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15. Wahlperiode
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   111. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 27. Mai 2004

   Beginn: 9.30 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie, sich zu erheben.

(Die Anwesenden erheben sich)

Am 17. Mai ist unser Kollege Matthias Weisheit gestorben. Er wollte gerade eine Dienstreise antreten, als ein Herzanfall ihn aus unserer Mitte riss.

   Matthias Weisheit wurde am 18. Dezember 1945 in Leipzig geboren. In Ravensburg machte er das Abitur und in Weingarten absolvierte er sein Studium an der Pädagogischen Hochschule. Auch nach dem Studium blieb er dem Bodenseeraum und seinen Menschen verbunden. 20 Jahre arbeitete er hier als Realschullehrer an verschiedenen Schulen.

   Nicht allein durch die verschiedenen Funktionen, die er in der Sozialdemokratischen Partei auf örtlicher und regionaler Ebene und als Mitglied der Sozialistischen Bodensee-Internationale innehatte, sondern ebenso in seiner Tätigkeit in zahlreichen Vereinen haben viele Menschen Matthias Weisheit als einen außerordentlich kontaktfreudigen, aufgeschlossenen Menschen kennen und schätzen gelernt.

   Auch sein Auftreten und Wirken im Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft, wo er seine Fraktion als Obmann vertrat, war gekennzeichnet von seiner Tatkraft und seiner offenen, direkten Art, auf Menschen zuzugehen und Probleme ohne Umschweife anzusprechen. Selbst Schicksalsschläge wie der Tod seines Sohnes im Jahr 1999 haben ihn nicht mutlos werden lassen. Seiner Frau und seiner Tochter sprechen wir unser tief empfundenes Beileid aus. Wir werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren. - Ich danke Ihnen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, als Nachfolgerin für den verstorbenen Kollegen Weisheit hat die Abgeordnete Elvira Drobinski-Weiß am 18. Mai 2004 die Mitgliedschaft im Deutschen Bundestag erworben. Ich begrüße die neue Kollegin sehr herzlich.

(Beifall)

   Die Fraktion der SPD teilt mit, dass die Kollegin Erika Lotz als stellvertretendes Mitglied aus der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ausscheidet. Nachfolgerin soll die Kollegin Rita Streb-Hesse werden. Sind Sie damit einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist die Kollegin Rita Streb-Hesse als stellvertretendes Mitglied in die Parlamentarische Versammlung des Europarates gewählt.

   Sodann möchte ich noch drei Kollegen nachträglich zum 60. Geburtstag gratulieren. Es sind dies die Kollegen Hans-Peter Kemper, Wilhelm Schmidt und Gert Weisskirchen. Im Namen des Hauses spreche ich die besten Glückwünsche aus.

(Beifall)

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die verbundene Tagesordnung um die in einer Zusatzpunktliste aufgeführten Punkte zu erweitern:

1 Vereinbarte Debatte zur humanitären und menschenrechtlichen Situation und internationalen Verantwortung im westlichen Sudan

(siehe 110. Sitzung)

2 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Im Westsudan (Darfur) eine humanitäre Katastrophe verhindern

- Drucksache 15/3197 -

(siehe 110. Sitzung)

3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Nachhaltiges Wachstum in Ostdeutschland sichern

- Drucksache 15/3201 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), Dr. Karlheinz Guttmacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Ostdeutschland als Speerspitze des Wandels - Leitlinien eines Gesamtkonzepts für die neuen Länder

- Drucksache 15/3202 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Keine Kürzungen bei den Verkehrsprojekten in Ostdeutschland

- Drucksache 15/3203 -

Überweisungsvorschlag:

Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)

Haushaltsausschuss

6 Weitere Überweisungen im vereinfachten Verfahren

(Ergänzung zu TOP 26)

a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung

- Drucksache 15/3147 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. April 2003 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung

- Drucksache 15/3177 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss

c) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Wagniskapital

- Drucksache 15/3189 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Den Tourismus stärken - Chancen der EU-Erweiterung nutzen

- Drucksache 15/3192 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Annette Faße, Brunhilde Irber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Internationale Richtlinien für biologische Vielfalt und Tourismusentwicklung zügig umsetzen

- Drucksache 15/3219 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Tourismus

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Verschiebung des Zeitpunktes für das In-Kraft-Treten des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (SGB II) auf den 1. Januar 2006

- Drucksache 15/3105 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

g) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung: Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG zur Erbringung bestimmter Postdienstleistungen

- Drucksache 15/3186 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

7 Weitere abschließende Beratung ohne Aussprache

(Ergänzung zu TOP 27)

Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD, der CDU/CSU, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP: Den Rechtsweg in der Regulierung des Telekommunikationsmarktes ändern

- Drucksache 15/3218 -

8 Beratung des Antrags der Abgeordneten Gernot Erler, Gert Weisskirchen (Wiesloch), Rainer Arnold, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Winfried Nachtwei, Dr. Ludger Volmer, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Fortsetzung und Anpassung der Arbeit der Internationalen Sicherheitspräsenz im Kosovo

- Drucksache 15/3204 -

9 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Friedbert Pflüger, Dr. Christian Ruck, Christian Schmidt (Fürth), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Der Kosovopolitik eine Perspektive geben

- Drucksache 15/3188 -

10 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Günter Rexrodt, Jürgen Koppelin, Otto Fricke, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Nachtragshaushalt und Haushaltssicherungsgesetz zur Korrektur der Bundesfinanzen notwendig

- Drucksache 15/3216 -

Überweisungsvorschlag:
Haushaltsausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschuss
Sportausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für Kultur und Medien

11 Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Rainer Stinner, Dr. Werner Hoyer, Ulrich Heinrich, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Für einen Helsinki-Prozess für den Nahen und Mittleren Osten

- Drucksache 15/3207 -

Überweisungsvorschlag:
Auswärtiger Ausschuss

12 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Die Europäische Verfassung beschließen - der erweiterten Union ein solides Fundament für die Zukunft geben

- Drucksache 15/3208 -

13 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN: Für eine qualitätsorientierte und an den regionalen Bedürfnissen ausgerichtete Ausschreibungspraxis von arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen

- Drucksache 15/3213 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

14 Beratung des Antrags der Abgeordneten Jörg van Essen, Rainer Funke, Sibylle Laurischk, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP: Jugendstrafvollzug verfassungsfest gestalten

- Drucksache 15/2192 -

Überweisungsvorschlag:

Rechtsausschuss (f)

Innenausschuss

Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

   Von der Frist für den Beginn der Beratung soll, soweit erforderlich, abgewichen werden.

