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15. Wahlperiode
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   105. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 29. April 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich bitte Sie, sich zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

   Am Sonnabend, dem 17. April 2004, verstarb unsere Kollegin Anke Hartnagel im Alter von 62 Jahren.

   Geboren während des Zweiten Weltkrieges in Berlin, wuchs sie in Hamburg auf und machte dort ihre Ausbildung zur Groß- und Außenhandelskauffrau, sammelte erste Berufserfahrung und absolvierte die Fortbildung zur Sparkassenbetriebswirtin. Als sie vor mehr als 30 Jahren Leiterin einer Sparkassenfiliale in Hamburg wurde, war sie die zweite Frau, die das in Hamburg „geschafft“ hatte.

   Wo immer sie lebte, hatte sie ein Auge für die Bedürfnisse der Menschen, die Unterstützung brauchten. Als sie nach zehn Jahren an der Elfenbeinküste und in Südamerika nach Deutschland zurückkehrte, engagierte sie sich sofort wieder an ihrem Wohnort Hamburg-Fuhlsbüttel, zunächst als Mitglied der Hamburger Bürgerschaft und ab 1998 als Mitglied des Deutschen Bundestages.

   Ihrem Engagement für die Menschen in den unterentwickelten Teilen der Welt ist Anke Hartnagel auch während ihrer Zeit als Mitglied des Deutschen Bundestages treu geblieben.

   Als Mitglied des Ausschusses für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung und zugleich des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit hat sie immer wieder die politischen Diskussionen durch ihren Erfahrungsschatz bereichert. Sie machte deutlich, dass menschliches Interesse und Mitgefühl die Antriebsfeder für jedes politische Engagement sind.

   Aufgrund ihres hohen Pflichtgefühls hat sie ihre Arbeit im Bundestag selbst dann noch fortgeführt, als die schwere Krankheit begann, ihre Kräfte aufzuzehren. Dass sie ihre Krankheit offen ansprach, sich nicht damit versteckte, sondern immer beanspruchte, tätig zu sein, hat Menschen Mut gemacht.

   Ihrem Mann und ihrer Familie drücken wir unser tiefes Mitgefühl aus. Wir werden Anke Hartnagel in ehrender Erinnerung behalten. - Ich danke Ihnen.

   Zunächst gratuliere ich dem Kollegen Dr. Hermann Scheer zu seinem heutigen 60. Geburtstag sehr herzlich. Ich möchte aber auch einer Kollegin und mehreren Kollegen, die in den zurückliegenden Wochen ebenfalls ihren 60. Geburtstag begingen, gratulieren. Es sind dies: Christine Lucyga, Bundeskanzler Gerhard Schröder sowie die Kollegen Ernst Küchler, Ludwig Stiegler und Walter Kolbow. Ihnen allen nachträglich die besten Glückwünsche des Hauses!

(Beifall)

   Sodann teile ich mit, dass nach einer interfraktionellen Vereinbarung die verbundene Tagesordnung um die in einer Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte erweitert werden soll:

ZP 1 Aktuelle Stunde
auf Verlangen der Fraktion der CDU/CSU gemäß Anlage 5 Nr. 1 Buchstabe b GO-BT: zu den Antworten der Bundesregierung auf die dringlichen Fragen in Drucksache 15/2965

(siehe 104. Sitzung)

ZP 2 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 24)

a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Weis, Siegfried Scheffler, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Günter Nooke, Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Horst Friedrich (Bayreuth), Eberhard Otto (Godern), Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP: Planung und städtebauliche Zielvorstellungen des Bundes für den Bereich beiderseits der Spree zwischen Marschall- und Weidendammer Brücke vorlegen

- Drucksache 15/2981 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Brunhilde Irber, Annette Faße, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Rainder Steenblock, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Chancen und Potenziale des Deutschlandtourismus in der erweiterten Europäischen Union konsequent nutzen

- Drucksache 15/2980 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2003 - Einzelplan 20 -

- Drucksache 15/2885 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

ZP 3 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Äußerungen aus der CSU zur Finanzierungslücke von rund 100 Milliarden Euro in den Konzepten der CDU zur Reform der Sozial- und Steuersysteme

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Chancen der Grünen Gentechnik nutzen - Gentechnikgesetz und Gentechnik-Durchführungsgesetz grundlegend korrigieren

- Drucksache 15/2979 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Sibylle Laurischk, Rainer Funke, Dr. Werner Hoyer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Umsetzung der Gemeinsamen Erklärung zum 40. Jahrestag des Elysée-Vertrags - Regionale und interregionale Zusammenarbeit - Schaffung von Eurodistrikten

- Drucksache 15/1111 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Kultur und Medien
Haushaltsausschuss

ZP 6 Aktuelle Stunde auf Verlangen der Fraktion der FDP: Haltung der Bundesregierung zur allgemeinen Wehrpflicht und zu Plänen für ein soziales Pflichtjahr

   Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.

   Abgesetzt werden sollen die Tagesordnungspunkte 10 a und 10 b - Energieforschungsprogramm -, 12 - Demokratisierung in Moldau -, 13 - Übereinkommen zum Schutz des menschlichen Lebens auf See - sowie die zweite und dritte Beratung des in Tagesordnungspunkt 25 b aufgeführten Entwurfs eines Register-Führungsgesetzes. Da die Bundesregierung eine Erklärung des Herrn Bundeskanzlers zur Erweiterung der Europäischen Union angekündigt hat, an die sich eine Aussprache anschließt, ist die vorgesehene vereinbarte Debatte obsolet geworden.

   Ferner soll die Beratung des FDP-Antrags „Sperrzeiten für Außengastronomie“ bereits nach Tagesordnungspunkt 9 stattfinden und die Änderung des Tierseuchengesetzes, Tagesordnungspunkt 16, ohne Debatte erfolgen.

   Darüber hinaus mache ich auf eine nachträgliche Überweisung im Anhang zur Zusatzpunktliste aufmerksam:

   Der in der 95. Sitzung des Deutschen Bundestages überwiesene nachfolgende Antrag soll zusätzlich dem Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe zur Mitberatung überwiesen werden.

Antrag der Abgeordneten Hans Büttner (Ingolstadt), Reinhold Hemker, Dr. Peter Danckert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Winfried Hermann, Volker Beck (Köln), Michaele Hustedt, weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Sportförderung in den auswärtigen Kulturbeziehungen ausbauen

- Drucksache 15/1879 -

überwiesen:
Sportausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Kultur und Medien

   Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

- Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG)

- Drucksache 15/2150 -

(Erste Beratung 83. Sitzung)

- Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen (Alterseinkünftegesetz - AltEinkG)

- Drucksachen 15/2563, 15/2592 -

(Erste Beratung 94. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

- Drucksachen 15/2986, 15/3004 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Horst Schild
Klaus-Peter Flosbach
Kerstin Andreae
Dr. Andreas Pinkwart

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)
gemäß § 96 der Geschäftsordnung

- Drucksache 15/2987 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Steffen Kampeter
Walter Schöler
Anja Hajduk
Dr. Günter Rexrodt

   Es liegt je ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU sowie der Fraktion der FDP vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile Bundesminister Hans Eichel das Wort.

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit sind die zentralen Leitbilder, an denen sich eine zukunftsorientierte Politik messen lassen muss. Denn fast alle politischen Entscheidungen betreffen nicht nur die heutige Generation, sondern haben auch Auswirkungen auf kommende Generationen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Deswegen machen wir immer mehr Schulden, ja? - Gegenruf des Abg. Joachim Poß (SPD): Sie haben keine Veranlassung, hier den Mund aufzumachen bei Ihrem erbärmlichen Verhalten!)

   Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden demographischen Wandels bedeutet die Orientierung an diesen Leitbildern mehr denn je: Keine Generation darf auf Kosten der nachrückenden Generation leben; andernfalls ist die langfristige Stabilität unserer Gesellschaft gefährdet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Zuruf von der CDU/CSU: Genau wie die Schulden!)

- Wissen Sie, zu Ihrem Zwischenruf „Genau wie die Schulden!“ muss ich Ihnen sagen: Sie haben ja Recht. Nur, es ist noch gar nicht so lange her, dass ich den größten Schuldenberg der Geschichte von Ihnen übernehmen musste. Auch das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Aber Sie machen noch mehr!)

   Die Herausforderungen des demographischen Wandels betreffen insbesondere auch die Altersvorsorge. Die Probleme Altersvorsorge und demographischer Wandel hängen unmittelbar zusammen. Mit der Einführung der kapitalgedeckten Altersvorsorge, der so genannten Riester-Rente, haben wir bereits in der letzten Legislaturperiode einen wichtigen Schritt zu einer nachhaltigen Alterssicherung vollzogen. Jetzt geht es darum, eine zukunftsfähige und transparente Lösung für die Besteuerung von Alterseinkünften zu finden.

   Dazu gehört neben der eigentlichen Besteuerung der Einkünfte im Alter eine auf diese Besteuerung abgestimmte, einheitliche steuerliche Regelung zur Behandlung der Altersvorsorgebeiträge. Hierzu dient der vorliegende Entwurf eines Alterseinkünftegesetzes.

   Die Altersvorsorge wird künftig in zunehmendem Maße steuerfrei gestellt, sodass die Steuerlast für die erwerbstätige Generation sinkt. Im Gegenzug wird sehr langfristig auf eine volle Besteuerung der Renten umgestellt. Durch die sehr weichen Übergangsregelungen wird die Masse der Sozialversicherungsrenten auch weiterhin steuerlich unbelastet bleiben.

   Mit der Vorlage des Entwurfs eines Alterseinkünftegesetzes wird der Auftrag des Bundesverfassungsgerichts zur gleichmäßigen Besteuerung von Sozialversicherungsrenten, Beamtenpensionen und Erwerbseinkommen umgesetzt. Wir haben gehandelt - diesen Vorwurf kann ich Ihnen nach Ihren Zwischenrufen nicht ersparen -, nachdem es der Regierung Kohl in den 16 Jahren ihrer Regierungszeit nicht gelungen ist, eine gerechte und verfassungsfeste Neuregelung auf den Weg zu bringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Auch das ist ein Beispiel für den eklatanten Reformstau, den Sie hinterlassen haben.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sie haben doch die Reformen verhindert!)

   Schwerpunkt des Gesetzentwurfes ist, wie schon erwähnt, der schrittweise Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften - unter weit reichender Schonung der bestehenden Renten und der rentennahen Jahrgänge.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Petersberger Reformen!)

- Wissen Sie, mit Petersberg können Sie langsam nun wirklich nicht mehr kommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was?)

Wenn Sie einmal nachlesen, was Herr Koch in seinem Buch geschrieben hat, werden Sie feststellen, dass es genau das Richtige war, nämlich dass Sie nicht den Mut hatten, dieses Thema am Beginn der Wahlperiode einzubringen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen, dass das zur Folge hatte - so original Herr Koch -,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie haben blockiert!)

dass der Finanzminister damals eigentlich hätte gehen müssen. Machen Sie das in Ihren eigenen Reihen aus, aber nicht mit uns!

   Des Weiteren enthält der Gesetzentwurf Regelungen zur Besteuerung von Beamten- und Werkspensionen, Regelungen, durch die im Bereich der kapitalgedeckten betrieblichen Altersvorsorge ebenfalls zur nachgelagerten Besteuerung übergegangen wird, und Regelungen, die das Verfahren bei der privaten kapitalgedeckten Altersvorsorge, der Riester-Rente, vereinfachen und den Verbraucherschutz verbessern.

   Auf der Basis des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 6. März 2002 hatte die Bundesregierung eine Sachverständigenkommission eingesetzt, deren Vorschläge in den vorliegenden Entwurf eines Alterseinkünftegesetzes eingegangen sind. Im Ergebnis haben wir eine systematisch schlüssige und folgerichtige Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen erreicht. Die vorgelegte Neuregelung ist zudem gesamtwirtschaftlich vorteilhaft und sozial tragfähig. Unser Vorschlag trägt außerdem dazu bei, das Besteuerungssystem transparenter und einfacher zu machen.

   Kernelement beim schrittweisen Übergang zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften ist die Freistellung der Altersvorsorgebeiträge der Erwerbstätigen. Bereits im ersten Jahr werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer um knapp 2 Milliarden Euro entlastet; in jedem Folgejahr steigt die Entlastung um eine weitere Milliarde Euro an. Nach 20 Jahren ist die volle Entlastung der Erwerbstätigen mit jährlich 20 Milliarden Euro erreicht. Die schrittweise ansteigende steuerliche Berücksichtigung von Altersvorsorgeaufwendungen erhöht das Nettoeinkommen und erweitert so den Spielraum für die eigene Zukunftsvorsorge. Das war mit der Riester-Rente vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung ausdrücklich gewollt und notwendig.

   Da während der erwerbsmäßig aktiven Lebensphase wegen der Höhe der dann erzielten Einkommen typischerweise höhere Steuersätze greifen als im Alter, führt der Übergang auf die nachgelagerte Besteuerung der Renten auch unter Berücksichtigung der späteren Steuerlast auf die Rente unter dem Strich zu einer Entlastung der Steuerzahler. Auch bei gesamtwirtschaftlicher Betrachtung ist die nachgelagerte Besteuerung de facto ein Steuersenkungsprogramm, denn die eben genannten Entlastungen werden durch die erhöhte Besteuerung der Altersbezüge nur teilweise kompensiert. Dass mir das als Finanzminister nicht ganz leicht gefallen ist; das muss ich an dieser Stelle, glaube ich, nicht ausdrücklich betonen.

   Beide Übergangsphasen - die zur Vollbesteuerung der Renten und die zur vollen Abziehbarkeit der Altersvorsorgebeiträge - sind dabei so aufeinander abgestimmt, dass eine Zweifachbesteuerung vermieden wird. Sollte es in einigen wenigen Spezialfällen - das war ja auch ein wichtiger Gegenstand der Debatte - die in den Medien gerne zu einem Massenphänomen aufgebauscht wurden, doch zu einer Doppelbesteuerung kommen, kann der Betroffene durch einen entsprechenden Nachweis gegenüber dem Finanzamt bewirken, dass auch hier eine Zweifachbesteuerung verhindert wird; das ist nur recht und billig.

   Aber auch für die Rentner besteht kein Grund zu Befürchtungen: Die große Mehrheit der Rentner muss auch in Zukunft keine Steuern auf ihre Renten zahlen. Für drei von vier steuerpflichtigen Rentenbeziehern wird das neue Recht ohne steuerliche Auswirkung sein. Lediglich diejenigen steuerpflichtigen Rentenempfänger, die über erhebliche Nebeneinkünfte verfügen, werden nach dem neuen Recht steuerbelastet.

   Schon nach dem geltenden Recht müssen im Jahr 2005 2 Millionen Rentner Einkommensteuer zahlen, weil bei ihnen zu ihrer Rente noch andere Einkommen hinzukommen. Nach dem Gesetzentwurf sind bei allein stehenden so genannten Bestandsrentnern und bei den Neufällen des Jahres 2005 Rentenbezüge bis zu einer Höhe von 18 900 Euro im Jahr oder 1 575 Euro im Monat steuerunbelastet. Ich wiederhole: 18 900 Euro im Jahr oder 1 575 Euro im Monat sind steuerunbelastet, wenn neben der Rente keine anderen Einkünfte vorliegen. Auch künftig bleiben Durchschnittsrenten also steuerunbelastet. Das gilt auch dann, wenn eine normale Betriebsrente hinzukommt. Zum Vergleich: Bei allein stehenden Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, also bei denjenigen, die sich noch in der aktiven Phase des Berufslebens befinden, setzt die Besteuerung bereits bei einem Einkommen von knapp 10 800 Euro ein. Das hängt natürlich - das ist klar - mit der Besteuerung hinsichtlich der Vorsorgebeiträge zusammen. Sonst könnte das bei den Renten so nicht funktionieren.

   Eine steuerliche Mehrbelastung wird überwiegend nur dann entstehen, wenn zu der Rente noch andere Einkünfte aus Werkspensionen, Vermietung und Verpachtung oder von noch erwerbstätigen Ehepartnern hinzukommen. In diesen Fällen ist die Rente übrigens häufig nur das Nebeneinkommen. Das trägt auch dazu bei, dass der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit wieder mehr Gewicht bekommt.

   Durch den vorgelegten Gesetzentwurf sind die bestehenden Gestaltungsmöglichkeiten zugunsten der Rentenempfänger aus verfassungsrechtlicher Sicht weitestgehend ausgeschöpft. Eine noch weiter gehende oder noch länger fortgesetzte Privilegierung der Rentenempfänger gegenüber den aktiv Erwerbstätigen wäre verfassungsrechtlich kaum noch vertretbar.

   Meine Damen und Herren, der demographische Wandel erfordert eine Politik, die bereits heute die sich in den kommenden Jahren und Jahrzehnten abzeichnenden Veränderungen der Bevölkerungsstruktur mit berücksichtigt. Was wir brauchen, sind tragfähige und verlässliche Rahmenbedingungen für Jung und Alt. Das gilt insbesondere für die Altersvorsorge. Wir brauchen ein Miteinander und ein Füreinander der Generationen. Wir brauchen Solidarität zwischen Jung und Alt. Diese Solidarität ist keine Einbahnstraße, sie gilt wechselseitig.

   Mit dem Entwurf des Alterseinkünftegesetzes legt die Bundesregierung einen Vorschlag vor, der diese Anforderungen an eine zukunftsgerichtete Politik ebenso erfüllt wie die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an eine Neuregelung geknüpft hat.

   Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Opposition, ich appelliere an Sie - das sage ich vor allem vor dem Hintergrund der Vordiskussionen -: Lassen Sie das Gesetz nicht einfach nur passieren, sondern stimmen Sie ihm zu!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Klaus-Peter Flosbach, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute das Alterseinkünftegesetz. Die Bundesregierung und die Fraktionen von Rot-Grün haben hier jeweils einen gleichlautenden Gesetzentwurf vorgelegt, der die Neuordnung insbesondere der steuerlichen Seite der gesetzlichen Rentenversicherung sowie der betrieblichen und der privaten Altersvorsorge vorsieht. Dieser Gesetzentwurf ist jedoch in keiner Weise der große Wurf, als der er hier verkauft wird. Er wird nicht nur von der Opposition wenig Zustimmung bekommen, sondern er wird auch bei der Bevölkerung wenig Zustimmung finden, weil er in wesentlichen Punkten an den Bedürfnissen und Notwendigkeiten vorbeigeht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Das Bundesverfassungsgericht hat 2002 und nicht 1998, also nach vier Jahren Regierungszeit von Rot-Grün, festgestellt, dass die jetzige Regelung verfassungswidrig ist, weil der Gleichheitsgrundsatz verletzt ist. Wir haben zurzeit folgende Situation: Pensionen werden zu 100 Prozent besteuert, Renten dagegen nicht. Ein 65-jähriger Rentner zum Beispiel muss nur 27 Prozent seiner Rente versteuern, 73 Prozent sind von der Besteuerung freigestellt.

   Die Folge ist, dass es bis zum 1. Januar 2005 zu einer Neuregelung kommen muss; denn ansonsten können die Pensionen ab Januar des nächsten Jahres nicht mehr besteuert werden. Deshalb muss auch der Bundesrat zustimmen. Die Länder haben ein großes Interesse daran, dass hier eine Regelung gefunden wird. - Das ist die Ausgangslage.

   Bei der Erarbeitung dieser wichtigen Neuordnung des gesamten Systems und der Abstimmung mit Experten muss natürlich größte Sorgfalt geübt werden, damit das Vertrauen der jetzigen Rentner und die Zustimmung der nächsten Generation erlangt werden. Wir alle haben aber die Anhörung erlebt und inzwischen stapelweise Gutachten und Stellungnahmen vorliegen. Die gesamte Fachbranche sagt, dass dies bis jetzt durch und durch ungereimt ist und in keiner Weise von einer Vereinfachung des Steuerrechts geredet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Das Bundesfinanzministerium hat vorgerechnet, dass in Zukunft 2 Millionen Rentner mehr Steuern zahlen müssen und dass 1,3 Millionen Rentner erstmals zur Steuerzahlung herangezogen werden. Herr Minister, Sie haben gesagt, dass 18 900 Euro steuerfrei bleiben. Das ist richtig. Sehr viele prüfen derzeit aber, ob diese Besteuerung überhaupt gerechtfertigt ist; denn das Bundesverfassungsgericht hat in einem zweiten Urteil festgelegt, es dürfe nicht zu einer Zweifachbesteuerung kommen. Wenn die Rente später besteuert wird, dann müssen die Beiträge für diese Rente selbstverständlich steuerfrei gestellt werden.

   Mit Ihrem ersten Entwurf haben Sie diese Forderung überhaupt nicht erfüllt. Das haben das Gutachten und auch die Stellungnahmen in der Anhörung ergeben. Es wurde insbesondere bemängelt, dass Sie den Grundfreibetrag im Alter als steuerfreien Vorteil darstellen. Wir wissen: Wenn die Doppelbesteuerung nicht vermieden wird, dann besteht die Gefahr eines neuen Verfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht. Wir von der Union sind froh, dass wir uns in der Diskussion durchsetzen konnten und Sie einer Öffnungsklausel und einer eventuellen Einzelfallprüfung zugestimmt haben. Wir haben uns in dieser Frage geeinigt. Dies haben wir auch bezogen auf die Billigkeitsprüfung für Hochbetagte getan: Der Rentner darf bei einem einfachen Fehler nicht gleich als Steuerhinterzieher belangt werden können. Schließlich haben wir uns auch auf ein mögliches Quellenabzugsverfahren ab dem Jahre 2007 geeinigt. Das sind leider auch schon alle unsere Gemeinsamkeiten.

   Herr Eichel, nach Ihrer Rede müssen wir irgendwann einmal konkret werden. Sie haben allgemeine Ausführungen über die Notwendigkeit einer Vorsorge gemacht. Der Entwurf, den Sie am 12. Dezember 2003 hier vorgelegt haben, entspricht einer Kampfansage an die private und die betriebliche Vorsorge.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir alle wissen: Sie haben es trotz Ihres Nachhaltigkeitsgesetzes in wenigen Jahren geschafft, das Vertrauen in die gesetzliche Rente nachhaltig zu zerstören. Jeder weiß heute, Vorsorge ist nötig. Sie wissen aber auch, dass die Riester-Rente überhaupt nicht funktioniert.

(Joachim Poß (SPD): Unglaubliche Heucheleien!)

Nur jeder Siebte der Anspruchsberechtigten hat die Riester-Rente bisher abgeschlossen, weil sie zu kompliziert ist und kein Mensch sie versteht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Joachim Poß (SPD): Weil Sie das Produkt schlechtgemacht haben! Miesmacher!)

   Sie haben jetzt einen weiteren Vorstoß gewagt, gemäß dem Frauen und Männer in Zukunft gleiche Beiträge für die Riester-Rente zahlen müssen. Die gesamte Branche ist der Meinung, dass dies der endgültige Todesstoß für die Riester-Rente ist.

(Joachim Poß (SPD): Was sagte denn Frau Böhmer im „Morgenmagazin“ dazu?)

- Herr Poß, für ein Gesetz, durch das Sie die Menschen durch und durch bevormunden, können Sie natürlich keine Zustimmung von uns verlangen.

(Joachim Poß (SPD): Wer spricht für Ihre Fraktion? Frau Böhmer oder Sie? Welche Position haben Sie denn dazu?)

   Sie haben eine Vorlage vorgelegt, nach der in Zukunft nur noch die Beiträge als Vorsorgeaufwendungen abzugsfähig sind, die nicht beleihbar und nicht kapitalisierbar sind. Sie wollen den Menschen vor allen Dingen vorschreiben, dass sie ihre persönlich angesparten Beiträge nicht vererben können. Dafür werden Sie keinerlei Zustimmung in der Bevölkerung erhalten. Sie werden auch keine Zustimmung für Ihre Regelung erhalten, nach der bei der abzugsfähigen privaten Altersvorsorge kein Kapitalbetrag ausgezahlt werden kann. Viele Rentner haben mit 60 oder 65 Jahren das Bedürfnis, einen Teil des Kapitals zu erhalten, um beispielsweise ihre Hypotheken abzulösen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Zudem haben Sie die Vorsorge auf eine Leibrente begrenzt, wenn Sie das Wort „Versicherungsunternehmen“ aus dem Gesetzestext auch herausgenommen haben. Sie wollen den Menschen letztendlich vorschreiben, dass sie ausschließlich eine Vorsorge wie bei der gesetzlichen Rentenversicherung treffen können.

   Sie sollten stattdessen in dieser Phase die Möglichkeit nutzen, den gesamten Finanzmarkt mit neuen Möglichkeiten der Altersversorgung auszustatten. Bei jeder Gelegenheit klagen Sie über fehlendes Wachstum, aber Sie verzichten darauf, Wettbewerb im Finanzmarkt stattfinden zu lassen. Wir wollen den Wettbewerb der Banken, der Investmentgesellschaften und der Versicherungen. Sie wollen lenken und den Menschen vorschreiben, wie sie zu leben oder ihre Altersversorgung zu gestalten haben. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn Vorsorgeprodukte nicht attraktiv sind, bleibt das Problem, dass junge Menschen in eine Armutsfalle geraten; denn sie müssen für sich selbst sorgen und natürlich auch für die jetzigen Rentner zahlen. Deshalb ist die Attraktivität der Altersvorsorge so wichtig. In Ihrem ersten Entwurf wollten Sie beispielsweise die Steuerfreiheit von Lebensversicherungen völlig beseitigen und die volle Steuerpflicht auf alle Lebensversicherungserträge ausdehnen.

(Joachim Poß (SPD): Sie singen das hohe Lied der Versicherungswirtschaft!)

- Herr Poß, rufen Sie nicht dazwischen! Sie können nachher zu diesem Punkt reden.

(Joachim Poß (SPD): Wie viel Spenden gibt es für diese Rede? - Hans Michelbach (CDU/CSU): Unverschämtheit! - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist eine bösartige Unterstellung! Das ist unglaublich!)

- Die unflätigen Bemerkungen von Herrn Poß, der bei keiner Sitzung des Finanzausschusses dabei gewesen ist, sind unverschämt. Sie sollten sich zurückhalten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir haben Ihnen ein Kompromissangebot gemacht, um die Lebensversicherungen wettbewerbsfähig zu halten. Die Lebensversicherung ist so beliebt, weil sie einfach ist. Was aber machen Sie jetzt? - Sie schlagen eine Fünftelungsmethode gemäß § 34 EStG vor. Das heißt, jede Auszahlung muss in Zukunft nach einer besonderen Abfindungsmethode berechnet werden. Das versteht kein Mensch. Das ist außerdem für die Bürger die teuerste und steuerlich unattraktivste Methode.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist nicht wahr!)

Ich kann überhaupt nicht verstehen, warum Sie das den Menschen antun wollen.

   Ihr Gesetzentwurf umfasst 100 Seiten Gesetzestext und Begründung. Die Kompliziertheit dieses Gesetzes ist einer der traurigen Höhepunkte und ein Musterbeispiel dafür, dass unser Einkommensteuergesetz nicht mehr reparabel ist. Folgen Sie endlich den Vorschlägen der Union zur Vereinfachung des Steuerrechts!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Der Minister erklärt: Das von uns geschaffene Gesetz ist transparent und einfach. - Darüber können wir in der Tat nur lachen. Den Menschen bleibt nur noch die Hoffnung auf eine betriebliche Altersversorgung. Sie von den Regierungsfraktionen sollten im Grunde stolz darauf sein, dass seit dem Jahre 2001 das Ausmaß der betrieblichen Altersversorgung hinsichtlich Pensionskassen und Direktversicherungen deutlich gestiegen ist, weil die Entgeltumwandlung für jeden einzelnen Arbeitnehmer möglich ist.

   Jetzt aber schlagen Sie vor, die bisherige Form der Direktversicherung durch Aufhebung der Pauschalbesteuerung wegfallen zu lassen. Ihr erster Gesetzentwurf enthielt eine ausschließliche Begrenzung der betrieblichen Altersversorgung auf 4 Prozent des Bruttolohnes, obwohl wir heute wesentlich mehr Möglichkeiten haben; denn nicht nur 4 Prozent des Bruttogehalts des Arbeitnehmers, sondern - das ist unsere Forderung - auch 4 Prozent vom Arbeitgeber sollen zur Finanzierung der Vorsorge möglich sein. Viele Arbeitnehmer hätten ihre Ansprüche auf betriebliche Altersversorgung durch den Arbeitgeber verloren, wenn Ihr Gesetz beschlossen worden wäre.

   Nun haben Sie Gott sei Dank einen zusätzlichen Steuerfreibetrag von 1 800 Euro angeboten. Wir fordern nach wie vor 4 Prozent für die vom Arbeitgeber finanzierte Vorsorge, weil hier eine Anpassung an die Bemessungsgrundlage erfolgen muss. Es muss ein dynamischer Prozess entstehen; denn die Menschen müssen gemäß der Bemessungsgrundlage auch dynamisch höhere Beiträge einzahlen. Natürlich müssen Sie ebenso die Inflation betrachten.

(Horst Schild (SPD): Vor allem müssen Sie das Geld haben!)

   Herr Schild, jetzt bieten Sie zusätzlich 1 800 Euro als vom Arbeitgeber finanzierte Altersversorgung. Gleichzeitig fordern Sie, dass diese Summe mit Sozialversicherungsbeiträgen belegt wird, obwohl das heute im Wesentlichen nicht der Fall ist.

(Horst Schild (SPD): Fragen Sie doch mal Herrn Seehofer oder Herrn Storm, was sie davon halten!)

   Im Alter müssen die Rentner dafür noch einmal Sozialversicherungsbeiträge zahlen. Worin soll die Attraktivität einer betrieblichen Altersversorgung liegen, wenn der Unterschied zu einer privaten Kapitalanlage nicht mehr sichtbar ist?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Hans Michelbach (CDU/CSU): Alles gegen die Wand gefahren!)

Sie setzen deutlich falsche Schwerpunkte. Diese Unsystematik schmerzt und hat die Suche nach Kompromissen erschwert.

   Aber dass Sie es zulassen, dass vorzeitig Pensionierte, die das Unternehmen frühzeitig verlassen haben, eine höhere Rente als Betriebstreue oder Erwerbsunfähige bei ihrem Ausscheiden bekommen, weil Sie ein Fehlurteil des Bundesarbeitsgerichts nicht korrigieren wollen, ist für uns überhaupt nicht nachvollziehbar. Die gesamte Finanzbranche, die mit betrieblicher Altersvorsorge zu tun hat, ist schockiert darüber, dass Sie dies nicht korrigieren wollen. Fachleute rechnen damit, dass jährlich 30 bis 40 Millionen Euro auf den Pensions-Sicherungs-Verein zukommen werden, der diese Pensionen sichern soll, weil Sie nicht korrigierend eingreifen wollen.

   Nach neuen Hiobsbotschaften für die Rentner für das nächste Jahr - auch dann ist wieder mit einer Nullrunde zu rechnen - werden auch die im Berufsleben Stehenden, die Aktiven hinsichtlich ihrer Vorsorgemöglichkeiten zutiefst verunsichert. Nach Aussagen von Experten wollen die Bürger Wohnungseigentum, eine sichere Rente und ein Stück finanzielle Freiheit. Sie wollen keine Bevormundung. Es besteht die große Gefahr bei diesem Gesetz, dass die Rentner belastet werden, aber die Jungen nicht für ihr Alter vorsorgen, weil die Vorsorgeprodukte so unattraktiv sind, dass sie hierfür keine Entscheidung treffen werden. Wir brauchen aber in diesem Lande einfache, nachvollziehbare und klare gesetzliche Regelungen, die von den Bürgern verstanden und akzeptiert werden.

   Dieses Gesetz ist eine laufende Produktion von Verunsicherungen. Wir haben unsere Bedenken von Anfang an geäußert und unsere Meinung in der gesamten Phase im Gegensatz zu Ihnen nicht wegen besserer Erkenntnisse ändern müssen. Unterstützen Sie deshalb unseren Entschließungsantrag und lehnen Sie die Vorlage von Rot-Grün ab!

