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15. Wahlperiode
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   102. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 1. April 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die verbundene Tagesordnung erweitert werden. Die Punkte sind in der Ihnen vorliegenden Zusatzpunktliste aufgeführt:

ZP 1 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU: Haltung der Bundesregierung zur Finanzsituation beim Fernstraßenbau
(siehe 101. Sitzung)

ZP 2 Weitere abschließende Beratungen ohne Aussprache
(Ergänzung zu TOP 23)

a) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Förderung der Ausbildung und Beschäftigung schwerbehinderter Menschen

- Drucksachen 15/1783, 15/2357, 15/2557, 15/2830 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Änderung der Vorschriften über die Anfechtung der Vaterschaft und das Umgangsrecht von Bezugspersonen des Kindes und zur Einführung von Vordrucken für die Vergütung von Berufsbetreuern

- Drucksachen 15/2253, 15/2492, 15/2716, 15/2831 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Hans-Joachim Hacker

c) Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Umsetzung des Beschlusses (2002/187/JI) des Rates vom 28. Februar 2002 über die Errichtung von Eurojust zur Verstärkung der Bekämpfung der schweren Kriminalität (Eurojust-Gesetz - EJG)

- Drucksachen 15/1719, 15/2484, 15/2717, 15/2832 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Hans-Joachim Hacker

d) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2003/96/EG im Hinblick auf die Möglichkeit der Anwendung vorübergehender Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen auf Energieerzeugnisse und elektrischen Strom durch bestimmte Mitgliedstaaten

KOM (2004) 42 endg.; Ratsdok. 5850/04

- Drucksachen 15/2636 Nr. 2.40, 15/2848 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Reinhard Schultz (Everswinkel)
Georg Fahrenschon

e) Beratung der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses
(6. Ausschuss)

Übersicht 6 über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht

- Drucksache 15/2834 -

f) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 108 zu Petitionen

- Drucksache 15/2835 -

g) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 109 zu Petitionen

- Drucksache 15/2836 -

h) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 110 zu Petitionen

- Drucksache 15/2837 -

i) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 111 zu Petitionen

- Drucksache 15/2838 -

j) Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 112 zu Petitionen

- Drucksache 15/2839 -

ZP 3 a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur optionalen Trägerschaft von Kommunen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (Kommunales Optionsrecht)

- Drucksache 15/2816 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

b) Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Verabschiedung eines Optionsgesetzes

- Drucksache 15/2817 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

   Von der Frist für den Beginn der Beratung soll - soweit erforderlich - abgewichen werden.

   Darüber hinaus sollen abgesetzt werden: Tagesordnungspunkt 17 - Alterseinkünftegesetz -, Tagesordnungspunkt 20 - Allokationsplan-Gesetz -, Tagesordnungspunkt 23 h - Sperrzeiten für Außengastronomie -, Tagesordnungspunkt 23 i - Arbeitserlaubnis für ausländische Saisonarbeitskräfte.

   Des Weiteren sollen der Tagesordnungspunkt 5 - Reform des Sanktionsrechts - erst nach Tagesordnungspunkt 7 und der Tagesordnungspunkt 19 - Erneuerbare-Energien-Gesetz - vor Tagesordnungspunkt 18 aufgerufen werden.

   Außerdem mache ich auf nachträgliche Überweisungen im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

   Der in der 63. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Gesetzentwurf soll zusätzlich dem Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung zur Mitberatung überwiesen werden.

Gesetzentwurf zur Änderung der Abgabenordnung

- Drucksache 15/904 -

überwiesen:
Finanzausschuss (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Kultur und Medien

   Der in der 98. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung zur Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Günter Nooke, Dr. Friedbert Pflüger, Bernd Neumann (Bremen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Auswärtige Kultur- und Bildungspolitik stärken

- Drucksache 15/2647 -

überwiesen:
Ausschuss für Kultur und Medien (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

   Sind Sie mit den Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 3 a und 3 b auf:

3. a) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung und Förderung des Fachkräftenachwuchses und der Berufsausbildungschancen der jungen Generation (Berufsausbildungssicherungsgesetz - BerASichG)

- Drucksache 15/2820 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Cornelia Pieper, Christoph Hartmann (Homburg), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Ausbildungsplatzabgabe verhindern - Wirtschaft nicht weiter belasten - Berufsausbildung stärken

- Drucksache 15/2833 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Jörg Tauss, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Jörg Tauss (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Wir beraten heute einen Gesetzentwurf, der mit Sicherheit zu den bedeutenden Gesetzentwürfen gehört; schließlich geht es um die Zukunft der jungen Generation.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Wie man beim Redner merkt!)

Es wäre also wichtig, dass dieses Thema ernsthaft debattiert wird. Ich muss Ihnen aber sagen, dass die Diskussion um diesen Gesetzentwurf noch vor Vorlage des Textes in einem Maße von Propaganda, Desinformation, falschen Zahlen und falschen Behauptungen begleitet war, wie ich es selten erlebt habe. Ich hoffe, dass die Debatte am heutigen Tag dazu beiträgt, die Diskussion zu versachlichen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Herr Clement ist gar nicht da!)

   Ich möchte Ihnen ein Beispiel nennen. Die „Financial Times Deutschland“, ein Blatt, von dem man erwarten könnte, dass die Redakteure die normale Multiplikation mit der Zahl Tausend beherrschen, hat sich bei den ohnehin übertriebenen Verwaltungskosten, die ermittelt wurden, um eine blanke Null getäuscht. Es wurde darin geschrieben, die Kosten betrügen 730 Millionen Euro. Das ist falsch. Es sind 73 Millionen Euro. Niemanden hat das aber daran gehindert, die Zahl 730 Millionen Euro weiter abzuschreiben. - So viel zum Thema Desinformation mit falschen Zahlen. Ich hoffe, dass sich hier etwas ändert.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben diese Woche Interviews sehen können, in denen Kleinunternehmer als vermeintlich Betroffene befragt wurden. Wie sich herausgestellt hat, bekämen die Betriebe, die dort genannt wurden, nach unserem Gesetz Geld. Auf die Frage, warum das so gesendet wurde, wurde uns mitgeteilt, es handle sich um Funktionäre des Arbeitgeberverbandes. Das ging aus den Berichten aber nicht hervor. Ich habe also die herzliche Bitte an alle, auch an diejenigen, die oben auf der Tribüne sitzen, um über diese Debatte zu berichten, zur Sachlichkeit zurückzukehren.

   Wer nicht zu Wort kam, das waren die Jugendlichen in diesem Land, das waren junge Menschen, die Ausbildungsplätze suchen und brauchen. Um diejenigen sollten wir uns kümmern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wer bedauerlicherweise auch nicht zu Wort kam, das waren jene Betriebe, die in diesem Lande ohne Gedöns ausbilden und es als selbstverständlich ansehen. Ihnen gilt unser Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich war in meinem Wahlkreis kürzlich in einem Unternehmen, das sein 25-jähriges Jubiläum gefeiert hat. Der Chef hat bei seiner Ansprache gesagt, er erfülle sich nun einen Herzenswunsch, indem er eine Ausbildungswerkstatt einrichten werde. Das brauchen wir: Wir brauchen Unternehmer, deren Herzensanliegen es ist, der jungen Generation eine Zukunft zu geben, und keine Unternehmer, die sich aus ihrer Verantwortung verabschieden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aus diesem Grunde bedanke ich mich nochmals ausdrücklich bei den 23 Prozent der Betriebe, die ausbilden und ohne Entlastung heute allein die Verantwortung für die Ausbildung der jungen Generation im dualen Bereich übernehmen.

   Ich bedauere es sehr, dass sich nun auch Funktionäre der Unternehmerverbände - damit meine ich durchaus auch Herrn Hundt -, die in der Vergangenheit selbst einen Beitrag dazu geleistet haben, solche Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, zum Sprachrohr derer machen, die nicht ausbilden. Das ist eine verkehrte Welt. Wir brauchen Unternehmerfunktionäre, die sich hinter die Betriebe stellen, die ausbilden, und nicht hinter die, die nicht ausbilden. Vor dieser gesellschaftlichen Herausforderung stehen wir.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Weil nur 23 Prozent der Betriebe ausbilden - ich sage noch einmal: bei diesen bedanken wir uns herzlich -, hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze seit dem Jahr 2000 um weitere 11 Prozent reduziert. Wir haben fast wieder die Situation des Jahres 1998, die Sie uns überlassen haben. Dieser Trend, der sich über viele Jahre fortgesetzt hat, setzt sich auch weiterhin fort. Heute Morgen stand in einer Tickermeldung, dass die Zahl der Ausbildungsanfänger auf ein Rekordtief gefallen ist. Im vergangenen Jahr gab es 3 600 weniger neu besetzte Lehrstellen. Mit diesen nackten Zahlen haben wir es trotz aller Anstrengungen vieler in der Wirtschaft und der Politik, die an keiner Stelle gering geschätzt werden sollen, zu tun.

   In diesem Zusammenhang bedanke ich mich ausdrücklich bei Bundeswirtschaftsminister Clement und Bundesministerin Edelgard Bulmahn, die alles getan haben, was möglich war, um dafür zu werben, dass die Wirtschaft auf freiwilliger Basis genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt. Herzlichen Dank allen in der gesamten Bundesregierung und auch vielen Kolleginnen und Kollegen hier, die sich hierum gekümmert haben!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Ulrike Flach (FDP): Wie viel bilden sie denn aus?)

- Frau Kollegin Flach, ich konnte Sie nicht verstehen, es war zu leise. Sie haben irgendetwas angemerkt, soweit ich das verstanden habe. Wir können uns aber gerne noch einmal unterhalten.

   Zum Ende des letzten Ausbildungsjahres waren 35 000 Jugendliche unversorgt. Das sind 11 000 mehr als im Vorjahr. Das bedeutet ein Plus bei der Zahl der Unversorgten um fast 50 Prozent. Diesen standen nur 15 000 unbesetzte Ausbildungsplätze gegenüber. Die Lücke hat sich gegenüber dem Vorjahr also vervierfacht. Dabei sind die Jugendlichen, die in Ersatzmaßnahmen gehen, nicht mit eingerechnet. Ich meine damit insbesondere diejenigen, die in ein Berufsvorbereitungsjahr gehen. 2003 waren das - das müssen wir hinzurechnen - 46 700 Jugendliche.

   Weil in diesem Zusammenhang immer gefragt wird, was der Staat tue, sage ich Ihnen: Jeder neunte Ausbildungsplatz wird heute voll aus Steuern finanziert. Damit dies möglich ist, haben wir 733 Millionen Euro aus Steuermitteln aufgebracht. Daneben wenden wir 2,2 Milliarden Euro für die Berufsvorbereitung und Qualifizierung auf. Dies zeigt deutlich: Der Staat zieht sich aus seiner Verantwortung nicht zurück. Ganz im Gegenteil: Wir nehmen unsere Verantwortung insbesondere auch für die Jugendlichen, die noch nicht berufsreif sind - wir wissen, dass es welche gibt -, wahr.

   Die teilweise erhobenen Vorwürfe der Wirtschaft, die Umlage führe zu einer Verstaatlichung der Berufsausbildung, ist angesichts dieser Zahlen falsch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es gibt einen schleichenden Prozess der Verstaatlichung. Diesen wollen wir stoppen, indem wir wieder stärker an die Verantwortung der Wirtschaft appellieren.

(Cornelia Pieper (FDP): Das ist ja lächerlich!)

   Die Ausbildung in der Wirtschaft hat Priorität; dies ist für uns klar. Deshalb führen wir mit diesem Gesetz ein Umlagesystem ein, mit dem zusätzliche betriebliche Ausbildungsplätze gefördert werden. Diesen Punkt halte ich für wichtig. Wir haben ihn mit unserem Koalitionspartner ausdrücklich besprochen. Mit diesem Gesetzentwurf wollen wir die betriebliche Ausbildung stärken. Das hat absolute Priorität.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Umlagepflichtig werden alle Betriebe mit zehn und mehr Beschäftigten sein. Selbstverständlich werden Teilzeitbeschäftigte entsprechend einem Schlüssel angerechnet. Alle Betriebe - das ist die gute Nachricht für diejenigen, die die Ausbildungsquote von 7 Prozent erfüllen - werden gefördert. Wer seine Ausbildungsleistung nachweislich steigert, wird ebenfalls gefördert. Dies ist ein ganz wichtiges Signal. Außerdem ist es ein wichtiges Signal, dass auch Betriebe gefördert werden, die nicht umlagepflichtig sind, also kleinere Betriebe. Sie können durch unser Gesetz von der Umlage profitieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Gelegentlich wird gefragt: Wie kommt es zu der Quote von 7 Prozent? Interessanterweise sind es gerade die kleinen und mittleren Betriebe, die ihrer Verantwortung nachkommen. Herr Brüderle, Sie sollten sich beim Thema Mittelstand nicht vor den Karren der großen Betriebe spannen lassen. Die Großbetriebe mit 500 oder mehr Beschäftigten sind es, die diese Quote von 7 Prozent nicht erfüllen. Aus diesem Grunde tun wir hier wirklich etwas für kleine und mittlere Betriebe, die ihrer Verantwortung nachkommen.

   Alle anderen Betriebe wollen wir in der Tat an Kosten und Lasten von Ausbildung beteiligen. Es kann, wie gesagt, nicht sein, dass wenige Betriebe für alle anderen die Ausbildung des Fachkräftenachwuchses übernehmen. Ich will nochmals festhalten: Ausbildung ist keine Wohltätigkeitsveranstaltung und kein soziales Engagement. Es ist vielmehr eine Pflicht und liegt im Eigeninteresse der Wirtschaft zur Sicherung ihrer Zukunft. Dies muss man einigen immer wieder deutlich machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Es geht um die Sicherung des Nachwuchses. Über Fachkräftemangel zu klagen und gleichzeitig nicht auszubilden ist nicht nur dreist, sondern ein teilweise sehr kurzsichtiges Verhalten.

   Wir wollen - auch das möchte ich deutlich machen - den öffentlichen Dienst nicht ausnehmen. Es gab solche Forderungen. Ich kann mir aber nicht ernsthaft ein Gesetz vorstellen, das die Wirtschaft in die Pflicht nimmt und den öffentlichen Dienst außen vor lässt. Das wollen wir nicht. Wir werden prüfen, wie andere Ausbildungsleistungen, die bereits heute im Umlagesystem erbracht werden, beispielsweise in der Krankenpflege, angerechnet werden können. Aber auf die Forderung, die Wirtschaft solle allein ausbilden und öffentliche Arbeitgeber sollten ausgenommen werden, wollen wir nicht eingehen.

   Reden wir einmal von den Belastungen, über die im Moment so viel geschrieben und gejammert wird. Nach unserem Gesetzentwurf würde ein Betrieb mit 100 Beschäftigten und ohne einen einzigen Auszubildenden rund 23 000 Euro an Umlage für fehlende Ausbildungsplätze zahlen müssen. Ich habe mir gestern in ein paar Katalogen der deutschen Automobilindustrie angesehen, welche Autos ich für 23 000 Euro bekommen würde. Ich habe nicht sehr viele Fahrzeuge gefunden, mit denen man wirklich etwas anfangen kann. Die Aufwendungen für die Umlage erreichen noch nicht einmal den Preis für einen Mittelklassewagen. Ich glaube, einem Betrieb mit 100 Beschäftigten wäre es zumutbar, Aufwendungen zu erbringen, die unter dem Preis für ein Auto liegen, um etwas zur Zukunftssicherung beizutragen. Jeder zusätzliche Auszubildende reduziert diese Summe.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zum Abschluss: Jahrelange Appelle und Absichtserklärungen haben nachweislich nicht zu dem erhofften Ergebnis geführt. Wir wollen mit diesem Gesetz ein Signal setzen, damit sich die Tarifvertragsparteien, die Arbeitgeber und die Arbeitnehmer, die Gewerkschaften und die Verbände, zusammensetzen, um Tarifverträge zu diesem Thema abzuschließen, so wie das in einigen Branchen schon getan wurde. Ich erinnere an die Bau- und die Chemieindustrie, den Garten- und Landschaftsbau sowie die Metallindustrie. Wir begrüßen es sehr, dass die Industriegewerkschaft Metall und die Metallarbeitgeberverbände zugesichert haben, zu prüfen, ob sie in Tarifverhandlungen eintreten, um zu Lösungen im Sinne der jungen Generation zu kommen. Genau das wollen wir. Uns geht es nicht prinzipiell um ein Gesetz, sondern uns geht es in diesem Zusammenhang um eine Lösung des Problems.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Der Bundeskanzler hat am 14. März letzten Jahres in seiner Rede zur Agenda 2010 ganz klar gesagt: Wenn nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung stehen, müssen wir zu gesetzlichen Regelungen kommen. Dies wollen wir jetzt tun. Ich will dies mit einem Hinweis auf die junge Generation verbinden, über die Franz Müntefering völlig berechtigt mehrmals erklärt hat: Vielen Jugendlichen, die aus der Schule kommen, wird gesagt, ihr habt euch zwar angestrengt, aber ihr bekommt keine Lehrstelle und damit auch keinen Job; es gibt nur Stütze und mit 25 Jahren werdet ihr abgeschrieben. Aber haltet den Mund und lasst uns in Ruhe! - Eine solche Gesellschaft stellen wir uns nicht vor. Wir wollen eine Gesellschaft, in der die Verantwortung für die junge Generation von allen übernommen wird: von der Wirtschaft, vom Staat und allen anderen Beteiligten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hoffe, das gilt ein Stück weit auch für die Opposition. Stimmen Sie unserem Gesetzentwurf zu! Beteiligen Sie sich konstruktiv an diesem Prozess!

   Ich bedanke mich.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Friedrich Merz, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wer will bestreiten, dass wir allen Grund haben, uns Sorgen um die Ausbildung der jungen Menschen in Deutschland zu machen? Wer will bestreiten, dass dies eine der wichtigsten Aufgaben ist, vor die Politik und Gesellschaft in Deutschland gestellt sind, nämlich dafür zu sorgen, dass unter schwierigsten wirtschaftlichen Bedingungen gerade junge Menschen - ich stimme Ihnen hinsichtlich dessen, was Sie zum Schluss gesagt haben, ausdrücklich zu, Herr Tauss - eine Perspektive haben? Wenn sie aus dem Schulleben heraustreten und in die berufliche Bildung gehen wollen, muss ihnen diese Gesellschaft ein Angebot machen und sie müssen eine Chance haben.

   Aber die Lautstärke des Vortrages meines Vorredners steht in auffallendem Widerspruch zur Überzeugung in den eigenen Reihen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Er ist immer so!)

Es ist doch ganz offenkundig so, Herr Tauss, dass das, was Sie hier heute Morgen vorlegen - es hat etwas Tragikomisches, dass dies ausgerechnet am 1. April vorgelegt wird

(Cornelia Pieper (FDP): Aprilscherz!)

- in auffallendem Gegensatz zu dem steht, was aus den Reihen der Bundesregierung zu hören ist.

(Zuruf von der SPD: Ein dümmeres Argument gibt es schon gar nicht mehr! - Weitere Zurufe von der SPD)

- Ihre Zwischenrufe zeigen nur, wie nervös Sie geworden sind, nachdem Ihr neuer Vorsitzender dies zu seinem zentralen Projekt der nächsten Wochen gemacht hat.

   Wenn eine SPD-Bundestagsfraktion tagt und nicht einmal die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist und anschließend ein Viertel der Abgeordneten gegen diesen Gesetzentwurf stimmt, dann zeigt das, in welchem Zustand Ihre Fraktion ist und was Sie uns heute Morgen vorgelegt haben. Es ist unglaublich, wie Sie arbeiten!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD - Zuruf von der SPD: Kommen Sie doch mal zur Sache!)

Sie können mit Ihren Zwischenrufen versuchen, mich zu stören; aber das wird Ihnen nicht gelingen. Schauen Sie einmal auf die Regierungsbank. Da sitzt nicht ein einziger der Minister, die eigentlich für diese Aufgabe zuständig wären.

(Widerspruch bei der SPD)

Frau Bulmahn sitzt dort hinten. In der ersten Reihe fehlt der Bundeswirtschaftsminister, der sich ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat. In der ersten Reihe fehlt der Bundesfinanzminister.

(Cornelia Pieper (FDP): Der Außenminister ist auch nicht da!)

Es ist gerade Kernzeit des Deutschen Bundestages und nicht irgendeine Nachtsitzung. In der Kernzeit fehlen die beiden zuständigen Ressortminister, die sich ausdrücklich gegen dieses Gesetz ausgesprochen haben. Es ist doch keine Überraschung, dass sie heute Morgen fehlen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Nun müssen wir uns in der Tat fragen, welche Ursachen es hat, dass wir im Jahr 2004 erneut ein solches Problem mit Ausbildungsplätzen haben. Ich kann Ihnen nicht ersparen, darauf hinzuweisen, dass dies nach einer solchen Insolvenzwelle - wir haben im letzten Jahr 40 000 Unternehmensinsolvenzen in Deutschland verzeichnet; im Jahr davor waren es 36 000 - nicht ausbleiben kann. Die Wirtschafts- und Finanzpolitik dieser Bundesregierung und diese Insolvenzwelle sind wesentliche Ursachen dafür, dass in Deutschland nicht genügend Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden. Es sind nicht die Unternehmer in Deutschland, denen es an Patriotismus mangelt. Das ist der eigentliche Hintergrund.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Nun sind Sie sich über die Wirkung dessen, was Sie heute Morgen vorgelegt haben, offensichtlich nur zum Teil im Klaren. Ich will Sie auf zwei Sachverhalte hinweisen, die von erheblicher Bedeutung sein werden, wenn dieses Gesetz jemals Wirklichkeit würde. Zum einen haben Sie das Stichwort selbst genannt: Wir steuern mit einer solchen Entscheidung auf eine endgültige und dauerhafte Verstaatlichung der beruflichen Bildung zu.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Nicolette Kressl (SPD): So ein Blödsinn!)

Wenn die Unternehmer in Deutschland wissen, dass sie diese Abgabe zahlen müssen, dann werden sie jede Anstrengung, auch über den eigenen Bedarf hinaus auszubilden, einstellen und die Abgabe zahlen. Als Ergebnis wird das duale System der beruflichen Bildung, das auf der Welt noch immer als Vorbild gilt, endgültig zu Grabe getragen. Die Ausbildungsplatzabgabe, die Sie heute Morgen vorgeschlagen haben, wird die Ursache sein.

   Sie sind sich offensichtlich über einen zweiten Sachverhalt nicht im Klaren, der noch dramatischer ist. Selbst wenn Sie das Erste, was ich gesagt habe, bestreiten, können Sie das zweite nicht bestreiten. Stellen Sie sich vor, eine solche Abgabe würde eingeführt. Das hätte doch zur Folge, dass sich diejenigen, die in besonders anspruchsvollen Berufen ausbilden, wodurch Kosten in den Unternehmen verursacht werden, die über die Summe dieser Ausbildungsplatzabgabe hinausreichen, von ihren Ausbildungsverpflichtungen freikaufen werden, weil sie sich ausrechnen können, dass es betriebswirtschaftlich sinnvoller ist, die Abgabe zu zahlen als auszubilden.

(Jörg Tauss (SPD): Falsch!)

Von dieser Abgabe werden diejenigen profitieren, die in relativ einfachen Berufsbildern ausbilden, mit der fatalen Folge, dass die Qualifikation in den Berufen, in denen der Ausbildungsbedarf am höchsten ist, in den Betrieben nicht mehr vermittelt wird und dass die weniger gut qualifizierten Berufsbilder durch die Abgabe subventioniert werden. Das ist das Gegenteil von Qualifikation und wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen, die wir gegenwärtig in Deutschland brauchen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Sie trauen den Unternehmern aber wenig zu!)

   Welche Konsequenzen hat das auf die öffentlichen Haushalte? Die Länder, die Gemeinden und auch der Bund, die allesamt aus unterschiedlichen Gründen die Verpflichtungen, die Sie im Gesetzentwurf vorsehen, nur zum Teil oder gar nicht erfüllen, werden in Zukunft selbstverständlich die Abgabe zahlen müssen. Das heißt, Sie belasten die öffentlichen Kassen insbesondere der Gemeinden und Länder - diese machen den größten Anteil des öffentlichen Dienstes aus, nicht der Bund -,

(Zuruf von der SPD: Sie haben die Entlastung der Kommunen verhindert!)

mit der Folge, dass die öffentlichen Kassen durch eine solche Abgabe zusätzlich belastet werden. Der Finanzminister hat völlig Recht, dass eine zusätzliche Belastung dadurch entsteht, dass die Ausbildungsabgabe der Betriebe als Betriebsausgabe und -aufwand abzugsfähig ist und dass auf die öffentlichen Haushalte erhebliche zusätzliche Steuerausfälle zukommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist das Gegenteil dessen, was die öffentlichen Finanzen in diesen Tagen und Wochen brauchen.

(Jörg Tauss (SPD): Das ist falsch, Herr Merz!)

   Sie haben auf die freiwilligen Vereinbarungen - besser: auf die Tarifvereinbarungen - Bezug genommen. Es hätte den Tarifvertragsparteien in Deutschland aber nichts im Wege gestanden, schon in früheren Jahren bessere Ausbildungstarifverträge zu verabschieden.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD) - Jörg Tauss (SPD): Sehr gut! Ohne Gesetz haben sie es nicht gemacht!)

- Ich bedanke mich sehr für den Beifall. Ich habe das an dieser Stelle auch schon bei anderer Gelegenheit festgestellt. Es hätte den Tarifvertragsparteien durchaus gut angestanden, in ihren Ausbildungstarifverträgen die Frage zu beantworten, ob nicht etwa die berufliche Bildung in den Betrieben mittlerweile ein wenig zu teuer geworden ist

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Ja, einverstanden!)

und ob nicht möglicherweise die Ausbildungsordnungen dahin gehend überprüft werden müssen, ob es nicht besser wäre, wenn die Auszubildenden längere Zeiten in den Betrieben und weniger in den Berufsschulen verweilten.

   Alle diese Fragen hätten die Tarifvertragsparteien längst beantworten können, wenn sie sich ihrer Verantwortung gestellt hätten. Sie haben das aber nicht getan, weil sie auch von Ihrer Seite immer wieder ermuntert worden sind, auf diesem Weg weiter voranzuschreiten. Durch die Ausbildungsplatzabgabe bekommen sie jetzt die Bestätigung der Richtigkeit ihres Vorgehens in den letzten Jahren, das aber - objektiv gesehen - auch schon in diesem Zeitraum falsch gewesen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Jörg Tauss (SPD): Wir saßen am Tarifverhandlungstisch und haben die ermuntert? - Heiterkeit im ganzen Hause)

- Herr Tauss, regen Sie sich nicht so auf! Wir sind langsam um Ihre Gesundheit besorgt.

(Jörg Tauss (SPD): Um Gottes willen! Die ist glänzend!)

   Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang noch darauf hinweisen, dass die freiwilligen Vereinbarungen nur dann erfolgreich sein können, wenn diese auch die regional unterschiedlichen Arbeitsmarktbedingungen ausreichend berücksichtigen. Solche freiwilligen Vereinbarungen oder Tarifvereinbarungen, die Sie heute Morgen zu Recht als möglich und notwendig dargestellt haben, werden nicht zustande kommen, wenn mit dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf im Deutschen Bundestag und möglicherweise im Bundesrat ein bundesweit einheitliches Gesetz verabschiedet wird. Denn Sie haben keine Öffnungsklauseln vorgesehen, die regional unterschiedliche Antworten auf sehr unterschiedliche Arbeitsmarkt- und Ausbildungsplatzbedingungen zulassen. Das heißt, was Sie heute Morgen als richtig anerkannt haben, ist in Ihrem Gesetzentwurf nicht enthalten. Es sind keine regionalen Bündnisse für Ausbildung möglich, weil der Gesetzentwurf keine entsprechende regionale Differenzierung zulässt.

   Sie wissen im Übrigen selbst, warum Sie keine entsprechende Regelung in den Gesetzentwurf aufgenommen haben. Denn mit ziemlich großer Sicherheit wäre ein solcher Gesetzentwurf zustimmungspflichtig. Dann müsste der Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen und damit wäre richtigerweise das Ende dieses Gesetzes endgültig besiegelt gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Abschließend erlaube ich mir, die Frage zu stellen, auf welcher Rechtsgrundlage Sie eine solche Abgabe staatlicherseits erheben zu können meinen.

(Jörg Tauss (SPD): Nicht auf dem Bierdeckel! Das ist richtig!)

Worum geht es in dem von Ihnen vorgelegten Gesetzentwurf eigentlich? Eine solche Abgabe erfordert nach unserem Grundgesetz eine entsprechende Grundlage.

(Nicolette Kressl (SPD): Die hat sie ja auch!)

Dafür brauchen Sie eine entsprechende Gesetzgebungskompetenz.

Handelt es sich bei der Abgabe um eine Gebühr? - Mit ziemlich großer Sicherheit nicht; denn es handelt sich ja nicht um eine unmittelbare Gegenleistung für die Inanspruchnahme eines staatlichen Angebots. Handelt es sich möglicherweise um eine Steuer? Wenn die Abgabe eine Steuer wäre, dann bin ich ziemlich sicher, dass Ihnen dafür die entsprechende verfassungsrechtliche Grundlage fehlen würde. Es ist also kein Wunder, dass nicht nur der Bundeswirtschafts- und -arbeitsminister sowie der Bundesfinanzminister - der eine aus wirtschaftspolitischen, der andere aus finanzpolitischen Gründen - ihre Bedenken gegen das Gesetz geäußert haben.

(Franz Müntefering (SPD): Das stimmt doch überhaupt nicht! Was erzählen Sie denn da für Geschichte? Märchenerzähler!)

   Ganz offensichtlich hat es auch in der ersten Ressortabstimmung der Bundesregierung erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen ein solches Gesetz gegeben. Es wäre gut, wenn heute Morgen der eine oder andere von der Koalition, vielleicht sogar jemand von der Bundesregierung,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

zu der Frage Stellung nehmen würde, ob das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland es Ihnen überhaupt erlaubt, eine solche Abgabe zu erheben.

(Jörg Tauss (SPD): Bundesverfassungsgericht, Herr Merz!)

Ich sage Ihnen das alles nicht, um formelle Einwendungen gegen ein in der Sache falsches Gesetz zu erheben, sondern deshalb, weil Sie in diesem Staat nicht einfach tun und lassen können, was Sie wollen, je nachdem wie Ihre innerparteiliche Diskussionslage dies erfordert. Sie haben sich an Regeln zu halten. Das gilt auch und insbesondere bei diesem Gesetz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In diesem Sinne werden wir in den nächsten Wochen die Debatte mit Ihnen über den Gesetzentwurf streitig führen.

   Ich möchte zum Abschluss nur sehr deutlich sagen, dass wir jeden konstruktiven Beitrag, selbst wenn er von Ihnen kommt, unterstützen werden,

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich habe von Ihnen, Herr Merz, gar nicht gehört, was Sie wollen!)

der dazu führt, dass am Ende des Jahres 2004 möglichst alle Jugendlichen in Deutschland einen Ausbildungsplatz haben. Nur eines scheint mir bei Fortsetzung der Wirtschafts-, der Finanz- und der Sozialpolitik der rot-grünen Koalition wirklich sicher zu sein: Im Verlauf des Jahres 2004 wird es nicht besser, sondern weiter schlechter werden. Die Zahl der Insolvenzen in diesem Land wird weiter steigen. Mit der Zunahme bei Insolvenzen und Arbeitsplatzverlusten werden leider auch immer mehr Ausbildungsplätze in Deutschland verloren gehen. Dann können Sie so viele Abgaben - in welcher Höhe auch immer - erheben, wie Sie wollen, Sie werden am Ende des Jahres vor einem riesengroßen, zusätzlichen Scherbenhaufen stehen. Dann wird dieses Gesetz bedeutungslos sein. Das Einzige, was man dem mit einigem Zynismus abgewinnen könnte, wäre, dass dies den Niedergang der Bundesregierung weiter beschleunigen würde. Aber es ist ein verdammt hoher Preis, den dieses Land dafür zahlen muss.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Kein Wort zu den Jugendlichen! Das ist ein Skandal! Unglaublich! Nicht einen Vorschlag! Aber der März ist ja vorbei!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Dr. Thea Dückert, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Merz hat am Anfang etwas Richtiges angemerkt: Jeder Jugendliche, jede junge Frau und jeder junge Mann, in diesem Land braucht ein Ausbildungsangebot - das ist völlig klar. Sie brauchen eine Perspektive. Wir wissen schließlich, dass Jugendliche, die keinen Ausbildungsabschluss haben, eine ganz schlechte Erwerbsbiografie vor sich haben und dass in Zukunft unsere Wirtschaft mit einem Fachkräftemangel kämpfen wird. Deswegen ist die Anmerkung von Herrn Merz richtig. Aber seine einzige Antwort auf die Frage, was wir tun können, war: Wir sollen die Ausbildungsvergütungen senken. Lieber Herr Merz, ich finde, dass das der Aprilscherz des heutigen Tages ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ich sage Ihnen eines: Die von uns vorgeschlagene Umlage, die nichts anderes als ein Konzept des Handelns ist, wird jedem Betrieb, der ausbildet, mehr bringen als das, was Sie auf Kosten der Auszubildenden vorschlagen, nämlich die Senkung der Ausbildungsvergütungen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ein weiterer Punkt: Herr Merz, Sie haben darauf hingewiesen, dass die hohe Zahl der Insolvenzen des letzten Jahres zwangsläufig zu einem Rückgang der Zahl der Ausbildungsplätze führe. Herr Merz, auch Sie leiden offenbar unter dem kollektiven Gedächtnisschwund Ihrer Fraktion; das muss ich ganz klar sagen. Die Zahl der Ausbildungsplätze geht nämlich bereits seit 1992 zurück. Heute gibt es in den Betrieben 100 000 Ausbildungsplätze weniger. Herr Merz, das Problem, mit dem wir zu kämpfen haben, ist, dass sich die großen Betriebe Stück für Stück aus der notwendigen Ausbildung zurückziehen.

