesondere der Aspekt der Polizeigewalt ist wichtig, damit hier vernünftig vorgegangen werden kann.

   Es ist unstreitig, dass zum Beispiel auch die „legale Bauwirtschaft“ mithelfen muss, um solchen Machenschaften bei Sub-Sub-Konstruktionen überhaupt auf die Schliche zu kommen. Ohne diese können Sie auf den Baustellen keine Kontrolle erfolgreich durchführen. Dazu gehört auch, dass auf den Baustellen etwa die Ausschreibungsunterlagen und viele andere Unterlagen schlicht und ergreifend vorhanden sein müssen. Sonst sind die Leute weg, ehe die Ermittlungsbehörden überhaupt tätig werden können. Dann fangen sie letzten Endes den ausländischen Arbeitnehmer, der irgendwo im Container vor sich hinvegetiert, aber hinsichtlich derjenigen, die daran verdient haben, tappen sie weiterhin im Dunkeln. Hiergegen muss mit allen Mitteln, die der Rechtsstaat zur Verfügung stellt, vorgegangen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU, der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Deshalb sollten Sie das, was der Kollege Ronald Gewalt hier aus dem Bereich der Rechts- und Innenpolitik dazu gesagt hat, inwieweit hier die Vernetzung zwischen Zoll und anderen Institutionen des Rechtsstaates zur Bekämpfung von Kriminalität gewahrt wird, sehr ernst nehmen.

(Reinhard Schultz (Everswinkel) (SPD): Haben wir schon eingeführt! Dem stellen wir uns!)

Das muss schlicht und ergreifend im Gesetzgebungsverfahren geklärt werden.

   Es gibt noch einen weiteren Bereich von Schwarzarbeit. Er betrifft diejenigen, die staatliche Transferleistungen beziehen und gleichzeitig arbeiten gehen. Machen wir uns doch nichts vor: Das gibt es.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): So ist es!)

Das gibt es bei der einfachen Putzfrau, die in der Regel nicht aus den Bevölkerungsgruppen kommt, die Geld genug haben, sondern aus denjenigen, die eher schlecht als recht auskommen. Ich rede gar nicht davon, dass sie Sozialhilfe bezieht und nebenher putzen geht. Die Familie braucht nur Wohngeld zu bekommen. Wenn sie eine Putzstelle annimmt und 300 Euro im Monat verdient, verliert die Familie ihren Wohngeldanspruch. Die Frau fragt sich dann, wofür sie eigentlich putzen geht.

   Das Problem ist hier nicht nur, dass die Haushalte ihre Putzfrau nicht anmelden. Das Hauptproblem liegt in Wahrheit darin: Finden Sie einmal eine Putzfrau für Ihren Privathaushalt, die offiziell angemeldet werden will!

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

Das liegt an unserem Transferleistungssystem.

Beim Thema Sozialhilfe, insbesondere was das Verhältnis von Sozialhilfe und Zuverdienst angeht, haben wir im Vermittlungsverfahren durch die Einführung höherer Anrechnungsfreibeträge einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, indem wir eine Staffelung der Freibeträge von zunächst 15 Prozent, dann 30 Prozent und schließlich wieder 15 Prozent vorgenommen haben.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eben! Ja, genau!)

Diese Regelung muss sich erst einmal herumsprechen und bekannter werden.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oder Anreize geben!)

Sie wissen, dass wir im Niedriglohnbereich zwar größere Förderungen beabsichtigt hatten. Aber nun sollten wir diesen Schritt in die richtige Richtung bekannt machen, damit die Menschen zumindest wissen, dass sie sich jetzt rechtmäßig so verhalten können und daher keine Sorge haben müssen, sich anzumelden. Ich rate uns, auch einmal zu überlegen, wie wir die Probleme beim Thema Wohngeld in den Griff bekommen und ob wir, um diesen Bereich von der Schwarzarbeit zu lösen, Bagatellgrenzen oder ähnliche Regelungen einführen sollten.