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Poß (SPD): Das ist der Gipfel der Scheinheiligkeit!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Lieber Kollege Poß, wir sollten auch während leidenschaftlicher Debatten nicht Verdächtigungen aussprechen. Unter Parlamentariern ist das nicht üblich.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich erteile nun Kollegin Christine Scheel, Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man sich die Zeitungslandschaft in den letzten Tagen zu diesem Thema anschaut und heute den Leitartikel in der „Süddeutschen Zeitung“ liest, dann kommt man zu der Überzeugung, dass all diejenigen, die zu dem Ergebnis gekommen sind, dass die Union versucht, Volksverdummung zu betreiben, völlig Recht haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Sie suchen krampfhaft Gründe, warum Sie dieses Gesetz hier ablehnen können, um ihm dann im Bundesrat aus angeblich staatspolitischer Verantwortung zuzustimmen.

(Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Das ist doch Blödsinn!)

   Das ist scheinheilig, das täuscht die Öffentlichkeit und das hat mit Seriosität und Glaubwürdigkeit, meine Damen und Herren von der Union, nichts mehr zu tun.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir haben uns gemeinsam in den vergangenen Wochen auf der Fachebene sehr viel Zeit genommen - ich lobe an dieser Stelle bewusst auch die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker der CDU/CSU und der FDP - und sehr gute Debatten geführt. Wir haben uns mit den Vorschlägen, die Sie eingebracht haben, auseinander gesetzt und die Vorschläge der Union weitestgehend aufgenommen. Zu den FDP-Vorschlägen komme ich noch. Rot-Grün hat in großen Teilen Unterstützung gegeben. Was aber nicht geht, ist, dass Vorschläge, vor allen Dingen diejenigen der FDP-Fraktion, aufgenommen werden, die zusätzliche Milliardenlöcher in die Haushalte schlagen würden. Das können wir auch aus staatspolitischer Verantwortung nicht machen.

(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auf Geld kommt es bei denen nicht an! Die haben ein schwarzes Konto!)

Deswegen haben wir ein Gesetz vorgelegt, das inhaltlich sehr gut ist, das staatspolitisch verantwortlich ist und auch gegenüber den Ländern, den Kommunen und dem Bund unserer Aussage gerecht wird, dass wir keine weitere Neuverschuldung wollen.

Herr Minister Eichel hat mit einem weinenden Auge auf eine Tatsache hingewiesen. Wir reden hier über Rentenbesteuerung, dürfen aber nicht vergessen, dass dieses Gesetz dazu führt, dass diejenigen, die im Erwerbsleben stehen, bis zum Jahre 2010 um 5 Milliarden Euro entlastet werden. Diese Entlastung ist in der Debatte bislang völlig untergegangen.

   Wenn man sich auf der fachlichen Ebene so weit annähert, dann verstehe ich nicht, dass Herr Kauder, der immer wieder gerne von dem Chaos spricht, das hier produziert wird,

(Hans-Peter Repnik (CDU/CSU): Recht hat er!)

am Wochenende selbst Chaos erzeugt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Am Montag hat Herr Kauder noch eine Totalblockade im Bundestag wie auch im Bundesrat verkündet. Daraufhin hat Frau Merkel, die schließlich weiß, dass die Zustimmung des Bundesrates notwendig ist, festgestellt, dass das Gesetz vielleicht doch eine Mehrheit im Bundesrat erzielen könnte. Dann wiederum hat Herr Kauder am Dienstag angekündigt, dass im Bundesrat unter minimaler Beteiligung der unionsregierten Länder - in diesem Zusammenhang wurden Thüringen, das Saarland und Sachsen genannt - eine Zustimmung erfolgt.

(Horst Schild (SPD): Zwei Länder waren darauf angewiesen!)

   Interessanterweise hat aber der Ministerpräsident von Thüringen, Dieter Althaus, davon offenbar nichts gewusst. Er hält das Gesetz gegenwärtig nicht für zustimmungsfähig. Ich weiß allerdings nicht, warum.

(Joachim Poß (SPD): Er weiß es auch nicht!)

Sie wiederum verkünden, dass Thüringen zustimmen wird. Daran wird deutlich, welches Schmierentheater die Union zu diesem Thema aufführt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich hoffe sehr, dass dieses parteitaktische Verwirrspiel der Union bald ein Ende hat. Denn ein so langfristiges Projekt wie die nachgelagerte Besteuerung der Alterseinkünfte ist dafür denkbar ungeeignet.

(Joachim Poß (SPD): Das ist wohl wahr!)

   Wir alle müssen dafür sorgen, dass die Bevölkerung die notwendigen Informationen bekommt. Es geht nicht an, Informationen zu verbreiten, die auf alten Vorlagen beruhen und mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nichts mehr zu tun haben, um die Menschen zu verwirren. Auch das ist unverantwortlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir setzen mit dem Gesetzentwurf den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts um, Renten und Pensionen steuerlich gleich zu behandeln. Ich möchte Sie in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass wir diesem Auftrag nicht irgendwann nachkommen können, sondern dass wir verpflichtet sind, ihn bis spätestens 2005 zu erfüllen.

   Ich gehe zwar davon aus, dass der Bundesrat dem Gesetzentwurf zustimmen wird, aber angenommen, die Ankündigungen von Herrn Kauder würden realisiert und der Bundesrat würde den Gesetzentwurf ablehnen, dann wäre die jetzige Besteuerung von Pensionen, die seit vielen Jahren Bestand hat, verfassungswidrig. Es würde zu jährlichen Steuerausfällen in Höhe von 10 Milliarden Euro und zu einer Flut von Klagen kommen. Dieses Chaos würden Sie anrichten, wenn der Bundesrat dem Gesetzentwurf nicht zustimmt.

(Joachim Poß (SPD): Das wollen sie doch!)

   Die nachgelagerte Besteuerung ist der richtige Weg zur Reform der Rentenbesteuerung. Darin sind sich alle einig. Politiker auf Bundes- und Landesebene, Wissenschaftler und Verbände haben in den vergangenen Jahren darauf hingewiesen, dass die nachgelagerte Besteuerung der richtige Weg ist. Auch die Union hat sich in jedem Wahlkampf in verschiedenen Hochglanzbroschüren immer wieder für die nachgelagerte Besteuerung ausgesprochen.

   Umso verwunderlicher ist es, dass Sie ein solch großes Reformwerk infrage stellen, das viele Generationen betrifft. Für die derzeit Beschäftigten, Selbstständige wie abhängig Beschäftigte, junge und ältere Menschen wird in den nächsten Jahrzehnten in einem gleitenden Übergang die nachgelagerte Besteuerung eingeführt. Dieses Reformwerk so umzusetzen, dass es sozial ausgewogen ist und zu Entlastungen durch die steuerliche Freistellung der Rentenversichungsbeiträge führt, die gleichermaßen für einen stärkeren Einsatz zugunsten der privaten Altersvorsorge wie auch der betrieblichen Vorsorge genutzt werden können, ist ein Kraftakt.

   Wir vom Bündnis 90/Die Grünen haben seit vielen Jahren einen solchen Systemwechsel eingefordert; denn damit erreichen wir, dass der Einzelne konsequent nach seiner steuerlichen Leistungsfähigkeit besteuert wird und dass hinsichtlich der Pflichtbeiträge zu den Sozialversicherungen, die für die Steuerpflichtigen nicht verfügbar sind und bislang zu einem großen Teil besteuert waren - dass diese Regelung ungerecht ist, wissen wir alle -, ein Kurswechsel erfolgt. Das ist der richtige Weg, den auch Sie immer wieder beschrieben haben. Daraus ergibt sich auch an dieser Stelle die große Verwunderung über Ihr Verhalten.

   Die Altersvorsorgebeiträge werden bis 2025, und zwar beginnend mit 60 Prozent vom nächsten Jahr an, von der Steuer freigestellt. Erst die entsprechenden Altersbezüge werden besteuert, und zwar allmählich steigend - beginnend mit 50 Prozent vom nächsten Jahr an - bis 2040. Dann werden alle Alterseinkünfte steuerlich genauso behandelt wie Erwerbseinkünfte. Die Gleichbehandlung von Erwerbs- und Alterseinkünften ist völlig konsistent, wenn die Altersvorsorgebeiträge steuerfrei sind. Vor diesem Hintergrund ist es auch richtig, dass die Steuern dann anfallen, wenn die Versicherungsleistungen dem Steuerpflichtigen tatsächlich zukommen.

   Es gibt einen sehr langen Übergangszeitraum. Ich sage Ihnen ganz offen, dass es auch mir gefallen hätte, wenn es gelungen wäre, den Übergangszeitraum zu verkürzen. Das hätte nämlich eine einfache Umsetzung und Anwendung des Gesetzes bedeutet. Man muss aber auf der einen Seite sehen, dass der Übergangszeitraum deswegen länger ist, weil die heutigen Rentnerinnen und Rentner nicht über Gebühr besteuert werden dürfen. Die Umstellung muss also langsam erfolgen. Auf der anderen Seite hätten wir die steuerliche Freistellung der Vorsorgeleistungen von heute auf morgen nicht finanzieren können; denn das hätte eine Belastung für die Haushalte des Bundes, der Länder und der Kommunen in Höhe von 20 Milliarden Euro bedeutet. Weil dies nicht zu verantworten gewesen wäre und weil wir weitestgehend sicherstellen wollen, dass es zu keiner Zweifachbesteuerung kommt, haben wir für einen langen Übergangszeitraum gesorgt.

   Wir haben auf der gestrigen Sitzung des Finanzausschusses die Entscheidung getroffen, und zwar im Prinzip gemeinsam, dass der so genannte Sonderausgabenabzug für alle unverändert bis 2010 fortbesteht - auch das ist übrigens eine Forderung der Union - und dass er danach bis 2019 sozialverträglich abgeschmolzen wird. Davon profitieren vor allem Bezieher von kleinen Einkommen. In den Genuss dieses Vorteils kommen aber nicht nur abhängig Beschäftigte, sondern auch Selbstständige; das ist auch richtig so. Wir waren uns ja in der gestrigen Beratung einig, dass es besser ist, dies auf alle zu übertragen, weil dies die Handhabung vereinfacht und weil es gerechter zu sein scheint, wenn dies für alle und nicht nur für einen Teil der Bevölkerung gilt. Deshalb haben wir für eine entsprechende Änderung gesorgt.

   Ein weiterer Punkt ist - das ist kein Geheimnis -, dass die private und die betriebliche Altersvorsorge neben der gesetzlichen Altersvorsorge immer mehr an Bedeutung für die Sicherung des Lebensstandards im Alter gewinnt. Es geht um bessere Chancen für die jungen Generationen, die sich eine eigene Altersvorsorge nach ihren Vorstellungen aufbauen wollen. Deshalb bieten wir entsprechende Möglichkeiten an. Ich finde es gut, dass die Junge Union kein Blatt vor den Mund nimmt und die Blockadehaltung ihrer Parteispitze kritisiert; das ist mutig. Sie hat auch Recht. Im Interesse der jungen Generation können wir der Jungen Union nur beipflichten. Wir sehen das genauso.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Wir haben unter Verbraucherschutzgesichtspunkten Berichtspflichten verbessert und Unisextarife eingeführt. Männer und Frauen werden in Zukunft - verfassungsgemäß - gleich behandelt. Wir haben auch Änderungen bei den Lebensversicherungen vorgenommen. Herr Flosbach, da Sie die Lebensversicherungen angesprochen haben, möchte ich nur noch einmal daran erinnern, dass die Union in ihren Vorschlägen zu den Petersberger Beschlüssen, auf die Sie immer so gerne verweisen, eine Änderung der Besteuerung der Lebensversicherungen vorsieht, und zwar auch für die bestehenden Verträge. Genau das wollten wir nicht. Es wird Vertrauensschutz für die bestehenden Verträge geben. Wir werden dafür sorgen, dass vom Jahr 2005 an Steuerprivilegien zugunsten der Lebensversicherung abgebaut werden.

   Letzte Bemerkung: Ich wünsche mir, dass die Union den Eiertanz, den sie zum Schaden der Bürger und Bürgerinnen aufführt, beendet, dass sich die Union ihrem Verfassungsauftrag im Bundesrat nicht entzieht und dass alle politisch Verantwortlichen in diesem Land ihrer Verantwortung nachkommen und den Weg für die nachgelagerte Besteuerung freimachen. Hören Sie mit Ihrem Theater auf! Seien Sie endlich ehrlich! Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie dem heute vorliegenden Gesetzentwurf zu! Sie werden das im Bundesrat sowieso tun.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Volker Kauder das Wort.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den „Eiertanz“ lässt er nicht auf sich beruhen!)

Volker Kauder (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Kollegin Scheel, Sie haben mich völlig falsch zitiert. Ich wurde am Wochenende in einem Gespräch mit einer Zeitung gefragt: Wird der Vermittlungsausschuss vom Bundesrat angerufen, wenn Sie dieses Gesetz im Deutschen Bundestag ablehnen? Daraufhin habe ich erklärt, dass wir ein Vermittlungsverfahren zurzeit nicht anstreben. Das war meine Formulierung. Sie von der Koalition reagieren aber reflexartig mit den Worten „Blockade, Blockade“. Sie sollten sich mehr darauf konzentrieren, gute Gesetze zu machen, als gleich „Blockade“ zu schreien.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dass wir zunächst einmal erklärt haben, ein Vermittlungsverfahren nicht anzustreben, heißt noch lange nicht, dass wir blockieren wollen. Es gibt noch andere Möglichkeiten, die Sie offenbar überhaupt nicht einkalkulieren. Sie hätten also viel ruhiger und gelassener sein sollen.

   Ich komme zum Schluss. Sie haben hier, im Deutschen Bundestag, mehrere Rentengesetze eingebracht. Ich sage klar: Wenn Sie das gemacht hätten, was das Bundesverfassungsgericht verlangt, nämlich die nachgelagerte Besteuerung in einem Gesetz zu regeln, und dies nicht noch mit allerlei Unsinnigkeiten verbunden hätten, dann wäre die Debatte viel einfacher gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Scheel, Sie haben die Möglichkeit zur Erwiderung.

(Horst Schild (SPD): Wer wollte denn noch mehr? Die Union! - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Sie stürzt sich noch ins Unglück, wenn sie so weitermacht!)

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Schauerte, ich glaube nicht, dass Sie sich Sorgen machen müssen, dass ich mich ins Unglück stürze. Das werde ich nicht tun.

   Herr Kauder, ich habe nur an Sie appelliert. Wenn Sie signalisieren, dass der Bundesrat zustimmt - das haben Sie am Dienstag gesagt -, dann wäre es doch nur ehrlich, wenn die Union diesem Gesetz auch hier zustimmte. Sie wissen ganz genau, dass dieses Gesetz, das heute mit der Mehrheit von Rot-Grün und, wie ich immer noch hoffe - ab und zu bin ich optimistisch -, auch mit Ihren Stimmen verabschiedet wird, unverändert in den Bundesrat geht. Sie haben gesagt, man werde den Vermittlungsausschuss nicht anrufen, was ich sehr begrüße.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Nein, nicht anstreben!)

Das bedeutet, dass dieses Gesetz vom Bundesrat verabschiedet wird und unverändert bleibt.

   Genau das macht die Scheinheiligkeit aus, die ich angesprochen habe. Man muss sich entscheiden: Entweder lehnt man ab oder man stimmt zu. Aber man kann dieses Gesetz hier nicht mit Getöse ablehnen und an anderer Stelle zustimmen, weil man weiß, dass es eigentlich gut ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile nunmehr dem Kollegen Andreas Pinkwart, FDP-Fraktion, das Wort.

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zunächst für meine Fraktion den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen für die sehr sachliche Beratung, die wir zu dem vorliegenden Gesetzentwurf im Ausschuss durchführen konnten, danken. Ich bedanke mich ebenfalls bei den Fachbeamten des Bundesfinanzministeriums dafür, dass sie unsere Beratungen sehr nachdrücklich unterstützt haben. Ich halte es für wichtig, das den weiteren Ausführungen voranzustellen, weil ich diesen Gesetzentwurf für sehr bedeutend erachte. Er betrifft Millionen von Bürgerinnen und Bürgern im Lande. Es geht um die Gestaltung der Zukunft in unserem Land. Deswegen ist es wichtig, dass diese Beratungen sehr sachlich, sehr konstruktiv geführt werden. Wir haben uns daran beteiligt.

   Wir wären sehr gern mit Ihnen gemeinsam zu einer vertretbaren Lösung gekommen. Dass das nicht gelungen ist, bedauern wir. Wir sind der Auffassung, dass man nicht beliebig darüber hinweggehen kann, dass man über bestimmte Punkte inhaltlich keine Einigung hat erzielen können, obwohl das notwendig gewesen wäre. Vielmehr muss man dann zu seinen Positionen stehen. Auch das möchte ich hier zum Ausdruck bringen.

(Beifall bei der FDP)

   Was ist der Hintergrund? Es klang bereits an: Dieser Gesetzentwurf ist durch das Verfassungsgerichtsurteil notwendig geworden. Es ist aber auch aus einem anderen Grund notwendig - auch das haben wir hier erörtert -, zu einer nachgelagerten Besteuerung zu kommen, und zwar wegen der Steuersystematik. Dem wird in unserem Gesetzentwurf zu einer grundlegenden Steuerreform, über den wir später noch beraten werden, Rechnung getragen.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

Aber wir können das nicht losgelöst von den Problemen diskutieren, die wir mit Blick auf die Altersvorsorge in unserem Land haben.

   Als Sie seinerzeit die Riester-Rente, die auch Gegenstand des Gesetzentwurfs ist, eingeführt haben, sind Sie noch davon ausgegangen, dass das Rentenniveau von 67 Prozent auf 63 Prozent gesenkt wird. Heute wissen wir, dass wir im Jahr 2030 nur noch ein Rentenniveau von 43 Prozent erwarten dürfen. Das zeigt, wie notwendig es ist, in diesem Land über private Altersvorsorge viel konsequenter nachzudenken, als es bei dieser Vorlage geschehen ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir müssen bei dieser Beratung an die denken, die in den nächsten Jahren in Rente gehen werden, aber wir müssen genauso an die Bürgerinnen und Bürger denken, die in den nächsten Jahrzehnten über ihre private Vorsorge noch einen Beitrag dazu leisten müssen, dass sie eine faire Altersvorsorge erwarten können. Vor diesem Hintergrund möchte ich jetzt einige grundlegende Bemerkungen machen. Uns hat nämlich Grundlegendes getrennt und nicht irgendwelche Detailpunkte.

   Das Erste, was ich hier feststellen möchte, ist Folgendes: Bei dem Übergang zur nachgelagerten Besteuerung müssen wir uns vor Augen führen, wie die unterschiedlichen Gruppen - in dem Fall die Selbstständigen und die nicht selbstständig Tätigen - bezogen auf ihre Altersvorsorgeaufwendungen in der Vergangenheit besteuert worden sind.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Da hat er Recht!)

Da müssen wir feststellen: Bei Arbeitnehmern liegt der Sachverhalt so, dass der Arbeitgeberbeitrag stets steuerfrei blieb, wohingegen die Selbstständigen in diesem Land in der Vergangenheit keinen steuerfreien Arbeitgeberbeitrag bekommen haben und ihre Altersvorsorge auch nicht in einem entsprechend hohen Umfang durch Sonderausgabenabzüge steuerfrei hätten bilden können. Das heißt, diese beiden Gruppen sind in der Vergangenheit ganz offensichtlich ungleich besteuert worden.

(Horst Schild (SPD): Sie sind aber nicht als unterschiedliche Gruppen geboren!)

   Jetzt gehen Sie hin und wollen etwas, das in der Vergangenheit ungleich besteuert worden ist, mit dem neuen Regime Ihres Gesetzentwurfs gleich behandeln. Aber wer versucht, Gleiches ungleich zu behandeln, handelt in gleicher Weise ungerecht wie jener, der meint, Ungleiches gleich behandeln zu müssen. Das ist die Fundamentalkritik an dieser Stelle.

(Beifall bei der FDP)

   Frau Scheel, Sie haben da so eine kleine Formulierung eingefügt, die den Eindruck erweckt, als würden Sie es mit Ihrem fließenden Übergang für die zukünftigen Rentnergenerationen einfacher gestalten und die Belastung geringer halten. Dazu muss ich Ihnen sagen: Im Vergleich zu dem, was wir Ihnen vorgeschlagen haben, führt Ihr Lösungsansatz zu einer stärkeren Belastung, nicht nur bei den Selbstständigen - das habe ich herausgearbeitet -, sondern auch bei den Arbeitnehmern. Das will ich Ihnen einmal an einem ganz einfachen Beispiel darstellen.

   Ich gehe von dem Fall aus, dass eine Person nach 45 Versicherungsjahren zum 1. Januar 2005 in Rente geht und 1 000 Euro Monatsrente - das unterstellen wir einfach einmal, damit es sich hier auch darstellen lässt - erhält. Nach Ihrem Entwurf erhöhen dann 50 Prozent dieser 1 000 Euro das zu versteuernde Einkommen. Das sind 500 Euro. Diese 500 Euro legen Sie 2005 fest. Sie werden als Nominalbetrag festgelegt.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Aber faktisch werden keine Steuern in 2005 gezahlt!)

- Frau Scheel, hören Sie doch erst einmal zu! - Die gleiche Person wird im Jahr 2015 nach der bisherigen Rentenentwicklung, unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerungsrate, also dann, wenn die Rente nur in Höhe der Preissteigerungsrate angehoben werden sollte, eine Rente in Höhe von 1 200 Euro beziehen. Sie wird nach Ihrem Modell nicht mehr 500 Euro, sondern 700 Euro monatlich zu versteuern haben.

   Nach unserer Vorlage ist bei dieser 50-prozentigen Einbeziehung der Alterseinkünfte in das neue Steuerregime eine Dynamisierung sichergestellt. So wie wir das in unserer einfachen Regelung vorschlagen, wird die Person 2015 ebenfalls nur 50 Prozent ihrer monatlichen Altersrente, sprich: 600 Euro, und nicht 700 Euro zu versteuern haben.

   Nun mögen Sie sagen, das sei eine Bagatelle. Wir meinen, dass - bei einem durchschnittlichen Steuersatz von 25 Prozent - 25 Euro pro Monat für diesen Rentner ein gravierender Betrag sind. Das zeigt, wie unsystematisch Ihre Konstruktion dieses über 35 Jahre angelegten Übergangsprozesses ist.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Pinkwart, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Scheel?

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Sehr gern.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Pinkwart, steuersystematisch sind die Ausführungen, die Sie gerade gemacht haben, richtig, aber Ihre Aussagen rufen doch andere Wirkungen hervor. Ich möchte Sie von daher fragen, ob Sie das nicht klarstellen wollen.

   Sie haben gesagt, dass bei einer monatlichen Rente von 1 000 Euro 500 Euro steuerpflichtig sein werden. Ich möchte Sie hier bitten, klar zu sagen, dass ein Alleinstehender oder eine Alleinstehende bis zu 19 000 Euro Renteneinnahmen im Jahr völlig steuerfrei beziehen darf. Bei Verheirateten würde natürlich der doppelte Betrag gelten.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Wenn keine anderen Einkünfte da sind!)

- Wenn keine anderen Einkünfte da sind, selbstverständlich. Aber wir reden ja hier nach dem, was Herr Pinkwart gesagt hat, über die Besteuerung der Rente.

   Meine Sorge ist, Herr Professor Pinkwart, dass jetzt in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, dass jeder, der Renteneinkünfte in Höhe von 1 000 Euro hat, plötzlich 500 Euro Steuern bezahlen muss. Das ist definitiv falsch. Ich bitte Sie, das richtig zu stellen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das hat doch keiner behauptet!)

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Frau Kollegin Scheel, zunächst einmal danke ich Ihnen, dass Sie mir in Bezug auf meine Darstellung grundsätzlich Recht gegeben haben. Das ist sehr zu begrüßen und auch sehr fair. Ich bitte Sie, mir die gleiche Fairness bezogen auf meine konkreten Ausführungen entgegenzubringen. Ich habe nämlich nicht gesagt, dass eine Steuerlast in dieser Höhe anfiele, sondern ich habe deutlich gemacht, dass das zu versteuernde Einkommen pro Monat um 500 Euro erhöht wird. Das heißt, diese 500 Euro erweitern die Bemessungsgrundlage. Nichts anderes habe ich hier dargestellt.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das wollte ich nur klargestellt haben!)

   Es ist auch klar, dass der Bereich des steuerfreien Existenzminimums, der nicht der Besteuerung unterliegt, in Ihrem Regime genauso behandelt wird wie in unserem. Insofern ist meine Sachdarstellung in jeder Hinsicht völlig korrekt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Pinkwart, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage, und zwar der Kollegin Hendricks?

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Ja, gerne.

Dr. Barbara Hendricks (SPD):

Herr Kollege Pinkwart, sind Sie zunächst bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Ihr Rechenbeispiel nicht zutrifft, weil in dem langen Zeitraum zwischen 2005 und 2015 die Grundfreibeträge gemäß der Maßgabe, die das Bundesverfassungsgericht vorgegeben hat, erhöht werden und infolgedessen Rentner, wenn ihre Einkünfte steigen, genauso wie Arbeitnehmer von der Erhöhung der Grundfreibeträge profitieren? Von daher kann Ihr Rechenbeispiel schon nicht zutreffend sein.

   Sind Sie mit mir im Übrigen der Auffassung, dass das von Ihnen vorgeschlagene einfache Modell den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes nicht entspricht, weil wir damit zwar im Jahre 2005 die Schere zwischen der Besteuerung von Beamtenpensionen und der von Renteneinkünften etwas schließen würden, sie sich danach aber wieder sukzessiv weiter öffnen würde? Infolgedessen würden wir den Forderungen des Bundesverfassungsgerichtes nicht entsprechen, wenn wir außer dem Grundfreibetrag, der sich auf alle Einkunftsarten auswirkt, einen steigenden Freibetrag für Rentner vorsehen würden, während wir ihn für Arbeitnehmer und Pensionäre nicht vorsehen.

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Frau Hendricks, zunächst einmal ist hier festzustellen, dass Ihr erster Einwand dem entspricht, der auch von Frau Scheel vorgetragen worden ist. Die Dynamisierung des Grundfreibetrages ist in unserem Konzept ebenso vorgesehen. Das heißt, meine Argumentation wird dadurch in keiner Weise entkräftet.

   Das weitere Problemfeld, auf das Sie hingewiesen haben, ergibt sich aus der Konstruktion, die Sie vorgelegt haben. Dieses Argument wäre kein Argument gegen unseren Vorschlag, weil wir diesen Punkt natürlich berücksichtigen würden. Gerade Sie, Frau Hendricks, müssen sich, da Sie ja auch das Finanzministerium vertreten, hier der berechtigten Kritik an dem Vorschlag, den Sie vorgelegt haben, stellen. Wir haben einen Gegenentwurf vorgelegt und Sie wiederholt darum gebeten, ihn durchzurechnen. Frau Scheel hat eben diesbezügliche Zahlen genannt, aber uns liegt bis heute dazu keine Antwort vor. Sie hätten sich ja ruhig substanziiert mit unserem Vorschlag auseinander setzen und in den Beratungen Ihre Einwände vortragen können.

Das haben Sie versäumt. Wir bringen unsere Kritik dort, wo sachlich diskutiert wird, und hier in gleicher Weise an.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Zuruf von der SPD)

- Wenn Sie sich mit einer Frage beteiligen wollen, können wir die Reihe der Zwischenfragen fortsetzen. Aber mit Blick auf meine Redezeit würde ich gerne fortfahren und noch einen oder zwei weitere inhaltliche Punkte ansprechen.

   Ein weiteres Problem, das wir haben - das klang auch in der Rede von Herrn Flosbach an -, ist die grundsätzliche Haltung der Regierungskoalition zum Eigentum, zu der Frage: Wie gestalten wir private, kapitalgedeckte Altersvorsorge? Bei dieser Frage waren wir in den Sachgesprächen teilweise schon viel weiter. In den Gesprächen gab es von Ihnen, jedenfalls gelegentlich, Hinweise, man könne über Teilkapitalisierbarkeit, über Vererbbarkeit nachdenken, wenn jemand zusätzlich privat vorsorgt. In den Endberatungen haben Sie diese Möglichkeiten der Flexibilisierung und der Steigerung der Attraktivität der privaten Altersvorsorge wieder zurückgenommen bzw. keine Bereitschaft gezeigt, sich darauf einzulassen.

   Sie wollen, wenn Sie ehrlich sind, die beiden Säulen der in Deutschland akzeptierten privaten Altersvorsorge, nämlich die Wohneigentumsbildung und die Kapitallebensversicherung, durch vielfältige Maßnahmen, die Sie hier im Hause vorlegen, im Kern erschüttern. Das ist doch Ihr Ansatz: Sie wollen die Eigenheimzulage abschaffen und gleichzeitig steuerliche Begünstigungen von Wohneigentum zur Altersvorsorge ausschließen. Sie wollen der Kapitallebensversicherung, die in Deutschland über 80 Millionen Mal vorhanden ist, die ein eingeführter Artikel der privaten Altersvorsorge ist, nicht nur die Privilegien entziehen - da würden wir mitgehen; das ist nicht der Punkt -, sondern sie ausweislich der Berechnungen des Finanzministeriums doppelt so hoch wie einfache Sparpläne und um ein Vielfaches höher als Aktienfonds besteuern. Das ist eine systematische Verweigerung gegenüber der in Deutschland praktizierten Form der privaten Altersvorsorge. Dagegen wehren wir uns massiv.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich möchte zum Abschluss etwas zu dem Vorgehen bei den weiteren Beratungen sagen. Von den fundamentalen Kritikpunkten hat Herr Flosbach viele angeführt, die CDU/CSU hat sie in ihrem Entschließungsantrag zum Ausdruck gebracht. Die FDP-Fraktion geht darüber noch hinaus, aber teilt diese berechtigten Bedenken. In Anbetracht der grundlegenden Probleme dieses Gesetzentwurfes müssen wir ihn hier ablehnen. Wenn wir es in Bezug auf diese Fragen ernst meinen, muss das Gesetz auch im Bundesrat angehalten werden. Wir erwarten von der Union das gleiche Verhalten im Deutschen Bundestag und im Bundesrat. Wir erwarten, dass im Vermittlungsausschuss in den zentralen Punkten dieses Gesetzentwurfes eine Nachbesserung erreicht wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Horst Schild, SPD-Fraktion.

Horst Schild (SPD):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Mit der heutigen Verabschiedung des Alterseinkünftegesetzes setzen wir einen Meilenstein in der Besteuerung der Alterseinkünfte. Das lassen wir uns auch nicht kleinreden.

(Beifall bei der SPD)

Wir beenden damit eine seit Jahrzehnten bestehende Unsicherheit in der Frage, wie Einkünfte im Alter zu besteuern sind. Allen, die dieses Thema in der Vergangenheit verfolgt haben, ist spätestens seit dem ersten Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahre 1980 klar geworden, dass wir politisch handeln müssen. Ich wiederhole hier ganz deutlich, was der Bundesfinanzminister gesagt hat: Die Union hat - dafür kann man Verständnis haben - in den 16 Jahren ihrer Regierungszeit nie die politische Kraft gehabt, dieses Problem zu lösen.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Das ist definitiv falsch!)

   Es ist völlig klar, dass der Einwurf „Petersberg“ kommen wird. Ich will gar nicht darauf zu sprechen kommen - das hat der Minister vorhin angesprochen -, zu welchem Zeitpunkt Sie das Thema aufgegriffen haben. Es war zum Ende Ihrer Regierungszeit; ein bisschen länger waren Sie ja dabei.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Das muss man trotzdem sagen!)