Es gab es in den vergangenen Jahren immer Betriebe - es gibt sie auch jetzt -, die wirtschaftlich stark waren und sich dennoch aus der dualen Ausbildung zurückzogen. Gleichzeitig gab es auch Betriebe, denen es nicht so gut ging, die aber trotzdem ihrer Ausbildungsverpflichtung nachkommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Herr Merz, Sie haben hier davon gesprochen, wir brächten mit unserem Gesetz eine Verstaatlichung auf den Weg.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Keine Ahnung von Wirtschaft!)

Eine schleichende Verstaatlichung findet durch den sukzessiven Attentismus jener Betriebe statt, die sich Jahr für Jahr aus der Ausbildung heraushalten. Dagegen werden wir mit einem Gesetz ansteuern, das diejenigen Unternehmen stärken will, die die Aufgabe der betrieblichen Ausbildung noch wahrnehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich weiß, dass es besser wäre, wenn die Wirtschaft selbst handelte, und dass Eigeninitiative Vorfahrt haben muss. Das werden wir in diesem Gesetz verankern. Aber ich weiß auch, dass die heutige Situation für die jungen Leute unerträglich ist. Wir Politikerinnen und Politiker haben bisher die Hände in den Schoß gelegt, obwohl vielen jungen Leuten eine Perspektive fehlt. Ich weiß auch, dass die heutige Situation gegenüber den Unternehmen unverantwortlich ist, denen in der Zukunft ein Facharbeitermangel droht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Nur noch 24 Prozent der Unternehmen bilden aus. 700 000 Unternehmen könnten ausbilden. Wenn nur jedes zehnte dieser Unternehmen einen Ausbildungsplatz anböte, dann wäre dieses Problem schon gelöst. In den letzten Jahren wurden uns gegenüber Versprechungen gemacht und die Regierung ist aktiv geworden; aber am Ende sind dies leere Versprechungen gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Deswegen müssen wir an dieser Stelle handeln. Das Handeln der Wirtschaft wäre die beste Lösung. Es bleibt allerdings aus. Wir können aber nicht die Augen verschließen und wir dürfen uns nicht abwenden.

   Das Geschrei ist groß. Aber woher kommt es? 57,9 Prozent derjenigen Betriebe, die ausbilden, die sich auf diesem Gebiet also wirklich anstrengen, sind für eine Ausbildungsplatzumlage.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Daran sieht man doch ganz deutlich, worum es geht: Diese Betriebe wollen Unterstützung und die anderen, also diejenigen Betriebe, die nicht ausbilden, machen gegen die Ausbildungsplatzabgabe Front. Ich weiß, dass diese Diskussion sehr schwierig ist. Ich weiß auch, dass wir alles tun müssen - in dem Gesetz haben wir diesen Gedanken aufgegriffen -, um die Eigeninitiative zu stärken.

   In dieser Debatte wird aber auch ein politischer Popanz aufgebaut.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Hier wird behauptet, wir führten eine Strafabgabe ein. Ich weiß nicht genau, inwieweit PISA auf Ihre Reihen zutrifft. Wenn Sie sich diese Vorlage anschauen, dann werden Sie feststellen, dass es sich um eine Umlage handelt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Strafsteuer!)

Durch diese Umlage unterstützen die Betriebe, die nicht ausbilden, diejenigen, die ausbilden. Diese Umlage wird in die betriebliche Ausbildung fließen. Das Geld der Wirtschaft wird in der Wirtschaft bleiben. Es wird nicht abkassiert.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Es gibt im Vorfeld dieser Debatte eine Initiative, die darauf abzielt, Stimmung zu machen und dem Attentismus ein moralisches Gütesiegel aufzudrücken. Es ist aber so: Die Betriebe tragen für sich selbst Verantwortung und müssen betriebswirtschaftlich rechnen. Wenn sie das tun, wird sich zeigen, dass sich jeder Ausbildungsplatz, den sie anbieten, in ihrer Bilanz positiv darstellen wird: Wenn sie unter der Quote liegen, dann wird das ihre Abgabenlast reduzieren; wenn sie über der Quote liegen, dann werden sie eine Unterstützung bekommen. Es geht um die Unterstützung der betrieblichen Ausbildung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich will noch eines sagen: Es gibt in diesem Gesetz sicherlich Punkte, die wir noch verändern müssen, um die betriebliche Ausbildung stark zu machen. Von der Opposition habe ich hier aber kein einziges Wort über die Situation der Jugendlichen gehört. Stattdessen haben Sie darüber philosophiert, ob das Gesetz zustimmungsbedürftig ist oder nicht. Das interessiert die Jugendlichen nicht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Sie brauchen Angebote.

(Zuruf des Abg. Friedrich Merz (CDU/CSU))

- Ich sitze nicht auf den Ohren, Herr Merz. Ich habe ganz genau gehört, was Sie gesagt haben. Ihr einziger Vorschlag war, die Vergütung für Auszubildende zu senken. Keinen anderen Vorschlag haben Sie gemacht. Das ist billig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident, ich komme zum Schluss. - Unsere Jugendlichen brauchen ein Angebot. Unsere Jugendlichen brauchen eine wirkliche Perspektive. Die Betriebe brauchen Facharbeitskräfte. Deswegen führen wir eine Umlage ein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegin Cornelia Pieper, FDP-Fraktion, das Wort.

Cornelia Pieper (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Dückert, ob das nun Ausbildungsplatzabgabe oder -umlage heißt, ist völlig egal.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dass Ihnen das egal ist, glaube ich!)

Der Gesetzentwurf, den Sie vorgelegt haben, wird Ausbildungsplätze in Deutschland vernichten und nicht neue Ausbildungsplätze schaffen, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Ist das Ihre stille Hoffnung?)

   Sie haben Recht: Der Mittelstand, das Handwerk schafft 80 Prozent der Ausbildungsplätze in Deutschland. Der Mittelstand ist in diesem Land das Rückgrat der Wirtschaft. Aber Sie, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, treiben den Mittelstand in den Ruin. Ökosteuer, Tabaksteuer, Erbschaftsteuer - und nun kommt auch noch die Ausbildungsplatzsteuer.

(Jörg Tauss (SPD): Die Biersteuer!)

Sie treiben die Steuerspirale in die Höhe. Die Abgaben und Steuern steigen in Deutschland.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Bei Ihnen sind sie gestiegen! Seit 1998 ist das um einen Punkt runtergegangen!)

Sie belasten den Mittelstand und - da können Sie schreien, wie Sie wollen - treiben die Kosten für die Ausbildung in die Höhe. - Ich weiß, dass ich ins Schwarze treffe; sonst würden Sie ja nicht so reagieren.

(Lachen des Abg. Jörg Tauss (SPD) - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schwarz! Genau!)

   Es geht hier - auch das will ich einmal sagen - um die Situation von jungen Menschen in diesem Land. Sie schaffen für die jungen Menschen eine Situation, die sie wirklich in die Verzweiflung treibt.

(Swen Schulz (Spandau) (SPD): Ihre Rede ist zum Verzweifeln!)

Das kann so nicht weitergehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ihre Politik in Sachen Wirtschaft, Steuern, Ausbildung und Bildung ist gescheitert. Der Ifo-Index für das Wirtschaftsklima ist erneut abgesackt. Das Institut der deutschen Wirtschaft in Köln sagt ganz deutlich: Ausbildungsplätze werden geschaffen, wenn das Bruttoinlandsprodukt um 2 Prozent wächst. - Sie haben uns und den jungen Menschen im letzten Jahr damit gedroht, dass Sie die Folterwerkzeuge für die Wirtschaft herausholen werden. Sie setzen das nun mit einem Berufsausbildungssicherungsgesetz um. Dieses Gesetz, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist ein bürokratisches Monster und nichts anderes.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Eine neue Mammutbehörde mit 100 Beamten, in die 500 Beamte noch zusätzlich eingestellt werden müssen, um diese Ausbildungsplatzabgabe einzukassieren,

(Jörg Tauss (SPD): Wie kommen Sie denn auf die Zahlen?)

ist ein fragwürdiger Beitrag zur Innovationsoffensive der Bundesregierung, Herr Tauss.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Freie Erfindung, Frau Kollegin!)

   Ein Markt lässt sich nun mal nicht per Gesetz regulieren. Da hat Herr Merz durchaus Recht: Sie betreiben die schleichende Verstaatlichung der Berufsausbildung. Das bewährte System der betrieblichen Ausbildung blutet durch Ihre Politik aus. Der europäische Vergleich zeigt, dass in einem staatlichen Ausbildungssystem die Jugendarbeitslosigkeit viel höher liegt. Deswegen setzen wir auch weiterhin auf die betriebliche Ausbildung, auf die duale Berufsausbildung in Deutschland. Sie machen sie jedoch kaputt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Machen Sie doch einmal einen Vorschlag!)

   Sie haben selbst den Beweis dafür angetreten. Schauen Sie sich das JUMP-Programm der Bundesregierung an!

(Zuruf von der SPD: Sehr erfolgreich! Fragen Sie einmal die Jugendlichen!)

Jeder dritte Jugendliche wird aus dem JUMP-Programm in die Arbeitslosigkeit entlassen. Das ist keine Lösung.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen wollen wir auch betriebliche Ausbildungsplätze!)

   Wie gesagt: Dieses neue Gesetz wird Ausbildungsplätze vernichten. Sie bestrafen die kleinen mittelständischen Unternehmen, die ausbilden wollen.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die kriegen doch Geld!)

Auch die, die ausbilden wollen, aber nicht können, weil es an Nachfrage fehlt, zum Beispiel bei den Berufen der Elektrotechnik oder im Fleischerhandwerk, werden bestraft.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Richtig!)

Selbst dann, wenn ein Lehrling seine Berufsausbildung kurz vor dem Abschluss abbricht, wird der Betrieb zur Kasse gebeten.

(Jörg Tauss (SPD): Oh Herr, hilf!)

Was Sie hier vorgelegt haben, ist eine Katastrophe!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Kassandra war nichts dagegen!)

   Die Spitze des Eisbergs, Herr Tauss, ist, dass Ihre eigene Regierung Ihren Gesetzentwurf nicht akzeptiert.

(Beifall bei der FDP)

Das Justizministerium erhebt verfassungsrechtliche Bedenken. Nach der Idee der Strafandrohung bzw. Kontrolle der Putzfrauen durch Steuerfahnder in Bezug auf Schwarzarbeit folgt nun der große Lauschangriff für den Mittelstand und das Handwerk in Deutschland.

(Beifall bei der FDP - Lachen bei der SPD - Swen Schulz (Spandau) (SPD): Geht es noch ein bisschen dreister, Frau Kollegin?)

Finanzminister Eichel habe den Gesetzentwurf wegen zu hoher Steuermindereinnahmen eigentlich abgelehnt, heißt es. Sie haben in Ihrer eigenen Regierung und auch in der Bevölkerung keine Mehrheit für diese Ausbildungsplatzabgabe.

(Jörg Tauss (SPD): 73 Prozent, Frau Pieper! Nicht schlecht! Das hätten wir bei Wahlen gern!)

   Ich kann nur sagen: Ziehen Sie diesen Gesetzentwurf zurück! Sie machen die Wirtschaft kaputt und verspielen die Zukunft der jungen Menschen in diesem Land. Die beste Mittelstandspolitik für dieses Land wäre es, wenn diese Bundesregierung endlich zurückträte. Sie bringen es einfach nicht!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Geben Sie den Jugendlichen eine Chance! Sachsen-Anhalt hat eine Bundesratsinitiative eingebracht. In der Tat, Herr Tauss, wir schlagen eine flexiblere Ausbildungsvergütung vor.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Warum soll sich der Unternehmer mit den Lehrlingen nicht auf eine andere Ausbildungsvergütung einigen?

(Jörg Tauss (SPD): Bei der Einigung bin ich gern dabei!)

Sie wollten doch Politik mit Herz machen! Ich sehe die jungen Leute in Sachsen-Anhalt mit dem Handwerksmeister bei der Kammer stehen. Sie wollen einen Ausbildungsvertrag über 300 Euro abschließen und die Kammer darf das nicht unterschreiben. Das ist eine unmenschliche Politik,

(Swen Schulz (Spandau) (SPD): Jetzt halten Sie sich aber mal zurück! - Dr. Uwe Küster (SPD): Haben Sie einmal die Menschenrechtskommission damit befasst? Unglaublich!)

die verhindert, dass ein Ausbildungsplatz entsteht. Besser ein Ausbildungsplatz mit weniger Lehrgeld als gar kein Ausbildungsplatz!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Cornelia Pieper (FDP):

Ja. - Greifen Sie unsere Vorschläge auf, auch zur Novellierung des Berufsausbildungsgesetzes, dann kommen Sie weiter!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Bundesministerin Edelgard Bulmahn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Wenn es eine gesellschaftspolitische Aufgabe gibt, die wir vor allen anderen zu lösen haben, dann ist es die, für alle jungen Menschen eine qualifizierte Ausbildung zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur so gewinnen wir die jungen Menschen für unsere Gesellschaft und nur so können wir auch sicherstellen, dass wir in zehn, 20 Jahren Menschen haben, die bereit sind, für dieses Land, für diese Gesellschaft zu arbeiten, Wohlstand zu sichern und eine Zukunftsperspektive zu schaffen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben ein Ziel: Wir wollen erreichen, dass kein junger Mensch von der Schulbank in die Arbeitslosigkeit geschickt wird,

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

dass keinem jungen Menschen die Türe vor der Nase zugeknallt wird, statt dass ihm Zukunftschancen eröffnet werden. Herr Merz, dazu habe ich von Ihnen kein einziges Wort gehört.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Jörg Tauss (SPD): Traurig!)

Zu allem Nein zu sagen,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht!)

aber mit keinem einzigen Wort zu erläutern, wie Sie erreichen wollen, dass alle Jugendlichen eine Ausbildung erhalten, das ist zu billig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Friedrich Merz (CDU/CSU): Sie haben es nicht begriffen!)

   Eine qualifizierte Ausbildung sicherzustellen ist auch deshalb eine der wichtigsten politischen Aufgaben, weil sich Unternehmen nur mit gut ausgebildeten Menschen im internationalen Wettbewerb behaupten können. Das ist unsere große Stärke, unser Vorteil gegenüber anderen Volkswirtschaften.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Diese Stärke kriegen Sie auch noch kaputt!)

Qualifizierte Menschen sind die Innovationskraft unseres Landes. Das muss man begreifen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Dann handeln Sie aber auch richtig!)

   Es gibt in diesem Land viele Unternehmen - ich habe viele besucht und kennen gelernt -, in denen Unternehmer mit ganz hohem persönlichem Engagement hervorragend ausbilden,

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Ohne Gesetz!)

sich jedes Jahr einbringen, damit ausgebildet wird, damit junge Leute eine Zukunftschance haben. Diese Unternehmen entziehen sich eben nicht ihrer Verantwortung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Aber auch die sind gegen die Abgabe!)

Diese Unternehmen sollen für ihre Leistung Anerkennung erhalten, auch finanzielle Anerkennung.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Aber sie wollen keine Abgabe! - Gegenruf des Abg. Swen Schulz (Spandau) (SPD): So ein Quatsch, Herr Schauerte!)

Das halte ich für einen richtigen Weg. Diese Unternehmen kommen ihrer Verantwortung nach und erhalten deswegen eine entsprechende Unterstützung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Für das Ausbildungsjahr 2003 haben wir zum vierten Mal in Folge einen Rückgang der Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge feststellen müssen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Unter dieser Regierung geht alles zurück!)

Wir sind wieder auf dem Stand des Jahres 1998. Sie haben damals die negative Entwicklung einfach hingenommen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Dummes Zeug! - Jörg Tauss (SPD): So ist es!)

Ich sage ausdrücklich, dass ich diese Entwicklung für problematisch halte. Inzwischen wird jede neunte Lehrstelle voll aus öffentlichen Mitteln finanziert.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Inzwischen gehen rund 10 Milliarden Euro aus Steuermitteln und aus Mitteln der BA in die berufliche Ausbildung. Offensichtlich ist das für Sie akzeptabel. Das ist aber eine schleichende Verstaatlichung der beruflichen Bildung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Diese schleichende Verstaatlichung halten wir für äußerst problematisch. Sie wollen sie ja offensichtlich; dann müssen Sie aber auch Farbe bekennen:

(Jörg Tauss (SPD): Ja!)

Wollen Sie dies? - Dann muss man den Weg der Verstaatlichung der beruflichen Bildung mit allen Konsequenzen gehen. Ich habe aber dagegen größte Bedenken und halte diesen Weg für falsch. Aber darüber kann man streiten. Wenn Sie es wollen, dann müssen Sie es allerdings ehrlich sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Eines geht nicht: zu allem Nein zu sagen und sich nicht darum zu kümmern, wenn Tausende von Jugendlichen auf der Straße stehen und keine Perspektive haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Friedrich Merz (CDU/CSU): Das ist eine Unverschämtheit, was Sie da sagen! Eine Frechheit sondergleichen!)

   Fast die Hälfte der Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern bildet nicht mehr aus.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Stimmt doch überhaupt nicht!)

- Herr Merz, Sie haben jederzeit die Möglichkeit, hier zu sagen, was Sie wollen. Tun Sie es endlich!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Friedrich Merz (CDU/CSU): Wir kümmern uns in unseren Wahlkreisen mehr darum, als Sie das mit diesem Gesetz machen!)

Machen Sie konkrete Vorschläge und lehnen Sie nicht alles ab! Ich habe bis jetzt keinen einzigen konkreten Vorschlag gehört.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Sie hören ja nicht zu!)

Was Sie hier leisten, ist billige Politik.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Friedrich Merz (CDU/CSU): Hören Sie auf, so verleumderisch zu reden!)

   Ich sage noch einmal ausdrücklich: Fast die Hälfte der Betriebe mit mehr als zehn Mitarbeitern bildet nicht aus.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wann redet denn Minister Clement?)

Ich will aber auch ausdrücklich sagen, dass die andere Hälfte - genau: 51 Prozent - hervorragend ausbildet und in den allermeisten Fällen ihren Ausbildungsverpflichtungen nachkommt. Diese Leistung will ich ausdrücklich anerkennen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn sich in einem dualen System zu viele Unternehmen ihrer Ausbildungsverantwortung entziehen,

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist die Reaktion auf Ihre falsche Politik!)

dann wird damit dem Ausbildungssystem die Existenzgrundlage entzogen. Dieses Problem kann man nicht einfach ignorieren. Wir brauchen vielmehr Vorschläge, wie wir es lösen können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Koalitionsfraktionen haben heute den Entwurf für ein Berufsausbildungssicherungsgesetz in den Deutschen Bundestag eingebracht. Ich will hier nicht in die Details gehen. Ich will aber eine Anmerkung zu der Frage der Rechtmäßigkeit machen. Herr Merz, man sollte sich nicht auf Gerüchte verlassen, sondern man sollte sich mit Fakten und Tatsachen auseinander setzen. Das ist vernünftig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil von 1980 eindeutig bestätigt, dass der Bund die Kompetenz für diesen Bereich hat.

(Nicolette Kressl (SPD), zur CDU/CSU gewandt: Das sollten Sie vielleicht einmal lesen!)

Das ist im Übrigen auch die Auffassung des Bundesjustizministeriums.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will noch auf zwei entscheidende Punkte in dem Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen hinweisen.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Sprechen Sie jetzt für die Bundesregierung? - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Es ist doch Ihr Entwurf! - Gegenruf des Abg. Jörg Tauss (SPD): Durften Sie heute nicht reden, Herr Schauerte? Was ist los?)

   Erstens. Die Wirtschaft hat es selber in der Hand. Die im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehene Ausbildungsplatzumlage wird nicht ausgelöst und darf auch nicht ausgelöst werden - das ist für mich ein ganz wichtiger Punkt -, wenn es Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl gibt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie gesagt: Die Wirtschaft hat es selber in der Hand. Wenn sie ihrer Verantwortung nachkommt - ich hoffe und wünsche mir dies - und Ausbildungsplätze in ausreichender Zahl schafft, dann wird die Ausbildungsplatzumlage nicht ausgelöst. So sieht es der Gesetzentwurf vor. Das ist auch richtig; denn die Verantwortung für die berufliche Ausbildung liegt aufseiten der Wirtschaft. Da gehört sie hin und da muss sie auch bleiben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Da müssen Sie eine bessere Wirtschaftspolitik machen!)

   Zweitens. In dem Gesetzentwurf wird ausdrücklich festgestellt, dass die Förderung zusätzlicher Ausbildungsplätze - ich sage: absoluten - Vorrang hat. Denn wir wollen eben keine Verstaatlichung der beruflichen Ausbildung. Es darf auch keine Verlagerung in außerbetriebliche Ausbildung geben. Diese gab es in den letzten 15 Jahren leider viel zu oft. Es geht also nicht, wie Sie es sagen, um einen störenden Eingriff, sondern um eine Stärkung des dualen Systems. Das ist die Zielsetzung.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das glaubt in Deutschland keiner!)

   Ich will ganz kurz auf einen weiteren Gesichtspunkt eingehen, der mir selber ein wichtiges Anliegen ist. Ich bin nämlich der Auffassung, dass wir vor dem Hintergrund dieser Diskussion nicht die strukturellen Reformen in der Berufsausbildung aus den Augen verlieren dürfen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bundesregierung wird alles dafür tun, dass die duale Berufsausbildung ein Markenzeichen, ein Aushängeschild des deutschen Bildungssystems bleibt.

   In diesem Zusammenhang möchte ich kursorisch einige Punkte nennen: Die Bundesregierung unterstützt die Anstrengungen der Wirtschaft, ein ausreichendes Ausbildungsplatzangebot zur Verfügung zu stellen, auch weiterhin durch verbesserte Rahmenbedingungen und finanzielle Hilfen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Darauf warten alle!)

Wir haben in den vergangenen Jahren durch unsere Maßnahmen eine ganze Menge erreicht.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Was zum Beispiel? Was ist besser geworden? Was haben Sie erreicht? Nichts!)

Ich nenne die Unterstützung beim Aufbau von Ausbildungsverbünden, die inzwischen besonders in den neuen Bundesländern, aber auch in den alten eine große Rolle spielen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich nenne das Programm STARegio, das aufseiten der Wirtschaft auf großes Interesse stößt. Auch den Einsatz von Ausbildungsplatzentwicklern, der von der Wirtschaft gewollt wird, unterstützen wir. Ich nenne die Modernisierung der Berufe. Inzwischen haben wir mehr als die Hälfte der gängigen Berufe modernisiert. Ich nenne auch besondere Unterstützungsmaßnahmen für diejenigen Jugendlichen, die die Schulen mit sehr schlechten schulischen Ergebnissen verlassen.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Woher kommt das wohl?)

Da haben auch Sie in den von Ihrer Partei regierten Ländern eine Menge zu tun, um bessere Ergebnisse zu erreichen.

   Ich nenne ausdrücklich die Novelle des BBiG, mit der wir

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Seit 12 Jahren!)

auf der einen Seite mehr Freiräume für die Betriebe schaffen und auf der anderen Seite eine bessere Abstimmung und Passgenauigkeit zwischen den Anteilen der Ausbildung in der Berufsschule und denen in den Betrieben erzielen wollen.

   Kurz gesagt, unser Ziel ist es, die berufliche Ausbildung als ein Markenzeichen unseres Bildungssystems und unserer Wirtschaft aufrechtzuerhalten. Darüber lohnt es sich zu streiten. Aber man muss dann auch Argumente und Vorschläge auf den Tisch legen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Friedrich Merz hat eine Kurzintervention angemeldet. - Bitte schön.

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Frau Bulmahn, wir können uns hier im Deutschen Bundestag lange und streitig über die Frage unterhalten, wie wir ein Problem lösen. Dabei kann man - auch in der Bundesregierung - höchst unterschiedlicher Auffassung sein. Aber Sie haben es mit Bezug auf meinen Redebeitrag für richtig gehalten, mir und den Kollegen in der Fraktion der CDU/CSU abzusprechen, dass wir an der Lösung dieses Problems interessiert seien.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jörg Tauss (SPD): Das ist wahr! Daran habt ihr kein Interesse! Kein Wort dazu! - Gegenruf des Abg. Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Schäm dich!)

- Herr Tauss, wenn ich Sie höre, fühle ich mich an das erinnert, was Ihnen Herr Schäuble einmal gesagt hat: Seitdem Sie im Deutschen Bundestag sind, hat das Wort „Morgengrauen“ eine ganz andere Bedeutung bekommen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Widerspruch bei der SPD)

   Frau Bulmahn, ich weise hier den Vorwurf, den Sie hier erhoben haben, nämlich dass uns das Schicksal der jungen Leute ohne Ausbildungsplätze gleichgültig sei, entschieden zurück. Hier sitzen Abgeordnete, die sich in ihren Wahlkreisen teilweise in mühevollster Kleinarbeit bei Unternehmern darum bemühen, jungen Leuten zu Ausbildungsplätzen zu verhelfen, und sich bemühen, im Kleinen zu reparieren, was die Bundesregierung in Deutschland im Großen kaputtgemacht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Das, was Sie, Frau Bulmahn, hier gesagt haben, geht weit über das hinaus, was eine parlamentarische Auseinandersetzung erlaubt. Das, was Sie hier an unsere Adresse gerichtet gesagt haben, ist eine schiere Unverschämtheit gewesen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich weise das mit Empörung zurück und fordere Sie auf, das, was Sie hier gesagt haben, zurückzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Uwe Küster (SPD): Düsenjäger durch Kinderzimmer! - Swen Schulz (Spandau) (SPD): Lesen Sie im Protokoll nach, was Sie gesagt haben und was nicht! - Siegfried Scheffler (SPD): Trotzdem haben Sie keinen Vorschlag gemacht!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, Sie haben Gelegenheit zu antworten.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Sagen Sie kurz: „Ich entschuldige mich“!)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Herr Merz, ich habe Sie persönlich angesprochen. Ich will ausdrücklich sagen: Ich habe nicht Ihre Kollegen angesprochen. Wenn ich „Herr Merz“ sage, sind Sie, Herr Merz, gemeint. Dass Ihre Kollegen, um Sie zu unterstützen, applaudieren, ist etwas anderes. Aber ich will ausdrücklich sagen: Ich kenne aus dem Fachausschuss einige Kollegen Ihrer Fraktion, die sich persönlich sehr einsetzen. Ich spreche das auch niemandem ab.

   Herr Merz, Ihre Redezeit betrug 16 Minuten. Sie haben in diesen 16 Minuten keinen einzigen konkreten Vorschlag vorgelegt. Das halte ich für billige politische Argumentation.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben keinen Vorschlag dazu auf den Tisch gelegt, wie Sie es erreichen wollen, den Tausenden von Jugendlichen, die zurzeit auf der Straße stehen, weil sie keinen Ausbildungsplatz gefunden haben - manche suchen zum zweiten oder sogar zum dritten Mal einen Ausbildungsplatz -, eine Perspektive zu eröffnen. Sie haben den Jugendlichen kein einziges Angebot gemacht. Das erwarte ich aber von Ihnen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Merz, es ist eine Unverschämtheit, dass Sie hier zu allem Nein gesagt, aber keinen einzigen konkreten Vorschlag unterbreitet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Sie sollten sich schämen, Frau Ministerin! - Gegenruf des Abg. Dr. Uwe Küster (SPD): Kauder, selbst ist der Mann!)

Das ist keine politische Kultur. Zur politischen Kultur gehört es, sich über konkrete Vorschläge auseinander zu setzen. Es liegen konkrete Vorschläge auf dem Tisch und über diese müssen wir uns auseinander setzen.

   Ich erwarte darüber hinaus aber von jeder Politikerin und jedem Politiker, dass sie Gegenvorschläge machen. Herr Merz, ich kritisiere, dass Sie keinen einzigen konkreten Gegenvorschlag gemacht haben. Die jungen Leute in diesem Land erwarten zu Recht Ihre Gegenvorschläge; sie wollen sich nämlich zwischen Ihren und unseren Vorschlägen entscheiden können. Das ist politische Kultur.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Sie sagen Merz und meinen Clement! - Swen Schulz (Spandau) (SPD): Zwei zu null für die Ministerin!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Nun hat die Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Jetzt kommt die Morgenschwärze! - Swen Schulz (Spandau) (SPD): Jetzt kommen die Vorschläge!)

Katherina Reiche (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie hatten gerade die Chance, Ihre unverschämten Anschuldigungen gegenüber dem Kollegen Merz zurückzunehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Widerspruch bei der SPD - Jörg Tauss (SPD): He, he, he! - Dr. Uwe Küster (SPD): Unglaublich!)

Sie haben diese Chance vertan und verschärfen damit die Debatte in einer unzulässigen Art und Weise. Sie tun damit weder der Debatte noch den jungen Menschen in Deutschland einen Gefallen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Siegfried Scheffler (SPD): Peinlich, peinlich!)

   Die Wirtschaft schaut mit Angst auf diese Koalition und ihre eigene wirtschaftliche Situation. Die Lage am Ausbildungsmarkt ist mehr als angespannt und Sie überziehen das Land mit neuen Regulierungen und Steuern. Andere Vorschläge haben Sie in der Tat nicht. Tobinsteuer, Erbschaftsteuer, Vermögensteuer und jetzt eine Ausbildungsplatzsteuer:

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist doch gar nicht wahr! - Swen Schulz (Spandau) (SPD): Das wird ja immer schlimmer!)

Damit demotivieren Sie die Unternehmen und die Menschen in diesem Land. Sie glauben immer noch, dass man mit Zentralismus und Bürokratie den Herausforderungen der Zukunft begegnen könnte. Ihre Politik bewältigt nichts, sie bringt zum Ausdruck, dass Ihr ordnungspolitisches Verständnis gleich null ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Bundeskanzler Schröder hat in der letzten Woche in seiner Regierungserklärung gesagt: „Wir sind noch längst nicht am Ende unseres Weges.“ Wenn ich mir den Gesetzentwurf ansehe, dämmert mir, wohin dieser Weg geht: schnurstracks in die Staatswirtschaft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Es ist eine Unverschämtheit, wenn Herr Müntefering behauptet, er sei der Interessenvertreter der jungen Generation. Herr Müntefering, Sie sind der Totengräber des dualen Ausbildungssystems in Deutschland und Sie betreiben Politik auf Kosten der jungen Menschen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Anfang März hat eine DIHK-Unternehmensbefragung offen gelegt: Eine Ausbildungsplatzabgabe würde die Situation zusätzlich verschärfen. Wir müssten dann sogar eine Verdoppelung der Ausbildungsplatzlücke gegenüber 2003 befürchten.

   Seit dem 11. November des vergangenen Jahres - das ist der Tag, an dem die SPD-Bundestagsfraktion Eckpunkte zur Einführung einer Ausbildungsplatzabgabe beschlossen hat - nimmt der Wahnsinn seinen Lauf.

(Lachen bei der SPD)

Die Ministerpräsidenten - auch Ihre eigenen - haben es Ihnen gesagt, der Bundeswirtschaftsminister hat es Ihnen gesagt, der Bundesfinanzminister warnt, das Bundesjustizministerium hat verfassungsrechtliche Bedenken angemeldet wie übrigens auch Ihr eigener Gutachter, Professor Däubler. Alle Experten und Studien, vom Ifo-Institut bis zum Bundesinstitut für Berufsbildung, kommen zu dem Schluss: Mit einer Zwangsabgabe ist keinem geholfen, aber allen geschadet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ihre engsten Mitstreiter, die Gewerkschafter, verlassen Sie. Ich zitiere den Vorsitzenden der GdP, Konrad Freiberg, der in der „FAZ“ vom 30. März 2004 gesagt hat:

Wenn wir die Abgabe gegen die Wirtschaft, die CDU, die SPD-Ministerpräsidenten und wichtige Teile der Bundesregierung durchsetzen: Was bleibt denn dann an Glaubwürdigkeit übrig?

