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15. Wahlperiode
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   98. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 12. März 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

(Die Anwesenden erheben sich)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, entsetzt und fassungslos haben wir gestern die Nachrichten vernommen, dass in Madrid eine ganze Serie von Bombenanschlägen auf Vorortzüge und Bahnhöfe immer mehr Menschen - Männer, Frauen und auch Kinder - verletzte und in den Tod riss. Noch lassen sich über die Mörder, die diese Anschläge planten und verübten, nur Vermutungen anstellen und noch immer herrscht keine endgültige Klarheit über die Zahl der Opfer. Es sind bisher fast 200 Tote und etwa eineinhalbtausend Verletzte - eine furchtbare Tragödie. Allen, allen gilt unser Mitgefühl und unser Beileid.

   Das müssen wir begreifen: Zum ersten Mal trifft eine terroristische Attacke dieses Ausmaßes ein Land der Europäischen Union. Der Terrorismus rückt näher; denn diese wahnsinnigen Anschläge sollten unmittelbar das Alltagsleben der Menschen einer der großen Hauptstädte Europas treffen. Diese Anschläge und ihre Urheber zielen auf das ganze spanische Volk und damit auf uns alle in Europa. Das sollte und das muss uns einigen in Abscheu und Abwehr gegenüber dem Terrorismus. Wir stehen an der Seite des spanischen Volkes und des spanischen Parlaments.

   Jetzt geht es darum, die europäische, die menschliche Zivilisation gegen terroristische Mörder zu verteidigen, die - mit welchem Ziel und mit welcher Begründung auch immer - nicht davor zurückschrecken, den Alltag in ein Schlachtfeld zu verwandeln. Der Deutsche Bundestag und die Bürgerinnen und Bürger ganz Deutschlands empfinden für die Hinterbliebenen der Opfer tiefes Mitgefühl. Unsere Gedanken sind bei denen, die mit ihren schweren Verletzungen in den Krankenhäusern behandelt werden.

   Exzellenz, Herr Botschafter Rodriguez-Spiteri, ich möchte Sie von dieser Stelle aus bitten, für die Menschen Ihres Landes, sein Parlament und seine Regierung unsere tief empfundene Anteilnahme und Solidarität entgegenzunehmen.

   Ich danke Ihnen.

   Nun kommen wir zu unserer heutigen Tagesordnung. Ich rufe die Tagesordnungspunkte 17 a und 17 b auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Telekommunikationsgesetzes (TKG)

- Drucksachen 15/2316, 15/2345 -

(Erste Beratung 86. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)

- Drucksachen 15/2674, 15/2679 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Hubertus Heil
Dr. Martina Krogmann
Michaele Hustedt
Rainer Funke

b) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss) zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Martina Krogmann, Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Mehr Wettbewerb, Wachstum und Innovation in der Telekommunikation schaffen

- Drucksachen 15/2329, 15/2674, 15/2679 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Hubertus Heil
Dr. Martina Krogmann
Michaele Hustedt
Rainer Funke

   Es liegen zwei Änderungsanträge und ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Ditmar Staffelt das Wort.

Dr. Ditmar Staffelt, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit der heute anstehenden Verabschiedung des Telekommunikationsgesetzes findet ein Vorhaben seinen vorläufigen Abschluss, das für den Wirtschaftsstandort Deutschland von überragender Bedeutung ist.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Sein könnte!)

Mit dem Telekommunikationsgesetz wird ein in weiten Teilen neuer Ordnungsrahmen für die Telekommunikationsbranche vorgelegt. Die Spanne der Regelungen reicht von der Preis- und Wettbewerbsregulierung über Fragen der Sicherung der Grundversorgung mit Telekommunikationsdienstleistungen, des Verbraucher- und Datenschutzes, Fragen der Nummern- und Frequenzverwaltung bis hin zur Telekommunikationsüberwachung.

   Die Bedeutung der Telekommunikationsbranche lässt sich zum einen sicher am Gesamtumsatz und an den Beschäftigungszahlen ablesen. Im Jahre 2003 erzielten die Netzbetreiber und TK-Diensteanbieter einen Umsatz von deutlich mehr als 60 Milliarden Euro. Mehr als 220 000 Menschen waren in diesem Markt beschäftigt. Viel wichtiger als diese Zahlen ist aber die Bedeutung dieser Branche für die gesamtwirtschaftliche Entwicklung in Deutschland. Die Telekommunikation ist wesentlicher Bestandteil der Infrastruktur unseres Landes und hat deshalb Ausstrahlung auf alle Wirtschaftsbereiche.

   Vor diesem Hintergrund ist es unser Ziel, dass die deutsche Telekommunikationsbranche leistungsstark bleibt und ihre hohe Innovationskraft weiter ausbaut.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen, dass Deutschland im weltweiten Wettbewerb besteht und einer der führenden Telekommunikationsstandorte weltweit ist; darauf zielt unsere Telekommunikationspolitik. Dieses Ziel lässt sich am besten im Wettbewerb erreichen, der wiederum gewisse staatliche Eingriffe in Form einer sektorspezifischen Regulierung benötigt.

   Wir haben in den letzten Jahren mit einer wettbewerbsorientierten Telekommunikationspolitik im Interesse der Wirtschaft und insbesondere der Verbraucher außerordentlich viel erreicht. Die massiven Preissenkungen im Bereich der Festnetztelefonie haben in den letzten Jahren die Kommunikationskosten von Unternehmen deutlich gesenkt und den privaten Haushalten Einsparungen in Milliardenhöhe gebracht. Als Folge der Wettbewerbsintensivierung in der Telekommunikation ist die Internetnutzung geradezu explodiert: Heute nutzen rund 60 Prozent der Erwachsenen in unserem Lande das Internet. Gleiches gilt für den Mobilfunkbereich, der mittlerweile rund 65 Millionen Kunden aufweist und einen ähnlichen hohen Umsatz wie der Bereich der Festnetztelefonie.

   Der Wettbewerb hat aber nicht nur zu Preissenkungen, sondern auch zu deutlichen Qualitätssteigerungen und einer Vielzahl von Innovationen wie DSL, WLAN oder UMTS geführt. Diese Entwicklung wäre ohne die Postreformen der letzten 15 Jahre nicht möglich gewesen. Ich möchte an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die Entscheidungen sowohl zur Privatisierung als auch zur Marktöffnung in der Telekommunikation jeweils mit breiter parlamentarischer Mehrheit getroffen wurden.

(Beifall des Abg. Rainer Funke (FDP))

Das derzeitige Telekommunikationsgesetz und die darauf aufsetzende Arbeit der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post boten eine hervorragende Grundlage für die Transformation der früheren Monopole in Wettbewerbsmärkte. Vor diesem Hintergrund wären weitreichende Änderungen des aktuellen Ordnungsrahmens eigentlich nicht erforderlich gewesen. EU-rechtliche Vorgaben - insgesamt fünf Richtlinien - haben uns allerdings dazu gezwungen, den Rechtsrahmen insgesamt zu überarbeiten.

   Von zentraler Bedeutung war für uns neben der Umsetzung europäischen Rechts die Berücksichtigung der tatsächlichen Marktentwicklungen und der Erfahrungen, die wir mit den konkreten Regulierungsprozessen im Laufe der letzten fünf, sechs Jahre gemacht haben. Vieles hat sich anders entwickelt, als man dies Mitte der 90er-Jahre angenommen hat. Das ist ein Umstand, aus dem ebenfalls Änderungsbedarf resultierte.

   Unser Ziel war es, neben der Umsetzung der Richtlinien die gesetzlichen Vorgaben mit Blick auf die Erfordernisse des Marktes zu optimieren. Vor diesem Hintergrund wurde ein transparenter, intensiver und sehr konstruktiver Dialog mit der gesamten Branche geführt, was Hauptursache für die Überschreitung der Umsetzungsfristen der Richtlinien war. Allerdings kann sich das Ergebnis dieses Diskussionsprozesses meines Erachtens sehr wohl sehen lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir haben nicht nur die Richtlinienvorgaben in vernünftiger Weise umgesetzt, sondern auch sehr genau darauf geachtet, dass den tatsächlichen Wettbewerbsentwicklungen wie auch dem konkreten Regulierungsbedarf angemessen Rechnung getragen wird. Ich denke, dass dies trotz Kritik an einzelnen Punkten von den allermeisten Marktbeteiligten und auch in weiten Teilen der Politik so gesehen wird.

   Auch wenn jetzt noch ein paar Punkte umstritten sind, sollten wir die erzielten Übereinstimmungen nicht außer Acht lassen. Wir haben uns den Antrag der CDU/CSU-Fraktion sehr genau angeschaut und festgestellt, wie viele Übereinstimmungen es in der Zwischenzeit auch mit Blick auf Ihre Fraktion gegeben hat. So sind in dem TKG-Entwurf die Forderungen nach einer entschiedenen Ex-ante-Regulierung von Vorleistungen, einer chancengleichen Behandlung von Infrastruktur- und Dienstewettbewerb im Festnetz und im Mobilfunk, einem Konsistenzgebot für die Entgeltregulierung, einer effektiven Sanktionsmöglichkeit bei missbräuchlichem Verhalten und einer Vermeidung von Überregulierung im Mobilfunk und auf neuen Märkten enthalten.

   Hier wurden meines Erachtens bereits mit dem Regierungsentwurf vom 15. Oktober 2003 ganz wesentliche Übereinstimmungen hergestellt; andere Punkte wurden im Anschluss an die Bundesratsstellungnahme klarer gefasst. So wird die Frage, welche Bereiche der sektorspezifischen Regulierung unterliegen und welche dem allgemeinen Wettbewerbsrecht, nun ausschließlich anhand der in der EU-Kommissionsempfehlung enthaltenen Kriterien geprüft.

Der umstrittene Begriff des funktionsfähigen Wettbewerbs wird im Telekommunikationsgesetz nicht mehr verwendet. Durch die Neufassung der §§ 18 bis 20 - hier geht es um die Vorleistungsregulierung - wird deutlicher als bisher herausgestellt, dass die Regulierungsbehörde einen großen Ermessensspielraum hinsichtlich der Regulierungsintensität hat. Die Inkassovorschrift wurde in den letzten Tagen aufgrund eines Kompromisses der Marktparteien neu gefasst. Aufgenommen wurde die so genannte Gleichzeitigkeitsregel, die sicherstellt, dass das marktmächtige Unternehmen Wettbewerbern wesentliche Vorleistungen rechtzeitig zur Verfügung stellt, spätestens mit Einführung eigener Endkundenprodukte. Klargestellt wurde weiter, dass das Initiativrecht für konkrete Entgeltanträge im Fall der Auferlegung von Tarifsystemen durch die Regulierungsbehörde weiterhin beim regulierten Unternehmen verbleibt.

   Sicher, es gibt einige nicht berücksichtigte Vorschläge, zum Beispiel bezüglich der Antragsrechte, der Mehrerlösabschöpfung und der Gerichtszuständigkeiten. Gleichwohl glaube ich, dass wir uns am Ende unserer Diskussionen außerordentlich nahe gekommen sind. Ich wünsche mir sehr, dass die Opposition den entscheidenden Schritt macht und einem in sich guten Gesetz ihre Zustimmung nicht verwehrt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie sollten diese Entscheidung treffen. Ich denke, sie würde dem Wirtschaftsstandort Deutschland und der gesamten außerordentlich zukunftsorientierten Branche - das habe ich vorhin geschildert - mehr als helfen. Ich bitte Sie, dies noch einmal sehr intensiv zu reflektieren.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegin Martina Krogmann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Vertreter der Bundesregierung hat gerade gesagt, der Gesetzentwurf könne sich sehr wohl sehen lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dazu kann ich nur sagen: Diese Mittelmäßigkeit ist nicht unser Anspruch.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen ein gutes Gesetz, von dem ein klares Signal für Wettbewerb ausgeht.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Dann brauchen Sie jetzt nur noch zustimmen!)

Das schaffen Sie mit diesem Gesetz ausdrücklich nicht. Deshalb können wir ihm nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Leider wahr!)

   Eine der wichtigsten Voraussetzungen für Wettbewerb sind klare Regeln. Auf diese klaren Regeln in einem neuen Telekommunikationsgesetz warten die Unternehmen jetzt seit einem Jahr. Ein Jahr lang haben Sie nur diskutiert und dabei sogar die Frist der EU verstreichen lassen. Wenn Ihnen die Branche wirklich so wichtig wäre, wie Sie das gerade behauptet haben, dann hätten Sie schnell Rechtssicherheit schaffen müssen.

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Sehr richtig!)

Stattdessen haben Sie in der Branche, in der zehn Monate wie zehn Jahre wirken, kostbare Zeit einfach vergeudet.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Leider wahr!)

   In der vergangenen Woche ist bei Ihnen dann finale Hektik ausgebrochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Torschlusspanik!)

In den letzten fünf Tagen erschienen drei Synopsen mit jeweils 150 Seiten, wobei eine Änderung die nächste jagte. Herausgekommen ist ein unausgegorenes Gesetz, durch das der Wettbewerb behindert wird. Deshalb lehnen wir dieses Gesetz ab.

(Beifall bei der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das hatten wir schon! - Klaus Brandner (SPD): Das, was Sie hier vortragen, ist nicht schlüssig! - Hubertus Heil (SPD): Wollen Sie nun Änderungen oder nicht?)

Wir wollen ein Gesetz, das Monopole knackt werden, Wettbewerb stärkt und Regulierung so schnell wie möglich überflüssig macht.

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Sehr richtig!)

   Die Telekommunikationsbranche ist von zentraler Bedeutung für unsere gesamte Volkswirtschaft. Sie ist Wachstumsmotor und Treiber für Innovationen. 350 000 Menschen arbeiten in diesem Sektor. Er erstreckt sich vom Bereich Festnetz über die Bereiche Mobilfunk, Multimedia und Internet bis hin zum kleinsten Softwareunternehmen, das Klingeltöne für Ihre Handys entwickelt. Das TKG betrifft sie alle.

   Im vergangenen Jahr sind allein im engeren Bereich der Telekommunikation 64 Milliarden Euro umgesetzt worden. Jetzt stehen weitere Investitionen in Milliardenhöhe an. Denken wir an den Breitbandbereich oder an neue Mobilfunksysteme. Deshalb brauchen wir gerade in der jetzigen wirtschaftlichen Situation ein Telekommunikationsgesetz, von dem ein klares Signal für Wettbewerb, Investitionen und Innovationen ausgeht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Funke (FDP) - Klaus Brandner (SPD): Genau das leisten wir mit diesem Gesetz!)

   Dabei müssen wir zwei Märkte im Blick haben, den deutschen Markt und den internationalen Markt.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Sag bloß!)

Ziel auf dem deutschen Markt ist es, so schnell wie möglich den Übergang vom ehemaligen Monopol zum nachhaltigen Wettbewerb zu schaffen.

(Klaus Brandner (SPD): Was soll uns das sagen?)

Wettbewerb nützt allen, nicht als Selbstzweck oder als Ziel an sich, sondern als das beste Instrument in unserer sozialen Marktwirtschaft, um Dynamik zu erzeugen, Innovationen zu fördern und vor allem für den Verbraucher die besten Produkte zu den günstigsten Preisen herzustellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Der andere Markt, den wir betrachten, ist der internationale, der globale Markt. Nur ein deutsches Unternehmen ist ein Globalplayer, die Telekom. Natürlich dürfen wir diesem Unternehmen nicht durch nationale Gesetze Fesseln anlegen, die andere Unternehmen auf den Weltmärkten nicht haben. Wir müssen unserem Globalplayer im internationalen Wettbewerb faire Chancen erschließen.

(Beifall des Abg. Erich G. Fritz (CDU/CSU))

   Für ein gutes Telekommunikationsgesetz müssen wir stets beide Märkte im Blick haben. Wir wollen starke Unternehmen, die investieren und Arbeitsplätze schaffen. Mit dem Gesetzentwurf der Bundesregierung können wir diese Ziele nicht erreichen. Der Gesetzentwurf ist unausgegoren und behindert Wettbewerb.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie der Abg. Gisela Piltz (FDP))

   Ich will unsere Hauptkritikpunkte nennen. Als Erstes möchte ich den mangelnden Rechtsschutz für kleinere und neue Unternehmen anführen. Kleine Unternehmen müssen die Chance erhalten, sich gegen Wettbewerbsverzerrungen und unfaire Praktiken wehren zu können.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das wäre schön!)

Deshalb müssen wir ihnen so etwas wie ein Klagerecht bei der Regulierungsbehörde geben, um Verfahren einzuleiten. Die Bundesregierung will, dass die Einleitung dieser Wettbewerbskontrolle ausschließlich im Belieben des Regulierers steht.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Unglaublich!)

Das ist aus unserer Sicht ein falscher und gefährlicher Weg.

(Beifall des Abg. Peter Hintze (CDU/CSU))

   Stellen Sie sich vor, Sie haben ein kleines Unternehmen und bemerken, dass ein Marktbeherrscher mit Dumpingpreisen auf den Markt drängt. Laut Gesetzentwurf müssen Sie dies hinnehmen und warten, ob und wann die Regulierungsbehörde dies prüft und eventuell einschreitet.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Allergnädigst!)

Wir fordern zur Stärkung des Wettbewerbs zwingend Antragsrechte für Unternehmen bei Marktmissbrauch. Es kann doch nicht sein, dass Unternehmen dem puren Ermessen der Regulierungsbehörde auf Gedeih und Verderb ausgeliefert sind und sogar tatenlos zusehen müssen, wenn ihr eigenes Unternehmen wettbewerbswidrig vom Markt gefegt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Eigentlich sollte man meinen, die Gewährung von Antragsrechten sei eine Selbstverständlichkeit.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist im Prinzip ein Menschenrecht!)

Das war es auch, bis der Gesetzentwurf das Bundeswirtschaftsministerium verließ und unserem Finanzminister, Herrn Eichel, in die Hände fiel. Er hat kurzerhand die Antragsrechte herausgestrichen, die von Herrn Clement im Gesetzentwurf richtigerweise ausdrücklich vorgesehen waren.

(Klaus Brandner (SPD): Vergiftetes Lob!)

Ich finde es tragisch, dass der Finanzminister als größter Aktionär der Telekom die Grundrichtung unserer Telekommunikationspolitik bestimmt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Gute Wirtschaftspolitik hat sich an den Erfordernissen des Marktes zu orientieren, nicht an den Begehrlichkeiten unseres Finanzministers.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Erich G. Fritz (CDU/CSU): So geht das mit Clement doch immer! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie haben das irgendwie nicht ganz richtig erfasst!)

   Wir fordern effektive Sanktionsmöglichkeiten bei Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Für die Preise, die wir für Telekommunikationsdienstleistungen zahlen, also für das Telefonieren und das Surfen im Internet, soll die Vorabregulierung weitestgehend entfallen. Wir unterstützen das. Regulierung muss da, wo es möglich ist, wegfallen. Wir wollen keine Überregulierung. Damit aber der Wettbewerb gestärkt wird, brauchen wir scharfe Sanktionsmechanismen. Ein marktbeherrschendes Unternehmen darf erst gar nicht auf die Idee kommen, einen Mitbewerber vom Markt zu drängen. Das heißt, wer seine Marktmacht missbraucht, darf dafür finanziell nicht auch noch belohnt werden.

   Die Sanktionsmechanismen, die die Bundesregierung vorsieht, sind unzureichend. Sie laden marktbeherrschende Unternehmen geradezu ein, sich missbräuchlich zu verhalten. Wir fordern, dass alle missbräuchlich erwirtschafteten Erlöse zwingend und rückwirkend abgeschöpft werden. Außerdem müssen die Bußgelder so hoch angesetzt werden, dass sie tatsächlich abschreckend wirken. Wir wollen Marktmissbrauch von vornherein unterbunden wissen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir brauchen eine faire Balance zwischen Infrastruktur und Dienstewettbewerb. Der Gesetzgeber darf sich nicht zum Richter über bestimmte Geschäftsmodelle machen. Das entscheidet allein der Markt. Klar ist: Infrastrukturinvestitionen sind die Voraussetzung für Wettbewerb und technologische Innovation. Dort, wo Infrastrukturinvestitionen volkswirtschaftlich keinen Sinn machen, also in der Fläche, müssen die Voraussetzungen für Dienstewettbewerb geschaffen werden.