Aber all die Probleme, die insbesondere aus Ihren Reihen heute als Beleg dafür angeführt werden, dass Sie nicht zustimmen können, hätten wir - das sage ich in aller Deutlichkeit - auch bei 50 Prozent Ertragsanteil gehabt; das war ja Ihre Maßgabe. Keines der Probleme, die vor allen Dingen die Sozialpolitiker in Ihren Reihen heute benennen, wäre dadurch gelöst worden.

(Joachim Poß (SPD): So ist es!)

Ich gebe gern zu, dass das Alterseinkünftegesetz eine schwierige Materie darstellt. Es enthält auch unpopuläre Maßnahmen. Aber das Bundesverfassungsgericht hat uns einen Termin gesetzt und wir müssen jetzt handeln.

   Die Bereitschaft auf der Seite der Bundesregierung und der Koalitionsfraktionen, einen Konsens mit der Opposition herbeizuführen, war groß. Ich sage ganz freimütig: Mein Eindruck war, dass die Finanzpolitiker der Union und der FDP ernsthaft zu einer Zusammenarbeit bereit waren.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Den Eindruck hatte auch ich!)

   Herr Flosbach hat uns in der ersten Lesung im Dezember letzten Jahres eine konstruktive Zusammenarbeit angeboten, „damit über dieses Thema im Bundestag entschieden wird und wir uns damit nicht erneut lange im Vermittlungsausschuss beschäftigen müssen“. Wir haben zahlreiche Gespräche geführt - ich erinnere daran, dass es mindestens vier oder fünf Gespräche auf Arbeitsebene gegeben hat -, um zu einem Konsens zu kommen. Wir haben mit Rücksicht auf die Opposition sogar den Zeitpunkt der Verabschiedung dieses Gesetzes deutlich nach hinten verschoben.

   Dann wurde von der Parteiführung der CDU/CSU die Strategie festgelegt. Sie lautet, keine politische Mitverantwortung zu übernehmen - selbst an den Stellen, an denen wir kurz vor einer Einigung standen.

(Joachim Poß (SPD): So ist es!)

Sie wollen nämlich mit dem Thema Rentensteuer bei den kommenden Wahlen auf Stimmenfang gehen.

(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Es gibt keine sachlichen Gründe für Ihr Verhalten. Es ist zwar Ihr gutes Recht als Opposition, die Sache hintanzustellen. Aber eines muss man im Deutschen Bundestag dann deutlich sagen: Es sind nicht sachliche, sondern parteitaktische Gründe, die Ihr Verhalten bestimmen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Na, na!)

Sie wollen Rentner verunsichern und unberechtigte Ängste schüren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das macht auch Ihr Entschließungsantrag deutlich.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Nehmen Sie nur einmal die Kapitallebensversicherung!)

   Herr Kollege Flosbach, wir werden Ihrem Dokument des politischen Eiertanzes zur Befriedigung der unterschiedlichen Interessen in Ihren Reihen natürlich nicht zustimmen. Ich will in diesem Zusammenhang auf einige Ihrer Kritikpunkte eingehen. Sie sagen, das Alterseinkünftegesetz sei nicht eingebettet in ein schlüssiges Gesamtkonzept der Alterssicherung und Altersvorsorge.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist richtig!)

Der Bundesfinanzminister hat vorhin ganz deutlich gesagt: Unser Prinzip ist Nachhaltigkeit und Generationengerechtigkeit.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das glaubt Ihnen doch niemand mehr, Herr Schild! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Nur auf dem Papier!)

- Sie müssen das auch nicht, Herr Michelbach. Wir werden den Wählern deutlich machen, dass wir ein schlüssiges Gesamtkonzept haben.

   Ich will nicht weiter auf Ihr Konzept eingehen. Auch mir ist nicht ganz klar, was Sie wollen. Im Vergleich zu dem Gesetz, das der Deutsche Bundestag heute beschließen soll, wird ganz deutlich, dass Ihrem Konzept jede Logik, jede Stimmigkeit und jede politische Redlichkeit fehlt. Sie beklagen die Kompliziertheit dieses Gesetzentwurfes. Trotzdem haben Sie im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens mindestens fünf bis zehn Punkte eingebracht, die zur weiteren Verkomplizierung des Gesetzes geführt hätten.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht!)

Ich will gar nicht über das reden, was die FDP eingebracht hat.

   Ich will ein einfaches Beispiel für die Unstimmigkeit Ihrer Vorschläge anführen. Sie beklagen, dass wir den Bestandsschutz bei den Lebensversicherungen nicht in aller Konsequenz sicherstellen. Wir wollen, dass Lebensversicherungen, die bis zum 31. Dezember 2004 abgeschlossen werden, unter den Bestandsschutz fallen. Aber der Sonderausgabenabzug, der im Jahre 2014 ausläuft, kann nicht bestehen bleiben.

   Man könnte sich nun darüber unterhalten, was das für Konsequenzen hat; ich will in diesem Zusammenhang jetzt nicht über die finanziellen Probleme reden. Wer im Jahre 2004 eine Lebensversicherung abschließt, der wird diese Versicherung noch 20, 30 oder 60 Jahre haben. Wir müssten also für diesen langen Zeitraum im Einkommensteuergesetz ein eigenständiges Sonderausgabenabzugsrecht für diesen immer kleiner werdenden Personenkreis schaffen. Das soll ein Beitrag zur Steuervereinfachung sein? Das kann man zwar wollen. Aber dann darf man uns nicht vorwerfen, wir wollten eine komplizierte Regelung, wohingegen Sie eine einfache Regelung wollen.

   (Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist trotzdem ein Eingriff ins Eigentum!)

   Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Ihre politische Zielsetzung ist weiterhin - Kollege Meister hat das noch gestern im Finanzausschuss gesagt - die Öffnung der Produkte im Rahmen von § 10 Einkommensteuergesetz. Sie wollen mehr als die kapitalgedeckte Leibrente vorsehen. Aber Sie haben dazu im Finanzausschuss des Deutschen Bundestages keinen Antrag gestellt. Ich bitte darum, hier einmal zu erläutern, weshalb Sie dazu keinen Antrag stellen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch albern! - Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

- Sie haben keinen Antrag gestellt.

   Die Formulierungshilfe, die Sie erbeten haben, zeigt, weshalb nicht. Es wird nämlich deutlich, dass dies auf Dauer zusätzliche Steuerausfälle in Milliardenhöhe zur Folge hat. Auch Ihre Sozialpolitiker müssten zur Kenntnis nehmen: Je attraktiver in der ersten Säule die kapitalgedeckte Leibrente gestaltet wird, desto mehr Menschen ziehen sich aus dem Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung zurück. Das führt auch für dieses System zu Folgewirkungen. Ich vermute einmal: Auch das ist wieder ein Beleg dafür, dass Sie in Ihren Reihen keine Klarheit darüber haben, was Sie wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Die Rente muss auf drei Säulen stehen!)

   Dann werden weitere Popanze aufgebaut. Sie wollen beispielsweise das Wohneigentum in das vorliegende Gesetz integrieren.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Warum diskriminieren Sie das denn?)

In keinem der Gespräche, die wir auf der Arbeitsebene geführt haben, und in keiner der Beratungen des Finanzausschusses ist vonseiten der FDP oder der Union der Antrag gestellt worden,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist doch bei Riester eine lange Forderung!)

im Hinblick auf das Wohneigentum über das, was wir im Einkommensteuergesetz mit dem modifizierten Entnahmemodell festgelegt haben, hinauszugehen. Hier im Deutschen Bundestag sagen Sie aber : Die Nichtberücksichtigung des Wohneigentums ist einer der Punkte, weshalb die Union nicht zustimmen kann. - Das ist doch unredlich; das ist doch scheinheilig.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist doch bei Riester eine lange Forderung!)

   Sie suchen krampfhaft nach Möglichkeiten, um sich zu verstecken und sich hier im Deutschen Bundestag der Zustimmung zu diesem Gesetz, das notwendig ist und im Hinblick auf die Besteuerung der Alterseinkünfte und die Generationsgerechtigkeit ein Meilenstein ist, zu entziehen.

   In diesem Zusammenhang möchte ich auf den Vorsitzenden der Jungen Union verweisen - auch wir haben junge Leute in unserer Partei,

(Zurufe von der CDU/CSU: Wenige! - Ganz wenige!)

die bisweilen etwas sagen, was uns nicht gefällt -, der offensichtlich im Gegensatz zu vielen Mitgliedern der Bundestagsfraktion das Problem erkannt hat, als er gesagt hat, die Union müsse endlich auch dieses Thema angehen. Der junge Mann hat wenigstens verstanden, um was es dabei geht, nämlich um Generationengerechtigkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Man könnte noch lange über Ihren Entschließungsantrag sprechen. Aber eines will ich ganz deutlich machen: An einer Stelle wird kritisiert, dass mit diesem Gesetzentwurf hohe Steuerausfälle verbunden sind. Das ist richtig. Das geht auch nicht anders, wenn wir die zukünftigen Generationen Schritt für Schritt von den Aufwendungen für die gesetzliche, die betriebliche und die private Altersvorsorge entlasten wollen. Aber auf diesem Wege, mit dem, was wir der jungen Generation steuerlich bieten, schaffen wir Spielraum - wenn auch nicht im Jahre 2005, aber in den nächsten Jahren -, eine zusätzliche betriebliche und private Altersvorsorge zu betreiben.

   Meine Damen und Herren von der Union, der parteipolitische Formelkompromiss, der in Ihrem Entschließungsantrag zutage tritt, soll doch nur die unvereinbaren Positionen innerhalb der Fraktion, zwischen CDU und CSU und vielleicht auch zwischen Finanz- und Sozialpolitikern verdecken. Dies ist doch auch in der Vergangenheit deutlich geworden. Ich weiß nicht, ob das, was in der Presse steht, immer auf authentischen Aussagen beruht. Aber wir alle haben doch zur Kenntnis nehmen müssen, dass es offensichtlich zwischen dem stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der Union, der für Finanzen und Haushalt zuständig ist, und dem, der für die Sozialpolitik zuständig ist, unterschiedliche Auffassungen gegeben hat.

(Joachim Poß (SPD): Sie sind ja auch beide hier! Seehofer und Merz!)

Ich habe gelesen - wenn es denn wirklich so gesagt worden ist -, dass der eine Kollege über den anderen meint, dieser habe das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht recht verstanden. Wenn es so gesagt worden sein sollte, dann habe ich dafür große Sympathien; er hat in der Tat Recht.

   Es gelingt der Union einfach nicht, in der Sozial- und Finanzpolitik zu fundierten einheitlichen Positionen zu kommen. Deshalb ersetzen Sie die Sachpolitik durch parteitaktische Spielereien. Das müssen wir heute zur Kenntnis nehmen. Das ist die Ursache, warum sich die Union trotz weitgehender Fortschritte, die wir in den Gesprächen erzielt haben, nicht durchringen konnte, im Deutschen Bundestag Farbe zu bekennen. Es ist natürlich das Recht der Opposition, nicht Farbe zu bekennen, aber darauf muss man hier in diesem Hause auch ganz deutlich hinweisen dürfen.

(Beifall bei der SPD)

   Ich möchte jetzt ein paar Sätze zur Sache sagen

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Endlich!)

und deutlich machen, was wir mit diesem Gesetzentwurf erreicht haben.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

- Ihr Problem ist doch, dass Sie keine Entscheidungen treffen, weil Sie in Ihren Reihen zu keiner einheitlichen Lösung kommen. Deswegen muss man hier auch dazu etwas sagen. Denn die Bürger verstehen nicht mehr, was bei Ihnen abläuft.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie müssen zur Sache kommen!)

Aus den Zeitungskommentaren zu den parteitaktischen Spielchen, die hier betrieben werden, wird deutlich, dass die Bürger Ihre Spielchen nicht verstehen. Deswegen wollte ich darauf deutlich hinweisen.

   Wir sind uns darüber einig, dass der Systemwechsel hin zur nachgelagerten Besteuerung bei den Alterseinkünften - in den Petersberger Beschlüssen war er nicht enthalten - notwendig ist. Dieser Systemwechsel ist die angemessene Antwort auf unsere Probleme und er schafft den zukünftigen Generationen den Spielraum zur Vorsorge.

   Im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge sind wir entgegen dem, was die Kollegen Flosbach und Pinkwart gesagt haben, einen deutlichen Schritt vorangekommen. Bisher konnten wir uns nur im Rahmen des § 3 Nr. 63 Einkommensteuergesetz bewegen. Nur für den kleinen Personenkreis, der eine Direktversicherung abschloss, gab es die Möglichkeit der Pauschalbesteuerung auf der Grundlage des § 40 b Einkommensteuergesetz. Jetzt haben wir für jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer ein Volumen von über 4 000 Euro erreicht, das ist ein Fortschritt. Diejenigen, die fordern, diese müssten unbelastet bleiben, müssen sich angesichts der Lage der Sozialversicherungssysteme rechtfertigen; denn diese können keine zusätzlichen Ausfälle verkraften.

(Beifall bei der SPD)

   Lassen Sie mich ein paar Worte zur Kapitallebensversicherung sagen. Es ist zumindest zwischen Koalition und der Union unstrittig gewesen, dass es das bisherige Steuerprivileg zukünftig nicht mehr geben soll. Strittig war die Frage, welches Instrument man anwenden soll. Sie haben dazu einen Antrag gestellt, wir haben eine andere Position vertreten.

   Da hier so getan wird, als sei das der Tod der Lebensversicherung, möchte ich Folgendes sagen: Der Präsident der deutschen Aktuarsvereinigung, Herr Kurt Wolfsdorf - er ist vielen bekannt, er war Vorstandsmitglied eines großen Versicherungsunternehmens -, sagte gestern in der „FAZ“:

Die Kapitallebensversicherung ist auch ohne Förderung attraktiv.

Sie wird es auch weiterhin sein und wir werden den Lebensversicherungen, die die Voraussetzung der Altersvorsorge erfüllen, eine Progressionsmilderung bieten.

   Unser Gesetzentwurf führt zu einer verfassungskonformen Neuregelung. Wir haben damit den Auftrag des Bundesverfassungsgerichts - bedauerlicherweise ohne die Mithilfe der Opposition - erfüllt. Wir tragen die Verantwortung, wir nehmen sie wahr. Insbesondere die Verbesserungen im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge wurden - wie auch schon beim Altersvermögensgesetz - ohne Zutun der Union beschlossen. Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hat die Union leider nichts Neues zu bieten.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Georg Fahrenschon, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Georg Fahrenschon (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Schild, Lautstärke ersetzt Argumente nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Horst Schild (SPD): Aber man kann es hören! - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es war laut und argumentativ!)

Mir scheint, Sie haben versucht, mit Lautstärke die Tatsache zu überspielen, dass wir in der Zeit zwischen Dezember letzten Jahres - Vorlage des Entwurfs durch das Bundesfinanzministerium - und Anfang März, der Woche vor Ostern, von Ihrer Seite nichts, aber auch gar nichts an Änderungsvorschlägen auf den Tisch bekommen haben.

(Horst Schild (SPD): Er war schon vernünftig!)

- Lieber Herr Schild, Sie haben dreieinhalb Monate lang erklärt: Dieses Gesetz in der Fassung vom Dezember 2003 ist das beste, das es gibt, und es besteht kein Änderungsbedarf.

(Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Genauso war es!)

Gestern aber haben wir 50 Umdrucke durchgearbeitet und dieses Gesetz in wesentlichen Punkten verändert. Das muss hier einmal gesagt werden.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Dann stimmen Sie doch jetzt zu! - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es ist jetzt richtig gut geworden!)

Dreieinhalb Monate lang gab es keine Möglichkeit, mit den Bundestagsfraktionen von Rot und Grün und Vertretern des Bundesfinanzministeriums über die Sache zu reden. Das Höchste war, dass wir am Anfang der Berichterstattergespräche auf Ihren Wunsch hin die Vertreter des Bundesfinanzministeriums haben vor der Tür stehen lassen, damit wir uns in der Sache überhaupt bewegen konnten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Nun kommen Sie aus dem Schmollwinkel raus und machen Sie sachliche Arbeit!)

   Der Grund für dieses Verfahren liegt darin, dass sich Ihr Finanzminister überhoben hat. Er hat nicht nur versucht, das Urteil des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen, sondern er hat auch die deutsche Politik damit beglückt, sich mit der betrieblichen Altersvorsorge und einer Bastelstunde an der Riester-Reform zu beschäftigen. Das ist der zentrale Punkt von Eichel, einem Minister auf Abruf.

   Das Arbeitsmotto bezüglich dieses Gesetzes war wohl, alles irgendwann einmal anzusprechen, aber nichts wirklich zu Ende zu denken. Der Entwurf war unübersichtlich, kompliziert und hätte nicht zu einer Vereinfachung des Einkommensteuerrechts geführt. Wenn wir uns nicht in die Diskussion eingebracht hätten, wenn wir nicht wesentliche, fundierte Änderungsvorschläge entwickelt hätten, hätten wir heute überhaupt kein Problem, darzustellen, dass dieses Gesetz Unsinn und damit abzulehnen ist.

   Jetzt haben wir uns darauf eingelassen und - zugegeben - von unseren über ein Dutzend Änderungsvorschlägen haben Sie große Teile übernommen.

(Peter Dreßen (SPD): Dann können Sie auch Ja sagen!)

Sie stellen sich jetzt vor uns hin und sagen: Jetzt haben wir so viel von euch übernommen, jetzt müsst ihr zustimmen.

   Meine Damen und Herren, wir sind hier nicht auf dem Marktplatz. Wir haben abzuwägen und müssen feststellen, dass das Gesetz immer noch wesentliche Webfehler enthält. Deshalb werden wir als Teil des Bundestages dieses Gesetz heute ablehnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und der Bundesrat? - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Und wenn der Bundesrat die Webfehler akzeptiert? Das ist ein bisschen abstrus!)

   Ich will Ihnen gerne zumindest drei der zentralen Webfehler darstellen. Ein zentraler Webfehler dieses Gesetzes ist beispielsweise die Behandlung der kapitalgedeckten Altersvorsorge. Der Gesetzentwurf verkompliziert die kapitalgedeckte Altersvorsorge und macht sie insgesamt für den Bürger unattraktiver.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Leider wahr!)

   Nach geltendem Recht können Beiträge zur Kapitallebensversicherung im Rahmen der Vorsorgehöchstbeträge zu 88 Prozent steuermindernd berücksichtigt werden und die Auszahlung der während der Laufzeit angesammelten Erträge sowie der Schlussüberschussbeteiligung erfolgt für Verträge mit einer Mindestlaufzeit von zwölf Jahren steuerfrei. Dieses so genannte zweifache Steuerprivileg soll nach Ihrem Willen abgeschafft werden. Sie wollen auch die Begünstigung der Beitragszahlung für bestehende Verträge auslaufen lassen.

   Diese Änderungen führen zu einer Benachteiligung der Lebensversicherung gegenüber jeder anderen Art von Kapitalanlage.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Träte das Gesetz in Kraft, würde das faktisch das Aus für die Kapitallebensversicherung bedeuten. Die Lebensversicherungen wären in Deutschland nicht mehr wettbewerbsfähig.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Das ist genau der Punkt!)

   Sie müssen sich schon mit den Fakten konfrontieren lassen: Noch im Jahre 2003 haben 8,6 Millionen Deutsche Neuverträge abgeschlossen. Insgesamt gibt es in Deutschland 91,5 Millionen Lebensversicherungsverträge. Sie sagen, die Lebensversicherung sei überaltert, und bieten Ihr Riester-Alternativmodell an. Vergleichen wir doch einmal den Bestand von etwa 91 Millionen Lebensversicherungsverträgen mit den kümmerlichen 3 Millionen Menschen, die sich auf Ihr Riester-Konzept eingelassen haben. Stellt sich da wirklich noch die Frage, welches das bessere, wettbewerbsfähigere und zukunftsfähigere Modell ist? Die Antwort liegt auf der Hand: über 90 Millionen Lebensversicherungsverträge gegenüber kümmerlichen 3 Millionen Riester-Verträgen, wobei zehnmal so viele berechtigt wären.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das kann man doch so nicht vergleichen! Das ist doch Quatsch! Das ist doch kumuliert!)

- Doch, das muss man so darstellen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sie müssen doch einfach feststellen, dass die Menschen zwischen dem Altersvorsorgeprodukt Lebensversicherung und dem Altersvorsorgeprodukt Riester-Rente wählen, dass sie sich von der Riester-Rente abwenden und Ja zur Lebensversicherung sagen. Deshalb ist es an dieser Stelle ein zentraler Webfehler, dass Sie das Produkt Lebensversicherung kaputtmachen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Der zweite große Webfehler liegt tatsächlich in der Riester-Rente. Sie sind mit dem Anspruch angetreten, mit diesem Gesetz den Riester-Flop zu beheben; denn mit dieser ersten Jahrhundertreform, die Rot-Grün eingeleitet hat, sind Sie zu kurz gesprungen. Deshalb wollten Sie dieses Gesetz verbessern. Aber, meine Damen und Herren, was haben Sie getan? Erstens haben Sie einer alten Forderung der Union nachgegeben und endlich die Möglichkeit eines Dauerzulagenantrags zugelassen.

(Horst Schild (SPD): Na, bitte!)

Zweitens haben Sie versucht, die Regelungen der Riester-Rente zu vereinfachen. Zugegebenermaßen reduzieren Sie zwar die Anzahl der Kriterien von elf auf fünf. Aber gleichzeitig zur Reduktion der Kriterien führen Sie eine Berichtspflicht allgemeiner Art ein, die zur Folge haben wird, dass nicht nur die alten, bereits bestehenden Riester-Zertifikate neu angemeldet werden müssen - das ist, nebenbei gesagt, eine klassische Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für die Behörden, die die Riester-Verträge zu zertifizieren haben -, sondern dass zusätzlich auch ethische, soziale und ökologische Belange ausgewiesen werden müssen. Unter der Überschrift „Vereinfachung der Riester-Rente“ solche Berichtspflichten einzuführen, das ist ein Treppenwitz.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Damit wir uns nicht falsch verstehen, will ich Ihnen sagen: Wir können Ihre Initiative, was die Berichtspflicht hinsichtlich ethischer, sozialer und ökologischer Gesichtspunkte angeht, nachvollziehen. Wir sind auch nicht dagegen, dass die Anbieter diese Berichte formulieren. Aber das im Gesetz festzuschreiben ist der falsche Weg.

(Jörg van Essen (FDP): Ideologie!)

   Darüber hinaus stellt sich angesichts der aktuellen Lage in Deutschland die Frage, warum wir uns, wenn wir uns über ethische, soziale und ökologische Gesichtspunkte berichten lassen, nicht auch über die wirtschaftlichen Impulse einer solchen Anlage berichten lassen.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Stimmt! Sehr wahr!)

Wir müssten uns doch auch über die neuen Arbeitsplätze, die die Anlage geschaffen hat, berichten lassen.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Richtig!)

Wollen Sie sich wirklich nur über ethische, soziale und ökologische Aspekte berichten lassen? Wollen Sie nicht auch über neu geschaffene Arbeitsplätze informiert werden?

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Ja, der Katalog muss zwingend erweitert werden!)

Wenn wir also über Berichtspflichten reden, dann müssen wir uns auch über einen ordentlich abgestimmten Kanon unterhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Über die Einführung so genannter Unisextarife möchte ich hier gar nicht lange sprechen.

(Horst Schild (SPD): Ja, das hat ja auch schon Frau Eichhorn gemacht! Sie hat sich sehr positiv geäußert!)

- Denn, lieber Herr Schild, alle Beteiligten wissen, dass Sie dem Produkt Riester-Rente mit dieser Entscheidung erheblichen Schaden zufügen. Statt einen Neustart zu unternehmen - wie das von Ihnen geplant ist -, tragen Sie dazu bei, dass die Riester-Rente endgültig zum Rohrkrepierer wird.

(Horst Schild (SPD): Nein!)

- Doch, lieber Herr Schild.

(Horst Schild (SPD): Was sagen denn Ihre Frauen dazu?)

Der wesentliche Grund dafür ist, dass Sie daran gescheitert sind, die Riester-Rente zu öffnen. Denn wenn Sie die Riester-Rente für Selbstständige geöffnet hätten, denen Sie nach wie vor den Zugang zu Riester-Produkten verwehren, hätte man noch über eine Regelung sprechen können. Aber Sie tun Folgendes: Sie verschlechtern für die Selbstständigen in Deutschland die Möglichkeit, für ihre Altersvorsorge Lebensversicherungen zu nutzen und sperren Sie aus der Nutzung des Riester-Konzepts aus.

(Horst Schild (SPD): Wir öffnen ein neues Produkt der Kapitallebensversicherung!)

Damit benachteiligen Sie die Selbstständigen in Deutschland. Meine Damen und Herren, Respekt und herzlichen Glückwunsch zu diesem grundsätzlichen Ansatz!

   Schlussendlich lassen Sie durch Ihren Entwurf die zentrale Chance in dieser Legislaturperiode für den Finanzplatz Deutschland verstreichen. Der Begriff „Leibrente“ als einzige staatlich bzw. steuerlich begünstigte Altersvorsorge ist viel zu eng gefasst.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): So ist das!)

Angesichts des Effektes des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung werden in Zukunft alle Vorsorgeprodukte, die vererblich, übertragbar, beleihbar, veräußerbar und kapitalisierbar sind, benachteiligt.

(Horst Schild (SPD): Wir wollen Sicherheit im Alter schaffen!)

Das schädigt den Finanzplatz Deutschland, weil Sie den Wettbewerb, statt ihn auch bei der Altersvorsorge zuzulassen, aussperren. Sie haben sich dagegen entschieden, eine Vielzahl von Anlageprodukten zuzulassen und den damit einhergehenden Wettbewerb auch in Deutschland zuzulassen.

Auch hier haben die Selbstständigen das Nachsehen: Sie haben keinen Zugang zur Riester-Rente und der enge Begriff der Leibrente führt zu einer Diskriminierung der Vermögensbildung.

   Das sind drei zentrale Webfehler, die uns dazu führen, dass wir sagen müssen: Dieses Gesetz ist Ausschussware mit groben Webfehlern und wir werden dem nicht zustimmen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Alterssicherung ist Vertrauenssache. Deshalb muss die rentenpolitische Flickschusterei, die die Bundesregierung seit mittlerweile fünf Jahren betreibt, endlich beendet werden. Die Menschen wissen doch heute nicht mehr, wie viel Geld ihnen im Alter zur Verfügung stehen wird. Sie warten darauf, dass endlich ein Konzept vorgelegt wird, das deutlich macht, welchen Produkten sie vertrauen können und wie sie die zu erwartenden Ausfälle durch den Zusammenbruch des gesetzlichen Rentenversicherungssystems kompensieren können.

   Das Gesetz zur Neuordnung der einkommensteuerrechtlichen Behandlung von Altersvorsorgeaufwendungen und Altersbezügen wird diesem Anspruch in keiner Weise gerecht; es ist letztendlich nur ein weiterer Beitrag zur Komplizierung unseres Steuerrechts.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Christel Humme, SPD-Fraktion.

Christel Humme (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kollegen! Liebe Kolleginnen! Wenn man die Debatte so verfolgt, muss man feststellen, dass eine Tatsache völlig unterzugehen scheint: Heute ist ein guter Tag, denn wir machen die Riester-Rente attraktiver.

(Beifall bei der SPD - Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP))

Wir verankern in der Riester-Rente endlich gleiche Tarife für Männer und Frauen. Das heißt, um 15 Prozent höhere Beiträge für Frauen bei gleicher Leistung wird es zukünftig in der Riester-Rente nicht mehr geben.

(Beifall bei der SPD)

Das ist gut so, schließlich wird diese Säule der privaten Altersvorsorge durch öffentliche Mittel, durch Steuergelder, gefördert.

   Gleiche Tarife für Männer und Frauen gebieten uns der Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes und unser Wissen, dass ausnahmslos alle für ihr Alter zusätzlich zur gesetzlichen Rente vorsorgen müssen. Diese wichtigen Gründe waren ausschlaggebend für unsere Entscheidung, diese Gründe führten aber auch dazu, dass es im Bundestag dafür eine breite Mehrheit - die heute leider gar nicht zum Ausdruck kommt - gegeben hat. Nicht nur Männer und Frauen von Rot-Grün haben dafür gestritten, nein, ich weiß genau: Für gleiche Tarife für Männer und Frauen in der Riester-Rente haben sich auch Männer und Frauen der Union und Männer und Frauen der FDP eingesetzt. Damit haben wir gemeinsam ein gutes Stück Geschlechtergerechtigkeit erreicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich hätte mir gewünscht, dass auch diese Stimmen von Ihrer Seite heute hier zu Wort gekommen wären;

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Wir haben das in der Fraktion einstimmig abgelehnt!)

denn diesen Männern und Frauen, die mitgestritten haben, danke ich an dieser Stelle recht herzlich.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, in der Tat machen wir die Riester-Rente mit den so genannten Unisextarifen attraktiver. Frauen sind hierbei die Gewinnerinnen; das haben wir politisch so gewollt.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Wo es Gewinner gibt, gibt es auch Verlierer!)

Unser Ziel war und ist weiterhin die eigenständige Alterssicherung für Frauen. Die Rentenreform 2001 war dafür ein entscheidender Schritt. Die Unisextarife sind der konsequente zweite Schritt auf dem Weg zur eigenständigen Alterssicherung für Frauen.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Alles Placebos!)

Gerade Frauen können sich nicht mehr auf die gesetzliche Rentenversicherung allein verlassen. Sie brauchen mehr noch als Männer ein zweites Rentenstandbein; denn aufgrund von Kindererziehung, Pflege und unterdurchschnittlichem Einkommen sind ihre gesetzlichen Rentenansprüche in der Regel geringer. Weniger Einkommen aber und noch dazu höhere Beiträge - mit dieser doppelten Benachteiligung von Frauen machen wir endlich Schluss.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Unsere Entscheidung für Unisextarife - das haben wir auch heute Morgen gesehen - hat für viel Aufregung gesorgt, was mich schon ein bisschen verwundert. Vom Schlag gegen die Riester-Rente, vom Sargnagel für das Riester-Geschäft, gar vom Todesstoß für die Riester-Rente, Herr Flosbach, war hier die Rede. Vertreter der konservativen Medien und der Versicherungswirtschaft lieferten sich regelrecht einen Wettstreit um den dramatischsten Kommentar - und das, obwohl 12,7 Millionen potenzielle Kundinnen geworben werden könnten, wenn man nur wollte. Herr Fahrenschon, Unisextarife bedeuten nicht den Tod der Riester-Rente, sondern das Gegenteil.

(Georg Fahrenschon (CDU/CSU): Wir werden es sehen!)

   „Frauen leben länger und müssen deshalb höhere Beiträge zahlen“, mit dieser Logik macht es sich die Versicherungswirtschaft viel zu einfach. Die Lebenserwartung hängt nicht alleine vom Geschlecht ab, sondern von einem Bündel von Einflussfaktoren. Deshalb haben die USA unterschiedliche Tarife für Männer und Frauen schon längst abgeschafft, und zwar für alle privaten Versicherungsverträge.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

   Vom Todesstoß für die Riester-Rente zu sprechen, wenn Frauen die berechtigte Forderung nach gleichen Lebenschancen erheben, offenbart ein Rollenverständnis, das es zwar immer noch gibt, das aber schon längst überholt ist. Bei diesem Rollenverständnis wird davon ausgegangen, dass es einer Frau dann am besten geht, wenn ihr Mann gut versorgt ist. Liebe Kollegen, liebe Kolleginnen, wen kümmert das Anrecht von Frauen auf eigene Rentenansprüche? Wen kümmern die vielen allein stehenden Frauen, die, selbst wenn sie es wollten, nicht durch einen Mann versorgt werden? Ich sage Ihnen: Uns kümmert das. Auch deshalb haben wir für gleiche Tarife für Männer und Frauen in der Riester-Rente gesorgt.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Andreas Storm, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Andreas Storm (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! In welchem rentenpolitischen Umfeld findet die heutige Debatte eigentlich statt? - Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik wurde innerhalb von so kurzer Zeit eine solche Vielzahl von Belastungen für Rentnerinnen und Rentner beschlossen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Weil Sie in Ihrer Regierungszeit nichts gemacht haben!)