Er spricht von „Gewürge“. - Recht hat der Mann.

   Doch der Wahnsinn geht weiter. Erst hat das BMBF eine Formulierungshilfe vorgelegt mit einer Formel, wie sie komplizierter nicht hätte sein können, und nun haben Sie noch einmal nachgebessert.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Damit Sie es verstehen können, Frau Reiche!)

Das heißt im Klartext: Sie haben die Sache noch verschlimmert.

   Nun wird die Ausbildungsplatzabgabe im Ergebnis ein jährliches Volumen von bis zu 3,45 Milliarden Euro statt wie bisher geplant 2,45 Milliarden Euro erreichen. Erst wurden die Teilzeitbeschäftigten rausgerechnet, jetzt werden sie wieder reingerechnet. Erst wurden Branchenausnahmen restriktiv behandelt, jetzt sind sie weit gefasst. Ihre geniale Formel haben Sie mittlerweile pauschaliert und im Ergebnis weiß niemand, was Sache ist. Keiner kennt die Anzahl der Betriebe, die aufgrund von Branchenausnahmen herausgerechnet werden.

   Woher nehmen Sie eigentlich das Geld für die Vor- und Zwischenfinanzierung der Verwaltungskosten? Bundesfinanzminister Eichel hat schon abgewinkt. Er hat keine Mittel dafür.

(Nicolette Kressl (SPD): Sie sind nicht mehr auf dem neuesten Stand, Frau Reiche! Das ist aber typisch!)

Er hat Frau Bulmahn aufgefordert, die entsprechenden Ausgaben aus dem Forschungshaushalt zu nehmen. Im Ergebnis heißt das, dass Ideologieprojekte durch Forschungskürzungen finanziert werden. Das nenne ich Innovation à la SPD!

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Betriebliche Ausbildung sind Ideologieprojekte? Jetzt haben Sie sich selber entlarvt! - Jörg Tauss (SPD): Lesen Sie mal nach!)

   Kaum ist der Gesetzentwurf auf dem Markt, werden Ausnahmeregelungen in alle Richtungen gefordert, Herr Tauss: Ausnahmen für Pflegeeinrichtungen, für Krankenhäuser, für öffentliche Einrichtungen der Jugendhilfe; Ausnahmen für Existenzgründer und vor allen Dingen für die Bundesressorts. Hier hinzuschauen ist besonders interessant. Ausbildungsquote im Kanzleramt: 2 Prozent; Bundesfinanzministerium: 0,8 Prozent; Verbraucherschutzministerium: 0,4 Prozent. Selbst das Bundesbildungsministerium kommt nur auf 2,8 Prozent,

(Edelgard Bulmahn, Bundesministerin: 8,6 Prozent!)

weit entfernt von den von Ihnen geforderten 7 Prozent.

   Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, es gibt tatsächlich auch Klarheiten: Klar ist zum Beispiel das Bußgeld. Wer fehlerhafte Angaben macht, dem werden drakonische Strafen von bis zu 50 000 Euro auferlegt. Klar sind auch die Steuerausfälle für Bund, Länder und Kommunen. Bundesfinanzminister Eichel rechnet mit mindestens 600 Millionen Euro. Hinzu kommt die Abgabenlast, die sich die Kommunen angesichts der leeren Stadtkassen kaum leisten können. Ein paar Zahlen: Die Stadt Leipzig hätte 5,4 Millionen Euro zu zahlen, für München wären es 3,5 Millionen Euro und für Berlin sogar 48 Millionen Euro. Wenn Sie das beschließen, treiben Sie die Kommunen noch weiter in den Ruin.

   Klar ist, dass die Zwangsabgabe die Bürokratie verschärft. Ihre internen Berechnungen gehen von ungefähr 1 000 Mitarbeitern aus.

(Nicolette Kressl (SPD): Das ist nicht wahr!)

Ihre eigene Formulierungshilfe gibt an, dass pro Person Kosten von 72 000 Euro im Jahr verursacht werden. Nach Adam Riese belaufen sich die Kosten für den Verwaltungsaufwand also auf mehr als 70 Millionen Euro; und das noch bevor irgendetwas passiert.

   Klar ist auch, dass die Ausbildungsplatzabgabe eine Sondersteuer Ost ist, denn die Ausbildungsplatzlücke ist gerade in den neuen Bundesländern besonders groß.

(Barbara Wittig (SPD): Nein! Blödsinn!)

Zudem ist in den neuen Bundesländern die Verbeamtungsquote geringer. Die Beamten haben Sie in Ihrem Gesetzentwurf jedoch bewusst nicht mitgerechnet. So haben die ostdeutschen Kommunen dann noch weniger Spielraum für Investitionen zum Beispiel in Kindergärten oder Schulen. Das ist ein wirklicher Skandal.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die Ausbildungsplatzabgabe ist zudem wirkungslos. Ein Lehrstellenangebot lässt sich nun einmal nicht gesetzlich festlegen. Sie aber legen willkürliche Quoten fest. Die Quote von 7 Prozent ist willkürlich gewählt. Danach sollen 15 Prozent mehr Ausbildungsplätze angeboten werden. Auch das ist eine willkürliche Quote. Das Ausbildungsplatzangebot richtet sich vor allen Dingen nach der wirtschaftlichen Situation der Unternehmen und ihren Zukunftserwartungen. Und die sind in Deutschland dank Rot-Grün so schlecht wie nie. Der Kollege Merz hat auf die hohe Zahl der Unternehmensinsolvenzen hingewiesen. Sie ruinieren den Mittelstand und rufen nun nach einer Ausbildungsplatzabgabe.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Was ist mit denen, die trotz intensiver Suche keine Lehrlinge finden? Was ist mit den Bäckern, den Fleischern, den Dachdeckern und den Landwirten? All die werden von Ihnen abgestraft.

   Klar ist, dass die Ausbildungplatzabgabe das Ende des dualen Systems ist. Sie wollen sich gegen Verstaatlichung wenden, betreiben aber genau den Prozess, gegen den Sie sich angeblich wehren: Sie produzieren Ersatzmaßnahmen und Warteschleifen.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir produzieren betriebliche Ausbildungsplätze!)

Sehen Sie sich die Wirkungen des JUMP-Programms an: In Sachsen-Anhalt haben 30 000 junge Leute am JUMP-Programm teilgenommen. 22 000 von ihnen sind, nachdem sie JUMP durchlaufen hatten, wieder auf der Straße gelandet. Die Wirkung war gleich null.

   Klar ist, dass Arbeit in Deutschland durch Ihre Zwangsabgabe noch teurer wird. Meine Damen und Herren, die teuerste Auszubildende sitzt derzeit im Bundesbildungsministerium.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Unverschämtheit!)

Klar ist, dass die Abgabe nicht den Mangel an geeigneten Bewerbern beseitigt. Viele junge Leute sind schlicht nicht ausbildungsfähig. 90 000 von ihnen haben keinen Schulabschluss. Diese Bemerkung richte ich auch an die Adresse Ihrer Bildungsminister. Hier müssen die Schulen und auch die Elternhäuser besser werden.

(Zuruf von der SPD: Richtig dumpf!)

   Klar ist, dass diese Abgabe zu Wettbewerbsverzerrungen zwischen lohn- und kapitalintensiven Unternehmen führen wird. Die Ausbildungplatzabgabe ist und bleibt ein Ideologieprojekt, eine Morgengabe für die Ewiggestrigen. Bei Ihnen herrscht Endzeitstimmung.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Sie sind bis aufs Messer zerstritten. Ein Drittel der Grünen ist gegen die Ausbildungsplatzabgabe. 25 Abgeordnete aus Ihrer Fraktion haben dagegen gestimmt. Würden Sie nicht ständig Druck auf Ihre Kolleginnen und Kollegen ausüben, hätten Sie in diesem Haus keine Mehrheit mehr.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da haben Sie sich aber vertan!)

   Weder der Bundeskanzler noch der Wirtschafts- oder der Finanzminister besitzen politische Gestaltungskraft. Sie machen miserable Politik, entziehen den Unternehmen ihre wirtschaftliche Basis und bestrafen sie anschließend dafür.

(Nicolette Kressl (SPD): Das müssen gerade Sie sagen!)

Heute die Ausbildungsplatzabgabe, morgen der Emissionshandel, übermorgen das Gentechnik- und Chemikalienrecht - das nimmt kein gutes Ende.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sie haben von uns konkrete Vorschläge gefordert. Jetzt werde ich sie Ihnen nennen.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Entriegeln Sie zunächst den Arbeitsmarkt! Lassen Sie nicht nur betriebliche Bündnisse für Arbeit, sondern auch betriebliche Bündnisse für Ausbildung zu!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel (FDP))

Bauen Sie die Bürokratie ab und reformieren Sie die berufliche Bildung! Frau Bulmahn, seit fünf Jahren kündigen Sie ein Berufsbildungsgesetz an. Bislang liegt aber nichts auf dem Tisch.

(Cornelia Pieper (FDP): So ist es!)

Wir brauchen moderne Berufsbilder. Wir brauchen differenzierte Angebote für junge Menschen, die ihre unterschiedlichen Begabungen berücksichtigen.

(Zuruf von der SPD: Ihre Begabung hält doch keiner aus!)

Wir brauchen ein modernes Prüfungswesen und mehr Flexibilität für Betriebe in Bezug auf Ausbildungsvergütung und Ausbildungsinhalte.

   Meine Damen und Herren von der Koalition, in dieser Woche haben wir in unserer Bundestagsfraktion ein modernes Berufsbildungsrecht beschlossen,

(Jörg Tauss (SPD): Toll!)

mit dem die duale Ausbildung in Deutschland ihren Glanz zurückgewinnen kann. Wenn Sie selbst keine Kraft zu guter Politik mehr haben - wir haben sie.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Lachen des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Kollegen Jörg Tauss zu einer Kurzintervention das Wort.

(Zuruf von der CDU/CSU: Oh! Auch das noch! - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das Morgengrauen!)

Jörg Tauss (SPD):

Frau Kollegin Reiche, ich lasse den polemischen Gehalt Ihrer Rede weg und sage Ihnen zu Ihrer sachlichen Information: Niemand in diesem Lande ist daran gehindert, ein betriebliches oder regionales Bündnis für Ausbildung zu organisieren, es mit Leben zu füllen und jungen Menschen Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen.

   Was ich allerdings in aller Deutlichkeit zurückweise, ist Ihre Behauptung, dass beispielsweise das Bundesministerium für Bildung und Forschung seine Ausbildungsverpflichtung nicht erfüllt und unterhalb der Quote ausbildet. Liebe Frau Reiche, die Ausbildungsquote des Bundesministeriums für Bildung und Forschung liegt bei 8,6 Prozent.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist es, was ich vorhin gesagt habe: dass bewusst mit falschen Zahlen argumentiert wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Cornelia Pieper (FDP): Und was ist mit den Gewerkschaften?)

   Das Gesundheitsministerium beispielsweise weist eine Ausbildungsquote von 7 Prozent auf. Aber hier ist die unterschiedliche Struktur der Ministerien zu berücksichtigen. Ich habe klar gesagt: Auch der öffentliche Dienst und die Ministerien haben ihre Verpflichtung zu erfüllen. Das ist selbstverständlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Und Verdi?)

   Abschließend sage ich Ihnen, liebe Frau Reiche: Auch die SPD-Bundestagsfraktion bildet aus und erfüllt die Ausbildungsquote. Sie gibt jungen Menschen eine Chance. Aber die CDU/CSU-Bundestagsfraktion bleibt unterhalb der Quote. Das zeigt symbolisch Ihr Interesse an der jungen Generation.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Volker Kauder (CDU/CSU): Sie sind auch noch Auszubildender!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Reiche, Sie haben Gelegenheit zur Antwort.

Katherina Reiche (CDU/CSU):

Herr Kollege Tauss, ich weise Sie darauf hin, dass das Bundesbildungsministerium nicht nur die Auszubildenden des Ministeriums in seine Ausbildungsplatzquote einrechnet, sondern auch die der Ressortforschungseinrichtungen. Dass sich dann solche Quoten ergeben, ist kein Wunder. Wenn das zeigen soll, dass Sie Forschung verstaatlichen, sind wir in der Tat auf einem guten Weg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Grietje Bettin für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen das Wort.

(Jörg Tauss (SPD): Jetzt steigt das Niveau wieder!)

Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine liebe Kolleginnen und Kollegen! Schon so häufig haben wir das Problem sinkender Ausbildungsplatzzahlen in diesem Hause diskutiert, das uns seit so vielen Jahren begleitet. Im Gegensatz zu Ihnen, liebe Opposition, suchen wir zumindest nach Lösungen; Sie haben außer Polemik und platten Sprüchen absolut nichts beizutragen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Und unter „Wahnsinn“, liebe Kollegin Reiche, verstehe ich wirklich etwas anderes:

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Tausende junger Menschen stehen jedes Jahr nach ihrem Schulabschluss ohne Ausbildungsvertrag auf der Straße. Der Staat versucht alljährlich mit großen Kraftanstrengungen und viel Geld, kompensatorische Maßnahmen anzubieten. Aber der Staat kann die Rolle der Betriebe nicht ersetzen. Wir haben in Deutschland ein auch über Deutschlands Grenzen hinaus viel gelobtes duales Ausbildungssystem, das gerade von der Ausbildung im Betrieb lebt. Eine Ausbildung mit großen praktischen Anteilen sichert den Unternehmen den stetigen Nachwuchs von Fachkräften, den sie für die wirtschaftliche Weiterentwicklung brauchen.

   Leider ist im letzten Ausbildungsjahr das Angebot an betrieblichen Ausbildungsplätzen im Vergleich zum Vorjahr wieder um mehr als 2 Prozent gesunken. Auf freiwilliger Basis - das müssen auch Sie eingestehen - konnte wieder kein Durchbruch erzielt werden, obwohl viele junge Menschen sich enorm um einen Ausbildungsplatz bemüht haben: Für eine Lehrstelle würden die meisten sogar weit von zu Hause wegziehen, und das mit 16 oder 17 Jahren!

   Vergleichbares Bemühen hätten wir uns von der Wirtschaft gewünscht. Ihr einziges Angebot lag darin, die Ausbildungsvergütung zu senken. Sagen Sie mir einmal, liebe Kollegin Pieper, wie Sie von 180 Euro im Monat - im Westen - bzw. 150 Euro im Monat - im Osten - auf eigenen Füßen stehen wollen!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Pieper?

Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Cornelia Pieper (FDP):

Kollegin Bettin, Sie wissen ja, dass außerbetriebliche Ausbildungsvergütungen weit unter den betrieblichen Ausbildungsvergütungen liegen. Halten nicht auch Sie es für vernünftiger, die Ausbildungsvergütungen - welche ja einem Tarifsystem unterliegen - zu flexibilisieren und dadurch Ausbildungsplätze zu schaffen?

(Jörg Tauss (SPD): Das ist sogar regional flexibel, Frau Kollegin!)

Sollten wir nicht versuchen, die Lehrlinge in Bezug auf die Ausbildungsvergütung besser zu stellen, anstatt sie von staatlich subventionierten Ausbildungsplätzen abhängig zu machen?

Grietje Bettin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Liebe Kollegin Pieper, ich halte die Debatte über die Ausbildungsvergütung für eine absolute Ablenkungsdebatte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das Problem liegt in einem ganz anderen Bereich, nämlich darin, dass die duale Ausbildung Stück für Stück ausgehöhlt wird, indem immer mehr außerbetrieblich ausgebildet wird. Entsprechend nimmt der praktische Anteil der Ausbildungen - der Teil, den wir alle uns im Interesse der Zukunftsfähigkeit unseres Landes wünschen - immer weiter ab. Hier müssen wir gegensteuern; über die Ausbildungsvergütung können wir das Problem sicherlich nicht lösen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich möchte die Wirtschaft nicht mit einer pauschalen Kritik überziehen. Mit der Ausbildungsplatzumlage wollen wir Unternehmen fördern, die ihre Ausbildungsverpflichtung ernst nehmen und um eigenen Fachkräftenachwuchs bemüht sind. Es geht uns darum, die Kosten der Ausbildung gerecht zu verteilen; das haben wir den Arbeitgebern seit fast einem Jahr zu vermitteln versucht. Es gab viele Initiativen, die für einzelne Regionen erfolgreich waren; Schleswig-Holstein ist für mich ganz besonders hervorzuheben. Flächendeckend hat es aber nicht gereicht; das müssen auch Sie eingestehen.

   Deshalb legen wir heute einen Gesetzentwurf vor, der diese vielfältigen Bemühungen nach unseren Vorstellungen entsprechend berücksichtigt. An dieser Stelle ist mir wichtig, zu betonen, dass für die gesetzliche Lösung ein Auslösemechanismus vorgesehen wurde - das wurde auch von Frau Bulmahn schon angesprochen -: Ob es zu der Umlage kommt, liegt jedes Jahr aufs Neue in der Hand der Unternehmen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Wir freuen uns - das können Sie mir glauben -, wenn der Mechanismus nicht ausgelöst wird.

   Gestatten Sie mir in diesem Zusammenhang auch noch ein paar Worte zu der von uns schon häufig vorgeschlagenen Stiftung Betriebliche Bildungschance. Wir Grüne wollen damit über die bisher vorgeschlagene Lösung hinausgehen, um die gesellschaftspolitische Dimension der beruflichen Bildung besonders hervorzuheben. Wir wollen die Mittel einer solchen Stiftung vor allem dazu nutzen, die dringend notwendige Modernisierung der beruflichen Bildung voranzubringen; sie ist unabhängig von der Umlage notwendig. Dazu wollen wir Modellprojekte fördern, in denen die Modularisierung und unser gemeinsames Ziel der Internationalisierung auch der beruflichen Bildung beispielhaft umgesetzt werden.

Förderfähig im Sinne der Stiftung wären nach unseren Wünschen betriebliche, aber auch außerbetriebliche Modellprojekte.

   Im Rahmen der heute hier vorgelegten gesetzlichen Lösung zielen wir aber ausdrücklich auf die Förderung betrieblicher Ausbildungsplätze in einzelnen Unternehmen oder Ausbildungsverbünden. Wir Grüne wollen mit diesem Mechanismus der Umlage einen Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben schaffen. Geld aus der Wirtschaft soll in die Wirtschaft zurückfließen.

   Es gibt im Detail durchaus noch Präzisierungsbedarf. Beispielhaft sei hier der Fall eines Unternehmens genannt, welches mehr als zehn Beschäftigte hat, aber in einem Berufsfeld tätig ist, in dem keine anerkannte Ausbildung vorzuweisen ist. Zudem müssen noch spezifische Härtefallregelungen ausgearbeitet werden. Das betrifft aus unserer Sicht zum Beispiel Träger der Jugendhilfe, der Behindertenintegration oder Ähnliches.

   Insgesamt wollen wir zu einem Gesetz kommen, das einerseits den Interessen der jungen Menschen in unserem Land gerecht wird und andererseits ausgewogen und zielgenau einen gerechten Ausgleich zwischen ausbildenden und nicht ausbildenden Betrieben schafft, ohne allzu viel Papierkram für Wirtschaft und Verwaltung zu verursachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dies ist zugegebenermaßen keine einfache, aber dennoch eine lohnenswerte Aufgabe. Liebe Opposition, allein zu sagen, was man alles nicht möchte, hilft den jungen Menschen und unserem dualen System absolut nicht weiter.

   Wir haben einen Großteil unserer Hausaufgaben gemacht. Wir werden aber zugegebenermaßen noch weiter arbeiten müssen. Sie können sich, unter anderem im Anhörungsverfahren, konstruktiv an einer Verbesserung der Ausbildungssituation beteiligen. Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort hat Kollege Christoph Hartmann, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Christoph Hartmann (Homburg) (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In einem Punkt hat die Regierung Recht: Wir müssen die Situation verbessern. Das ist aber der einzige Punkt, in dem die Regierung Recht hat.

   Sie monieren unter anderem, dass es keine Anträge und keine konkreten Vorschläge gibt. Die FDP hat in dieser Legislaturperiode in diesem Zusammenhang schon vier Anträge eingebracht. Sie haben alle abgelehnt. Heute liegt wieder ein konkreter Antrag vor. Auch diesen werden Sie ablehnen. Vor diesem Hintergrund können Sie doch nicht guten Gewissens sagen, dass wir nicht an Lösungen interessiert seien!

(Beifall bei der FDP)

   Sie belasten mit dem Gesetz den Steuerberater, der keinen geeigneten Bewerber findet, und den Metzger mit 15 Angestellten, der überhaupt keinen Bewerber findet. Sie wollen Unternehmen, die von Insolvenz bedroht sind, eventuell von der Ausbildungsabgabe befreien.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Eventuell?)

- Ja, weil Sie eine Ausnahmegenehmigung schaffen wollen, die Sie der Verwaltung aufoktroyieren. Das heißt, die Verwaltung darf darüber entscheiden,

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sind aber pfiffig!)

ihr obliegt es, darüber zu entscheiden, ob eine Ausbildungsplatzabgabe erhoben wird oder nicht.

   Sie wollen Unternehmen belasten, die zwar ausbilden, aber nicht im Rahmen einer dualen Ausbildung, zum Beispiel Medienunternehmen, die Volontäre ausbilden, und Firmen, die in Berufsakademien ausbilden. Sie belasten Zeitarbeitsfirmen, deren Arbeitnehmer bei anderen Unternehmen beschäftigt sind. Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist ein Ausbildungsplatzkiller und nicht ein Ausbildungsplatzschaffer.

(Beifall bei der FDP)

   Sie betreiben Gleichmacherei. Sie unterscheiden nicht nach Branchen: Es ist Ihnen vollkommen gleich, ob es um die IT-Branche oder um die Landwirtschaft geht. Sie wollen, dass die deutsche Steinkohle ausbildet, obwohl die Politik von ihr verlangt, dass Arbeitsplätze abgebaut werden. Sie unterscheiden nicht nach Unternehmensgrößen: Es ist vollkommen irrelevant, ob es um 15 Arbeitsplätze oder um 15 000 Arbeitsplätze geht. Das ist Planwirtschaft! Das ist der falsche Weg.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es gibt einen Bereich, die Bauindustrie, in dem es eine freiwillige Umlage gibt. Diese Umlage wird immer wieder sehr gerne von Ihnen als Beispiel herangezogen. Seit 1995 hat sich die Zahl der Ausbildungsplätze in der Bauindustrie - trotz der freiwilligen Umlage - von 55 000 auf 24 000 verringert.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber Sie wissen nicht, warum, Sie junges Kerlchen!)

   An diesem Punkt kommen Sie immer mit Ihrer Argumentation, die Bauindustrie bilde über dem Durchschnitt aus. Aber das ist doch nur deshalb der Fall, weil die Bauindustrie Teil des Handwerks ist und das Handwerk insgesamt überdurchschnittlich ausbildet. Die einzigen Ausbildungsplätze, die Sie mit diesem Gesetz schaffen, sind Ausbildungsplätze im Bundesverwaltungsamt, dem Amt, das für die Verwaltung der Ausbildungsplatzabgabe nötig ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Nicolette Kressl (SPD): Seit wann gehören die Großen der Bauindustrie zum Handwerk?)

- Frau Kollegin Kressl, ich selbst bin Mitinhaber eines kleinen Unternehmens. Ich weiß, wie ein solches Gesetz auf diejenigen wirkt, die in einer ähnlichen Situation sind wie ich. Es wird nicht dazu führen, dass auch nur ein Ausbildungsplatz mehr geschaffen wird.

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses Gesetz löst keine Probleme, dieses Gesetz schafft Probleme.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das Berufsausbildungssicherungsgesetz - oder kurz, wie es auf der Drucksache steht, das „BerASichG“ - ist allgemein unter „Ausbildungsumlage“ bekannt. Ihr Sinn ist übersichtlich: Wer nicht ausbildet, obwohl er es könnte, soll sich wenigstens finanziell an der Ausbildung beteiligen. Wer ausbildet, obwohl es ihm schwer fällt, soll finanziell entlastet werden. Eine solche Umlage ist nur recht und billig. Die PDS im Bundestag fordert sie seit langem. Rot-Grün steht im Wort.

   Das zu lösende Problem wird deutlich, sobald man die Fakten sprechen lässt. Seit Jahren ist die Zahl der betrieblichen Ausbildungsplätze rückläufig. Nach Angaben des DGB bildet heute nur noch jeder vierte der 2,1 Millionen Betriebe in Deutschland aus. Zugleich wächst die Zahl derjenigen, die vergebens eine Lehrstelle suchen. Nach Angaben der Bundesregierung waren es im Herbst 2003 circa 35 000 Jugendliche. Die Zahlen des DGB sind wahrscheinlicher. Wenn man nämlich all diejenigen dazuzählt, die in Warteschleifen geparkt sind, kommt man auf über 200 000 Betroffene. SPD und Grüne betonen das große Potenzial der Wirtschaft, das brachliegt, wenn nicht ausgebildet wird. Ich betone das schlimme Signal für die Jugendlichen, die sich wert- und nutzlos fühlen. Das kann in der Zukunft nicht gutgehen.

   Besonders dramatisch ist die Lage in den neuen Bundesländern. Immer mehr Jugendliche bleiben ohne Chance auf eine betriebliche Ausbildung. Sie werden in Ersatzmaßnahmen geparkt oder werden außer Landes gedrängt. Das hat Folgen für die Regionen. Ihnen kommt nämlich die Jugend abhanden und damit auch die Zukunft. Der „Spiegel“ schrieb dazu sarkastisch: „Zurück bleiben Alte, Kranke und Dumme“. Das ist ein zusätzliches Problem im Problembereich Ausbildungsplätze und darf den neuen Bundesländern nicht alleine überlassen werden.

   Nun weht ein Sturm der Entrüstung durch das Land, seitdem Rot-Grün mit der Ausbildungsabgabe ernst macht. Ein Argument wird auf das nächste getürmt, um das Berufsausbildungssicherungsgesetz, wie es amtlich heißt, zu verhindern. Unternehmerverbände malen Horrorszenarien und drohen mit noch weniger Ausbildung. Die FDP warnt vor einer Bußsteuer. Die CDU/CSU sieht den Standort Deutschland bedroht. Ist Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch nie aufgestoßen, dass andersherum ein Schuh daraus wird?

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Die wirtschaftspolitische Expertise der PDS hat schon die DDR zugrunde gerichtet!)

Hunderttausende Unternehmen bilden nicht aus, obwohl sie es könnten. Diese gefährden den Standort Deutschland. Sie bürden den anderen Lasten auf, anstatt sie zu teilen, und sie lassen immer mehr junge Menschen hängen. Dagegen muss etwas getan werden. Wir sind hier, um politisch zu intervenieren.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Das viel gelobte duale Ausbildungssystem hinkt seit langem. Immer weniger Jugendliche werden betrieblich und immer mehr ersatzweise außerbetrieblich ausgebildet. Das ist weder im Sinne des Erfinders noch im Interesse der Jugendlichen. Hinzu kommt: Die Unternehmen, die nicht ausbilden, sparen Kosten. Stattdessen müssen die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Ersatzmaßnahmen aufkommen. Es ist dasselbe Trauerspiel, das wir auch auf anderen Gebieten erleben: Viele Unternehmen entziehen sich ihrer Sozialpflicht. Die Opposition zur Rechten findet das gut, die Opposition zur Linken findet das nicht gut.

Eine Ausbildungsumlage ist nicht nur ein Gebot der Vernunft und der Moral - beides ist der Marktwirtschaft, wie wir wissen, nicht naturgegeben -, sie ist auch rechtlich geboten, und zwar spätestens seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes aus dem Jahre 1980. In diesem Urteil hat das Gericht allen Jugendlichen das Recht auf eine praxisbezogene Ausbildung eingeräumt und die Arbeitgeber verpflichtet, für die Verwirklichung dieses Anspruchs zu sorgen. Daneben hat es dem Staat, der Politik, bedeutet - ich zitiere aus dem Urteil -:

Das gilt auch, wenn das freie Spiel der Kräfte zur Erfüllung dieser Aufgabe nicht mehr ausreichen sollte.

Kurzum: Das Recht steht aufseiten von Rot-Grün, wenn die Koalition die Umlage nun endlich einführt.

   In der ganzen Debatte wird der Ball nun zurückgespielt, zum Beispiel mit dem Argument, viele Unternehmen seien zwar ausbildungswillig, aber immer mehr Jugendliche seien gar nicht ausbildungsfähig. Dem will ich im Einzelfall gar nicht widersprechen. Die Klagen über das Ausgangsniveau an deutschen Schulen sind nicht neu und nicht erst seit der PISA-Studie im internationalen Vergleich belegt. Allerdings ist das eher ein gutes Argument für eine gründliche Bildungsreform und ein schlechtes Argument gegen eine Ausbildungsumlage.

   Das heißt, die PDS im Bundestag ist grundsätzlich für eine solche Umlage. Über die Details muss man im weiteren Verfahren miteinander reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Jörg Tauss (SPD): Sie kennen die Urteile des Verfassungsgerichts besser als die CDU! Das spricht für Sie, Frau Pau!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Ernst Dieter Rossmann, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Dr. Ernst Dieter Rossmann (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Merz von der CDU ist hier ganz gewaltig und polemisch eingestiegen. Andere haben es ihm nachgemacht. Ich möchte nur ganz nüchtern sagen: Mit Schaum vor dem Mund lässt sich schlecht denken.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Mit Schaum vor dem Mund wird man zum Dogmatiker. Vielleicht können wir uns auf eine solche Unterscheidung einigen: Wir sollten gemeinsam dogmatisch sein in dem Ziel, dass alle jungen Menschen eine Ausbildungs- und Qualifizierungschance erhalten.

(Beifall bei der SPD)

   Ihr Dogmatismus aber ist ein anderer: Sie wollen über alles Mögliche diskutieren, aber eine Erweiterung des Instrumentariums, mit dem wir uns in Deutschland diesem Problem und dessen Bewältigung nähern können, unter keinen Umständen auch nur bedenken. Mit einem solchen Dogmatismus schließen Sie lediglich das Instrument aus, konzentrieren sich aber nicht auf das, worauf es eigentlich ankommt, nämlich darauf, in der Gesellschaft, bei den Unternehmen und bei uns Politikern dafür zu werben, dass auch die letzten Chancen erörtert werden, die wir eröffnen können, damit junge Menschen einen Ausbildungsplatz erhalten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb muss selbst in Ihre Kreise hinein und bei der Wirtschaft dafür geworben werden, sich ganz nüchtern zu fragen, ob das Instrument der Ausbildungsplatzumlage, das in den Kasten der zur Verfügung stehenden Instrumente aufgenommen werden soll, nicht durchaus modern ist.

   Das Gesetz ist modern, weil es subsidiär ist. Von ihm wird nur dann Gebrauch gemacht, wenn die in der Gesellschaft freiwillig entwickelten Lösungen nicht zur Erreichung der entsprechenden Zielen führen. Das ist klassisch, modern und subsidiär.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

In Gesprächen mit Unternehmerinnen und Unternehmern kann sich über dieses Instrument - hoffentlich mit Ihrer Unterstützung - die Frage, weshalb nicht ausgebildet wird, zum Positiven wenden: Ja, weshalb bilden wir denn eigentlich nicht aus? Welche Chancen liegen denn in der Verbundausbildung, in Kooperationen mit Schulen, in neuen Ausbildungsordnungen, in ausbildungsbegleitenden Hilfen, die von der Regierung und der Bundesagentur für Arbeit zur Verfügung gestellt werden? - So muss gedacht werden, wenn man die Zielvorgabe Subsidiarität - was Sie von uns erwarten und was unser Anspruch an ein modernes Gesetzesinstrumentarium ist - ernst nimmt.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Keine Praxiserfahrung und keine Ahnung!)

   Das Gesetz ist modern, weil es dynamisch ist. Der Entwurf bezieht offene, sich wandelnde Größen ein - sicher erschwert das die Sache -: Wie viele suchen einen Ausbildungsplatz? Wie viele Ausbildungsplätze gibt es? Wie ist das Verhältnis zu den Arbeitsplätzen? - Genau so wünscht man sich die Gesetze ja eigentlich. Gesetze sollen nicht ein bestimmtes Maß dogmatisch setzen, sondern die gesellschaftliche Wirklichkeit abbilden, auch beim Thema Beruf und Bildung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Dieses Gesetz ist modern, weil es den Blick in die Zukunft richtet. Relevant sind die Bedarfe der Zukunft, zum Beispiel der Bedarf an Facharbeitern. Damit wird reflektiert, dass es einen Alters- und Gruppenwandel gibt. Deshalb ist die Geltungsdauer dieses Gesetzes zeitlich auch begrenzt. Sie fordern doch immer: Macht Gesetze, die nicht für die Ewigkeit gedacht sind, sondern ein offenes Instrument darstellen und zeitlich befristet sind!