   Auch nach sechs Jahren Liberalisierung hält die Telekom immer noch 95 Prozent aller Anschlüsse. Wettbewerb findet hier praktisch nicht statt. Das ist nicht die Schuld der Telekom, sondern das ist unser Versäumnis. Wir haben es als Gesetzgeber in der Hand, die Weitervermietung der bestehenden Anschlüsse gesetzlich zu regeln und so auch bei den Anschlüssen Wettbewerb zu ermöglichen. Das Instrument dafür heißt Resale.

(Beifall des Abg. Manfred Grund (CDU/CSU))

Resale ist die Möglichkeit, Anschlüsse der Telekom zu einem von der Regulierungsbehörde festgelegten Preis zu mieten und an eigene Kunden zusammen mit anderen Dienstleistungen weiterzuverkaufen. Das ist also ein ganz normaler wirtschaftlicher Vorgang. Entscheidend ist natürlich der Preis.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Das hätten wir jetzt nicht gedacht!)

Der Preis muss so festgesetzt sein, dass Anreize für Investitionen in Infrastruktur erhalten bleiben.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sensationelle Erkenntnis!)

Wenn das sichergestellt ist, haben wir Wettbewerb auf allen Wertschöpfungsstufen, sowohl im Infrastrukturbereich als auch im Dienstebereich.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Bundesregierung will nun aber die Unternehmen zwingen, zusätzlich zum Anschluss gleichzeitig Verbindungsleistungen bei der Telekom zu kaufen. Den Anschluss gibt es also nur im Paket. Viele Unternehmen brauchen diese Verbindungsleistung aber gar nicht, weil sie sie selber erbringen.

(Hubertus Heil (SPD): Reden Sie mal mit Bayern darüber! Herr Singhammer!)

Sie kennen das: Sie sind im Baumarkt und brauchen eigentlich nur eine einzige Schraube, müssen aber gleich das ganze Sortiment kaufen. Da wird das Schräubchen manchmal ganz schön teuer.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Das nennt man Marktwirtschaft!)

Die Bundesregierung aber will so ein Sortiment. Sie will, dass Unternehmen, die nur den Anschluss kaufen wollen, zwangsweise etwas dazukaufen müssen, was sie nicht wollen, weil sie es schon haben. Da kann ich nur sagen: Mit einer solchen Wettbewerbsphilosophie werden wir nie weiterkommen. Wir brauchen aber endlich Wettbewerb auch bei den Anschlüssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Einige Verbesserungen gibt es in Ihrem Gesetzentwurf.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ehrlich?)

Auf Druck der Union und der EU-Kommission haben Sie einige Begrifflichkeiten und Definitionen, die ganz offensichtlich gegen EU-Recht verstoßen haben, korrigiert. Wir freuen uns, dass Sie unsere Forderung aufgenommen haben, „weiche“ Instrumente, die gerade für den Mobilfunk wichtig sind, explizit im Gesetz zu verankern. Ich habe jetzt nur Zweifel, ob wirklich bereits alle „weichen“ Instrumente - ich denke an das Vergleichsmarktprinzip - explizit im Gesetz enthalten sind. Dies ist von zentraler Bedeutung für den Mobilfunk.

   Beim Mobilfunk sollten Sie besonders sorgfältig sein; denn hier haben Sie, wie ich finde, einiges gutzumachen. Schließlich war es Herr Eichel, der in Deutschland eine Versteigerung der UMTS-Lizenzen provoziert hat,

(Hubertus Heil (SPD): Nein, das haben wir gemeinsam ins Gesetz geschrieben!)

und zwar mit den weltweit höchsten Gebühren von insgesamt 51 Milliarden Euro.

(Klaus Brandner (SPD): Was hat das mit Marktwirtschaft zu tun? - Weiterer Zuruf von der SPD: Keiner hat sie dazu gezwungen!)

Inzwischen wissen alle, dass diese Art der Versteigerung ein Riesenfehler war.

(Beifall bei der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wir haben doch Verträge abgeschlossen!)

Die Mobilfunkunternehmen werden von der horrenden Schuldenlast fast erdrückt. Das müsste Ihnen von der SPD auch mit begrenztem ökonomischen Sachverstand deutlich werden.

(Zuruf von der SPD: Jetzt werden Sie unverschämt!)

Ein Unternehmen hat die Lizenz bereits zurückgegeben. Ein zweites steht praktisch vor dem Aus.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Kriegen die das Geld wieder?)

Der Aufbau der Netze für die so genannte dritte Generation des mobilen Internet gerät ins Stocken. Auch in diesem Zukunftsbereich drohen wir in Deutschland im internationalen Vergleich wieder einmal zurückzufallen. Deshalb müssen wir im Telekommunikationsgesetz jetzt dafür sorgen, dass der Mobilfunk nicht in das gleiche starre Korsett gezwungen wird wie das Festnetz.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Genau!)

Der Mobilfunk braucht Flexibilität und keine Überregulierung.

   Der nächste Punkt betrifft das Regulierungsverfahren. Die EU-Richtlinien sehen einen großen Ermessensspielraum für die Regulierungsbehörde beim Einsatz ihrer Instrumente vor. Das ist gut so. Der Regulierer kann flexibler reagieren und er ist näher am Markt als der Gesetzgeber.

   Ein großer Ermessensspielraum muss zwingend eine größere politische Unabhängigkeit des Regulierers nach sich ziehen. Sonst haben die Unternehmen kein Vertrauen in die Entscheidungen der Behörde. Ohne Vertrauen werden sie aber nicht investieren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Dieses Vertrauen wird allerdings massiv untergraben, wenn der Bundeswirtschaftsminister das Recht hat, politische Einzelweisungen zu erteilen. Wir wollen die politische Unabhängigkeit der Regulierungsbehörde und transparente Verfahren. Einzelweisungen des Bundeswirtschaftsministers lehnen wir entschieden ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Der letzte Hauptkritikpunkt betrifft den Rechtsweg. Wir meinen, dass die gerichtlichen Entscheidungen dort getroffen werden sollen, wo seit jeher wettbewerbsrechtliche Streitigkeiten ausgetragen werden: bei den Kartellgerichten. Die Bundesregierung will aber ein auf zwei Instanzen verkürztes Verwaltungsgerichtsverfahren. Das ist ein problematischer Sonderrechtsweg für die Regulierung. Er ist zudem völlig unnötig.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Warum?)

Der kurze Kartellrechtsweg von den Oberlandesgerichten direkt zum Bundesgerichtshof ist etabliert und bewährt. Die Bundesregierung trägt durch die Einführung eines Sonderverwaltungsrechtswegs für die TK-Regulierung

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Schon das Wort!)

zur weiteren Verkomplizierung unseres Rechtssystems bei. Wir halten das für falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir als Unionsfraktion wollen die gerichtlichen Verfahren in Deutschland einfacher, schneller und überschaubarer machen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): Wir auch! - Klaus Brandner (SPD): Wir wollen sie überflüssig machen!)

   Beim TKG stehen wir am Scheideweg: Wollen wir weniger oder mehr Wettbewerb, weniger oder mehr Innovationen, weniger oder mehr Arbeitsplätze?

(Hubertus Heil (SPD): Weniger oder mehr Sachverstand!)

Wir sind für mehr Wettbewerb, mehr Innovationen, mehr Arbeitsplätze. Das alles schafft der Gesetzentwurf nicht. Deshalb lehnen wir ihn ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun die Kollegin Michaele Hustedt, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Michaele Hustedt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Verehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Meine beiden Vorredner haben es bereits festgestellt - darin sind wir uns einig -: Diese Branche ist ein Motor für die gesamte Volkswirtschaft. Ihre Weiterentwicklung ist die Voraussetzung dafür, dass die Verbraucher, aber vor allen Dingen auch die Industrie in der globalisierten Weltwirtschaft miteinander kommunizieren können. So wie die Dampfmaschine die Initialzündung für die Industrialisierung bedeutete, so ist die Telekommunikation die Technologie, die mit der Globalisierung einhergeht.

   Deswegen ist festzuhalten - das sollte auch deutlich gemacht werden, weil in Deutschland sehr viel gejammert wird -, dass die Überführung des Exmonopolmarktes in einen Wettbewerbsmarkt bisher recht gut gelungen ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Es sind Arbeitsplätze und Innovationen geschaffen worden. Sie hat zu sinkenden Verbraucherpreisen geführt und die Einführung neuer Technologien bei den Bürgern mit sich gebracht. Das ist - das möchte ich in aller Deutlichkeit festhalten - eine Erfolgsgeschichte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Diese Erfolgsgeschichte wollen wir mit dem Gesetzentwurf zur Telekommunikationsregulierung fortsetzen. Dafür müssen wir das Gesetz an die veränderten Rahmenbedingungen anpassen. Regulierung ist für uns ein Instrument; sie ist kein Ziel. Unser Ziel ist, dass hochwertige Dienstleistungen und Produkte effizient bereitgestellt werden. Deswegen muss die Regulierung regelmäßig darauf überprüft werden, ob sie noch notwendig ist, und gegebenenfalls zurückgefahren werden. Das machen wir mit der TKG-Novelle. Wir führen die Regulierung dort zurück, wo inzwischen Gott sei Dank ein funktionierender Wettbewerb herrscht. Damit verliert die Regulierung gleichzeitig an Starrheit. Wir führen mehr Flexibilisierung in der Regulierung ein. Das bedeutet auch mehr Gestaltungsfreiräume für die Behörde.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich halte das für einen absolut richtigen Weg. Der Kerngedanke ist in dem Gesetzentwurf verankert.

   Für uns Grüne waren dabei drei Gesichtspunkte von zentraler Bedeutung: erstens die Weiterentwicklung des Wettbewerbs, zweitens der Datenschutz und drittens der Verbraucherschutz. XXXXX

Unter Berücksichtigung dieser drei Gesichtspunkte haben wir den vorliegenden Gesetzentwurf erarbeitet. Wenn wir demnächst über das Energiewirtschaftsgesetz beraten und den Tätigkeitsbereich der Regulierungsbehörde ausweiten, sollten wir meiner Meinung nach den Namen „Regulierungsbehörde“ in „Wettbewerbsbehörde“ ändern; denn unser Ziel ist nicht Regulierung - diese wollen wir weitestgehend zurückfahren -, sondern Wettbewerb. Das sollte sich auch im Namen widerspiegeln.

(Rainer Funke (FDP): Aber auch im Gesetz!)

- Im Gesetz natürlich auch. - Ich weiß, dies bedeutet, dass sich die Betroffenen umgewöhnen müssen. Aber ich glaube, die Beratungen über das Energiewirtschaftsgesetz sind ein guter Zeitpunkt für diese Namensänderung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir verbessern den Wettbewerb deutlich, weil es gleichzeitig - das haben wir durchgesetzt - eine Bereitstellung der Vorleistung geben muss.

(Beifall des Abg. Hubertus Heil (SPD))

Das bedeutet, dass das Entstehen neuer Monopole auf den Endkundenmärkten verhindert wird, wenn neue Produkte eingeführt werden. Das ist eine deutliche Verbesserung in Richtung mehr Wettbewerb. Ich finde übrigens, Frau Krogmann, dass die Beschleunigung des Rechtsverfahrens ein substanzieller, positiver Beitrag zur Weiterentwicklung des Wettbewerbs ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Denn lange Rechtswege bedeuten, dass der Kläger lange warten muss, bis er Recht bekommt, dass dann die Betroffenen unter Umständen nicht mehr am Markt sind und dass sich Investitionen nicht mehr lohnen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist Zivilrecht!)

Die Verkürzung des Rechtswegs ist also ein deutlicher Beitrag zur Stärkung des Wettbewerbs.

   Zum Resale: In Bezug auf diesen Punkt neige ich der Meinung der Opposition zu. Die Grünen haben sich hier nicht durchgesetzt. Allerdings ist das kein Schwarz-Weiß-Thema. Hier muss zwischen Infrastrukturwettbewerb und Dienstleistungswettbewerb abgewogen werden. Ich persönlich glaube, dass ein guter Dienstleistungswettbewerb auch viele Anstöße für Investitionen in die Infrastruktur gibt. Daher wäre ein entbündeltes Resale besser. Wir haben uns aber, wie gesagt, nicht durchsetzen können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Genau! Mehr Mut!)

- Sie, die Sie jetzt geklatscht haben, sollten bedenken, dass nicht alle Ihre Kolleginnen und Kollegen Ihre Auffassung teilen. Herr Singhammer hat zum Beispiel nicht geklatscht. Das zeigt, dass Ihre Fraktion auch in dieser Frage gespalten ist. Ich werde haargenau verfolgen, ob Sie diesen Punkt im Bundesrat, in dem Sie die Mehrheit haben, durchsetzen werden. Meine Prophezeiung ist, dass Sie es nicht schaffen werden. Das dürfte dann der Beleg dafür sein, dass Frau Krogmann hier die Backen ohne Unterstützung ihrer eigenen Fraktion aufgeblasen hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Zum Datenschutz: Dieser ist für uns von zentraler Bedeutung. Beim Datenschutz muss man zwischen dem Schutz der Bürger sowie Sicherheits- und Wirtschaftsinteressen abwägen. Hier war der Regierungsentwurf deutlich über das Ziel hinausgeschossen. Wir, die Fraktion des Bündnisses 90/ Die Grünen, sind der Meinung, dass es in diesem Bereich keine Verschärfung geben sollte, und haben deshalb einiges zurückgenommen. Entscheidend ist, dass wir einen Paradigmenwechsel wollen. Wir wollen, dass sich derjenige, der zum Beispiel das Abfragen oder die Speicherung von Daten beauftragt, an der Finanzierung beteiligt. Das ist das entscheidende Instrument, um die Hemmungslosigkeit der Innenminister ein bisschen zu bremsen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Da ist etwas Wahres dran!)

Wir werden dafür eine entsprechende Verordnung erlassen.

   Liebe Opposition, wir sind uns einig, dass das, was wir im Hinblick auf den Datenschutz vorgesehen haben, keine unzumutbare Belastung für die Wirtschaftsunternehmen bedeutet. Sie haben ja behauptet, dabei gehe es um Hunderte von Millionen. Ich fordere Sie auf: Setzen Sie das auch bei Ihren Innenministern durch und sorgen Sie im Vermittlungsverfahren dafür, dass dieser Punkt nicht aus dem Gesetzentwurf gestrichen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Da wir dem Frieden nicht trauen, haben wir einige Unterpunkte deutlich entschärft. Wir haben das Fernmeldegeheimnis auf PIN, PUK und Passwort ausgeweitet. Wir haben des Weiteren auf eine Identifikationspflicht bei Prepaid verzichtet sowie Hotels und Krankenhäuser von der Verpflichtung entbunden, Vorrichtungen zur Datenüberwachung vorzuhalten. Das wäre in der Tat unzumutbar gewesen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das betrifft auch die Entschärfung der Jokerabfrage.

   Wenn Sie im Vermittlungsverfahren diese Punkte aus dem Gesetzentwurf herausstreichen, dann werden Sie zu verantworten haben, dass unzumutbare Belastungen auf die Bürger zukommen.

   Letzter Punkt: Verbraucherschutz. Das ist für uns ein zentrales Thema. Wir haben auch in diesem Bereich einiges durchgesetzt: Es gibt weiterhin eine Rechnung; der Schutz vor Missbrauch bei Mehrwertdiensten wird deutlich verbessert - es gibt einen Schutz für Kinder, für Jugendliche, aber auch für Erwachsene -; wir haben eine Preisansagepflicht bei allen Mehrwertdienstleistungen und die Verbandsklage durchgesetzt. Zeitnah wird eine Kundenschutzverordnung mit diesen Punkten erarbeitet, der auch der Bundestag zustimmen muss; wir sind daran beteiligt.

   Ganz besonders wichtig sind mir die Belange der Gehörlosen. In anderen Ländern ist es selbstverständlich, dass auch die Gehörlosen am Sprachtelefondienst teilhaben können. Diese Selbstverständlichkeit wollen wir auch in Deutschland erreichen. Wir müssen auch an die Menschen denken, die eben nicht jederzeit alles können: Wenn ein Gehörloser beim Arzt einen Termin vereinbaren will, dann kann er das nicht per SMS oder per Internet machen.

   Wir haben dieses Problem jetzt durch einen Kompromiss mit der Telekom gelöst: Es findet über circa fünf Jahre eine Pilotphase statt, in der den Gehörlosen diese Technologie - die Dolmetscherdienste - bereitgestellt wird, und zwar unentgeltlich. Wir haben hier Gott sei Dank einen parteiübergreifenden, gemeinsamen Antrag gestellt, in dem wir Folgendes deutlich machen: Wir gehen davon aus, dass dieses Angebot nach Ablauf der fünf Jahre weitergeführt und dass dann die Verpflichtung in geltendes Recht überführt wird. Ich finde das gut. Ich meine, wir sollten fest versprechen, dass das unumkehrbar ist: Gehörlose müssen ab sofort auch in Deutschland an diesen Diensten teilhaben können.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Rainer Funke, FDP-Fraktion, das Wort.

(Hubertus Heil (SPD): Herr Funke, wollen Sie artig bleiben!)

Rainer Funke (FDP):

Das, glaube ich, wird mir gelingen. - Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Das heute zu beratende Telekommunikationsgesetz soll den Rahmen für anstehende Milliardeninvestitionen in einer der bedeutendsten Zukunftsbranchen unseres Landes darstellen. Angesichts der Bedeutung dieses Gesetzes ist es allerdings für einen Parlamentarier, Herr Kollege Heil, geradezu erschreckend, wie wenig Respekt die Regierungsfraktionen dem Parlament und damit dem Gesetzgeber entgegenbringen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Leider nicht zum ersten Mal!)

   Ich bin fest davon überzeugt: Hätte es, wie es eigentlich auch verabredet war, anständige parlamentarische Beratungen gegeben - wir wollten in den Berichterstattergesprächen die einzelnen Themen sauber abarbeiten -, hätten wir noch viele Schwächen des Gesetzes gemeinsam ausräumen können. Der gemeinsame Entschließungsantrag - Frau Kollegin Hustedt hat das eben erwähnt - und die gemeinsam getragenen Verbesserungen bei der zeitgleichen Bereitstellung von Vorleistungen zeigen, dass das mit den handelnden Personen funktioniert hätte.

   Während die Regierung fast ein Jahr für die interne Abstimmung benötigt hat und sich der Bundesrat dann mehrere Monate Zeit für eine Stellungnahme erbeten hat, wollen die Regierungsfraktionen die verplemperte Zeit im Parlament anscheinend im Schweinsgalopp wieder aufholen. Das Ergebnis ist eine unbefriedigende TKG-Novelle.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die FDP wird dem Gesetz deshalb nicht zustimmen.

   Lassen Sie mich vier wesentliche Gründe für unsere ablehnende Haltung anführen:

   Erstens. Wir lehnen das Einzelweisungsrecht, das die Bundesregierung in das Gesetz geschrieben hat, strikt ab. Es stellt einen Bruch mit allen wettbewerbsrechtlichen Traditionen der Nachkriegsgeschichte dar.

(Beifall bei der FDP)

Welchen Sinn hat ein solches Recht für das Ministerium, wenn es nicht darum geht, dass der Bund aufgrund seiner fiskalischen Interessen Einfluss auf die Entscheidungen der Regulierungsbehörde nehmen will?

(Hubertus Heil (SPD): Eine Unterstellung!)

Mit dieser Einflussnahme auf eine Wettbewerbsbehörde wird der wettbewerbsfeindlichen Haltung dieser Regierung die Krone aufgesetzt. Die Bundesrepublik ist ja noch mit 43 Prozent an der Deutschen Telekom AG, also an einem Globalplayer, beteiligt.

   Zweitens. Wir lehnen das von den Regierungsfraktionen offenkundig mit der Deutschen Telekom ausgehandelte gebündelte Resale ab. Damit wird die Quasimonopolstellung des ehemaligen Staatsunternehmens im Anschlussbereich zementiert. XXXXX

Mit einer solchen Regelung, die ja auch europarechtlich auf tönernen Füßen steht und hinter die Spruchpraxis der Regulierungsbehörde zurückfällt, ersetzen Sie von den Koalitionsfraktionen Wettbewerbspolitik durch Industriepolitik,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

und zwar durch Industriepolitik der schlimmen Art, wie wir sie noch in den 70er-Jahren erlebt haben. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen. Sachlich notwendig ist eine klare Vorgabe für entbündeltes, nicht konditioniertes Resale, verbunden mit einer konsistenten Entgeltregulierung.