Von Rot-Grün kommt alle drei Monate eine neue Hiobsbotschaft. 1. Januar 2004: Verdopplung der Krankenkassenbeiträge bei Betriebs- und Versorgungsrenten. 1. April 2004 - das ist erst drei Wochen her -: Verdoppelung des Pflegebeitrags für Rentnerinnen und Rentner, was im Klartext eine Kürzung der Renten um 0,85 Prozent bedeutet. 1. Juli 2004: Die jährliche Rentenanpassung fällt in diesem Jahr aus. Das, was Sie Nullrunde nennen, ist vor dem Hintergrund der Rentenkürzung durch die Erhöhung des Pflegebeitrags vor drei Wochen in Wirklichkeit ein klare Minusrunde.

   Damit ist das Ende der Fahnenstange aber noch lange nicht erreicht. Vor sieben Wochen hat Rot-Grün hier im Deutschen Bundestag eine neue Rentenformel beschlossen, welche die Rentenentwicklung bis zum Jahr 2010 weit von der Lohnentwicklung der Beitragszahler abkoppelt. Legt man die Wachstumsprognose zugrunde, die die führenden Wirtschaftsforschungsinstitute vorgestern vorgelegt haben, bedeutet das im Klartext, dass sich die Rentnerinnen und Rentner im kommenden Jahr auf eine weitere Nullrunde einstellen müssen.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): So ist es!)

Da helfen auch alle wachsweichen Dementis des Sozialministeriums nicht weiter, Frau Schmidt: Dadurch, dass Sie den Nachhaltigkeitsfaktor auf den Riester-Faktor draufschlagen, bleibt für eine Rentenerhöhung so gut wie kein Spielraum. Eine solche Kumulation von Belastungen innerhalb von wenigen Monaten ist in der deutschen Sozialgeschichte beispiellos.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist das Umfeld, in dem wir heute über das Alterseinkünftegesetz zu entscheiden haben.

   Worum geht es bei diesem Alterseinkünftegesetz? Natürlich liegt der Schwerpunkt des Gesetzes auf der Neuregelung der Rentenbesteuerung. Hinsichtlich des Übergangs zur nachgelagerten Besteuerung herrscht in der Tat über die Fraktionsgrenzen hinweg eine grundsätzliche Übereinstimmung; es war schließlich eine langjährige Forderung von uns.

   Das ist aber nur die eine Seite der Medaille. Die andere Seite der Medaille betrifft die dringend erforderliche Ausweitung der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge neben der gesetzlichen Rentenversicherung.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

An dieser Stelle wäre dringend Klarheit und Verlässlichkeit geboten gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Nach Ihrem Notsparpaket vom vergangenen November und dem so genannten RV-Nachhaltigkeitsgesetz vom März 2004 beraten wir heute mit dem Alterseinkünftegesetz bereits das dritte Teilstück Ihrer Rentenreform. Eine Gesamtkonzeption ist in diesem Dreiklang allerdings nicht zu erkennen. Im Gegenteil: Kein Element passt zum anderen. Sie haben die einmalige Chance vertan, eine umfassende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge sowie eine Neuregelung der steuerlichen Behandlung der Alterseinkünfte aus einem Guss vorzulegen. Gefordert wäre eine Reform, bei der die Statik des Gesamtgebäudes der reformierten Alterssicherung trägt. Stattdessen haben Sie bei der gesetzlichen Rentenversicherung mit der Abrissbirne begonnen, bevor überhaupt genügend Bautrupps für den Aufbau der ergänzenden Vorsorge bereit standen. Dieser Dilettantismus betrifft alle Bewohner des Gebäudes, sowohl die Rentnerinnen und Rentner als auch die junge Generation, die Beitragszahler.

   Mit der im vergangenen Monat beschlossenen Rentenreform und der Neuregelung der Rentenbesteuerung, die heute beschlossen wird, sinkt das Nettorentenniveau für die jüngere Generation von heute etwa zwei Drittel auf nur noch die Hälfte ab. Das ist ein rentenpolitischer Paradigmenwechsel.

(Jörg van Essen (FDP): Ja!)

Damit nehmen Sie endgültig Abschied vom Ziel einer Lebensstandard sichernden Rente. Die Wahrheit ist: Die gesetzliche Rente hat für die jüngere Generation nur noch den Charakter einer beitragsfinanzierten Basissicherung.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sand in die Augen streuen! - Hans Michelbach (CDU/CSU): An die private Vorsorge gehen sie auch noch!)

   Angesichts dieses Paradigmenwechsels bezüglich des Sicherungsziels muss den Jüngeren unmissverständlich und klar gesagt werden, dass sie ergänzend vorsorgen müssen. Deswegen müssen gleichzeitig die notwendigen Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit eine flächendeckende ergänzende Altersvorsorge rasch aufgebaut werden kann. Wenn dies nicht gelingt, dann werden bereits heute die Ursachen für die Altersarmut von morgen gelegt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Um diese Wahrheit haben Sie sich vor sieben Wochen mit Ihrem bizarren Streit um die Höhe von Rentenniveau und Beitragssatz herumgedrückt. Mit den unhaltbaren Versprechungen zum Sicherungsniveau der gesetzlichen Rente wiegen Sie die Menschen einmal mehr in einer falschen Sicherheit. Man braucht sich auch nicht über die mangelnde Akzeptanz der ergänzenden Vorsorge in der Bevölkerung zu wundern; denn - das hat heute Morgen schon mehrfach eine Rolle gespielt - die bisherige Bilanz der Riester-Rente ist mehr als enttäuschend. Sie ist weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Die Abschlusszahlen verharren bei 4 Millionen. Gleichzeitig wissen wir, dass bisher nur etwa 1,5 Millionen Berechtigte ihren Zulagenantrag auf Förderung gestellt haben. Daran wird deutlich: Dieses Verfahren wird von den Menschen im Moment nicht angenommen.

   Mit der Einführung des Dauerzulagenantrags haben Sie einen Webfehler korrigiert. Das halten wir für richtig, das war eine richtige Entscheidung. Sie glauben aber doch wohl nicht ernsthaft, dass die Riester-Rente allein durch diese Maßnahme und wenige andere Korrekturen zu einem Renner wird. Lassen Sie die Zahlen aus der Versicherungswirtschaft einmal ganz nüchtern auf sich wirken: Im Jahre 2003 wurden nur noch 500 000 Riester-Verträge abgeschlossen. In diesem Jahr wird es eine weitere Abwärtsbewegung geben.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das Einzige, was Sie kennen, sind die Zahlen der Versicherungswirtschaft!)

- Herr Kollege Schmidt, das bedeutet im Klartext: Wenn es so weitergeht, dann werden Sie es nicht annähernd schaffen, dass nach diesem Jahrzehnt möglichst jeder über eine ergänzende Altersvorsorge verfügt.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Leider wahr!)

Wenn das nicht gelingt, dann ist das nicht nur ein Problem für Rot-Grün. Es ist eine zentrale sozialpolitische Herausforderung für uns alle;

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Reden Sie es doch nicht länger schlecht! Machen Sie doch mit!)

   denn die Antwort auf die Frage, ob die Jüngeren im Jahre 2030 oder 2040 eine ausreichende Alterssicherung haben, hängt davon ab, ob wir in diesen Monaten die richtigen Weichenstellungen treffen. Davon sind wir meilenweit entfernt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Man muss sich doch einmal überlegen, warum die Menschen das Angebot der Riester-Rente aus Ihrer Rentenreform im Jahre 2001 bisher nicht annehmen. Das liegt daran, dass Ihre Konzeption an den Bedürfnissen vieler Menschen vorbeigeht. Die Frage, was Altersvorsorge ist, deckt sich nicht unbedingt mit dem, was in einigen Lehrbüchern einiger Ihrer Berater steht. Warum überlassen Sie es den Menschen nicht selbst, wie sie für das Alter vorsorgen wollen? Ein entscheidender Punkt ist, dass die Menschen mehr Freiräume haben wollen. Nur dann werden sie ermutigt, für ihre eigene Vorsorge mehr zu tun.

   Zu diesen Freiräumen gehört beispielsweise die Möglichkeit für ein so genanntes Teilkapitalwahlrecht. Wenn sie für das Alter Geld ansparen, ist es für viele Bürger wichtig, dass sie am Beginn des Ruhestandes selbst entscheiden können, ob ein Teil des angesparten Kapitals zur freien Verfügung steht. Klar ist, dass natürlich der größere Teil in monatlichen Rentenzahlungen ausgezahlt werden muss. Aber eine gewisse Entscheidungsfreiheit über das selbst angesparte Kapital ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Menschen diese Altersvorsorgeprodukte annehmen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Andreas Pinkwart (FDP))

   Das gilt auch für einen weiteren Punkt. Viele Menschen wollen, wenn ihnen etwas passiert, mehr Sicherheit für ihre Angehörigen. Dazu gehört neben mehr Flexibilität bei der Altersvorsorge auch die Möglichkeit der Vererbbarkeit des angesparten Altersvermögens. Ihr Alterseinkünftegesetz lässt als steuerlich begünstigte Altersvorsorgeprodukte aber nur eng definierte Versicherungsprodukte zu. Wenn dann auch noch mit der Abschaffung des Steuerprivilegs für die Kapitallebensversicherung weit über das Ziel hinausgegangen wird, dann brauchen Sie sich nicht zu wundern, wenn wir als Ergebnis dieser Gesetzgebung in zwei oder drei Jahren wahrscheinlich feststellen müssen: Am Ende steht nicht mehr, sondern möglicherweise sogar weniger an privater Vorsorge als jetzt.

   Ein weiterer entscheidender Punkt ist die Frage: Wie schaffen wir es, dass wieder mehr betriebliche Altersvorsorge aufgebaut wird? Die Rahmenbedingungen für die betriebliche Altersvorsorge werden von Ihnen nicht nur nicht verbessert, sondern sogar noch verschlechtert. Die attraktive Pauschalbesteuerung soll abgeschafft werden. An ihre Stelle rückt zwar ein Freibetrag von 1 800 Euro. Aber warum waren Sie eigentlich nicht bereit, unseren Vorschlag aufzugreifen, neben dem Steuerfreibetrag von 4 Prozent für vom Arbeitnehmer finanzierte Beiträge weitere 4 Prozent aufzunehmen, die es dem Arbeitgeber ermöglichen, sich an der Altersvorsorge weiter zu beteiligen? Dies wäre ein klares Signal: Wir brauchen mehr betriebliche Altersvorsorge.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Eine entscheidende Frage ist offen geblieben: Wie schaffen wir es, dass nach Möglichkeit jeder Arbeitnehmer bis zum Jahr 2010 ergänzend vorsorgt? Es gibt innovative Vorschläge, zum Beispiel den der Bertelsmann-Stiftung, nach dem beim Abschluss eines Arbeitsverhältnisses regelmäßig eine Entgeltumwandlung vorgenommen werden soll. Es soll aber auch die Möglichkeit geben, dass der Arbeitnehmer sich dafür entscheiden kann, davon keinen Gebrauch zu machen und den Lohn vollständig ausgezahlt zu bekommen. Mit einem solchen Modell würde die Entgeltumwandlung zum Regelfall. Wir würden so erreichen, dass die betriebliche Altersvorsorge innerhalb von ganz kurzer Zeit eine sehr viel breitere Grundlage als heute bekommt. Das wäre ein innovativer Ansatz, der die Sache rund machte. Aber davon ist in Ihrem Gesetzentwurf weit und breit nichts zu finden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sie werden sich nach dieser Debatte wahrscheinlich zurücklehnen, weil Sie meinen, Sie hätten Ihre Hausaufgaben bei der Rente gemacht. Weit gefehlt! In Wahrheit brauchen wir eine grundlegende Neukonzeption der ergänzenden kapitalgedeckten Altersvorsorge. Die kapitalgedeckte Altersvorsorge muss zu einer echten Förderrente für die gesamte Bevölkerung werden. Die Frage muss beantwortet werden, was Altersvorsorge in Zukunft leisten soll und welche Anforderungen an Altersvorsorgeprodukte zu stellen sind. Dazu fehlen Ihnen offenbar die Kraft und die Einsicht.

   Es ist klar: Dieses Gesetz ist wie seine beiden Vorgänger keine Blaupause für eine nachhaltige Reform der Alterssicherung in Deutschland. Die Halbwertszeit der Reformen von Rot-Grün nimmt von Reform zu Reform weiter ab. Wir befinden uns nicht am Ende der Debatte über die Neuordnung der Alterssicherung. Im Gegenteil: Mit diesem Gesetz wird die Debatte neu eröffnet.

Sie haben eine riesige Chance vertan. Keine der grundlegenden Fragen ist ausreichend beantwortet.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): So ist es!)

Deshalb wird es spätestens nach der Bundestagswahl 2006 einen neuen Anlauf für eine grundlegende Reform der gesetzlichen Rentenversicherung und der ergänzenden privaten und betrieblichen Vorsorge geben müssen.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Das wäre zu spät!)

Wir sind dazu bereit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Gute Rede, aber etwas mehr Mut, Herr Storm!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Mit dem vorliegenden Gesetz will die Regierungskoalition ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts umsetzen. Die CDU verbiegt sich seit Tagen, weil sie nicht den Mut hat, den Menschen zu sagen, was sie ihnen zumuten will. Deshalb will die CDU - das ist schon von den Kollegen der FDP angesprochen worden - das Gesetz hier im Bundestag ablehnen und im Bundesrat passieren lassen. Es ist schon auffällig, dass sich die CDU ständig hinter der Regierung versteckt

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Die PDS lehnt das auch im Bundesrat ab? Das ist gut! - Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Was wollen Sie denn?)

und glaubt, mit Tricks eine saubere Weste behalten zu können. Warum haben Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der CDU, nicht den Mut, den Menschen zu sagen, dass Sie in vielen Fragen Teil einer großen Koalition mit SPD und Grünen sind?

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Was mich aber viel mehr bewegt und was alle Abgeordneten viel mehr bewegen sollte, ist die Frage, auf welcher Zahlengrundlage wir entscheiden. Stimmen eigentlich die Zahlen, die uns die Regierung vorlegt? Ich will Ihnen an einem Beispiel erläutern, warum man sehr misstrauisch sein sollte.

   Die Bundesregierung schaltete am 9. März 2004 für knapp 1 Million Euro Anzeigen in den großen Tageszeitungen mit der Überschrift: „Heute verlässlich für morgen. Die Rente.“ Nun kann man erst einmal kommentieren: Die Rente ist genauso wenig verlässlich wie die Zahlen, die Sie verwenden. In der Anzeige gab die Regierung nämlich vor, in einer Grafik das Verhältnis der Anzahl der Beitragszahler zu den Rentnern darstellen zu wollen. Das mutete sehr dramatisch an. Während im Jahr 2000 noch 4,13 Beitragszahler einen Rentner finanzieren, wären es im Jahr 2020 nur noch 2,9. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ schrieb dazu - ich zitiere mit Erlaubnis des Präsidenten -: „Das ist ganz schön erschreckend - und erschreckend falsch.“

   Frau Ministerin Schmidt hat nämlich nicht die Beitragszahler, sondern die 15- bis 65-Jährigen zur Grundlage ihrer Berechnungen genommen und dadurch den Quotienten völlig zerzerrt. Ich wollte mit einer Anfrage ein mögliches Missverständnis aufklären, doch es stellte sich heraus, dass die Ministerin bewusst falsche Zahlen verwandte. Hätte die Regierung nämlich die verfügbaren Zahlen vom Verband der Rentenversicherungsträger genommen, dann wäre die schön-schaurige Prognose nicht möglich gewesen.

   Jeder kann einmal eine Zahl verwechseln. Das ist nicht so schlimm. Aber schlimm ist es schon, wenn man falsche Zahlen verwendet, um ein bestimmtes politisches Ziel zu verfolgen. In diesem Fall war das politische Ziel, die Rentenkürzung mit falschen Zahlen zu begründen und den Menschen Angst zu machen. Besonders kritikwürdig finde ich es, wenn man beim Verwenden falscher Zahlen ertappt wird und dann nicht einmal den Mut hat, die Bürgerinnen und Bürger über diese Falschinformation zu informieren und sie richtig zu stellen. Ich bin als Einzelabgeordnete nicht in der Lage, jede Zahl, die die Bundesregierung präsentiert, auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen.

(Zuruf von der SPD: Warum behaupten Sie das denn?)

Dazu müssten einzelne Abgeordnete mit mehr Kontrollrechten ausgestattet sein, was die Mehrheit in diesem Hause verhindert.

   Mit diesem Gesetz soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts umgesetzt werden. Wir werden erleben, dass es den Bundesrat passiert. Ich möchte allerdings daran erinnern, dass wir grundlegende Veränderungen im Rentensystem brauchen. Die PDS hat ein Konzept für ein gerechtes Rentensystem vorgelegt, das eine Rente von allen für alle ermöglichen würde. Das ist die Kernforderung. Wir müssen dafür sorgen, dass wieder mehr Menschen in die Rentensysteme einzahlen können. Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen vernünftige Arbeitsverhältnisse haben und dass sie nicht in Minijobs und Ich-AGs gedrängt werden. Dann wird es auch möglich sein, eine Rente von allen für alle auskömmlich zu finanzieren.

   Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Erika Lotz, SPD-Fraktion.

Erika Lotz (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Storm, es ist zwar das gute Recht der Opposition, Kritik zu üben, aber dass Sie sich jetzt einen schlanken Fuß machen wollen und beklagen, dass Rentner und Rentnerinnen, die Betriebsrenten beziehen, mit der Pflegeversicherung belastet werden, obwohl das entsprechende Gesetz von uns seinerzeit gemeinsam im Konsens erarbeitet worden ist, erachte ich als bodenlos.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Andreas Storm (CDU/CSU): Die Betriebsrenten ja, die Pflegeversicherung nicht!)

Wir stimmen schließlich auch nicht der Einführung einer Praxisgebühr zu, um hinterher zu erklären, das sei die Praxisgebühr der CDU/CSU. Es ist schlimm, was Sie sich hier geleistet haben und dass Sie jetzt versuchen, sich einen schlanken Fuß zu machen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Storm?

Erika Lotz (SPD):

Nein, der Kollege ist mir zu unsachlich.

(Beifall bei der SPD - Lachen und Widerspruch bei der CDU/CSU)

Ich habe Herrn Storm schon heute Morgen um sechs Uhr im Rundfunk gehört. Da gingen seine Äußerungen in eine ähnliche Richtung.

   Wir beraten heute den Entwurf des Alterseinkünftegesetzes. Mit diesem Gesetzentwurf setzen wir das Bundesverfassungsgerichtsurteil aus dem Jahr 2002 um. Das ist übrigens nicht die erste Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, die die Alterseinkünfte betrifft. Wir müssten uns heute nicht damit beschäftigen, wenn die Opposition in der Vergangenheit in ihrer Regierungsverantwortung die Hausaufgaben gemacht hätte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir alle sind uns darin einig, dass die derzeitige Rentenversicherung nicht mehr den Lebensstandard sichert und dass zusätzlich eine betriebliche und private Altersvorsorge notwendig ist. Finanzminister Eichel hat heute schon über die staatlich geförderte Riester-Rente gesprochen, die von Rot-Grün eingeführt worden ist. Wir helfen damit den Arbeitnehmern, eine private Altersversorgung aufzubauen. Das haben Sie aufseiten der Opposition seinerzeit versäumt.

   Allen Unkenrufen zum Trotz bestätigen uns die Zahlen, dass dieses Angebot angenommen wird. Während im April 2001 erst 29 Prozent der Beschäftigten Verträge über eine zusätzliche Altersvorsorge abgeschlossen hatten, verfügten im März 2003 - nur knapp zwei Jahre später - bereits 57 Prozent aller versicherungspflichtigen Beschäftigten über eine entsprechende zusätzliche Absicherung. In diesem Zusammenhang sollten die circa 4 Millionen im Rahmen der Riester-Rente abgeschlossenen Verträge nicht verschwiegen werden.

   Damit haben inzwischen fast 20 Millionen Beschäftigte Anspruch auf eine zusätzliche Altersversorgung. Das ist aus meiner Sicht durchaus ein Erfolg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Im Übrigen hat es auch bei der Einführung der vermögenswirksamen Leistungen eine Zeitlang gedauert, bis die Menschen dieses Angebot in Anspruch genommen haben.

   Ich erinnere des Weiteren daran, dass Herr Laumann im Wahlkampf 2002 durch die Lande gezogen ist, um die Menschen davon abzuhalten, Verträge zur Riester-Rente abzuschließen, mit der Begründung, dass sich bei einem Regierungswechsel wieder alles ändern würde.

(Horst Schild (SPD): Unverantwortlich war das!)

   Das ist eine Erfolgsgeschichte, die man nicht kleinreden sollte.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Indem man sie kleinredet, trägt man nicht dazu bei, dass die Menschen Verträge zur Altersvorsorge abschließen.

   Ich möchte noch eine weitere Maßnahme herausstellen. Von den Beschäftigten wird heutzutage eine immer größere Flexibilität verlangt. Ein Jobwechsel ist mittlerweile fast eine notwendige Alltäglichkeit geworden. Aber was wird bei einem Jobwechsel aus der angesparten betrieblichen Altersvorsorge? In den allermeisten Fällen konnten die Anwartschaften nicht zum neuen Arbeitgeber mitgenommen werden. Die Folge war eine unübersichtliche Aufsplitterung des Betriebsrentenanspruchs in viele Kleinstansprüche. Dies hat die Wechselbereitschaft der Arbeitnehmer nicht gerade erhöht. Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf erleichtern wir es, bei einem Betriebswechsel die Betriebsrentenanwartschaften zum neuen Arbeitgeber mitzunehmen, wenn darüber Einvernehmen erzielt wird.

   Die Union hat in der Vergangenheit - das zog sich auch heute durch die Debatte - die Vereinfachung der Riester-Rente gefordert. Herr Flosbach hat die Kompliziertheit der Regelungen beklagt. Dem ist entgegenzuhalten, dass wir die Regelungen mit dem vorliegenden Gesetzentwurf vereinfachen.

(Klaus-Peter Flosbach (CDU/CSU): Ach, Quatsch!)

   Die Zahl der Zertifizierungskriterien wird von elf auf fünf verringert und - auch das wird von Ihnen begrüßt - ein Dauerzulagenantrag wird eingeführt.

(Beifall bei der SPD)

Die Zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen wird die beitragspflichtigen Einnahmen prüfen; dies muss dann nicht mehr im Antrag ausgefüllt werden.

Ein einheitlicher Sockelbetrag wird zu mehr Transparenz und Sicherheit führen. Das alles sind Neuerungen. Die Anbieter müssen nun bei Vertragsabschluss die effektive Gesamtrendite des Produkts nennen. Damit wird für direkte Vergleichbarkeit der Riester-Angebote gesorgt. Das ist im Interesse derjenigen Arbeitnehmer, die Altervorsorgeverträge abschließen wollen. Deren Interessen haben wir im Auge.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Opposition, Ihrer lang erhobenen Forderung nach Vereinfachung der Riester-Rente sind wir also nachgekommen. Deshalb können Sie heute auch zustimmen.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

Wenn Sie das aber nicht tun, dann muss ich feststellen, dass Sie nicht wissen, was Sie wollen, und dass Sie offensichtlich auch nicht wissen, was Sie tun. Sie machen ziemliche Klimmzüge und bemühen sich verzweifelt, zu begründen, warum Sie nicht zustimmen können. Ich meine, dass das, was wir auf den Weg bringen, eine gute Regelung ist. Wir kommen damit dem Auftrag des Bundesverfassungsgerichts nach.

   Ich appelliere noch einmal an Sie: Tun Sie den Rentnerinnen und Rentnern einen Gefallen! Verunsichern Sie sie nicht und stimmen Sie dem Gesetzentwurf zu!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Ich schließe damit die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über die von den Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen sowie von der Bundesregierung eingebrachten Entwürfe eines Alterseinkünftegesetzes. Ich weise darauf hin, dass zu der Beschlussfassung des Finanzausschusses, die Gegenstand der nun folgenden Abstimmung sein wird, inzwischen der Bericht des Ausschusses auf Drucksache 15/3004 vorliegt. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/2986, die genannten Entwürfe eines Alterseinkünftegesetzes in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition bei Enthaltung der beiden fraktionslosen Abgeordneten angenommen worden.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in dritter Lesung mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der Opposition bei Enthaltung der beiden fraktionslosen Abgeordneten angenommen worden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir kommen zur Abstimmung über die Entschließungsanträge. Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/2992? - Gegenprobe! - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU bei Enthaltung der FDP abgelehnt worden.

   Wer stimmt für den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2988? - Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen der FDP bei Enthaltung von CDU/CSU abgelehnt worden.

   Zu TOP 3 gibt es eine persönliche Erklärung der Abgeordneten Ina Lenke nach § 31 der Geschäftsordnung, die wir hiermit zu Protokoll nehmen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 4 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Friedrich Merz, Dr. Michael Meister, Heinz Seiffert, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Ein modernes Steuerrecht für Deutschland - Konzept 21

- Drucksache 15/2745 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Rechtausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Tourismus
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eindreiviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat als Erster der Abgeordnete Friedrich Merz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir legen Ihnen heute zunächst in Form eines Antrags Vorschläge zu einer ganz grundlegenden Modernisierung und Vereinfachung des deutschen Einkommensteuerrechtes vor. Wie kompliziert das deutsche Steuersystem mittlerweile geworden ist, konnten die Zuhörerinnen und Zuhörer der Debatte über den ersten Tagesordnungspunkt des heutigen Tages nachvollziehen: Das deutsche Einkommensteuerrecht ist nicht mehr aus sich selbst heraus verständlich. Es erschließt sich dem steuerpflichtigen Bürger nicht mehr. Es ist in den letzten Jahren leider nicht besser, sondern noch viel schlechter geworden. Neben dem Verlust der sprachlichen Verständlichkeit leidet das deutsche Einkommensteuerrecht unter einer nicht mehr überschaubaren und systemwidrigen Fülle und Komplexität an Einzelvorschriften und Ausführungsbestimmungen.

   Ich will Ihnen dazu nur einige wenige Daten nennen. Wir haben in Deutschland mittlerweile rund 100 so genannte Steuerstammgesetze. Die Zahl der Gesetze, in denen auch steuerliche Regelungen enthalten sind, also Gesetze, die ganz andere Regelungssachverhalte betreffen, die aber auch steuerliche Regelungen enthalten, ist nicht feststellbar. Ich wiederhole: Im Bestand des deutschen Rechts ist die Zahl der Gesetze, die auch steuerliche Bestimmungen enthalten, nicht feststellbar. Zu den bestehenden Steuergesetzen gibt es mittlerweile rund 5 000 Interpretationsschreiben des Bundesministers der Finanzen. Insgesamt existieren zusätzlich etwa 96 000 Verwaltungsvorschriften. Allein in der letzten Wahlperiode des Deutschen Bundestages, in der Wahlperiode zwischen 1998 und 2002, sind allein bei den Ertragsteuern, also bei Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, 60 Gesetzesänderungen vollzogen worden. Hinzu kamen fast 250 Interpretationsschreiben des Bundesministers der Finanzen.

   Im Rahmen der Änderungen der letzten Wahlperiode sind ungefähr 100 Vorschriften des deutschen Einkommensteuergesetzes gleich mehrfach geändert worden. Zum Teil sind sie geändert worden, bevor die vorangehende Änderung im Bundesgesetzblatt veröffentlicht worden ist.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das muss man sich einmal vorstellen!)

   Es ist kein Wunder und es darf niemanden überraschen, dass wir es mit einer zunehmenden Steuerverweigerung der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland zu tun haben. Sie verstehen dieses Gesetz nicht mehr und sie wollen es auch nicht mehr verstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Und nicht verstehen können!)

   Wir müssen deshalb zu einer ganz grundlegenden Vereinfachung unseres Einkommensteuerrechtes zurückkehren. Das Wichtigste jenseits aller Details - ich werde auf einige zu sprechen kommen - ist, dass sich diejenigen, die die Steuergesetze anwenden müssen, auf die Beständigkeit der bestehenden Regelungen wieder für einen längeren Zeitraum verlassen können und dass Ruhe und Beständigkeit in die Gesetzgebung insbesondere beim Steuerrecht zurückkehren. Die Planbarkeit und die Verlässlichkeit des deutschen Steuerrechts jenseits aller Inhalte und jenseits aller Details sind ganz wesentliche Voraussetzungen für die Rückkehr zu Wachstum und Beschäftigung in Deutschland. Niemand aus dem Inland und niemand aus dem Ausland wird in Deutschland investieren, wenn er sich nicht wenigstens für einen überschaubaren Zeitraum auf Beständigkeit und Planbarkeit der steuerlichen Rahmengesetzgebung verlassen kann.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Zu den grundsätzlichen inhaltlichen Fragen will ich Folgendes sagen: In einer komplexen Welt ist auch das Steuerrecht an verschiedenen Stellen naturgemäß komplex. Es kann nicht überall nur einfache Antworten geben; einfache Antworten können auch falsche Antworten sein. Deswegen kommt es darauf an, dass wir uns wieder an Grundsätzen und an steuerlichen Fundamentalprinzipien orientieren. Dazu zählen aus meiner Sicht:

   Erstens: die Erkennbarkeit des Besteuerungsgegenstandes. Diejenigen, die das Steuerrecht anwenden, müssen wissen, was besteuert werden soll.

   Zweitens. Die Besteuerung selbst muss nach dem Prinzip der Leistungsfähigkeit erfolgen.

   Drittens. Bei der Besteuerungshöhe muss eine angemessene Berücksichtigung des europäischen und des globalen Umfeldes stattfinden.

   Lassen Sie mich zu diesen drei Grundsätzen im Einzelnen folgendes ausführen:

   Hinsichtlich der Erkennbarkeit des Besteuerungsgegenstandes im Einkommensteuerrecht, im gesamten Ertragsteuerrecht kommt es darauf an, dass wir eine klare Abgrenzung zwischen dem vornehmen, was besteuert wird, und dem, was auch in Zukunft steuerfrei bleiben muss. Auch in Anlehnung an die wissenschaftliche Diskussion, die es dazu gibt, schlagen wir vor, dass ganz grundsätzlich das Markteinkommen besteuert wird, dass also das Markteinkommen der Besteuerungsgegenstand für Einkommensteuer und Körperschaftsteuer ist.

   Damit erübrigt sich eine komplizierte Abgrenzung, so wie wir sie heute in § 3 des Einkommensteuergesetzes haben, etwa zu den sozialen Transferleistungen. Soziale Transferleistungen, zum Beispiel Krankenversicherungsleistungen, zum Beispiel Leistungen der Sozialhilfe und der Arbeitslosenhilfe, sind grundsätzlich nicht Markteinkommen. Wenn sich der Einkommensteuergesetzgeber auf die Besteuerung des Markteinkommens konzentriert, erübrigen sich alle heute noch notwendigen extrem komplizierten Abgrenzungen.

   Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang auch eine Bemerkung zu den übrigen Ertragsteuern, die wir heute in Deutschland zusätzlich zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer haben. In einem solchen System der Besteuerung des Markteinkommens hat eine Vermögensteuer als Substanzsteuer keinen Platz mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Und was ist mit der Gewerbesteuer?)

Wir sollten deswegen, schon aus Gründen der Rechtshygiene, in Deutschland endlich das Vermögensteuergesetz auch förmlich aufheben und es durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nicht nur außer Vollzug gesetzt sehen.