Dieses Gesetz ist modern, weil es entstaatlicht. In diesem Zusammenhang möchte ich mich gerne mit der FDP auseinander setzen, da sie immer wieder die Verstaatlichung von Berufsausbildung beklagt. Wir stimmen sicherlich darin überein, dass eine vollzeitschulische Ausbildung Verstaatlichung bedeutet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

An dieser Stelle beobachten wir, dass es zu immer mehr vollzeitschulischen Ausbildungen kommt, manchmal aus guten Gründen, manchmal auch deshalb, weil im dualen System nicht genug ausgebildet wird. Aus diesem Grund gehen zwischen 60 000 und 70 000 junge Menschen in die Berufsfachschulen und andere vollstaatliche Ausbildungen. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf wollen wir gegensteuern. Es wird versucht, innerhalb des dualen Systems zusätzliche Ausbildungsplätze rechtzeitig zu mobilisieren, damit die jungen Menschen nicht die Flucht in die Berufsfachschulen antreten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ein anderer Punkt. Zu der Zeit, als Herr Schäuble noch Oppositionsführer war, schleuderte er uns, als wir vom Instrument JUMP begeistert waren - in Teilen auch noch sind -, entgegen, das sei ein Betrug an den Jugendlichen, weil es keine wirkliche Ausbildung im dualen System sei. In diesem Punkt will ich ihm gerne Recht geben. Vielleicht ist das Instrument der Ausbildungsplatzabgabe eine Teilantwort auf Erfahrungen, die wir mit JUMP machen mussten. Es ist etwas anderes als JUMP: Es nimmt die Wirtschaft, die Unternehmen in die Pflicht. Es wirbt dafür, nicht an erster Stelle auf Ersatzmaßnahmen zu setzen, sondern den Lernort Betrieb besser zu organisieren, als das mit JUMP im Einzelfall möglich war.

   Ein weiterer Punkt - die differenzierte Betrachtung werden wir sicherlich in der Ausschussanhörung vornehmen wollen -, mit dem ich mich auseinander setzen will, ist der FDP-Vorschlag, die Ausbildungsvergütung in den Betrieben an die Ausbildungsvergütung in den außerbetrieblichen Lernorten anzupassen. Nimmt dies das auf, was duale Ausbildung kennzeichnet, nämlich Lernen und Arbeit zunehmend miteinander zu verbinden? In der dualen Ausbildung wird akzeptiert, dass der Lernort ein Betrieb ist, dass man vom ersten bis zum dritten Lehrjahr zunehmend etwas leistet. Junge Menschen sollen lernen, dass sie dann, wenn sie sich anstrengen und etwas leisten, dafür etwas bekommen, nämlich Anerkennung und eine tarifmäßige Bezahlung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

All das wollen Sie nivellieren. Sie wollen die von Ihnen nicht gewollte außerbetriebliche Ausbildung zum Maßstab nehmen, nach dem Sie junge Menschen bezahlen wollen.

   An dieser Stelle komme ich auf meinen Ausgangspunkt zurück. Vielleicht gibt es einen Unterschied zwischen Dogmatismus und Engagement. Ich versuche, das durch den Wunsch vorzuleben, dass wir all das, was Sie aus den Fraktionen zu diesem Gesetzentwurf im Einzelnen an Fragen haben, im Ausschuss sachlich erörtern können, dass Sie Vorschläge machen und wir diese Vorschläge aufnehmen, sodass es am Ende einen Gesetzentwurf gibt, der eine große Gemeinschaftsleistung von Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt darstellt. Wenn es nicht zur Anwendung dieses Gesetzes kommt, dann deshalb, weil es in dieser Gesellschaft ein klares Bekenntnis dazu gibt, dogmatisch für junge Leute und ihre Ausbildungschancen zu streiten und bei der Wahl der Instrumente offen zu sein. Im Übrigen soll möglichst freiwillig und rechtzeitig all das mobilisiert werden, was in unserer Wirtschaft an Kraft für Ausbildung steckt.

   Danke schön.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Da klatscht die Angst!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion.

Dagmar Wöhrl (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Ausführungen der Redner von Rot-Grün in dieser Debatte sind deprimierend. Ich sage das so, wie ich es empfinde.

(Jörg Tauss (SPD): Das befürchte ich!)

Ich glaube, ich bin von allen Rednern die Einzige, die ausbildet. Mein Betrieb hat eine Ausbildungsquote von 11 Prozent.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

   Ich erwarte nicht, dass jeder ein Unternehmen hat und die Praxis vor Ort miterlebt. Aber ich erwarte von Kollegen, die sich hier vorne hinstellen und große Reden schwingen, dass sie in die Betriebe gehen, mit Jugendlichen und Betriebsinhabern sprechen und sich vor Ort erkundigen, wie die wirtschaftliche Lage momentan ist, sodass sie wissen, wovon sie hier reden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das heutige Datum ist wirklich bezeichnend für diese Debatte. Ihr Gesetzentwurf, den Sie auf den Tisch gelegt haben, ist ein sehr missglückter Aprilscherz.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie müssen doch zugeben: Es gibt viele in Ihren Reihen, die derselben Auffassung sind. Jeder, der einen klaren Menschenverstand hat, sieht doch, dass das Unvernunft hoch drei ist.

(Siegfried Scheffler (SPD): Kommen Sie doch mal zu Ihren eigenen Vorschlägen!)

Wir wissen es, viele von Ihnen wissen es auch und die meisten Menschen draußen vor Ort wissen es ebenfalls. Ihr Gesetzentwurf ist nur ein Tribut an die SPD-Linken und sonst nichts.

(Beifall bei der CDU/CSU - Siegfried Scheffler (SPD): Nur dummes Gerede!)

Sie treiben einen bitterernsten Schabernack mit den jungen Menschen in unserem Land. Sie erwecken Hoffnungen, dass mit diesem Gesetz mehr Ausbildungsplätze geschaffen werden. Sie wissen aber so gut wie wir, dass dem nicht so sein wird. Im Gegenteil: Es wird nicht besser, sondern es wird schlechter werden. Es werden weniger Ausbildungsplätze als vorher bereitgestellt werden.

(Jörg Tauss (SPD): Warum stellen Sie weniger Ausbildungsplätze zur Verfügung? - Gegenruf des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU): Können Sie nicht ein wenig charmant sein?)

Warum sind denn inzwischen 16 Prozent aller Unternehmen in Wartehaltung und haben ihre Lehrstellenangebote auf Eis gelegt? Warum warten sie ab? Daran sieht man, dass Ihr Gesetzentwurf eine ganz verheerende psychologische Wirkung hat.

   Sie haben das in Ihren Reihen teilweise selbst erkannt. Es kommt doch nicht von ungefähr, dass Ihr Wirtschaftsminister nicht da ist.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): So ist es! Wo ist er denn?)

Er steht nicht dahinter; das wissen wir. Wir wissen auch, dass Herr Eichel nicht dahinter steht. Daran sieht man, dass er auch vernünftig sein kann;

(Zurufe von der SPD: Oh!)

denn nicht umsonst hat er seine Beamten aufschreiben lassen, die Beschäftigungs- und Wachstumswirkung einer Ausbildungsplatzabgabe sei „fragwürdig“. Das ist ein Zitat. „Fragwürdig“ hat er gesagt. Er rechnet mit Belastungen der Wirtschaft in Höhe von 1,2 Milliarden Euro.

(Jörg Tauss (SPD): 3,5! Jetzt einigt euch mal!)

Sie bauen eine Mammutbehörde mit bis zu 1 000 Beamten auf. Die Vorhaltekosten betragen bis zu 70 Millionen Euro per annum, unabhängig davon, ob Sie diese Ausbildungsplatzabgabe überhaupt erheben oder nicht.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Der Tauss soll Präsident werden! - Gegenruf des Abg. Jörg Tauss (SPD): Anstelle von Köhler allemal! Aber Schwan ist besser!)

Sie sammeln für die immense Bürokratie 2,4 Milliarden Euro ein. Dann geben Sie an einige wenige wieder 1,4 Milliarden Euro.

(Nicolette Kressl (SPD): Das ist doch nicht wahr!)

Es verschwinden in dem bürokratischen Apparat 1,2 Milliarden Euro. Sie sind einfach perdu.

   Das alles geschieht in einer Situation, die durch 80 000 Firmeninsolvenzen in den letzten zwei Jahren geprägt ist, was bedeutet, dass junge Menschen 80 000-mal weniger die Chance hatten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen, in einer Situation, in der in 20 Monaten 70 000 Jobs weggefallen sind, in der die Osterweiterung mit einem immensen Wettbewerbsdruck und Kostendruck vor der Tür steht, und in der wir weniger Bürokratie und nicht mehr Bürokratie brauchen. Sie aber bauen ein Riesenbürokratiemonster par excellence auf.

(Nicolette Kressl (SPD): Sie sind nicht à jour! Das ist typisch!)

   Ihr Minister Eichel sagt nicht umsonst, dass das Ganze aus Haushaltssicht nicht akzeptabel sei. Er hat das ganz genau berechnen lassen: Er erwartet Steuerausfälle von 600 Millionen Euro.

(Jörg Tauss (SPD): Man sollte sich auf eine Debatte ordentlich vorbereiten! Das kann man erwarten!)

Denn die Abgabe kann man gewinnmindernd abschreiben. Das sind Fakten, die man nicht negieren kann.

   Lieber Kollege Tauss, ich frage mich, warum Sie die Beamten ausgenommen haben. Sie sprechen nur von sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, Sie sprechen nicht von den Beamten. Sie werden Ihre guten Gründe haben und nach dem Motto verfahren: Wir Bundesbehörden nicht, macht ihr Länder und Kommunen das mal schön, ihr habt die Angestellten. - Sie kennen doch die Situation der Kommunen und der Länder: Denen steht das Wasser bis zum Hals. Sie bürden ihnen noch mehr Kosten auf. Allein die Stadt Berlin hat Zusatzkosten von 48 Millionen Euro. Wie soll denn das überhaupt noch finanziert werden?

   Man fragt sich in diesem Zusammenhang, warum Sie eigentlich nicht auf die Bund-Länder-Kommission hören. Ihre Beauftragten aus dem Bildungsbereich waren sich einig, dass sie nicht erwarten, dass auch nur ein zusätzlicher Ausbildungsplatz mit der Ausbildungsplatzabgabe geschaffen wird.

Wir haben Sie letzte Woche gefragt, welche Kosten auf Bund, Länder und Gemeinden zukommen und wie viel zusätzliche Lehrstellen Sie im staatlichen Bereich erwarten. Wir haben gefragt, wie hoch die maximale Belastung der Betriebe sein könne. Das sind doch elementare und wichtige Fragen, die beantwortet werden müssen, bevor ein Gesetzentwurf erarbeitet wird. Wie aber hat Ihr Staatssekretär Matschie diese Fragen beantwortet? Die Antwort lautete schlicht und ergreifend - wie ich meine, auch erschreckend -: Hierzu ist eine konkrete Abschätzung nicht möglich.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Blindflug!)

   Daran sieht man, wie Sie Gesetze machen, nämlich chaotisch, unüberlegt und ohne zu wissen, welche Auswirkungen auf viele Bereiche damit verbunden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Jörg Tauss (SPD): Bayerischer Textbaustein!)

Das gesamte Vorhaben ist unkoordiniert. Der Gesetzentwurf beinhaltet verfassungsrechtliche Problemstellungen en masse. Das wissen auch Sie.

   Sie haben inzwischen die Anerkennung der Tarifverträge aufgenommen; stattdessen soll die Quote nicht anerkannt werden.

(Nicolette Kressl (SPD): So ein Blödsinn!)

In diesem Zusammenhang frage ich mich, inwiefern ein Ausgleich vorgesehen ist. Denn diejenigen, die zwar eine tarifvertragliche Vereinbarung getroffen haben, deren Ausbildungsquote aber unter 7 Prozent liegt, müssen keine Ausbildungsplatzabgabe zahlen, während ein anderer Betrieb, der nicht tarifvertraglich organisiert ist, aber mehr Lehrstellen anbietet, die Abgabe zahlen muss. Diese Regelung werden Sie aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht aufrecherhalten können.

(Jörg Tauss (SPD): So ein Quatsch! Was erzählen Sie denn jetzt?)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, Sie können uns sicherlich nicht absprechen, dass wir uns - ebenso wie Sie; das gestehe ich Ihnen zu - große Sorgen um die jungen Menschen machen.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

- Das ist nicht zum Lachen. - Wenn heute 16-Jährige auf der Straße stehen und keinen Ausbildungsplatz bekommen, obwohl sie gerne einen hätten, dann ist das für sie frustrierend und oft auch demoralisierend. Wenn das Einzige, was sie in dieser Situation von unserer Gesellschaft noch zu erwarten haben, eine Ersatzmaßnahme ist, dann wissen sie oft nicht mehr weiter.

   Wir sind durchaus einer Meinung, dass man dagegen etwas tun muss.

(Ernst Küchler (SPD): Aber was denn?)

Aber man muss bei den Ursachen anfangen und die Frage stellen, warum weniger ausgebildet wird. Es ist doch die Grundlage für jede Lösung, erst einmal herauszufinden, warum weniger ausgebildet wird.

   In der Regel sind es die großen Betriebe - diejenigen mit betrieblicher Mitbestimmung -, die weniger ausbilden. Das muss ebenfalls berücksichtigt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Nicolette Kressl (SPD): Jetzt haben wir den Schuldigen!)

Wo bleibt denn in diesem Bereich die Verantwortung der Gewerkschaften in den Großbetrieben, in denen sie vertreten sind, oder auch in den Gewerkschaften selbst? Bei Verdi beträgt die Ausbildungsquote 0,28 Prozent, aber nach außen wird - nach dem Motto „Immer bei den anderen, aber nie bei uns“ - laut eine Ausbildungsplatzabgabe gefordert. Das entspricht auch Ihrer Methode, Politik zu machen. Das aber ist der falsche Weg, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Christoph Hartmann (Homburg) (FDP))

   Unsere Mittelständler wollen ausbilden - das wissen wir -, aber sie können es oft nicht. Warum ist das so? Zum einen finden sie keine geeigneten Bewerber. Obwohl diese Unternehmen Lehrstellen besetzen wollen, aber keine geeigneten Lehrlinge finden, wollen Sie bei ihnen zukünftig ebenfalls abkassieren. Zum anderen können viele Betriebe nicht ausbilden, weil es ihnen aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage nicht gut geht.

(Nicolette Kressl (SPD): Deswegen kriegen sie auch die Förderung!)

- Moment. - Wer jetzt einen Lehrling einstellt, unterliegt der Verpflichtung, ihn in zwei bis drei Jahren zu übernehmen. Der Unternehmer weiß aber nicht, ob er ihn dann wirklich übernehmen kann und ob die Auftragslage das zulässt.

(Jörg Tauss (SPD): Wo gibt es denn eine Übernahmeverpflichtung im Einzelhandel? Was erzählen Sie denn da?)

Diese Fragen muss man angehen.

   Ein großes Problem, mit dem wir konfrontiert sind, ist die Ausbildungsfähigkeit unserer jungen Menschen. Pro anno verlassen 90 000 Schüler die Schule ohne Abschluss. Das kann man nicht einfach negieren. Das können Sie auch nicht dadurch ändern, dass Sie den Betrieben eine Strafsteuer auferlegen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie müssen vielmehr die Wurzel des Problems angehen. Dabei sind wir als Politiker gefordert. Wir müssen das duale Ausbildungssystem reformieren und Betriebe für solche Jugendliche finden, die nicht hochqualifiziert sind. Wir müssen einfachere Ausbildungswege finden.

   Wir haben, wie Sie wissen, einen Gesetzentwurf zur Modernisierung des Berufsbildungsrechtes vorgelegt, in dem wir detailliert Maßnahme für Maßnahme, die wir vorschlagen, aufgeführt haben. Wir haben in unserem Antrag zur Beschäftigungspolitik auch Vorschläge zur Verbesserung der Situation Jugendlicher formuliert, Vorschläge, die im Anschluss an diese Debatte diskutiert werden müssen. Unsere Vorschläge liegen auf dem Tisch, auch wenn Sie noch so oft sagen, dass das nicht stimmt.

Lassen Sie uns die Diskussion über die Punkte beginnen, die den Jugendlichen wirklich helfen, statt über Gesetzentwürfe zu diskutieren, die nur als Placebo für die linken Flügel Ihrer Partei dienen. Geben Sie den jungen Menschen eine Chance! Sie brauchen sie wirklich. Vergessen Sie nicht: Die jungen Menschen sind unsere Zukunft und auch die Zukunft vieler Betriebe. Die Mittelständler wissen das. Aber Sie geben den jungen Menschen keine Chance. Sie nehmen ihnen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vielmehr jede Chance. Deswegen fordere ich Sie auf: Nehmen Sie den Gesetzentwurf zurück; denn die Leidtragenden würden die jungen Menschen sein, wenn dieser Gesetzentwurf Wirklichkeit werden sollte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Swen Schulz, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Swen Schulz (Spandau) (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Sehr verehrte Damen und Herren! Eine Vorbemerkung zu Herrn Merz: Er hat bei seinem polemischen Einstieg großspurig gesagt, die Bundesregierung sei nicht angemessen vertreten. Das ist falsch; denn die Bundesregierung ist in der Spitze durch die hier anwesende Bildungsministerin Bulmahn vertreten. Aber wo ist jetzt Herr Merz?

(Beifall bei der SPD)

Herr Merz hat großartige Sprechblasen produziert und hat sich dann verdrückt. So kann es nicht gehen.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Billigste Polemik hat er abgelassen!)

   Liebe Kollegin Wöhrl, ich möchte nicht im Einzelnen auf das eingehen, was Sie gesagt haben. Es ist am besten, wenn ich Ihnen unseren Gesetzentwurf zur Verfügung stelle, damit Sie sich über den aktuellen Stand informieren können.

(Beifall bei der SPD - Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Jeden Tag einen neuen Entwurf!)

Dann werden Sie vielleicht beim nächsten Mal keine falschen Dinge erzählen.

   Ich möchte mit meiner Rede die Debatte wieder auf eine sachliche Basis zurückführen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Da bin ich aber gespannt! Der Anfang war es nicht!)

Warum gibt es jetzt eine solche Gesetzesinitiative?

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das fragen wir uns auch!)

Die Antwort ist: weil die Situation auf dem Ausbildungsmarkt 2003 fast wieder so unbefriedigend war wie 1997. Die Ausbildungsstellenlücke betrug noch unter der Regierung Kohl 21 557. Einige Zeit konnten wir dann sogar ein Plus verzeichnen. Aber zuletzt belief sich die Lücke auf 20 175. Auch bei der Zahl der nicht vermittelten Jugendlichen drohen wir an die Zeiten der Kohl-Ära anzuknüpfen.

   Der Bund, die Länder und die Kommunen haben in den letzten Jahren erhebliche Anstrengungen unternommen, Klinken geputzt, Bündnisse geschlossen, Ausbildungskonsense vereinbart und sehr viele Steuermittel zur Verfügung gestellt. Damit haben wir vielen Jugendlichen zwar geholfen, aber das Grundproblem nicht aus der Welt geschafft, nämlich die immer weiter sinkende Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen. Obwohl der staatliche Anteil, wie Ministerin Bulmahn das hier dargelegt hat, schleichend immer weiter steigt, bleiben immer mehr junge Menschen ohne Ausbildung, ohne Perspektive. Das können und werden wir nicht hinnehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Nun wirft uns die Opposition vor, wir verstaatlichten die Ausbildung und wollten Betriebe bestrafen. Aber das genaue Gegenteil ist der Fall. Wir sorgen lediglich dafür, dass die Betriebe, die ausbilden, Unterstützung erhalten, und zwar von denjenigen, die nicht ausbilden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein sehr einfaches und gerechtes Prinzip, das jeder hier im Hause verstehen können sollte.

   Übrigens, noch eine Bemerkung zum Thema Staat: Die FDP hat vor knapp einem Jahr im Deutschen Bundestag allen Ernstes Subventionen für Ausbildungsplätze vorgeschlagen.

(Ina Lenke (FDP): Das ist etwas anderes als eine Abgabe!)

Das ist sicherlich kein Beitrag zur Entstaatlichung der Ausbildung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Tatsächlich ist die Regierungskoalition die politische Kraft, die den öffentlichen Anteil zurückfährt und der Wirtschaft wieder Verantwortung gibt. Wir handeln, um das duale System vom Kopf auf die Füße zu stellen und es damit zu retten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Mein „Lieblingsargument“ gegen die Umlage, das unter anderem auch von Herrn Merz angeführt wurde, ist, die Unternehmen würden sich dann freikaufen. Angesichts dessen muss ich die Frage stellen, für wie blöd Sie eigentlich die Unternehmer halten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Heute hat kein Unternehmen irgendwelche Sanktionen zu erwarten, wenn es nicht ausbildet. Die Kosten für Ausbildungsverweigerung sind also null. Andere Unternehmen bilden aus und tragen die entsprechenden Kosten. Durch die Umlage gibt es Geld für Ausbildung und Nichtausbildung kostet Geld. Aber plötzlich wollen sich alle freikaufen? Das ist blanker Unsinn.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Im Übrigen eine Anmerkung zu Ihrem Vorschlag, meine Damen und Herren von der Opposition, die Ausbildungsvergütungen zu kürzen: Man könnte ja sagen, dies wäre eine Art solidarische Handlung unter den Jugendlichen. Aber auf die Idee, dass sich auch einmal die Unternehmer solidarisch verhalten könnten, kommen Sie natürlich nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Es ist wahr: Im Falle der Auslösung der Umlage müssen auch diejenigen Unternehmen zahlen, die nicht ausbilden können oder keine Auszubildenden finden. Ich verstehe, dass das im Einzelfall ungerecht erscheinen kann. Doch es ist im Interesse aller Unternehmen, dass die Jugendlichen ausgebildet werden und später als Fachkräfte zur Verfügung stehen. Es ist darum nur sachgerecht, wenn sich alle Unternehmen an der Finanzierung der Ausbildung beteiligen.

(Beifall bei der SPD)

   In diesem Zusammenhang will ich auf den Report des Instituts der deutschen Wirtschaft vom 25. März 2004 - er ist also ganz aktuell - verweisen. Da ist unter der Überschrift „Lücken in der Nachwuchsmannschaft“ klar formuliert, dass Deutschland im internationalen Wettbewerb einem Fachkräftemangel entgegensieht. Die Wirtschaft ist dabei, den Ast, auf dem letztendlich wir alle sitzen, abzusägen. Es ist die Pflicht und Schuldigkeit der Regierungskoalition, hier einzugreifen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir müssen mit Sicherheit noch über Einzelaspekte reden. Dafür gibt es das parlamentarische Verfahren mit Anhörungen und Ausschussberatungen. Es gibt auch in unseren Reihen einige Fragen. Auch ich habe Besprechungspunkte.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Welche denn?)

Schließlich handelt es sich hierbei nicht um ein Routinegesetz; dafür ist es viel zu wichtig.

   Der Unterschied zwischen Ihnen und uns ist jedoch, dass Sie, anstatt sinnvolle Vorschläge zu machen, Einzelaspekte herausgreifen, um das ganze Anliegen, zusätzliche Ausbildungsplätze zu schaffen, zu diskreditieren. Wir sprechen die Probleme an, um sie zu lösen. Wir wollen für die Menschen etwas bewegen, anstatt zu verhindern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Abschließend komme ich auf einen Punkt zu sprechen, der nicht oft genug wiederholt werden kann. Es gibt für die Wirtschaft einen ganz einfachen Weg, die Auslösung der Umlage zu verhindern. Ich appelliere an alle Unternehmer, diesen Weg einzuschlagen. Tun Sie das, wozu Sie sich selbst unzählige Male verpflichtet haben! Tun Sie das, was Ihre Aufgabe ist - und zwar aus sehr guten Gründen -: Bilden Sie die jungen Menschen aus! Nehmen Sie sich ein Beispiel an den Unternehmen, die toll ausbilden! Wenn Sie das tun, dann wird das im Gesetz vorgesehene Verfahren gar nicht erst ausgelöst. Das wäre gleichzeitig der größte Erfolg, den wir mit diesem Gesetz erzielen könnten.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen auf Drucksachen 15/2820 und 15/2833 zu überweisen: zur federführenden Beratung an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und zur Mitberatung an den Innenausschuss, den Rechtsausschuss, den Finanzausschuss sowie an die Ausschüsse für Wirtschaft und Arbeit, für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, für Gesundheit und Soziale Sicherung, für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, für Tourismus, für Kultur und Medien sowie an den Haushaltsausschuss zur Mitberatung und den Gesetzentwurf zusätzlich gemäß § 96 der Geschäftsordnung. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? - Das ist nicht der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Karl-Josef Laumann, Dagmar Wöhrl, Norbert Barthle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Weichen stellen für eine bessere Beschäftigungspolitik - Wachstumsprogramm für Deutschland

- Drucksache 15/2670 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wolfgang Grotthaus (SPD): Ist das mit dem Arentz abgestimmt?)

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir alle erinnern uns sicherlich noch sehr gut an den 16. August 2002 hier in Berlin. Nach Angaben des Wetterdienstes waren damals 25 bis 26 Grad Celsius und die Sonne schien. Es war ein sehr schöner Tag. Vor allem wurde an diesem Tag am Gendarmenmarkt in Berlin das Hartz-Papier vorgestellt. Was gab es da nicht alles für schöne Begriffe! Wer hatte jemals zuvor etwas von „Reformmodulen“, von „Profis der Nation“, von „Personal-Service-Agenturen“, von „Ich-AGs“, von „Jobfloatern“ und von „Bridgesystem“ gehört?

(Wolfgang Grotthaus (SPD): Alles von der Wirtschaft vorgeschlagen!)

Das zentrale Versprechen des Hartz-Wahlkampfpapieres lautete damals: Innerhalb von 36 Monaten wird die Arbeitslosigkeit von 4,018 Millionen auf 2 Millionen gesenkt. Deutschland war beeindruckt. Peter Hartz sprach von der „Bibel für den Arbeitsmarkt“, die in dieser Kommission geschrieben worden sei. Dies alles war vor genau 593 Tagen.

   Die Realität sieht anders aus als das, was in der Hartz-Bibel steht. Seit der Hartz-Präsentation sind jeden Tag über 1 240 sozialversicherungspflichtige Jobs weggefallen. Insgesamt gibt es heute 730 000 sozialversicherungspflichtige Jobs weniger als im August 2002. Jeden Tag ist die Arbeitslosigkeit gestiegen, hat es über 1 050 Arbeitslose mehr gegeben. Jetzt sind es 4 641 000 Arbeitslose.

   Zusätzlich haben seitdem jeden Tag 28 Jugendliche unter 25 Jahren ihre Arbeit verloren. Mittlerweile sind fast 529 000 Jugendliche arbeitslos.

   Gleichzeitig mussten jeden Tag 94 Unternehmen ihre Tore schließen. Insgesamt haben seit August 2002 fast 55 700 Betriebe Insolvenz angemeldet. Noch nicht eingerechnet sind die Insolvenzen aus dem ersten Quartal 2004, weil uns die Zahlen noch nicht vorliegen.

   Das ganze Ausmaß wäre noch viel deutlicher, wenn nicht die Arbeitslosenstatistik geändert worden wäre. Würden heute die Statistikregeln von 1998 gelten, hätten wir noch 300 000 Arbeitslose mehr, das heißt insgesamt rund 5 Millionen Arbeitslose.

(Klaus Brandner (SPD): Das ist gelogen! - Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

   Angesichts dieser Fakten hat der Bundeskanzler in der vergangenen Woche davon gesprochen, dass unser Land heute besser dastehe als vor einem Jahr. Ich frage mich: Wie kann man zu einem solchen Urteil kommen?

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Traumtänzer! - Volker Kauder (CDU/CSU): Ja, Traumtänzer!)

   Es ist einfach an der Zeit, finde ich, dass wir uns auch einmal mit den einzelnen Hartz-Modulen auseinander setzen. Fangen wir doch mit der Personal-Service-Agentur an.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Das ist das Schönste!)

Das war laut Hartz damals das Herzstück seiner Vorschläge.

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Pleite!)

Dieses Herzstück erweist sich als teurer Totalausfall.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Richtig!)

   Die Bundesregierung hatte versprochen - das ist hier am Rednerpult gesagt worden -, dass allein durch dieses Instrument 500 000 Menschen eine befristete Beschäftigung und jährlich bis zu 350 000 Arbeitslose eine dauerhafte sozialversicherungspflichtige Tätigkeit finden würden; das war der so genannte Klebeeffekt. Bis heute haben gerade einmal 7 700 Vermittlungen in Beschäftigung stattgefunden, obwohl die Bundesagentur für Arbeit diese Maßnahmen bislang mit gut 230 Millionen Euro aus Beitragsmitteln subventioniert hat.

   Mit der Insolvenz der Firma Maatwerk ist jetzt sogar jede fünfte PSA in Deutschland pleite.

(Volker Kauder (CDU/CSU): So wie die Regierung auch!)

Das bedeutet, dass rund 10 000 in einer PSA Beschäftigte nicht mehr in einer PSA beschäftigt und damit wieder arbeitslos sind.

   Die Maatwerk-Pleite hat uns ein Weiteres gelehrt, nämlich dass es auch PSAs gibt, die sich gar nicht an der Zeitarbeit beteiligt haben. Maatwerk hat überhaupt keine Zeitarbeitsvermittlung betrieben, sondern hat die Fälle übernommen, das Geld kassiert und darauf gesetzt, wie ein privater Arbeitsvermittler die Leute zu vermitteln und dann die Vermittlungsprovision, gestaffelt danach, ob die Leute unter drei Monaten oder über drei Monate arbeitslos waren, abzukassieren. Allerdings ist dieses Modell so danebengegangen, dass die Firma jetzt pleite ist. Da von Zeitarbeit zu sprechen ist verrückt.

   Wenn Sie noch etwas Verstand haben, dann stampfen Sie das PSA-Modell ein

(Beifall bei der CDU/CSU)

und arbeiten mit der privaten Zeitarbeitsbranche zusammen, die regional sehr gut aufgestellt ist, mittlerweile auch überregional sehr gut aufgestellt ist. Dann haben Sie wenigstens Profis, die dieses Geschäft verstehen.

(Zuruf von der CDU/CSU, zur SPD gewandt: Der Verstand fehlt da aber!)

   Jetzt komme ich zum nächsten Punkt, den Ich-AGs. 500 000 Arbeitslose sollten nach den Hartz-Plänen mit staatlichen Subventionen in Ich-AGs den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. Obwohl die Bundesregierung für das erste Jahr sehr großzügig bemessene Staatsmittel ohne jede Prüfung mit vollen Händen ausgibt, haben bislang lediglich rund 100 000 Arbeitslose davon Gebrauch gemacht, also 400 000 weniger, als Hartz damals verkündet hat.

Ab diesem Sommer - da bin ich mir sicher -, wenn die Subventionen für die Ich-AGs erstmals reduziert werden, wird sich zeigen, wie viele von diesen Kleinstgründern auf dem freien Markt überhaupt bestehen können.

   Man kann doch heute in jedem Arbeitsamt deutlich erkennen: Läuft das Arbeitslosengeld aus, ist die beste Möglichkeit, an Staatsknete zu kommen, die Gründung einer Ich-AG, weil dafür noch nicht einmal ein Geschäftsmodell vorgelegt werden muss. Es ist eine Einladung, sich Unternehmer zu nennen, ob man am Markt operiert oder nicht, und an Zuschüsse von monatlich immerhin 600 Euro im ersten Jahr zu kommen. Ich sage Ihnen voraus: Wenn die Förderung ausläuft, werden wir bei den Ich-AGs eine Insolvenzentwicklung haben, die sich gewaschen hat.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

   Das liegt daran, dass Sie schlicht und ergreifend folgendem Trugschluss unterliegen: Sie denken, dass man in einer so modernen Volkswirtschaft, wie Deutschland sie hat, mit Kleinstunternehmertum einen gigantischen Arbeitsmarkt schaffen könnte. Das ist aber nicht möglich. Sie können unsere Volkswirtschaft, etwa den Einzelhandel, nicht mehr mit der von Spanien oder Portugal vergleichen. Dadurch, dass in den Gemeinden Lidl, Aldi und viele andere Einzug gehalten haben, hat sich der Einzelhandel völlig umstrukturiert. In dem Dorf, aus dem ich komme, konnten in meiner Kindheit fünf kleine Einzelhändler bestehen. Von ihnen ist kein Einziger übrig geblieben. Heute gibt es dort zwei große Marktketten, die das Dorf genauso gut mit Lebensmitteln versorgen, sogar mit einer noch größeren Auswahl als früher. Eine solche Einzelhandelsstruktur, wie es sie früher gab, wird es nie wieder geben.