   Drittens. Wir können dieser Regierung keine europarechtswidrigen Regelungen durchgehen lassen. So hat der Parlamentarische Staatssekretär Staffelt noch am letzten Mittwoch im Wirtschaftsausschuss bestätigt, dass es zum Beispiel bei den §§ 9, 10, 19 und 28 augenscheinlich unterschiedliche Rechtsauffassungen zwischen der Bundesregierung und der Europäischen Kommission gibt.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Legal - illegal - Rot-Grün! - Hubertus Heil (SPD): Das hat er nicht gesagt!)

Wenn die EU-Kommission der Meinung sei, so hat er dann ausgeführt, die Umsetzung dieser Sachverhalte sei nicht richtlinienkonform, dann solle sie eben klagen. Damit wird aber weitere Verunsicherung in die Branche hineingetragen, was dann wiederum zu Investitionszurückhaltung führen kann. Das ist rechtlich heikel und ökonomisch verantwortungslos. Das machen wenigstens wir nicht mit. Wenn es Zweifel an der Europatauglichkeit gibt, dann - das müssen wir uns vor Augen führen - ist es am einfachsten, die Richtlinie eins zu eins umzusetzen. Das haben Sie nicht getan.

   Vierter Punkt. Wir sind klar und entschieden für eine Verlagerung des Rechtsweges von den Verwaltungsgerichten zu den Kartellgerichten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

Nur damit setzen wir konsequent die Zielvorgabe um, die Telekommunikationsbranche vom wettbewerblichen Ausnahmebereich ins allgemeine Wettbewerbsrecht zu überführen. Ein Rechtswegewechsel strafft das Verfahren, ohne den Rechtsschutz einzuschränken, und ist zudem der passgenauere Weg, um die Regulierungsbehörde bei der Schaffung und Bewahrung von Wettbewerb auch rechtlich zu begleiten.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): So ist es!)

Über diesen Punkt waren eigentlich alle Fraktionen einer Meinung. Die Koalitionsfraktionen sind dann umgefallen und haben den alten, nicht ganz richtigen Weg über die Verwaltungsgerichte eingeschlagen.

(Hubertus Heil (SPD): Nein! Wir sind anderer Meinung als Sie!)

Ich halte das nach wie vor für falsch. Außerdem haben Sie noch eine Rechtswegverkürzung eingeführt. Das ist in einem Rechtsstaat, erst recht, wenn es um hohe Millionen- oder gar Milliardenbeträge geht, nicht zu verantworten.

   Meine Damen und Herren, ich bedauere es sehr, dass wir die Branche weiter im Unklaren lassen. Angesichts dessen, was die Regierung und die sie tragenden Fraktionen uns hier vorgelegt haben, ist eines klar: Wir sehen uns im Vermittlungsausschuss wieder. Man könnte den Ausspruch anführen: Bei Philippi sehen wir uns wieder. Auf Wiedersehen!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Michael Bürsch (SPD): Wer ist Philippi?)

- Ich glaube Ihnen sogar, dass Sie das nicht wissen.

(Dr. Michael Bürsch (SPD): Ich habe das große Latinum! Vorsicht!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Hubertus Heil, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Hubertus Heil (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich zu den Inhalten meiner Rede komme, habe ich als Berichterstatter Folgendes vorzutragen. Das Ausschusssekretariat des Wirtschaftsausschusses bittet um Berichtigung folgender Passage in der Beschlussempfehlung, die bei der Übermittlung nicht richtig wiedergegeben wurde: Im Entwurf des § 29 Abs. 4 Nr. 3 TKG-Entwurf ist das zweite Wort „langfristigen“ vor dem Wort „Erfordernisse“ zu streichen. Der vollständige Text von § 29 Abs. 4 Nr. 3 hat nach der Korrektur folgenden Wortlaut:

3. die Erfordernisse hinsichtlich der Rendite für das eingesetzte Eigenkapital, wobei auch die leistungsspezifischen Risiken des eingesetzten Eigenkapitals gewürdigt werden können, und

Herzlichen Dank, Herr Präsident; wenn ich Ihnen das überreichen darf.

(Peter Hintze (CDU/CSU): Was ist das?)

- Das ist ein übliches Verfahren, Herr Kollege. Sie haben sich mit Ihrer Berichterstatterkollegin unterhalten. Es kann passieren, dass das Ausschusssekretariat Fehler macht; Menschen machen Fehler. Es ist kein Fehler der Regierung oder unserer Fraktion. Ich bitte um ein bisschen mehr Respekt vor den Mitarbeitern des Bundestages.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Peter Hintze (CDU/CSU): Woher wissen wir denn, dass das nicht wieder ein Fehler ist?)

- Ach, Herr Hintze, Sie sind ja für Qualität berüchtigt.

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Allerdings! Herr Hintze steht für gute Qualität! Für höchste Qualität, für Spitzenqualität!)

- Okay, vielleicht auf irgendeiner Insel in der Nordsee, wie Sie einmal gesagt haben, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, Herr Hintze.

   Wir sprechen heute über die Telekommunikationsbranche. Die Telekommunikationsbranche ist eine der wichtigsten Branchen in Deutschland. Sie ist nicht nur eine Branche, in der in den letzten Jahren eine unheimliche Dynamik in Gang gekommen ist, sondern sie ist auch so etwas wie eine Schlüsselindustrie für unsere gesamte Volkswirtschaft. Es gibt bereits heute mehr Beschäftigte in diesem Bereich als in der Automobilindustrie. Deshalb möchte ich unterstreichen, was die Kollegin Hustedt, übrigens übereinstimmend mit allen Fachpolitikern und der Branche insgesamt, festgestellt hat: Der Liberalisierungsprozess an sich ist ein großer Erfolg für Deutschland, den wir gemeinsam zu verbuchen haben. Wir haben in diesem Bereich einen dynamischen, wachstumsorientierten Markt. Wir müssen jetzt sehen, dass wir die nächste Stufe dieser Entwicklung angehen.

   Deshalb ist es notwendig, dass wir nicht nur EU-Richtlinien umsetzen - das tun wir -, sondern dass wir uns auch darüber verständigen, hier aufgrund unserer Erfahrung im Regulierungsbereich für mehr Dynamik zu sorgen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Das Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit hat uns einen Entwurf vorgelegt, der eine gute Grundlage für die Beratung in diesem Parlament gebildet hat. Dass es ein Jahr gebraucht hat, um ihn zu erstellen, liegt nicht an der Ressortabstimmung, sondern daran, dass es einen intensiven, sehr guten und vertrauensvollen Prozess mit der gesamten Wirtschaft gab, mit Verbraucherverbänden, der Telekom, dem VATM, mit allen möglichen Unternehmen, die im Markt sind. Es ist kein ideologisches Thema, wie Sie uns das weis, schwarz oder gelb zu machen versuchen, sondern ein Fachthema, das im Detail sehr schwierig ist. Deshalb war das Verfahren richtig und vernünftig. Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Bundeswirtschaftsministeriums dafür, dass sie uns für den Prozess eine wirklich gute Beratungsgrundlage geliefert haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Regierungsfraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen haben gleichwohl eine Reihe von Änderungen vorgesehen. Wir gehen in vielen Bereichen - das ist ausgeführt worden - auf Änderungswünsche des Bundesrates ein, ebenso auf Änderungswünsche der Opposition, wo wir sie sachlich geboten und begründet sehen.

   Ich möchte Ihnen die Maßstäbe nennen, nach denen wir die Änderungen am Gesetzentwurf vorgenommen haben. Wir haben zuallererst gefragt: Ist das, was im Gesetz steht, sinnvoll, und zwar für die Telekommunikation, aber auch für die gesamte Volkswirtschaft? Der zweite Maßstab war: Was ist ordnungspolitisch geboten, um in Deutschland mehr Wettbewerb zu ermöglichen? Der dritte Punkt war die Frage: Ist das, was wir machen, EU-konform? Der vierte Maßstab war die Frage: Ist das mit unserer Verfassung vereinbar?

   Anhand dieser vier Kriterien haben wir eine Reihe von Änderungen vorgenommen, die ich nennen möchte. Wir haben auf dem Weg vom Entwurf bis zum jetzigen Text den Wettbewerbsbegriff verändert. Frau Kollegin Krogmann, ich finde es des Parlaments fast unwürdig, wenn von Ihnen Änderungen in einem ganz normalen parlamentarischen Verfahren, in dem sich natürlich Dinge ändern, weil es sich um einen Prozess handelt, jedes Mal als Nachbesserung oder Ähnliches diskreditiert werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Richtig ist, dass wir kein Durchwinkverein sind, sondern der Deutsche Bundestag, der nach Ausschussanhörungen seine Konsequenzen zu ziehen und manchmal auch Dinge zu verändern hat.

(Klaus Brandner (SPD): Die Alternative wäre durchpeitschen!)

Wer so etwas zu diskreditieren versucht, der diskreditiert den gesamten Parlamentarismus. Das sollten Sie sich einmal hinter die Ohren schreiben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Ein Jahr nichts und dann finale Hektik!)

   Wir haben, im Gegensatz zu dem, was die Opposition uns zu unterstellen versucht, ein sehr wettbewerbsfreundliches Gesetz gemacht. Wir haben dem Regulierer ein ganz scharfes Schwert für mehr Wettbewerb in die Hand gegeben, nämlich die gleichzeitige Bereitstellung nach § 37 TKG. XXXXX

Es geht darum, dass marktbeherrschende Unternehmen, die Produkte für Endkunden anbieten, zeitgleich Wettbewerbern wesentliche Vorleistungen zur Verfügung stellen müssen, damit diese eigene Geschäftsmodelle entwickeln können. Das unterstützen wir gemeinsam. Ich bitte, das einmal anzuerkennen.

(Rainer Funke (FDP): Das habe ich getan!)

- Sie haben das getan, Herr Funke. Aber Ihre Kollegen von der anderen Feldpostnummer sagen, dass es in diesem Bereich keine Veränderungen gegeben habe. Ich wiederhole: Das ist ein Punkt, der der Telekom nicht schmeckt, der aber für den Wettbewerb notwendig ist. Er belegt, dass wir ein Gesetz im Interesse des Wettbewerbs vorgelegt haben.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Heil, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollege Krings?

Hubertus Heil (SPD):

Gerne. - Herr Krings, was gibt es Neues aus Mönchengladbach?

Dr. Günter Krings (CDU/CSU):

Mönchengladbach ist eine wunderschöne Stadt. Aber darum geht es heute nicht; darüber können wir später ausführlich reden.

   Herr Kollege Heil, Sie haben gerade das Gesetzgebungsverfahren ausführlich gelobt und herausgestellt, wie offen der Bundestag an diese Thematik herangegangen ist. Sind Sie der Auffassung, dass die Beratungszeit - im Januar gab es die erste Lesung und jetzt, Anfang März, die zweite und dritte Lesung - ausreichend war? Sind Sie der Auffassung - die Regierungsfraktionen haben uns erst Freitagnacht ihre Änderungsanträge übermittelt -, dass die Beratung eines derart komplexen und umfassenden Gesetzes in dieser Art und Weise ein vernünftiges parlamentarisches Verfahren war? Sind Sie ferner der Auffassung, dass damit ein geordnetes, vernünftiges, offenes und zielführendes parlamentarisches Verfahren gewährleistet ist?

Hubertus Heil (SPD):

Zumindest wir haben die Zeit genutzt, intensiv zu beraten. Wir haben eine fünfstündige Anhörung miteinander gehabt.

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Fünf Stunden für solch ein zentrales Thema!)

Unsere Fraktion hat eine mehrtägige Klausurtagung durchgeführt. Wir haben uns mit unserem Koalitionspartner abgestimmt. Im Gegensatz zu Gesetzgebungsverfahren aus Ihrer Regierungszeit haben wir Ihnen rechtzeitig, nämlich bereits am vergangenen Donnerstag und Freitag, unsere Änderungen übermittelt.

(Rainer Funke (FDP): Freitag um 19.02 Uhr! - Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Freitag um 19.02 Uhr nach einem Jahr Diskussion!)

Sie hatten über eine Woche Zeit, sich damit zu beschäftigen. Um es einmal deutlich zu sagen: Die CDU/CSU hat es nicht geschafft, auch nur einen konkreten Änderungsantrag im Wirtschaftsausschuss einzubringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Sie verfassen nur allgemein gehaltene Entschließungen; das weiß die Branche. Sie sind nicht einmal in der Lage, auch nur einen Änderungsantrag zu stellen. Sie behaupten, das Gesetz sei schlecht und die Bundesregierung habe nicht genug daran gearbeitet. Obwohl Sie Juristen in Ihren Reihen haben - auch Sie sind Jurist -, schaffen Sie es nicht, Änderungsanträge zu formulieren, die Sie im Wirtschaftsausschuss einbringen können. Das ist schon ein erstaunlicher Vorgang.

(Beifall bei der SPD - Karsten Schönfeld (SPD): Krings war nicht in der Anhörung!)

Herr Krings, versuchen Sie nicht, davon abzulenken, dass Sie sich in der Sache nicht einig sind, indem Sie auf Verfahrensfragen hinweisen. Ich werde beim Thema Resale noch darauf zurückkommen.

   Frau Kollegin Krogmann spricht hier davon, dass unsere Regelung zum Resale ganz schlecht sei.

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Wie bitte?)

Wenn man aber mit anderen Teilen der Union, beispielsweise mit der Bayerischen Staatsregierung, und mit Unternehmen, die in diesem Bereich tätig sind, redet, dann hört man die Auffassung, dass es sich um einen fairen Ausgleich handelt.

   Herr Kollege Krings, hätten Sie ein bisschen intensiver gearbeitet! Wir haben Ihnen angeboten, zu jeder Tages- und Nachtzeit Sitzungen abzuhalten. Teilweise haben wir sie miteinander durchgeführt. Sie müssen den Widerspruch auflösen, dass Ihnen einerseits die Sitzungen nicht ausreichen und dass wir andererseits schnell Klarheit schaffen sollen. Wir haben dafür gesorgt, dass die Behandlung dieses Gesetzes nicht erst nach der Sommerpause erfolgt, sondern dass wir miteinander in diesem Verfahren zügig vorankommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jörg Tauss (SPD): Herr Krings, Sie haben mich menschlich sehr enttäuscht!)

   Beim Resale handelt es sich um die entscheidende Stellschraube, mit der man Infrastruktur- und Dienstewettbewerb austarieren kann. Wir wollen und wir brauchen beides in Deutschland. Wir brauchen Investitionen im erheblichen Umfang in die Infrastruktur in den nächsten Jahren und Jahrzehnten. Wir brauchen aber gleichzeitig einen Dienstewettbewerb, weil für den Verbraucher - egal ob Wirtschaft oder Privatkunden - die Dienste von entscheidender Bedeutung für die Akzeptanz solcher Produkte sind.

   Sie wissen, dass wir in diesem Bereich Änderungen vorgesehen haben. Wir werden darüber zu sprechen haben, wenn es zu einem Vermittlungsverfahren kommt. Ich bin sehr gespannt, wie sich die CDU- und CSU-regierten Bundesländer zu diesem Punkt verhalten werden. Es geht nicht nur um die Interessen von Telekom, sondern auch um die Interessen von City-Carriern wie Net Cologne, EWE TEL und von vielen anderen kleinen Unternehmen, die Sie, Frau Kollegin Krogmann - Sie hören im Moment nicht zu -,

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Mein Gott!)

offensichtlich in diesem Punkt nicht im Blick haben.

   Es gibt ein anderes Thema, bei dem wir Erfolg hatten - darauf sind wir sehr stolz - und das lange umstritten war. Wir haben der Telekom und den Mitbewerbern hinsichtlich des Billings und Inkassos, also der Rechnungslegung und des Mahnungswesens, gesagt: Setzt euch zusammen und verhandelt; wir werden dann versuchen, das, worauf ihr euch geeinigt habt, gesetzgeberisch abzubilden. Dieser Kompromiss ist gelungen. Es ist für die gesamte Branche und für die gesamte Wirtschaft, also nicht nur für Mehrwertdienste, ein Segen, dass wir diesen Prozess angeschoben und moderiert haben.

Ich bitte die Opposition, wenigstens dies zu honorieren. Es waren nicht Sie, sondern wir, die das gemacht haben. Wir bilden das im Gesetz ab.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir sagen: Wenn sich die Branche vertraglich verständigt, kann und wird von der Regulierung durch das TKG in diesem Bereich abgesehen; natürlich aber nicht von der Regulierung durch das GWB.

   Frau Kollegin Hustedt hat zum Bereich Sicherheit und Datenschutz Stellung genommen. Auch ich möchte das tun. Es geht darum, verschiedene Ansprüche auszutarieren. Dabei gibt es nicht nur Schwarz oder Weiß. Natürlich geht es uns, den Wirtschaftspolitikern, nicht darum, neue, unverhältnismäßige Belastungen für die Wirtschaft zu produzieren. Aber auch die Interessen der Sicherheitsbehörden sind legitim. Angesichts aktueller Entwicklungen kann man nur unterstreichen, dass Sicherheitsbehörden die Möglichkeiten haben müssen, im Rahmen rechtsstaatlicher Verfahren an Informationen zu kommen, um organisiertes Verbrechen oder Terrorismus bekämpfen zu können. Es geht aber auch darum, dass wir den Belangen des Datenschutzes und der Bürgerrechte in Deutschland Rechnung tragen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies erwähne ich im Zusammenhang mit einem aktuellen Urteil des Bundesverfassungsgerichts.

   Wir haben uns diesen Komplex Stück für Stück und gründlich vorgenommen. Während Sie noch herumgejammert haben, haben wir uns das Gesetz vorgenommen und jeden Punkt auf Verhältnismäßigkeit abgeklopft. Herausgekommen ist ein Gesetz, das sich, wie ich finde, sehen lassen kann. Es ist in diesem Punkt nicht nur ordentlich, sondern sehr gut gelungen. Wir haben eine Kostenbeteiligung von Sicherheitsbehörden an Überwachungsmaßnahmen vorgesehen, um die Verhältnismäßigkeit zu wahren. Ich bitte, das als einen wirklichen Erfolg zu betrachten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich bin genauso gespannt wie die Grünen, ob die CDU es schafft, das ihren Länderinnenministern klar zu machen. Im Gespräch mit unseren Innenpolitikern haben wir das klarmachen können. Wir haben über die verschiedenen Interessen intensiv diskutiert. Die Frage ist, ob die CDU/CSU in diesem Bereich eine Arbeitsteilung vorsieht, nach der die Wirtschaftspolitiker immer nach der Entlastung der Wirtschaft und die Sicherheitspolitiker nach immer schärferen und die Wirtschaft belastenden Maßnahmen rufen. Wir jedenfalls werden das nicht zulassen

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Zum Thema Gehörlose möchte ich Folgendes sagen: Wir haben auch in diesem Zusammenhang einen Prozess moderiert, und zwar zwischen dem Gehörlosenverband und der Deutschen Telekom. Das Ergebnis ist ein Modellprojekt. Übrigens haben wir, Bündnis 90/Die Grünen und die SPD, diese Gespräche geführt und vorangebracht. Ich habe jetzt mitbekommen - das finde ich gut -, dass die Opposition unseren Entschließungsantrag unterstützt. Die Opposition hat aber nicht mitgewirkt, als es darum ging, das Geschäft anzupacken und durchzuführen. Wir haben gesagt, dass es notwendig ist, auch für gehörlose Menschen einen Zugang zu Vermittlungsdiensten zu organisieren. Deshalb gibt es dieses Modellprojekt. Wir wollen und werden dafür sorgen, dass es in diesem Bereich über die Pilotphase hinaus - wie es in anderen europäischen Ländern der Fall ist - ein Projekt gibt, nach dem Vermittlungsdienste auch von Gehörlosen in Anspruch genommen werden können.

(Beifall bei der SPD)

   Ich kann verstehen, dass die Opposition versucht, randständige Punkte aufzublasen. Zur Frage der Weisungen weise ich Sie auf § 115 des Gesetzentwurfs hin, der besagt, dass Weisungen zu veröffentlichen sind. Beim Thema Antragsrechte bitte ich Sie darum, die Äußerungen der Branche und des Regulierers zu beachten:

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Die Branche will Antragsrechte!)