(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele (FDP))

   In diesem System hat die Erbschaftsteuer anders als die Vermögensteuer sehr wohl ihren Platz. Die Erbschaftsteuer ist keine Substanzsteuer, sondern sie ist im steuerlichen System der Bundesrepublik Deutschland eine einkommensteuerähnliche Einmalbelastung der Erben. Insofern hat die Erbschaftsteuer anders als die Vermögensteuer durchaus auch in Zukunft ihre Existenzberechtigung. Ich will allerdings hinzufügen: Wir müssen darauf achten, auch bei einer möglichen Neuordnung des Erbschaftsteuerrechts, dass der Übergang gerade mittelständischer Betriebe, die durch die Eigentümer geführt werden - börsennotierte Aktiengesellschaften werden nicht vererbt -, von der Erbschaftsteuer so weit wie möglich entlastet wird,

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Genau! Richtig!)

damit die Fortführung ermöglicht und durch die Erbschaftsteuerlast nicht unmöglich gemacht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine Damen und Herren, erlauben Sie mir in diesem Zusammenhang noch einen Hinweis - ich kann damit auch gleich einen Zwischenruf aus den Reihen der SPD-Fraktion aufnehmen -: Natürlich hat in einem solchen Konzept einer neuen Einkommen- und Körperschaftsteuer die Gewerbesteuer in Deutschland, die ohnehin - auch im europäischen Vergleich - ein Fremdkörper im Einkommensteuersystem ist, keinen Platz mehr,

(Beifall bei der CDU/CSU)

insbesondere deshalb, weil die Gewerbesteuer nach wie vor eine ganze Reihe von ertragsunabhängigen Bestandteilen enthält. Wäre es nach Ihrem Willen gegangen, wären die ertragsunabhängigen Teile der Gewerbesteuer zum Jahreswechsel sogar massiv ausgedehnt worden. Die Gewerbesteuer ist und bleibt ein Fremdkörper im System.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Echte Substanzbesteuerung!)

Sie hat auch im europäischen Wettbewerb keinen Platz mehr. Sie muss abgeschafft und durch eine Beteiligung der Städte und Gemeinden in Deutschland an der Einkommensteuer - und Körperschaftsteuer ersetzt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Warum nicht an der Umsatzsteuer?)

   Ich habe bereits gesagt, dass einer der wesentlichen Besteuerungsgrundsätze die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sein soll. Das heißt, dass grundsätzlich jedes Einkommen, unabhängig von seiner Entstehung, unabhängig von seiner Verwendung, auch unabhängig von der Rechtsform des Unternehmens, in dem es gegebenenfalls entsteht, einmal - aber auch nur einmal - besteuert werden muss. Daraus ergibt sich eine ganze Reihe von Konsequenzen bis hin in den Unternehmensteuerbereich.

   Erlauben Sie mir, zwei Aspekte herauszugreifen, die einen größeren Teil der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland auch im Zusammenhang mit der Diskussion über unser Einkommensteuersystem immer wieder beschäftigen. Das Erste sind die so genannten steuerfreien Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschläge. Um es von unserer Seite noch einmal klarzustellen: Selbstverständlich tragen alle diejenigen, die an Sonntagen, in Schichtarbeit, an Feiertagen tätig sind, die regelmäßig Nachtarbeit leisten müssen, eine besondere Last. Selbstverständlich muss diese besondere Last angemessen vergütet werden. Aber es kann nicht Aufgabe der allgemeinen Steuerzahler sein, diese besondere Last durch besondere Steuerbefreiungen abzugelten. Es muss Aufgabe der Arbeitgeber sein und bleiben, diese besondere Last zu vergüten. Für den Steuergesetzgeber ist und bleibt jedes Einkommen, unabhängig von Entstehung und Verwendung, gleich.

Diesen Gleichheitsgrundsatz gilt es insbesondere bei den so genannten Sonntags-, Nacht- und Feiertagszuschlägen anzuwenden, die heute noch eine besondere Privilegierung erfahren. Wir schlagen langfristige Übergangsregelungen vor, sodass sich die Tarifvertragsparteien in Deutschland auf eine Veränderung einstellen können. Am Ende dieses Übergangszeitraums darf es aber auch an dieser Stelle keine Ausnahmen mehr geben. Wer Ausnahmen für wenige fordert, muss wissen, dass er im Ergebnis höhere Steuersätze für alle fordert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Zweitens. Meine Damen und Herren, das Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit muss eine besondere Ausprägung bei der Berücksichtigung der Familien, insbesondere bei der Berücksichtigung der Familien mit Kindern, erhalten. Ich will auch an dieser Stelle noch einmal sehr deutlich sagen: Ich halte es für unverzichtbar, dass auch in Zukunft als Ausfluss aus Art. 6 des Grundgesetzes, der bekanntlich Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung stellt, das Ehegattensplitting aufrechterhalten wird, also die Erwerbsgemeinschaft von Mann und Frau auch im Steuerrecht uneingeschränkt und grundlegend verankert bleibt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

Wichtiger ist aus meiner Sicht aber die angemessene, das heißt stärkere Berücksichtigung der Kinder in Ehen und eheähnlichen Lebensgemeinschaften.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Meine Damen und Herren, unser Vorschlag, den Kinderfreibetrag auf die Höhe des Erwachsenenfreibetrages deutlich anzuheben, entlastet überproportional Familien mit Kindern. Damit würde es erstmalig in diesem System möglich sein, auf Transferleistungen in Form von Kindergeld an solche Eltern zu verzichten, die über ein ausreichend hohes Einkommen verfügen und die Finanzierung ihrer Kinder aus eigener Kraft leisten können. Ich will es noch einmal sehr deutlich sagen: Kindergeld hat ohne Wenn und Aber auch in Zukunft seine Berechtigung, aber Transferleistungen an Eltern können und dürfen nach unserer Überzeugung erst dann geleistet werden, wenn die eigene Leistungsfähigkeit nicht mehr ausreicht. Wenn sie ausreicht, dann muss die Berücksichtigung von Kindern abschließend durch eine Freibetragsregelung zum Ausdruck kommen. Höher und gut verdienende Familien brauchen dann keinen Transfer, keine Kindergeldleistungen mehr aus öffentlichen Kassen.

(Joachim Poß (SPD): Wir haben doch einen hohen Freibetrag!)

Dies setzt allerdings systembedingt voraus, dass der Kinderfreibetrag angemessen und damit deutlich höher festgesetzt wird, als es gegenwärtig der Fall ist.

(Zuruf von der SPD: Zum Beispiel?)

   Ich habe zu Beginn bereits auf das internationale Umfeld hingewiesen, in dem wir uns mit unserem Steuersystem bewegen. Erlauben Sie mir, dass ich eine sehr aktuelle Debatte aufgreife, die in den letzten Tagen auch im Hinblick auf die Osterweiterung der Europäischen Union geführt wird.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Unbedingt!)

Nun ist es ja interessant zu beobachten, dass der Bundeskanzler, dem noch vor Jahr und Tag die Steuern in Deutschland zu hoch waren - wir teilen ausdrücklich diese Einschätzung -, plötzlich entdeckt, dass sie anderswo zu niedrig sind. Die meisten Länder von denen, die jetzt neu in die Europäische Union eintreten, haben jedoch ihre Steuersysteme auf ihre Mitgliedschaft in der EU vorbereitet. Zum Teil haben sie Maßnahmen ergriffen, die wir in Deutschland längst hätten ergreifen sollen, nämlich eine deutliche Absenkung der Ertragsteuersätze

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

und eine Verschiebung der Steuerbelastung von den direkten zu den indirekten Steuern. Ich werde darauf zum Schluss noch einmal zu sprechen kommen.

   Diesen Ländern Steuerdumping vorzuwerfen geht an der Sache vorbei.

(Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU) - Ortwin Runde (SPD): Sie werden doch Herrn Stoiber nicht beschimpfen! Unerhört!)

Von Steuerdumping, meine Damen und Herren, lässt sich nur dann sprechen, wenn etwa wie früher in Holland oder in den irischen Docklands ausländischen Investoren andere, in der Regel niedrigere Steuersätze und andere steuerliche Gestaltungsmöglichkeiten eingeräumt werden als inländischen Investoren. Es hat aber bisher niemand behauptet, dass dies auf die neuen EU-Länder zutreffe. Dies kann auch niemand behaupten, weil die osteuropäischen Länder, die in wenigen Stunden in die Europäische Union eintreten, dieses nicht machen. Sie bieten inländischen wie ausländischen Investoren gleiche und zum Teil hoch attraktive steuerliche Rahmenbedingungen an.

   Das Problem ist nicht Osteuropa, das Problem ist Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir haben in Deutschland unverändert viel zu hohe Steuersätze. Trotz der anerkennenswerten Bemühungen der rot-grünen Bundesregierung in den letzten Jahren, die Steuerbelastung zu senken,

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Die Steuersätze, nicht die Steuerbelastung!)

ist Deutschland noch immer ein Hochsteuerland. Wir haben nach wie vor mit die höchsten Unternehmensteuern. Außerdem haben die Unternehmen in Deutschland, die hier investieren - auch dies gehört der Vollständigkeit halber dazu, wenn wir zu Recht über die Wachstums- und Beschäftigungskrise klagen -, eine zu geringe Kapitalrendite. Die Kapitalrendite ist in allen anderen europäischen Ländern höher als in Deutschland. In Deutschland sind die Steuersätze mitverantwortlich für die geringe Kapitalrendite. Das muss in diesem Gesamtzusammenhang erwähnt werden. Deswegen müssen die Steuersätze in Deutschland herunter.

   Ich zitiere einen früheren, auch von Ihnen hoch geachteten - wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sogar in der SPD als Mitglied geführten - Sachverständigen und langjährigen Vorsitzenden des Sachverständigenrates, Hans-Karl Schneider, der einmal gesagt hat: Wer mehr als die Hälfte seines Einkommens an das Finanzamt abführen muss, ist mehr darauf bedacht, Steuern zu sparen, als darauf, Geld zu verdienen. - Das gilt unverändert auch heute. In Deutschland wird viel zu viel über Steuervermeidungsstrategien und viel zu wenig über Investitions- und Beschäftigungsstrategien nachgedacht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Deshalb müssen die Steuersätze herunter und muss die Bemessungsgrundlage verbreitert werden.

   Ich räume ein: Auch mit der Umsetzung unseres Vorschlages, die Grenzbelastung bei der Einkommen- und Körperschaftsteuer auf einheitliche 36 Prozent zurückzuführen, lägen wir im internationalen Vergleich noch immer bei einer relativ hohen Steuerlast. Ich verstehe deshalb gut, dass an anderer Stelle, etwa im Sachverständigenrat, über Möglichkeiten nachgedacht wird, diese zu hohe Grenzbelastung für die Unternehmen in Deutschland, unabhängig von ihrer Rechtsform, in einem solchen System weiter abzusenken. Ich habe Vorbehalte gegen eine solche Steuerspreizung. Wie wollen wir den Arbeitnehmern in Deutschland, die nicht nur unter hohen Steuern, sondern noch mehr unter hohen Sozialversicherungsbeiträgen leiden, vermitteln, dass etwa Unternehmensgewinne deutlich niedriger besteuert werden als Arbeitnehmereinkünfte? Gleichwohl wird der Druck auf die Ertragsteuern in den nächsten Jahren stärker werden. Auch in diesem Zusammenhang wird die Osterweiterung der Europäischen Union eine erhebliche Auswirkung auf die steuerpolitische Debatte in Deutschland haben.

   Deswegen müssen wir nach Wegen suchen, schnell zu Ergebnissen zu kommen. Wir können nicht mehr bis zum nächsten Regierungswechsel warten. Deutschland hat nicht die Zeit, eine weitere halbe Legislaturperiode des Deutschen Bundestages lethargisch dazusitzen und darauf zu warten, dass der Aufschwung möglicherweise durch die Weltkonjunktur herbeigeführt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn Sie, meine Damen und Herren von Rot-Grün, in diesem Zusammenhang nach der Bezahlbarkeit einer solchen Reform - wir werden uns heute Nachmittag mit weiteren Themen dieser Art beschäftigen - fragen, dann will ich Ihnen eine Antwort geben in Bezug auf die Berechnungen der Haushaltsabteilungsleiter der Finanzministerien

(Ortwin Runde (SPD): Der Steuerabteilungsleiter!)

- der Steuer- und Haushaltsabteilungsleiter -,

(Ortwin Runde (SPD): Es waren die Steuerabteilungsleiter!)

die ich schätze und achte und die ihren Auftrag zu erfüllen haben, deren Arbeit ich in vollem Umfang respektiere: Diese Arbeit bezieht sich auf ein statisches Regelwerk. Sie gehen vom gegenwärtigen Status quo der Arbeitsmarktverfassung, von den gegenwärtigen Sozialversicherungssystemen, von den gegenwärtigen sozialen Sicherungssystemen, von den gegenwärtigen sozialen Transfersystemen und vom gegenwärtigen Steuersystem aus. Das, was wir Ihnen heute hier vorschlagen, ist isoliert betrachtet in der Tat heute nicht bezahlbar.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig! Das ist eine gute Einsicht!)

Aber - bevor Sie klatschen - all das, was wir Ihnen vorschlagen, steht im Kontext einer größeren Reformagenda in Deutschland, einer grundlegenden Korrektur der Arbeitsmarktverfassung und der Lohnfindungssysteme, der Reformen der sozialen Transfersysteme, die endlich von Ihren beschäftigungsfeindlichen Anreizwirkungen befreit werden müssen, und umfassender Reformen der sozialen Sicherungssysteme bis hin zur Abkopplung eines Teiles der sozialen Sicherungssysteme vom Beschäftigungsverhältnis. In diesem Zusammenhang sind die Spielräume für eine grundlegende Reform der Einkommen- und Körperschaftsteuer in Deutschland viel, viel größer, als mancher Skeptiker, auch hier im Hause, in den letzten Wochen und Monaten vorgetragen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn wir in Deutschland den Mut hätten, im Rahmen einer solchen umfassenden Reformagenda widerspruchsfrei das eine mit dem anderen zu verbinden, dann kämen wir viel schneller aus der Wachstums- und Beschäftigungskrise heraus,

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

dann könnten wir viel schneller die viel zu hohe Staatsquote senken und die Steuerlast der Bürgerinnen und Bürger wie der Unternehmen in Deutschland senken. Dass es geht, haben andere Länder in Europa und außerhalb Europas längst vorgemacht. Dass es nicht geht, hat auch mit der Regierungspolitik der letzten fünfeinhalb Jahre zu tun.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Joachim Poß.

Joachim Poß (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Lieber Kollege Merz, wir sollten den heutigen Morgen nutzen, um einige Fragen ganz grundsätzlich zu klären. Zum Beispiel sollten wir darüber reden, wie wir uns auf den Beitritt der neuen Länder zum 1. Mai einstellen. Dieser Beitritt hat die öffentliche Diskussion in den letzten Tagen stark bestimmt. Ich erkläre für die SPD hier ganz eindeutig: Wir können uns nicht vorstellen, mit den baltischen Staaten oder anderen Staaten hinsichtlich niedriger Steuersätze konkurrieren zu können. Das ist der Weg in die falsche Richtung.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir müssen unsere Stärken ausbauen. Unsere Position ist, dass wir dafür neben privatem auch öffentliches Geld brauchen. Herr Merz, Ihr Weg ist - Sie haben es eben angedeutet -, dass Deutschland über Steuersenkungen konkurrenzfähig wird. Über diese Alternativen können die Bürgerinnen und Bürger bei der Europawahl abstimmen.

   Im Übrigen teile ich in dieser Frage ausdrücklich das, was Herr Stoiber heute im „General-Anzeiger“ gesagt hat. Herr Faltlhauser, Sie können nachher die Haltung der CSU näher erläutern. Wir werden dann sehen, wie einig CDU und CSU sind und wie geschlossen die Opposition ist. Herr Stoiber sagt auf die Frage mit Blick auf die Beitrittsländer, ob er einen fairen Steuerwettbewerb gewährleistet sehe:

Es besteht die Gefahr, dass EU-Hilfen von einzelnen Ländern zum Steuer-Dumping gegenüber anderen Ländern missbraucht werden. Einzelne Länder halten ihr Steuereinkommen gering, weil sie auf einen Ausgleich durch EU-Höchstfördersätze rechnen können.

Ich glaube, Herr Stoiber hat insoweit Recht.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): „Steueraufkommen“ sagt er!)

Er plädiert in diesem Zusammenhang auch nicht ausdrücklich, wie Sie es tun, für einen Wettbewerb.

   Ich finde es gut, wenn die Bürgerinnen und Bürger die verschiedenen Alternativen der konkurrierenden Parteien klar erkennen können. Es wird manchmal der Vorwurf erhoben - gelegentlich auch aus der Anhängerschaft der SPD -, Unterschiede seien nicht mehr erkennbar.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sie sind aber erkennbar!)

- Auch ich denke das.

   Ein zweiter Punkt. Sie haben etwas zu den Finanzen der Kommunen gesagt. Wir wissen, dass sich viele Kommunen in einer schwierigen Finanzsituation befinden. Herr Merz, Sie haben gesagt, die Gewerbesteuer werde ersatzlos abgeschafft

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Ich habe nicht gesagt, ersatzlos! - Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Nein, er hat gesagt: Sie wird ersetzt!)

und werde durch eine Beteiligung an der Einkommen- und Körperschaftsteuer ersetzt. In Ihrem Antrag steht wörtlich - ich hoffe, dass Sie ihn gelesen haben -:

Deshalb soll die Gewerbesteuer in enger Abstimmung mit den Kommunen durch eine wirtschaftskraftbezogene Gemeindesteuer ersetzt werden ...
(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Das heißt doch nicht, ersatzlos gestrichen!)

Sie haben eben davon gesprochen, dass sozusagen eine Beteiligung an der Einkommen- und Körperschaftsteuer erfolgt. In Ihrem Antrag sprechen Sie aber von einer "wirtschaftskraftbezogenen Gemeindesteuer". Sie müssen den Bürgerinnen und Bürgern, die in den Städten auf Lebensqualität Wert legen, schon klar sagen, was Sie wollen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man sich jenseits des Wortnebels einmal mit den Fakten beschäftigt, dann erkennt man, dass Sie auch hier in Wahrheit keine Antwort haben.

(Zuruf des Abg. Friedrich Merz (CDU/CSU))

- Ich habe wörtlich aus Ihrem Antrag zitiert. Vielleicht haben Sie ihn nicht gelesen.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Sie haben die falsche Rede mitgebracht!)

   Der dritte Punkt. Sie haben vollkommen zu Recht den Stellenwert der Familie beschrieben. Wir haben im Gegensatz zu Ihnen in den letzten Jahren die Familienleistungen von 40 Milliarden Euro auf insgesamt über 60 Milliarden Euro erhöht. Sie sprechen von der Förderung der Familie, wir handeln. Auch das müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn Sie im Rahmen Ihres Konzeptes den Freibetrag erhöhen und das Kindergeld für die Bezieher geringer Einkommen so belassen wollen, dann müssen die Bürgerinnen und Bürger wissen - um sich über die politische Alternative klar zu werden -, was das bedeutet. Das bedeutet nämlich, Herr Merz, dass der Freibetrag so erhöht wird, wie es erforderlich ist, um Spitzenverdiener weiter zu entlasten.

Das ist die Wahrheit, die hinter dieser Bemerkung steht. Auch hierbei besteht zwischen den Parteien im Deutschen Bundestag eine Alternative.

(Beifall bei der SPD)

   Schließlich sagen Sie, Deutschland sei ein Hochsteuerland. Das gibt die Analyse, gemessen an der volkswirtschaftlichen Steuerquote, natürlich nicht her. Wir hatten in der Europäischen Union im Jahre 2002 die niedrigste volkswirtschaftliche Steuerquote mit 21,7 Prozent. Wir haben sie im Jahre 2003 weiter auf unter 21 Prozent gesenkt. Auch das sollten die Menschen wissen: Wir brauchen eine auskömmliche Steuerquote, wenn wir Bildung, Forschung und Chancengerechtigkeit finanzieren wollen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Arbeitslose zahlen keine Steuern!)

Wir können den Menschen keine Steuersenkungen in Aussicht stellen, die, so wie Sie dies vorsehen, offenkundig sozial ungerecht und nicht finanzierbar sind. Auch hier bietet sich für die Bürgerinnen und Bürger eine Alternative.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben mit all den Maßnahmen, die wir seit 1998 beschlossen haben, Steuerentlastungen von knapp 60 Milliarden Euro durchgesetzt. Dabei gab es teilweise Kompromisse im Vermittlungsausschuss, weil man sich dort angesichts der Mehrheitsverhältnisse einigen muss. Bei uns lohnt sich Leistung wieder.

(Lachen bei der CDU/CSU)

- Natürlich. - Der steuerliche Grundfreibetrag wurde von 6 200 auf 7 664 Euro angehoben. Auf den ersten verdienten Euro zahlen die Menschen in diesem Jahr eine Steuer von 16 Prozent. Bei Ihnen betrug der Steuersatz 26 Prozent. Hier ergeben sich konkrete Alternativen, von denen die Menschen profitieren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Davon war bei Ihnen nichts zu hören.

   Wenn die Union meint, ein modernes Steuerrecht sei das Nonplusultra für die volkswirtschaftliche Genesung, dann gaukelt sie den Menschen etwas vor. Durch Sie und durch andere wird durch das Versprechen unfinanzierbarer Steuersenkungen und durch eine unsoziale steuerliche Umverteilung ein ganz bestimmter wirtschaftspolitischer Zeitgeist beschworen. Manche nennen solche parteipolitischen Vorstellungen sogar „modern“.

   Die SPD-Bundestagsfraktion hält daran fest, dass in der Steuerpolitik zwei bewährte Grundsätze zu beachten sind: soziale Gerechtigkeit und seriöse Finanzierung. Das sind unsere Leitmotive. Von diesen lassen wir uns durch keinen Zeitgeist dieser Welt abbringen. Auch darüber können die Menschen Gott sei Dank in Wahlen entscheiden.

(Beifall bei der SPD)

Wir reichen einer ungerechten und unseriösen Steuerpolitik nicht die Hand. Hier geht es um eine grundlegende politische Richtungsentscheidung.

   Von welchem Geist Herr Merz beseelt ist, hat er in wünschenswerter Klarheit am letzten Sonntag in der „Welt am Sonntag“ in einem Interview zum Ausdruck gebracht. Er hat dort wörtlich gesagt:

Bei uns bekommt derjenige am meisten Zustimmung, der am lautstärksten nach Umverteilung ruft und Faulheit belohnen will.

Ich kenne in der Öffentlichkeit niemanden, der klatscht, wenn Faulheit belohnt werden soll.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Das hat der Kanzler gesagt!)

Das hat mit der Wirklichkeit nichts zu tun. Weiter sagen Sie, Herr Merz:

Umverteilung ist doch nichts anderes als der Versuch, Leistung ohne Gegenleistung zu bekommen.

   Das hat mit der Lebenswirklichkeit ebenfalls nichts zu tun. In diesen beiden Sätzen steckt eine Weltanschauung, die den Sozialstaat offenbar als lästig empfindet.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Ach je!)

Hier wird eine Verachtung für sozial Benachteiligte offensichtlich.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Ach Gott, ach Gott!)

Dies ist eine politische Einstellung, die sich am Rande unserer Verfassung bewegt. Das ist der Kern Ihres Interviews.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Jetzt schmeicheln Sie sich bei Müntefering ein!)

   Die Bundesrepublik Deutschland ist nach Art. 20 des Grundgesetzes ein „sozialer Bundesstaat“. Kennzeichen und Aufgabe eines Sozialstaates ist es, dort umzuverteilen, wo der Einzelne nicht in der Lage ist, für sich selbst zu sorgen. In der wortreichen und blumigen Prosa des steuerpolitischen Programms der Union heißt es zwar auch, dass der Staat helfen muss, wenn die Menschen ihren gegenwärtigen und die Sicherung ihres zukünftigen Bedarfs nicht selbst finanzieren können. Aber angesichts Ihrer Zitate, Herr Merz, können die Menschen in Deutschland solche nach Sozialstaat klingenden Ankündigungen offensichtlich nicht ernst nehmen. Zumindest Teile der Union - gemeint sind Sie, Herr Merz, und nicht Herr Seehofer - stehen für eine andere Republik, eine Republik nach dem Motto: Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott! Dieser Teil der Union wird immer stärker.

   Deswegen sage ich: Die Union verabschiedet sich von einem langjährigen Konsens, von einem Konsens, der bisher von den Volksparteien getragen wurde.

(Norbert Schindler (CDU/CSU): Das habt ihr schon lange gemacht!)

Dazu gehörte auch die Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Deswegen werden wir uns dafür einsetzen, dass die seit langem bewährte soziale Marktwirtschaft, der Sozialstaat und soziale Gerechtigkeit weiterhin prägende Kennzeichen der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland sein werden. Auch darüber können die Menschen abstimmen. Das sind klare Alternativen.

   Aber auch in der Union gibt es Politiker, die nicht mehr verstehen, warum sich die CDU und Frau Merkel vom Sozialstaat verabschieden wollen. Horst Seehofer, Norbert Blüm, Heiner Geißler und andere haben in den vergangenen Wochen die gesamte Politik der Union, nicht nur die Steuerpolitik, scharf kritisiert. Herr Seehofer hat Recht, wenn er darauf hinweist, dass es nicht ausreicht, neu zu denken. Darüber hinaus muss man auch prüfen, ob das Neue finanzierbar ist. Horst Seehofer hat der CDU genau vorgerechnet, dass ihre Reformvorschläge zur Steuer-, Gesundheits- und Rentenpolitik über 100 Milliarden Euro kosten würden und sie für diese Ausgaben keine Deckungsvorschläge gemacht hat.

   Sie, Herr Merz, haben versucht, das mit der Dynamik, die Sie erzeugen wollen, zu erklären. Diese gibt aber nach allen seriösen wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen nicht genügend Finanzierungsspielraum.

(Ortwin Runde (SPD): Zur Mehrwertsteuer wollte er noch kommen, ist er aber nicht!)

Das heißt, Sie stehen für finanzpolitische Abenteuer. Sie lassen sich für einfache Steuerkonzepte und für Steuererklärungen auf Bierdeckeln feiern und sind im Grunde genommen ein finanzpolitischer Abenteurer. Das muss man klar und deutlich aussprechen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das ist doch wohl Herr Eichel!)

- Nein.

   Horst Seehofer hat Recht. Wenn Sie sagen, wir müssen den sozialen Ausgleich - beispielsweise bei der so genannten Kopfpauschale - über die Steuern herstellen, dann müssen Sie den Menschen auch sagen, dass das mit den Steuersätzen, die in Ihren Konzepten stehen, nicht möglich ist, weil diese zur Finanzierung nicht ausreichen. Die ungedeckten Vorschläge in Milliardenhöhe kommen von denselben Leuten - Herr Merz, auch Sie haben solche von diesem Pult aus schon gemacht -, die sonst bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass die Bundesregierung die Maastricht-Kriterien nicht einhalten kann. Eine solche Politik ist weder seriös noch glaubwürdig.

   Wer würde nicht gern die Steuern senken?

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Rot-Grün!)

Aber was nützen diese Ankündigungen, wenn weder Kommunen noch Länder - das haben die Finanzminister festgestellt - Steuersenkungen finanzieren können? Die Finanzminister aller Länder - Herr Faltlhauser wird hier noch reden -, nicht irgendwelche Abteilungsleiter, haben ebenso wie zwei wirtschaftswissenschaftliche Institute festgestellt, was von diesen Einfachsteuerkonzepten zu halten ist. Ihre klare Botschaft lautet: Die Konzepte sind nicht finanzierbar, sie haben ungerechte Verteilungswirkung und nur geringe ökonomische Effekte. Auch diese wurden untersucht.

   Herr Merz, da das Urteil so ausfällt, sage ich Ihnen: Lassen Sie das mit dem Bierdeckel! Lassen Sie den Populismus! Überlegen Sie, ob Sie mit anderen zusammen den Sozialstaat mit der Abrissbirne wirklich einreißen wollen. Sie werden auf unseren Widerstand treffen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Sie erzählen blühenden Unsinn!)

Ich bin trotz aller Umfragen ganz gewiss, dass die SPD in den nächsten Wochen und Monaten so stark werden wird, um Ihnen bei diesen abenteuerlichen Plänen in den Arm zu fallen. Sie kommen damit nicht durch, wenn den Menschen klar wird, was hinter Ihren Plänen wirklich steckt.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Carl-Ludwig Thiele.

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Poß, ich möchte drei kurze Anmerkungen zu Ihrer Rede machen. Ich glaube erstens, es war nicht sachgerecht, bei einem solch wichtigen Thema als Erstes Klassenkampfparolen auszugeben;

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

denn die Bürger in unserem Lande - das sage ich ganz deutlich - wollen Veränderungen, vor allem eine Veränderung: Sie wollen weniger Rot-Grün in unserem Land. Das ist die Situation.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Lachen bei der SPD)

   Zweitens. Auf die gemachten Reformüberlegungen haben Sie nur abwehrend reagiert. Damit bestätigen Sie, dass aus sozialdemokratischer Sicht das Recht so bleiben soll, wie es ist. Eines kann ich Ihnen versichern: So wie es ist, kann und darf es nicht bleiben, es muss verändert werden. Dass Sozialdemokraten an der Spitze strukturkonservativer Kräfte unseres Landes stehen, ist mir unbegreiflich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Drittens. Sie haben erklärt, wie die Bürger in unserem Lande entlastet werden. Seit 1998 hat es aber durchaus auch Belastungen durch Rot-Grün gegeben. Es gibt Berechnungen, die besagen, dass der Saldo der Entlastungen und Belastungen eine Mehrbelastung der Bürger von 8 Milliarden Euro ausmacht. Das muss man den Menschen sagen; denn das spüren sie.

Deutschland befindet sich in einer schweren strukturellen Krise. Nur mit dem Tunnelblick von Rot-Grün kann man den Eindruck gewinnen, dass es in unserem Land keine Probleme gibt. Deutschland braucht wirksame und durchgreifende Reformen, besonders im Steuerrecht, und zwar nicht erst nach der nächsten Bundestagswahl im Jahre 2006 oder 2007, sondern schon heute. Noch besser wäre es, entsprechende Vorschläge wären schon längst beschlossen worden.

   Wir begrüßen es, dass nach der FDP auch die Union erkennt, dass im Steuerrecht Reformen erforderlich sind. Aber nach unserer Auffassung - nehmen Sie mir das nicht übel; auch der Kollege Merz nicht - befinden Sie sich immer noch im „Vormärz“.

(Beifall bei der FDP)

   Trotzdem begrüße ich es ausdrücklich, dass dem Parlament ein Konzept der Union in Form eines Antrages vorliegt. Aber - das ist Teil des Antrages - anstatt dafür zu plädieren, das Steuerrecht sofort einfacher, verständlicher und die Steuersätze niedriger zu gestalten, soll das Steuerkonzept der Union in mehreren Schritten verwirklicht werden. Es heißt in dem Antrag, die schnell realisierbaren Teile seien im Rahmen eines steuerpolitischen Sofortprogramms vorwegzunehmen. Wir haben nichts dagegen, aber wir brauchen eine Gesamtreform, und zwar nicht übermorgen, sondern morgen oder am besten noch heute!

(Beifall bei der FDP)

   Wer in der heutigen Zeit fordert, dass eine Steuerreform über Jahre hinaus in mehreren Stufen umzusetzen ist, verkennt, dass wir jetzt klare Signale für Wachstum in unserem Land brauchen, und zwar für Selbstständige und für Handwerksbetriebe, von denen besonders die an der Grenze zu den östlichen Nachbarn in der neuen Europäischen Union unter einen enormen Wettbewerbsdruck geraten werden. Es reicht nicht, zu sagen, es müsse irgendwann eine Steuerreform kommen, sondern wir brauchen sie jetzt und so schnell wie möglich. Wir brauchen eine unverzügliche Vereinfachung unseres kompletten Steuerrechtes, mit der die Steuersätze auf Dauer gesenkt werden.