(Klaus Brandner (SPD): Sie wollen doch nicht sagen, dass die alle geschlossen haben, seit die SPD und die Grünen an der Regierung sind!)

- Nein, das hat mit SPD und Grünen nichts zu tun. Aber glauben Sie doch nicht, dass Sie die Probleme des deutschen Arbeitsmarktes mit Ich-AGs lösen könnten!

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie zusätzliche Arbeitsplätze schaffen wollen, müssen Sie die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft, für die industriellen Arbeitsplätze, für neue Bereiche, etwa den Bereich der privaten Haushalte, verbessern; auf dem von Ihnen gewählten Weg wird Ihnen das nicht gelingen.

   Dann gab es das Instrument des Jobfloaters. Können Sie sich daran noch erinnern?

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Jobflopper!)

Der Jobfloater ist am 1. November 2002 unter dem Titel „Kapital für Arbeit“ von der KfW auf den Weg gebracht und im März 2003 auf die Einrichtung von Ausbildungsplätzen ausgeweitet worden. Anstatt der von der Hartz-Kommission versprochenen durchschnittlich 120 000 neuen Arbeitsplätze pro Jahr hat die KfW bis heute lediglich knapp 11 500 Vollzeitarbeitsplätze und rund 1 100 Ausbildungsplätze mit einem Mittelvolumen von 837,4 Millionen Euro subventioniert. Das ist weniger als 10 Prozent des versprochenen Beschäftigungseffektes und bedeutet einen skandalösen Umfang von Subventionen pro Arbeitsplatz von rund 73 000 Euro.

   Hinzu kommt, dass sich der Bundesminister für den Aufbau Ost, Manfred Stolpe, vom Jobfloater einen großen Beitrag zur spürbaren Senkung der Arbeitslosenzahl in Ostdeutschland versprochen hatte. Bislang sind in die neuen Bundesländer lediglich rund 10 Prozent der KfW-Mittel geflossen; das sind ganze 83 Millionen Euro.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Die haben Jobs geflutet, nicht gefloatet!)

   Ein ganz wichtiger Ansatz der Hartz-Kommission war die Reform der Bundesanstalt für Arbeit. Durch verbesserte Vermittlung und ein modernes IT-System sollte der Nachschub von Arbeitslosen nach Nürnberg gestoppt werden. Alleine durch die Reform der Bundesanstalt für Arbeit sollten bis zu 250 000 Arbeitslose im Jahresschnitt weniger gezählt und gut 100 000 neue Beschäftigungsverhältnisse geschaffen werden. Anstatt der erhofften Erfolge und einer Entlastung der Beitragszahler aber erweist sich insbesondere der virtuelle Arbeitsmarkt als Millionengrab. Nach der ersten Ausschreibung wurde noch mit Kosten von 35 Millionen Euro für den virtuellen Arbeitsmarkt gerechnet. Mittlerweile geht die neue Führung der Bundesagentur, wie wir alle wissen, von Gesamtkosten von 163 Millionen Euro aus. Hinzu kommt, dass auch die Beitragsmittel, die der ehemalige BA-Vorsitzende Gerster für Kommunikationsberatungen unter Verstoß gegen das Vergaberecht vergeben hat, in den Sand gesetzt worden sind.

   Vor ein paar Tagen lese ich, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD-Fraktion und den Grünen und vor allen Dingen vom Ministerium für Wirtschaft und Arbeit, dass das Wirtschaftsministerium vor 14 Tagen eine Studie - aus den Mitteln des Steuerzahlers - über das Image der Bundesagentur für Arbeit in Auftrag gegeben hat.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Schon wieder!)

Man hat mit dieser Studie ein Bonner Institut beauftragt und zahlt dafür 830 000 Euro.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wahnsinn!)

Ich möchte einmal wissen, wer in Ihrem Haus die Vergabe dieses Auftrags unterschrieben hat. Sie brauchen zurzeit keine Untersuchung über das Image der Bundesagentur für Arbeit durchzuführen. Sie müssen nur einmal Straßenbahn fahren. Da hören Sie genug über das Image der Bundesagentur.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Diejenigen, die solche Untersuchungen für notwendig halten, sind wahrscheinlich schon lange nicht mehr Straßenbahn gefahren. Es wird Zeit, dass sie ihren Fahrer verlieren und wieder mehr Straßenbahn fahren müssen. Dann erfahren sie, wie das Image der Bundesagentur aussieht, auf deren Unterstützung Millionen von Menschen in diesem Land angewiesen sind.

(Beifall bei der CDU/CSU - Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sollten besser Fahrrad fahren!)

   Die Vergabe dieser Studie ist zwar für das Institut in Bonn sehr schön. Aber wenn ich mir anschaue, wie verzweifelt die finanzielle Situation in vielen Bereichen in Deutschland ist, dann kann ich nur den Kopf darüber schütteln - das zeugt von Unsensibilität -, dass man eine solche Studie in der jetzigen Zeit vergibt.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, Sie sollten einfach Abschied nehmen von dem Hartz-Wahlkampfmanöver. Damals haben einige eitle Herren, die Herrn Schröder helfen wollten, in einer Kommission zusammengesessen und haben alte Tatsachen mit neuen Begriffen bezeichnet. Sie haben sich Zahlen ausgedacht, die - wenn man daran glaubt - zeigen, wie schön die Welt sein kann. Aber mittlerweile wissen wir ganz genau, dass die Hartz-Reformen und die entsprechenden Instrumente nicht die Renner in der Arbeitsmarktpolitik sind. Deswegen sollten wir, was die Finanzierung dieser Instrumente, über die ich geredet habe, angeht, mit der Geldvernichtung aufhören.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Der Ansatz bei der Bundesagentur für Arbeit und in der Arbeitsmarktpolitik muss viel stärker im grundsätzlichen Bereich liegen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir gewaltige Anstrengungen unternehmen müssen, um in Deutschland im Bereich der Industrie eine gewisse Tiefe bei der Fertigung erhalten zu können. Es nützt uns nichts, wenn bei uns am Ende Güter zwar zusammenmontiert werden, aber die Tiefe der Fertigung in einem atemberaubenden Tempo abnimmt.

   Diese Entwicklung hat natürlich etwas mit der Kostensituation zu tun. Wir sollten uns in der Öffentlichkeit und im Parlament über ein paar Punkte unterhalten, die man am leichtesten und am zumutbarsten verändern kann. Ich bin der Meinung, dass wir zu flexibleren und längeren Arbeitszeiten kommen müssen, um unsere Fertigungstiefe zu erhalten. Ich glaube, dass kein Weg daran vorbeiführt. Das geeignete Instrument wird nicht die stumpfe 40-Stunden-Woche sein. Aber ich bin davon überzeugt, dass wir über das Jahr gesehen 41 oder 42 Stunden - abhängig von Jahreszeit und Branche - relativ flexibel arbeiten müssen.

Christian Müller (Zittau) (SPD): Und samstags!)

   Das wäre der humanste und zumutbarste Beitrag, um zu einer Kostenentlastung zu kommen. Davon bin ich zutiefst überzeugt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich will Ihnen einen weiteren Punkt nennen, auf den wir uns verständigen müssen. Wir müssen in allen staatlichen Bereichen schauen, welche Auflagen im Zusammenhang mit Arbeitsplätzen entbehrlich sind. Ich würde in Deutschland das Arbeitszeitgesetz abschaffen. An dessen Stelle sollte die entsprechende EU-Richtlinie treten. Darin ist die wöchentliche Arbeitszeit festgehalten. Die Entwicklung geht also hin zu einem Abschied von der täglichen Arbeitszeit als Richtgröße, die noch Bestandteil - das ist bei uns Tradition - der deutschen Gesetzgebung ist. Diese Maßnahme kostet kein Geld und ist relativ einfach. Ein Federstrich genügt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel (FDP))

   Ich würde vorschlagen, dass man die Arbeitsstättenverordnung auf den Gesundheitsschutz konzentriert. Alles andere muss uns nicht interessieren. Das können vernünftige Leute selber regeln. Vorschriften zum Gesundheitsschutz würde ich vorgeben. Dann wäre aber Schluss.

   Man müsste einmal nachprüfen, wozu die Zahlen, die die statistischen Ämter auf Bundes- und Landesebene erheben, gebraucht werden. Mich ärgert nicht nur, dass der Mittelständler sonntagmorgens diese Formulare ausfüllen muss. Mich ärgert auch, dass sich wahrscheinlich irgendein gut bezahlter BAT-Mensch damit beschäftigt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir müssen uns einmal fragen, ob wir diese Zahlen wirklich brauchen. Was geschieht mit diesen Zahlen? Sind diese Informationen für das Handeln des Staates notwendig? Für die Bereiche, in denen wir diese Zahlen nicht benötigen, sollte man sie nicht mehr erheben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das wäre ein großer Fortschritt auf dem Weg zur Entbürokratisierung.

   Wenn ein Handwerksmeister feststellen würde, dass es weniger Bürokratie gibt, dann hätte er vielleicht mehr Spaß an seinem Job und würde allein schon deswegen mehr junge Menschen einstellen. Aber wenn er die Bürokratie im Zusammenhang mit Ihrer Ausbildungsplatzabgabe sieht, dann wird er sich wahrscheinlich überlegen, wie er unter die Grenze von zehn Mitarbeitern kommt, um damit nichts zu tun zu haben.

   Wir werden - das sage ich Ihnen voraus - nächstes Jahr weniger Betriebe mit 13 Anstreichern haben als dieses Jahr. Denn alle Betriebe werden versuchen, unter zehn Beschäftigte zu kommen, damit sie mit diesem Thema nichts zu tun haben. So läuft das praktisch ab.

   Ich weiß, dass das für jeden, der eine Bindung zur Gewerkschaftsbewegung in Deutschland hat, ein schwieriges Thema ist. Aber wenn wir wollen, dass der Flächentarifvertrag seine Bindungswirkung behält, wird der Weg, den die IG Bergbau, Chemie, Energie und andere eingeschlagen haben, nämlich die Tarifvereinbarungen flexibler auf Betriebsstrukturen zuzuschneiden, unvermeidlich sein. Wenn dieser Weg unvermeidlich ist, warum können wir dann im Bundestag das Günstigkeitsprinzip im Tarifvertragsgesetz nicht so klarstellen, dass Gerichte es nicht verbieten können, wenn sich Belegschaften und Geschäftsleitungen im Rahmen von Investitionen für die Zukunft auf eine andere Auslegung des Günstigkeitsprinzips verständigen?

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit!

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

   Ich hoffe, dass es früh genug ist, wenn Sie umkehren. Ich habe praktische Beispiele genannt, die nicht Millionen in Agenturen kosten. Dafür brauchen Sie auch nicht die Profis der Nation; dafür brauchen Sie nur ein Parlament mit einer gutwilligen Mehrheit. Wenn Sie diese nicht herstellen, werden wir das bald tun.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Klaus Brandner.

Klaus Brandner (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Im Dezember 2003 haben sich die Oppositions- und die Regierungsparteien im Vermittlungsausschuss zusammengesetzt, um die größten Arbeitsmarktreformen der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland zu besprechen. Sie sind dabei zu einem einvernehmlichen Ergebnis gekommen und haben hier im Bundestag den überwiegenden Teil sehr einvernehmlich beschlossen.

   Heute erleben wir einen Oppositionsantrag, der mit dem Satz beginnt:

Die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik ist auf ganzer Linie gescheitert.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

So machen Sie sich einen schlanken Fuß; so ziehen Sie sich aus der Verantwortung bzw. aus einer Angelegenheit, die Sie gemeinsam mit uns auf den Weg gebracht haben. Ich sage es einmal freundlich: Sie haben ein wirklich hocherotisches Verhältnis zum Negativen. Daran - und nicht an Inhalten und praktischen Hilfen für die Menschen in diesem Land - ziehen Sie sich anscheinend hoch. Sie suchen nach Misserfolgen. Das ist Ihr Erfolgsrezept und das lassen wir nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Armselig!)

   Mir zeigt das: Sie haben die Agenda 2010 weder gelesen noch verstanden. Die Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik ist nämlich nicht gescheitert. Sie ist sehr erfolgreich.

(Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Bitte? - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Wo denn?)

100 000 Gründungen von Ich-AGs im letzten Jahr sind eben kein Misserfolg, wie es Kollege Laumann hier vorgetragen hat. Die Bundesagentur für Arbeit bzw. das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung gingen davon aus, dass sich in einem Jahr aus der Arbeitslosigkeit im höchsten Fall bis zu 200 000 Existenzgründungen rekrutieren lassen. 250 000 sind es geworden. Sie aber reden dies schlecht, machen es negativ und nehmen jungen Menschen, die den Mut haben, Existenzgründungen aufzubauen, den Mut, diesen Weg weiterhin zu beschreiten. Das ist skandalös!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Auch die Anzahl der Minijobs ist dank unserer unbürokratischen Regelung

(Lachen bei der CDU/CSU)

ganz erheblich gestiegen.

(Franz Romer (CDU/CSU): Was habt ihr denn hier beschlossen? - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Wer hat das denn vorgeschlagen?)

- Stehen Sie nicht mehr zu diesem Ergebnis?

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Das ist unser Kind!)

- Setzen Sie keine falschen Dinge in die Welt! Wir haben uns im Vermittlungsausschuss auf ein einfaches Verfahren verständigt. Stehen Sie zumindest dazu, dass das ein gemeinsames Ergebnis ist!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn es ein gemeinsames Ergebnis ist, dann ist die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik eben nicht gescheitert. Sagen Sie: Das ist ein Erfolg, zu dem auch wir ein Stück weit unseren Beitrag geleistet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niebel?

Klaus Brandner (SPD):

Bitte.

Dirk Niebel (FDP):

Herr Kollege Brandner, erinnern Sie sich daran, dass die rot-grüne Bundesregierung und die sie tragenden Fraktionen im Jahre 1998 die Minijobs abgeschafft haben, die Sie jetzt als einen der größten Erfolge Ihrer Politik schildern, und würden Sie mir zustimmen, dass wir diesen großen Erfolg auch in den dazwischenliegenden fünf Jahren hätten haben können, wenn Sie nicht ideologisch gehandelt hätten?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Ich würde jetzt einfach mal ehrlich sein!)

Klaus Brandner (SPD):

Erstens hat die rot-grüne Regierung die Minijobs nicht abgeschafft, sondern sozialpolitisch anders geordnet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

   Zweitens. Wir wären mit Sicherheit bei den Arbeitsmarktreformen schon erheblich weiter, wenn Sie in der Vergangenheit nicht so stark blockiert hätten. Wir hätten die notwendigen Reformen schneller durch das Parlament bringen können. Vor dieser Problematik stehen wir.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die Zahl der Existenzgründungen - sie ist ein Beleg für das, was sich in der Gesellschaft tut - entwickelt sich positiv. 2003 gab es 12 Prozent mehr Gewerbeanmeldungen als im Vorjahr. Die Zahl der Unternehmensneugründungen ist seit 1998 um 39 Prozent gestiegen.

   Ein Beleg dafür, dass Sie Ihren Antrag mit flinker Hand geschrieben haben, ist, dass Sie von skandalösen Subventionen auf der Grundlage des Programms „Kapital für Arbeit“ berichten. Es heißt bei Ihnen, ein Arbeitsplatz werde mit 73 000 Euro subventioniert. Sie haben das Programm nicht verstanden. Es handelt sich dabei um ein Kreditprogramm. Die Subvention besteht darin, dass der Kredit verbilligt wird. Ein Arbeitsplatz kann höchstens mit 1 460 Euro bezuschusst werden. Durch das Programm sind immerhin 11 500 neue Arbeitsplätze und 1 100 Ausbildungsplätze entstanden.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Es sollten doch 500 000 entstehen!)

Die Art, in der Sie diese sinnvollen Elemente, mit deren Hilfe Unternehmen, die nicht über genügend Eigenkapital verfügen, Beschäftigungsaufbau organisieren können, zerreden, ist ein Skandal.

(Beifall bei der SPD)

   Lassen Sie mich ganz deutlich sagen: Sie sind darin geübt, die wirtschaftliche Lage und den Standort ständig schlechtzureden, es ist aber so, dass die realwirtschaftlichen Indikatoren eine positive Tendenz aufweisen. Der Umfang der Exporte hat zugenommen, die Industrieproduktion zieht an und gestern erst meldeten die Maschinenbauer ein Auftragseingangsplus von 5 Prozent.

(Doris Barnett (SPD): Hört! Hört!)

Es sind auch mehr Auslandsinvestitionen in Deutschland getätigt worden.

   Die Arbeitslosenzahl für den Monat März wird unter dem Vorjahresniveau liegen, und das nach einer langen Stagnationsphase. Wir sind in der Vergangenheit immer davon ausgegangen, dass wir nach einer Phase ohne Wachstum von einer deutlich erhöhten Arbeitslosenbilanz ausgehen müssen. Es ist ein Erfolg unserer Arbeitsmarktpolitik, dass die Arbeitslosigkeit real nicht gestiegen ist.

(Beifall bei der SPD - Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Fahren Sie mal Straßenbahn!)

Ob man es wahrhaben will oder nicht: Die Daten sprechen eine deutliche Sprache.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Wie sieht es bei den Beschäftigten aus?)

   Ich bin aber davon überzeugt, dass wir in der Sache viel weiter wären, wenn Sie nicht immer blockiert und schlechtgeredet hätten. Sie haben das auch jetzt wieder bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe angekündigt. Jahrelang haben Sie an diesem Rednerpult gefordert, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu einer Leistung zusammenzufügen. Sie haben im Zusammenhang mit dem Job-AQTIV-Gesetz gedrängt, in die Puschen zu kommen, um es innerhalb von drei Monaten umsetzen zu können. Heute ziehen Sie durch die Lande und reden davon, dass wir noch anderthalb Jahre brauchen werden,

(Dirk Niebel (FDP): Weil wir vorher keine Mehrheit haben!)

bis wir überhaupt in der Lage sind, die Zusammenlegung praktisch umzusetzen. Das zeigt, wie widersprüchlich Sie argumentieren. Es geht Ihnen nicht um die Menschen in diesem Land, sondern um Ihren politischen Erfolg. Das muss an dieser Stelle offen und deutlich gesagt werden.

(Beifall bei der SPD)

   Sie fordern das Voranschreiten der Deregulierung des Arbeitsrechts. Mit einer Zangenbewegung wollen Sie normale Arbeitsverhältnisse dadurch unter Druck setzen, dass Sie den Kündigungsschutz fast völlig aufgeben. Das zeigt nur, dass die soziale Markwirtschaft nicht mehr in Ihrer Grundphilosophie enthalten ist. In den ersten vier Jahren einer Beschäftigung soll es ebenso wie in Betrieben mit weniger als 20 Beschäftigten überhaupt keinen Kündigungsschutz mehr geben. Auch über 50-Jährige sollen überhaupt keinen Kündigungsschutz mehr haben.

   Dabei haben wir im letzten Jahr im Vermittlungsausschuss ein Ergebnis erzielt, dem Sie zugestimmt haben. Wie lange halten Ihre programmatischen Vorgaben? Wie lang ist die Halbwertszeit Ihrer Zusagen? Nicht einmal drei Monate sind ins Land gegangen und schon werfen Sie alles über Bord und bezeichnen alles als Quatsch, zu dem Sie vorher Ja gesagt haben. Mit dieser Widersprüchlichkeit müssen Sie fertig werden. Das ist nicht unser Problem.

   Wir jedenfalls stehen dafür, dass Kündigungsschutz Sicherheit und Planbarkeit für die Menschen in diesem Land bedeutet. Wir können uns nicht vorstellen, dass junge Menschen Familien gründen, wenn sie überhaupt keine Sicherheit in ihren Arbeitsverhältnissen spüren. Wenn Sie die Menschen wie Ware, wie Handys oder Autos, behandeln, werden wir keine positive wirtschaftliche Entwicklung erfahren. Nicht allein der Preis darf zählen. Marktwirtschaft pur kann nicht unser Programm sein.

Das Soziale in der Marktwirtschaft muss erhalten bleiben. Deshalb brauchen wir auch weiterhin einen sozialen Kündigungsschutz.

(Beifall bei der SPD)

   Ganz verrückt ist Ihr Antrag bezüglich der betrieblichen Mitbestimmung. Auf der einen Seite sagen Sie, dass die Anzahl der Betriebsratsmitglieder reduziert werden muss, dass die Freistellungen reduziert und die Rechte der Betriebsräte beschnitten werden müssen. Auf der anderen Seite stellt sich Kollege Laumann hier hin und sagt: Wir brauchen betriebliche Bündnisse für Arbeit, die verantwortlich über Lohnreduzierungen, Urlaubsreduzierungen und Jahressonderzahlungsreduzierungen reden, verhandeln und entscheiden können. Die Drecksarbeit sollen sie also machen, aber ihre Rechtsstellung wollen Sie drastisch beschneiden, sodass sie überhaupt nicht dazu in der Lage sind. Das ist die Wahrheit und das muss man Ihnen deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Die Sicherung von Arbeitsplätzen ist keine Drecksarbeit!)

   Genauso deutlich sind die Widersprüche in Ihrer Arbeitsmarktpolitik: Sie fordern hier im Parlament, die Beiträge für die Arbeitslosenversicherung zu senken. Das ist gut und wir würden das auch gerne tun. Sobald die Arbeitslosigkeit sinkt, werden wir das auch tun.

(Zuruf von der CDU/CSU: Dann seid ihr aber nicht mehr dran!)

Aber Sie gehen doppelzüngig über Land. Sie gehen auf der einen Seite zu den karitativen Einrichtungen wie Kolping und Caritas und sagen denen: Ihr leistet tolle Arbeit und müsst eure betrieblichen Berufsausbildungsergänzungsmaßnahmen ausdehnen. Auf euch kann man nicht verzichten. Auf der anderen Seite jedoch fordern Sie hier, dass die Mittel für genau diese Aufgaben gekürzt oder faktisch ganz gestrichen werden. Sie sagen: Die aktive Arbeitsmarktpolitik ist gescheitert. Es sollen lieber die Beiträge gesenkt werden. Darin zeigt sich Ihre Widersprüchlichkeit.

   Bei den Arbeitnehmern und Arbeitgebern machen Sie sich mit Ihrer Forderung nach Beitragssatzsenkungen beliebt. Den Konsumenten sagen Sie: Wir brauchen mehr Geld. Den Kommunen sagen Sie: Wir brauchen mehr Geld für Investitionsmaßnahmen. Wir wollen sicherstellen, dass mehr Geld zur Verfügung gestellt wird. Den Bürgern sagen Sie: Wir wollen die Steuern senken. Sie versprechen allen alles, wollen zugleich aber hier den vernünftigen Weg nicht mitgehen, damit die Arbeitsmarktpolitik effizienter wird und die Maßnahmen gestützt werden. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Laumann?

Klaus Brandner (SPD):

Ja, bitte schön.

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Kollege Brandner, Sie haben gerade gesagt, wir würden den Einrichtungen, die sich um die benachteiligten Jugendlichen kümmern, sagen: Dehnt eure Arbeit aus. Gleichzeitig würden wir den Arbeitslosenversicherungsbeitrag senken wollen. Darin sehen Sie einen Widerspruch.

   Sind Sie denn nicht mit mir der Meinung, dass es gute und weniger erfolgreiche Arbeitsmarktinstrumente gibt? Dazu, dass wir uns angesichts der derzeitigen Situation am Arbeitsmarkt um benachteiligte Jugendliche kümmern, bestand immer Konsens über die Fraktionsgrenzen hinaus.

   Ich bin schon der Meinung - können Sie mir darin nicht Recht geben? -, dass zum Beispiel die Förderung der PSAs in Höhe von 280 Millionen Euro, dass die Förderung der Ich-AGs und ABM im Westen Arbeitsmarktinstrumente sind, die teuer, aber nicht erfolgreich sind. Sollten wir uns nicht davon verabschieden, um dann die erfolgreichen Modelle weiterfahren zu können?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Klaus Brandner (SPD):

Nun, Kollege Laumann, Sie wissen, dass gerade die rot-grüne Regierung dafür steht, die Effizienz der arbeitsmarktpolitischen Instrumente nicht nur zu überprüfen,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Lachen bei der CDU/CSU)

sondern auch dafür zu sorgen, dass sie bezüglich der Integration in den Arbeitsmarkt und auch unter finanziellen Gesichtspunkten vorliegt. Von manchen, die nicht effizient sind, bekommen wir großen Ärger. Diesbezüglich würden wir gern Ihre Unterstützung in Anspruch nehmen und sagen: Wer die Leistung hinsichtlich der Integration in den Arbeitsmarkt nicht bringt, wird nicht mehr bedacht. Dafür hätten wir gern die Unterstützung von allen in diesem Land, auch von der FDP. Das tritt leider nicht ein. Das ist die eine Erfahrung, die wir machen.

   Schauen Sie sich - zum Zweiten - einmal die Datenlage in diesem Land an. Die Menschen müssen das wissen. Sie fordern, den Beitragsatz von 6,5 Prozent auf 5,5 Prozent zu senken. Das bedeutet einen Einnahmeverlust von 12 Milliarden Euro. Für die aktive Arbeitsmarktpolitik werden etwa 20 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Dann blieben nur noch 8 Milliarden Euro übrig. Für die aktive Arbeitsmarktpolitik stünden damit praktisch keine Mittel mehr zur Verfügung. Man muss Ihnen ganz drastisch sagen, was Sie mit Ihrem Antrag auslösen.

(Abg. Karl-Josef Laumann (CDU/CSU) nimmt wieder Platz)

- Moment, meine Antwort auf Ihre Frage ist noch nicht zu Ende.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Das ist zu Ende!)

- Nein, nein. Die Uhr läuft ohnehin die ganze Zeit weiter, Frau Präsidentin.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Ich habe die Uhr vorhin nicht gestoppt. Deswegen muss ich sie weiterlaufen lassen. Ich glaube aber, die Frage ist ausführlich beantwortet.

Klaus Brandner (SPD):

Lassen Sie mich ein klares Argument zu dem anführen, was Sie ansonsten vorgetragen haben. Der niedersächsische Ministerpräsident zum Beispiel sagt, dass er für die aktiven Integrationsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose dreieinhalb Milliarden Euro mehr haben möchte. Der Bund will für die ganze Bundesrepublik Deutschland sechs Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Sie müssen sich einmal vorstellen, wie widersprüchlich diese Situation ist: Sie fordern unendlich hohe Summen für die kommunale Ebene, aber hier im Parlament sagen Sie im Grunde genommen, dass diese Arbeitsmarktpolitik Quatsch ist, dass sie gescheitert ist und dass wir diese Maßnahmen überhaupt nicht brauchen. Diese Widersprüchlichkeit lassen wir Ihnen nicht einfach durchgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch etwas zum Stichwort Teilzeitarbeit sagen. Auch das ist bei Ihnen ein beliebtes Thema. Die Teilzeitquote ist in den letzten fünf Jahren von 22,5 Prozent auf 27,3 Prozent gestiegen. Das zeigt, welche Bedarfe und Wünsche vorhanden waren. Das zeigt aber auch, dass durch Teilzeit ein Stück weit die Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann. Das zeigt auch, dass Teilzeitansprüche gesellschaftliche Ansprüche beinhalten können, nämlich die partnerschaftliche Arbeit im Betrieb zu ermöglichen. Das steht im krassen Widerspruch zu Ihrer Politik der pauschalen Arbeitszeitverlängerung, die im Ergebnis nichts anderes als Lohndrückerei und höhere Arbeitslosigkeit bringen würde. Dafür gibt es politisch keinen Raum.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir setzen auf Differenzierung und Flexibilität. Sie sind in der Arbeitszeitpolitik notwendiger denn je. Alle Maßnahmen in dieser Richtung unterstützen wir. Aber Ihr pauschaler Ansatz, einfach die Arbeitszeit generell auf 42 Stunden zu verlängern, ist ein Programm gegen die Beschäftigten und für höhere Arbeitslosigkeit. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Meine Damen und Herren, mit Ihrem Antrag haben Sie sich hinsichtlich der Einseitigkeit geoutet, mit der Sie die sozialen Rechte auf dem Rücken insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abbauen wollen. Wir fragen uns: Wo bleiben Ihre Forderungen an die Manager, ihre Gehaltsstrukturen zu überprüfen? Wo schauen Sie, inwiefern gerade die Klientel, für die Sie sich sonst ins Zeug werfen, noch leistungsgerecht Gehaltsforderungen in Millionenhöhe erheben kann?

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das hat doch sicher Gerhard Schröder in Dresden gesagt!)

   Wie Sie wissen, lautet unser Programm „Fördern und fordern“. Sie fordern nur von den Arbeitnehmern. Das belegt Ihr Antrag, in dem Sie das deutlich machen. Ihnen fehlt das Augenmaß. Wir sind Ihnen für Ihren Antrag insofern dankbar, als er Ihre politische Richtung zeigt. Unsere Grundstrategie bleibt eine Politik, die auf Angebot und Nachfrage reagiert und die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen berücksichtigt. Ihr Antrag hat in seinem Kern nur die Interessen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zum Inhalt. Wir wissen, dass wir mit Hartz begonnen haben, einen erfolgreichen Reform- und Umstrukturierungsprozess einzuleiten, der auch an harten Zahlen sichtbar wird,

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Arbeitslosen werden immer mehr! - Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Hartz ist ein bisschen verharzt!)

mit dem neue Beschäftigung erschlossen wird, mit dem die Qualität und auch die Geschwindigkeit der Vermittlung verbessert wird und der die Neuausrichtung der aktiven Arbeitsförderung sicherstellt. Wir bauen darauf, dass die Tarifvertragsparteien diesen Prozess unterstützen.

   Deshalb geht auch von dieser Stelle ein aktives und deutliches Zeichen für den Erhalt der Tarifautonomie aus. Die Tarifvertragsparteien in Deutschland haben gerade erst wieder bewiesen, dass sie in der Lage sind, auf neue Herausforderungen flexibel zu reagieren. Ihr Ansatz, den Tarifvertragsparteien - im Kern meinen Sie ja: den Gewerkschaften - den Boden unter den Füßen zu entziehen und damit einseitig die Arbeitnehmerseite zu schwächen, ist eine Angelegenheit, die wir nicht hinnehmen werden.

(Beifall bei der SPD)

   Meine Damen und Herren, wir werden deutlich sagen: Wir sind für gleichgewichtige Partner. Beide Partner werden mit unserer Unterstützung - je gemeinsamer, desto besser - dafür sorgen, dass sie auch neue Herausforderungen aufgreifen, zum Beispiel die Frage der Ausbildungsplätze. Das wäre doch ein Thema, bei dem Bedarfe bestehen. Wir könnten sie ermuntern, dieses Thema zu behandeln. Das ist eine Wertefrage, die sie gemeinsam aufgreifen könnten, was auch uns mit Sicherheit ermöglichen würde, von mancher komplizierten Regelung eher Abstand zu nehmen.