Wenn sich Unternehmen an die Regulierungsbehörde wenden, wenn der Regulierungsbehörde ein Sachverhalt zur Kenntnis gebracht wird, ist die Regulierungsbehörde nach Recht und Gesetz verpflichtet zu handeln.

   Mit dem Aufblasen des Themas der Antragsrechte lenken Sie davon ab, dass wir im materiellen Bereich ein gutes Gesetz gemacht haben, und davon, dass Sie sich innerhalb Ihrer Fraktion an ein paar Punkten nicht grün - besser gesagt: schwarz - waren und sich nicht verständigen konnten. Das betrifft auch die Frage des Rechtsweges. Herr Kollege Krings, Sie haben sich sehr intensiv damit beschäftigt und wissen, es gibt für beides gute und schlechte Argumente. Wir haben sie sehr intensiv abgewogen und sind zu der Meinung gekommen, dass wir es so belassen sollten. Sie wissen, dass die Unternehmen in Deutschland sehr unterschiedliche Stellungnahmen zu diesem Bereich abgeben.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keinen einheitlichen Ruf aus der Branche nach dem Kartellrechtsweg. Es bleibt dabei: Die Regulierungsbehörde ist eine staatliche Behörde. Deshalb ist der Verwaltungsgerichtsweg rechtssystematisch der richtige Weg.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Heil, Sie müssen zum Schluss kommen.

Hubertus Heil (SPD):

Ja, gerne. Gleich.

   Ich will Ihnen das gerne bei einem Glas Wasser erklären, wenn wir etwas mehr Zeit haben.

Präsident Wolfgang Thierse:

Nicht jetzt.

Hubertus Heil (SPD):

In diesem Zusammenhang nur so viel: Wir verabschieden heute ein gutes Gesetz. Der Bundesrat könnte eigentlich sofort zustimmen, wenn es ihm nicht um politischen Showkampf ginge. So sehen wir uns wahrscheinlich im Vermittlungsausschuss wieder. Sei's drum. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir trotzdem ein gutes Gesetz durchbringen werden. Die Unterschiede sind nicht so riesig, wie Sie meinen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Heil, Sie können die Unterschiede jetzt nicht mehr darlegen.

Hubertus Heil (SPD):

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich der Kollegin Martina Krogmann das Wort.

Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU):

Herr Kollege Heil, ich hatte schon immer die Vermutung, dass Sie die Komplexität des Gesetzentwurfs nicht richtig durchdrungen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD)

Seit heute habe ich die Gewissheit. Sie haben wahrheitswidrig behauptet, ich hätte mich gegen Resale ausgesprochen. Das Gegenteil ist der Fall.

   Nehmen Sie bitte zur Kenntnis, dass Resale für uns ein zentrales Instrument ist, um Wettbewerb herzustellen. Wir lehnen Ihren Gesetzentwurf auch deshalb ab, weil dieses Instrument unzureichend umgesetzt wird und damit kein fairer Ausgleich zwischen Infrastruktur- und Dienstewettbewerb hergestellt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Heil, bitte eine kurze Antwort.

Hubertus Heil (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident, für Ihre Geduld. Ich entschuldige mich für das Überziehen meiner Redezeit.

   Frau Kollegin Krogmann, ich habe nicht gesagt, dass Sie gegen Resale sind.

(Dr. Martina Krogmann (CDU/CSU): Wortwörtlich!)

Ich habe gesagt, dass Sie gegen unsere Formulierungen an diesem Punkt sind.

   Sie haben gerade anderen Berichterstatterkollegen Sachverstand abgesprochen. Das macht kein Berichterstatter, sei es der Kollege Funke oder die Kollegin Hustedt, und auch ich habe das nicht einmal bei Ihnen gemacht, Frau Kollegin.

(Peter Hintze (CDU/CSU): Nur wenn es nötig ist, Herr Kollege!)

   Ich will Ihnen aber zum Thema Resale die Antwort nicht schuldig bleiben. Wir schreiben Resale ins Gesetz. Der Streit besteht darüber, ob wir es gebündelt oder entbündelt machen. Das ist die Wahrheit. Darüber kann man unterschiedlicher Auffassung sein, das sind auch viele Experten in diesem Bereich. An einem Punkt unterschiedlicher Meinung zu sein ist in einer Demokratie nichts Verkehrtes.

   Wir sind für Resale, weil wir Infrastruktur- und Dienstewettbewerb wollen und weil wir den Citycarriern das Geschäft nicht kaputtmachen wollen. Ich bitte Sie, in Ihrem Wahlkreis mit EWE Tel, einem großen Unternehmen in Niedersachsen, noch einmal über dieses Thema zu reden.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort hat nun der Kollege Johannes Singhammer von der CDU/CSU-Fraktion.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Der kann das jetzt geraderücken!)

Ich sage hier ganz klar: Auch wir haben ein Interesse daran, dass dieses Gesetz bald und zügig verabschiedet wird. Deshalb war durchaus die Chance vorhanden, zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

(Hubertus Heil (SPD): Mit Ihnen ja, Herr Singhammer!)

Unter dem Beratungsdruck, den Sie erzeugt haben, ist es aber unmöglich, diesen schwierigen Sachverhalten zeitlich und inhaltlich gerecht zu werden.

(Jörg Tauss (SPD): Ein halbes Jahr haben Sie es nicht bemerkt!)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist nicht der Ort für große ideologische Grabenkämpfe.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD sowie des Abg. Hubert Ulrich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Es geht darum, pragmatische Lösungen zu entwickeln. Wir werden im Vermittlungsausschuss eine konstruktive Rolle einnehmen.

(Hubertus Heil (SPD): Sie ja!)

- Ich hoffe, dass das alle so tun, auch von Ihrer Seite.

   Wir glauben, dass in diesem Projekt enorme Chancen stecken. Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien erwartet, dass in diesem Jahr 70 Prozent der Branchenmitglieder zusätzliche Investitionen und Wachstumschancen verwirklichen.

(Jörg Tauss (SPD): Da sehen Sie einmal, was wir bewirken! - Lachen bei der CDU/CSU)

- Wenn Sie nicht dran wären, dann wäre die Zahl vermutlich noch viel höher.

(Beifall des Abg. Dr. Günter Krings (CDU/CSU))

   Insbesondere auf dem Mobilfunkmarkt herrscht eine Aufbruchstimmung, die nicht durch ein Gesetz, das nicht die notwendigen Voraussetzungen bietet, enttäuscht werden sollte.

   Wir sehen auf der anderen Seite mit großer Besorgnis - das ist natürlich Ihr Werk -, dass in den vergangenen Jahren gerade in dieser Wachstumsbranche ein Absacken der Arbeitsplatzzahlen von 820 000 Beschäftigten im Jahr 2000 auf nunmehr 750 000 Beschäftigte zu verzeichnen war. Eigentlich hätten wir erwarten können, dass in diesem Bereich ordentlich zugelegt wird. Wir wollen, dass dieses Gesetz dazu beiträgt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz soll mehr Wettbewerb bringen. Es soll zur Anwendung des allgemeinen Wettbewerbsrechts führen. Wir wollen einen Abbau des in den einzelnen Marktbereichen zum Teil noch recht unterschiedlichen Rechts erreichen, unnötige Regulierung zurückschrauben und zusätzlichen Spielraum für die nationale Regulierungsbehörde durchsetzen.

(Jörg Tauss (SPD): Reden wir einmal vom Bundesrat! Das ist viel spannender!)

   Im Einzelnen: Wir wollen keine Überregulierung auf dem Mobilfunkmarkt,

(Beifall des Abg. Hubertus Heil (SPD))

wo ein guter Wettbewerb möglich ist. Es geht um 20 Milliarden Euro. Im Klartext: Wir wollen, dass im Zuge der Entgeltregulierung nach § 28 Abs. 1 des Gesetzentwurfs jeweils nur ein Kriterium und nicht eine Vielzahl von Kriterien erfüllt werden muss. Wir erachten es nicht für nötig, hier eine Überregulierung einzuführen.

   Wir wollen im Festnetz, dass das Breitband seine Chancen nutzen kann. Wir sehen mit Besorgnis, dass im Jahr 2002 erst 4,8 Millionen - das sind nur 83 Anschlüsse auf 1 000 Haushalte - der schnellen DSL-Breitbandinternetanschlüsse - das ist die Luxusklasse des Anschlusses - verwirklicht waren. Wir wollen, dass Deutschland von einem Mittelplatz wieder auf einen Spitzenplatz kommt. Wir wollen deshalb, dass alle Schranken im Telekommunikationsgesetz, die das verhindern, verschwinden.

   Wir begrüßen, dass es in den vergangenen Wochen in einer Reihe von Streitpunkten - Rechnungsstellung, Abrechnung und Rechnungseinzug - zu einer Einigung zwischen den Wettbewerbern, insbesondere zwischen der Deutschen Telekom AG und anderen Wettbewerbern, gekommen ist.

   Wir wollen - das sage ich auch in meiner Funktion als derzeitiger Vorsitzender des Beirates bei der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post -, dass eine starke, unabhängige Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post in diesem Gesetz festgelegt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir wollen gerade die Präsidentenkammer, die künftig eine entscheidende Funktion haben wird, möglichst unabhängig gestalten. Wir wollen Kollegialentscheidungen und keine Einzelentscheidungen. Wir wollen, dass Regulierungsverfügungen in Anbetracht ihrer großen wirtschaftlichen Relevanz und zur Sicherstellung der Einheitlichkeit der getroffenen Maßnahmen immer von der neu zu schaffenden Präsidentenkammer gemeinsam beschlossen werden. XXXXX

Wir wollen, dass der Beirat eine stärkere Position der politischen Kontrolle erhält. Der Beirat ist das Bindeglied zu den gesetzgebenden Körperschaften Bund und Länder. Das muss durch eine Benehmensregelung für alle Beschlüsse der Präsidentenkammer zum Ausdruck kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Kelber (SPD): Was denn jetzt, Unabhängigkeit oder politische Kontrolle?)

- Ich habe es doch klar ausgeführt.

   In Bezug auf die innere Sicherheit haben wir sehr exakt abzuwägen und eine Balance zwischen den Erfordernissen der Sicherheit und überbordenden wirtschaftlichen Belastungen zu finden. Ich denke, dass wir da zu einer guten Lösung kommen werden.

   Der Bereich der im Fachchinesisch als Prepaid bezeichneten, vorab bezahlten Benutzertelefonkarten für Handys, die eine Identifizierung außerordentlich erschweren, ist dabei besonders wichtig. Wenn wir uns die ersten Minuten dieser Sitzung des Deutschen Bundestages in Erinnerung rufen, als wir der Opfer eines grauenvollen Anschlags gedachten, dann müssen wir einfach sehen: Es gibt auch Schwachstellen, bei denen wir sehr genau hinsehen müssen, damit sich dort keine Möglichkeiten für Kriminelle bieten, weit außerhalb jeglicher Kontrolle tätig zu werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich abschließend noch zu dem ganz zentralen Thema Wiederverkauf, dem so genannten Resale, Stellung nehmen.

(Zuruf des Abg. Jörg Tauss (SPD))

- Reden Sie doch nicht ständig dazwischen; lassen Sie die Menschen einmal ausreden!

   Ich stecke die Positionen ab, um die es uns geht. Wir wollen weder einen gebündelten, zeitlich unbegrenzten Wiederverkauf noch einen getrennten Wiederverkauf von Anschluss oder Verbindungsleistung ohne jede Bindung an Bedingungen.

(Hubertus Heil (SPD): Wer ist jetzt „wir“?)

- Das sage ich für die Opposition, für die CDU/CSU. - Das sind die von uns abgesteckten Positionen. In deren Rahmen sind wir bereit, mit Ihnen gemeinsam eine Lösung zu finden. Das ist ein Angebot; Sie können es annehmen. Ich rate Ihnen auch, dies zu tun, denn es ist auch im Interesse des Standorts Deutschland, hier zu einer gemeinsamen Lösung zu kommen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Ulrich Kelber (SPD): Das ist aber ein deutlicher Unterschied zu Frau Dr. Krogmann!)

- Das ist kein Unterschied, sondern das ist die genaue Darstellung unserer Position.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das hörte sich aber eben anders an!)

   Wir begrüßen auch - das sage ich zum Schluss mit versöhnlichem Ton -, dass es bei den Gehörlosen gelungen ist, eine gemeinsame Lösung zu erreichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Das zeigt auch, was über Parteigrenzen hinweg möglich ist.

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir sollten ein Ziel gemeinsam verfolgen: Deutschland muss wieder Spitze werden. Deshalb brauchen wir kein mittelmäßiges Gesetz, sondern ein Spitzengesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Manfred Zöllmer, SPD-Fraktion.

Manfred Helmut Zöllmer (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Deutschland surft, chattet, simst, telefoniert fest oder mobil zu Lande, zu Wasser und in der Luft. Fast 40 Millionen Deutsche bewegen sich nahezu täglich im weltweiten Netz der Informationen. Im Jahre 2003 ist die Zahl der Mobilfunkkunden auf fast 65 Millionen gestiegen, gegenüber 1999 eine Verdreifachung. 342 Milliarden Verbindungsminuten waren im vergangenen Jahr zu verzeichnen. Diese Zahlen zeigen: Die Deutschen nutzen die Telekommunikationsangebote, sie informieren sich, sie kommunizieren und sie tun das gerne. Aber sie sind als Verbraucherinnen und Verbraucher kritische und preisbewusste Kunden, die nicht über den Tisch gezogen und abgezockt werden wollen.

   Das heute zu verabschiedende Telekommunikationsgesetz regelt nicht nur die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Telekommunikationsbereichs, sondern hat auch den Verbraucherschutz im Auge. Dies haben wir im Gesetz an exponierter Stelle deutlich gemacht. Wir haben damit gezeigt, dass die künstliche Trennung zwischen so genannten Wirtschafts- und reinen Verbraucherschutzgesetzen der Vergangenheit angehört. Eine aktive Verbraucherpolitik ist ein zentraler Baustein für einen funktionierenden Wettbewerb. XXXXX

Diese Ansicht unterscheidet uns fundamental von der Opposition. Frau Krogmann, in Ihrem Beitrag kam das Wort Verbraucherschutz nicht ein einziges Mal vor.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich gehe davon aus, dass die verbraucherpolitische Sprecherin der CDU, Frau Heinen, diese Debatte am Fernsehen verfolgt. Ich will nicht kritisieren, dass sie nicht anwesend ist. Aber das zeigt, welchen Stellenwert der Verbraucherschutz bei Ihnen hat.

   Die Liberalisierung, die auf diesem Markt in den letzten Jahren stattgefunden hat, hat auch ihre Schattenseiten. Wo ein freier Markt herrscht, führt dies, gerade bei technischen Neuerungen, auch zu Missbrauch. Telefonische Mehrwertdienste und Internetangebote werden zum Teil genutzt, um in besonders dreister Weise an das Geld der Kunden zu kommen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wird der Weg hin zu einem verbesserten Verbraucherschutz, den wir im letzten Jahr beschritten haben, konsequent weiter beschritten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich will das an sechs Punkten deutlich machen. Erstens. Die Befugnisse der Regulierungsbehörde werden in Form einer Generalklausel auf alle Rufnummern ausgedehnt. Dies erlaubt bei veränderten Missbrauchstatbeständen ein zeitnahes und flexibles Handeln der Regulierungsbehörde. Das Ausweichen auf andere Nummerngassen wird damit wirksam verhindert.

   Zweitens. Details werden wir in einer noch zu erlassenden Nummerierungsverordnung und in der Telekommunikations-Kundenschutzverordnung regeln. Dies wird mit Zustimmung von Bundesrat und Bundestag geschehen.

   Drittens. Die Regulierungsbehörde kann nicht nur gegen die missbräuchliche Nutzung aller Rufnummern einschreiten, sondern auch gegen Missbrauch durch Dialer vorgehen.

   Viertens. Der Mehrerlösabschöpfungsanspruch findet sich in § 41 des Gesetzes wieder. Mögliche Gewinne bei Verstößen gegen Verfügungen der Regulierungsbehörde können abgeschöpft werden. Der Anspruch ist klar gefasst und wird nicht mehr durch unbestimmte Rechtsbegriffe relativiert. Er ist damit ein wirksames Sanktions- und Präventionsinstrument.

   Fünftens. Das Verbandsklagerecht der Verbraucherschutzverbände auf Unterlassung nach dem geltenden Unterlassungsklagengesetz ist in den Gesetzentwurf aufgenommen worden.

   Sechstens. In den Fragen der Fakturierung und des Inkasso hat es eine sehr gute Vereinbarung zwischen den beteiligten Unternehmen gegeben. Dies dient der Rechtssicherheit, entspricht den Wünschen der Verbraucherinnen und Verbraucher und sichert so den Verbraucherschutz.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Der vor uns liegende Gesetzentwurf stärkt den Wettbewerb auf dem Telekommunikationsmarkt. Er beinhaltet ein schlüssiges Regulierungskonzept, stellt damit die Weichen für Investitionen und Innovationen in diesem Schlüsselbereich unserer Volkswirtschaft und stärkt den Verbraucherschutz. Dieser Gesetzentwurf verträgt keine politische Blockade. Das würde den Unternehmen schaden, die Schaffung weiterer Arbeitsplätze verhindern und den Verbraucherinnen und Verbrauchern schaden.

   Meine Damen und Herren, setzen wir gemeinsam auf das Potenzial dieser Wachstumsbranche in Deutschland mit einem hervorragendem Verbraucherschutz!

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Telekommunikationsgesetzes, Drucksachen 15/2316 und 15/2345. Der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2674, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Hierzu liegen zwei Änderungsanträge der Fraktion der FDP vor, über die wir zuerst abstimmen.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/2684? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/2685? - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt.

   Nun bitte ich diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung mit der vom Berichterstatter vorgetragenen Korrektur zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2686. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? - Wer stimmt dagegen? - Stimmenthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung der CDU/CSU abgelehnt.

   Unter Buchstabe b seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2674 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen.

   Tagesordnungspunkt 17 b. Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf Drucksache 15/2674 zu dem Antrag der Fraktion der CDU/CSU mit dem Titel „Mehr Wettbewerb, Wachstum und Innovation in der Telekommunikation schaffen“. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe c seiner Beschlussempfehlung, den Antrag auf Drucksache 15/2329 abzulehnen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der CDU/CSU bei Enthaltung der FDP angenommen.

   Ich rufe nunmehr die Tagesordnungspunkte 16 a und 16 b sowie die Zusatzpunkte 6 und 7 auf:

16. a) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik 2001

- Drucksache 14/9760 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (FDP)
Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Tourismus

b) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht der Bundesregierung zur auswärtigen Kulturpolitik 2002

- Drucksache 15/2258 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Auswärtiger Ausschuss
Sportausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 6 Beratung des Antrags der Abgeordneten Monika Griefahn, Eckhardt Barthel (Berlin), Siegmund Ehrmann, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Dr. Antje Vollmer, Claudia Roth (Augsburg), Ursula Sowa, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Auswärtige Kulturpolitik stärken

- Drucksache 15/2659 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Haushaltsausschuss

ZP 7 Beratung des Antrags der Abgeordneten Günter Nooke,
Dr. Friedbert Pflüger, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken

- Drucksache 15/2647 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. - Ich höre keine Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Günter Nooke, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Günter Nooke (CDU/CSU):

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Lassen Sie mich zu Beginn drei Dinge feststellen:

   Erstens. In kaum einem anderen, vielleicht in keinem Bereich der Politik herrscht fraktions-, partei- und institutionsübergreifend ein derart solider Konsens wie in der Frage nach dem Sinn und dem Wert der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.

   Zweitens. In keinem Bereich der Politik haben sich die Ansprüche, die an ihn gestellt werden, in den vergangenen fünf Jahren derart rapide in geradezu Schwindel erregende Höhen entwickelt wie in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik.

   Drittens. Kein Bereich der auswärtigen Politik ist aber in den vergangenen Jahren so beschämend vernachlässigt worden wie die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Ernsthaftigkeit des Themas und die bedrohliche Lage, in die die Institutionen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik geraten sind, und die weiteren Kürzungen, die Außenminister Fischer in der vergangenen Woche im Ausschuss für Kultur und Medien ankündigte, machen die heutige Debatte so wichtig. Wie in anderen Bereichen rot-grüner Politik ist auch bei der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik ein krasses Missverhältnis von der Ankündigung immer größerer Ziele einerseits, aber immer weniger Realitätsbezug insbesondere zu den Haushaltszahlen andererseits zu beklagen.