   Ferner sollen die Debattenpunkte nach Tagesordnungspunkt 12 wie folgt aufgerufen werden: Tagesordnungspunkt 17 - Kinder- und Jugendschutz -, Tagesordnungspunkt 16 - Frauen und Familien in der Bundeswehr -, Tagesordnungspunkt 19 - Südamerikapolitik -, Tagesordnungspunkt 14 - Historisches Erbe -, Tagesordnungspunkt 18 - Tierarzneimittel - und dann Tagesordnungspunkt 20 - Beziehungen der Europäischen Union zu Lateinamerika und der Karibik. Außerdem sollen der Tagesordnungspunkt 13 - Hochwasserschutz - und der Tagesordnungspunkt 15 - Flächendeckende Postdienstleistungen - abgesetzt werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt 4 auf:

4. Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit (9. Ausschuss)

- zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN

Offensive für den Mittelstand

- zu dem Antrag der Abgeordneten Dagmar Wöhrl, Karl-Josef Laumann, Hartmut Schauerte, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Grundsätzliche Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik statt neue Sonderregeln - Mittelstand umfassend stärken

- zu dem Antrag der Abgeordneten Rainer Brüderle, Dr. Hermann Otto Solms, Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Neue Chancen für den Mittelstand - Rahmenbedingungen verbessern statt Förderdschungel ausweiten

- zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Rainer Funke, Rainer Brüderle, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Statistiken reduzieren - Unternehmen entlasten - Bürokratie abbauen

- zu dem Antrag der Abgeordneten Birgit Homburger, Joachim Günther (Plauen), Gudrun Kopp, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Modellregionen für Deregulierung und Bürokratieabbau

- Drucksachen 15/351, 15/349, 15/357, 15/752, 15/1134, 15/3221 -

Berichterstattung:
Abgeordneter Christian Lange (Backnang)

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. - Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Klaus Brandner, SPD-Fraktion.

Klaus Brandner (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Noch zu keiner Zeit sind so viele den Mittelstand strukturell unterstützende Reformen in so kurzer Zeit ergriffen,

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP)

auf den Weg gebracht und umgesetzt worden

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wie zu Beginn der 15. Legislaturperiode.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Da muss er selber lachen! - Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Welche?)

- Ihre Freude zeigt, dass Sie vielleicht ein eher schlechtes Gewissen haben,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Ein Mittelstandsvernichtungsprogramm!)

wenn Sie den Reformstau im Mittelstand beklagen. Sie werden am Ende erleben, welch positive Bilanz wir vorzulegen haben.

   Wir lassen uns bei unserer Arbeit von den Zielen und Grundsätzen, die der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung am 14. März des vergangenen Jahres anlässlich der Erläuterungen zur Agenda 2010 formuliert hat, leiten. Es geht dabei nicht um ein Konjunktur- und Beschäftigungsprogramm, das uns nur kurzfristig Erleichterung schaffen würde, es geht bei der Agenda 2010 um weit reichende Strukturreformen, die Deutschland bis zum Ende des Jahrzehnts wieder an die Spitze bei Wohlstand und Arbeit bringen werden.

   Ich gebe zu: Zurzeit wirken diese Reformen noch nicht so, wie sie wirken werden, wenn sich die konjunkturelle Lage verbessert hat. Mit der Agenda 2010 verfügen wir aber über ein klares, stimmiges Konzept, bei dem der Stärkung und der Förderung des wirtschaftlichen Mittelstands eine ganz besondere Rolle zukommt.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Realitätsverweigerung!)

   Wenn ich mir dagegen die Anträge der Oppositionsparteien ansehe, kann ich ein vergleichbares Konzept nicht entdecken. Hier wird vielen vieles versprochen; meist ist es ein Sammelsurium von Ankündigungen, die dann bei der konkreten Entscheidung - zum Beispiel im Vermittlungsausschuss - keine Beachtung mehr finden.

   Meine Damen und Herren, kleine und mittlere Unternehmen haben es in unserem Lande zurzeit schwer, teilweise sehr schwer.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das kann man wohl sagen!)

Drei Jahre Stagnation haben tiefe Spuren hinterlassen. Doch es ist nicht nur die konjunkturelle Durststrecke, die den Mittelstand plagt.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): Auch die Bundesregierung! - Hans Michelbach (CDU/CSU): Rot-Grün! - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Die Plage hat einen Namen!)

Der Wettbewerbsdruck auf den heimischen Märkten nimmt zu und er wird weiter zunehmen. Die Plage ist Ihre Blockadepolitik, das müssen wir ganz deutlich sehen, das werden die Menschen in diesem Land auch nach wie vor feststellen. Da nutzt es auch gar nichts, dass Sie ablenken wollen. In der Tat können wir uns nichts vormachen: Wenn Sie weiterhin wichtige Reformschritte behindern, wird es dem Mittelstand auch in der Zukunft nicht besser gehen können.

(Beifall bei der SPD)

   Ich will auf ein anderes Thema hinweisen: Die deutsche Bankenlandschaft zum Beispiel befindet sich in einem Prozess der Reorganisation. Die großen Privatbanken ziehen sich aus dem Finanzierungsgeschäft mit dem Mittelstand zurück. Sparkassen und Genossenschaftsbanken, die traditionellen Kreditgeber der kleinen und mittleren Unternehmen, befinden sich selbst in einer schwierigen Konsolidierungsphase. Wir haben auf diese Situation im Bankensektor reagiert. Nur, eines ist klar: Der Staat kann diese teilweise tief greifenden Umstrukturierungsprozesse in unserer Wirtschaft, in unserem Bankensektor nicht vollständig kompensieren.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Er verursacht sie!)

Er kann ihre negativen Auswirkungen auf Investoren allein nicht auffangen, Herr Schauerte. Auch hier gilt: Der Staat kann nicht alles richten; er soll und darf es auch nicht. Das ist vornehmlich eine unternehmerische Aufgabe, hier ist die schöpferische Kraft des Unternehmers und der Unternehmerin gefragt. Hier vonseiten der Politik falsche Erwartungen zu wecken, wie Sie es teilweise tun, ist fahrlässig und unverantwortlich.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Wir warten darauf, dass Sie sagen, was Sie gemacht haben!)

Es ist schon merkwürdig, meine Damen und Herren: Häufig sind diejenigen, die lautstark übermäßigen Staatseinfluss bedauern, nach immer weniger Staat, immer stärkerer Deregulierung und Entbürokratisierung rufen, diejenigen, die als Erste staatliche Hilfen und staatliche Regulierung fordern, wenn sie ihre eigenen Interessen gefährdet sehen.

   Meine Damen und Herren von der Union und von der FDP, da klaffen Anspruch und Wirklichkeit häufig meilenweit auseinander. Ich kann Sie nur auffordern, in diesem Zusammenhang mehr Redlichkeit zu zeigen, als Sie in der Vergangenheit an den Tag gelegt haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich wiederhole meine Eingangsfeststellung: Zu keiner Zeit wurden so viele Reformen für den Mittelstand auf den Weg gebracht wie in dieser Legislaturperiode.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Welche denn?)