   Aber wir müssen doch Fragen, die sich in diesem Land stellen, auch sachgerecht beantworten. Deshalb sollten Sie nicht einseitig die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer als Sündenböcke für die Problemlagen in dieser Gesellschaft darstellen. Wir bauen auf eine gute Zusammenarbeit. Insofern sind wir mit unserem Programm „Fördern und fordern“ auf einem richtigen Weg. Ich denke, das haben unsere Erfolge deutlich gemacht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Klaus Brandner (SPD):

Lassen Sie mich ein klares Argument zu dem anführen, was Sie ansonsten vorgetragen haben. Der niedersächsische Ministerpräsident zum Beispiel sagt, dass er für die aktiven Integrationsmaßnahmen für Langzeitarbeitslose dreieinhalb Milliarden Euro mehr haben möchte. Der Bund will für die ganze Bundesrepublik Deutschland sechs Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Sie müssen sich einmal vorstellen, wie widersprüchlich diese Situation ist: Sie fordern unendlich hohe Summen für die kommunale Ebene, aber hier im Parlament sagen Sie im Grunde genommen, dass diese Arbeitsmarktpolitik Quatsch ist, dass sie gescheitert ist und dass wir diese Maßnahmen überhaupt nicht brauchen. Diese Widersprüchlichkeit lassen wir Ihnen nicht einfach durchgehen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch etwas zum Stichwort Teilzeitarbeit sagen. Auch das ist bei Ihnen ein beliebtes Thema. Die Teilzeitquote ist in den letzten fünf Jahren von 22,5 Prozent auf 27,3 Prozent gestiegen. Das zeigt, welche Bedarfe und Wünsche vorhanden waren. Das zeigt aber auch, dass durch Teilzeit ein Stück weit die Arbeitslosigkeit bekämpft werden kann. Das zeigt auch, dass Teilzeitansprüche gesellschaftliche Ansprüche beinhalten können, nämlich die partnerschaftliche Arbeit im Betrieb zu ermöglichen. Das steht im krassen Widerspruch zu Ihrer Politik der pauschalen Arbeitszeitverlängerung, die im Ergebnis nichts anderes als Lohndrückerei und höhere Arbeitslosigkeit bringen würde. Dafür gibt es politisch keinen Raum.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir setzen auf Differenzierung und Flexibilität. Sie sind in der Arbeitszeitpolitik notwendiger denn je. Alle Maßnahmen in dieser Richtung unterstützen wir. Aber Ihr pauschaler Ansatz, einfach die Arbeitszeit generell auf 42 Stunden zu verlängern, ist ein Programm gegen die Beschäftigten und für höhere Arbeitslosigkeit. Das lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Meine Damen und Herren, mit Ihrem Antrag haben Sie sich hinsichtlich der Einseitigkeit geoutet, mit der Sie die sozialen Rechte auf dem Rücken insbesondere der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer abbauen wollen. Wir fragen uns: Wo bleiben Ihre Forderungen an die Manager, ihre Gehaltsstrukturen zu überprüfen? Wo schauen Sie, inwiefern gerade die Klientel, für die Sie sich sonst ins Zeug werfen, noch leistungsgerecht Gehaltsforderungen in Millionenhöhe erheben kann?

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das hat doch sicher Gerhard Schröder in Dresden gesagt!)

   Wie Sie wissen, lautet unser Programm „Fördern und fordern“. Sie fordern nur von den Arbeitnehmern. Das belegt Ihr Antrag, in dem Sie das deutlich machen. Ihnen fehlt das Augenmaß. Wir sind Ihnen für Ihren Antrag insofern dankbar, als er Ihre politische Richtung zeigt. Unsere Grundstrategie bleibt eine Politik, die auf Angebot und Nachfrage reagiert und die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressen berücksichtigt. Ihr Antrag hat in seinem Kern nur die Interessen der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände zum Inhalt. Wir wissen, dass wir mit Hartz begonnen haben, einen erfolgreichen Reform- und Umstrukturierungsprozess einzuleiten, der auch an harten Zahlen sichtbar wird,

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Arbeitslosen werden immer mehr! - Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Hartz ist ein bisschen verharzt!)

mit dem neue Beschäftigung erschlossen wird, mit dem die Qualität und auch die Geschwindigkeit der Vermittlung verbessert wird und der die Neuausrichtung der aktiven Arbeitsförderung sicherstellt. Wir bauen darauf, dass die Tarifvertragsparteien diesen Prozess unterstützen.

   Deshalb geht auch von dieser Stelle ein aktives und deutliches Zeichen für den Erhalt der Tarifautonomie aus. Die Tarifvertragsparteien in Deutschland haben gerade erst wieder bewiesen, dass sie in der Lage sind, auf neue Herausforderungen flexibel zu reagieren. Ihr Ansatz, den Tarifvertragsparteien - im Kern meinen Sie ja: den Gewerkschaften - den Boden unter den Füßen zu entziehen und damit einseitig die Arbeitnehmerseite zu schwächen, ist eine Angelegenheit, die wir nicht hinnehmen werden.

(Beifall bei der SPD)

   Meine Damen und Herren, wir werden deutlich sagen: Wir sind für gleichgewichtige Partner. Beide Partner werden mit unserer Unterstützung - je gemeinsamer, desto besser - dafür sorgen, dass sie auch neue Herausforderungen aufgreifen, zum Beispiel die Frage der Ausbildungsplätze. Das wäre doch ein Thema, bei dem Bedarfe bestehen. Wir könnten sie ermuntern, dieses Thema zu behandeln. Das ist eine Wertefrage, die sie gemeinsam aufgreifen könnten, was auch uns mit Sicherheit ermöglichen würde, von mancher komplizierten Regelung eher Abstand zu nehmen.

   Aber wir müssen doch Fragen, die sich in diesem Land stellen, auch sachgerecht beantworten. Deshalb sollten Sie nicht einseitig die Gewerkschaften und die Arbeitnehmer als Sündenböcke für die Problemlagen in dieser Gesellschaft darstellen. Wir bauen auf eine gute Zusammenarbeit. Insofern sind wir mit unserem Programm „Fördern und fordern“ auf einem richtigen Weg. Ich denke, das haben unsere Erfolge deutlich gemacht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Rainer Brüderle.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Abteilung Gift und Galle!)

Rainer Brüderle (FDP):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wir debattieren über das Wachstumsprogramm der Union. Sie, Herr Brandner, haben nur draufgehauen. Ich hätte mir in dem Wachstumsprogramm der Union mehr Konkretes zum Aufbrechen des Tarifkartells gewünscht, auch zur Steuerpolitik manches Konkretere, aber die Richtung stimmt.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Aha!)

   Grundsätzlich hat Herr Laumann völlig Recht: Wir müssen uns mit den Ursachen beschäftigen, warum wir heute - am Vorabend der Erweiterung der Europäischen Union um zehn neue Mitgliedsländer - in der Situation sind, dass Deutschland, das früher das reichste Land der Europäischen Union war, unter dem Durchschnitt liegt, dass die leichte Belebung der Konjunktur schon wieder gefährdet ist: Der Ifo-Index geht zum zweiten Mal herunter; Herr Eichel spricht von der Wachstumsbremse des Konsums, von der Achillesferse. Auch die Beurteilung draußen ist nicht positiv.

   Wir werden mit der Erweiterung der Union Niedrigsteuergebiete in unserem Gemeinsamen Markt haben. Die baltischen Staaten oder auch Slowenien haben Flat-Tax-Einheitssteuersätze: Existenzminimum frei, maximale Besteuerung unter 20 Prozent. Relativ bald wird es egal sein, wo sich der Hauptsitz eines Unternehmens befindet, in Essen oder in Riga. Der Unterschied wird nur sein: In Riga zahlen sie unter 20 Prozent, in Essen 50 Prozent Steuern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das wird Konsequenzen haben. Schon jetzt beobachten wir eine Abwanderung von Talenten, von Wissenschaftlern, von Unternehmen, von Investitionen aus Deutschland. Diese Neuorientierung in Europa wird sich verstärken. Wir müssen uns deshalb grundsätzlich damit beschäftigen, was wir falsch machen, und zwar über viele Jahre. Die Obergrenze des Wachstumspotenzials der deutschen Wirtschaft liegt seit Jahren bei 1 bis 1,5 Prozent. Das ist zu wenig. Für einen Beschäftigungszuwachs brauchen wir gegen 2 Prozent reales Wachstum.

   Die Weichen sind nicht gestellt. Was ist die Antwort auf die Niedrigsteuergebiete in der Europäischen Union? Sie muss doch sein, dass wir auch bei uns Anpassungen vornehmen, drastisch vereinfachen, andere Strukturen entwickeln. Nur ein bisschen Reparatur wird nicht helfen. In ganzen Bereichen werden wir einen Systemwechsel brauchen.

   Weshalb gelingt es der Regierung nicht, die Menschen im Land bei den Veränderungen mitzunehmen? Das hat zwei Ursachen. Zum Ersten, weil sie ständig zickzack macht: Da wird etwas angepackt, dann verändert; keiner kann sich orientieren, die Verunsicherung ist groß. Zum Zweiten setzt sie auf eine insgesamt schon sehr hohe Regulierungsdichte weitere Regelungen drauf. Die Bürger stehen vor einer babylonischen Wand. Sie verstehen die Strukturen nicht mehr, sie können nicht mehr Teil des Systems sein, sie können nicht mehr mitentscheiden und es nicht mehr bewerten, weil das System so kompliziert geworden ist, dass keiner mehr mitkommt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Im Grunde brauchen wir eine Redemokratisierung durch wieder überschaubare Strukturen, die den Bürgern Möglichkeiten zur Partizipation, zur Mitwirkung, zur Mitentscheidung einräumen. So, wie wir die Strukturen - die sozialen Sicherungssysteme, das Steuersystem - gestaltet haben, kommen die Bürger nicht mehr mit; deshalb sind sie nicht dabei. So meinen heute zwischen 60 und 70 Prozent der Bevölkerung: Alle Parteien sind Mist, sie sind nicht in der Lage, die Probleme zu lösen. Die innere Zustimmung der Bürger zum parlamentarischen System schwindet insgesamt.

   Deswegen müssen wir die Grundachsen der Politik ändern. Die Ordnungspolitik verfällt in diesem Land. Nicht nur der legendäre Holzmann-Interventionismus, es geht ja weiter: Das Postmonopol wurde verlängert. Im Telekommunikationsgesetz wird - das hat noch keine Regierung Deutschlands gewagt - ein Weisungsrecht des Ministers in Wettbewerbsfragen gegenüber der Regulierungsbehörde festgelegt. Eine neue Dimension! Oder im Pressefusionsrecht: Verbietet das Kartellrecht eine Fusion, führt man einen Sonderstatus ein. Was machen wir denn, wenn morgen etwa die Banken in weitere Schwierigkeiten geraten? Etwa ein eigenes Bankenfusionsrecht, ein Sonderrecht für Banken? Nein, die Kartellordnung, das Wettbewerbsrecht ist die Magna Charta, die Grundlage der sozialen Marktwirtschaft.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dort wird permanent interveniert, fehlgesteuert. Und dann wundert man sich, wenn die Ergebnisse schlecht ausfallen.

Eon, Ruhrgas, 85 Prozent Marktanteil. Als Belohnung bekommt der Wirtschaftsminister dann noch den Vorstandsvorsitz bei der Ruhrkohle AG. Welche Einstellungen und Verhaltensweisen sind das! Wie will man dann noch dem Pförtner, der abends Papier für sein Faxgerät mit nach Hause nimmt, eine Abmahnung schicken, wenn sich Führungspersonen in Politik und Gesellschaft, auch wenn es rechtlich nicht angreifbar ist, so verhalten, wie Herr Müller sich verhält?

(Beifall bei der FDP)

   Das sind die Ursachen einer Fehlentwicklung und Fehlsteuerung, die in vielen Bereichen zu falschen Ergebnissen führen. Wenn wir keine Rückbesinnung auf mehr Charakter in der Grundausrichtung der Wirtschaftspolitik erreichen, werden wir es nicht schaffen.

Ich nehme als Beispiel den Arbeitsmarkt: Weshalb dürfen die betroffenen Mitarbeiter im Betrieb - in geheimer Abstimmung mit einer Mehrheit von 75 Prozent; das ist mehr als eine verfassungsändernde Mehrheit - keine eigenen Regelungen treffen, wenn sie es wollen? Es geht um ihren Job und um ihre Lebensperspektive.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich will Mitbestimmung für die Mitarbeiter und weniger Mitbestimmung für Funktionäre, die vielfach nicht wissen, wie die Situation vor Ort ist.

   Dies betrifft übrigens beide Seiten. Es gibt auch bei Arbeitgeberverbänden viele, die nicht in modernen Strukturen angekommen sind. Aber Sie haben auch nicht den Mut, bei der Bundesagentur für Arbeit das Kartell aufzubrechen. Wer sitzt denn dort im Verwaltungsrat? Es sind doch dieselben wie vorher: zu einem Drittel die Arbeitgeberverbände, zu einem Drittel die Gewerkschaften und zu einem Drittel der Staat. Wenn Sie diejenigen, die bewiesen haben, dass sie mit der Flexibilisierung nicht umgehen können, zu Reformatoren ernennen, dann dürfen Sie sich nicht wundern, wenn wir nichts hinbekommen.

(Beifall bei der FDP)

   Die Strukturen aufzubrechen heißt, Chancen und Freiheiten zu geben, das Richtige zu entscheiden. Wir sind in Deutschland nicht blöder und auch nicht fauler als früher. Wir haben es nur nicht geschafft, die Strukturen so zu ändern, dass die Tüchtigen und Anständigen im Lande mit Fleiß und Engagement auch erfolgreich sein können. Vielmehr wird auf Beziehungen gesetzt, wie es früher der Fall war, als die Pompadour die Kakaoausschankrechte von Ludwig XIV. bekam. Ein großer Konzern, der im Ministerium oder in der Politik jemanden kennt, bekommt Unterstützung; wenn ein Mittelständler oder Handwerker kaputtgeht, interessiert es keinen Menschen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): So ein Schwachsinn!)

   Diese Schieflage wirkt sich jenseits des einzelnen Unternehmens auf das Klima im Lande aus. Viele haben das Gefühl, dass dies nicht fair, nicht anständig ist. Dies ist auch ein Grund dafür, dass sich viele innerlich abmelden. Es findet nicht nur eine objektive Auswanderung von Talenten, Forschern, Begabung und Kapital statt, sondern auch eine innere Auswanderung. Es fehlt die moralisch-ethische Grundlage eines solchen Systems: Freiheit und Verantwortung. Wir müssen mehr Freiheiten geben und dann Verantwortung einfordern.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wir haben sie über Jahre reduziert. Ich will gar keine einseitige Zurechnung vornehmen. Das Ergebnis ist aber, dass Deutschland heute als der kranke Mann Europas gilt.

(Zuruf der Abg. Dr. Cornelie Sonntag-Wolgast (SPD))

- Es ist doch so, Frau Kollegin! Wenn ein Land, das die Nummer eins war, heute unter dem Durchschnitt der Europäischen Union angekommen ist, dann müssen wir doch etwas falsch gemacht haben. Wir haben in Wahrheit doch 6 Millionen Arbeitslose. Es sind nicht nur die 4,5 Millionen, die in der Statistik auftauchen. 1,5 Millionen Menschen sind in Ersatzmaßnahmen wie ABM; sie sind faktisch geparkt und hängen am Tropf von Sozialtransfers, haben aber keine durch Marktmechanismen gesicherte Arbeitsplätze. Es muss doch bei uns etwas falsch sein, wenn die Arbeitslosigkeit in Großbritannien halb so hoch und in den Niederlanden und in Schweden weniger als halb so hoch wie in Deutschland ist. Dies zeigt doch, dass die Menschen dort besser als wir gehandelt haben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Hier werden aber diejenigen, die auf Schwachstellen hinweisen und sagen, dass bei uns die Grundachsen nicht stimmen und sich hier etwas ändern muss, jetzt als unpatriotisch und als vaterlandslose Gesellen beschimpft. Wenn diese unsinnige Debatte überhaupt einen Sinn hat, dann muss es doch der sein, dass derjenige ein Patriot ist, der den Mut hat, Veränderungen vorzunehmen. Die Menschen draußen im Lande wissen, dass es ohne Veränderungen nicht weitergeht, dass wir Veränderungen vornehmen müssen. Es genügt nicht, ein bisschen zu ändern oder zaghaft nachzusteuern. Das Unsozialste ist, keinen Arbeitsplatz und keine Chance auf einen Wiedereinstieg in die Gesellschaft zu haben, weil wir nicht den Mut haben, die Dinge in Ordnung zu bringen.

   Sie brauchen mir das alles gar nicht zu glauben; das können Sie in jedem Gutachten des Sachverständigenrats, in den Monatsberichten der Bundesbank sowie in den Veröffentlichungen der OECD und des Währungsfonds nachlesen. Die Europäische Kommission mahnt Deutschland, endlich die Dinge zu verändern. Wenn wir in Deutschland nicht die Kraft haben, im Rahmen unseres parlamentarischen Systems die Veränderungen vorzunehmen - die Menetekel können Sie in Italien und Frankreich in vielen Bereichen sehen -, werden sich die Probleme andere Lösungswege, vorbei an heute bestehenden Strukturen, suchen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, achten Sie bitte auf Ihre Redezeit.

Rainer Brüderle (FDP):

Frau Präsidentin, mein letzter Satz: Es ist unsere patriotische Pflicht, Veränderungen vorzunehmen. Deshalb sollten wir hier eine Debatte darüber führen, wie wir wieder Wachstum und Beschäftigung schaffen, und keine Punkt-, Komma- und Strichdiskussion. Denn das schreckt die Menschen in Deutschland noch mehr von unserer Politik ab.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Fritz Kuhn.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr verehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brüderle, natürlich muss man, wenn man die Arbeitslosigkeit bekämpfen will, viel verändern. Das ist doch logisch. Man muss Reformen in allen Bereichen der Wirtschaft durchführen, auch auf dem Arbeitsmarkt.

   Ich bin aber sehr darüber erstaunt, was hier abläuft. Wir stecken mit der Umsetzung des Gesamtpakets der Hartz-Reformen gerade mitten in einer der größten Reformen des deutschen Arbeitsmarktes. Damit sind wir noch nicht fertig.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

Hartz IV - dazu werde ich später noch etwas sagen - ist noch nicht umgesetzt

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das ist doch gescheitert! - Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Das reicht schon so!)

und Sie verkünden wortreich, so wie eben Herr Laumann, das Ganze sei gescheitert und werde nichts bringen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): So ist es!)

Dabei stehen wir gerade am Beginn der entscheidenden Arbeitsmarktreform. Die ausländischen Medien dagegen berichten, Deutschland fange endlich an, seinen Arbeitsmarkt zu reformieren.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Herr Laumann, Sie müssen sich gefallen lassen, dass man Ihnen folgende Frage stellt: Hunderttausende Menschen haben eine Ich-AG gegründet, weil sie der Aufforderung, die in den letzten Jahren verbreitet worden ist, geglaubt haben, deren Tenor hieß: Werdet selbstständig und nehmt euer Schicksal in die eigene Hand. Was sollen diese Menschen nun denken, wenn Sie, Herr Laumann, hier fröhlich erklären, die Ich-AGs seien Schwindel, es gebe keinen Markt für die neuen Dienstleistungen, die von ihnen aufgrund sehr unbürokratischer Unterstützung angeboten werden?

   Mir drängt sich der Verdacht auf, dass Sie zynisch mit den Reformen umgehen.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Ja, ja!)

Sie haben offenkundig ein Interesse daran - das werde ich Ihnen im Einzelnen belegen -, dass alles, auch der Umbau der Bundesagentur für Arbeit, schlechtgeredet wird. Denn Sie glauben - das ist Ihr Kalkül -, dass es, wenn vor Ort in den Arbeitsämtern Chaos herrscht, für die Bundesregierung schlecht und demnach für die Opposition gut ist. Mit dieser Methode nehmen Sie, Herr Laumann, den einzelnen Arbeitslosen in Geiselhaft einer billigen Oppositionspolitik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Unerhört!)

   Ich nenne Ihnen hierfür einige Beispiele. Erstens. Es ist doch klar, dass die PSAs, die Personal-Service-Agenturen, in Zeiten einer massiven Konjunkturkrise nicht optimal funktionieren können. Das Instrument der PSAs ist dann geeignet, wenn die Konjunktur wieder anzieht, weil man dann Menschen in Leiharbeitsfirmen vermitteln kann; das ist doch logisch.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Dieses Instrument ist kein Instrument für die Konjunkturkrise. Wir brauchen es trotzdem.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Dann brauchen wir eine neue Regierung!)

   Ein zweites Beispiel. Alle Welt weiß, dass in Deutschland zwischen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe aufgrund der Finanzierung aus den Gemeindehaushalten und aus dem Bundeshaushalt seit Jahren - von Ihrer Regierung damals gewollt - ein Verschiebebahnhof besteht. Die Gemeinden haben ein Interesse daran, dass die Sozialhilfeempfänger Arbeitslosengeld und später Arbeitslosenhilfe beziehen können. Der Bund hat das entgegengesetzte Interesse.

   Nun gehen wir hin - viele von Ihnen fordern diese Reform seit Jahren - und legen Sozialhilfe und Arbeitslosenhilfe zusammen,

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Das wollen wir auch!)

damit die Menschen schneller und leichter vermittelt werden können und damit wir Bürokratie sparen. Wenn Sie nun aber wie in dieser Woche blockieren, dass die Arbeitslosenhilfe mit der Sozialhilfe zusammengelegt werden kann, dann ist das nichts anderes als destruktive Politik

(Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist doch Unsinn! Das wissen Sie!)

hinsichtlich eines zentralen Reformprojekts, das wir in Deutschland brauchen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Herr Kauder, ich will Ihnen das im Detail darlegen. Herr Koch ist der Meinung, die Gemeinden sollten das in Zukunft machen, obwohl das außer dem Landkreistag kaum eine Gemeinde wirklich will. Denn die Gemeinden wissen, dass ihre Kompetenzen bei der Schuldnerberatung, bei der Drogenberatung

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Die Landkreise machen das!)

und bei solchen Dingen liegen und nicht bei der Arbeitsmarktvermittlung. Diese Kompetenz hat die Arbeitsverwaltung.

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht! Das Gegenteil ist der Fall!)

Dann hat man sich auf ein Optionsmodell geeinigt. Aber plötzlich fordern Sie nach den Beratungen im Vermittlungsausschuss eine Verfassungsänderung. Bringen Sie einmal in die Föderalismuskommission ein, dass Sie für diesen Einzelfall eine Verfassungsänderung durchführen wollen, sodass die Gelder vom Bund über die Länder zu den Gemeinden fließen; so lautete Kochs Konzept. Dabei weiß doch jeder Landespolitiker, dass die klebrigen Finger der Länder einen Teil dieser Gelder abgreifen werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Erklären Sie das einmal Ihren schwarzen Ministerpräsidenten! Jeder hier weiß doch, dass alle, auch die Union, diese Verfassungsänderung nicht wollen.

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Polemik pur!)

   Der Wirtschaftsminister hat einen Vorschlag gemacht: Durch die Organleihe soll bei dieser Aufgabe die Zusammenarbeit zwischen den Gemeinden und der Bundesagentur für Arbeit möglich werden. Wir alle wollen doch, dass die Gemeinden diese Aufgabe mit wahrnehmen. Sie sagen trotzdem, dass Sie die Verfassungsänderung wollen, obwohl die Union in den Ländern dagegen ist. Das ist destruktive Politik. Sie wollen die Reform nicht, stattdessen wollen Sie Chaos in den Arbeitsämtern im nächsten Jahr. Diesen Vorwurf kann ich Ihnen an dieser Stelle einfach nicht ersparen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Herr Laumann hat bestimmte Punkte des Antrags, den Sie heute vorlegen, sicherheitshalber gar nicht erst angesprochen.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Ich hatte keine Zeit mehr!)

- Ja, Sie haben Ihre Zeit gut eingeteilt; das können Sie. -

(Wolfgang Grotthaus (SPD): Kollege Arentz wollte doch gar nicht, dass Herr Laumann redet!)

Ihr Antrag beinhaltet eine Inkonsequenz nach der anderen.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Wo denn?)

Ich will Ihnen das einmal an einem Beispiel vor Augen führen. Wir haben die größte Steuerreform durchgeführt, die es in der Geschichte der Bundesrepublik jemals gegeben hat. Ich will Ihnen das noch einmal in Erinnerung rufen: 1998 betrug der Eingangssteuersatz 25,9 Prozent und der Spitzensteuersatz betrug 53 Prozent. 2005 wird der Eingangssteuersatz 15 Prozent und der Spitzensteuersatz 42 Prozent betragen.

   Die größte Steuerreform aller Zeiten

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Ist 1997 blockiert worden! - Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das hätten wir schon seit 1998 haben können!)

haben wir durchgeführt. Sie haben sie bekämpft, solange es ging.

   Jetzt haben Sie fröhlich in Ihren Antrag geschrieben, dass die Steuern viel zu hoch sind und sinken müssen. In diesem Zusammenhang kommen Sie auf Ihre 12 und 36 Prozent.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): So ist es!)

   Selbst wenn man zu Ihren Gunsten rechnet, haben Sie dafür eine Deckungslücke von 10 Milliarden Euro; diese geben Sie zu. In der Krankenversicherung wollen Sie eine Kopfprämie einführen. Die selbst erklärte Deckungslücke beträgt dort 20 Milliarden Euro. Ihrem fröhlichen Wachstums- und Belebungskonzept für die deutsche Wirtschaft fehlen nüchtern gerechnet also 30 Milliarden Euro.

   Daneben schreiben Sie in Ihrem Antrag fröhlich, dass mehr für Forschung und Bildung ausgegeben werden muss. Entsprechend der Lissabon-Ziele sollen wir das 3,0-Ziel im Forschungsbereich verwirklichen. Das würde uns Jahr für Jahr 600 Millionen Euro zusätzlich kosten. Für das, was Sie hier zusätzlich fordern, haben Sie keinerlei Finanzdeckung, sondern ein Deckungsdefizit von insgesamt 30 Milliarden Euro. Trotzdem wollen Sie der staunenden Öffentlichkeit erklären, dass die von Ihnen präsentierte Milchmädchenrechnung in irgendeiner Weise ein Wachstumskonzept sein soll. Herr Laumann, ich kann Ihnen nur sagen: Wer so schlecht rechnet

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Er kann gut rechnen!)

und derart auf Desinformation und Chaos wie Sie setzt, der sollte nicht den Anspruch stellen, die Kompetenz dafür zu haben, die Arbeitslosigkeit in Deutschland ernsthaft bekämpfen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich komme nun zum Subventionsabbau. Sie schreiben fröhlich - wie es Ihre Art ist -, dass Sie Subventionen abbauen wollen. Es liegen konkrete Vorschläge der Regierung für den Subventionsabbau auf dem Tisch. Bundeskanzler Schröder hat in seiner Regierungserklärung jüngst die Abschaffung der Eigenheimzulage angesprochen. Die dadurch frei werdenden Mittel sollen für die Bildung in den Gemeinden, Ländern und im Bund verwendet werden. Dazu habe ich von der CDU/CSU, die den vorliegenden Antrag gestellt hat, noch kein einziges konstruktives Wort gehört.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Das ist doch Unsinn! Das ist eine Steuererhöhung!)

Sie reden von mehr Bildung. Wenn es aber um die Finanzierung geht, dann ducken Sie sich weg. Herr Kauder geht dann auf die Toilette und schaut, dass er sich verdrückt. So einfach ist das Spiel, das Sie hier veranstalten, Herr Kauder.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie haben keine Ahnung! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

   Deswegen sage ich Ihnen: Wenn Sie in Deutschland politisch etwas werden wollen, dann müssen Sie in den nächsten Jahren Vorschläge für die Finanzierung dessen, worüber sie reden, machen. Ansonsten bleibt es bloßes Gerede und nichts anderes.

   Herr Laumann, Sie haben einige Vorschläge gemacht, auf die ich eingehen will.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Gut!)

Selbstverständlich können wir darüber reden, welche Anfragen an die Statistischen Bundes- und Landesämter wirklich notwendig sind. Reden wir dann aber auch ehrlich darüber!

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Ja!)

Sie wissen, dass die Wirtschafts- und die Handwerksverbände von der Bundesregierung und den Landesregierungen sehr viel von dem, was dort abgefragt wird und was den Mittelständler am Sonntagvormittag tatsächlich belastet - da haben Sie völlig Recht -, wissen wollen. Das heißt, man muss sich wirklich an einen Tisch setzen und Commitments bezüglich dieser Frage einholen. Dann ist aber auch Schluss damit, dass die Opposition mit ihren Anträgen jeden Punkt und jedes Komma von der Regierung erklärt haben will.

   Sie kennen doch das Geschäft. Viele Daten, die statistisch erhoben werden, werden deshalb erhoben, weil Verbände und auch das Parlament insgesamt bzw. die Opposition diese Zahlen abfragen. Wenn wir die Antwort nicht geben können, wird das hier skandalisiert. Das ist ein Punkt.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Wenn man die Antwort nicht geben kann, kann man sie nicht geben!)

   Auch bei der Arbeitsstättenverordnung können wir jederzeit über die Frage reden, was notwendig ist und was nicht. Ich selber kenne aus Diskussionen mit Unternehmern eine Reihe von Punkten, die nicht plausibel sind und die Überregulierung zum Ausdruck bringen.

   Wenn Sie den Masterplan von Herrn Clement konstruktiv begleiten würden - Sie machen ihn nur schlecht -,

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Wo ist er denn?)

wenn Sie konkrete Vorschläge einbringen oder ein Vier- oder Achtaugengespräch darüber führen würden, was möglich ist und was nicht, dann könnten Sie vieles von dem erreichen, was Sie angesprochen haben. So weit sind wir nämlich gar nicht auseinander.

   Ich komme zu einem anderen Punkt in Ihrem Antrag, bei dem man ganz einfach sagen muss: Sie haben ein anderes Konzept der sozialen Marktwirtschaft als wir. In Ihrem Antrag fordern Sie, dass der Kündigungsschutz erst bei Betrieben mit 20 Personen gelten und in den ersten vier Jahren der Beschäftigung keine Anwendung finden soll. Da 7 Millionen Menschen in Deutschland Jahr für Jahr den Job wechseln, bedeutet Ihr Vorschlag praktisch, dass die große Mehrheit der Beschäftigten in Deutschland nicht mehr unter die Kündigungsschutzgesetzgebung fallen soll. Das halten wir für falsch. Man muss es ganz klar sagen: Sie wollen für die Mehrzahl der Beschäftigten in Deutschland keinen Kündigungsschutz. Wir hingegen wollen ihn für die Mehrzahl der Beschäftigten in Deutschland, weil der Schutz vor Kündigung ein elementares Recht der sozialen Marktwirtschaft ist. Das ist ein wichtiger Punkt. Da haben Sie sich in Ihrem Antrag vielleicht verrannt. Darüber sollten Sie meines Erachtens noch einmal in Ruhe nachdenken.

   Ich will zum Abschluss einen anderen wichtigen Punkt zu Ihrem Vorgehen ansprechen. Sie setzen darauf, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe nicht, wie vorgesehen, zum 1. Januar 2005 eingeführt wird. Übrigens wird dieser Vorschlag von der Bundesagentur für Arbeit mit ihrer Selbstverwaltung, die auch Sie wollen, selbst sabotiert. Die Kollegen vom Wirtschaftsausschuss saßen in Essen mit den entsprechenden Kollegen zusammen und haben darüber diskutiert, was geht und was nicht. Kaum waren sie aus der Tür, hat der Vertreter der Arbeitgeberverbände, Herr Clever, öffentlich erklärt, dass der Termin verschoben werden muss, weil er nicht einzuhalten ist. In der Sitzung aber hat er das Maul nicht aufgemacht, obwohl er mit am Tisch saß. Daran können Sie sehen, welches Doppelspiel an dieser Stelle gespielt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich sage Ihnen: Wir werden Ihnen nicht durchgehen lassen, dass Sie das taktische Oppositionsspiel einer Verelendungsstrategie der Bundesrepublik Deutschland zulasten der Arbeitslosen spielen und dadurch die Arbeitslosen, die hoffen, schnell vermittelt zu werden, an den Rand drücken. Diese Taktik wird nicht aufgehen. Da können Sie noch so laut schreien und triumphieren, wie Sie es gerade getan haben.

   Wir werden es in der Auseinandersetzung der nächsten zweieinhalb Jahre schaffen, deutlich zu machen, dass diese Opposition bislang keinerlei Konzepte vorgelegt hat, wie wir in Deutschland zu mehr Wachstum und Beschäftigung kommen werden. Vielmehr chaotisieren und destabilisieren Sie systematisch auf hohem Niveau. Wir werden das offen legen. Am Schluss werden wir sehen, wer Recht bekommt.

   Ich danke.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Zwei Kollegen haben eine Kurzintervention angemeldet: der Kollege Niebel und der Kollege Kauder. Herr Kuhn, Sie können danach auf beide zusammen antworten.

   Bitte sehr, Herr Niebel.

Dirk Niebel (FDP):

Sehr verehrter Herr Kollege Kuhn, Sie können am Pult noch so sehr schreien, aber das ändert nichts daran, dass Sie das Haus anzünden und dann rufen: Haltet den Brandstifter! Nicht die Opposition ist für die schlechte Situation am Arbeitsmarkt und das Stocken von Reformen verantwortlich, sondern die die Regierung tragenden Fraktionen von Rot und Grün.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie regieren seit fünf Jahren. Auch vorherige Regierungen haben Fehler gemacht. Wer aber fünf Jahre lang das Steuer in der Hand hat und ständig nur in den Rückspiegel schaut, muss den Wagen gegen die Wand fahren; das ist ganz klar.

   Sie haben die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe angesprochen. Nun waren Sie im Vermittlungsverfahren Ende letzten Jahres nicht dabei. Deswegen wissen Sie wahrscheinlich nicht, dass wir vereinbart und im Bundestag und im Bundesrat über alle Fraktionsgrenzen hinweg auch beschlossen haben, den Kommunen eine faire und gleichberechtigte Optionschance einzuräumen. Das Gesetz aber, das Sie morgen einbringen werden, hat entgegen dem überfraktionellen Beschluss des Bundestages und des Bundesrates einen anderen Zweck.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie werden einen Gesetzentwurf zur Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe vorlegen, der in der Konsequenz zum Chaos in der Bundesagentur für Arbeit führen wird. Das ist die Konsequenz Ihrer Politik und resultiert nicht daraus, dass die Opposition den Kommunen eine faire Mitwirkungsmöglichkeit geben wollte.