   Vertrauen entsteht so nicht. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Institutionen in der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik werden verunsichert. Schlimmer noch: Das Ansehen Deutschlands in der Welt nimmt massiv Schaden. Wir reden bei der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik von Mitteln, deren Höhe zum Beispiel an den Tischen der Mautverhandlungen allenfalls Heiterkeit hervorrufen würde. Aber so, wie die Bundesregierung und die deutsche Wirtschaft sich mit dem Mautdebakel international lächerlich machen,

(Zuruf von der SPD: Das waren wohl eher Sie!)

machen wir den hervorragenden Ruf der Mittler der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik in der Welt kaputt - im Grunde für Peanuts.

   Der Außenminister hat im Ausschuss für Kultur und Medien in der vergangenen Woche in geradezu tränentreibender Weise erklärt

(Zuruf der Abg. Monika Griefahn (SPD))

- hören Sie doch einfach einmal zu -, es würden weitere Einschnitte auf die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zukommen. Er sagte wörtlich: Nicht nur ins Fleisch, nein, diesmal „ins Mark“. Er sagte außerdem, dass er leider auch nichts dagegen tun könne. Der Außenminister ist Vizekanzler und wohl immer noch eine ernst zu nehmende Stimme des grünen Koalitionspartners. Wer, wenn nicht er, kann Prioritäten setzen?

(Monika Griefahn (SPD): Das wird er wohl machen!)

   Es besteht der Verdacht - hier spreche ich nicht nur im Namen meiner Fraktion -: Dem Außenminister ist die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik - freundlich gesagt - nicht einen Pfifferling wert.

(Beifall bei der CDU/CSU - Renate Blank (CDU/CSU): Das ist nicht Verdacht, sondern Tatsache! Unverschämt!)

Um diesen Verdacht zu entkräften, wäre es besser gewesen, er hätte heute zu guter Debattenzeit selber das Wort ergriffen. Herr Außenminister, es ist ja nicht nur die Opposition im Deutschen Bundestag, die Ihnen das sagt, lesen Sie die Zeitungen und vor allem: Lassen Sie Ihre eigenen Leute nicht im Stich; denen liegt wirklich etwas an diesem Thema.

   Über das, was die deutsche auswärtige Kultur- und Bildungspolitik jeden Tag auf der ganzen Welt leistet - im Kleinen wie auch langfristig -, brauche ich hier keinen Vortrag zu halten. Auf ihre Unverzichtbarkeit ist nicht nur in den vergangenen Tagen hingewiesen worden. Hier besteht, wie ich eingangs sagte, Konsens.

   Wir haben unserem Antrag die Ziele und Leistungen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik vorangestellt. Es geht um Interesse an Deutschland und um deutsche Interessen. Es tut uns allen gut, wenn wir gute Beziehungen zu unseren Partnern in der Welt haben. Was über Jahrhunderte gewachsen ist, darf nicht aus Desinteresse oder durch unüberlegte Pauschalkürzungen - die gibt es übrigens auch bei Koch/Steinbrück - geopfert werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir brauchen auch gute Beziehungen zu denen, die vielleicht noch nicht so gute Partner sind, aber ein besonderes Interesse an Deutschland haben und diese Beziehungen ausbauen wollen.

   Es geht bei der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik um Deutschland, um Kultur aus Deutschland, aber in besonderem Maße auch um deutsche Kultur und um Deutschland als Kulturnation in all ihrer Vielfalt. Es geht um Informationen aus Deutschland, aber auch um Informationen in deutscher Sprache. Das Interesse an der deutschen Sprache im Ausland ist oft größer als hierzulande. Deutsch hat in vielen Ländern große Chancen als zweite Fremdsprache; deutsche Dichter und Philosophen im Original zu lesen ist für viele noch ein großer Anreiz. Es geht bei der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik um - ich nenne einen weiteren Punkt - die Darstellung Deutschlands in der Welt als ein weltoffenes Land. Aber es geht auch um die Einladung an die Welt, sich dieses schöne Land vor Ort anzusehen.

   All diese Punkte haben auch immense positive Auswirkungen auf langfristige Wirtschaftsbeziehungen und damit auf den deutschen Anteil an internationalen Märkten und an Märkten in Wachstumsregionen. Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik soll nicht gemacht werden, weil sie sich mittel- und langfristig rechnet. Aber wenn sie den Außenminister schon nicht interessiert, sollte er wenigstens dieses Argument kennen.

   Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einen kritischen Punkt ansprechen. Problematisch vor dem Hintergrund kontinuierlich zusammengestrichener Mittel ist das in zunehmendem und erschreckendem Maße inhaltsfrei werdende Gerede vom Dialog der Kulturen, von der Rolle der Kultur als Konfliktprävention. Der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik geradezu die Sicherung des Weltfriedens aufzubürden ist nicht nur angesichts der dürren Zahlen etwas vermessen, vielleicht sogar abenteuerlich.

   Der Anteil der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik am Gesamthaushalt - ich will das noch einmal nennen - hat mit derzeit 0,22 Prozent einen deprimierenden Tiefstand erreicht.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Unsinn! Irgendwie kommen Sie von der Konfrontation nicht herunter!)

Wir brauchen mehr Realismus und Pragmatismus, der dem Auftrag der Mittler auswärtiger Kulturpolitik entspricht. Auf der dünnen Basis der genannten 0,22 Prozent ist langfristiges Planen kaum möglich. Projekte, die mit Sondermitteln realisiert werden, wie die Stabstelle „Dialog mit der islamischen Welt“ können nicht langfristig angelegt werden.

(Monika Griefahn (SPD): Wieso? Sind sie doch! Das wurde gesagt!)

- Nein, das wurde nicht gesagt; die Mittel sind ja weg. - Doch alle Erfahrung in der auswärtigen Kulturpolitik hat gelehrt, dass nur in der Kontinuität der Erfolg liegt, dass über lange Zeiträume hinweg Vertrauen aufgebaut werden muss und dass sich die Verlässlichkeit einer Partnerschaft erst nach vielen Jahren beweist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Auswärtige Kultur- und Bildungsarbeit braucht gerade beim interkulturellen Dialog Beharrlichkeit. Sie ist keine schnelle Eingreiftruppe. Aus dem anfänglichen Scheitern eines begonnenen Dialogs darf nicht mit betriebswirtschaftlicher Logik der Abbruch der Beziehungen geschlussfolgert werden.

   Die Anerkennung und der Ruf der Mittlerorganisationen sind hierzulande, wo die Einrichtungen häufiger im Zusammenhang mit Haushaltskürzungen als im Zusammenhang mit ihren Projekten genannt werden, nicht annähernd mit dem Ruf zu vergleichen, den sie im Ausland genießen. Dieser Ruf im Ausland wird in einem Maße gefährdet, wie wir uns das in Deutschland oft gar nicht vorstellen können.

   Als Beispiel nenne ich die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die sich mit dem weltweiten Austausch von Wissenschaftlern beschäftigt. Es mag sein, dass manchem eine solche Einrichtung etwas zu gediegen erscheint. Wir brauchen in Deutschland aber nicht über Eliten und Exzellenz zu reden, wenn wir im Rahmen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik nicht sicherstellen, dass ein internationaler, hochkarätiger Austausch von Wissenschaftlern erfolgt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das wird gerne unterschätzt. Der Wissenschaftlertransfer auf höchstem Niveau ist von zentraler Bedeutung. Wenn Deutschland mit seinen Spitzenwissenschaftlern im Ausland nicht präsent ist, dann ist Deutschland auch nicht attraktiv für Spitzenwissenschaftler aus der Welt. Gleiches gilt übrigens auch für den Nachwuchs - für Studenten und angehende Wissenschaftler - und für Künstler.

   Ich habe den Namen Alexander von Humboldt aber auch noch aus einem anderen Grund genannt. Mitglieder des Kulturausschusses konnten vor kurzem während einer Mexikoreise die außerordentliche Wertschätzung Alexander von Humboldts erleben. Die Mexikaner verehren diesen Deutschen, der Mexiko 1803 mit einer Forschungsexpedition besuchte, präkolumbianische Kulturen erkundete und den Menschen dabei auf gleicher Augenhöhe begegnete, fast als Nationalheiligen. Wenn man in Mexiko hört, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung werde kaputtgekürzt, dann denkt dort niemand nur an den Austausch von Wissenschaftlern, sondern viele meinen dann, in Deutschland herrsche Kulturbarbarei.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Deutsche auswärtige Kultur- und Bildungspolitik hat noch - nicht nur in Mexiko - einen guten Ruf. Deutschland bekommt aber immer stärkere Konkurrenz. In Deutschland wird das weniger bemerkt als vor Ort. Großbritannien und Frankreich segeln zum Beispiel mit enormem staatlichen Rückwind neben uns. Deutschland hat dagegen permanent staatlichen Gegenwind. Das ist absurd.

(Monika Griefahn (SPD): Das ist einfach falsch!)

Um im Bild zu bleiben, wirft jetzt auch noch der stellvertretende Steuermann den Anker.

   Ich will das Bild nicht überstrapazieren, aber doch noch etwas aus dieser Woche berichten. Die Mitglieder der Enquete-Kommission „Kultur in Deutschland“ waren am Montag Nachmittag beim Käpt`n im Schloss Bellevue. Ich glaube, ich petze jetzt nicht und teile nicht zu viel mit: Bundespräsident Rau hat bezüglich der Rolle der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik eine ganz andere Auffassung als Fischer. Er misst ihr eine sehr hohe Priorität zu.

(Monika Griefahn (SPD): Wir auch!)

Bundespräsidenten haben ja bekanntlich durchaus entsprechende Erfahrungen, weil sie von der Welt und den Deutschen in ihr ziemlich viel mitbekommen.

   Noch einmal zum Antrag der SPD. Bezüglich der Auslandsschulen ist Ihr Antrag völlig leer; Sie haben diese ganz vergessen. Ich hoffe, Sie haben die Auslandsschulen nicht schon abgeschrieben; denn auch sie gehören zu diesem Komplex.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Das wäre eine Katastrophe!)

Ich will gar nicht erzählen, was Sie in Ihrem Antrag zum Schulfonds schreiben, weil er nichts damit zu tun hat. Die Auslandsschulen werden nämlich anders finanziert.

   Mir geht es darum: Bildungspolitik ist in Ihrem Antrag schon im Titel weggekürzt worden. Wer kürzt, muss wissen, was und wohin er will. Wir sehen keinerlei Konzept der Bundesregierung zu diesem Thema. Auch die vorliegenden Berichte aus den Jahren 2001 und 2002 geben darüber keine Auskunft. Aus diesem Grund hat die Unionsfraktion die heutige Debatte verlangt und ihren Antrag vorgelegt. Der Katalog unserer Forderungen kann nachgelesen werden. Er zeigt, dass wir mit der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik im besten Sinne noch viel vorhaben.

   Der Koalition ist zu diesem Thema leider nicht sehr viel - vor allem kein einziger konkreter Rat - eingefallen. „Neue Chancen ergreifen“, „neue Wege der Kooperation“, „neue Schwerpunkte“ - das alles klingt ungeheuer neu. Ich vermute aber, dass den Mittlern beim Lesen ihres ziellosen und offenkundig völlig hilflosen Textes das kalte Grauen überkommt. XXXXX

Ich fürchte, dass sie alle Hoffnung fahren lassen werden, wenn sie lesen müssen, dass künftig „die Haushaltsmittel für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik nachhaltig zu gestalten“ sein werden. Für die unfreiwillige Komik werden die Mittler kein Gespür mehr haben, eher für die offenkundige Hilflosigkeit der Formulierung. Haushaltsmittel nachhaltig gestalten heißt doch nichts anderes, als ohne Blick auf die Aufgaben der Mittler den Etat zu senken.

(Horst Kubatschka (SPD): Das verstehen Sie falsch!)

Am nachhaltigsten sind übrigens Nullansätze; denn diese kann man bei Haushaltsberatungen nicht weiter kürzen.

   Das ist das Gegenteil von dem, was im Titel Ihres Antrags versprochen wird, aber um die Stärkung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik soll es bei der Koalition offensichtlich gar nicht gehen. Ich zitiere noch einmal aus Ihrem Antrag. Dort heißt es unfreiwillig offen:

AKP

- schon bei der Sprache wird gekürzt; gemeint ist die auswärtige Kulturpolitik -

ist nicht nur komplementäres oder gar verzichtbares Beiwerk ...

Die Betonung liegt auf dem „nur“.

   All das erinnert mich an Karl Valentin. Wie wäre es mit einem anderen Antragstitel: „Mögen hätt‘ ich schon wollen, aber dürfen hab ich mich nicht getraut.“?

(Beifall der Abg. Vera Lengsfeld (CDU/CSU))

Ich lade Sie ein, auf der Basis unseres Antrages im Ausschuss unser im Grunde gemeinsames Wollen zur wirklichen Stärkung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik im Auswärtigen Amt und in der Welt zum Ausdruck zu bringen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das war jetzt aber nicht so sehr erkennbar!)

Ich kann Ihnen nur zurufen: Wollen Sie nicht nur, sondern trauen Sie sich auch einmal.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Monika Griefahn, SPD-Fraktion.

Monika Griefahn (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Besonders willkommen heiße ich die ausländischen Gäste aus Peru. Auch sie nehmen sehr aktiv an der auswärtigen Kulturpolitik teil.

   Herr Nooke, wenn Sie davon sprechen, dass der CDU/CSU die auswärtige Kulturpolitik so wichtig ist, dann verstehe ich nicht, warum bis 1998 44 Goethe-Institute geschlossen werden mussten, darunter so wichtige wie in Hyderabad und Lahore, die wir heute mühsam wieder einrichten müssen, damit der Dialog in diesen Ländern tatsächlich stattfindet. Da stimmt doch etwas nicht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Horst Kubatschka (SPD): Das ist Kurzzeitgedächtnis!)

- Das ist das Problem.

   Angesichts der 23 Nobelpreisträger der Humboldt-Stiftung ist für alle klar, dass dies zu dem Bereich Innovation gehört. Wie man weiß, wird Innovation von dieser Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen gefördert und umgesetzt.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Deshalb wird gekürzt!)

   Sie haben den Titel unseres Antrags kritisiert. Sie wissen, dass es in der Regel in den Ländern Kultusministerien gibt, die für Bildung zuständig sind. Deswegen umfasst die Kulturpolitik bei uns alles, was Kultur und Bildung betrifft. Wir haben nicht den Anspruch gehabt, heute auch noch den gesamten Etat von Frau Bulmahn und andere Bereiche mitzubehandeln, sondern wir wollen heute über die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik sprechen.

   In Klassenräumen noch ohne Fenster sitzen 50 Mädchen in zwei Gruppen Rücken an Rücken, um zu lernen. Sie lechzen nach Bildung. Ich spreche von der Situation in Kabul im September letzten Jahres. Wie unser Islambeauftragter, Dr. Gunter Mulack, sehr richtig feststellte, schaffen wir Demokratie und Menschenrechte in vielen Ländern nur, wenn Mädchen und Frauen beteiligt sind. Das geschieht nicht nur durch deutsche Schulen im Ausland, sondern auch durch von uns mit Projekten geförderte Schulen. Da setzen wir an.

   Die Sprachenschule in Teheran ist mehr als ein Institut zur Vermittlung der deutschen Sprache. Es ist ein Treffpunkt von Männern und Frauen, von Kreativen und Kulturen. Da begegnet man sich. Diejenigen, die Reformen wollen und aufgeschlossen sind, haben die Möglichkeit, dort miteinander in Dialog zu treten.

   In Lateinamerika genießen Deutschland bzw. Europa großen Respekt und Anerkennung. Bei unserem Besuch - Sie haben Mexiko erwähnt - in den deutschen Schulen in Arequipa, Lima und Mexiko-City wurde immer wieder gefragt, warum wir uns nicht noch intensiver in Lateinamerika engagieren, da sich die Lateinamerikaner nicht ausschließlich auf die USA beziehen wollen. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, dass Europa bzw. Deutschland dort einen guten Ruf hat.

   Auch in Europa helfen neue Ideen und Bilder dabei, gegenseitig Vorurteile abzubauen. Schauen wir uns in Frankreich die Deutsch-Mobile oder in Deutschland die France-Mobile an. Sie haben dazu beigetragen, dass die Nachfrage nach Deutsch bzw. nach Französisch als Fremdsprache hier wie dort einen Schub erhalten hat und dass das Deutschlandbild in vielen Teilen Frankreichs zumindest aktualisiert werden konnte. XXXXX

Sie sind ein großer Publikumserfolg, der auch mit dem Adenauer/de-Gaulle-Preis ausgezeichnet wurde. Auf diese Tradition und diese neuen Aspekte können wir bauen. Das ist das, was wir mit neuen Ansätzen meinen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wie Gunter Mulack feststellte, müssen wir noch stark umsteuern, wenn wir insbesondere die Jugend in den islamischen Ländern erreichen wollen. 50 bis 70 Prozent der Bevölkerung sind unter 30 Jahre. Italien hat aber genauso viele Goethe-Anlaufstellen wie der gesamte arabische Raum. Deshalb müssen wir Goethe-Institute verlagern und gleichzeitig neue Wege stärker erschließen. Ich denke an Anlaufpunkte, Lesesäle, Informationszentren, Goethe-Zentren, aber auch an gemeinsame Sportaktivitäten. Mannschaftssport als Lernen für die Demokratie, auch das ist sicherlich ein Weg, gerade an junge Leute heranzukommen. Das ist eine neue Herangehensweise.

   Jetzt kommen wir zum Hauptproblem, das wir vor uns hertragen: das liebe Geld. Wir alle müssen sparen, aber wir haben Prioritäten gesetzt: Zukunftsinvestitionen und Bildung wollen wir nicht vernachlässigen und die Mittel dafür nicht kürzen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Winfried Nachtwei (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Das ist unser Ziel. Wenn uns aber das Geld fehlt, dann müssen wir intelligenter mit dem wenigen Geld umgehen. Wenn es richtig ist, dass wir Bildung als Investition betrachten - die Hauptmittel in der auswärtigen Kulturpolitik sind auch Bildungsmittel; betrachten Sie die 117 Auslandsschulen, die 126 Goethe-Institute weltweit und die 30,5 Millionen Euro für den Studentenaustausch -, dann ist es auch richtig, zwei Schritte zu machen. Erstens. Wenn es Einsparungen, die wir alle tragen müssen, geben muss, dann müssen diese aus dem Gesamthaushalt erwirtschaftet werden, nicht aus dem Haushalt für die auswärtige Kulturpolitik. Da sind wir uns einig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Zweitens. Wenn wir innovative Wege gehen wollen, dann müssen wir die Budgetierung, auch mit Deckelung, in den Institutionen der auswärtigen Kulturpolitik einführen und die Mittel aus den Einsparungen, die durch die Budgetierung erfolgen können, den Mittlern für die Programmarbeit zur Verfügung stellen. Das ist ein entscheidender Punkt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ein Beispiel: Es kann doch nichts dagegen sprechen, dass ein Mittler mit den erwirtschafteten Budgetierungsrenditen ein preiswerteres Haus mietet und die eingesparten Gelder in Programme steckt. Das sind die zukunftsweisenden Perspektiven. Darin sind wir uns einig. Wir müssen das nur umsetzen.

   In den Kommunen und Ländern geht das auch. Wenn eine Schule ein Energieeinsparungsprogramm beschließt, neue Fenster einbaut und die Schüler lehrt, wie man richtig lüftet, dann ist es Usus, dass die eingesparten Mittel zur Hälfte dem Investor, der diese Investitionen abschreibt, und zur anderen Hälfte der Schule für Programmarbeit überlassen werden. Das streben wir bei den Institutionen auch an.

   Wenn man die Mittel für die Budgetierung deckelt, dann spricht in meinen Augen nicht viel dagegen, das auch auf Bundesebene so zu machen. Dann sind die Leute vor Ort motiviert einzusparen. Dann fallen auch die jährliche Hatz aufgrund der Kameralistik und das Novemberfieber weg. Davon haben alle etwas und wir sparen zusätzlich Geld. Das ist das Entscheidende.