Was haben wir versprochen? Was haben wir gehalten? Was bleibt noch zu tun? Dazu habe ich mir zehn Punkte notiert:

   Erstens. Wir haben die Finanzierungsbedingungen für die mittelständische Wirtschaft nachhaltig verbessert und werden sie weiter verbessern. Der Spitzensteuersatz wurde von uns um 11 Prozentpunkte auf 42 Prozent gesenkt. Wir erinnern uns, liebe Kolleginnen und Kollegen insbesondere von der Union und der FDP: Damals lag er bei 53 Prozent.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Petersberg!)

Der Eingangssteuersatz betrug im Jahr 1998 25,9 Prozent; heute sind es 15 Prozent. Der Körperschaftsteuersatz wurde von 30 Prozent für ausgeschüttete und von 40 Prozent für einbehaltene Gewinne einheitlich auf 25 Prozent gesenkt. Insgesamt werden die mittelständischen Unternehmen ab dem 1. Januar 2005 jährlich um gut 17 Milliarden Euro entlastet. Das müssen Sie einmal zur Kenntnis nehmen und dürfen es nicht nur schlecht machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Das ist die größte Steuerstrukturreform, die es in Deutschland je gegeben hat. Sie hilft vor allem dem von Personengesellschaften geprägten Mittelstand. Unser Ziel ist es, die Finanzierung von Investitionen durch die Einbehaltung von Gewinnen aus steuerlicher Sicht attraktiver zu machen. Das ist unsere Antwort auf die Finanzierungskrise mittelständischer Unternehmen.

   Zweitens. Wir haben mit unserer Politik der strikten Haushaltskonsolidierung für anhaltend niedrige Zinsen und damit für günstige Finanzierungskosten der Unternehmen gesorgt. Was hilft der mittelständischen Wirtschaft mehr als niedrige Finanzierungskosten?

   Drittens. Nach dem dramatischen Anstieg der Lohnnebenkosten unter der unionsgeführten Bundesregierung haben wir den Einstieg in die Konsolidierung der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung geschafft. Zu Ihrer Erinnerung die Zahlen: Von 1982 bis 1998 sind die Sozialversicherungsbeiträge von 34 Prozent um ganze 8 Prozentpunkte auf 42 Prozent gestiegen. Damit haben wir Schluss gemacht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wem nutzt die Senkung der Lohnnebenkosten mehr als den kleinen und mittleren Unternehmen? Insbesondere diese Unternehmen werden davon profitieren.

   Viertens. Wir haben mit den Hartz-Reformen für mehr Effizienz und mehr Mobilität auf dem Arbeitsmarkt gesorgt. Wir haben für Neueinstellungen den Kündigungsschutz gelockert. Unternehmen können jetzt schneller und leichter Arbeitskräfte rekrutieren.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Das glauben Sie doch selber nicht!)

   Fünftens. Wir haben das Gesetz zur Intensivierung der Bekämpfung der Schwarzarbeit auf den Weg gebracht. Jahrzehntelang haben Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, bei diesem Problem weggeschaut, was fatale Folgen für die Steuer- und Abgabenbelastung in unserem Land hatte. Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer hatten das letztlich durch höhere Beiträge mit zu finanzieren. Niemand sieht sich durch die Schwarzarbeit und Schattenwirtschaft aber mehr in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet als kleine und mittlere Unternehmen.

   Sechstens. Wir haben mit dem neuen Ladenschlussgesetz die Chancen des Einzelhandels für mehr Umsatz und Beschäftigung verbessert.

   Siebtens. Wir haben nach 50 Jahren das Handwerksrecht entrümpelt und haben dadurch mehr Chancen für die im Handwerk Beschäftigten, für Existenzgründer, für Gesellen und für Meister eröffnet. Wir haben das Handwerksrecht europatauglich gemacht.

   Achtens. Wir haben alle Förderaktivitäten des Bundes im Kredit- und Beteiligungsbereich in der KfW-Mittelstandsbank zusammengefasst. Das Förderangebot wurde gebündelt und gestrafft. Gleichzeitig wurde die Förderpolitik weiterentwickelt und neu ausgerichtet, zum Beispiel mit der neuen Produktfamilie des Unternehmerkapitals.

   Neuntens. Wir machen ernst mit dem Bürokratieabbau. Deregulierung und Vereinfachung der Verwaltungsabläufe sind in Arbeit.

   Zehntens. Wir haben bei der Innovations- und Außenwirtschaftsförderung den Schwerpunkt auf die Förderung kleiner und mittlerer Unternehmen gelegt.

   Meine Damen und Herren, Johannes Rau hat in seiner letzten großen Berliner Rede die Frage gestellt, ob wir uns nicht inzwischen selber so schlecht geredet haben, dass wir uns nichts mehr zutrauen. Ich zitiere den Bundespräsidenten wörtlich:

Ich wüsste kein Land, in dem so viele Verantwortliche und Funktionsträger mit so großer Lust so schlecht, so negativ über das eigene Land sprechen, wie das bei uns in Deutschland geschieht.

Der Bundespräsident warnt:

Das bleibt nicht ohne Folgen.

   Drei Beispiele dazu aus der jüngsten Vergangenheit:

Erstens. Unser Sozialsystem steht nicht vor dem Zusammenbruch. Das zu behaupten wäre abstruser Unsinn. Trotzdem wird so getan, als wäre es so. Viele wollen das dazu nutzen, das Sozialsystem völlig auf den Kopf zu stellen und dem Mittelstand angeblich zu helfen. Gerade der Mittelstand ist auf gute Sozialbeziehungen angewiesen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Zweitens. Der Aufbau Ost ist weder gescheitert noch sind die Hilfen von über 1000 Milliarden Euro sinnlos und wirkungslos versickert. Der Aufbau ist vielmehr ein Ruhmesblatt der neueren deutschen Geschichte, auf das alle Deutschen stolz sein können.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Ulrich Heinrich (FDP): Gesundbeterei!)

Enttäuscht kann nur der sein, der auf die Lügen derjenigen hereingefallen ist, die behaupteten, die deutsche Einheit könne aus der Portokasse bezahlt werden, und die den Menschen blühende Landschaften in nur wenigen Jahren versprachen.

(Beifall bei der SPD)

   Drittens. Der Industriestandort Deutschland steht nicht vor dem Niedergang. Das Gegenteil ist richtig.

(Lachen des Abg. Hartmut Schauerte (CDU/CSU))

Wir sind im weltweiten Wettbewerb einer der aktivsten Standorte für Investoren. Das wissen offenbar aber nur die ausländischen Investoren. Bei Ihnen wird das auf taube Ohren stoßen. Das ist traurig genug; denn richtig ist: Unsere Probleme sind lösbar und sie werden von dieser Bundesregierung zurzeit Schritt für Schritt gelöst.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Drei Schritte zurück!)

   Der entscheidende Reformschritt, den wir dabei gegangen sind, ist die Agenda 2010. Das bestätigen uns alle internationalen Institutionen von Belang, seien es der Internationale Währungsfonds, die Europäische Kommission oder die OECD. Alle bestätigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind. Wir brauchen mehr Zuversicht, Mut und Entschlossenheit, aber auch mehr Verantwortung und Disziplin, um die notwendigen Reformen zu bewältigen.