   Sie werden morgen die Organleihe vorschlagen. Das heißt, dass die kommunalen Träger der Sozialhilfe, die diese Aufgabe übernehmen, als Organ der Bundesagentur für Arbeit handeln, also auch ihren Weisungen unterliegen. Kein kommunalpolitischer Entscheidungsträger mit einem bisschen Hirn im Kopf wird so etwas tun.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie wissen aus der Medizin, dass Organleihe nicht funktionieren kann. Das ist bei der Bundesagentur für Arbeit genauso.

   Das Ergebnis wird sein: Wenn wir hinterher kein Optionsgesetz haben werden, weil es keines gibt, dem der Bundesrat zustimmt, wird das SGB II, das wir Ende letzten Jahres beschlossen haben, gelten. Nach dem SGB II liegt die grundsätzliche Zuständigkeit bei der Bundesagentur für Arbeit. Es können Arbeitsgemeinschaften gebildet werden. Jetzt lernt man im Grundstudium eines Verwaltungsstudiums, dass man zuerst die Zuständigkeit prüfen muss. Wenn die Kommunen vor dem Hintergrund ihrer kommunalen Haushalte sehen, welche Aufgaben sie auszuführen haben und welche nicht, dann werden sie nach Prüfung der Zuständigkeit feststellen, dass die Bundesagentur für Arbeit zuständig ist. Dann hat diese große Behörde mit ihren über 4,6 Millionen Arbeitslosen, mit denen sie nicht fertig wird, auch noch die erwerbsfähigen Sozialhilfeempfänger und deren Familien zu versorgen. Die Kompetenzen dafür hat sie nicht erworben, weil sie sie nie gebraucht hat.

   Dann werden Sie alles vergessen können, was Sie jemals über Dosenpfand und Maut gehört haben. Wir werden am 1. Januar 2005 aufgrund Ihrer schlechten Politik - nicht aufgrund der Politik der Opposition - eine „Dosenmaut“ in den sozialen Sicherungssystemen erleben und die existenzielle Grundlage von Millionen von Menschen wird dadurch gefährdet werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Kauder.

Volker Kauder (CDU/CSU):

Herr Kollege Kuhn, Sie haben vorhin behauptet, dass wir uns aus dem Programm der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe verabschiedet hätten. Entweder Sie wissen es nicht, weil Sie nicht Mitglied im Vermittlungsausschuss sind, oder Sie sagen bewusst die Unwahrheit. Wir haben von Anfang an beantragt, dass Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu einem Hilfesystem zusammengelegt werden. Wir haben im Deutschen Bundestag einen Gesetzentwurf, das EGG, vorgelegt.

Es ist auch wahrheitswidrig, wenn behauptet wird, wir hätten nachträglich eine Grundgesetzänderung gefordert. Wenn Sie den Gesetzentwurf gelesen hätten, dann wüssten Sie, dass wir schon damals die Grundgesetzänderung gefordert haben, und zwar weil wir wollten, dass sich die Kommunen darauf verlassen können, dass das Geld bei ihnen ankommt.

   Das, was in dieser Woche geschehen ist, wird Konsequenzen haben. Zum dritten Mal hintereinander hat die Regierungskoalition bzw. die Bundesregierung das nicht eingehalten, was sie im Vermittlungsausschuss versprochen hat.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Genau das ist der Punkt!)

Das ist der entscheidende Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Klaus Brandner (SPD): Das ist unwahr!)

Ich nenne Ihnen die Punkte.

Erstens. Es ist uns versprochen worden, dass die Einnahmen, die aus der Maut kommen sollen - bis jetzt sind sie nicht da -, zusätzlich für Verkehrsinvestitionen im Haushalt zur Verfügung gestellt werden sollen und dass die Einnahmen nicht mit den Haushaltsmitteln verrechnet werden sollen. Das steht im Gesetz. Prompt hat die Bundesregierung den Haushalt so zurückgefahren, dass jetzt überhaupt keine Investitionen mehr im Verkehrssektor stattfinden können. Das geschieht in einer Situation, in der Wachstum notwendig wäre.

   Zweitens. Die Bundesregierung hat zugesagt, dass sie sich an das hält, was im Vermittlungsausschluss zum so genannten Koch/Steinbrück-Subventionsabbau beschlossen worden ist. Schauen Sie sich einmal an, was im Haushaltsplan passiert ist. Es werden Dinge gemacht, die mit den Koch/Steinbrück-Beschlüssen nicht zu vereinbaren sind.

   Drittens. Die Bundesregierung hat zugesagt, dass sie ein Optionsgesetz als Zustimmungsgesetz vorlegen wird, das genau das erfüllt, was wir verabredet haben, nämlich die Kommunen als Träger der Maßnahmen nach Hartz IV zu bestimmen. Jetzt aber sollen die Kommunen Lakaien der Bundesagentur für Arbeit werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie haben dreimal hintereinander nicht gehalten, was Sie versprochen haben. Deswegen werden wir im Vermittlungsausschuss mit Ihnen nur noch Gesetze vereinbaren können, die bis auf Punkt und Komma ausformuliert sind, keine Protokollerklärungen mehr und keine Absichtserklärungen.

Auf diese Regierungskoalition ist kein Verlass.

   Jetzt muss ich Ihnen sagen: -

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Nein, Herr Kollege Kauder. Sie hatten drei Minuten.

Volker Kauder (CDU/CSU):

- Bei der Maut, die gescheitert ist, ging es um Lastwagen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Kauder!

Volker Kauder (CDU/CSU):

Hier aber geht es um 4 Millionen Menschen, die Sie mit dem Optionsgesetz hin- und herschieben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Da war jede Sekunde wertvoll!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Bitte, Herr Kuhn.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Kauder, so wie Sie aussehen, sind Sie Mitglied des Ältestenrates.

(Widerspruch bei der CDU/CSU - Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Kauderwelsch!)

Das heißt, Sie könnten doch Redezeit beantragen. Insofern kann man leicht Abhilfe schaffen.

(Zustimmung beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Kasper! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

- Ganz ruhig!

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Er muss sich erst entschuldigen! Das ist doch unverschämt!)

- Herr Kollege, auch für Ihr Leiden gibt es eine Problemlösung, und zwar in der Apotheke; da gibt es nämlich Beruhigungszäpfchen.

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Das ist eine Unverschämtheit! Flegel! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Wenn Sie keine Argumente haben, dann treten Sie doch einfach ab! Lümmel!)

- Die Argumente kommen noch. - Herr Kauder, im Vermittlungsausschuss ist nicht verabredet worden - weder protokollarisch noch mündlich -,

(Hartwig Fischer (Göttingen) (CDU/CSU): Das wissen Sie doch gar nicht, wenn Sie nicht dabei waren!)

dass das Optionsmodell mithilfe einer Verfassungsänderung umgesetzt werden soll. Ich habe mich nach dem Grund dafür erkundigt. Es hat einen systematischen Grund: Die Unionsländer hätten dem niemals zugestimmt.

(Ortwin Runde (SPD): So ist es!)

Deshalb hat man zugunsten eines Optionsmodells argumentiert und hat dessen konkrete Ausgestaltung im Unklaren gelassen.

   Lassen Sie mich eine konstruktive Bemerkung machen. Bei einer nüchternen Betrachtung - statt sich zu ereifern - wird man feststellen, dass die Arbeitsverwaltung bestimmte Kompetenzen hat, über die die Gemeinden nicht verfügen, und dass die Gemeinden bestimmte Kompetenzen haben, über die die Bundesagentur für Arbeit nicht verfügt. Wenn Sie im Interesse der Arbeitslosen eine wirklich konstruktive Lösung wollen -

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Es geht um die Landkreise, nicht um die Gemeinden!)

- ja, die Gemeinden und die Landkreise -,

(Reinhard Grindel (CDU/CSU): Sie haben keine Ahnung! Das ist das Problem!)

- dann wird man ein Modell finden,

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Was reden Sie denn da?)

das die Fähigkeiten der einen Seite mit denen der anderen Seite zusammenbringt.

   Herr Laumann, wenn Sie sich konstruktiv auf den vorliegenden Gesetzentwurf der Bundesregierung einlassen würden und über die Frage diskutieren würden, wie die Selbstständigkeit der Gemeinden

(Zuruf von der CDU/CSU: Er sagt jetzt wieder „Gemeinden“! Er lernt nicht!)

- der Kreise - in diesem Prozess gestärkt werden kann, dann würden wir eine Lösung finden, die dies in der Praxis ermöglichen würde.

   Was uns nicht gefällt, ist, dass Sie eine Länder-Lösungen vorschlagen,

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Darüber reden wir morgen Mittag!)

von der wir wissen, dass sie nicht funktioniert. Ich muss den Kollegen, die sich so ereifern, noch einmal erklären, dass das eine Verfassungsänderung erfordern würde, die - Kochs Vorstellungen entsprechend - dazu führen würde, dass der Bund den Ländern Mittel zuweist, die diese an die Gemeinden weitergeben sollen.

(Klaus Brandner (SPD): Das ist Trickserei, was die vorhaben!)

Wer sich einigermaßen in der Landespolitik auskennt und weiß, wie beim kommunalen Finanzausgleich in allen Bundesländern mit den Gemeinden Schindluder getrieben wird, der weiß auch, dass die Gemeinden diese Lösung nicht wollen können. Das ist ganz einfach.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Sie reden einen Blödsinn!)

Wenn Sie konstruktiv an die Fragen herangehen würden, dann würden Sie auch eine Lösung herbeiführen. Aber das wollen Sie nicht.

(Klaus Brandner (SPD): Deshalb haben sie den Gesetzentwurf zurückgezogen! - Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Das weiß Frau Dückert besser! - Volker Kauder (CDU/CSU): Hier spricht der Blödsinn!)

   In einem gebe ich Ihnen Recht, Herr Kauder. Es ist notwendig, bestimmte Punkte konkreter zu vereinbaren, als es in den langen Sitzungen des Vermittlungsausschusses bis in den späten Abend hinein geschieht. Damit haben Sie völlig Recht. Das Vermittlungsausschussverfahren - alle stehen ja auf diese Highnoon-Situation - führt dazu, dass am Schluss - Hauptsache schnell - Vorschläge in den Raum gestellt werden, deren rechtliche und praktische Konsequenzen nicht im Einzelnen durchbuchstabiert worden sind.

(Zuruf des Abg. Reinhard Grindel (CDU/CSU))

- Herr Kollege, machen Sie jetzt nicht den Pöbel! Dafür gibt es Fußball- oder Eishockeystadien. Das müssen Sie doch nicht im Bundestag machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Irgendwie kommen Sie mir vor, als hätten Sie noch Restalkohol im Blut, so wie Sie sich hier aufpunken.

   Damit bin ich am Schluss. Ich danke Ihnen.

(Heiterkeit und Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Eine ganz miese Figur sind Sie! Kommen Sie mal von Ihrem hohen moralischen Ross herunter! So wie Sie redet der Pöbel! Eine miese Figur!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Wir brauchen zwar lebhafte Debatten - auch in der Kernzeit -, aber ich bitte alle, sich etwas zu mäßigen, und zwar wirklich in jeder Richtung.

   Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Johannes Singhammer.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Johannes, halte eine Bierzeltrede! Hau drauf!)

Johannes Singhammer (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Kuhn, angesichts der mehr als 4,5 Millionen Arbeitslosen, die Sie zu verantworten haben,

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich?)

kann ich verstehen, dass das schmerzt.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb kann ich auch verstehen, warum Sie hier so laut schreien müssen.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Herr Singhammer, Ihre Stimme ist noch ein bisschen lauter!)

Die Lage ist aber ernst. Rot-Grün hat - das ist der Grund für die heutige Debatte - Deutschland und die Menschen in unserem Land in eine tiefe Depression gestürzt. Wir wollen zeigen, wie man aus dieser Krise wieder herauskommt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Vom Beginn bis zum Ende dieser knapp eineinhalbstündigen Debatte werden 70 Menschen in Deutschland ihren Arbeitsplatz verloren haben. Das bedeutet, dass es im Monat 25 000 und in diesem Jahr wohl erneut 300 000 Menschen sein werden, die ihren Arbeitsplatz verlieren. Deutschland hat einen gefährlichen Spitzenplatz erklommen, nämlich den eines Exportweltmeisters bei den Arbeitsplätzen. Mit über 40 000 Firmenpleiten im vergangenen Jahr ist ein neuer Negativrekord erreicht worden.

   Die von Ihnen als Heilsbringer angekündigten Hartz-Konzepte haben nichts bewirkt. Die Beschäftigungslosigkeit - hier sind nicht nur die 4,5 Millionen Arbeitslose zu berücksichtigen - ist auf deutlich über 6,5 Millionen Menschen angewachsen. Deshalb können Sie nicht von einem Erfolg sprechen, den Sie eingeleitet haben. Im Gegenteil: Das ist ein Misserfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Immer mehr Menschen in unserem Land sehen mit Sorge und Düsternis in die Zukunft. Das ist auch der Grund, warum nicht mehr konsumiert wird, warum beispielsweise auch beim PKW-Absatz in diesem Frühjahr - das ist normalerweise eine Zeit, in der er in die Höhe geht - kaum Belebung feststellbar ist. Um zu verdeutlichen, dass nicht nur wir, sondern auch gerade die Wähler, die Sie gewählt haben, insbesondere die Wähler der SPD, das so sehen und dass sie sich massiv getäuscht fühlen, möchte ich Ihnen ein Zitat von Herrn Klaus Ernst, erster Bevollmächtigter der IG Metall in Schweinfurt und Mitbegründer der regierungskritischen „Initiative für Arbeit und soziale Gerechtigkeit“, vorlesen:

Wir haben links geblinkt und sind rechts abgebogen und jetzt sind wir irgendwie auf der Geisterbahn.
(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Das ist bei den Geistern auch nicht anders zu erwarten!)

   Ich stelle ohne jegliche Häme fest: Wut und Enttäuschung über die Wirtschaftspolitik der Regierung bedrohen das Vertrauen und das Zutrauen in das gesamte politische System. Die rot-grüne Wirtschaftskrise ist bereits in eine höchst gefährliche System- und Demokratiekrise ausgefranst. Man hört immer öfter den Satz: Die in der Politik sind doch alle gleich! - Diese Anklage, die zunächst an die Regierung gerichtet ist, kann uns als Opposition natürlich nicht gleichgültig lassen; denn das Vertrauen in die politische Klasse ist derzeit nicht nur einem Schwelbrand ausgesetzt; vielmehr brennt es lichterloh.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Was ist zu tun? Die Aufgabe der politisch Verantwortlichen ist, zuerst den Menschen in unserem Land reinen Wein einzuschenken und ihnen die ungeschminkte Wahrheit über den bedrohlichen Substanzverlust zu sagen, dem unser Land seit vielen Jahren ausgesetzt ist. Wir könnten es uns als Opposition leicht machen und Pralinen und andere Süßigkeiten verteilen. Aber wir sagen: Bittere Arznei ist leider notwendig - das entspricht der Wahrheit -, um auf den Wachstumspfad zurückzukehren.

(Zuruf von der SPD: Placebos!)

Wir als Opposition versprechen - das haben wir in unserem Antrag exakt aufgelistet - nicht nur Wohltaten, sondern wir sagen auch, dass Anstrengungen und Schweiß notwendig sind. Wir versprechen - um ganz konkret zu werden - nicht ständig kürzere Arbeitszeiten und mehr Freizeit, sondern wir sagen: Die Arbeitsplätze in Deutschland können nur dann dauerhaft gesichert werden, wenn es in unserem Land auch wieder längere Arbeitszeiten gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Nun wird das von Ihnen auf das Heftigste kritisiert. Aber auch Sie müssen zur Kenntnis nehmen, dass allein aufgrund der von den Arbeitnehmern als ungünstig empfundenen diesjährigen Feiertagsregelung - im Vergleich zum Vorjahr fallen in diesem Jahr vier Feiertage weniger auf einen Werktag - ein zusätzliches Wirtschaftswachstum von 0,6 Prozent prognostiziert wird. Darauf geht im Übrigen der größte Teil des Wirtschaftswachstums zurück, das Sie sich auf die Fahne geschrieben haben. Bei nur einer Stunde Mehrarbeit pro Woche könnte die deutsche Wirtschaft einen Wertzuwachs von 50 Milliarden Euro verzeichnen. Die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeitsplätze wäre entsprechend größer.

   Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung. Die Menschen in unserem Land spüren das. Ich möchte die Jahresarbeitsstunden in einigen anderen Ländern ansprechen. Die Anzahl der Jahresarbeitsstunden in den Vereinigten Staaten ist um 350 höher als in Deutschland - und die Amerikaner arbeiten auch nicht schlecht. In der Nacht vom 30. April auf den 1. Mai, also in vier Wochen, findet die EU-Osterweiterung statt. Damit kommt ein weiteres Stück Globalisierung direkt vor unsere Haustür. Ein Vergleich: Die jährliche Arbeitszeit liegt in Deutschland bei 1 444 Stunden, in Belgien bei 1 559 Stunden, in Spanien bei 1 807 Stunden und in Tschechien bei 1 980 Stunden. Die Wochenarbeitszeit liegt in Deutschland bei 39,9 Stunden, in Tschechien bei 42,4 Stunden, in Ungarn bei  42,9 Stunden und in Polen bei 45,2 Stunden.

   Hinzu kommt eine wesentlich niedrigere Unternehmensbesteuerung in diesen Ländern. In Deutschland liegt sie nominal bei 38,7 Prozent, in Polen und in der Slowakei bei 19 Prozent, in Litauen und in Zypern bei nur 15 Prozent. Machen wir uns doch nichts vor! Wir wissen, was das bedeutet. Auf der anderen Seite wollen wir doch nicht das Lohnniveau der Beitrittsstaaten erreichen. In Tschechien liegt es bei knapp über 3 Euro, während es bei uns im Schnitt bei annähernd 30 Euro liegt. Wir können die Verlagerung der Arbeitsplätze in andere Länder nur durch flexible Arbeitszeiten verhindern.

   Der Bundeskanzler hat auf die patriotische Pflicht der Unternehmen hingewiesen. Dazu sage ich: Diese Bundesregierung hat die patriotische Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die gewährleisten, dass die Unternehmen bei uns bleiben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dazu gehört, dass wir einen nationalen Solidarpakt für längere Arbeitszeiten und für Beschäftigungsgarantien vereinbaren. Dem werden auf der lokalen Ebene die - von uns verlangten - betrieblichen Bündnisse gerecht. Diese betrieblichen Bündnisse sind vielfach Praxis. Sie haben sich bewährt. Es gibt eine Vielzahl von großen Firmen, die diese Bündnisse erfolgreich praktiziert haben, beispielsweise die Firmen Siemens und Deutsche Post AG.

   Wir wollen, dass der gesetzliche Spielraum erweitert wird. Der Bundeskanzler hat vor drei Monaten im Anschluss an das Bemühen des Vermittlungsausschusses, Deutschland gemeinsam fit zu machen, angekündigt, die Möglichkeiten zu erweitern. Seither ist nichts geschehen. Wir befürchten, dass auch in den nächsten Monaten aufgrund der Schwäche dieser Regierung nichts passiert. Das ist das Allerschlimmste für unser Land. Abwarten, Attentismus, Verdrängen, Nichtstun, das braucht Deutschland nicht. Wir brauchen vielmehr neuen Schwung. Die deutschen Arbeitnehmer und die deutschen Unternehmer sind nicht schlechter geworden; allerdings haben sich die Rahmenbedingungen verschlechtert. Deshalb müssen wir an dieser Stelle ansetzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Singhammer, Sehen Sie, dass Ihre Redezeit zu Ende ist?

Johannes Singhammer (CDU/CSU):

Ja.

   Es gibt eine merkwürdige Gemeinsamkeit zwischen der Bundesregierung, insbesondere dem Wirtschaftsminister, und der Konjunktur: Beide schwächeln. Wir brauchen wieder eine starke Konjunktur und eine starke Regierung. Dazu muss es eine neue Regierung geben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Anette Kramme.

Anette Kramme (SPD):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die CDU/CSU hat in diesem Antrag eine einfache Gleichung aufgestellt: Arbeitnehmer - plus Arbeitsrecht gleich schlechte Konjunktur. Aber: Anders als für den Satz des Pythagoras - a2 + b2 = c2 - gibt es für diese Formel keinerlei wissenschaftlichen Nachweis.

   In diesem Zusammenhang möchte ich auf eine aktuelle Untersuchung verweisen, nämlich vom IAB vom 12. Dezember 2003. Darin heißt es: Empirische Untersuchungen zu den Arbeitsmarktwirkungen des Kündigungsschutzes zeigen ein differenziertes Bild. So gibt es kaum Hinweise, dass die Regelungsdichte auf das Niveau von Beschäftigung und Arbeitslosigkeit Einfluss hat.

(Jürgen Türk (FDP): Das weiß jeder!)

   Meine Damen und Herren von der CDU/CSU, Sie haben für Ihren Antrag einen hübschen Titel gewählt, nämlich „Weichen stellen für eine bessere Beschäftigungspolitik“. Nur, mit dem Stellen von Weichen hat das lediglich in einer bestimmten Richtung zu tun. Ihr Zug landet auf dem Abstellgleis. Sie wollen Marktwirtschaft pur. „Sozial“ wird bei Ihnen klitzeklein geschrieben. Zwar wurden einige Ihrer Positionen durch den Bundesvorstand in letzter Sekunde noch abgeschwächt, weil die Ministerpräsidenten vor dem Hintergrund der Wahlen des Jahres 2004 schlichtweg kalte Füße bekommen haben.

(Klaus Brandner (SPD): So ist es! Rüttgers und Co.!)

Aber eines ist klar: Die Union tritt für drei Sachen ein: Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten, Abbau des Kündigungsschutzes, Kampf gegen die Tarifautonomie und damit Kampf gegen die Gewerkschaften. Dass Sie ein Wolf im Schafspelz sind, kann man Ihnen wahrlich nicht vorwerfen.

(Zuruf des Abg. Bartholomäus Kalb (CDU/CSU))

   Auch beim Minimalkonsens in Sachen Steuern ist klar, wer die Zeche zahlt: Weshalb fällt die Absenkung des Spitzensteuersatzes doppelt so hoch aus wie die Absenkung des Eingangsteuersatzes? Weshalb wird zur Gegenfinanzierung die Steuerfreiheit für Nacht-, Schicht-, Sonn- und Feiertagszuschläge angegriffen? Weshalb soll der Sparerfreibetrag abgeschafft werden? Fazit: Wer hat, dem wird bei Ihnen gegeben.

(Beifall bei der SPD - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Wer nichts mehr hat, dem kann auch nichts genommen werden!)

   Sie versuchen, mit Ihrem Antrag eine Bilanz des Hartz-Konzepts zu ziehen. Aber Ihr Versuch, Bilanz zu ziehen, ist wissenschaftlich unseriös und destruktiv.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Dieser Beitrag ist nicht durch Sachkunde getrübt!)

Sie sind die Letzten, die es sich erlauben dürfen, mit dem Finger auf andere zu zeigen. Sie sind nach wie vor der Rekordhalter, was die Arbeitslosigkeit angeht. „Miesepeter“ sagt man da.

(Beifall bei der SPD - Johannes Singhammer (CDU/CSU): Bitte mal Luft holen!)

   Ich will meinerseits Bilanz ziehen, und zwar beispielsweise betreffend die Ich-AG. Die Daten, die da zu nennen sind, sind positiv. Jede zweite Existenzgründung erfolgt mittlerweile aus der Arbeitslosigkeit heraus.

(Zuruf von der CDU/CSU: Verzweiflungstaten sind das!)

100 000 Ich-AGs gibt es mittlerweile. 157 000 Anträge zum Überbrückungsgeld sind im Jahr 2003 gestellt worden. Die Zahl der Förderanträge hat sich verdoppelt. Insgesamt ist noch zu beobachten, dass es beim Überbrückungsgeld eine 27-prozentige Zunahme gegeben hat. Wir sind da also positiv gestimmt. Wir rechnen damit, dass binnen zwei Jahren jeder dieser Existenzgründer einen zusätzlichen Arbeitsplatz geschaffen haben wird.

(Dirk Niebel (FDP): Die dürfen doch gar keinen einstellen!)

Das ist das, was uns wissenschaftliche Institute sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Zur Bilanz betreffend die Personal-Service-Agenturen: Erst Mitte des Jahres 2003 war die flächendeckende Einführung. Im Februar 2004 hat es 993 Personal-Service-Agenturen gegeben mit 44 000 Plätzen, einer Besetzungsquote von 74,4 Prozent und 32 700 Teilnehmern.

(Dirk Niebel (FDP): Die von Maatwerk müssen Sie noch abziehen!)

   Ohne weiteres gilt: Wir haben uns für 2003 mehr davon versprochen. Aber auch dazu gibt es eine Untersuchung. In einer Veröffentlichung des IAB vom 15. Januar 2004 heißt es: „Um diese PSAen einer fundierten Betrachtung zu unterziehen, ist es noch zu früh.“

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niebel?

Anette Kramme (SPD):

Aber sicher doch.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Niebel, Sie haben in dieser Debatte, glaube ich, zwei Zwischenfragen gestellt und eine Kurzintervention gemacht. Das ist jetzt die letzte Zwischenfrage, die ich Ihnen in dieser Debatte erlaube.

Dirk Niebel (FDP):

Der Stoff für Fragen, Frau Präsidentin, ist unerschöpflich.

   Frau Kollegin Kramme, können Sie mir die Zahl bestätigen, die dem Wirtschaftsausschuss vorgelegt wurde, dass durch die Personal-Service-Agenturen zum damaligen Zeitpunkt - das muss Mitte letzten Monats gewesen sein; da haben wir das diskutiert - insgesamt 6 357 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dauerhaft in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt worden sind? Bestätigen Sie mir dann, wenn Sie mir diese Zahl bestätigen können, auch, dass bei 250 Millionen Euro, die im Haushalt für die Ich-AGs vorgesehen sind, pro Arbeitnehmer rein rechnerisch gut 35 000 Euro eingesetzt worden sind, was eine Dimension ähnlich wie bei der Steinkohlesubvention wäre?

Anette Kramme (SPD):

Herr Niebel, wenn ich Zahlen auswendig repetiere, dann lüge ich immer.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Endlich ehrlich!)

Fragen Sie mich von daher nicht nach Zahlen, die irgendwann in einer Ausschusssitzung genannt worden sind. Ich kann Ihnen nur die Zahl nennen, die ich mir aktuell aus dem Wirtschaftsministerium habe geben lassen. Danach haben 7 700 Arbeitnehmer mittlerweile in Personal-Service-Agenturen gewechselt. Das ist Punkt eins.

(Beifall bei der SPD - Klaus Brandner (SPD): Seriöse Daten!)

   Punkt zwei. Sie haben offensichtlich Herrn Kuhn nicht zugehört.

(Dirk Niebel (FDP): Doch!)

- Nein, das haben Sie offensichtlich nicht. - Wie Sie wissen, ist die Leiharbeit sehr wohl konjunkturabhängig. Mit dem Anspringen der Konjunktur wird es selbstverständlich auch dazu kommen, dass wir in stärkerem Maße von dem Klebeeffekt profitieren werden. Noch einmal das IAB zitiert: „Um diese PSAen einer fundierten Betrachtung zu unterziehen, ist es noch zu früh.“ Das sollten Sie akzeptieren.

(Beifall bei der SPD)

   Die Zahl der Arbeitslosen ist zweifellos viel zu hoch, aber Ihre Instrumente, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, weisen schlichtweg in die falsche Richtung. Erster Punkt: betriebliche Bündnisse. Was Sie wollen, ist klar und deutlich: Sie wollen Tarifverträge zu unverbindlichen Meinungsäußerungen erklären.

(Wolfgang Meckelburg (CDU/CSU): Warum schreien Sie so?)

- Das geht auch ganz leise.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja!)

- Aber umso eindringlicher, damit Sie auch zuhören. - Außerdem wollen Sie das Erpressungspotenzial vor Ort nutzen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Reden Sie doch nicht einen solchen Unsinn!)

Sie wollen, dass Arbeitgeber erklären können: Wenn der Betriebsrat und die Belegschaft nicht zustimmen, dann gibt es Kündigungen. - Dann ist niemand da, der verifiziert.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Haben Sie schon einmal in einem Betrieb gearbeitet?)

Es geht darum, eine unabhängige Instanz zu haben. Das sind die Gewerkschaften. Wenn Sie ehrlich wären, dann würden Sie auf das Instrument der Sanierungstarifverträge verweisen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Haben Sie schon einmal in einem Betrieb gearbeitet?)

- Ich bin Fachanwältin für Arbeitsrecht. Mein Hauptgeschäft in der Kanzlei ist, Interessenausgleiche herzustellen und Sozialpläne zu machen, was beinhaltet, dass ich ständig mit Betrieben zu tun habe, die sich in der Situation der Insolvenz befinden oder kurz davor sind. Ich weiß also sehr wohl, was es heißt, auf individuelle Situationen einzugehen.

(Lena Strothmann (CDU/CSU): Dann können Sie doch nicht so einen Blödsinn erzählen! - Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Dann reden Sie hier wider besseres Wissen!)

- Nein, ich rede nicht wider besseres Wissen. Ich habe bereits unzählige Sanierungstarifverträge abgeschlossen und ich weiß, dass die Gewerkschaften in solch einer Situation fast alles zugestehen.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Warum gibt es so viele Insolvenzen? - Gegenruf des Abg. Klaus Brandner (SPD): Das ist auf Bayern bezogen! Das sind bayerische Insolvenzen!)

   Zweiter Punkt: Kündigungsschutzgesetz. Wir haben mit dem Entwurf, der durch den Vermittlungsausschuss gegangen ist, beschlossen, dass es 2007 eine Evaluierung geben wird. Aber offensichtlich wollen Sie diese Evaluierung gar nicht, obwohl Sie wissen müssten, dass der Abbau des Kündigungsschutzes überhaupt nichts bringen wird. Sie wollen, dass 90 Prozent der Betriebe aus dem Kündigungsschutz herausgenommen werden und dass 28 Prozent der Arbeitnehmer keinerlei Kündigungsschutz mehr haben. Sie betreiben eine Politik der Angst in der Bundesrepublik Deutschland.

   Ich sage Ihnen eines: Das, was Sie wollen, wird niemals Gesetz werden, denn das Bundesverfassungsgericht würde dem schlichtweg einen Riegel vorschieben. Anknüpfungspunkte zum Betriebsinhaber gibt es dabei nämlich keine mehr. Sie wollen ermöglichen, dass bis zu 80 Arbeitnehmer in einem Betrieb ohne Kündigungsschutz arbeiten. Das hat mit dem Betriebsinhaber nichts mehr zu tun.

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, den wirtschaftlichen Wandel können wir nicht gegen die Arbeitnehmer, sondern nur mit ihnen gestalten.

(Beifall bei der SPD)

Die Zukunftschancen Deutschlands liegen vor allem in hoch qualifizierten Arbeitsplätzen. Dafür brauchen wir motivierte und sozial abgesicherte Arbeitnehmer. Mit Ihrem Entwurf werden wir das nicht erreichen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Dr. Hermann Kues.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Hermann Kues (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte gerne auf eine Situation zurückkommen, die wir eben erlebt haben, als der Kollege Kuhn hier vorne am Rednerpult stand. Ich kann verstehen, dass man sich in einer hitzigen Debatte kräftig ausdrückt und auch einmal emotional reagiert. Wenn man aber auf das Aussehen von Herrn Kauder abhebt und eine Verbindung zum Ältestenrat herstellt und wenn man dem Kollegen Grindel mit dem Hinweis „Pöbel“ antwortet, dann muss ich schon sagen, dass das ein ganz mieser Stil ist, den Sie hier an den Tag legen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie sollten sich dafür entschuldigen. Da Sie aber ganz offenkundig auf einem sehr hohen Ross sitzen, werden wir das von Ihnen nicht erwarten. Ich finde es schäbig, wie Sie sich hier präsentieren. Sie sollten sich dafür schämen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich gebe zu, dass es sehr schwierig ist, die Arbeitsmarktpolitik dieser Bundesregierung schönzureden. Der erste Satz in unserem Antrag trifft zu:

Die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik ist auf ganzer Linie gescheitert.