   Die Kultur- und Bildungspolitik ist ein zentraler Bestandteil der allgemeinen Außenpolitik und mehr als nur die dritte Säule. Ihre Aufgaben werden noch zunehmen. Sie werden angesichts vielfältiger Konflikte auch wichtiger. Wir können das in Afghanistan beobachten. Der Aufbau bzw. der Erhalt von kultureller Infrastruktur wird trotz der täglichen Existenzprobleme, die die Menschen haben, begeistert aufgenommen. Die Wiedereröffnung des Goethe-Instituts in Kabul im letzten September, die immense Nachfrage nach Deutschkursen und das Lechzen nach Kultur sprechen Bände. Das dient auch unserer Zukunft, denn wer, wenn nicht die jungen Leute, sind die Träger von Sympathie und diejenigen, die dann auch zu einem Studium nach Deutschland kommen? Sie tragen ihre Erfahrungen in ihre Gesellschaft hinein und sorgen dafür, dass Klischees abgebaut werden, und geben damit etwas zurück. Damit helfen die kulturellen Programme, Herr Nooke, auch der aktiven Friedenskonsolidierung. Das kann man doch gar nicht bestreiten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Günter Nooke (CDU/CSU): Aber nicht alleine!)

- Sie helfen mit, habe ich gesagt.

   An diesen Beispielen sieht man deutlich, dass die Ausgaben für Kultur beileibe keine Subventionen sind, sondern eindeutig Investitionen in unsere Zukunft. Ich glaube, dass wir die Mittlerorganisationen wie Goethe-Institut, DAAD, Institut für Auslandsbeziehungen und Alexander-von-Humboldt-Stiftung, aber auch alle anderen, nicht einfach als Zuwendungsempfänger betrachten dürfen, nur weil sie als eingetragene Vereine oder Stiftungen fungieren. XXXXX

Sie sind vielmehr - wie die Botschaften - wie eine nachgeordnete Behörde zu betrachten, die Teil des Ministeriums ist. Von diesem Ansatz müssen wir ausgehen. Aber wir haben uns bewusst entschieden, dass sie sozusagen autonom handeln dürfen. Insofern müssen sie anders organisiert werden.

   Sie haben die Auslandsschulen angesprochen, Herr Nooke, die uns selbstverständlich wichtig sind. Sie sind uns zudem wichtig, weil sie Kindern, die sonst keine Schulbildung bekommen könnten, ermöglichen, in deutschen Schulen unterrichtet zu werden und mit Menschen aus anderen Ländern in Kontakt zu kommen. In Südafrika zum Beispiel besuchen südafrikanische Kinder aus den Problembereichen deutsche Schulen und erhalten dadurch bessere Bildungsmöglichkeiten. Insofern vernachlässigen wir die Schulen mitnichten; wir betrachten sie vielmehr als Begegnungsstätten. Das ist ein entscheidender Punkt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Günter Nooke (CDU/CSU): Das steht aber nicht in Ihrem Antrag! Dann müssen Sie den Antrag noch erweitern!)

   Wir haben jetzt weitere Kooperationen vorgenommen. Auch das ist eine neue Methode. Goethe-Institute haben vor Ort gemeinsam mit anderen europäischen Ländern - mit Frankreich, Spanien und England - Lesesäle eröffnet. Mit der Robert-Bosch-Stiftung werden dieses Jahr unter anderem in Rumänien weitere zehn deutsche Kulturzentren eröffnet. In Kooperation wird mehr erreicht als im Alleingang.

   Des Weiteren werden ehemalige Institute in Kooperation mit Städten oder Universitäten in Goethe-Zentren umgewandelt. Das ist für Europa besonders wichtig, weil immer wieder über Schließungen diskutiert wird. Wir müssen aber keine Einrichtungen schließen, sondern wir müssen die Entwicklung in Europa betrachten. Wir sind ein vereintes Europa, in dem wir auch gemeinsam arbeiten müssen. Die eigentliche Arbeit der Goethe-Institute muss in anderen Ländern, beispielsweise in arabischen Ländern oder in Südamerika, durchgeführt werden. Vor Ort in Europa sind andere Kooperationen zu gestalten, die auch entsprechend kostengünstiger sind. Das ist klar, weil es ein anderes System ist.

(Beifall der Abg. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Dass wir den Vorschlägen im Koch/Steinbrück-Papier zur auswärtigen Kulturpolitik nicht folgen wollen, ist klar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. Werner Hoyer (FDP))

Denn das würde neben der Schließung von acht bis zehn Goethe-Instituten und der Streichung von rund 1 000 ausländischen Promotionsstipendien vom DAAD bedeuten, dass bei der Alexander-von-Humboldt-Stiftung 300 ausländische Spitzenwissenschaftler wegfallen. Diese Zahlen gelten pro Jahr! Dass wir das nicht wollen, ist klar. Ich denke, wir arbeiten gemeinsam daran, dass das nicht passiert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir wollen auch nicht die Programmarbeit in Lateinamerika oder in Afrika - auch dieser Kontinent wird leicht vergessen - zur Disposition stellen. Deswegen, denke ich, müssen wir nach Wegen suchen. Ich habe die Wege aufgezeigt. Wir werden sehen, wie wichtig die Kulturarbeit noch wird.

   Es wird immer wieder gefragt, wie man zum Beispiel mit radikalisierten Islamisten Dialoge führen soll. Zwar gibt es radikalisierte Menschen, mit denen keine Dialoge möglich sind, aber es gibt auch eine große Menge von Neugierigen, die aber eine gewisse Skepsis aufweisen und mit denen die Dialoge zu führen und Kontakte möglich sind. Diese Menschen müssen wir erreichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sehen doch im Iran, in Indien, Indonesien und in anderen islamischen Ländern, dass es ein Bedürfnis nach entsprechenden Kontakten gibt. Man kann doch nicht alles auf die kleine Schar von radikalisierten Islamisten reduzieren, sondern es gibt eine große Menge von Menschen, die an Deutschland und an Europa ein großes Interesse haben, auch als Gegenpol oder Ergänzung zu den Vereinigten Staaten. Darin liegt unsere Chance. Das ist der aktive Beitrag zur Friedenssicherung, den ich für sehr wichtig halte und von dem ich meine, dass wir damit sehr viel erreichen können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich glaube, unsere Hauptaufgabe wird sein, gemeinsam die Anstrengung zu unternehmen, die Budgetierung einzuführen, um einen flexibleren Umgang mit den vorhandenen Mitteln zu ermöglichen. Ich denke, dass wir in unserem Ausschuss und in diesem Hohen Hause eine gemeinsame Position zur auswärtigen Kulturpolitik vertreten und sicherlich auch weiterhin konstruktiv an diesen Fragen arbeiten werden.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Werner Hoyer, FDP-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der FDP)

Dr. Werner Hoyer (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen Staatsministerinnen, ich freue mich sehr, Sie hier zu sehen, aber ich fände es noch besser, wenn der Bundesaußenminister heute anwesend wäre und seine Vorstellungen von der Bedeutung der auswärtigen Kulturpolitik zum Besten geben würde. Die beiden Gäste, die er heute Morgen in dieser Stunde empfängt, hätten mit Sicherheit so viel Respekt vor dem Parlament, dass sie ihm die Teilnahme an dieser Sitzung ermöglicht hätten.

(Beifall bei der FDP)

   Es ist für die auswärtige Kulturpolitik nie leicht gewesen, Mittel zu beschaffen, Geld locker zu machen. Es hat auch immer wieder Rückschläge gegeben. Aber im Großen und Ganzen ist es nach hartem Kampf eigentlich immer wieder gelungen, der auswärtigen Kulturpolitik einen angemessenen Platz im Bundeshaushalt zu verschaffen. So schwankte der Anteil der auswärtigen Kulturpolitik in der ersten Hälfte der 90er-Jahre stets um 2,6 Promille des Gesamtetats. Dieses Niveau zu halten war keine Selbstverständlichkeit, sondern Kampf.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

Aber seit 1999 geht es bergab. Der Anteil der auswärtigen Kulturpolitik am Gesamtetat liegt seither deutlich unter 0,25 Prozent.

(Monika Griefahn (SPD): Was war 1996, Herr Hoyer? In Ihrer Zeit als Staatsminister sind ganz viele Institute geschlossen worden!)

Der Anteil der auswärtigen Kulturpolitik am Gesamtetat des Auswärtigen Amtes ist von einst 33 Prozent auf mittlerweile 25 Prozent gesunken.

   Beim Schließen von Instituten gab es sehr schmerzhafte Entscheidungen, aber auch Fehlentscheidungen. Ich denke an Reykjavik. Sie selber haben vorhin Beispiele genannt - Sie haben Italien angesprochen -, an denen deutlich geworden ist, warum man in bestimmten politischen Situationen umschichten muss.

   Übrigens sollten wir auf der Mitgliederversammlung des Goethe-Instituts am kommenden Montag noch einmal darüber reden, ob es tatsächlich richtig ist, zu sagen, dass wir keine deutsche auswärtige Kulturpolitik innerhalb der Europäischen Union mehr brauchen, da Europa gänzlich vereint ist. Ich halte das für einen falschen Ansatz.

(Monika Griefahn (SPD): Deswegen habe ich von den Kooperationsmodellen gesprochen!)

   Der Bundesaußenminister hat deutlich gemacht, dass der Kahlschlag in den nächsten Jahren noch verschärft werden müsse. Christof Siemes hat vorgestern in der „Zeit“ zu Recht beklagt:

Die auswärtige Kulturpolitik wird endgültig zugrunde gespart.

Dieser Kahlschlag hat einen Namen: Joschka Fischer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dem Bundesaußenminister kommt zwar der Spruch von der auswärtigen Kulturpolitik als der dritten Säule der auswärtigen Politik leicht über die Lippen. Aber er kämpft nicht für ihre materielle Ausstattung. Er kämpft hier nicht für sein Haus.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wie ist es sonst zu erklären, dass schon bei den Verhandlungen im Vermittlungsausschuss über die Koch/Steinbrück-Liste zum Subventionsabbau klar war, dass einige Ressorts, die durchaus auch auf dem Gebiet der auswärtigen Kulturpolitik tätig sind, wie zum Beispiel das Bundeskanzleramt und das BMZ, ungeschoren davonkommen, die Zuwendungsempfänger im Geschäftsbereich des Auswärtigen Amtes aber voll betroffen sind, und zwar auch dann, wenn sie systematisch überhaupt nicht in die Liste der Subventionsempfänger hineinpassen.

   Es ist schon absurd, dass Auslandsmedienarbeit, wenn sie bei der Kulturstaatsministerin oder im BMZ ressortiert, von den Kürzungen ausgenommen wird, wenn sie aber beim Goethe-Institut zu Buche schlägt, voll von der Kürzungskeule erfasst wird. Dabei war Herr Fischer in seiner Eigenschaft als heimlicher Bundesvorsitzender der Grünen doch in den entscheidenden Besprechungen der Parteivorsitzenden im Rahmen des Vermittlungsverfahrens persönlich beteiligt. Er hätte aufgrund guter Beratung seines Hauses wohl einigen Unsinn verhindern können. Er hat darauf verzichtet und übernimmt deshalb die Hauptverantwortung für eine außenpolitisch, kulturpolitisch und bildungspolitisch unverantwortliche Weichenstellung. Zu Recht schreibt der „Tagesspiegel“ gestern:

Es ist … die alleinige Verantwortung des Außenministers, wenn er in seinem Haushalt die Kultur überproportional zur Kasse bittet.
(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Es herrschte bis vor kurzem Konsens darüber, dass es zweckmäßig ist, den Spagat zwischen Staatsnähe und Politikferne der Kulturmittler dadurch zu erleichtern, dass man diesen Bereich originärer staatlicher Tätigkeit auslagert, rechtlich verselbstständigt und damit ein hohes Maß an Eigenverantwortlichkeit und Unabhängigkeit schafft, aber natürlich ohne den Staat aus seiner Verpflichtung zu entlassen. Umgekehrt ist es daher durchaus nachvollziehbar, dass die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik solidarisch ihren Beitrag zur Haushaltssanierung leisten müssen. Sie tun dies auch. Dementsprechend sind diese Organisationen auch von den allgemein verordneten Stellenkürzungen betroffen. Sie tragen seit mehr als zehn Jahren mit 1,5 Prozent Jahr für Jahr zu den Stellenkürzungen bei und beteiligen sich selbstverständlich auch daran, für das jeweilige Ressort die globale Minderausgabe zusammenzukratzen. Übrigens, eine Fusionsrendite ist allerdings beim Goethe-Institut nie angekommen, wie das versprochen worden war, als Goethe-Institut und Inter Nationes fusioniert wurden. Es würde sich lohnen, auch über dieses Thema noch einmal zu diskutieren.

   Jetzt sollen aber die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kulturpolitik doppelt zur Kasse gebeten werden: zuerst im Rahmen der allgemeinen Finanzmaßnahmen, von denen alle Bundesressorts und ihre nachgeordneten Dienststellen betroffen sind, und dann durch die besondere Berücksichtigung im Koch/Steinbrück-Papier. Das ist unsachgemäß und unsystematisch. Das ist, wie heute die „Süddeutsche Zeitung“ zu Recht schreibt, eine „intellektuelle Zumutung“.

   Wenn der Begriff der Subvention irgendwo fehl am Platz und der Begriff der Investition irgendwo angemessen ist, dann hier. Das meine ich nicht nur im wirtschaftlichen, sondern durchaus auch im politischen und kulturellen Sinne. Die auswärtige Kulturpolitik trägt nämlich zum Erfolg der Friedenspolitik aktiv bei, sie steigert das Ansehen Deutschlands in der Welt, sie fördert die wissenschaftliche Vernetzung unseres Landes, sie begründet Freundschaften und Partnerschaften und - last, but not least - flankiert sie eben auch die Außenwirtschaftspolitik unseres Landes.

   Nach dem 11. September 2001 hieß es: Auswärtige Kulturpolitik ist ein Instrument präventiver Konfliktentschärfung. Als es dann um die Verteilung der Antiterrormittel ging, war davon nicht mehr viel zu spüren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Es macht keinen Sinn, einerseits von „Eliteuniversitäten“ zu schwadronieren und andererseits den internationalen Wissenschaftleraustausch lahm zu legen. Welch ein horrender, welch ein grausamer Widerspruch!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Es ist uns im Kreise der Haushälter in den letzten Jahren gelungen, einige Aspekte der auswärtigen Kulturpolitik besonders hervorzuheben und neue Schwerpunkte zu setzen. Wir Parlamentarier haben den Haushalt der auswärtigen Kulturpolitik gegenüber dem Regierungsentwurf in den letzten Jahren deutlich erhöht, und zwar vor allem, um der strategischen Rolle der deutschen Auslandsschulen gerecht zu werden und um den Hochschulstandort Deutschland attraktiver zu machen. Ich hoffe, die Gemeinsamkeit der Haushälter auf diesem Gebiet wird auch in diesem Jahr wieder dazu führen, dass das Allerschlimmste noch verhindert werden kann. Es ist allerdings wirklich an der Zeit, alle Alarmglocken zu läuten; es ist fünf vor zwölf. Es kann noch etwas geschehen; das Schlimmste kann noch etwas entschärft werden. Strengen wir uns alle gemeinsam dabei an!

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort für die Bundesregierung der Staatsministerin Kerstin Müller.

Kerstin Müller, Staatsministerin im Auswärtigen Amt:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die heutige Debatte und die jüngste Diskussion über Kürzungen im Kulturhaushalt machen eines besonders deutlich - Herr Nooke, da sind wir uns in der Tat einig -: Die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik ist vor allen Dingen angesichts neuer Bedrohungen mehr denn je ein unverzichtbarer Bestandteil einer umfassenden Außen- und Sicherheitspolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Das ist vor allem auf unseren sicherheitspolitischen Ansatz - auch er ist inzwischen parteiübergreifend Konsens - zurückzuführen. Dieser Ansatz geht weit über militärisches Engagement hinaus: Es geht um politische, ökonomische, gesellschaftliche und auch kulturelle Bedingungen und Entwicklungen, um dem komplexen und multidimensionalen Charakter von Krisen und Konflikten Rechnung zu tragen. Dabei spielt gerade der Kulturdialog eine bedeutende Rolle. Ich möchte in diesem Zusammenhang drei Beispiele nennen:

   Erstens. Den Kampf gegen den internationalen Terrorismus werden wir nicht gewinnen, wenn wir ihn nicht auch als kulturelle Herausforderung begreifen. Deshalb ist es für unsere Außenpolitik von zentraler Bedeutung, dass wir mit der islamischen Welt den Dialog über kulturelle Modernisierung suchen,

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

etwa um - Herr Nooke, darum geht es - jungen Menschen in den islamischen Ländern eine Perspektive, zum Beispiel was Bildungschancen angeht, zu geben und um ein Abdriften in den Extremismus zu vermeiden.

   Zweitens. Auch in der Prävention und Bewältigung von Krisen hat die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik als Teil der Außenpolitik große Bedeutung gewonnen. Ob auf dem Balkan oder in Afghanistan: Was das Auswärtige Amt und die Mittlerorganisationen dort leisten, ist ein unverzichtbarer Beitrag zur Stabilisierung des Friedens. So haben wir zum Beispiel in Afghanistan - das war ein wichtiger Beitrag, mit dem wir dort vorangegangen sind - ein Goethe-Institut wieder eröffnet.

   Drittens. Vergessen wir auch nicht: Wir erleben die außenpolitische Bedeutung des Kulturdialogs seit Jahrzehnten in Europa; schließlich ist die Erfolgsgeschichte der europäischen Integration nicht zuletzt ein Ergebnis des intensiven Austauschs im Bereich Kultur und Bildung.

   Herr Nooke, ich will Ihre Behauptung, es gebe keinen Bereich, den wir so vernachlässigt hätten, hier ganz klar zurückweisen. Das Gegenteil ist der Fall. Diese Behauptung ist geradezu abwegig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Günter Nooke (CDU/CSU): Gucken Sie doch einmal auf den relativen Anteil Ihrer Mittel!)

   Wir leben aber nun einmal - das ist Ihnen möglicherweise entgangen, obwohl ich mir das nach den Debatten über Maastricht gar nicht vorstellen kann - in Zeiten knapper Kassen. Ich sage hier sehr deutlich: Die Solidarität gebietet, dass sich das Auswärtige Amt und auch die Kulturmittler an Einsparungen beteiligen.

   Etwas anderes sage ich hier auch ganz deutlich - da scheint ja zumindest bei den Kulturpolitikern im Hohen Hause Einigkeit zu bestehen -: Wir können es nicht hinnehmen, wenn in den Koch-Steinbrück-Vorschlägen davon gesprochen wird, Ausgaben für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik seien Subventionen, die abgebaut werden müssen. Dazu kann ich nur sagen: Dieser Subventionsbegriff ist absurd. Das hat der Außenminister auch an jeder Stelle von Anfang an sehr deutlich gesagt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Der Kulturaustausch - Herr Kollege Hoyer, ich stimme Ihnen zu - ist keine Subvention, sondern eine wichtige Investition in die Zukunft. Es bringt uns überhaupt nicht weiter, wenn solche Dinge als Subvention bezeichnet werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   An etwas anderes möchte ich Sie jetzt aber auch erinnern, meine Damen und Herren von der Opposition: Herr Ministerpräsident Koch ist meines Wissens noch nicht Mitglied der Grünen geworden.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Bei uns auch nicht!)

Die Koch-Steinbrück-Vorschläge wurden aber auch von den Bundesländern, in denen Sie regieren und auch die FDP mitregiert,

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Aber nicht bei Herrn Koch!)

im Vermittlungsausschuss beschlossen. Tun Sie doch hier nicht so, als trage dafür nur die Koalition oder gar nur der Außenminister die Verantwortung.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Höchstpersönlich!)

Das ist nun wirklich völliger Blödsinn. Sie alle tragen aufgrund der Beschlüsse des Vermittlungsausschusses dafür auch selbst Verantwortung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der SPD: Die verschwinden immer an den Büschen, wenn’s ernst wird!)

   Außerdem möchte ich Sie auch noch einmal an Ihre steuerpolitischen Vorschläge erinnern, nicht nur an die gerade von der CDU beschlossenen, sondern erst recht an die von der FDP. Wenn diese steuerpolitischen Vorschläge realisiert würden, dann würden staatliche Leistungen doch erst recht gekürzt. Dann würde wahrscheinlich gar nichts mehr für die auswärtige Kulturpolitik übrig bleiben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich finde es heuchlerisch, wenn man das in dieser Debatte nicht erwähnt. Deshalb können Sie sich das Gejammere auch wirklich sparen.