   Wir sind mit den Reformen noch nicht am Ende.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie sind am Ende!)

Der mit der Agenda 2010 eingeleitete Reformprozess muss und wird weitergeführt werden. Ich würde mir für unser Land wünschen, dass diejenigen in der öffentlichen Debatte mehr Beachtung fänden, die sich mit realistischen Veränderungsvorschlägen sowie mit offener Dialog- und fairer Kompromissbereitschaft hervortun. Wir brauchen, wie Johannes Rau es empfiehlt, in unserem Lande wieder eine Kultur der Zuversicht und der Ermutigung. Dazu rufe ich uns alle auf.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Das ist bei dieser Regierung schwer!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegin Dagmar Wöhrl, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Dagmar Wöhrl (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Lieber Kollege Brandner, wenn man Ihnen eben zugehört hat, dann bekam man wirklich das Gefühl, dass der Realitätsverlust schon sehr weit fortgeschritten ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihr Wort in Gottes Ohr, aber die Fakten schauen leider anders aus.

   Während dieser Debatte, also allein in diesen 90 Minuten, werden irgendwo zwischen Flensburg und Passau sieben Betriebe offiziell Insolvenz anmelden; das wissen Sie. Sie wissen auch, dass, während wir hier sprechen - in diesen 90 Minuten -, 100 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse wegbrechen und Familien in Existenzängste geraten. In diesen eineinhalb Stunden wird es auch wieder ein paar Spitzenkräfte geben, die sich überlegen, unserer Heimat den Rücken zu kehren, um nicht hier, sondern in unseren Nachbarländern Arbeitsplätze, Wohlstand und Wachstum zu schaffen. Das sind die Tatsachen, lieber Herr Kollege.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn ich mir unseren Antrag anschaue, der heute zur Debatte steht und den wir schon vor 15 Monaten eingebracht haben, dann stelle ich fest, dass er genauso aktuell wie damals vor 15 Monaten ist.

(Klaus Brandner (SPD): Da kann man mal sehen, wie langsam Sie sind!)

Wir brauchen eine grundsätzliche Kehrtwende. Diese Kehrtwende ist unter Ihrer Regierung nicht eingetreten. Eines muss ich Ihnen sagen: Die Lage ist seit 2003 noch dramatischer geworden, als sie sowieso schon gewesen ist. Hier nützen auch die medienwirksamen Worte Ihres Kanzlers nichts, der ausgeführt hat, dass die Trendwende endlich geschafft ist. Wo ist denn die Trendwende geschafft? Das haben Sie mit Ihren Worten nicht ausgeführt.

   Genauso wie wir haben auch Sie den zweiten Mittelstandsbericht der führenden Wirtschaftsverbände zur Kenntnis genommen. Darin wurde die Entwicklung von 1,6 Millionen Betrieben mit 12,5 Millionen Beschäftigten analysiert. Was wird dort ausgesagt? Dort steht, dass das Wiederanspringen des Mittelstandes und damit der Binnenkonjunktur für die mittelständischen Unternehmen lediglich ein Hoffnungswert bleibt. Es regiert in diesem Land also das Prinzip Hoffnung und sonst überhaupt nichts.

   Die Geschäftslage hat sich verschlechtert, nicht verbessert. In dem Bericht wird auch ausgeführt, dass wir nicht normale zyklische Schwankungen haben, sondern dass dies der Ausdruck massiver Strukturdefizite ist. Diese müssen angegangen werden. Aber mit Ihrer Politik passiert gar nichts.

   Wir sehen es doch: Nach den Zahlen, die gestern die GfK zum Konsumklima veröffentlichte, ist der Konsumklimaindikator auf 4,7 Prozent gesunken. Wir wissen von dieser lähmenden Konsumneigung. Die Menschen haben Angst und sind durch Ihre Politik verunsichert. Besondere Angst haben sie - das ist interessant - vor weiteren Steuererhöhungen dieser Regierung, wie es in der gestrigen Veröffentlichung der GfK deutlich wurde.

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): So ist es!)

   Hören Sie doch auf die Bundesbank! Die Bundesbank schreibt in ihrem Bericht vom März, dass die Staatsschulden ohne Reformen in den nächsten zehn Jahren von über 60 Prozent, die wir schon jetzt haben, auf dann 140 Prozent steigen werden. Sie wissen ganz genau, dass wir in einem hoch verschuldeten Staat leben. Dies ist auch Ergebnis Ihrer Politik. Inzwischen wird für Zinsen mehr ausgegeben als für Forschung und Entwicklung. Das heißt, Sie finanzieren die Vergangenheit, nicht die Zukunft. Sie gehen hier den falschen Weg.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Der Grund dafür ist nicht, dass die Steuereinnahmen wegbrechen. Vielmehr steigen die Steuereinnahmen. 1998 lagen die Steuereinnahmen noch bei 175 Milliarden Euro. Bei uns aber lag die Investitionsquote bei 12,5 Prozent. Das ist für den Mittelstand wichtig. Inzwischen sind die Steuereinnahmen auf über 190 Milliarden Euro gestiegen; aber die Investitionsquote ist auf unter 10 Prozent gesunken. Das schadet dem Mittelstand.

   Schauen wir uns einmal das Jahr 2003 an, Herr Brandner, das Sie gerade so hervorgehoben haben. Es ist ein Paradebeispiel dafür, wie man Vertrauen verspielt und wie es aufgrund des mangelnden Vertrauens zu immer weniger Investitionen von Unternehmen kommt. Ihre Mittelstandsoffensive haben Sie immens medienwirksam angekündigt. Was ist dabei herausgekommen? Ein so genannter Small Business Act. Er war nämlich sehr „small“ und leider gab es auch wenig „business“, wie wir inzwischen festgestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Es ging aber weiter. Sie sind unwahrscheinlich kreativ beim Erstellen von neuen Masterplänen und Offensiven, die aber wenig bringen. Sie haben dann einen Masterplan Bürokratieabbau aufgelegt. Was ist dabei herausgekommen? Inzwischen haben wir mehr Bürokratie als damals. Sie bringen ein Gesetz nach dem anderen auf den Weg, das noch mehr Bürokratie nach sich zieht. Wenn Sie keine bürokratischen Gesetze auf den Weg bringen, dann schaffen Sie neue bürokratische Behörden, und zwar eine nach der anderen. Das ist Ihre Politik.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Stichwort Gesellschafterfremdfinanzierung!)

   Der Beweis dafür ist, dass die Unternehmen inzwischen 46 Milliarden Euro für Bürokratie aufbringen müssen. Allein der Mittelstand zahlt davon 84 Prozent. Wir müssen uns schon fragen: Warum ist es nicht möglich, für jedes Gesetz und jede Rechtsverordnung, die gemacht werden, zwei abzuschaffen? Warum haben Sie dazu nicht den Mut? Warum werden nicht von nun an nur noch befristete Gesetze gemacht? Warum wird nicht festgelegt, dass die Altvorschriften in bestimmten Fristen überprüft werden und die Regierung dann nachweisen muss, dass die Vorschriften überhaupt notwendig sind?