Es ist eher unwichtig, was wir im Plenum über Ihre Politik denken. Es ist viel wichtiger, was die Menschen draußen im Lande von Ihrer Politik halten. Sie sehen, dass die Personal-Service-Agenturen teilweise Pleite gehen bzw. dass Agenturen Aufträge erhalten haben, die sich in der betreffenden Region überhaupt nicht auskennen. Der Erfolg auf dem Gebiet der Zeitarbeit hängt natürlich von der konjunkturellen Situation ab, er wird aber auch dadurch beeinflusst, wie Sie die Sache angehen.

   Ihr Kernproblem ist - das hat sich auch daran gezeigt, wie Sie mit dem Ergebnis des Vermittlungsausschusses umgehen -: Sie trauen den Menschen nicht über den Weg. Sie trauen auch den Kommunen nicht über den Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Letztendlich trauen Sie den Betriebsräten ebenfalls nicht über den Weg.

   Bei uns gibt es eine eher unterentwickelte Veränderungsbereitschaft; das will ich überhaupt nicht bestreiten. Das hat etwas mit der Mentalität in Deutschland zu tun. Viele meinen nämlich, das Heil würde angesichts der zahlreichen Herausforderungen insbesondere vom Staat abhängen. Dieses Hoffen auf eine zentrale Macht, wie sie der Staat repräsentiert, ist ein großer Irrglaube, dem Sie nach wie vor unterliegen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel (FDP))

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brandner?

Dr. Hermann Kues (CDU/CSU):

Selbstverständlich.

Klaus Brandner (SPD):

Herr Kollege Kues, Sie haben gerade festgestellt, dass die SPD-Fraktion den Betriebsräten nicht über den Weg traut. Wie erklären Sie sich dann, dass in Ihrem Antrag gefordert wird, dass die Rechte der Betriebsräte deutlich eingeschränkt werden, dass die Anzahl der Betriebsräte deutlich minimiert wird und dass die Freistellungsmöglichkeiten begrenzt werden? Damit wollen Sie den Handlungsspielraum der Betriebsräte ganz erheblich einengen. Meine Frage lautet: Wie erklären Sie sich diesen Widerspruch?

   Weiterhin haben Sie festgestellt, wir würden den Gemeinden nicht über den Weg trauen. Wie erklären Sie dann, dass Sie den hessischen Gesetzentwurf unterstützen, den Sie in der Arbeitsgruppe, die sich mit der Arbeitslosen- und Sozialhilfe beschäftigt, vorgelegt haben und nach dem nicht der Bund, sondern das Land für die Weiterleitung der Mittel an die Kommunen für die Arbeitslosengeld-II-Bezieher zuständig sein soll? Wie verträgt sich dieses Vertrauen in die Länder - Sie wollen das Land statt den Bund als Zuständigkeitsträger einsetzen - mit dem, was Sie gerade vorgetragen haben?

Dr. Hermann Kues (CDU/CSU):

Zu Ihrer ersten Frage. Herr Kollege Brandner, ich gehe davon aus, dass Sie hin und wieder in die Betriebe gehen. Wenn Sie dort einmal nachfragen, wie viele Betriebsräte freigestellt werden, dann können Sie feststellen - das berichten Betriebsräte und Arbeitnehmer -, dass teilweise keine Mitarbeiter gefunden werden, die diese Aufgabe übernehmen. Sie wollen nämlich nicht freigestellt werden, sondern sie wollen in ihrer eigentlichen Funktion verbleiben und parallel Betriebsratsfunktionen wahrnehmen. Wir wollen, dass das Betriebsverfassungsgesetz effektiv gestaltet wird und dass es tatsächlich den Interessen der Betriebsräte entspricht.

   Zu Ihrer zweiten Frage, was die Länder und die Kommunen angeht. Wir sind uns mit dem Landkreistag völlig einig gewesen; auch er ist gegen diese Lösung. Sie wissen das ganz genau; denn Sie kommen ebenfalls aus einer ländlichen Region. Ich vermute sogar, dass Sie hier eine Position vertreten, von der Sie gar nicht überzeugt sind. Sie wissen ebenfalls ganz genau, dass die Kommunen vor Ort - es sind die Landkreise, nicht die Gemeinden; Herr Kuhn hat sich mit diesem Thema anscheinend nicht so intensiv beschäftigt - große Erfahrungen auf diesem Gebiet haben und dass sie ihre Ideen, die sie in den vergangenen Jahren entwickelt haben, einbringen würden, wenn es vernünftige Rahmenbedingungen gäbe. Sie sind also sehr wohl dafür, dass die Landkreise entsprechende Zuständigkeiten erhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Ich möchte etwas zu der Mentalität sagen, den Menschen zu wenig zuzutrauen. Diese zieht sich wie ein roter Faden - das kann man auf andere Gebiete übertragen - durch Ihre Lösungsansätze; denn Ihre Lösungsansätze sind von Zentralismus statt kommunaler Selbstverwaltung, von Bürokratie statt Flexibilität und von Ineffizienz statt Wirksamkeit geprägt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Kollege Kuhn, ich hoffe ja, dass die Leute Ihrer Rede nicht so genau zugehört haben. Aber ich hoffe, dass sie einen Satz gehört haben. Sie haben eben gesagt, die rot-grüne Arbeitsmarktpolitik fange erst an.

(Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Eine schlimmere Drohung gegenüber Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sowie Unternehmern in Deutschland können Sie nicht aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das Ergebnis, das wir jetzt vorliegen haben, ist schlimm genug; Kollege Laumann hat die entsprechenden Zahlen genannt. Herr Hartz hat damals davon gesprochen - auch er dachte in den Kategorien eines Vertreters eines Großunternehmens mit Mitbestimmung; denn er nahm an, die gesamte Volkswirtschaft werde so -, man könne die Arbeitslosenzahl halbieren. Das Ergebnis kennen Sie: Das Projekt der PSA ist völlig gescheitert. Die Minijobs sind nicht gescheitert; das ist völlig richtig. Aber hinsichtlich der Reform Hartz III betreffend die Bundesagentur für Arbeit sollten wir erst einmal abwarten. Was wir bislang gehört haben, ist - das sage ich ausdrücklich - eher besorgniserregend. Auch Hartz IV ist faktisch gescheitert, weil Sie ein richtiges Instrument, die Zusammenfassung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, wieder einmal zentralisieren, bürokratisieren und inflexibel angehen. Vermutlich wird das zu Beginn des nächsten Jahres zu einer Katastrophe führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie regieren schon etwas länger. Sie hätten es ganz leicht gehabt - das ist heute schon einmal angesprochen worden -: Mitte und Ende der 90er-Jahre gab es in den Kommunen erfolgreiche Modellversuche, die wir damals angeschoben und auf den Weg gebracht haben. Die Kommunen haben dabei glänzende Erfahrungen gesammelt.

   Ich möchte Ihnen ein Beispiel aus meiner Region, aus dem Emsland, nennen. Ich habe einen Jahresbericht der ESBA aus dem Jahre 1999 vorliegen. Er ist damals sogar vom Bundesrechnungshof geprüft worden. Aus einem Pool von 750 Personen sind 605 Langzeitarbeitslose in den ersten Arbeitsmarkt integriert worden, davon 416 - das alles wurde vom Rechnungshof überprüft - auf Dauer. Jetzt kommt es: Staatliche Leistungen von mehr als 3 Millionen DM konnten eingespart werden. Das heißt, mit einer klugen, dezentralen Arbeitsmarktpolitik, bei der Sie die Menschen einbinden und ihnen nicht nur Geld geben - es ist typisch Wohlfahrtsstaat, dass man den Menschen Geld gibt und sich nicht um sie kümmert -, können Sie etwas für die Menschen tun und sogar noch Geld sparen. Um diese Lösungen geht es uns.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich sage Ihnen auch, was die Kommunen jetzt tun werden. Ich habe mich nach dem, was gestern und vorgestern hier abgelaufen ist, ein bisschen erkundigt. Mir wurde gesagt, die Tendenz gehe zur Variante „gesetzliche Mindestleistung“. Man tut das, was man gesetzlich in jedem Fall tun muss. Darüber hinaus steht man den in Aussicht genommenen Arbeitsgemeinschaften skeptisch gegenüber, weil man natürlich gesehen hat, wie auf einer ganz anderen Ebene mit Ergebnissen des Vermittlungsausschusses umgegangen wird. So entsteht kein Vertrauen.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Richtig!)

Sie brauchen ein Minimum an Vertrauen zwischen Bundes-, Landes- und kommunaler Ebene, wenn Sie etwas wirksam für die Arbeitslosen erzielen wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Klaus Brandner (SPD): Sie wissen, welche Regelung der Städte- und Gemeindebund will, Herr Kues?)

- Die kommunalen Spitzenverbände sind gelegentlich sehr bunt; das weiß ich wohl, Herr Brandner.

(Klaus Brandner (SPD): Deshalb!)

   Es ist gut, wenn man sich gelegentlich von außen betrachtet. Es gibt eine Studie der EU-Kommission, die die Beschäftigungsentwicklung in den Mitgliedsländern unter die Lupe genommen hat. Der Zusammenhang zwischen Produktivität, Lohnstruktur und Beschäftigungsdynamik wurde analysiert. Daraus ergeben sich für uns in Deutschland wichtige Schlussfolgerungen. Jetzt wird gesagt, das schlechte Abschneiden Deutschlands im Hinblick auf den Arbeitsplatzabbau, der 2003 per saldo 400 000 betrug, liege an dem Tempo wirtschaftlicher Reformen. Es wird ehrlicherweise auch gesagt, dass das etwas mit den Folgelasten der deutschen Teilung zu tun habe.

   In diesem europäischen Vergleich kommen aber zwei weitere Faktoren ans Licht. Der eine Faktor betrifft den Zusammenhang zwischen Lohnhöhe und Arbeitsproduktivität. In der Studie heißt es dazu: Arbeitslosigkeit entsteht in der Regel dort, wo die Produktivitätsentwicklung hinter der Lohnentwicklung zurückbleibt. Eine weitere Ursache dafür, dass die Beschäftigungsdynamik in Deutschland hinter der europäischen zurückbleibt, ist die spezielle Situation niedrig qualifizierter Erwerbspersonen. Man kommt zu dem Ergebnis, dass niedrig qualifizierte Erwerbspersonen in Deutschland im Grunde genommen nur auf dem so genannten zweiten Arbeitsmarkt eine Chance haben.

   Dabei gibt es Unterschiede. In den Niederlanden, in Finnland und in Italien müssen weniger als 30 Prozent aller gering Qualifizierten mit nicht regulären Beschäftigungsverhältnissen mit niedrigem Lohn und hohem Arbeitsplatzrisiko klarkommen - das sind keine positiven Faktoren -, in Deutschland sind es mehr als 50 Prozent. Das heißt, Ihre Politik, durch die es den niedrig Qualifizierten nicht ermöglicht wird, flexibel vom ersten in den zweiten Arbeitsmarkt zu wechseln, führt dazu, dass sich die gering Qualifizierten in Deutschland in einer deutlich schlechteren Situation befinden als in den Nachbarländern.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel (FDP))

Ich will Ihnen ausdrücklich sagen: Das ist alles andere als sozial, das ist unsozial.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dirk Niebel (FDP))

   Wenn man ausschließlich auf das Anziehen der Konjunktur und damit auf größeres Wirtschaftswachstum setzt, werden die strukturellen Probleme nicht gelöst. Diese müssen Sie angehen. Wir haben dazu Vorschläge unterbreitet. Ich will sie hier nicht wiederholen; sie stehen in unserem Antrag.

   Ich möchte noch ein paar Worte über den Kündigungsschutz verlieren. Ich weiß, dass dieses Thema sehr viel Potenzial für Polemik enthält. Wir müssen uns in die Situation eines Arbeitslosen versetzen, wenn wir Lösungsansätze suchen. Ein Arbeitsloser fragt nicht zuerst nach dem Kündigungsschutz, sondern danach, wie er wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen und sein Geld verdienen kann. Deswegen sollten Sie die Polemik lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Es ist überhaupt nicht zu bestreiten, dass wir uns in einer Umbruchsituation befinden. In einer solchen Situation kommt es darauf an, die Weichen richtig zu stellen. Ihr Problem ist, dass Sie in die falsche Richtung laufen. Deswegen kommen wir in Deutschland nicht voran.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ortwin Runde.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ortwin Runde (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der Kollege Brüderle hat gesagt, es handele sich um das Wachstumsprogramm der Union.

(Rainer Brüderle (FDP): So ist es!)

Die Union hat es fälschlicherweise etwas anders formuliert. Sie spricht in ihrem Antrag vom Wachstumsprogramm für Deutschland. Herr Brüderle hat die Absicht dieses Programms gut erkannt. Das ist meines Erachtens ein ganz richtiger Ansatz.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD)

Herr Brüderle, es ist immer spannend zu untersuchen, was in einem Antrag enthalten ist und was fehlt.

   Sie selbst haben auf den sich verschärfenden innereuropäischen Wettbewerb hingewiesen und ausgeführt, dass wir bezüglich unserer Wettbewerbsfähigkeit vor schwierigen Anpassungsprozessen stehen. Wenn man sich über ein Wachstumsprogramm für Deutschland unterhält, muss man auch die Weltwirtschaft im Blick haben. Ich schätze, dass alle Wirtschaftsfachleute und auch die Wirtschaftspresse sehr viel gespannter nach Frankfurt schauen als auf unsere Diskussion in Berlin.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Bei dieser Regierung wundert das nicht!)

   Die Wirtschaftsfachleute interessieren sich vor dem Hintergrund einer leichten konjunkturellen Erholung der Weltwirtschaft

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Wo?)

für andere Fragen: Wie entwickeln sich die Rohölpreise? Wie wirkt sich die Bedrohung durch den internationalen Terrorismus auf die konjunkturelle Entwicklung aus? Wie kann die europaweite Stagnationsphase, die wir in Frankreich, Spanien, Italien und auch in den von Ihnen gerühmten Niederlanden beobachten, überwunden werden?

Es kommt darauf an, diesen Zusammenhang zu sehen.

   Ich hoffe, dass wir heute von der Europäischen Zentralbank ein positives Signal erhalten werden. Vor dem Hintergrund der Preisstabilität, die wir in der Europäischen Union und vor allem in Deutschland seit Jahren haben, ist die Europäische Zentralbank gut beraten, den Leitzins in einem größeren Umfang zu senken und somit die Konjunktur zu stabilisieren. Das ist angesagt.

(Beifall bei der SPD - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist aber ein kühner Rat!)

   Natürlich geht es in Europa darum, neben Konjunkturpolitik auch Strukturpolitik zu machen. Dazu muss man feststellen: So viele Reformen wie in den letzten zwei oder drei Jahren hat es - mit all den Schwierigkeiten, die damit verbunden sind - in Deutschland und auch in Europa noch nie gegeben. Diejenigen, die 16 Jahre lang Reformen nicht durchgeführt haben, sollten daher in ihren Bewertungen ein bisschen vorsichtig sein.

(Beifall bei der SPD)

Diesen Reformmut hätte ich von Ihnen jedoch erwartet.

   Wenn wir das richtig sehen, stehen in Gesamteuropa der Umbau der Sozialsysteme, aber auch notwendige Steuerstrukturdebatten und Debatten über Innovationen an. Ich nenne nur die Lissabon-Strategie: Wie erreichen wir diese 3 Prozent für Forschung und Entwicklung und den Bildungsbereich?

   Natürlich ist auch die CDU/CSU gefordert, bei solchen strukturellen Richtungsentscheidungen Farbe zu bekennen und zu sagen, wie sie zu dem Vorschlag des Kanzlers steht, die Eigenheimzulage, also Investitionen in Beton und Steine, durch Investitionen in die Köpfe zu ersetzen. Wie lauten die konkreten Finanzierungsvorschläge, um das Dreiprozentziel zu erreichen und die 6 Milliarden Euro aufzubringen? Darauf erwarten wir Antworten.

   Ich halte konkrete Aussagen dazu, wie man mehr Investitionen in diesen Bereichen finanzieren will, für wichtig und begrüße kreative Vorschläge wie den seitens der Bundesbank, über die Goldreserven zusätzliche Potenziale für die Finanzierung zu erschließen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wenn man sich den Antrag der CDU/CSU ansieht, muss man feststellen,

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Dass er gut ist!)

dass es sich um ein Sammelsurium von Vorschlägen handelt, das in einer Kneipe entstanden sein muss. Zu einem Konzept verbunden ist das Ganze jedenfalls nicht. Ich habe den Eindruck, dass die CDU/CSU auf unser schlechtes Kurzzeitgedächtnis, auch das der Wähler, spekuliert. Ich erinnere mich genau an die Vermittlungsausschusssitzungen im Dezember des letzten Jahres. Damals gab es ein Wehklagen über die 1 Milliarde Euro, um die man sich verrechnet hatte und mit der dann die Länder, die Gemeinden und der Bund, also die öffentlichen Kassen, belastet wurden. Damals wurde gesagt: Das ist eine Katastrophe für die öffentlichen Finanzen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): War es doch auch!)

Es ist angesichts der fehlenden Finanzierung nicht hinnehmbar, dass wir den Bürgern im Rahmen einer Steuerreform Steuerentlastungen in diesem Umfang zugute kommen lassen.

   Jetzt sehe ich unter Punkt 4 Ihres Antrags, dass die alte Bierdeckelstrategie von Merz wieder recycelt wird. Inzwischen sind die Brauereien dazu übergegangen, die entsprechenden Vorlagen für diese Bierdeckelstrategie zu liefern.

(Beifall bei der SPD - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Herr Kollege, ich weiß jetzt, warum Sie nicht mehr Oberbürgermeister sind!)

Wie kann man innerhalb von nur drei Monaten einen solchen Richtungswechsel vornehmen? Gemäß Punkt 4 Ihres Antrages sollen nun plötzlich für eine Einkommensteuerreform 15 oder 25 Milliarden Euro zur Verfügung stehen. Haben Sie das mit Ihren Ministerpräsidenten abgeklärt oder ist der Vorschlag nicht so ernst gemeint?

Ist das übrigens der Vorschlag von Merz oder wessen Vorschlag verbirgt sich hinter diesen kargen Zeilen?

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein guter Vorschlag!)

   Man muss sagen: Alles in Ihrem „klaren“ Konzept ist zutiefst interpretationsbedürftig. Auch die wirtschaftspolitischen Wirkungen Ihrer Vorschläge muss man etwas genauer untersuchen. Sie wollen die Einnahmesituation von Spitzenverdienern stärken, indem Sie den Spitzensteuersatz noch einmal um 6 Prozentpunkte von 42 auf 36 Prozent senken. Der Steuersatz für die Bezieher unterer Einkommen soll ab 2005 von 15 auf 12 Prozent gesenkt werden. Es ist logisch, wer dann die Zeche zahlt: Diejenigen im unteren Einkommenssektor müssen die Entlastung der Spitzenverdiener bezahlen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Ist das ein Unsinn! Unglaublich!)

Das ist eine Gerechtigkeitsfrage. Sie sagen: Die Gerechtigkeitsfrage kümmert uns nicht; das ist eine Neiddiskussion. Aber die wirtschaftspolitischen Auswirkungen sind sehr wohl von Interesse; denn so kommt es nicht zu einer Stärkung, sondern zu einer Schwächung der Binnennachfrage. Eine Stärkung wäre aber wirtschaftspolitisch angezeigt.

   Sie müssen Folgendes sehen: Die Leiter der Steuerabteilungen der Finanzministerien, die ja keine Heißsporne sind, haben deutlich gesagt, welche Auswirkungen die Umsetzung dieses Konzepts auf den Arbeitsmarkt haben würde.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, achten auch Sie bitte auf die Zeit?

Ortwin Runde (SPD):

Ja. - Sie sagen, dass sich der Anreiz zur Arbeitsaufnahme im Bereich der Bezieher niedriger Einkommen stark verringern wird. Bringen Sie das einmal mit der Debatte, die wir hier führen, in Zusammenhang und berücksichtigen Sie auch das, was Herr Kues vorhin über die Hauptbetroffenen der strukturellen Veränderungen gesagt hat!

   Ich rate der Union, innerhalb ihrer eigenen Fraktion mehr zu koordinieren. Dann könnten Sie vielleicht etwas klarere und schlüssigere Konzepte als bisher vorlegen; denn das war keine Weichenstellung in die richtige Richtung. Dieser Zug fährt ins Nirgendwo.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Sagen Sie doch mal etwas zu Ihrem Konzept!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Wolfgang Grotthaus.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Von dieser Art Reden kann man gar nicht genug kriegen!)

Wolfgang Grotthaus (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich in Erinnerung rufen, wie der Titel des Antrags der CDU/CSU lautet: „Weichen stellen für eine bessere Beschäftigungspolitik - Wachstumsprogramm für Deutschland“.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Ja!)

Wer diese Diskussion aufmerksam verfolgt hat, müsste eigentlich zu dem Schluss kommen, dass die Überschrift heißen müsste: „Abbau von Arbeitnehmerrechten - Reduzierung des Jugendarbeitsschutzgesetzes - Differenzierung der Anwendung des Arbeitsstättenrechtes in Klein- und Großbetrieben“. In einer Summe ausgedrückt: „Schaffung von Möglichkeiten zur inneren Kündigung der Arbeitnehmer - zum Standort Deutschland“.

(Beifall der Abg. Doris Barnett (SPD))

Ihre Vorschläge haben nichts mit einem Wachstumsprogramm zu tun. Es geht um knallharte Politik, die zulasten der in den Betrieben Beschäftigten gehen soll.

   Spätestens seit dem 7. März steht fest - das ist auch nachzulesen -, dass die CDU/CSU mit ihren Beschlüssen zur Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik endgültig die Katze aus dem Sack gelassen hat. Die Union will eine andere Republik. Die Union will Marktwirtschaft pur. Die breite gesellschaftliche Kritik an Ihren Vorschlägen ist zu Recht groß. Der Begriff „sozial“ wird in den Vorschlägen der Union klitzeklein geschrieben.

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Wen meinen Sie denn?)

- Herr Dr. Kues, darauf komme ich noch zu sprechen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Ist das eine Drohung?)

   Der heute von Ihnen vorgelegte Antrag ist nur ein Spiegelbild dieser Beschlüsse. Ihn hier zur Debatte zu stellen weist schon Züge von - ich sage das bewusst - politischer Unverfrorenheit und Uneinsichtigkeit gegenüber Ihrem Arbeitnehmerflügel auf. Mich würde interessieren, wie Kollege Arentz, der sich ja eindeutig zu den Vorschlägen Ihrer beiden Generalsekretäre geäußert hat, auf diesen Antrag reagieren wird. Ich bin gespannt, ob er den Vorschlägen Ihrer Fraktion zustimmen wird.

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Ja! Alles abgesprochen!)

- Herr Laumann, wenn das abgesprochen ist, dann sagt er jetzt nicht mehr die Wahrheit bzw. steht er jetzt nicht mehr hinter seiner Argumentation oder hat er vorher in den Betrieben nur eine Beruhigungspille verteilen wollen.

(Beifall bei der SPD)

   Sie, meine Damen und Herren von der Union, treten mit diesem Antrag zum wiederholten Male für die Zerschlagung von Arbeitnehmerrechten

(Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Wo denn? Welche denn?)

und den Abbau des Kündigungsschutzes ein und bekämpfen offen die Tarifautonomie. Alle, die bisher die Politik der Regierungskoalition kritisieren, sollten sich ganz genau ansehen, was Sie von der Union an dieser Stelle vorschlagen. Ich kann Ihnen nur den Vorschlag machen: Legen Sie diese Anträge in den Betrieben aus, sodass sich jeder Mensch in diesem Land, der abhängig beschäftigt ist, ein Bild davon machen kann, wohin der Weg Ihrer Meinung nach gehen soll!

(Beifall bei der SPD)

Ihr Ziel ist es nicht, den Staat für die Zukunftsaufgaben neu aufzustellen. Ihr Ziel ist eine Deregulierung, die den Menschen nicht nur ihre bisherigen Arbeitnehmerrechte nimmt; sie sollen obendrein auch noch dafür zahlen. Der Kollege Runde hat dies bereits im Rahmen der Steuerpolitik dargestellt.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, obwohl der Antrag meines Erachtens nicht das Papier wert ist, auf dem er gedruckt ist, will ich einige Punkte daraus aufgreifen und sie ein bisschen näher betrachten.

   Bezüglich der wirtschaftlichen Entwicklung in den neuen Bundesländern

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Können wir nicht zufrieden sein!)

machen Sie uns dafür verantwortlich - Herr Kollege Schauerte, hören Sie einmal zu! -, dass das Versprechen von den „blühenden Landschaften“ nicht gehalten wurde. Vorhin wurde über Betriebe geredet. Ich habe 36 Jahre in der Industrie gearbeitet und miterlebt, wie der Konzern, dem ich angehörte, sich in Ostdeutschland bereichert hat, indem er Betriebe aufgekauft und die Produktion nach Westdeutschland verlagert hat. Dies wurde über die Treuhandanstalt abgewickelt und konnte so geschehen, weil nirgendwo in den Verträgen stand, dass der Industriestandort Ostdeutschland aufrechterhalten werden solle. Nirgendwo stand, dass eine Verlagerung von Produktionsstätten nicht stattfinden dürfe. Nein, Ihre damalige Regierung hat dies sogar noch forciert. Sie hätten die Entindustrialisierung von Ostdeutschland aufhalten müssen, Sie hätten gleich bei der Vereinigung beider deutscher Staaten den Standort Ostdeutschland stärken müssen. Stattdessen haben Sie Ostdeutschland ausbluten lassen.

   Wir werden die Stabilisierung und Weiterentwicklung der Wachstumszentren, die sich in Ostdeutschland herausgebildet haben, vorantreiben.

(Abg. Hartmut Schauerte meldet sich zu einer Zwischenfrage)

- Ich empfange um 13 Uhr eine Besuchergruppe. Ich bitte Sie deshalb um Verständnis, dass ich die Zwischenfrage nicht erlauben kann.

   Wir wollen den Solidarpakt II, den wir gemeinsam beschlossen haben und nach dem in den Jahren 2005 bis 2019 105 Milliarden Euro für die ostdeutschen Länder zur Verfügung stehen, nicht nur fortführen, sondern wir haben ihn seitens des Bundes um zusätzliche 51 Milliarden Euro für überproportionale Leistungen zugunsten der ostdeutschen Länder ergänzt. Hier nützt es nichts, zu klagen. Hier nützt es nur, konstruktiv mitzuarbeiten. Eine solche konstruktive Mitarbeit habe ich bei Ihnen bisher nicht feststellen können.

   Bei Ihren Aussagen zum Arbeitsschutz und zur Arbeitsstättenverordnung ist es auffällig, dass Sie eine Festlegung auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten als Richtschnur wählen. Ich habe mich gefragt: Was steckt dahinter? Nach Ihren Vorstellungen genössen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in kleinen Betrieben eine andere, eine mindere gesundheitliche Vorsorge als Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Großbetrieben. Ich weiß nicht, ob dies politisch gewollt ist, aber es ist das Ergebnis. Dies beträfe immerhin mehr als 80 Prozent aller Betriebe in Deutschland. Das Gleichheitsprinzip bliebe auf der Strecke; aus meiner Sicht ist das auch EU-rechtlich überhaupt nicht umsetzbar.

   Ihre Forderung, das Jugendarbeitsschutzgesetz sei anzupassen,

(Dirk Niebel (FDP): Gastronomie bis 23 Uhr!)

damit Anreize zur Einstellung geschaffen würden, ist völlig nichtssagend. Was meinen Sie damit? Hier hätten Sie eine Aussage machen müssen: weniger Gehalt? Drei Azubis teilen sich zwei reguläre Stellen? - Auch hier, meine Damen und Herren von der Opposition, sprechen die Fakten gegen Sie: Trotz geltendem Jugendarbeitsschutzgesetz, Herr Niebel, sind in den letzten zehn Jahren 10 Prozent mehr Ausbildungsstellen im gastronomischen Bereich entstanden.

   Unsere Ausbildungsplatzumlage wird für mehr Ausbildungsplätze sorgen. Statt Gesetze zum Schutz der jungen Menschen zum Schlechteren zu verändern, sollten Sie mit uns gemeinsam auf die einwirken, die sich in den letzten Jahren der gesellschaftlichen Aufgabe, junge Leute auszubilden, verschlossen haben.

(Beifall bei der SPD)

   Zu den Betriebsräten ist schon einiges gesagt worden. - Ich sehe, die Zeit läuft mir davon.

   Noch eine Anmerkung zum Kündigungsschutz:

Dieser Begriff soll nach Ihren Vorstellungen für Ältere und Arbeitslose ein Fremdwort werden. Statt Kündigungsschutz wollen Sie das Aushandeln von Abfindungen in den Vordergrund stellen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Reden Sie mal mit Herrn Clement!)

Wer mag da wohl am längeren Hebel sitzen und das Verfahren bestimmen: derjenige, der sich um einen Arbeitsplatz bewirbt, oder derjenige, der diesen Arbeitsplatz als Ware anbietet und auf das bestmögliche Gebot wartet? Sie propagieren die freie Marktwirtschaft. Dann wissen Sie auch genau, wie man in diesem Falle am Arbeitsmarkt mit den Menschen umgehen wird.

   Meine Damen und Herren, während wir die Gleichrangigkeit von Human- und Finanzkapital als Zukunftsperspektive ansehen - wir wollen, dass sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie Arbeitgeber auf einer Augenhöhe begegnen -, wollen Sie die Abschaffung von Arbeitnehmerrechten auf breiter Flur. Wir wollen Deutschland zukunftssicher machen; Sie wollen eine andere Republik: eine Republik, in der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zur Manövriermasse des Kapitals werden. Dies lassen wir nicht durchgehen. Wir sagen Nein zu Ihren Plänen, weil wir der Auffassung sind, dass wir auch weiterhin selbstständige, gute Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in dieser Republik benötigen. In diesem System sind als Interessenvertreter nicht Bittsteller, sondern gleichberechtigte Partner gefragt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Ich schließe damit die Aussprache.

   Interfraktionell wird Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/2670 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 g auf:

a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Sicherung von Verkehrsleistungen (Verkehrsleistungsgesetz - VerkLG)

- Drucksache 15/2769 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Tourismus

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. März 2003 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, insbesondere des Terrorismus und der organisierten Kriminalität

- Drucksache 15/2724 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

c) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten

- Drucksache 15/780 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafvollzugsgesetzes

- Drucksache 15/2252 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Michael Kauch, Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Haftungsregeln als eigenständiges Instrument europäischer Umweltpolitik

- Drucksache 15/2011 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Daniel Bahr (Münster), Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Grundsätzliche Neuausrichtung der EU-Hilfsmaßnahmen für Südosteuropa

- Drucksache 15/2424 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulla Burchardt, Jörg Tauss, Ulrike Mehl, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Grietje Bettin, Volker Beck (Köln), Cornelia Behm, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Aktionsplan zur UN-Weltdekade „Bildung für nachhaltige Entwicklung“

- Drucksache 15/2758 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

   Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

   Interfraktionell wird geschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Nun rufe ich die Tagesordnungspunkte 23 a bis 23 g sowie 23 j bis 23 o sowie die Zusatzpunkte 2 a bis 2 j auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt 23 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Rom am 17. November 1997 angenommenen Fassung des Internationalen Pflanzenschutzübereinkommens

- Drucksache 15/2544 -

(Erste Beratung 94. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
(10. Ausschuss)

- Drucksache 15/2754 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Gustav Herzog
Dr. Peter Jahr
Friedrich Ostendorff
Dr. Christel Happach-Kasan

   Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt auf Drucksache 15/2754, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden.

   Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Das ist nicht der Fall. Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung angenommen.

   Tagesordnungspunkt 23 b:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Zusatzabkommen vom 15. Oktober 2003 zu dem Abkommen vom 4. Oktober 1954 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Erbschaftsteuern

- Drucksache 15/2721 -

(Erste Beratung 100. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses
(7. Ausschuss)

- Drucksache 15/2847 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Manfred Kolbe

   Der Finanzausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2847, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit angenommen.

   Tagesordnungspunkt 23 c:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 13. Mai 2002 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über die Rechtshilfe in Strafsachen

- Drucksache 15/2598 -

(Erste Beratung 97. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
(6. Ausschuss)

- Drucksache 15/2840 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Simm
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Jerzy Montag
Jörg van Essen

   Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2840, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte Sie um das Handzeichen, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung angenommen.

   Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Beratung angenommen.

   Tagesordnungspunkt 23 d:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzvertrag vom 13. Mai 2002 zu dem Vertrag vom 11. Juli 1977 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Kanada über die Auslieferung

- Drucksache 15/2599 -

(Erste Beratung 97. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
(6. Ausschuss)

- Drucksache 15/2841 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Erika Simm
Siegfried Kauder (Bad Dürrheim)
Jerzy Montag
Jörg van Essen

   Der Rechtsausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2841, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 102. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 2. April 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15102
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