(Beifall bei der FDP)

   Manchmal habe ich den Eindruck, wir in Deutschland verschlafen unsere Zukunft. In zwei Tagen, am 1. Mai, treten zehn neue Länder der Europäischen Union bei. Im Vorgriff darauf hat Österreich schon ein deutliche Reduzierung seiner Steuersätze vorgenommen. Ab 2005 wird die Körperschaftsteuer auf 25 Prozent gesenkt und nach Aussage des österreichischen Finanzministers entspricht das einer effektiven Steuerlast von 21 Prozent. Damit ist Österreich zum Beispiel gegenüber Slowenien oder Polen absolut wettbewerbsfähig.

(Joachim Poß (SPD): Ja und? Bei Ihnen war sie bei 45 Prozent und wir haben sie um 20 Prozentpunkte gesenkt!)

In Deutschland werden Körperschaften mit der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer belastet. Diese liegen bei insgesamt 39 Prozent. Das ist die Wirklichkeit in unserem Land.

   Es ist erstaunlich, dass einigen Politikern in Deutschland erst vor wenigen Wochen klar geworden zu sein scheint, dass die Erweiterung der Europäischen Union am 1. Mai erfolgt und wir uns ab diesem Zeitpunkt in Europa im direkten Wettbewerb mit Ländern befinden, die Steuersätze um und unter 20 Prozent haben. Dass es Bundeskanzler Schröder und Ministerpräsident Stoiber erst jetzt auffällt, dass Deutschland in diesem schärferen Wettbewerb eine schlechte Ausgangsposition hat, erstaunt tatsächlich. Die Erkenntnis ist schon viel älter, aber gehandelt wird leider nicht. Die Bundesregierung hat es an dieser Stelle verschlafen, in unserem Land die Notwendigkeit zusätzlicher Steuerreformen klar zu machen. Das ist ein Versäumnis der Bundesregierung und ist kurzfristig nicht zu beseitigen. Hier müssen wir als Parlament treiben. Hier werden wir als FDP treiben, damit endlich Reformen durchgeführt werden, mit denen wir für die Zukunft unseres Landes besser aufgestellt sein werden.

(Beifall bei der FDP - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das war jetzt ein Angriff!)

   Frau Präsidentin, ich komme zum Schluss. Die Aufgabe, Deutschland zu reformieren, darf nicht nur darin bestehen, Leistungen für Bürger einzuschränken. Wir müssen Anreize setzen, damit in unserem Land wieder mehr investiert wird, damit mehr Arbeitsplätze geschaffen werden, damit das Wirtschaftswachstum in Gang kommt und wir die Entwicklung Europas nicht bremsen, sondern wir wieder zur Lokomotive Europas hinsichtlich des Wachstums in der Europäischen Union werden.

   Den besten Weg hierfür zeigt das Steuerkonzept der FDP auf. Der Gesetzentwurf liegt ausformuliert vor, und es wäre schön, wenn er nicht erst nach der nächsten Bundestagswahl im Jahre 2007 oder 2008 in Kraft treten könnte, sondern sofort. Deshalb appelliere ich hier an Rot-Grün, aber auch an die Union: Nehmen Sie schnellstmöglich den Gesetzentwurf der FDP als Grundlage für ein modernes Steuerrecht. Warten Sie nicht mit den Veränderungen, handeln Sie jetzt!

(Beifall bei der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Christine Scheel.

Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Verehrte Kolleginnen und Kollegen vor allem von der Union! Sie müssen mich heute noch einmal ertragen; denn wir haben noch eine Aktuelle Stunde vor uns.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Gehen Ihnen die Redner aus? - Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Kommt darauf an, was Sie sagen!)

   Zu den Ausführungen von Herrn Thiele möchte ich nur drei Worte sagen: Polemik, Polemik, Polemik.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Dünn, dünn, dünn!)

Herr Merz, Sie haben auf Ihren Antrag „Ein modernes Steuerrecht für Deutschland - Konzept 21“ Bezug genommen. Ich gebe Ihnen Recht, dass wir beim Steuerrecht zu Vereinfachungen kommen müssen

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Aha! - Hans Michelbach (CDU/CSU): Das müssen Sie Herrn Poß sagen!)

und dass es für viele Menschen unerträglich ist, festzustellen, dass unser Steuerrecht aufgrund von Einzelfallentscheidungen in den letzten Jahrzehnten insgesamt immer komplizierter, damit aber auch immer ungerechter geworden ist.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Wie lange soll das noch so weitergehen?)

   Ich gebe Ihnen auch Recht, dass wir mehr Berechenbarkeit, Planungssicherheit und Kalkulierbarkeit brauchen, weil das für die Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland Voraussetzungen sind, die sie für ihre wirtschaftliche Entwicklung brauchen. Der Standort Deutschland bleibt, was die Standortentscheidungen der Unternehmen angeht, attraktiv, wenn solche voraussehbaren Entscheidungen und die Veränderungen, die in gewissen Bereichen bestimmt notwendig sind - darauf komme ich noch zu sprechen -, auch in den Unternehmen und in den Köpfen ihrer Mitarbeiter klar sind, damit sie wissen, was auf sie zukommt.

   Wir wissen auch, dass wir es im Zusammenhang mit der EU-Osterweiterung - aber nicht erst dadurch; das war schon vorher der Fall - mit Ländern zu tun haben, in denen, gerade im Bereich der Unternehmensbesteuerung, Steuersätze gelten, die weit unter unseren liegen. Den Rednern der FDP, die darauf hinweisen, dass der Körperschaftsteuersatz in Österreich von 35 bzw. 40 Prozent auf 25 Prozent gesenkt wurde, kann ich in diesem Zusammenhang nur „Guten Morgen!“ sagen; denn in der Bundesrepublik Deutschland beträgt der Körperschaftsteuersatz bereits 25 Prozent.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Und die Gewerbesteuer? - Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Verkaufen Sie die Leute doch nicht für dumm!)

- Herr Dr. Solms, es ist richtig, dass die Gewerbesteuer noch hinzukommt.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aha!)

- Ja, aber auch in Österreich gibt es Zuschlagsteuern; das wissen Sie.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Dann kommt noch die Ökosteuer!)

   Wenn man ehrlich ist, muss man alle Steuerarten, die, was die Leistungsfähigkeit betrifft, eine Rolle spielen, berücksichtigen. Man kann nicht immer nur einzelne Steuerarten, deren Satz niedrig ist, herausgreifen und sagen: Das ist aber Klasse; da müssen auch wir hinkommen. Man muss auch berücksichtigen, welche Konsequenzen das in fiskalpolitischen Zusammenhängen insgesamt hat.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie wissen doch, wo die Steuerbelastungen sind!)

   Ich sage Ihnen auch, dass zum Beispiel in der Slowakei Steuersätze von drei mal 19 Prozent gelten: bei der Einkommen- bzw. Lohnsteuer, bei der Körperschaftsteuer und bei der Mehrwertsteuer. Diese Entscheidung ist dort getroffen worden. Ich bin mir aber nicht sicher, ob die Entscheidung bezüglich dieser Steuersätze, was die Belastung der Bevölkerung insgesamt anbelangt, dort in den nächsten Jahren aufrechterhalten wird. Denn man muss einen Einkommensteuersatz in Höhe von 19 Prozent für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen auch im Verhältnis zu unseren Vorschlägen sehen. Im Gesetzblatt steht für das nächste Jahr ein Eingangssteuersatz von 15 Prozent.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Dafür eine hohe Durchschnittssteuerbelastung!)

Das gilt auch für den Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent; denn bei uns beträgt der Mehrwertsteuersatz 16 Prozent.

   Hinzu kommt noch etwas anderes, was man nicht vergessen darf:

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Die Ökosteuer!)

Bei uns ist der gesamte Bedarf an Lebensmitteln und an dem, was die Menschen zum Leben brauchen - Kulturgüter, Zeitungen und vieles mehr -, mit 7 Prozent Mehrwertsteuer belegt.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Das sind doch 16 Prozent!)

In der Slowakei zahlen normale Arbeitnehmer bzw. Arbeitnehmerinnen 19 Prozent Einkommensteuer. Die Mehrwertsteuerbelastung für die Artikel, die ich gerade genannt habe, und auch für Lebensmittel beträgt dort aber 19 Prozent. Wenn man sich also die Einkommenssituationen hier und dort anschaut und sie in Verhältnis zueinander setzt, stellt man fest, dass die Belastung der Bezieher kleinerer und mittlerer Einkommen zum Beispiel in der Slowakei wesentlich höher ist, als das bei uns der Fall ist.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Was kritisieren Sie denn jetzt?)

- Ich kritisiere, dass pauschal immer so getan wird, als ob niedrige Steuersätze auch niedrige Belastung bedeuten. Wer das Zusammenwirken der verschiedenen Steuerarten betrachtet, weiß, dass das nicht richtig ist.

(Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Das habe ich gerade erklärt!)

   Ich bitte Sie, dass wir mit Blick auf die EU-Osterweiterung mit großer Ernsthaftigkeit überlegen, was man tun kann, damit die Attraktivität des Standortes Deutschland gewährleistet bleibt und sich punktuell auch verbessert. Wir wissen, wir haben wirtschaftliche Schwächen, wir haben nicht das Wachstum, das wir brauchen; das ist völlig klar.

   Was aber nicht geht, ist, dass wir uns bei den Steuersätzen für Körperschaften daran orientieren, dass sie in anderen Ländern teilweise unter 15 oder sogar unter 10 Prozent liegen. Das wäre unfair gegenüber 80 Prozent aller Unternehmen, kleinen und mittelständischen Unternehmen in Deutschland, die keine Körperschaftsteuer zahlen, sondern Einkommensteuer, weil sie Personenunternehmen sind. Denen kann man keinen Steuersatz von nur 10 oder 15 Prozent anbieten, weil wir dann Schwierigkeiten hätten - das hat auch Herr Poß ausgeführt -, die notwendigen Finanzierungen für unsere Infrastruktur und für die Zukunftsaufgaben in diesem Land, Bildung und Forschung, zu leisten. Das wissen Sie. Deswegen muss man hier sehr vorsichtig sein.

   Ich persönlich sage: Wir müssen das alles noch in den verschiedensten Zusammenhängen diskutieren. Ich halte es für richtig, dass der Bundeskanzler sagt: Man muss sich über bestimmte Grundlagen verständigen, die für alle Länder gelten sollen. Ich halte es für richtig, dass gesagt wird: Wir müssen bei den Unternehmensteuern dafür sorgen, dass die Bemessungsgrundlage in allen Mitgliedstaaten die gleiche ist. Auch ich persönlich halte es für richtig - das hat nicht der Kanzler gesagt, das sage ich jetzt -, dass man darüber nachdenkt, Mindeststeuersätze einzuführen, genauso wie wir es bei der Mehrwertsteuer oder bei der Umsatzsteuer kennen, dass wir einen bestimmten Korridor vorgeben. Das werden wir für die Zukunft in den europäischen Gremien zu diskutieren haben; denn es kann nicht angehen, dass Wettbewerb immer nur zu Dumping, zu einer Bewegung nach unten führt.

   Wir brauchen die Finanzierbarkeit unserer Systeme; das gilt für alle anderen Länder auch. Viele haben im Wettbewerb aufzuholen - das ist richtig -, sie brauchen in dieser Zeit Vorteile - auch das ist richtig -, aber die Sätze müssen sich mit der Zeit angleichen, und das kann nicht auf dem niedrigsten Level geschehen, wenn wir das finanzieren können wollen, was notwendig ist. Deswegen bitte ich in diesem Zusammenhang auch um mehr Redlichkeit: Wenn man Dinge vergleicht, soll man Äpfel mit Äpfeln vergleichen und nicht Birnen mit Äpfeln, wie Sie das immer tun.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt Professor Kurt Faltlhauser, Staatsminister der Finanzen des Freistaats Bayern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Kurt Faltlhauser, Staatsminister (Bayern):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Poß hat gerade den Versuch gemacht, die Geschlossenheit der Union in der Steuerpolitik infrage zu stellen, indem er darauf hingewiesen hat, dass es einen Bericht mit Berechnungen über die Kosten der verschiedenen Konzepte gibt, die auf dem Markt sind, und wie sie zu beurteilen sind. Dieser Bericht war die Auftragsarbeit der Verwaltung; der Auftrag ist von den Ministerpräsidenten vergeben worden. Wertungen durch die Minister sind an keiner Stelle bestätigt worden.

(Joachim Poß (SPD): Aber von den Finanzministern gebilligt, Herr Faltlhauser!)

   Ich erkläre als Finanzminister des Freistaates Bayern

(Joachim Poß (SPD): Jetzt rudern Sie zurück!)

ausdrücklich, dass das, was hier heute als Gegenstand der Debatte vorliegt, das Ergebnis langer Arbeit und intensiver Debatte zwischen CDU und CSU, zwischen Herrn Merz und mir,

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das hat es aber nicht besser gemacht, sondern schlechter!)

zwischen den Fachleuten ist. Die Union hat mit diesem Papier ein intensiv diskutiertes Konzept auf dem Tisch; wir haben ein Konzept.

   Diese Bundesregierung steht dagegen mit leeren Händen da; das ist der eigentliche Punkt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie hätten auch Ihre Kreativität bemühen können, Herr Poß, um ein entsprechendes Konzept nach Ihrem Gusto vorzulegen.

(Joachim Poß (SPD): Wir haben ein Konzept!)

Der Kollege aus Schleswig-Holstein hat sich jetzt alleine bemühen müssen und hat ein Konzept auf den Tisch gelegt. In der wichtigen Frage der grundsätzlichen Reform der Steuerpolitik hat die Opposition, sowohl die FDP - ich will es inhaltlich nicht beurteilen - als auch die Union, ein Konzept auf dem Tisch. Wir stehen vor den Bürgern und sagen zu ihnen: Das ist unser Angebot.

   Zugegeben, entscheidend in diesem Zusammenhang ist zunächst die Frage der Finanzierbarkeit. Angesichts dessen, dass die Bundesregierung die Nettoneuverschuldung in diesem Jahr voraussichtlich auf etwa 45 Milliarden Euro erhöhen wird - zu den 29,3 Milliarden Euro, mit denen man gerechnet hat, werden bis zu 15,8 Milliarden Euro hinzukommen -, angesichts dessen, dass die Nettoneuverschuldung in Nordrhein-Westfalen im letzten Jahr 6,5 Milliarden Euro betragen hat - eine solche Neuverschuldung in einem einzigen Jahr in einem einzigen Land, das müssen Sie sich vorstellen -, muss man die Frage stellen, ob die Luft für eine entsprechende Entlastung vorhanden ist.

   Herr Merz hat hier schon eine sehr präzise Antwort auf diese Frage gegeben. Ich will nun drei für mich bedeutsame Gründe anführen, warum ich meine, dass wir jetzt mit einem derart umfassenden Konzept auf den Markt müssen.

   Erstens. Wir sprechen in allen Debatten - das war auch in der Debatte heute früh der Fall - von der dringenden Notwendigkeit verstärkter Eigenvorsorge in den Sozialsystemen, also bei der Gesundheits- und der Altersvorsorge, durch den Bürger. Wenn wir das Thema Eigenvorsorge zur Diskussion stellen und die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen dafür schaffen, müssen wir den Bürgern auch den Spielraum geben, diese Eigenvorsorge finanzieren zu können.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

Wir müssen zeitgleich also auch die entsprechenden Entlastungen auf den Weg bringen, damit die Bürger die Chance haben, finanziell Eigenvorsorge zu leisten. Wir brauchen ein Gesamtkonzept;

(Joachim Poß (SPD): Alterseinkünftegesetz!)

denn wir können nicht etwas fordern, ohne die Voraussetzungen dafür zu schaffen.

   Der zweite Grund betrifft den Steuerwettbewerb. Unsere Steuerquote liegt gegenwärtig knapp unter 22 Prozent; das ist richtig. Damit haben wir den Steuerwettbewerb aber nicht gewonnen. Irland ist mit Steuersätzen von 12,5 Prozent vorgeprescht und hat diesen Körperschaftsteuersatz, der früher auf den Docks von Dublin üblich war, für das ganze Land festgelegt. Litauen, Zypern und Lettland gehen ab dem 1. Mai mit einem Körperschaftsteuersatz von 15 Prozent in den europäischen Wettbewerb.

   Herr Kollege Merz, Sie sagen, hier werde Dumping betrieben. Ich glaube nicht, dass das das Problem ist. Wir sind ausdrücklich für Wettbewerb innerhalb eines föderalen Systems und damit ausdrücklich für Wettbewerb auf europäischer Ebene. Selbstverständlich gehört zu einem solchen Wettbewerb auch das Instrument der Steuern. Das kann man doch nicht ausschließen. Ein Problem entsteht erst dann, wenn gleichzeitig uno actu demjenigen, gegen den der Wettbewerb betrieben wird, in erheblichem Maße Transferleistungen gewährt werden. Hier kommen wir in Konflikte, die unter beihilferechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen sind.

   Dieser Umstand, dass wir auf der einen Seite durch deutlich niedrigere Steuersätze herausgefordert werden, auf der anderen Seite aber deutliche Transferleistungen gewähren, erstaunt auch die Bürger. Das müssen wir vertieft erörtern. Ich gehe davon aus, dass morgen in der Aussprache zur EU-Erweiterung entsprechende weitere inhaltliche Vorklärungen - von Klärungen kann man nicht sprechen - getroffen werden.

   Ich persönlich glaube, Frau Scheel, dass man gegenwärtig keine Mindeststeuern einführen kann.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, das ist richtig!)

Dagegen spricht das Einstimmigkeitsprinzip. Das können und wollen wir zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit Sicherheit nicht aufheben.

   Inzwischen zweifle ich an meiner alten Auffassung, dass wir die direkten Steuern nicht harmonisieren dürfen und können.

(Beifall des Abg. Carl-Ludwig Thiele (FDP))

Ich glaube vielmehr, der Binnenmarkt insgesamt erfordert zunehmend, dass man auch die Harmonisierung der direkten Steuern betrachtet. Wir haben es uns zu leicht gemacht, indem wir nur die indirekten Steuern harmonisiert haben. Die Harmonisierung ist eine mittel- und langfristige Aufgabe. Gegenwärtig kann das angesichts der niedrigen Steuersätze einiger Länder im Osten nicht Thema sein.

   Der dritte und, wie ich meine, entscheidende Grund, warum wir jetzt entsprechend initiativ werden müssen, ist die Verkomplizierung; Kollege Merz ist darauf schon eingegangen. Es wurden Zahlen genannt, wie viele Gesetze und Verordnungen wir haben. Beispielsweise gibt es 182 Paragraphen im Einkommensteuerrecht. Ich habe mich gestern auf der traditionellen Finanzamtsvorstehertagung mit den Leitern der Finanzämter getroffen. Diese haben mir vorgehalten und detailliert erläutert, dass sie in vielerlei Hinsicht nicht mehr in der Lage sind, das Steuerrecht, das wir haben, mit ihren Fachleuten zu vollziehen. Denn nicht nur die Gegebenheiten des Steuerrechtes sind kompliziert und durch diese Bundesregierung immer komplizierter geworden, sondern auch die Geschwindigkeit der Änderungen hat sich erhöht und die Qualität des Steuerrechtes - dabei schaue ich Sie von Rot-Grün an - ist in den letzten Jahren miserabel geworden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir muten unseren Beamten eine ungeheure Arbeit zu. Man hört immer wieder, dass es bei den Beamten viel Frustration gibt. Dies liegt vor allem an der Aufgabenstellung und an der Geschwindigkeit, mit der die Arbeitsgrundlagen geändert werden.

(Ortwin Runde (SPD): Das haben sie früher auch schon erzählt und damals kamen die Steuergesetze von Ihnen!)

   Herr Eichel sagt, auch er sei für eine drastische Vereinfachung, man könne ihn sofort dabei haben. Gleichzeitig sagt er aber, wir könnten uns gegenwärtig keine Nettoentlastung im Steuerrecht leisten. Dies ist ein dramatischer Widerspruch in sich. Frau Hendricks, wenn man vereinfachen will, dann muss man natürlich auch eine Vielzahl von Sonderregelungen - zum Beispiel die Steuerbefreiungen gemäß § 3 Einkommensteuergesetz, Werbungskosten oder Sonderausgaben - beseitigen. Dies ist im Ergebnis eine Belastung für weite Teile der Bevölkerung. Wenn man das alleine so stehen lässt, dann ist das ein Programm zur Steuererhöhung.

(Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Richtig!)

Also müssen Sie die Steuersätze uno actu und gleichzeitig senken. Ansonsten haben Sie kein Konzept.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir haben ein solches. Es enthält Vereinfachungen und Senkungen. Frau Hendricks, Sie und der Finanzminister können Ihre Reden von Vereinfachung wirklich vergessen, wenn Sie nicht gleichzeitig auch bereit sind, Steuersenkungen durchzuführen.

   Wir haben ein Konzept vorgelegt, das Ihnen in der Drucksache 15/2745 vorliegt. Danach wollen wir pragmatisch in zwei Stufen vorgehen. Zunächst soll durch die Steuersätze in Höhe von 12 bis 36 Prozent eine Nettoentlastung von rund 10 Milliarden Euro erreicht werden. Diese Steuersätze sind später auch für eine Stufenlösung vorgesehen, und zwar nicht weil hier grundsätzliche Divergenzen bestünden, sondern weil ein linearer Tarif einfach preiswerter ist. Stufen kosten Geld; das kann jeder nachrechnen.

   Es gibt hier aber eine Differenz zu dem, was der immer wieder zitierte Professor Kirchhof vorgelegt hat. Dieser hat eine Flat Tax von 25 Prozent vorgeschlagen. Ich erkläre für mich ausdrücklich, dass ich in der sozialen Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland eine Flat Tax für nicht vertretbar halte.

(Beifall des Abg. Ortwin Runde (SPD) - Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Richtig!)

Für mich ist die Progression der Einkommensteuer ein Kernpunkt unseres Sozialstaatsprinzips. Andere in Europa können kampfbereit ruhig eine Flat Tax einführen. Ich bin nicht dafür. Welche Art des Anstiegs man einführt - einen Stufentarif, Herr Solms, oder eine Progression -, ist, wenn man von der finanziellen Wirkung absieht, eher eine Geschmacksache. Insofern haben wir uns auf einen guten Kompromiss geeinigt. Gemäß dem Vorschlag von Friedrich März soll in der zweiten Stufe dann ein Stufentarif vereinbart werden.

   Bei der Erbschaftsteuer wollen wir die Betriebsübernehmer entlasten. Deshalb haben wir, solange das Unternehmen fortgeführt wird, eine Reduzierung der Steuerbelastung um jährlich 10 Prozent in das Sofortprogramm eingebaut. Dies ist sofort umzusetzen. Ich glaube, wir haben hier ein überzeugendes Konzept vorgelegt. Herr Kollege Runde und Herr Poß, ich höre aus Ihren Reihen, dass das positiv beurteilt wird. Auch von den Finanzministern der A-Länder höre ich sehr positive Reaktionen. Ja, dann machen wir es doch endlich! Draußen gehen jährlich Arbeitsplätze verloren, weil es diese zusätzliche Steuerbelastung aufgrund der Regelungen zur Erbschaftsteuer gibt. Die Unternehmen geben deshalb auf, wodurch wir Arbeitsplätze verlieren. Wir haben keine Zeit zu verlieren. Machen Sie mit!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Voraussetzung dafür ist aber, dass Sie diese Gelegenheit nicht nutzen, um aus ideologischen Gründen bei der Erbschaftsteuer insgesamt wieder draufzupacken. Frau Hendricks, wir brauchen uns nicht darüber zu wundern, wenn beim Gang über die Brücke in die Steuerehrlichkeit Zögerlichkeiten festzustellen sind. Auch ich würde nicht zurückkommen, wenn es ständig Drohungen gäbe, dass die Erbschaftsteuer doch noch erhöht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben hier eine Chance. Ergreifen Sie sie bitte! Wir machen dann mit.

Bei Erstellung dieses Gesamtkonzepts sind wir jede einzelne Position - auch des § 3 Einkommensteuergesetz - durchgegangen. Das war kein einfacher Job. Das heißt, die Union, CDU und CSU, hat zu einer sehr tief greifenden Übereinstimmung bei vielen Details gefunden. Auf diese Weise sind wir in der Lage, schnell gesetzgeberisch tätig zu werden.

   Wir haben uns dabei drei Aufgaben gestellt: Erstens. Wir wollen ein einheitliches, zusammenhängendes und systematisches Einkommensteuerrecht vorlegen. Es gibt zwar bereits eine Vorlage auf der Basis des Kölner Konzeptes, aber auch die dortigen Experten meinen, dass es noch weiterentwickelt und vertieft werden muss. In zwei Jahren wird mit Sicherheit ein Gesamtkonzept auf dem Tisch liegen, Herr Kollege Merz, das dann schnell umgesetzt werden kann.

   Zweitens. Wir müssen die Unternehmensbesteuerung angehen. Dabei wollen wir am Dualismus von progressiver Einkommensteuer und proportionaler Körperschaftsteuer festhalten. Ziel muss sein, die Besteuerungsrechtsform und Finanzierungsneutralität unter Berücksichtigung der europäischen und internationalen Entwicklungen sicherzustellen. Dabei sind eine Reihe von Vorgaben zu berücksichtigen. Ich nenne hier nur das Wahlrecht zwischen Einnahmeüberschussrechnung und Steuerbilanzierung. Das Steuerbilanzrecht muss unter Lösung von handelsrechtlichen Maßgeblichkeiten verselbstständigt und neu gefasst werden. Eine steuerliche Gewinnermittlung auf der Grundlage von IAS oder IFRS halten wir - das wurde vorgeschlagen - für nicht vertretbar. Das würde dieses Land und die hiesigen Betriebe mit Sicherheit überfordern.

   Diese Aufgabenstellung hat in diesem Land weder diese Bundesregierung noch ein Verband - auch wir noch nicht - in der grenzüberschreitenden Komplexität abschließend gelöst. Herr Merz, wir haben uns zwei Jahre Zeit dafür gegeben, um diese Probleme mithilfe der entsprechenden Experten zu lösen, damit wir auch in diesem Bereich ein international wettbewerbsfähiges Steuerrecht für die Unternehmen schaffen können.

   Drittens. Die letzte Hausaufgabe ist die Gemeindefinanzreform. Dazu gehört auch die Reform der Gewerbesteuer, die man nur noch als Fossil bezeichnen kann. Man kann die Finanzierungsprobleme der Kommunen, die wir sehen und anerkennen, nicht dadurch lösen, dass man sich bei der Substanzbesteuerung der Unternehmen schadlos hält. Das ist zu einfach. Das haben wir verhindert. Wir haben durch das Sofortprogramm und die Absenkung der Gewerbesteuerumlage zumindest einen ersten Schritt getan.

   Wir wollen die Einnahmen der Kommunen verlässlicher machen und gleichzeitig die Substanzbesteuerung der Unternehmen beseitigen. Das wollen wir gemeinsam mit den Kommunen machen. Ich kann nur an die Gemeinden appellieren, dass sie - lassen Sie es mich so ausdrücken - ihre Konsumentenhaltung überdenken. Sie dürfen nicht nur warten, welches Konzept kommt, und nachrechnen, was es für sie für Konsequenzen hat, um dann erst zu handeln. Auch von dieser Seite muss mehr politische Kreativität kommen.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Das ist richtig!)

   Uns bleiben noch zwei Jahre, um unsere Hausaufgaben zu erledigen. Dann wird ein über den heutigen Antrag hinausgehendes Gesamtkonvolut an steuerlicher Konzeption vorliegen, wie es in der Nachkriegsgeschichte dieses Landes noch nie der Fall war. Die Umsetzung wird zügig erfolgen. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass uns der Wähler dafür den Auftrag gibt. Dieses Land wird dann beim Steuerrecht wieder wettbewerbsfähig werden. Dies wird den Anstoß für einen Ruck in diesem Land geben, damit es zu einem vernünftigen Wachstum kommt und wir wieder Politik machen können.

   Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Barbara Hendricks.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Faltlhauser, ich stimme Ihnen in Ihrer Bewertung des europäischen Steuersystems zu. Ich stimme in Ihrer Aussage zur Flat Tax zu. Ich widerspreche Ihrer Aussage, dass aufgrund der Erbschaftsteuer täglich Arbeitsplätze verloren gehen. Ich will damit nicht die Reformbedürftigkeit der Erbschaftsteuer in Abrede stellen. Aber es gibt in der Bundesrepublik Deutschland keinen einzigen Nachweis dafür, dass aufgrund der Erbschaftsteuer ein Unternehmen in Konkurs gegangen ist. Darum widerspreche ich dieser Aussage sehr deutlich. Das darf so nicht stehen bleiben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU)

   Ich habe in vielen Debatten darum gebeten, mir ein Beispiel dafür vorzulegen, aber es hat mir noch keiner ein Beispiel nennen können. Wir haben auch entsprechende Umfragen bei den Landesfinanzverwaltungen gemacht. Dabei sind wir zu dem Ergebnis gekommen: Es gibt kein Beispiel.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Der Mittelstand stirbt leise!)

Das heißt nicht, dass man sich dieses Themas nicht annehmen sollte; das will ich gar nicht bestreiten. Aber für Ihre Behauptung gibt es keinen Beleg.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kalb?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Ja, bitte.

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Frau Staatssekretärin, würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass beim Generationenübergang die Investitionskraft insbesondere der besser situierten Unternehmen am stärksten geschwächt wird und damit tagtäglich die Schaffung von Arbeitsplätzen verhindert bzw. der Verlust von Arbeitsplätzen eingeleitet wird?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Herr Kollege, ich will gar nicht bestreiten, dass die Belastung mit der Erbschaftsteuer die Investitionskraft im fortgeführten Unternehmen schmälert. Das ist doch keine Frage. Ich habe auch nicht in Abrede gestellt, dass wir diesbezüglich Überlegungen anstellen sollten. Ich bin wirklich dafür, sich das gründlich anzusehen. Ich habe die Reformnotwendigkeit nicht in Abrede gestellt. Ich habe nur der Behauptung widersprochen, dass täglich Arbeitsplätze wegen der Erbschaftsteuer verloren gehen, weil das nicht stimmt. Es gibt eine zehnjährige Stundung. Selbstverständlich werden Stundungen von der Finanzverwaltung verlängert, wenn es sonst zur Insolvenz des Unternehmens käme.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Es ist die Kombination der Belastungen!)

   Es ist doch alles Unsinn, was Sie hier behaupten. Man muss wirklich keinen Unsinn behaupten, um möglicherweise eine gemeinschaftliche Initiative zur Erbschaftsteuer befördern zu wollen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Wenn keine Investitionen stattfinden, dann kostet das Arbeitsplätze!)

Ich bin gerne dazu bereit, aber man sollte keine überzogenen Äußerungen machen, die nicht stimmen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine zweite Zwischenfrage?

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Ja.

Hartmut Schauerte (CDU/CSU):

Auch ich möchte Ihnen zum Geburtstag gratulieren.

Sie haben erklärt, dass es keinen Fall gebe, in dem der Zusammenhang mit der Erbschaftsteuer nachgewiesen werden könne. Sie können sich vorstellen, dass die meisten Unternehmen im Plenum nicht öffentlich genannt werden wollen. Das ist berechtigt, denn man möchte sich nicht öffentlich vorführen lassen. Einen Fall kennen wir alle: Müller-Milch. Herr Müller hat sein Verhalten ausdrücklich mit der Erbschaftsteuer begründet, egal ob wir das für richtig oder falsch halten.

   Aus dem Bundesland Nordrhein-Westfalen, in dem wir beide zu Hause sind, könnte ich Ihnen ohne jedes Problem an die 20 große Familiengesellschaften und Unternehmen nennen, die alle genau aus diesem Grunde Vorkehrungen getroffen haben und mittlerweile Firmensitze und Holdingsitze etc. ins benachbarte Ausland, nach Belgien, in die Schweiz oder nach Österreich, verlegt haben. Erwecken Sie doch nicht den Eindruck, als gäbe es diese Absetzbewegung wegen unserer Erbschaftsteuer nicht! Sie müssen es besser wissen.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Herr Kollege Schauerte, ich widerspreche nicht Ihrem Eindruck, dass sehr viele Unternehmen alle möglichen Anstrengungen unternehmen, um keine Erbschaftsteuer zahlen zu müssen. Es gibt aber viele Steuerberater und Wirtschaftsprüfer, die sagen, das sei auch ohne Sitzverlegung legal möglich; man müsse in Deutschland nicht zwingend Erbschaftsteuer zahlen.