   Herr Kollege Brandner, Sie haben vorhin die Handwerksordnung angeführt. Die Reform der Handwerksordnung war als der große Wurf angedacht. Was haben Sie gemacht? Sie haben versucht, die Handwerksordnung zu zerschlagen und sie durch staatlich hoch subventionierte Ich-AGs zu ersetzen. Das war Ihre Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Klaus Brandner (SPD): Haben Sie schon vergessen, was wir als gemeinsames Gesetz gemacht haben, Frau Wöhrl?)

Sie wissen doch ganz genau, dass Innovation und Wachstum nicht durch diese Kleinstunternehmen entstehen. Diese können gerade für sich selbst sorgen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Machen Sie sich keinen schlanken Fuß, Frau Wöhrl!)

Neue Ideen werden nur dort geboren, wo Menschen zusammenkommen und Ideen kreativ vorangebracht werden. Das ist im Mittelstand der Fall.

(Klaus Brandner (SPD): Es klingt nicht sehr glaubwürdig, Frau Wöhrl, wenn Sie Gesetzen zustimmen und anschließend erklären, dass Sie das gar nicht gewollt haben! Das spricht nicht für Sie!)

   Dann kam noch etwas Neues in Form einer Innovationsoffensive, als Sie das Thema Innovation für sich entdeckt hatten. Das ist schon wieder drei Monate her. Aber außer vollmundigen Erklärungen und Expertenrunden, die Sie in der Presse übrigens sehr gut verkauft haben - das muss ich neidvoll anerkennen -, kam nichts. Es fehlt eine ernsthafte Konkretisierung dieses Projekts.

   Sie kündigen immer nur an.

(Klaus Brandner (SPD): Es passiert auch etwas, weil wir den Menschen Mut gemacht haben! Schauen Sie die Existenzgründungen an!)

Sie kündigen vollmundig Programme an, die - das muss ich zugestehen - nicht schlecht klingen, aber inhaltlich nichts bringen. Sie haben bis jetzt nichts realisiert und auf den Weg gebracht, was uns in diesem Bereich nach vorne gebracht hätte. Auf das Mautdebakel

(Klaus Brandner (SPD): Das Mautdebakel hat die SPD gemacht?)

und die dadurch ausbleibenden Verkehrsinvestitionen, wovon viele kleine und mittlere Betriebe betroffen sind, will ich hier gar nicht näher eingehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Unser Land steht vor allem seit dem Mai dieses Jahres vor neuen Herausforderungen. Das wissen Sie. Wie haben Sie uns auf diese neuen Herausforderungen vorbereitet? Fakt ist, dass nicht nur die Großunternehmen Arbeitsplätze verlagern, sondern inzwischen auch die kleineren und mittleren Betriebe Arbeitsplätze zukünftig in den Beitrittsländern schaffen. Das geschieht nicht, weil sie vaterlandslos sind, wie einige von Ihnen behaupten. Sicher ist die Verlagerung für die Markterschließung wichtig und sicher werden damit auch Arbeitsplätze bei uns gesichert. Fakt ist aber auch, dass der Grund nicht nur weniger Steuern und weniger Abgaben sind. Wissen Sie, was es dort gibt? Unternehmerische Freiheit.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Da, wo es um Freiheit geht, sind Sie doch dagegen!)

Das ist es, was viele kleine und mittelständische Betriebe bewegt, nicht mehr hier zu investieren, sondern in unseren Nachbarländern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Hier müssen Sie ansetzen. Aber was machen Sie? Sie kürzen überproportional die GA-Förderung, ausgerechnet das Förderinstrumentarium, das kleine und mittelständische Betriebe zu Investitionen anregt. Das tun Sie nur, um den Steinkohlebergbau abzusichern. Sie müssen sich einmal überlegen, ob das die richtige Mittelstandspolitik ist, die Sie auf den Weg bringen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Immer die alte Leier!)

- Lieber Herr Kollege, wenn Sie keine andere Politik machen, dann kann ich auch keine andere Leier spielen. Machen Sie eine andere Politik, dann werde ich hier auch anders reden!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie nehmen das ja alles gar nicht mehr wahr!)

   Sie wissen genauso wie wir, dass die Eigenkapitalschwäche die Achillesferse der mittelständischen Betriebe ist. Hier müssen wir zu neuen Finanzierungsmöglichkeiten und Anreizen kommen.

   Wir brauchen auch eine große Steuerreform. Ich rede von einer großen Steuerreform. Sie können mit uns darüber reden, mehr Subventionen abzubauen, als bisher geplant sind. Wir sind aber nicht bereit, Subventionen abzubauen und mit dem eingesparten Geld Haushaltslöcher zu stopfen. Eine große Steuerreform ist richtig, damit wir wieder konkurrenzfähig werden.

   Unsere Nachbarländer sind wirklich wachstumshungrig. Sie haben Niedrigsteuersätze. Wir aber sind mit unserer Gesamtsteuerlast an oberster Spitze in Europa.

(Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Das ist falsch! 21,6 Prozent!)

Was haben Sie dem entgegenzusetzen? Ausbildungsplatzabgabe - toll. Im Bundesrat wird über Pläne zur Erhöhung der Erbschaftsteuer gesprochen, anstatt dass Sie unseren Vorschlag aufgreifen. Stunden Sie die Erbschaftsteuer, wenn ein Betrieb von einem Nachfolger übernommen wird! Erlassen Sie ihm die Erbschaftsteuer nach zehn Jahren! Dann hat er ganz bestimmt mehr für die Volkswirtschaft getan, als wenn er unter Ihrer Regierung Erbschaftsteuer zahlt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir haben viele Baustellen. Das ist gar keine Thema. Die gab es auch zu unserer Zeit. Die Probleme müssen aber angegangen werden. Wir können uns nicht zurücklehnen. Wenn Sie sehen, dass sich bei einer der wichtigsten Baustellen bei Ihnen überhaupt nichts tut und auch nicht zu erwarten ist, dass sich in den nächsten zwei Jahren nichts tut, nämlich auf dem Arbeitsmarkt, der bei uns wirklich in Beton gegossen ist, dann erkennen Sie die traurigen Perspektiven, die wir haben. Wir müssen die betrieblichen Bündnisse für Arbeit angehen. Das World Economic Forum kam in einer Studie über 102 Länder zu dem Ergebnis, dass außer Venezuela wir das restriktivste Kündigungsschutzgesetz haben. Das müssen Sie sich einmal vorstellen.

   Wenn Sie dann die neuesten Umfragen hören, wonach zwei Drittel der Unternehmen sich wegen unseres Kündigungsschutzes gegen neue Jobs entscheiden, dann muss man doch das Thema angehen. Wenn Sie weiterhin hören, dass 70 Prozent bereit sind, bei einer Lockerung des Kündigungsschutzes zusätzliche Arbeitsplätze zu schaffen, dann muss man das Thema erst recht angehen.