(Günter Nooke (CDU/CSU): Da klatscht ja keiner! - Dr. Werner Hoyer (FDP): Unser Subventionsbegriff ist glasklar!)

   Jedenfalls hat sich Minister Fischer persönlich in der Bundesregierung durch intensive Gespräche dafür eingesetzt, dass es keine weiteren Kürzungen in der auswärtigen Kulturpolitik mehr gibt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Vergeblich!)

Ich kann Ihnen heute die erfreuliche Mitteilung machen, dass ich optimistisch bin, dass es uns gelingen wird, die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik weitgehend von den Koch-Steinbrück-Kürzungen auszunehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Auch im Haushaltsauschuss wurde gestern von den Koalitionsfraktionen ausdrücklich erklärt, dass Einsparungen in der auswärtigen Kulturpolitik vermieden werden sollen. Das, meine Damen und Herren, ist, wie ich glaube, eine gute Nachricht für die deutsche Außenpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Nun möchte ich noch etwas Versöhnliches sagen: Dass wir uns in diesem Hohen Hause in der Frage der Wichtigkeit der auswärtigen Kulturpolitik einig sind, sieht man daran, dass unsere Auffassungen bezüglich der Inhalte und Ziele der auswärtigen Kulturpolitik nah beieinander liegen. Die heutige Debatte hat ja gezeigt, dass wir uns fraktionsübergreifend im Grundsatz über die große Bedeutung des Kulturaustausches als eines zentralen Feldes der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik einig sind. Deshalb hoffe ich auch in Zukunft auf Ihre Unterstützung, wenn es darum geht, gemeinsam - das liegt in unserem Interesse und entspricht der Intention des Ministers - die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik zu stärken.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Nächster Redner ist der Kollege Dr. Klaus Rose, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Klaus Rose (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich beginne, liebe Kolleginnen und Kollegen, mit einer persönlichen Vorbemerkung: Von 1983 bis 1994 war ich Haushaltsberichterstatter für den Etat des Auswärtigen Amts und auch Mitglied des Unterausschusses für auswärtige Kulturpolitik, den es damals noch gab. Ich erinnere mich gut daran, dass wir damals eine kämpferische Zeit hatten. Es gab Auseinandersetzungen um die politische und manchmal auch ideologische Ausrichtung der dritten Säule der bundesdeutschen Außenpolitik. Es gab Aufregung um die richtige Vermittlung des Deutschlandbildes bzw. über die Vermittlung des richtigen Deutschlandbildes. In dieser Auseinandersetzung flogen manchmal die Fetzen. Legendär ist inzwischen die Rede von Franz Josef Strauß beim Goethe-Institut in München und die Antwort des damaligen Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen, Johannes Rau, an gleicher Stelle. Das hat damals nicht geschadet. Da stand die auswärtige Kulturpolitik im Mittelpunkt des deutschen Interesses. Darum kümmerte sich auch der Außenminister persönlich, der heute wieder nicht anwesend ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Da waren viele Kräfte daran interessiert, dass es vorangeht. Heute plätschert alles so dahin und wir werden mit Zahlen gefüttert, die hinten und vorne nicht stimmen.

   In den vergangenen zehn Jahren hat sich natürlich inhaltlich viel verändert, einerseits, weil die Zeit weniger von Ideologie geprägt ist, andererseits wegen neuer technischer Möglichkeiten. Ich besuche jetzt wieder manchmal Goethe-Institute oder Auslandsschulen. Da merkt man schon, dass da viel Neues entstanden ist.

Es ist Gott sei Dank von den Trägern und den Mittlerorganisationen sehr gut aufgegriffen worden. Die neue Zeit ist genutzt worden.

   Eine weitere Veränderung hat sich aber leider wegen schrumpfender Ressourcen ergeben. Geblieben ist die Auffassung, dass die auswärtige Kulturpolitik im Rahmen einer auf Friedenserhaltung, Konfliktprävention und Verwirklichung der Menschenrechte ausgerichteten Außenpolitik große Bedeutung hat und unverzichtbar ist. Das kam heute mehrfach zum Ausdruck. An diesem Punkt werden wir uns wahrscheinlich auch in Zukunft gemeinsam treffen. Aber weil die auswärtige Kulturpolitik so wichtig ist, muss auch die Konsequenz gezogen werden, dass mehr dafür getan wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Als Mitglied nicht des Ausschusses für Kultur und Medien, sondern des Auswärtigen Ausschusses betone ich: Die dritte Säule der Außenpolitik, nämlich unser Kulturaustausch, hat nach dem 11. September 2001 eine zusätzliche Bedeutung gewonnen. Angesichts des schlimmen Geschehens in Madrid wird es noch wichtiger werden, den Austausch zwischen den Kulturen in der Welt zu fördern.

   Ich möchte der Bundesregierung durchaus zugestehen, dass sie im Rahmen des neuen Kulturkonzepts „Konzeption 2000“ bemüht ist, eine effektive auswärtige Kulturpolitik zu betreiben. Gemessen an den hehren Tönen, die ich aus früheren Zeiten noch im Ohr habe, muss ich aber feststellen: Erstens. Sie kochen nur mehr mit Wasser, mit schalem Wasser. Zweitens. Die auswärtige Kulturpolitik steht leider nicht mehr im Mittelpunkt des politischen Ringens in Deutschland. Drittens. Der Ton im Kampf um die Mittel wird wieder härter. Aber darüber freue ich mich, weil es absolut nicht falsch sein muss, wenn man sich stärker einsetzt und wenn auf allen Seiten gekämpft wird. Dabei können ruhig auch schärfere Töne fallen, Ihnen gegenüber sowieso, verehrte Frau Staatsministerin.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich zeige Ihnen einmal die nackten Haushaltszahlen auf und bitte Sie, sich das anzuhören, weil Sie nämlich immer etwas anderes sagen oder um den heißen Brei herumreden. Die Haushaltszahlen stehen in Ihren Berichten. Von 2001 bis 2003 gab es eine Einsparung von circa 23 Millionen Euro. Der Bericht der Bundesregierung von 2001 sagt selbst, was das bedeutet: „Einschnitte in einigen Bereichen der Auslandskulturarbeit bis an die Grenze dessen, was ohne Substanzverlust geleistet werden konnte“. Das ist euphemistisch, höflich beschrieben. Die Wirklichkeit ist anders, vor allem jetzt im Jahr 2004. Die Ankündigungen, die wir alle hören, deuten darauf hin, dass wir bis zum Haushalt 2008 noch einmal 12 Prozent Kürzung bekommen. Ich glaube nämlich nicht, dass sich Herr Fischer mit seinem Begriff von Kultur - den ich bisher nicht so richtig kennen gelernt habe - durchsetzen wird. 2008 ist er sowieso nicht mehr im Amt, aber er wird sich auch vorher nicht durchsetzen.

   Der Budgetanteil der auswärtigen Kulturpolitik am Bundeshaushalt ist von 1993 bis 2004 von 0,27 Prozent auf 0,22 Prozent zurückgegangen.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): So ist es!)

   Das Auslandsschulwesen - von den 117 Auslandsschulen habe ich persönlich etwa 50 besucht und dort Diskussionen geführt - muss mit rückläufigen Mitteln auskommen. Der Schulfonds wird laufend verringert. Ich will die Zahlen hier nicht erwähnen, aber sie sind nachzulesen und nachweisbar. Es gibt kaum mehr eine Schule, die nicht betroffen ist.

(Monika Griefahn (SPD): Die Schulen sind gut ausgestattet!)

Sie können sich vorstellen, welche Freude in vielen Orten der Welt gegenüber Deutschland aufkommt. Man erlebt, wie sich die Kinder dort bemühen. Aber man hört dauernd, wie schwierig es geworden ist. Sie haben stolz Kabul erwähnt. Ich war bereits 1986 in Kabul am Goethe-Institut. Dass wir jetzt wieder dorthin können, haben wir unter anderem der NATO und der Bundeswehr zu verdanken. Was 1986 in Ihren Kreisen über die NATO und die Bundeswehr geredet wurde, will ich heute gar nicht erwähnen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Aber dass Sie sich hier hinstellen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, und verkünden, dass endlich wieder etwas geschehen sei, ist schon ein bisschen seltsam.

   Ich möchte auch die verdienstvollen Mittlerorganisationen wie den Deutschen Akademischen Austauschdienst, die Alexander-von-Humboldt-Stiftung, die Deutsche Forschungsgemeinschaft und andere erwähnen. Sie sind unendlich wichtig, weil sie ein Netzwerk von deutschem Kulturaustausch in aller Welt bilden und weil wir auf ihnen aufbauen können; man weiß, welche Verbindungen man dort über Jahrzehnte haben kann. Früher haben wir diesen Organisationen empfohlen, sich zusätzlich zu staatlichen Geldern um Sponsoring zu bemühen, um die Mittel zu erhöhen. Heute sind sie, weil die öffentlichen Mittel nicht mehr fließen, darauf angewiesen, sich mit Wirtschaftsgeldern über Wasser zu halten. XXXXX

Das kann doch nicht im Sinne einer Förderung der auswärtigen Kulturpolitik sein. Ich höre geradezu die früheren FDP- bzw. SPD-Kollegen Hamm-Brücher und Freimut Duve, die noch gekämpft, sich aufgeregt und gefordert haben, dass es mit der auswärtigen Kulturpolitik aufwärts gehen müsse.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Rose, Ihre Redezeit!

Dr. Klaus Rose (CDU/CSU):

Die acht Minuten Redezeit, die mir zustehen, sind mit Sicherheit noch nicht um.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich habe deswegen die vorgegebene Redezeit großzügig interpretiert.

Dr. Klaus Rose (CDU/CSU):

Ich habe schon am Anfang meiner Rede gesehen, dass eine Redezeit von sechs Minuten eingestellt war, obwohl ich acht Minuten habe. Das ist für mich aber jetzt nicht wesentlich.

   Das Wesentliche ist, dass wir in den nächsten Monaten in den zuständigen Ausschüssen - vor allem im Haushaltsausschuss - massiv für die auswärtige Kulturpolitik eintreten, Forderungen durchboxen und nicht nur darüber reden. Ich sage noch einmal: Es dürfen ruhig schärfere Töne anklingen; denn nur so fällt man auf. Ich hoffe sehr, dass wir trotz aller Probleme, die es an anderer Stelle gibt, gut zusammenarbeiten.

(Eckhardt Barthel (Berlin) (SPD): Sie sollten einmal zuhören, wenn Leute vorher etwas berichten!)

   Ich möchte zum Abschluss sagen: Wir sollten gemeinsam um die beste Lösung ringen. Wir werden Sie natürlich auch weiterhin kontrollieren und aktiv werden, wenn Sie nur reden und nicht handeln.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Monika Griefahn (SPD): Wir handeln! So eine Doppelbödigkeit! - Horst Kubatschka (SPD): Gut kennt er sich nicht aus!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Lieber Kollege Rose, ich weise Sie darauf hin - das wird Sie vielleicht trösten -, dass zwar die eingestellte Redezeit eine andere als die von den Geschäftsführern angemeldete war, dass aber die vom Präsidenten zugestandene Redezeit etwas mehr als die vorgesehene war.

(Heiterkeit - Horst Kubatschka (SPD): Eine lammertsche Formulierung! - Dr. Wolfgang Schäuble (CDU/CSU): Das ist ausgleichende Gerechtigkeit! Außerdem war er gut!)

   Nun erteile ich dem Kollegen Lothar Mark das Wort für die SPD-Fraktion.

Lothar Mark (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die heutige Debatte zur auswärtigen Kulturpolitik fällt in eine Zeit, in der zu Recht mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass das Koch-Steinbrück-Papier auf die auswärtige Kulturpolitik genauso wenig angewandt werden dürfe wie auf die Binnenkultur.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Investitionen in die Kultur - auch das haben wir mehrfach gehört - sind keine Subventionen. Sie sind rentierliche Investitionen in die Zukunft, die dazu beitragen, das Bild Deutschlands als einer Kultur- und Bildungsnation in der Welt zu verbreiten und zu festigen. Letztendlich sind sie aber auch wirtschaftsfördernd.

   Die heute hier vorliegenden Anträge, die sich für eine Stärkung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik aussprechen, sind zunächst einmal zu begrüßen; denn sie bestätigen die Bedeutung, die das Parlament der Kultur beimisst.

   Als Außenpolitiker und Berichterstatter der SPD-Fraktion für den Haushalt des Auswärtigen Amtes habe ich natürlich zwei Seelen in meiner Brust. In den Haushaltsdebatten im Jahr 2003 hatte ich mich angesichts der starken Kürzungen, denen sich auch das Auswärtige Amt unterwerfen musste, dafür ausgesprochen, aufgrund der wachsenden Anforderungen an die deutsche Politik in der Welt dieses Amt von weiteren gravierenden Kürzungen auszunehmen. Dieser Appell galt insbesondere bezüglich der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, der gerade im Bereich Krisenprävention, Konfliktbewältigung und Stärkung der Zivilgesellschaft, aber auch bei der Stärkung des europäischen Integrationsprozesses besondere Verantwortung zukommt.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Die Horrorkürzungsliste trägt die Namen Hermenau und Mark!)

   Angesichts der schwierigen Haushaltslage sehe ich mich als Haushälter aber auch vor Sachzwänge gestellt, die Parlament und Bundesregierung zum Sparen zwingen. Immer stärkeren Anforderungen an die deutsche Außenpolitik steht ein immer knapperes Staatsbudget gegenüber. Hier sind seit Übernahme der Regierungsverantwortung im Jahr 1998 kluges Handeln und Abwägen erforderlich. Ich begrüße deshalb auch, dass im Haushaltsausschuss kürzlich Einigkeit wenigstens darüber erzielt werden konnte, dass das Auswärtige Amt durch Umschichtungen im eigenen Einzelplan selbst entscheiden kann, wie die Koch-Steinbrück-Millionen erwirtschaftet werden sollen. Ich schließe mich aber ausdrücklich dem Wunsch des Bundesaußenministers an, dass diese Mittel im Haushaltsvollzug zu erbringen sind, wenngleich auch hier allgemein die Spielräume sehr eng sind.

   Ich freue mich, Frau Staatsministerin, dass anscheinend noch gelungen ist, neue Wege für die Reduktion der Summen, die im Koch-Steinbrück-Papier stehen, zu finden.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Innerhalb des Etats!)

Nur, man muss, um dies letztendlich beurteilen zu können, wissen, wie hoch die geforderten Beträge sein werden.

   In beiden Anträgen wird zu Recht darauf hingewiesen, dass die Ausgaben für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik in den letzten zehn Jahren kontinuierlich zurückgegangen sind und nun bei 558 Millionen Euro liegen, was circa 26 Prozent des Gesamthaushaltes des Auswärtigen Amts entspricht.

   Aufgrund der in dem Antrag der CDU/CSU-Fraktion geäußerten Behauptung, kein Bereich der auswärtigen Politik sei in den vergangenen Jahren so vernachlässigt worden wie die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik, sehe ich mich gezwungen, auf einige Erfolge im Bereich der AKBP hinzuweisen. Auch weise ich dezidiert darauf hin,

(Zuruf des Abg. Günter Nooke (CDU/CSU))

dass sich einige der in Ihrem Antrag genannten Zahlen, Herr Nooke, nicht nachvollziehen lassen. Im letzten Jahr konnten die Mittel für Stipendien- und Wissenschaftsprogramme mit 132 Millionen Euro im Vergleich zu 1993 einen nominalen Zuwachs verzeichnen. Der Prozess der Schließungen von Goethe-Instituten konnte gestoppt werden; darauf hat Monika Griefahn hingewiesen. In Kabul wurde eine neue Zweigstelle eröffnet. In Schanghai, Teheran und Algier werden weitere Eröffnungen folgen, sobald die politischen und technischen Umstände dies gestatten.

   Mit dem Ziel der Stärkung des europäischen Integrationsprozess in den Erweiterungsstaaten der EU wurden im Haushalt 2004 Gelder bereitgestellt, um gemeinsam mit der Bosch-Stiftung neue Kulturzentren aufzubauen.

   Vor dem Hintergrund der internationalen Bedrohung durch Terror hat das Auswärtige Amt 2002 und 2003 jeweils circa 5 Millionen Euro in den europäisch-islamischen Kulturdialog investiert. Davon werden im Jahr 2004 fast 1 Million Euro allein in die kulturelle Zusammenarbeit mit dem Irak investiert.

   Auf die Situation in Afghanistan ist mehrfach hingewiesen worden; ich muss dies nicht wiederholen.

   Die Deutsche Welle wurde im letzten Jahr zusätzlich mit 1,2 Millionen Euro gefördert, um die Programmarbeit in Afghanistan zu verstetigen. Auch in diesem Jahr sind erneut 600 000 Euro zusätzlich bewilligt worden. Dies sind Investitionen in den Aufbau der Zivilgesellschaft, die zugleich der Vermittlung unserer demokratischen Werte in einer Krisenregion dienen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, ich kündige hier aber gegenüber der Deutschen Welle an, dass ich vehement gegen die Einstellung des Spanischprogramms protestieren werde,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP)

weil ich denke, dass dies kontraproduktiv im Hinblick auf die Politik ist, die wir ansonsten vertreten.

   Beim Auslandsschulwesen konnten 2004 Kürzungen verhindert werden. Ich glaube, dass dies angesichts des allgemeinen Kürzungstrends, der stattfand, bereits ein Erfolg war. Bei aller berechtigten Kritik, dass hier weit mehr Finanzmittel erforderlich seien, haben die Sparzwänge der letzten Jahre doch auch dazu geführt, auch in der auswärtigen Kulturpolitik Innovationen und neues Denken zu befördern. Ich verweise auf die vor zwei Jahren begonnene Reforminitiative des Auswärtigen Amts, die auf mehr Effizienz, mehr Eigenverantwortung, flexiblere Strukturen und modernes Personalmanagement ausgerichtet ist. Die Mittlerorganisationen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik haben bewiesen, dass sie Kosten senken, Stellen einsparen und Ressourcen zugunsten neuer Aufgaben und Initiativen verlagern können. Ich halte es deshalb für falsch, dass eine solche Strategie, die vielerorts eine hohe Effizienzrendite erbringt, nicht belohnt werden soll.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   An dieser Stelle wiederhole ich mein seit langem vertretenes Credo für eine volle Budgetierung zunächst der Haushalte der einzelnen Kulturmittler, die im Ausland Aufgaben des AA übernehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meines Erachtens sollte in einem nächsten Schritt, der gut vorbereitet werden muss, das gesamte Auswärtige Amt budgetiert werden,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

wobei weitere Ministerien folgen sollten. Die Budgetierung wird zu mehr Flexibilität, zur Hebung der Eigeninitiative und Eigenverantwortung sowie zu weiterer Effizienzsteigerung beitragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Meine Kollegin Monika Griefahn ist bereits auf das Thema Budgetierung eingegangen. Das jetzt geplante Pilotprojekt des Goethe-Instituts in Italien ist ein wichtiger, wenn auch nach meiner Auffassung zu kleiner Schritt in die richtige Richtung.

(Beifall der Abg. Monika Griefahn (SPD))

   Die erwirtschaftete Effizienzrendite sollte zur Motivationssteigerung deshalb zumindest teilweise - ich meine aber: überwiegend - den Mittlern der auswärtigen Kulturpolitik belassen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dies ist eine wesentliche Forderung in unserem Antrag.

   Als Haushälter muss ich aber wiederum den Gesamthaushalt im Auge haben. Der andere Teil der Einsparung muss dem Finanzministerium zugute kommen. Hier unterscheidet sich unser Antrag von dem der Opposition. Da diese keine Regierungsverantwortung trägt, kann sie verbal großzügiger sein. Dazu sage ich Ihnen, meine Damen und Herren von der Opposition: Wären Sie in Ihrer Regierungszeit gewissenhafter mit dem Staatsbudget umgegangen, stünden wir heute nicht vor diesem riesigen Schuldenberg bzw. den exorbitant hohen Zinszahlungen, die uns in allen Politikfeldern die Grenzen aufzeigen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Tatsächlich verringerte sich der Anteil des auswärtigen Kultur- und Bildungshaushalts an den gesamten Ausgaben des Bundes von 0,26 Prozent auf circa 0,22 Prozent im Jahr 2004. Eine neuerliche Anhebung ist aber das Ziel und deswegen sind die Haushalts- und Finanzreform und viele andere Dinge in der Diskussion.