   Ich widerspreche auch nicht der Aussage von Herrn Müller, dem Inhaber des Familienunternehmens Müller-Milch, dass er nicht bereit sei, seine neun Kinder 200 Millionen Euro Erbschaftsteuer zahlen zu lassen. Das bedeutet aber nicht, dass das Unternehmen Müller-Milch in Gefahr geraten wäre,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Doch!)

wenn seine neun Kinder die insgesamt 200 Millionen Euro Erbschaftsteuer mit den entsprechenden Freibeträgen und über zehn Jahre verteilt hätten entrichten müssen. Zum Vergleich: Das Unternehmen Müller-Milch ist in der Lage, jedes Jahr für Öffentlichkeitskampagnen 100 Millionen Euro auszugeben.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Das ist Werbung!)

Sind dann 200 Millionen Euro, verteilt auf neun Kinder und über zehn Jahre, vielleicht nicht doch zu erwirtschaften?

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist ein törichter Vergleich! Solche Leute sind im Finanzministerium!)

Wäre das Unternehmen deswegen in seiner Existenz bedroht, ja oder nein? Diese Frage stellt sich doch.

(Beifall bei der SPD - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Da muss der Poß klatschen!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Offensichtlich reizen Sie die Kollegen zu vielen Zwischenfragen. Mehr als drei werde ich in einer kurzen Rede nicht zulassen. Wenn Sie das aber möchten, bitte.

(Joachim Poß (SPD): Die wollen alle gratulieren!)

Hans Michelbach (CDU/CSU):

Ich verstehe nicht, warum Sie sich an Ihrem Geburtstag so echauffieren.

(Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär: Wer echauffiert sich denn?)

Können Sie nachvollziehen, dass es einem Unternehmer wie Herrn Müller sehr schwer gefallen ist, so in die öffentliche Diskussion zu kommen? Herr Müller konnte nachweisen, dass er im Wettbewerb mit den Großkonzernen, die keine Erbschaftsteuer zahlen müssen, die notwendige Expansion am Markt nicht leisten konnte

(Joachim Poß (SPD): Er konnte sich seine Spendenaffäre leisten!)

und durch die Investitionen, die er in den neuen Bundesländern getätigt hat, in Verbindung mit dem Kapitalabfluss durch eine Erbschaftsteuerzahlung in große finanzielle Schwierigkeiten gekommen wäre. Das hat er nachgewiesen. Ich bitte Sie deshalb, Herrn Müller zu verstehen,

(Joachim Poß (SPD): Wieder so eine lange Frage! Fragen Sie doch mal!)

dass er dieses Anliegen -

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, was ist Ihre Frage?

Hans Michelbach (CDU/CSU):

- im Gegensatz zu vielen anderen mittelständischen Unternehmern öffentlich vorgebracht hat.

Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin beim Bundesminister der Finanzen:

Herr Kollege Michelbach, meine Beurteilung des Vorgangs habe ich gerade dargelegt. Ich kann nicht nachvollziehen, dass es Herrn Müller schwer gefallen ist, sein Anliegen in der Öffentlichkeit darzulegen; denn er ist selber mit einem Interview an die Öffentlichkeit getreten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mit mehreren! - Joachim Poß (SPD): Man sollte auch sagen: Das CSU-Mitglied Müller ist selber an die Öffentlichkeit gegangen!)

   Kritik am Steuersystem ist immer wohlfeil. Die Opposition kann zwar immer wieder versuchen, den Bürgerinnen und Bürgern einzureden, das Steuersystem sei unverständlich oder ungerecht. Aber dabei darf natürlich nicht die wichtige Tatsache außer Acht gelassen werden, dass bei den einfachen Lebenssachverhalten - das betrifft die Masse aller Steuerpflichtigen und Steuererklärungen - das geltende Recht sehr leicht zu erklären und auch zu vollziehen ist.

(Joachim Poß (SPD): So ist es!)

Erfreulicherweise werden in Nordrhein-Westfalen schon Modellversuche durchgeführt.

   In der steuerpolitischen Reformdebatte wäre demnach schon viel gewonnen, wenn die Opposition den Bürgerinnen und Bürgern zwei Sachverhalte ehrlich nennen würde. Erstens. Das Steuerrecht ist im Wesentlichen deshalb komplex, weil teilweise vielschichtige Lebenssachverhalte zu berücksichtigen sind. Das macht Vereinfachungen schwierig. Ich nenne nur als Beispiel, dass Sie in einem der letzten Steuergesetzgebungsverfahren um einbringungsgeborene Anteile für Personengesellschaften im Einkommensteuerrecht gekämpft haben. Wahrscheinlich können die wenigsten von Ihnen erklären, worum es sich dabei handelt. Aber es haben auch nur die wenigsten mit einbringungsgeborenen Anteilen im Einkommensteuerrecht zu tun, auch wenn es sich dabei um eine wichtige, komplizierte Materie handelt.

   Eine Reform des Steuerrechts darf nicht nur unter dem Gesichtspunkt der Vereinfachung durchgeführt werden. Denn eine Vereinfachung bedeutet noch lange nicht, dass die Reform auch gerecht oder gesellschaftlich wünschenswert ist. Deswegen haben sich die Finanzminister den Vorschlag ihrer Steuerabteilungsleiter zu Eigen gemacht, Herr Kollege Faltlhauser, und sind bei ihrer gründlichen Bewertung zu dem Ergebnis gekommen, dass es kein Patentrezept für eine grundsätzliche Vereinfachung des Steuerrechts gibt.

   Keines der derzeit diskutierten Modelle erfüllt die an eine echte Steuerreform anzulegenden Kriterien. Das ist nicht zuletzt auf die teilweise enormen Mindereinnahmen zurückzuführen, die trotz der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage unterm Strich verbleiben würden. Das gilt insbesondere für das Konzept der Opposition. Mit den von der CDU/CSU selbst errechneten Steuermindereinnahmen in Höhe von 10,7 Milliarden Euro bei voller Jahreswirkung wird die unabdingbare Aufkommensneutralität, auf die alle öffentlichen Haushalte zumindest gegenwärtig achten müssen - das muss nicht unbedingt für alle Zeiten gelten -, verfehlt.

   Die kurzfristige Kassenwirkung würde sogar noch zu weitaus höheren Steuerausfällen in einer Größenordnung von 16 Milliarden Euro in den Jahren 2005 und 2006 führen. Es liegt auf der Hand, dass das nicht hinnehmbar ist.

   Das von der Union vorgelegte Konzept hätte zudem - das gilt auch für die anderen so genannten radikalen Konzepte beispielsweise von Herrn Kirchhof und Herrn Solms - hochgradig problematische Verteilungswirkungen zur Folge. Von den Entlastungen würden Spitzenverdiener weit überproportional profitieren; die Finanzierung hingegen bliebe zum guten Teil den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern mit niedrigerem oder mittlerem Einkommen überlassen. Wenn es nach der CDU/CSU geht, dann zahlen also die kleinen Leute die Zeche, und zwar in dreifacher Hinsicht. Erstens profitieren sie nicht von der massiven Senkung der Spitzensteuersätze. Zweitens sollen sie auf steuerliche Vergünstigungen verzichten. Drittens sollen sie sich an den Lasten einer höheren Verschuldung beteiligen. Für so eine Art Reform stehen wir nicht zur Verfügung.

(Beifall bei der SPD)

   Ich stelle demgegenüber fest: Die Bundesregierung tritt natürlich für Steuervereinfachung und mehr Transparenz im Steuerrecht ein. Hierbei sind aber klare Vorgaben zu beachten. Erstens. Eine Steuerreform muss für den Staat finanzierbar sein. Zweitens. Sie muss sozial gerecht sein. Drittens muss sie die Europatauglichkeit des Steuersystems verbessern und zu einer besseren Position im internationalen Steuerwettbewerb führen.

   Aus guten Gründen hat daher kürzlich die Ministerpräsidentenkonferenz den Finanzministern den Auftrag erteilt, die Konsenspunkte der unterschiedlichen Reformkonzepte herauszufiltern. Sollten sich auf diesem Weg Reformperspektiven eröffnen, bei denen alle drei Vorgaben, die ich eben nannte, erfüllt sind und bei denen auch die Aussicht auf politische Durchsetzbarkeit besteht, werden wir uns dem sicherlich nicht verschließen.

   Die von einem langen propagandistischen Vorlauf begleiteten Steuerpläne von CDU und CSU sind daneben ein vergeblicher Versuch, davon abzulenken, dass sich seit 1999 in der Steuerpolitik sehr viel zum Positiven entwickelt hat.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch des Abg. Dr. Hermann Otto Solms (FDP))

Die Bundesregierung hat mit ihrer Steuerreform 2000 das größte Steuersenkungsprogramm in der Geschichte der Bundesrepublik umgesetzt. 2005 wird der Eingangssteuersatz bei der Einkommensteuer, der im Jahre 1998 noch bei 25,9 Prozent lag - das fiel in Ihre Regierungsverantwortung -, auf 15 Prozent gesunken sein. Das ist ein historischer Tiefstand. Von 2005 an wird der Spitzensteuersatz 42 Prozent betragen. 1998, also vor knapp sechs Jahren, als Sie in der Regierungsverantwortung waren, lag er noch bei 53 Prozent. Insgesamt sorgt die Steuerreform 2000 für Entlastungen in Höhe von rund 32 Milliarden Euro bis 2005, und zwar nicht einmalig, sondern Jahr für Jahr.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Hätten Sie die Vereinbarung auf dem Petersberg nicht blockiert, wären wir heute weiter!)

   Wir haben damit nicht nur im historischen, sondern auch im internationalen Vergleich sehr niedrige Steuersätze. Um das an zwei ganz konkreten Beispielen deutlich zu machen: Ein Lediger mit einem Einkommen von 25 000 Euro zahlte 1998 noch 4 700 Euro Steuern. 2005 wird er nur noch 3 600 Euro zahlen. Er hat also 1 100 Euro mehr in der Tasche. Eine Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern und einem Einkommen von 37 500 Euro wurde 1998 unter Einbeziehung des Kindergeldes noch mit 3 000 Euro belastet. 2004 zahlt sie unter Einbeziehung des Kindergeldes nur noch knapp 60 Euro. Von 2005 an bekommt sie unter dem Strich sogar 12 Euro heraus. Ein Plus von 12 Euro im Jahr 2005 statt eines Minus von 3 000 Euro im Jahr 1998 für eine Arbeitnehmerfamilie mit zwei Kindern! Das soll uns erst einmal jemand nachmachen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Im Unternehmensteuerbereich hat sich ebenfalls Entscheidendes getan. Seit 2001 haben wir ein europataugliches, deutlich vereinfachtes und international wettbewerbsfähiges Unternehmensteuerrecht. Die Körperschaftsteuer haben wir auf 25 Prozent für thesaurierte und ausgeschüttete Gewinne reduziert. Zur Erinnerung: In der Zeit, als Sie die Regierungsverantwortung hatten, lagen die Steuersätze bei 45 und 30 Prozent. Mit dem neuen Halbeinkünfteverfahren haben wir auch in Europa Maßstäbe gesetzt. Italien hat das System bereits übernommen. Frankreich wird dem Beispiel wohl folgen.

   In Zukunft werden wir weiter daran arbeiten, das deutsche Steuerrecht internationalen Gegebenheiten und Standards anzupassen. Unter anderem wird das Außensteuerrecht entsprechend zu reformieren sein. Außerdem wollen wir das EG-Recht künftig aktiver - so weit das in unseren Möglichkeiten liegt; wir sind hier ja schon immer aktiv gewesen - in die Richtung beeinflussen, wie sie vorhin von Herrn Faltlhauser angesprochen worden ist, nämlich eine Verknüpfung mit den Infrastrukturfördermitteln herzustellen, die nicht nur die neuen EU-Länder, sondern auch die bisherigen Mitglieder der EU erhalten.

   Die Bundesregierung hat im Übrigen auf dem Feld der Subventionen, das sie alleine beeinflussen kann und auf dem sie nicht durch Ihre Mehrheit im Bundesrat behindert werden kann, Wesentliches geleistet. Von 1998 bis 2004 werden die Finanzhilfen von 11,4 Milliarden Euro auf knapp unter 7 Milliarden Euro, also um rund 4,4 Milliarden Euro bzw. knapp 40 Prozent gesenkt. 40 Prozent weniger Subventionen als bei der Regierungsübernahme! Im Finanzplan bis 2007 ist ein weiterer Abbau auf weniger als die Hälfte vorgesehen.

   Das, was die Opposition auf diesem Gebiet zu bieten hat, gleicht eher einem Trauerspiel. Von der im ursprünglichen Konzept vom Kollegen Merz noch vorgesehenen „radikalen Streichung steuerlicher Vergünstigungen“ ist kaum mehr etwas übrig geblieben. Selbst die wohnungsbaupolitisch verfehlte und ökologisch fragwürdige Eigenheimzulage soll unangetastet bleiben.

(Beifall des Abg. Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU))

- Daran können Sie sehen, wie mutig Sie sind und wie modern Ihr Steuerrecht in einer Zeit ist, in der es Leerstände nicht nur in den neuen Bundesländern, sondern sogar auch in ländlichen und städtischen Räumen im Westen unserer Republik gibt.

   CDU und CSU können mit dem heute vorgelegten Antrag kaum überdecken, dass sie eigentlich keine gemeinsame finanzpolitische Position haben. Sonntags trafen sich die Präsidien der beiden Parteien. Der Berg kreißte und gebar eine Maus, die er „Konzept 21“ nannte. Bekanntlich haben Mäuse kein sehr langes Leben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Frau Kollegin Hendricks, Sie sind mittlerweile schon mehrfach mit Glückwünschen bedacht worden. Nun möchte auch ich Ihnen im Namen des ganzen Hauses herzlich gratulieren. Das hätte ich gerne vorher gemacht; leider wusste ich es aber nicht. Umso herzlicher ist mein Glückwunsch.

(Beifall)

   Das Wort hat jetzt der Kollege Dr. Otto Solms.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Jeden Monat, beinahe jede Woche müssen wir diese Debatte führen. Die gesamte Fachwelt in Deutschland, alle steuerpflichtigen Bürger in Deutschland, die Steuerverwaltung - alle wissen, dass es mit diesem chaotischen Steuerrecht so nicht weitergehen kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das Steuerrecht ist zu kompliziert, die Steuerbelastung ist zu hoch, die Steuergerechtigkeit ist grundsätzlich verletzt. Nur die Bundesregierung hat das noch nicht verstanden und deswegen kommen wir nicht voran. Das ist ganz einfach.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Frau Kollegin Hendricks, Sie wissen so gut wie ich: Wenn damals, nach den Petersberger Beschlüssen,

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Ja!)

die vom Bundestag beschlossene Reform vom Bundesrat, dem der damalige hessische Ministerpräsident, Ihr heutiger Finanzminister, angehörte, nicht blockiert worden wäre, dann hätten wir seit dem 1. Januar 1998 einen Spitzensteuersatz von 39 Prozent.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Man muss sich das einmal vorstellen!)

Also: Rühmen Sie sich der 42 Prozent, die im nächsten Jahr gelten sollen, nicht! Ihre Politik hat uns viele Jahre Geld gekostet. Alle Bürger müssen das bezahlen und dafür tragen Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Ich möchte auf die Notwendigkeiten zurückkommen. Wir haben hier am 12. Februar ein ausformuliertes, neues Einkommensteuergesetz eingebracht. Es hat in der Fachwelt hohe Anerkennung gefunden. Wir haben in einem Wettbewerb sogar einen Preis von 40 000 Euro gewonnen. Ich glaube, das ist in der Geschichte der Bundesrepublik noch keiner Partei gelungen. Diese Einbringung war eine Aufforderung an alle Fraktionen dieses Hauses, sich dieser elementar notwendigen Aufgabe zu stellen. Das war keine Aktion der Opposition, um sich zu profilieren. Das geschah vielmehr in der Hoffnung, dass wir noch in dieser Legislaturperiode Steuersenkungen, Steuergerechtigkeit und Einfachheit durchsetzen können, wenn alle Fraktionen mitarbeiten.

   Vonseiten der Regierungskoalition höre ich immer wieder, dass sie nicht bereit ist, diesen Weg zu gehen. Unser Angebot bleibt bestehen. Ich freue mich, dass die CDU/CSU als gemeinsame Fraktion jetzt, nach sicherlich schwierigen Diskussionen zwischen den beiden Parteien, hier Thesen vorlegt, die in dieselbe Richtung gehen wie unsere Vorstellungen. Auf dieser Basis lässt sich ein gemeinsames Reformkonzept durchsetzen.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Richtig!)

Herr Kollege Faltlhauser, ich bedanke mich auch bei Ihnen, dass Sie daran mitgewirkt haben.

   In diesem Zusammenhang möchte ich auf einige Probleme im Zeitablauf hinweisen. Es ist so, dass wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Wenn es in dieser Legislaturperiode wegen der Haltung der Koalitionsfraktionen, der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen, zu einer gemeinsamen Reform also nicht mehr kommt - nach dem, was Frau Kollegin Hendricks gesagt hat, müssen wir davon ausgehen -,

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): Nach dem, was Herr Poß gesagt hat, auch!)

dann müssen wir sofort nach der gewonnenen Bundestagswahl handlungsfähig sein. Diese Wahl findet Ende 2006 statt.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Oder früher!)

Eine solche Reform kann also frühestens zum 1. Januar 2008 in Kraft treten. Das wird aber nur gelingen, wenn wir konzeptionell so weit vorbereitet sind, dass die Gesetzgebungsarbeit bis Mitte 2007 erledigt ist. Deswegen müssen die Vorbereitungen jetzt getroffen werden, und zwar mit konkreten Ergebnissen; sonst schaffen wir das nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Kollege Faltlhauser, ich habe, was den Zeitplan und die Prioritäten anbetrifft, ein Problem. Ich glaube, dass die Gemeindefinanzreform als Erstes auf den Weg gebracht werden muss; denn die Abschaffung oder die Ersetzung der Gewerbesteuer ist der Schlüssel zur Steuervereinfachung. Die Gewerbesteuer ist ein Fremdkörper in unserem Steuerrecht und passt auch in das europäische Steuerrecht überhaupt nicht hinein.

   Wir brauchen also eine gemeindefreundliche Ersatzfinanzierung. Die können wir nur gemeinsam finden. Das wird nicht nur über einen Zuschlag zur Einkommen- und Körperschaftsteuer möglich sein; vielmehr brauchen wir eine deutliche Erhöhung des Anteils der Gemeinden an der Umsatzsteuer,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

damit die Gemeinden eine gleichmäßig fließende verlässliche Steuerquelle erhalten. Der Verteilungsschlüssel kann wirtschaftsbezogen und damit wirtschaftsfreundlich ausgestaltet werden.

   Darüber müssten wir uns am schnellsten einigen. Das ist aber - das weiß ich genau; wir haben uns mit dieser Frage intensiv beschäftigt - das Schwierigste von allem.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Ja!)

Ich fordere Sie auf, mit uns gemeinsam ein Konzept dazu vorzulegen, damit wir dann ohne Gewerbesteuer ein wirklich einfaches Steuerrecht realisieren können.

   Die Gemeinden sind für unsere wirtschaftliche Entwicklung von fundamentaler Bedeutung.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die Gemeinden haben heute kein Geld. Da herrscht die blanke Not. Dringend erforderliche Reparaturarbeiten an Schulen, Kindergärten, Sportstätten, Krankenhäusern und Straßen werden mangels ausreichender Finanzausstattung nicht vorgenommen. Gelder für Jugendarbeit werden gestrichen. Büchereien, Sportstätten, Museen und Theater werden geschlossen. Eintrittsgelder für verbleibende kommunale Einrichtungen werden - bei verkürzten Öffnungszeiten - erhöht. Die Gemeinden haben mit ihrem Auftragsverhalten für das örtliche Gewerbe eine fundamentale Bedeutung. Wenn wir sie nicht in die Lage versetzen, wieder vernünftige Haushalte zu gestalten und Ausgaben zu tätigen, werden wir auch die regionale Wirtschaftskraft nicht stärken. Dieser Zusammenhang ist zu sehen.

   Wenn das nicht gelingt, dann bricht uns die Basis, der kleine Mittelstand und das Gewerbe, weg. Auf diesem Weg befinden wir uns gerade. Wenn Sie das nicht erkennen und nicht bereit sind, zu Lösungen zu kommen, dann sehe ich für die weitere wirtschaftliche Entwicklung schwarz.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Da nützt es auch nichts, wenn Sie uns neue Zahlen nennen, was die Exporterfolge anbetrifft; denn die Exportstatistik sagt überhaupt nichts darüber aus, wo die Wertschöpfung stattgefunden hat. Die Wertschöpfung findet in immer größerem Maße in ganz anderen Ländern und nicht in der Bundesrepublik Deutschland statt.

   Lassen Sie mich zum Abschluss noch etwas sagen, weil ich eine bestimmte Diskussion leid bin. Sie halten uns immer vor, wir hätten in Deutschland die niedrigste Steuerquote. Entscheidend ist die Belastung des Gewerbes, der Wirtschaft, insbesondere des Mittelstandes. Dazu hat uns interessanterweise der Bundesfinanzminister Eichel am 24. März dieses Jahres in einem Brief an die Fraktionsvorsitzenden in diesem Haus im Zusammenhang mit der Frage der Abgeltungsteuer mitgeteilt, dass eine Abgeltungsteuer nicht möglich sei, weil sie zu einer Besserbehandlung der Kapitaleinkünfte gegenüber dem investierten Kapital führen würde. Er hat geschrieben: Erträge aus Fremdkapital, also Zinsen, wären nur mit der niedrigeren Abgeltungsteuer belastet, zum Beispiel 30 Prozent, während Erträge aus Eigenkapital - jetzt kommt es - selbst nach In-Kraft-Treten der letzten Stufe der Steuerreform 2000 ab dem Jahr 2005 mit bis zu 52,24 Prozent belastet blieben.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das hat der geschrieben?)

- Das hat uns der Bundesfinanzminister vorgerechnet. - Ich habe es nachgerechnet. Es stimmt. Darin ist die Kirchensteuer noch nicht einmal enthalten.

   Wenn Sie hören, welche Steuersätze in Estland oder in der Slowakei - 19 Prozent - oder jetzt in Österreich - etwas über 20 Prozent - vorgeschlagen werden, erkennen Sie, wo wir im Steuerwettbewerb liegen. Wettbewerb ist im Gegensatz zu der Auffassung der verehrten Kollegin Frau Scheel kein Dumping, sondern Wettbewerb ist das Bemühunen um die besten Bedingungen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, achten Sie bitte auf die Zeit.

Dr. Hermann Otto Solms (FDP):

Wir müssen uns diesem Wettbewerb stellen, sonst werden wir keinen Erfolg haben. Dazu haben wir unsere Vorschläge gemacht.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Kerstin Andreae.

Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Solms, ich gebe Ihnen darin Recht, dass die Finanzausstattung der Gemeinden der entscheidende Punkt ist, an dem wir beginnen sollten. Dabei will ich darauf hinweisen, dass wir im letzten Herbst in Zusammenarbeit mit den Kommunen ein Modell vorgestellt haben, das gewährleisten soll, dass die Finanzstruktur der Kommunen verbessert wird.

   Wenn ich lese, dass die CDU/CSU in ihrem „Konzept 21“ diese Gemeindefinanzreform in enger Abstimmung mit den Kommunen vornehmen will, dann ergibt sich für mich daraus schon die Frage, wo Sie von der CDU/CSU im letzten Herbst waren, als auch die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister Ihrer Parteien diese Gemeindefinanzreform einschließlich der Modernisierung der Gewerbesteuer forderten. Wo waren Sie da? Sie haben sie im Regen stehen lassen. Auch das ist ein Grund, warum die Finanzlage der Gemeinden noch immer so desaströs ist.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD - Widerspruch bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sie plädieren jetzt für eine wirtschaftskraftbezogene Gemeindesteuer. Es bleibt völlig im Leeren, was Sie eigentlich wollen. Das ist insgesamt das Problem dieses Konzeptes 21. Es bewegt sich in einem Bereich von medientauglichen Halbwahrheiten. Es ist halbkonkret. An vielen Stellen bleibt offen, was genau Sie wollen und wie Sie es machen wollen.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Da fehlt die ordentliche Redevorbereitung, nicht das Konzept!)

Die Frage, die das Konzept wirklich verschleiert, ist die Art und Weise der Gegenfinanzierung. Am Schluss dieses Konzeptes findet sich ja ein Finanztableau, allerdings nur für das Sofortprogramm. Da kommen Sie auf die besagten 10 Milliarden. Das DIW hat Ihr Konzept durchgerechnet und sagt, es kostet 13 Milliarden. Das Finanzministerium spricht von 16 Milliarden. Wir werden nachher - es ist ja interessant, dass auch Herr Merz gesagt hat, dass man das im Gesamtkontext sehen müsse -

(Zuruf von der CDU/CSU: Natürlich!)

eine Debatte über den Gesamtkontext Ihrer Reformen führen. Herr Seehofer spricht davon, dass im Gesamtkontext Kosten in Höhe von 100 Milliarden Euro entstehen. Dass Sie ein Konzept haben, wie Sie das gegenfinanzieren wollen, können Sie mir nicht im Ernst sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Auch ich finde, dass Sie Recht damit haben, dass Vereinfachung Not tut.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Warum macht Ihr dann ständig das Gegenteil?)

Auch ich gebe zu: Ein einfacheres Steuersystem ist ein gerechteres Steuersystem, weil dann die Leute verstehen, wo ihre Steuern bleiben und wie sich die Einnahmen strukturieren. Nur, das Junktim, dass Vereinfachung nur mit Tarifentlastung gehe, sehen wir so nicht. Wir haben eine Einkommensteuerreform auf den Weg gebracht, die im Jahre 2005 zu einem Eingangsteuersatz von 15 Prozent und einem Spitzensteuersatz von 42 Prozent führt. Bei den Eckwerten macht das insgesamt 11 Prozentpunkte weniger aus als 1998. Da ist unsere Tarifentlastung. Das ist gut so. Aus unserer Sicht ist aber kein weiteres Entlastungsvolumen möglich.

   Ich sehe allerdings, dass wir im Bereich der Unternehmensbesteuerung etwas tun müssen. Wir stehen hier vor wirklich großen Herausforderungen. Ich warne aber davor, einfache Zusammenhänge herzustellen. Ich halte es wirklich für billig, zu behaupten, dass es im Zuge der EU-Osterweiterung zu Ungerechtigkeiten komme, weil die neuen Länder zum einen niedrige Steuersätze hätten und zum anderen hohe Subventionen empfangen würden. Ich glaube, man muss viel genauer hinschauen, wie sich die Subventionen und die Steuersätze entwickelt haben, wo es Mitnahmeeffekte gibt und von welchen Erwartungen dies geprägt war. Mir ist es zu billig, wenn gesagt wird, die Subventionen seien zu hoch, dadurch würden nur niedrige Steuersätze finanziert.

(Leo Dautzenberg (CDU/CSU): An welche Adresse geht das denn?)

   Nichtsdestotrotz müssen wir uns die Frage stellen, wie wir uns angesichts der neuen Wettbewerber aufstellen wollen. Wir müssen dabei aber seriös vorgehen. Ich kann in den Vorschlägen des „Konzepts 21“ zur Unternehmensteuerreform keine Antwort auf diese Frage finden.

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

Sie halten es sich offen, Sie werden nicht konkret. Es hört sich zwar schön an, wenn Sie sagen, Sie wollten alles einfacher machen und die Tarife senken. Aber wenn es darauf ankommt, bleibt es unklar.

(Zuruf von der CDU/CSU: Schauen Sie doch einmal in das Konzept hinein!)

   Ein weiterer Punkt noch, der mir besonders wichtig ist: die Familienpolitik. Sie sprechen davon, dass die Kinderfreibeträge und das Kindergeld erhöht werden sollen. Seit 2001 haben wir in Deutschland 180 Milliarden Euro für familienpolitische Leistungen und Maßnahmen ausgegeben. Trotzdem haben wir ein Demographieproblem. Ich behaupte, dass das Demographieproblem, also die mangelnde Bereitschaft, heute Kinder zu bekommen, eng mit der ungelösten Frage der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zusammenhängt. Deswegen will ich nicht, dass die Transferleistungen erhöht werden, sondern ich will, dass wir Geld für die Verbesserung von Kinderbetreuungsmöglichkeiten in die Hand nehmen. Qualifizierte und flexible Maßnahmen für Kinder unter drei Jahren und mehr Ganztagsschulen eröffnen die Chance, dass sich wieder mehr junge Menschen für Kinder entscheiden. Ich bezweifle, dass Sie mit Ihrem Ansatz in der Familienpolitik, nämlich eine weitere Erhöhung der Transferleistungen vorzusehen, wirklich der Lebenswirklichkeit junger Menschen nahe kommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Noch einmal: Eine Einkommensteuerreform ist erfolgt. Wir haben die Eckwerte der Steuertarife gesenkt. Jetzt einen Unterbietungswettbewerb zu starten halten wir für unseriös. Entlastungsvolumina im Einkommensteuerbereich sehen wir nicht.

   Sie treiben uns immer wieder bei der Frage des Stabilitätspaktes. Das ist angesichts der gemeinsamen Verantwortung aller politischen Ebenen bezüglich des Schuldenstandes und der Einhaltung der Maastricht-Kriterien auch richtig. Aber Ihre Vorstellungen und Vorschläge hinsichtlich der Finanzierung zeigen nichts von dieser gemeinsamen Verantwortung.

   Meine Damen und Herren von der Union, Sie versprechen aus unserer Sicht Manna vom Himmel. Mehr Ehrlichkeit stünde Ihnen gut zu Gesicht. Aus Ihrem Bierdeckel ist eine Tischdecke mit vielen einzelnen Bereichen, kleinen Regelungen und Änderungen geworden. Von einem Gesamtkonzept kann man hier leider nicht mehr sprechen.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Freiherr von Stetten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Seit Monaten diskutieren wir über die Notwendigkeit einer umfassenden Reform des deutschen Steuerrechts. Aber heute, vor allem nach dem Redebeitrag von Herrn Poß, ist klar geworden: Die Regierung und auch die Fraktionen von Rot-Grün wollen überhaupt keine Steuerreform mit den Merkmalen einfacher, niedriger und gerechter. Sie verweigern sich einem modernen Steuerrecht, das unser Land so dringend braucht.

   Aber es ist ja nicht die erste Initiative, die Sie mit Ihrer Abgeordnetenmehrheit hier im Deutschen Bundestag verhindern und blockieren.

(Zuruf von der SPD)

- Natürlich blockieren Sie! Sie blockieren dieses wichtige Gesetz.

   Herr Dr. Solms hat für die FDP deren Steuervorschläge auf den Tisch gelegt und auch wir bringen unsere Steuervorschläge heute ein. Nur die Regierung, von der man das, Frau Staatssekretärin, eigentlich am ehesten hätte erwarten können, ist trotz Tausenden von Mitarbeitern nicht in der Lage, uns Parlamentariern ihr Programm vorzulegen und deutlich zu machen, wie Sie sich die Zukunft vorstellen. Die Handlungsunfähigkeit der Bundesregierung ist der eigentliche Skandal am heutigen Vormittag.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Heinz Seiffert (CDU/CSU): Nur weiterwurschteln können sie!)