   Die Welt ist, wie sie ist. Wer, wenn er putzen geht, seinen Wohngeldanspruch verliert, der wird das nicht tun; denn es ist ja nicht vergnügungsteuerpflichtig, den Dreck anderer Leute wegzuräumen. Nach meiner Meinung müssen wir die entsprechenden Anreizsysteme schlicht und ergreifend mit der Möglichkeit eines höheren Zuverdienstes ausstatten. Das ist genauso wichtig wie die Frage: Wie motiviere ich die privaten Haushalte, darauf zu drängen, diese Arbeitsverhältnisse anzumelden? Mit der neuen Ausgestaltung der 400-Euro-Jobs haben wir das einfach und unbürokratisch geschafft. Die Anreizsysteme könnten zwar besser sein - hier gebe ich Ihnen Recht -, aber man muss die entstehenden Kosten auch bezahlen können.

   Aber was nützen die besten Anreizsysteme, wenn die Putzfrau durch sie ihren Wohngeldanspruch verliert?

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Ja, stimmt!)

Für denjenigen, der keine Person des öffentlichen Lebens ist, ist die Gefahr, ertappt zu werden, wenn er diese Tätigkeit in seinem Privathaushalt unter der Hand ausüben lässt, nicht besonders groß. Das wissen wir alle. Selbst die öffentliche Ächtung wäre, wenn es auffallen würde, nicht besonders schlimm. Deswegen müssen Sie die Regelungen bezüglich der Anreizsysteme auch für diese Arbeitskräfte verbessern.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

   Es gibt noch einen anderen Bereich, den wir jetzt auch besser in den Griff bekommen haben: die neuen 400-Euro-Jobs. Seien wir doch ehrlich: Durch Walter Riesters Einschränkung der ehemaligen 630-DM-Jobs wurde - das kann man, was die Philosophie angeht, alles begründen - die Zusatzarbeit dann, wenn sie bei einem anderen Arbeitgeber geleistet wird, wie eine Überstunde gewertet. Er hat ja immer gesagt: Es kann nicht sein, dass derjenige, der bei seinem eigenen Arbeitgeber eine Überstunde leistet, zahlen muss, und dass derjenige, der bei einem anderen Arbeitgeber einem Zusatzverdienst nachgeht, nicht zahlen muss.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Ja, genau!)

   Wir merken, wohin uns eine solch restriktive Haltung geführt hat. Die Anzahl der 630-DM-Verträge ist zurückgegangen, aber die Arbeit ist nach wie vor getan worden. Sie ist nämlich schwarz gemacht worden.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): So ist es!)

Ich finde, durch die Art und Weise, wie wir bei den 400-Euro-Verträgen vorgegangen sind - das war insbesondere der Vorschlag der Union und der FDP -, nimmt die Anzahl der abgeschlossenen 400-Euro-Verträge zu. Ich bin sicher, hier haben wir einen Riesenbeitrag geleistet, um einen Weg aus der Schwarzarbeit heraus zu finden.

   Deshalb kann unser Weg nur sein, bei der Bekämpfung der organisierten Schwarzarbeit mit der gesamten Kraft des Staates zuzuschlagen und sich zu wehren, hinsichtlich der Schwarzarbeit im privaten Bereich allerdings die Anreizsysteme zu verbessern. Die entsprechenden Entscheidungen sind auf einem guten Weg. Ich wünsche mir noch viel deutlichere Entscheidungen. Angesichts der Schwierigkeiten einer Eigernordwand-Besteigung, den Bezug einer sozialen Transferleistung hinter sich zu lassen, dauert es lange, bis sich die eigene Arbeit wieder lohnt.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Eine sehr angemessene Rede! - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eine interfraktionelle Rede! - Gegenruf des Abg. Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Ihr müsst euch nur daran halten!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung des Gesetzentwurfs auf Drucksache 15/2573 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Zusätzlich soll der Gesetzentwurf zur Mitberatung an den Haushaltsausschuss überwiesen werden. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt 18 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Michael Meister, Dietrich Austermann, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Strikte Einhaltung des geltenden europäischen Stabilitäts- und Wachstumspaktes

- Drucksachen 15/541, 15/1682 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Jörg-Otto Spiller
Georg Fahrenschon

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Leo Dautzenberg, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)
[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 95. Sitzung - wird am
Montag, den 8. März 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15095
Seitenanfang [TOP]
Druckversion Druckversion