   Bezüglich der angeblichen Halbierung der Mittel für die Sprachförderung, von der in Ihrem Antrag die Rede ist, möchte ich darauf hinweisen, dass es sich dabei um ein von 1993 bis 1995 befristetes Sonderprogramm handelte. Es wurde von vornherein festgelegt, dieses Programm wieder aufzugeben. Wie Sie darauf kommen, dass die Mittel für die Programmarbeit von 118 Millionen Euro im Jahr 1993 auf nun 51 Millionen Euro reduziert wurden, erschließt sich mir ebenfalls nicht.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, Sie müssen zum Schluss kommen.

Lothar Mark (SPD):

Um versöhnlich zu schließen, lassen Sie mich sagen, dass die Forderung des CDU/CSU-Antrags nach einer Bündelung der Haushaltstitel zur auswärtigen Kulturpolitik in einem Ressort gerade auch vor dem Hintergrund des Gesagten auf meine volle Sympathie stößt. Meine Vorstellungen dazu habe ich in meiner Rede zum Haushalt vom November 2003 dargelegt. Dieses Thema sollten wir bei den vor uns liegenden Berichterstattergesprächen gemeinsam aufgreifen.

   Meine Damen und Herren, vor dem Hintergrund meiner Ausführungen bitte ich Sie um die Zustimmung zum Antrag der Regierungskoalition.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Wenn im Übrigen die Haushälter bei den anstehenden einschlägigen Beratungen mit den Zuwachsraten für die Kulturpolitik ähnlich großzügig verfahren wie der Präsident bei der Zuweisung der Redezeiten, wäre ein beachtlicher Teil der Probleme gelöst, die von allen Rednern beklagt werden.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Nun hat die Kollegin Gesine Lötzsch das Wort.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste, ich bin Abgeordnete der PDS.

   Bundesminister Struck hat gestern die Bundeswehr als die größte Friedensbewegung im Land bezeichnet. Darüber gab es schon einige Verwunderung. Ich habe in der Debatte um die Bundeswehrreform einen Vorschlag zur Finanzierung der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik gemacht: Herr Struck gibt aus seinem 24 Milliarden Euro umfassenden Haushalt 115 Millionen Euro ab, um die Schließung von Goethe-Instituten im Ausland zu verhindern.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Der bayerische Staatsminister Thomas Goppel will bei den Ausgaben für die Kultur im Inland kürzen, um die Kultur im Ausland zu finanzieren. Das finde ich nicht sinnvoll. Ich halte es auch für wenig überzeugend, wenn der Außenminister die Kürzungen bei den Goethe-Instituten, den Promotionsstipendien und den ausländischen Spitzenwissenschaftlerinnen und Spitzenwissenschaftlern mit den Schwächen des Föderalismus begründet.

   Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrates, Olaf Zimmermann, sagte völlig zu Recht:

Der deutsche Föderalismus mag für viele Unwägbarkeiten in der Kulturpolitik verantwortlich sein, an der Haushaltspolitik des Auswärtigen Amtes trägt er nun wirklich nicht die Schuld.
(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Die von Bundesminister Fischer geplanten Kürzungen gefährden bis zu 20 Goethe-Institute, 1 000 Promotionsstipendien sowie die Förderung von 300 ausländischen Spitzenwissenschaftlern.

(Zuruf von der SPD: Ihr habt doch gerade gehört, dass das nicht gemacht wird!)

- Ich komme darauf gleich zu sprechen.

   Bei meiner gestrigen Kritik an den Kürzungen gab es den Zwischenruf eines grünen Kollegen: Koch und Steinbrück sind nicht die Bundesregierung. Augenscheinlich kennen auch die Mitglieder des Haushaltsausschusses nicht das Schreiben - vielleicht haben sie es auch vergessen - des Staatssekretärs aus dem Finanzministerium, Herrn Diller, in dem er uns klipp und klar, schwarz auf weiß mitteilt, dass es eine Protokollerklärung der Bundesregierung gibt, in der sie sich verpflichtet, die Koch-Steinbrück-Initiative zum Subventionsabbau auch in diesem Bereich umzusetzen. XXXXX

So steht es darin. Wenn Sie das korrigieren wollen, wünsche ich Ihnen dabei viel Erfolg.

   Meine Damen und Herren von den Grünen, Sie stellen nun einmal auch die Bundesregierung und tragen für die Umsetzung dieser Subventionsabbauliste und damit auch für die zukünftige Schließung von Goethe-Instituten und für die Streichung von Promotionsstipendien die Mitverantwortung.

   Ich finde es verwunderlich, dass die Ausgaben für auswärtige Kulturpolitik und auch für die Stiftung Wissenschaft und Politik plötzlich als Subventionen betrachtet werden. Insofern schließe ich mich all denen, die das hier auch kritisiert haben, an. Ich hoffe nur, dass Sie Ihre Kritik auch entsprechend in der Realität umsetzen können.

   Wenn die Ausgaben für die auswärtige Kulturpolitik als Subventionen betrachtet werden, dann liegt es in der Logik der Sache, dass auch die Ausgaben für die Rüstungsprogramme der Bundeswehr als Subventionen betrachtet und damit in den Subventionsabbau einbezogen werden müssen.

   Als fraktionslose Abgeordnete hat man in diesem Haus nicht wirklich Vorteile. Doch ein Vorteil ist nicht zu überschätzen: Man gerät nicht in die Gefahr, sich nur mit einem Fachgebiet zu beschäftigen. Man muss sich mit allen Facetten der Politik der Bundesregierung befassen. Tag für Tag bin ich mehr darüber entsetzt, dass hier wirklich nichts zusammenpasst. Der Bundeskanzler hat noch vor ein paar Wochen das Jahr der Innovation verkündet und heute reden wir darüber, dass für junge Nachwuchswissenschaftler 1 000 Promotionsstipendien pro Jahr wegfallen sollen. Das ist weder zukunftsweisend noch innovativ. Das müssen Sie ändern.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) - Monika Griefahn (SPD): Das haben wir doch schon geändert!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile der Kollegin Vera Lengsfeld, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vera Lengsfeld (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Ein großzügig bemessener Etat für die auswärtige Kulturpolitik hat in den vergangenen Jahrzehnten maßgeblich dazu beigetragen, das reichlich ramponierte Ansehen Deutschlands als Industrie- und Kulturnation in der Welt wiederherzustellen. Trotz dieser unbestreitbaren Bedeutung und des Erfolges der auswärtigen Kulturpolitik für den Standort Deutschland ist, Frau Staatsministerin Müller, tatsächlich kein Bereich der auswärtigen Politik in den vergangenen Jahren so vernachlässigt worden wie gerade die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik.

   Ich finde es bezeichnend, dass unser Außenminister von nationaler Kultur- und Bildungspolitik als der dritten Säule der auswärtigen Politik nicht viel hält. Wie könnte er sonst solch drastische Kürzungen im Etat zulassen?

   Sie haben hier mit bewegten Worten die Haushaltsnotlage für die Kürzungen verantwortlich gemacht. Schauen Sie sich aber den Haushalt Ihres Hauses und die von Ihnen zu verantwortenden Kürzungen einmal genau an. Dann werden Sie feststellen, dass unter Ihrer Verantwortung der Anteil der auswärtigen Kulturpolitik am Gesamtetat des Auswärtigen Amtes von 33 Prozent auf 25 Prozent gesunken ist.

(Kerstin Müller, Staatsministerin: Falsch!)

Dafür sind Sie, der Außenminister und Ihr Haus verantwortlich, niemand sonst.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Jetzt kündigt der Außenminister weitere Sparmaßnahmen in seinem Kulturetat an, obwohl das Engagement des Bundes für die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik bereits heute unter den Stand der alten Bundesrepublik vor der Wiedervereinigung gefallen ist. Das ist wirklich ein Armutszeugnis.

   Im Übrigen muss ich auch feststellen, dass es sich während der Zeit der Regierung Kohl der Außenminister sowieso, aber auch der Bundeskanzler niemals nehmen ließen, bei den Debatten über auswärtige Kulturpolitik anwesend zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lothar Mark (SPD): Wir werden überprüfen, ob das stimmt!)

Das zeigt, welche Prioritäten die Regierung Kohl gesetzt hat. Wir sehen jetzt an den gähnend leeren Plätzen auf der Regierungsbank, welche Prioritäten diese Regierung setzt.

(Dr. Werner Hoyer (FDP): Damals hätte sich auch das Finanzministerium nicht gedrückt!)

Damit korrespondiert, dass der Anteil der Mittel für die auswärtige Kulturpolitik am Gesamtetat mit derzeit 0,22 Prozent einen bisher nie dagewesenen Tiefstand erreicht.

   Eine Folge der kontinuierlichen Kürzungen ist, dass sich zum Beispiel die Mittel für die Sprachförderung halbiert haben. Eine weitere Folge ist, dass die Mittel für die allgemeine Programmarbeit, die das Bild prägen soll, das von der Kultur Deutschlands im Ausland besteht, von 118 Millionen Euro auf 51 Millionen Euro reduziert worden sind. Betroffen von den Sparplänen sind neben dem Goethe-Institut auch der Deutsche Akademische Austauschdienst und die Alexander-von-Humboldt-Stiftung. Davon war schon die Rede. Aber ich denke, man kann nicht oft und nicht nachdrücklich genug darauf hinweisen, noch dazu in Anbetracht der Aussicht, dass diese Etats bis 2007 um ein weiteres Drittel gekürzt werden sollen und es zu den Aufgaben des Deutschen Akademischen Austauschdienstes gehört, viel versprechende Studenten und Wissenschaftler im Ausland zu fördern und mehr ausländische Studenten und auch Lehrkräfte für die hiesigen Universitäten zu interessieren und sie nach Deutschland zu holen.

   Mit dem derzeitigen Gerede vom Bildungsstandort Deutschland oder dem erklärten Willen zur Eliteförderung, die Sie propagiert haben, meine Damen und Herren von der Koalition, hat das alles nichts zu tun. Wort und Tat passen nicht zusammen. Man kann nicht den Bildungsstandort Deutschland fördern wollen und gleichzeitig die Ausgaben für die auswärtige Bildungspolitik zurückfahren. Ausnahmsweise schließe ich mich hier einmal dem Argument meiner Kollegin von der PDS an.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich muss nicht wiederholen, was sie zu den drastischen Kürzungen der Stipendien gesagt hat. Es ist immer die Krux für die letzten Redner, dass viele Argumente von den Vorrednern schon gebracht worden sind. Aber dieses Argument ist tatsächlich so wichtig, dass man darauf noch einmal hinweisen muss.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin Lengsfeld, bevor Sie jetzt der Versuchung erliegen, die Übereinstimmung mit der PDS breit auszuwalzen, -

Vera Lengsfeld (CDU/CSU):

Nein, so weit geht meine Übereinstimmung mit der PDS nun wirklich nicht.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

- muss ich Sie darauf hinweisen, dass dafür keine Redezeit mehr zur Verfügung steht.

Vera Lengsfeld (CDU/CSU):

Gut, dann sage ich den berühmten letzten Satz: Wir brauchen keine Greencard, sondern ein Marketing für ein modernes Deutschland als Wirtschafts- und als Bildungsstandort; denn internationale Firmen und Studierende aus dem Ausland kommen am liebsten in ein Land, von dem es in der Welt ein positives Bild gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Letzte Rednerin in dieser Debatte ist die Kollegin Antje Vollmer, Bündnis 90/Die Grünen.

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Am Ende der Debatte sage ich zunächst: Ich bin heilfroh um den Zeitpunkt dieser Debatte. Ich bin auch heilfroh um den Alarm in allen Stellungnahmen - da spielt jeder seine Rolle - und um den öffentlichen Druck, den es gegeben hat; denn es war wirklich Gefahr im Verzuge.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD, der CDU/CSU und der FDP)

   Ich will aber nicht verkennen, dass am Anfang dieser Gefahr ein wirklich unglaublicher Skandal steht; einige haben schon darauf hingewiesen. Wie jemals die auswärtige Kulturpolitik oder überhaupt die Kulturpolitik als Subventionstatbestand in die Vorschläge von Koch und Steinbrück kommen konnte, das lässt einen wirklich zweifeln, mit wie wenig kulturellem Verständnis man in diesem Land Ministerpräsident werden kann.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP sowie der Abg. Vera Lengsfeld (CDU/CSU) - Eckhardt Barthel (Berlin) (SPD): Die CDU/CSU klatscht nicht mit! - Gegenruf des Abg. Günter Nooke (CDU/CSU): So viel Solidarität gibt es noch!)

Das ist ja nun schön aufgeteilt: zwischen Herrn Koch von der CDU und Herrn Steinbrück von der SPD.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Im Protokoll wird festgehalten, wo gerade geklatscht worden ist, damit es hier keinen Zweifel gibt.

(Heiterkeit im ganzen Hause - Zuruf von der CDU/CSU: SPD und Grüne waren auch dabei! - Eckhardt Barthel (Berlin) (SPD): Hat die FDP eigentlich mitgeklatscht? - Gegenruf des Abg. Dr. Werner Hoyer (FDP): Wir sind bei diesem Thema ganz entspannt!)

Dr. Antje Vollmer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Das zeigt aber nicht nur, dass die beiden Ministerpräsidenten und alle, die ihrem Papier später zugestimmt haben, wenig kulturelles Verständnis haben, sondern auch, dass sie sehr wenig Verständnis dafür haben, in welchem Land sie leben und welche Rolle die deutsche Kulturpolitik bzw. Kulturlandschaft in der Welt spielt.

   Man kann sich ja an vielen Punkten fragen, ob wir frühere Spitzenstellungen noch innehaben. In der Wissenschaft haben wir keine Spitzenstellung mehr, die wir noch am Anfang des Jahrhunderts hatten. Bei den Universitäten haben wir keine Spitzenstellung mehr. Auch in der Wirtschaft, der Automobil- und der Schwerindustrie hatten wir Spitzenstellungen. Ebenso hatten wir - jedenfalls im Eindruck der Welt - Spitzenstellungen, was die Disziplin unserer Beamten und die Pünktlichkeit der Deutschen Bundesbahn angeht.

   Vieles davon wird heute infrage gestellt. Aber unbestritten in der ganzen Welt gilt: Egal was man sucht - ob es um Musik- oder Theaterveranstaltungen, die Opernlandschaft, das Konzertpublikum, Freundeskreise von Kulturinstitutionen oder Ähnliches geht -, man findet es in Deutschland. All das ist bei uns einzigartig in der Welt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der SPD und der CDU/CSU)

   Wegen dieses Rufes unserer Kulturlandschaft kommen vermehrt Menschen nach Deutschland. Sie kommen zu uns, um sich ausbilden zu lassen; denn nirgendwo sonst gibt es solche Ensembles, in denen man das ganze kulturelle Spektrum - von der Klassik bis zur Avantgarde - lernen kann. Aber sie kommen auch, weil sie dahinter ein anderes Modell von Deutschland sehen. Das bietet uns die unglaubliche Chance, zwischen den unterschiedlichen Charakteren westlich geprägter Demokratien differenzieren zu können.

   Das möchte ich auch in Bezug auf die inhaltliche Ausgestaltung der auswärtigen Kulturpolitik betonen. Viele kommen auch zu uns, um das Modell einer stabilen Demokratie mit einem großen Stellenwert der Kultur kennen zu lernen. Sie kommen aber auch nach Deutschland - deswegen sollten wir die inhaltlichen Schwerpunkte nicht nur bei den klassischen Themen setzen -, um Institutionenlehre zu erfahren. Gerade die Demokratien, die noch gefährdet sind und sich als instabil verstehen, wollen lernen, wie es ein Land geschafft hat, aus einer Zeit der weltweiten Verachtung und des Totalitarismus zu einer solch stabilen, ausgewogenen, föderal aufgebauten und kulturell bewussten Nation zu werden.

(Eckhardt Barthel (Berlin) (SPD): Ein sehr guter Hinweis!)

Auch das muss ein Inhalt sein. Dafür müssen wir den Menschen Möglichkeiten geben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Übrigens kommen sie auch wegen eines Rufes zu uns, den wir alle nicht geschaffen haben, sondern der von unseren Vorfahren kommt: weil sie in Deutschland immer noch das Land von Goethe und Alexander von Humboldt sehen. Diese Einschätzung ist weltweit ungefähr zur Hälfte auf beide Personen verteilt.

   Alexander von Humboldt gilt als eine vollkommen moderne Persönlichkeit, als wissenschaftsorientiert, als Weltbürger, als jemand, der multilateral denken konnte und der - ob er nun in Lateinamerika oder in Sibirien war - niemandem das Gefühl gegeben hat, in einem Entwicklungsland zu sein, das sich erst noch auf die Höhe des Weltbewusstseins erheben muss. Er reiste mit einer unglaublichen Neugier. Genau das ist die Haltung, die die Menschen bei uns suchen. Genau das können wir auch vertreten. Ich frage mich sowieso, warum wir nicht begreifen, dass Bach und Beethoven, Goethe und Alexander von Humboldt - auch für unsere Wirtschafts- und Außenpolitik - das größte Kapital sind, das wir haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

   Eine kleine Ergänzung in Bezug auf die Neustrukturierung der auswärtigen Kulturpolitik. Wir sind ja dazu übergegangen, nicht nur die großen und manchmal schwerfälligen Goethe-Institute in das Zentrum der Außenpolitik zu stellen, sondern gerade auch die Länder zu berücksichtigen, die traditionell eine sehr enge Beziehung zu Deutschland haben. Das sind oft kleinere Länder wie Vietnam, Laos, Nepal, Kambodscha und Guatemala. In diesen Ländern besteht eine alte, traditionsreiche Liebe zu Deutschland, die mit den genannten Bildern von Goethe, Humboldt, Mercedes und den Grünen verbunden ist.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Günter Nooke (CDU/CSU): Das war Produktplacement!)

   Es ist klar: Es gibt auch einen weltweiten Kampf um die Eliten der Welt. Natürlich kämpfen auch die USA - berechtigt und mit ihrer fundierten Spitzenstellung - um sie. Gerade in kleineren Ländern gibt es aber ein unglaubliches Potenzial an Freundschaft und Interesse sowie den Wunsch nach dauerhafter Zukunftsverbindung mit unserem Land. Wenn wir darauf nicht antworten könnten, würden wir sehr kurzsichtig denken.

   Noch ein Letztes zum Thema Subvention: Wenn der Subventionsbegriff von Koch/Steinbrück ernst genommen wird, dann ist auch Sozialhilfe eine Subvention, dann ist auch Kindergeld eine Subvention. Das heißt, dann ist der Kern von Politik - wenn sie überhaupt nur Geld in die Hand nimmt - immer verbunden mit Subventionen, die zu kürzen sind. Das wäre ein Offenbarungseid für die Politik, weil man dann nämlich gar nichts mehr gestalten könnte. Das ist eine intellektuelle Dämmerung; da ist nicht die Eule der Minerva am Fliegen, sondern da sind alle Katzen grau.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache. Ich erlaube mir den ganz unparteiischen Hinweis, dass dann, wenn im Deutschen Bundestag im Ganzen die heute von allen Fraktionen vorgetragenen Auffassungen über den Stellenwert der Kultur im Allgemeinen und der auswärtigen Kulturpolitik im Besonderen so geteilt werden, niemand dieses Haus daran hindern kann, auch in Zeiten knapper Haushaltsmittel die Prioritäten so zu setzen, wie das heute Morgen vorgetragen wurde.

(Beifall bei der SPD, der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/2258, 15/2659 und 15/2647 sowie der Vorlage aus der 14. Wahlperiode auf Drucksache 14/9760 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 18 auf:

- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz - TEHG)

- Drucksache 15/2328 -

(Erste Beratung 87. Sitzung)

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über den Handel mit Berechtigungen zur Emission von Treibhausgasen (Treibhausgas-Emissionshandelsgesetz - TEHG)

- Drucksache 15/2540 -

(Erste Beratung 94. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss)

- Drucksachen 15/2681, 15/2693 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Ulrich Kelber
Marie-Luise Dött
Dr. Reinhard Loske
Birgit Homburger

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. - Dazu höre ich keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort zunächst dem Kollegen Ulrich Kelber für die SPD-Fraktion.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 98. Sitzung - wird am
Montag, den 15. März 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15098
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