   Stattdessen kommt Minister Eichel wieder mit der Abschaffung der Eigenheimzulage. Frau Staatssekretärin, Sie haben es angesprochen: Bei unserem Konzept bleibt die Eigenheimzulage erhalten, weil sie - trotz vieler Falschmeldungen - mit der Reform der Einkommensteuer überhaupt nichts zu tun hat. Sie haben, keine drei Monate nachdem wir uns im Vermittlungsausschuss auf eine gemeinsame Position geeinigt haben, diese Position wieder aufgekündigt und die betroffenen Bürger erneut tief verunsichert. Die Betroffenen rufen bei uns an und fragen, welche Versprechen dieser Regierung eigentlich noch gelten. Bei uns rufen die Betroffenen noch an; ich weiß, dass bei Ihnen schon lange niemand mehr anruft. Sie sind in den Wahlkreisen - wir merken das jede Woche - auf Tauchstation gegangen. Sie sind überhaupt nicht mehr ansprechbar, weil Sie das, was von der Bundesregierung wöchentlich neu in die Welt gesetzt wird, nicht mehr vertreten wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Wir haben es heute gehört: Steuerpflichtige Bürger und deutsche Unternehmen verlassen in Scharen unser Land und gehen dorthin, wo es nicht nur niedrigere Steuern, sondern vor allem auch nachvollziehbare Gesetze gibt. Transparenz ist eines der Hauptziele unseres heutigen Antrages. Übrigens war das auch einmal eines Ihrer Ziele. Noch im Jahr 2000 hat die Bundesregierung die Förderung von Wachstum und Beschäftigung durch ein gerechtes Steuer- und Abgabensystem angekündigt, doch das Gegenteil - auch das haben wir heute mehrfach gehört - war der Fall. Der Rat der Wirtschaftsweisen hat in seinem Jahresgutachten 2003/04 eindeutig festgestellt, dass das Steuersystem des Jahres 2003 weit entfernt von den Zielen der Bundesregierung aus dem Jahr 2000 ist.

   Mit Erlaubnis der Präsidentin darf ich die von der Bundesregierung selbst vorgeschlagenen Gutachter mit drei Sätzen zitieren.

(Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Das geht auch ohne Erlaubnis!)

Die Gutachter schreiben:

Im Bereich der Steuerpolitik bestehen gegenwärtig erhebliche Defizite. Das deutsche Steuerrecht wird zunehmend als chaotisch wahrgenommen. ... Der deutschen Steuergesetzgebung fehlt das Leitbild, an dem sich die Haushalte und Investoren ... ausrichten könnten.

Die Gutachter fordern daher einen grundlegenden Umbau der Einkommensteuer und der Unternehmensbesteuerung. Zusätzlich soll die Gewerbesteuer ersetzt werden. Sie schlagen Einkommensteuersätze vor, die bei etwa 15 Prozent beginnen und bei etwa 35 Prozent enden sollen.

   Bei diesen Gutachtern handelt es sich um hochqualifizierte Persönlichkeiten. Einen dieser Gutachter, Herrn Professor Weber, hat der Bundeskanzler vor kurzem unter Beifall aller Fraktionen und aller gesellschaftlichen Gruppen als neuen Präsidenten der Bundesbank vorgeschlagen.

   Ich stelle also fest: Ihre eigenen Gutachter schlagen Ihnen genau das vor, was Friedrich Merz und der bayerische Finanzminister vor wenigen Minuten ausführlich erläutert und vorgestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU - Joachim Poß (SPD): Das stimmt nicht! Der Sachverständigenrat hat ein anderes Konzept vorgeschlagen!)

   Herr Poß, Hauptleidtragender Ihrer Verweigerungspolitik ist wieder einmal der Mittelstand.

(Joachim Poß (SPD): Da muss man aber ganz blind sein, wenn man das gleichsetzt!)

Sie brauchen gar nicht abzuwinken. Allein im Jahr 2003 gab es 40 000 Unternehmenspleiten. Frau Hendricks, das bedeutet, alle zwölf Minuten gibt es einen mittelständischen Betrieb weniger. Auch wenn Sie heute Geburtstag haben, können wir Ihnen diese Feststellung nicht ersparen: Dabei handelt es sich nicht um Unternehmen, die irgendwann einmal zu Beginn des Internetzeitalters von Glücksrittern gegründet wurden. Die sind alle schon in den letzten Jahren verschwunden. Es handelt sich vielmehr um mittelständische Betriebe, die schon seit Jahren am Markt existieren und sich jetzt einfach nicht mehr halten können, weil sie von der Bürokratie erdrückt werden oder aus dem Steuerchaos nicht mehr herausfinden. Sie haben mit Ihren Fehlentscheidungen diese Betriebe mit auf dem Gewissen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Eine letzte Bemerkung.

(Zuruf von der SPD: Gott sei Dank!)

Ich darf Sie bitten: Handeln Sie jetzt! Werden Sie Ihrer Verantwortung gerecht!

(Zuruf von der SPD: Machen wir!)

Geben Sie Deutschland ein einfaches und gerechtes Steuersystem! Es wurde schon mehrfach darauf hingewiesen: Wir können nicht bis 2006, also bis zur nächsten Bundestagswahl, warten. Das würde viele weitere Arbeitsplätze kosten. Wir brauchen jetzt ein neues Steuersystem. Deswegen darf ich Sie bitten, dem Antrag der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zuzustimmen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Jörg-Otto Spiller.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jörg-Otto Spiller (SPD):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Staat verlangt von seinen Bürgern Steuerehrlichkeit. Dem steht aber zu Recht der Anspruch der Bürger entgegen, dass in der Steuerpolitik nicht geflunkert und nicht vernebelt wird.

(Joachim Poß (SPD): So ist es!)

   Der vorliegende Antrag der CDU/CSU-Fraktion ist leider ein Musterbeispiel für Flunkern und bewusstes Im-Unklaren-Lassen.

   Seit dem Herbst vorigen Jahres kündigen CDU und CSU an, es werde einen Entwurf einer großen Steuerreform geben. Doch über Eckpunkte ist die Union noch immer nicht hinausgekommen. Manches in Ihrem Antrag liest sich sogar ganz hübsch. Das ist auch kein Wunder; denn Sie beschränken sich weitestgehend auf das Schöne und Gute. Klartext ist das nicht.

   Warum legen Sie eigentlich keinen Gesetzentwurf vor?

(Beifall bei der SPD - Heinz Seiffert (CDU/CSU): Weil Sie regieren! Haben Sie es noch nicht gemerkt?)

- Herr Kollege Seiffert, schauen Sie doch einmal in das Grundgesetz! Eine Oppositionsfraktion hat das Recht, einen Gesetzentwurf einzubringen.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Sollen wir ständig Ihre Arbeit machen?)

Wenn Sie meinen, das sei für Sie als Oppositionsfraktion etwas zu mühsam, dann muss ich Ihnen sagen: Sie haben doch Zugriff auf das Fachwissen von wirklich guten und tüchtigen Beamten in den Ministerien der Länder.

(Joachim Poß (SPD): München!)

Beispielsweise hat das bayerische Finanzministerium einen guten Ruf. Bedienen Sie sich doch einfach der Unterstützung beispielsweise des Kollegen Professor Faltlhauser, der leider etwas früher gehen musste.

In einem Gesetzentwurf - das ist vielleicht der Nachteil, den Sie sehen, Herr Seiffert - muss man ganz konkret werden. Man kann sich darin nämlich nicht auf das beschränken, was die Menschen gerne präsentiert bekommen wollen. Hätten Sie einen Gesetzentwurf vorgelegt, hätten Sie auch nicht so ohne weiteres mit einfachen Floskeln die Unterschiede, die es im Steuerbereich zwischen den Vorstellungen der CDU und denen der CSU gibt, übertünchen können. Ich werfe Ihnen gar nicht vor, dass es in Ihren Vorstellungen Unterschiede gibt. Aber das müsste man ehrlicherweise auch den Bürgerinnen und Bürgern dieses Landes sagen.

   Ich nenne ein Beispiel: den Stufentarif; Herr Merz hat ihn seit etlichen Wochen herausgekehrt. Herr Merz spricht voller Begeisterung vom Stufentarif, der angeblich alles einfacher mache; da könne man dann auf dem Bierdeckel ausrechnen, wie hoch die eigene Steuerpflicht sei.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Dass Sie das nicht können, ist mir klar! - Heinz Seiffert (CDU/CSU): Nicht jeder!)

   Vorweg noch der Hinweis: Die Autoren Ihres Antrages sagen, nicht sie selbst würden einen Entwurf vorlegen, der ihren Grundsätzen folge. Sie fordern vielmehr: Wir haben ein paar Grundsätze und die Bundesregierung möge bitte schön einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen.

   Herr Meister hat in diesem Antrag zwei Teile meisterlich formuliert.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Danke schön!)

Teil A beinhaltet das steuerpolitische Grundkonzept der Zukunft. Für die fernere Zukunft ist ein so genannter Zieltarif mit bestimmten Stufen vorgesehen.

   Dann gibt es einen konkreten Teil - er kommt überwiegend aus München -, ein Sofortprogramm.

(Zuruf von der CDU/CSU: Der ist auch gut!)

- Der ist sogar viel besser,

(Zuruf von der CDU/CSU: Besser als meisterlich?)

weil er zum Teil richtig konkret ist. Da wird einfach gesagt: Es ist ein linear-progressiver Tarif vorgesehen, weil er sich bewährt hat.

   Ich bestätige ja Herrn Faltlhauser und auch der CSU insgesamt gerne, dass sich ihre Darlegungen zur Steuerpolitik von dem, was Herr Merz der deutschen Öffentlichkeit verkündet, wohltuend unterscheiden. Da herrschen eine relative Nüchternheit, Konkretheit und sogar Wirklichkeitsnähe. Auf die legt Herr Merz nicht so furchtbar viel Wert;

(Joachim Poß (SPD): Nein! Der lebt in seiner eigenen Wirklichkeit!)

aber man kann vielleicht nicht alles haben.

   Ich will nur einmal in Erinnerung rufen, was Herr Professor Faltlhauser schon vor ein paar Jahren zum Stufentarif geschrieben hat, damals nicht mit Blick auf Herrn Merz - dieser hatte sich diese Meinung damals noch nicht zu Eigen gemacht -, sondern mit Blick auf Herrn Uldall; das war aber dieselbe Soße. Unter der Überschrift „Die Lösung kann nur sein: Weg mit dem Stufengag“ wurde 2001 im „Handelsblatt“ ein schönes Interview mit Herrn Faltlhauser veröffentlicht. Hieraus ein Zitat:

Es wird immer wieder behauptet, ein Stufentarif sei dem linear-progressiven Formeltarif überlegen, weil er gerechter und einfacher sei. Dies ist schlicht falsch: Der Stufentarif vereinfacht nichts, er ist gleichzeitig weniger leistungsgerecht. Einige meinen nun, jeder Steuerpflichtige könne im Stufenmodell seine Steuerbelastung ohne Schwierigkeiten selbst berechnen. Das ist reine Illusion.
(Dr. Hermann Otto Solms (FDP): Bei Ihrem System! - Carl-Ludwig Thiele (FDP): Nein!)
Komplex, verwaltungsaufwändig und streitanfällig ist allein die Ermittlung der Bemessungsgrundlage, die Anwendung des Tarifs ist dagegen ein Rechenvorgang und mit Tabellen und Computerprogrammen leicht zu vollziehen.

Recht hat Herr Professor Faltlhauser!

(Joachim Poß (SPD): Das hätte er heute einmal vortragen sollen!)

   Ich werfe Ihnen nicht vor, dass Sie in den eigenen Reihen noch Erklärungsbedarf haben; das ist ja in Ordnung. Ich werfe Ihnen vor, dass Sie in den Darstellungen nach außen so tun, als wüssten Sie schon, was Sie wollen.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Wir wissen es tatsächlich!)

   Was ich Ihnen noch viel mehr vorwerfe - ich glaube, ein großer Teil der Öffentlichkeit tut dies auch -, ist, dass zwischen dem, was Sie an programmatischen Zielvorstellungen verkünden, und dem, was Sie tatsächlich tun, eine sehr große Lücke klafft, ein großer Gegensatz besteht. Seit Jahren bekennen Sie sich - solange er abstrakt ist - zu dem Grundsatz, Sonderregelungen und Vergünstigungen im Steuerrecht und natürlich auch Subventionen müssten abgebaut werden, damit man Spielraum zur Senkung des Tarifes bekomme. Dem kann man nur beipflichten.

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Das gehört aber zusammen, Herr Spiller! - Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ein Gesamtkonzept!)

   Dass wir die Tarife seit 1998 kräftig gesenkt haben, darauf hat Frau Hendricks schon hingewiesen; das brauche ich nicht zu wiederholen. Bloß, bei dem Abbau von Steuervergünstigungen und der damit einhergehenden Senkung von Tarifen

(Dr. Michael Meister (CDU/CSU): Das unterbleibt ja bei Ihnen! Das ist ja das Problem!)

sind wir fast immer auf den erbitterten Widerstand der Unionsfraktion gestoßen. Denn Sie haben immer mit einem rein opportunistischen Verhalten nach interessierten Gruppen geschielt, weil Sie glaubten, das brächte Ihnen irgendetwas ein. Da die Zeit nicht ausreicht, Ihr gesamtes Südenregister hier auszubreiten, nenne ich nur wenige Beispiele.

(Ortwin Runde (SPD): Recht hat er!)

   Wenn man Ihren Antrag liest und sich dann daran erinnert, wie Sie sich vorher verhalten haben, reibt man sich die Augen. Der Antrag liest sich geradezu wie eine Beichte. Ich erinnere einmal an die heftigen Debatten, die Sie geführt haben, als vor ein paar Jahren die so genannten AfA-Tabellen aktualisiert wurden, als man näher an die tatsächliche Nutzungsdauer von Investitionsgütern heranging und die Abschreibung in einigen Bereichen über einen längeren Zeitraum erstreckt werden musste. Damals haben Sie massiv dagegen polemisiert.

   Was liest man heute in Ihrem Antrag?

Abschreibungen können künftig nur noch in Höhe eines aus Vereinfachungsgründen typisierten Werteverzehrs, der sich an der tatsächlichen Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes bemisst, steuerlich berücksichtigt werden.
(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Das wollten wir schon damals. Dagegen sind Sie Sturm gelaufen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Noch schöner: Heute Vormittag hat der Kollege Flosbach zum Alterseinkünftegesetz und zur nachgelagerten Besteuerung von Alterseinkünften gesprochen.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Er hat gut gesprochen! Gute Rede!)

Er hat ein richtig engagiertes Plädoyer dafür gehalten, eine breite Palette von Möglichkeiten zu eröffnen. Es ist sicherlich erfreulich, wenn man Vermögen bilden kann, das man zur Alterssicherung heranziehen kann. Sie haben sich dafür ausgesprochen, es möglichst frei verwenden zu können.

   Was steht in Ihrem Antrag? Dort heißt es zu den Vorsorgeanforderungen:

Die Abzugsfähigkeit wird beschränkt auf solche Vorsorgesysteme, die ausschließlich der Alterssicherung dienen.
(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Was ist daran falsch?)

   Reue, die aus dem Herzen kommt, klingt anders.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist noch nicht einmal ein Lippenbekenntnis zu Ihren eigenen Sünden. Sie anonymisieren die Sünden, es handelt sich um irgendwelche Sünden, die man keiner Einzelperson zuordnen kann. Gehen Sie in sich! Die Einsicht und die Einkehr folgen dann sicher.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Gäste! Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Wir reden heute nicht über das Urheberrecht, aber wir müssen einfach festhalten, dass alle Parteien außer der PDS das Programm der FDP gnadenlos geplündert haben. Aus einer Steuersenkungspartei sind nun vier Steuersenkungsparteien geworden, die um die Wette die Steuern senken wollen und den Staat ruinieren. Die FDP steht nun ziemlich nackt da und kann nur noch mit dubiosen Schwarzgeldkonten in den Medien glänzen.

   Ich will mich aber auf die CDU konzentrieren. Das Steuerkonzept der CDU ist ein Konzept für Besserverdienende. Die CDU will die FDP-Wähler gewinnen und hofft, dass die Arbeiter und Angestellten, die immer noch CDU wählen, den dramatischen Kurswechsel nicht bemerken. Die ehemalige Volkspartei CDU ist programmatisch auf dem Weg hin zu einer neoliberalen Partei, die nur noch die Vermögenden dieser Gesellschaft im Auge hat und dabei ist, die Wortverbindung „soziale Marktwirtschaft“ aufzulösen.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Etliche Vorredner sind bereits auf das Gutachten der Länderfinanzminister eingegangen. In diesem Gutachten der Finanzminister der Länder ist deutlich gemacht worden, wohin der Trend der Steuermodelle von CDU, CSU und FDP geht. Gewinner wären Steuerpflichtige in derzeit hoher Progressionsstufe mit wenig Abzügen, also Menschen, die sehr gut verdienen.

   Verlierer wären dagegen Steuerpflichtige mit geringen Einkommen und hohen Abzügen oder hohen steuerfreien Einkünften. So soll der Bezieher eines zu versteuernden Einkommens in Höhe von 15 000 Euro von der CSU - die genauen Unterschiede werden nachher in der Aktuellen Stunde besprochen werden - um 286 Euro, von der FDP um 507 Euro und von Herrn Merz bzw. der CDU sogar um 787 Euro entlastet werden. Das hört sich zunächst einmal sehr gut an.

   Wenn man das aber mit den Entlastungen, die für Bezieher hoher Einkommen vorgesehen sind, vergleicht, ist das nur ein Trinkgeld. Topverdiener mit einem Jahreseinkommen in Höhe von einer halben Million Euro sollen von der CSU um etwa 15 700 Euro im Jahr entlastet werden. Herr Merz will sie um fast 32 000 Euro entlasten und die FDP sogar um fast 36 000 Euro.

   Schauen wir uns doch einmal an, wie das Geld in Deutschland verteilt ist. Schon im Jahre 2002 besaßen in Deutschland 33 Milliardäre zusammen ein Nettogeldvermögen von 106 Milliarden Euro. Das ist eine Zahl, die sich die meisten gar nicht vorstellen können. Auf die reichsten 10 Prozent der Haushalte entfielen 50 Prozent aller Geldvermögenswerte.

   Die Umverteilung von unten nach oben ist bereits seit vielen Jahren in vollem Gange. Leider hat trotz gegenteiliger Versprechen auch die rot-grüne Regierung daran nichts geändert. Allein die Aussetzung der Vermögensteuer von 1997 bis 2003 führte zu einem Steuerausfall von rund 50 Milliarden Euro. Das ist mehr als das Doppelte zum Beispiel des Haushaltes des Landes Berlin. SPD und Grüne hatten den Bürgern vor der Wahl die Wiedereinführung der Vermögensteuer versprochen; doch sie haben ihr Versprechen bis heute nicht eingelöst. Wir sind sehr gespannt, wann sie das endlich tun werden.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

Die Konzepte von CDU, CSU und FDP sind auch aus einem anderen Grund asozial zu nennen.

(Dr. Günter Krings (CDU/CSU): Na, na, na!)

Sie entziehen dem Staat Geld, das er für die Erhaltung von Städten und Gemeinden, zur Finanzierung von Bildung und Wissenschaft und zur Finanzierung von Ordnung und Sicherheit dringend braucht.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) - Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Sie reden einen solchen Quatsch, da lohnt sich nicht einmal ein Zwischenruf!)

   Eines haben Sie vergessen zu erklären: Würde das CDU-Modell umgesetzt, müsste der Staat im ersten Jahr einen Ausfall von 32 Milliarden Euro und mittelfristig von 25 Milliarden Euro im Jahr verkraften. Leider haben Sie uns hier nicht erklärt, welche Aufgaben der Staat dann nicht mehr erfüllen soll, welche Aufgaben Sie streichen wollen.

(Zuruf von der SPD: Steuerfahndung!)

   Wir als PDS sind gegen diese dauernde Umverteilung von unten nach oben. Wir fordern unter anderem die Wiedereinführung der Vermögensteuer. Wir erinnern die SPD gerne an ihr Versprechen, das sie gegeben und auf mehreren Parteitagen bekräftigt hat, und wir fordern eine Erhöhung der Erbschaftsteuer auf Großvermögen. Wir können nur hoffen, dass das Konzept von Herrn Merz immer nur auf dem Bierdeckel stehen und nie umgesetzt werden wird; denn das wäre verheerend für die Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos) - Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Dann würden sie ihr Bier mit mehr Freude trinken!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner: Letzter Redner in dieser Debatte ist der Kollege Ortwin Runde, SPD-Fraktion.

Ortwin Runde (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die spannende Frage, die sich anlässlich der heutigen Debatte stellte, war die, wie die Diskussion in der CDU/CSU weitergeht. Es war hochinteressant, dass mit Herrn Merz und Herrn Faltlhauser hier zwei Protagonisten des Streites anwesend waren.

   In den letzten Monaten hat sich gezeigt, dass der Kompromiss in der CDU zur Steuerpolitik richtig wacklig ist.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Aber mit Bewegung!)

Hier ist schon daran erinnert worden, dass es bereits Schlagzeilen des Inhalts gab, dieser Stufentarif sei eher ein Gag. Ich fand es ganz elegant, wie Herr Faltlhauser dieses Problem heute gelöst hat, indem er zu dem Stufentarif sagte: Über meine Aussagen von damals will ich nicht mehr reden, aber bezogen auf Kirchhof gilt: Dessen Tarif, diese Flat Tax, die eine ähnliche Qualität wie der Stufentarif hat, ist wirklich absurd. - So kann man Kollegen aufs Allerschönste abohrfeigen. Das war in der Tat interessant.

(Beifall bei der SPD)

   Die gesamte Öffentlichkeit hat ja sehr gespannt auf den 6. März gewartet,

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): 7. März! - Joachim Poß (SPD): 7. März, Herr Kollege!)

den Tag, an dem sich CDU und CSU auf ein gemeinsames Steuerkonzept einigen wollten. Das, was dabei herausgekommen ist, liegt uns nun vor.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, sehr beachtlich!)

Es ist interessant, wie man diese Ergebnisse charakterisieren kann. Dazu hat Herr Solms zu Recht gesagt, dass sie kein konkretes Sofortprogramm darstellen, sondern dass sie eher Thesencharakter haben. Das müsste bei Ihnen von der CDU/CSU ja eigentlich auf heftigen Widerstand stoßen. Aber in der Einleitung Ihres Antrags gibt es bestimmte Hinweise. Da steht:

Der Deutsche Bundestag fordert die Bundesregierung deshalb auf: ... Ein steuerpolitisches Gesamtkonzept zu entwickeln und sich dabei von folgenden Gedanken leiten zu lassen.

Dieses Sofortprogramm, das von Herrn Faltlhauser als sehr konkret beschrieben worden ist, besteht also nur aus Gedanken.

(Zuruf von der CDU/CSU: Es wäre mal etwas Neues, wenn ihr im Steuerrecht auch nachdenken würdet! Das wäre mal neu für euch!)

   Wie konkret das Ganze ist, wird deutlich, wenn man sich Ihre Aussagen zur Gewerbesteuer ansieht; denn daran merkt man auch, wie klar Ihre Konzeption ist. Da heißt es:

Die Kommunen könnten neben der heute bereits bestehenden Beteiligung an der Einkommensteuer auch an der Körperschaftsteuer beteiligt werden. In einem solchen Beteiligungsmodell müssten ...

   Weiter heißt es, es

könnten Hebesätze angelegt werden.
(Dr. Michael Bürsch (SPD): Alles im Konjunktiv!)
Über die Zerlegungsmaßstäbe könnte ein gerechter interkommunaler Ausgleich geschaffen werden.

   Ich muss Ihnen sagen: Das sind, wenn man an die Not der Betroffenen in den Kommunen denkt, wirklich Luftnummern, für die diese wenig dankbar sind.

(Beifall bei der SPD)

   Hieran wird sehr deutlich, dass nichts geklärt ist. Lieber Herr von Stetten, wie sollen wir ein solches Sofortprogramm umsetzen? Was sollen wir davon umsetzen? Wie kann man so etwas umsetzen? Das geht doch gar nicht. Das ist kein Programm oder Konzept, sondern das Gegenteil davon.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die können es wirklich nicht!)

   Ganz gespannt bin ich darauf, wie sich Ihr Dissens in der Europadebatte auflösen wird. Man muss ja sagen, dass der Steuerstreit in der CDU/CSU immer unterschiedliche Protagonisten hat. Erst waren es Faltlhauser und Merz. Hier kam es zu all den qualifizierten Aussagen von Faltlhauser zu diesem Konzept. Dann hat Seehofer Faltlhauser zu dessen Entlastung abgelöst. Daraufhin kam es zur Auseinandersetzung zwischen Stoiber und Merkel, was den Steuerwettbewerb und das Steuerdumping in Europa angeht. Man ist ja richtig gespannt darauf, wie sich diese Situation auflösen wird.

   In dieser Europadiskussion fand ich den Ansatz ganz interessant, nicht nur bei der Mehrwertsteuer, sondern auch bei den direkten Steuern eine Harmonisierung herbeizuführen. Dazu wird man sicherlich in einem ersten Schritt die Bemessungsgrundlagen der Unternehmensteuern festlegen müssen. Dann kann man darüber nachdenken, ob man Korridore für Mindest- und Höchstsätze braucht, um auch hier zu einer gewissen Harmonisierung zu kommen.

   Zum Steuerwettbewerb sage ich also Ja. Es darf aber nicht passieren - hier stimme ich sowohl Stoiber als auch Bundeskanzler Schröder zu -, dass andere Länder ihre Infrastrukturinvestitionen nicht über Steuereinnahmen finanzieren können und darauf hoffen, dass das Dritte tun. Das geht nicht. Das muss man ganz deutlich sagen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich schätze aber, dass diese Länder, was ihre Ausgabenotwendigkeiten angeht, nach und nach unter Druck geraten werden und dann dankbar wären, wenn der fürchterliche und vernichtende Wettbewerb zwischen den kleinen der neu beitretenden Mitgliedstaaten etwas geregelt würde. Das ist meines Erachtens ein wichtiger Ansatz. Ich glaube, es wäre gut, die Harmonisierung des europäischen Steuerrechts so anzugehen.

   Ich habe heute von Herrn Merz erwartet, dass er in seiner Rede das kleine Problem des Konfliktes mit Herrn Seehofer auflöst. Wie will er den Steuerzahlern 10 bis 16 Milliarden Euro zurückgeben und gleichzeitig insbesondere für die sozialen Sicherungssysteme fast 100 Milliarden Euro zusätzlich aufbringen? Er hatte zu der Verschiebung der Steuerbelastung von direkten zu indirekten Steuern gesagt:

Ich werde darauf zum Schluss noch einmal zu sprechen kommen.

Ich hätte erwartet, dass er dieses Rätsel noch in dieser Sitzung und noch in der gleichen Rede auflöst. Da kam aber nichts.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ja, was ist das? - Joachim Poß (SPD): Heiße Luft! Typischer Merz: Viel heiße Luft!)

Man hätte sich auch unter Fachleuten darüber unterhalten müssen, was 100 Milliarden Euro an Mehrwertsteuerprozentpunkten ausmachen. Wenn man 8 Milliarden Euro für einen Prozentpunkt ansetzt, wären wir plötzlich bei einer Mehrwertsteuer von 28 Prozent. Das ist schon richtig verwegen!

   Herr Solms, ich habe mit Freude und einem gewissen Behagen gesehen, wie die CDU-Kollegen bei Ihrer Rede immer kräftig mit dem Kopf nickten, als Sie sagten, bei dem Gewerbesteuerersatz, den Sie andenken, solle man auch an höhere Umsatzsteueranteile denken. Da stellt man dann fest: Gut, wenn diese Umsatzsteuer schon einmal verteilt wird - zwischen Herrn Merz und Ihnen -, kann man das ja richtig großzügig, in luftigen Dimensionen machen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Dabei muss man eines feststellen: Was nicht geht - da komme ich auf das zurück, was Herr Poß gesagt hat -, ist, den Bürgern bei der Einkommensteuer Erleichterungen zu versprechen, später aber zu sagen: Ich ersetze die Gewerbesteuer, die die Unternehmen heute bezahlen, durch Einkommensteueranteile.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ganz genau!)

Sie kommen dann auch noch mit dem Umsatzsteueranteil. Welche Verteilungswirkung das hat, das ist ja sehr deutlich.

   Man merkt, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, dass das Ganze eine sehr einseitige Lastenverteilung mit sich bringt. Wenn man die nicht geschulterten Probleme der Ablösung der Finanzierung der sozialen Sicherungssysteme von der Erwerbstätigkeit mitbetrachtet, dann, stellt man fest, ist die Gefahr des Sozialstaatsabbaus bei solchen Konzepten allemal und immer gegeben. Man kann also insgesamt zu dem Ergebnis kommen:

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Jetzt bin ich gespannt!)

Der Berg hat gekreißt, es ist ‘ne Maus draus geworden

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Warten Sie‘s mal ab!)

und diese Maus schlägt Rad, macht Luftnummern.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Was haben Sie jetzt eigentlich gesagt in dieser Rede? Sie können es eigentlich besser, das weiß man!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich schließe die Aussprache.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/2745 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 24 a bis 24 h sowie die Zusatzpunkte 2 a bis 2 c und Tagesordnungspunkt 16 auf:

24. a) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Einführung der nachträglichen Sicherungsverwahrung

- Drucksachen 15/2887, 15/2945 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit und damit zusammenhängender Steuerhinterziehung

- Drucksache 15/2948 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Haushaltsausschuss mitberatend und gemäß § 96 GO

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Vorschriften über Fernabsatzverträge bei Finanzdienstleistungen

- Drucksache 15/2946 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 27. März 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Tadschikistan zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

- Drucksache 15/2925 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. September 2002 über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs

- Drucksache 15/2723 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen hinsichtlich der Rechtsstellung von Angehörigen der Bundeswehr bei Kooperationen zwischen der Bundeswehr und Wirtschaftsunternehmen sowie zur Änderung besoldungs- und wehrsoldrechtlicher Vorschriften

- Drucksache 15/2944 -

Überweisungsvorschlag:
Verteidigungsausschuss (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

g) Beratung des Antrags der Abgeordneten Birgit Homburger, Angelika Brunkhorst, Michael Kauch, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Entsorgung von Gewerbeabfall unbürokratisch und einfach gestalten

- Drucksache 15/2010 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

h) Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Hans-Michael Goldmann, Joachim Günther (Plauen), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Bürgernähe durch mehr Wettbewerb bei der Fahrzeugüberwachung

- Drucksache 15/2751 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

ZP 2 a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Petra Weis, Siegfried Scheffler, Sören Bartol, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD, der Abgeordneten Günter Nooke, Dirk Fischer (Hamburg), Eduard Oswald, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU, der Abgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig, Irmingard Schewe-Gerigk, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN sowie der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Horst Friedrich (Bayreuth), Eberhard Otto (Godern), Dr. Wolfgang Gerhardt und der Fraktion der FDP

Planung und städtebauliche Zielvorstellungen des Bundes für den Bereich beiderseits der Spree zwischen Marschall- und Weidendammerbrücke vorlegen

- Drucksache 15/2981 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Innenausschuss
Ausschuss für Kultur und Medien

b) Beratung des Antrags der Abgeordneten Brunhilde Irber, Annette Faße, Renate Gradistanac, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Rainder Steenblock, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Chancen und Potenziale des Deutschlandtourismus in der erweiterten Europäischen Union konsequent nutzen

- Drucksache 15/2980 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

c) Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes

Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 2003 - Einzelplan 20 -

- Drucksache 15/2885 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss

16. Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Tierseuchengesetzes

- Drucksache 15/2943 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung

   Es handelt sich um Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte.

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 25 a bis 25 c auf. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt 25 a:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 3. März 2003 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Republik Türkei über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Straftaten mit erheblicher Bedeutung, insbesondere des Terrorismus und der organisierten Kriminalität

- Drucksache 15/2724 -
(Erste Beratung 102. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses
(4. Ausschuss)

- Drucksache 15/2994 -

Berichterstattung: Abgeordnete Tobias Marhold
Norbert Geis
Silke Stokar von Neuforn
Dr. Max Stadler

   Der Innenausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/2994, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 105. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 30. April 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15105
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