   Wir haben Probleme mit unseren Sozial- und Regulierungskosten, die immer höher steigen, ohne dass die Beschäftigten mehr Geld in der Tasche haben. Wir müssen aus dem Teufelskreis von wachsender Arbeitslosigkeit und eskalierenden Sozialleistungen herauskommen. Wir müssen zu mehr privater Vorsorge und zu einer Entkoppelung der Sozialleistungen vom Faktor Arbeit kommen.

Aber es ist nicht so, dass nur wir diese Vorschläge machen. Ich verstehe zwar, dass Sie unsere Entschließungsanträge und Gesetzentwürfe ablehnen - wir sind schließlich die Opposition -, aber warum hören Sie nicht auf den Sachverständigenrat, auf führende Forschungsinstitute, auf nationale und internationale Wirtschaftsexperten und auf Ihre eigenen Beiräte? Die Gutachten, die Ihnen erklären, was Sie falsch machen, stapeln sich inzwischen. Packen Sie es doch an!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Ich möchte mit einem Zitat schließen, mit dem ich Ihnen vielleicht ein Leitbild für die nächsten Wochen und Monate bieten kann, in denen Sie noch Regierungsverantwortung tragen. Der Unternehmer und Mittelständler Hans Knürr hat einmal gesagt:

Belässt man dem Mittelstand die notwendigen MITTEL, hat er ohne staatliche Hilfe einen unglaublich festen STAND.

Denken Sie daran, wenn Sie über die nächste Steuererhöhung nachdenken!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Parlamentarischen Staatssekretär Rezzo Schlauch das Wort.

Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Liebe Frau Kollegin Wöhrl, Sie haben davon gesprochen, dass es viele Baustellen gibt. Darauf kann ich nur eines erwidern: Wir arbeiten an diesen Baustellen, während Sie sie blockieren.

(Lachen bei der CDU/CSU)

   Ein aktuelles Beispiel einer solchen Baustelle, die Sie aus ideologischer Borniertheit blockiert haben, Frau Kollegin Wöhrl, ist das Zuwanderungsgesetz,

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Lachen bei der CDU/CSU - Heinz Seiffert (CDU/CSU): So ein Quatsch!)

um das wir uns seit zwei Jahren bemühen und das jetzt Gott sei Dank durch die Bemühungen des Bundeskanzlers erfolgreich zum Abschluss gebracht werden kann.

   Damit nicht genug: Nicht nur das Zuwanderungsgesetz, sondern beispielsweise auch die sozialen Sicherungssysteme sind Baustellen, die mit dem Satz „Die Rente ist sicher“ 16 Jahre lang geschlossen blieben. Wir hingegen sind - das war schwierig genug - in vielen Einzelschritten eine Reform der sozialen Sicherungssysteme angegangen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Schlauch, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?

Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Nein danke, jetzt nicht. Ich habe gerade erst angefangen.

   Eine weitere Baustelle, auf die Sie nicht eingegangen sind, ist das Thema Steuern. Sie haben über Jahre hinweg das Steuerniveau auf einem unerträglich hohen Niveau gehalten. Wir haben es zwar mit Mühen, aber erfolgreich gesenkt, und zwar so, dass die Senkung des Steuerniveaus zielgenau den mittelständischen Betrieben zugute kommt.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   Insofern bleibt mir nur festzustellen: Natürlich ist nichts so gut, als dass es nicht noch besser werden kann. Aber wir müssen uns mit der Bilanz unserer Mittelstandspolitik nicht hinter Ihnen verstecken.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist ja Kabarett!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Schlauch, gestatten Sie jetzt eine Zwischenfrage des Kollegen Michelbach?

Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein danke, ich habe schon abgelehnt.

   Ich möchte auf zwei Gesichtspunkte näher eingehen. Herr Kollege Brandner hat schon ein Thema angesprochen, auf das Sie nicht eingegangen sind und das derzeit mit Sicherheit eines der schwierigsten Probleme des Mittelstands ist, nämlich die Finanzierung des Mittelstands durch die Kreditwirtschaft. Wir haben - auch das ist bei Ihnen übrigens unterblieben - frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um die Bereitschaft der Kreditwirtschaft so zu steigern, dass der Mittelstand weiterhin zum Kerngeschäftsfeld gehört und auch tatsächlich so behandelt wird.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

   Mit der Fusion der beiden staatseigenen Förderbanken zur KfW-Mittelstandsbank haben wir eine entscheidende Weichenstellung vorgenommen. Die Bilanzen und Zahlen machen deutlich, wie erfolgreich der von uns beschrittene Weg ist. Im Jahr 2004 stellt die KfW insgesamt über 5 Milliarden Euro für Mittelstandskredite zur Verfügung. Bis März dieses Jahres sind bereits 2,4 Milliarden Euro abgerufen worden.

Wir haben speziell für den Mittelstand mit dem so genannten Mezzanine-Kapital ein Finanzierungsinstrument geschaffen, das dazu geeignet ist, die Eigenkapitalschwäche der Unternehmen - die im Übrigen nicht vom Himmel gefallen ist, Frau Kollegin Wöhrl, sondern aufgrund unserer Steuerregelungen eine jahrzehntelange Geschichte hat; Sie wissen, worin sie begründet liegt - zu mildern. Wir haben außerdem - Bayern ist bei diesem Pilotfonds mit dabei - die Eigenkapitalfrage über die KfW wieder aufgegriffen. Wir haben in diesem Bereich also in massiver Weise Initiativen unternommen, um die Finanzierungsschwäche der Unternehmen durch die Banken einigermaßen auszugleichen. Dass das nicht eins zu eins möglich ist, ist klar.

   Frau Kollegin Wöhrl, zu einer weiteren von Ihnen angesprochenen Baustelle: Zur Sicherung der Unternehmensliquidität gehört ebenfalls, dass wir das Thema Zahlungsmoral nochmals angehen. Der kürzlich vorgelegte Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe „Verbesserung der Zahlungsmoral“ enthält aus unserer Sicht eine Reihe guter Vorschläge, die nicht nur zu technischen, sondern auch zu inhaltlichen Verbesserungen der derzeitigen Rechtslage für Handwerker und Unternehmer führen dürften.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Ein totaler Flop!)

   Auch beim Abbau der den Mittelstand besonders belastenden Bürokratie bzw. Überbürokratie - dieser Punkt wird von Ihrer Seite und vonseiten der Wirtschaftsverbände immer wieder angeführt - gibt es entscheidende Fortschritte. Bürokratieabbau betrifft - das wissen Sie genauso gut wie wir - alle staatlichen Ebenen, von der EU bis zu den Kommunen. Frau Kollegin, bei diesem Thema haben wir aber die Erfahrung mit Ihnen von der Opposition sowie mit den Wirtschaftsverbänden gemacht, dass gerade diejenigen, die am lautesten nach Bürokratieabbau rufen, genau dann lieber beim Alten bleiben wollen, wenn es um die Wahrung eigener Besitzstände geht.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

   In der von Ihnen angesprochenen Diskussion über die Handwerksreform haben Sie regelrecht ideologische Grabenkämpfe geführt, um zu verhindern, dass zehn Gewerke von einer Anlage in die andere überführt werden. Allen, die damals den Untergang des Handwerks prophezeiten, kann ich nur sagen: Er ist nicht eingetreten. Im Gegenteil: Diese Reform hat sich sehr positiv ausgewirkt. In den ersten drei Monaten dieses Jahres gab es bei fast allen Handwerkskammern einen regelrechten Gründungsboom, und zwar vor allem bei den zulassungsfreien Handwerken. Im Bereich vieler Handwerkskammern kam es im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bei den zulassungsfreien Handwerken zu einer Verfünffachung der Zahl der Eintragungen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Hört! Hört!)

   Ich möchte Sie daran erinnern, dass Sie während der damaligen Debatte Ihre Energie darauf verwandt haben, im klassischen Sinne strukturkonservativ zu agieren und althergebrachte Strukturen zu verteidigen. Sie haben versucht, den Wettbewerb einzuschränken.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Kohle!)

Ich kann dazu nur sagen: Mit unserer Handwerksreform haben wir mehr Wettbewerb ermöglicht und haben für Belebung in diesem Bereich gesorgt, während Sie, wie gesagt, auf althergebrachte Weise den Status quo verteidigt haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD - Volker Kauder (CDU/CSU): Steinkohle!)

Das, was wir hier gemacht haben, war echter Bürokratieabbau von unten, der außer Entschlusskraft und Mut nichts gekostet hat. Beides haben wir gehabt.

Ein weiteres Beispiel für das Motto „Bürokratieabbau ja, aber bitte nur bei den anderen“ ist die Reform des Vergaberechts. Hier wird ein Wust an umfänglichen und unverständlichen Regelungen von Ihrer Seite sowie - das verwundert mich besonders - vor allen Dingen vonseiten der Wirtschaft und insbesondere der Wirtschaftsverbände plötzlich als Bollwerk gegen Korruption hochstilisiert. Ein einfaches, transparentes Vergaberecht, wie wir es auf den Weg bringen wollen, wird abgelehnt, und zwar deshalb, weil man um den Verlust des Einflusses durch die so genannten Verdingungsausschüsse fürchtet, in denen bislang die Vertreter von Verbänden und Behörden gemeinsam die Ausschreibungsregeln erarbeitet haben. Auch dies ist ein Beispiel dafür, dass diejenigen, die täglich den Schlachtruf der Deregulierung, der Liberalisierung, der Entbürokratisierung auf den Lippen führen, plötzlich zu heftigen Verteidigern des Status quo werden, wenn es konkret wird.

   Wir setzen den Bürokratieabbau fort, beispielsweise durch die Reform der Arbeitsstättenverordnung und dadurch, dass wir den Arbeitsschutz bei den Berufsgenossenschaften bündeln. Das bestehende System mit 80 Unfallversicherungsträgern in 16 Bundesländern führt nämlich dazu, dass die Betriebe häufig doppelt überwacht werden. Durch die von uns vorgeschlagene Zusammenführung des staatlichen und des berufsgenossenschaftlichen Vollzugs im Arbeitsschutz wollen wir diese Tätigkeiten bündeln und die Unternehmen so von unnötigem Verwaltungsaufwand entlasten.

   Frau Kollegin Wöhrl, der große Wurf ist immer sehr schnell dargelegt. Ich erinnere Sie an den großen Wurf Ihres Kollegen Merz, den er mit einem radikalen Gestus präsentiert hat - Stichwort „Steuerreform auf einem Bierdeckel“ - und mit dem er in Ihren eigenen Reihen kläglich gescheitert ist. Es ist mehr Mühe und Arbeit notwendig, um die Situation des Mittelstands zu verbessern. Da muss man auch in die Details gehen. An die Lösung dieser Probleme sind wir mit der Agenda 2010 und mit den von mir angesprochenen Maßnahmen zum Bürokratieabbau und zur Förderung des Mittelstands herangegangen.

   All dies ginge noch viel schneller, und zwar zum Wohle des Mittelstands, wenn Sie Ihre unsägliche Blockadepolitik in Sachen Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe im Bundesrat endlich aufgäben. Alle in diesem Haus sind dafür, dass Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zusammengeführt werden. Statt über organisatorische Fragen zu diskutieren, sollte man substanzielle Verbesserungen für den Mittelstand in den Vordergrund rücken.

   Frau Kollegin Wöhrl, Sie haben ein düsteres Bild gezeichnet. Es war wie immer schwarz in schwarz. Das ist Ihre Farbe.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Aufgeblähter Knallkopf!)

Ich kann Ihnen nur sagen - das wissen Sie; schließlich ist das ein konservativer Ausspruch -: Wirtschaftspolitik ist zur Hälfte gute Psychologie. In dieser Beziehung sind Sie keine gute Wirtschaftspolitikerin, weil Sie mit „schwarz in schwarz“ nicht weiterkommen.

   Ich will Ihnen an diesem Punkt auch entgegenhalten: Nach der Frühjahrsmittelstandsumfrage der DZ Bank - immerhin eine objektive Institution - erwarten 44 Prozent der mittelständischen Unternehmen in den kommenden Monaten bessere Geschäfte. Dies ist nach Angaben der Bank der zweithöchste Wert seit fast zehn Jahren. Das klingt etwas anders als das von Ihnen dargestellte Horrorszenario. Wir werden daran arbeiten, dass sich die Lage weiterhin verbessert.

   Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Zu einer Kurzintervention erteile ich das Wort dem Kollegen Hans Michelbach, CDU/CSU-Fraktion.

Hans Michelbach (CDU/CSU):

Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Staatssekretär Schlauch, Sie haben mir keine Gelegenheit gegeben, eine Frage zu stellen. Deshalb möchte ich mit dieser Kurzintervention Ihre Behauptung klar zurückweisen, dass wir an verschiedenen Punkten blockiert haben. Als Sie von Blockaden gesprochen haben, müssen Sie wohl zunächst an sich selbst gedacht haben. Sie verwechseln hier etwas. Die CDU/CSU hat gestern im Finanzausschuss den Antrag gestellt, die für den Mittelstand äußerst schwierige Neuregelung der Gesellschafterfremdfinanzierung über § 8 a Körperschaftsteuergesetz wieder zu ändern. Es ist natürlich ein Mittelstandsvernichtungsprogramm, wenn die Zinsen für eine Finanzierung im Mittelstand auch noch voll versteuert werden müssen. Sie haben die Veränderung verweigert, obwohl Sie wissen, dass das letztlich wirklich ein Mittelstandsvernichtungsprogramm ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es muss noch einmal deutlich darauf hingewiesen werden, dass wir von der CDU/CSU gerade einen Antrag für ein Sofortprogramm in der Steuerpolitik in den Deutschen Bundestag eingebracht haben und Sie sich auch diesem Antrag verweigert haben. Er hätte gerade für den Mittelstand ein deutliches Signal in Richtung Entlastung, mehr Freiraum für Investitionen und vor allem Vereinfachung gesetzt.

   Herr Staatssekretär, nehmen Sie einfach zur Kenntnis, dass Sie mit Ihrem Vorwurf nichts anderes tun, als Nebelkerzen zu werfen. Sie haben dem Mittelstand damit nicht gedient. Der Mittelstand braucht eine klare Mittelstandspolitik und keine Nebelkerzen.

   Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Volker Kauder (CDU/CSU): Vor allem kein rot-grünes Gefasel!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Schlauch, Sie haben die Möglichkeit zur Antwort.

Rezzo Schlauch, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Herr Kollege Michelbach, ich möchte kurz auf den § 8 a Körperschaftsteuergesetz eingehen. Vielleicht ist es Ihnen entgangen, aber Tatsache ist: Für die unbefriedigende Fassung des § 8 a Körperschaftsteuergesetz sind alle in diesem Hause, einschließlich Ihrer Fraktion, verantwortlich;

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Und warum ändern Sie ihn dann nicht?)

denn dieser § 8 a ist vor Weihnachten im Vermittlungsausschuss ausführlich beraten und in der jetzt gültigen Fassung beschlossen worden.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Dann ändern Sie ihn doch jetzt!)

Sie haben daran das gleiche Urheberrecht wie allen anderen auch.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So ist das!)

   Ich kann Ihnen nur sagen: Wir haben uns bemüht und wir bemühen uns, die negativen Auswirkungen des § 8 a durch einen so genannten Anwendungserlass in Bezug auf die Bürgschaftsfälle abzumildern und das für den Mittelstand positiver zu gestalten. Das haben wir getan. Für weitere Korrekturen sehen wir derzeit keinen Bedarf. Wir werden es aber natürlich noch einmal prüfen.

   Den Eindruck zu erwecken, als ob Sie mit diesem § 8 a nichts zu tun haben, das ist nun wirklich nicht legitim. Da haben wir alle ein Problem geschaffen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Dann ändern Sie ihndoch!)

Wir haben die Situation des Mittelstandes verbessert und werden sie auch weiterhin verbessern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Rainer Brüderle, FDP-Fraktion, das Wort.

(Ludwig Stiegler (SPD): Am 30. Mai ist Weltuntergang! - Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD): Nein, schon vorher! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Kassandra!)

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Kollege Schlauch, Sie haben so viele Dankesschreiben von Mittelständlern für die außerordentlich erfolgreiche grün-rote Politik erwähnt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die einmal vorlegen würden. Ich gebe Ihnen gern Kopien der Schreiben mit massiven Beschwerden über Ihre Politik, die bei uns eingehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das ist ein LKW voll!)

   Kollegen Brandner, der uns nach seinem Beitrag verlassen hat, hätte ich gern noch etwas zu seiner Rede gesagt - man verfolgt ja die Beiträge der anderen bei der Debatte -, nämlich dass mir seine Selbstbeweihräucherung wie der folgende Fall vorkommt: Einem Bauern wird ein Schwein vom Hof geholt und geschlachtet. Anschließend bekommt er drei Koteletts zurück und soll sich dafür auch noch bedanken.

(Beifall bei der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Sie waren auch schon witziger!)

- Herr Stiegler, Sie werden im „Spiegel“ gerade mit den Worten zitiert, dass Sie Herrn Clement an die Wand klatschen wollten. Das ist sehr witzig. Ich finde es sehr originell, wie Sie miteinander umgehen. Das ist hochinteressant.

   Wir diskutieren heute über einen Antrag von Grün-Rot vom 28. Januar 2003 mit der tollen Überschrift „Offensive für den Mittelstand“. Mit welchem Nachdruck Sie das betreiben, sieht man daran, dass wir ihn heute, im Mai 2004, abschließend beraten. Das hat eine einfache Ursache: Wir stehen vor der Europawahl. Da kommen die üblichen Lippenbekenntnisse von Grün-Rot zum Mittelstand, um vor der Wahl einen guten Eindruck zu machen. Die Realität sieht anders aus.

   Die Zahl der Firmenpleiten hat 2003 einen neuen Nachkriegsrekord erreicht. Die Arbeitslosigkeit war nach alter Zählung - Sie haben das ja etwas umgeschminkt - im April so hoch wie noch nie. Die Erwerbstätigkeit nimmt weiter ab. Die Binnenkonjunktur lahmt trotz guter Exportlage. Der Mittelstand ist eben in der Region verwurzelt. Er kann nicht nach Südportugal oder China auslagern und die Aufträge dort erfüllen.

   Ein zentraler Punkt, den Sie - Herr Schlauch, das hat auch Ihre Rede gezeigt - einfach nicht verstehen, ist, dass Mittelstandspolitik nur funktionieren kann, wenn die Regierung in ihrem politischen Handeln Berechenbarkeit, Vertrauen, Klarheit vermittelt. Der Mittelstand will keine Subventionen, er will eine faire Chance haben. Wenn Sie ständig alles neu regeln, hier und da ein Progrämmchen auflegen, die Telekom aber das sie regulierende Gesetz beinahe selber schreiben lassen, Eon und Ruhrgas einen Marktanteil von 85 Prozent zugestehen, die Kohlesubventionen fortsetzen, aber kein Geld für Bildung ausgeben, dann schaffen Sie kein Umfeld, in dem Mittelständler erfolgreich arbeiten können.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Mittelstand ist kein Betriebsgrößenbegriff, sondern eine Geisteshaltung. Das ist Ihnen natürlich fremd. Es handelt sich um Menschen, die mit einer anderen Einstellung als Funktionäre, die kein unmittelbares Risiko tragen, an die Sache herangehen, die in der Regel mit ihrem Vermögen bzw. ihrem Eigentum für ihre Entscheidungen haften. Mittelständler haben eine spezielle Einstellung; gerade diese brauchen wir. Sie können manchmal nachts nicht schlafen, weil sie sich überlegen, ob sie zu bestimmten Konditionen noch den Auftrag hereinnehmen können und wie sie einen Weg finden, um ihrer Belegschaft Arbeit zu geben. Bei ihnen arbeiten Familienmitglieder mit. Eine 35-Stunden-Woche ist für sie eine Witznummer. Nach drei Tagen haben sie diese Arbeitszeit erreicht.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sehr richtig!)

   Diese Menschen verunsichern Sie permanent. Sie werden von Ihnen schlecht behandelt.

(Ludwig Stiegler (SPD): Von Ihnen!)

Sie werden nach wie vor auch steuerlich schlechter behandelt. Wenn Sie mir nicht glauben, dann fragen Sie doch Ihren Parteigenossen Professor Dr. Wiegard, den Vorsitzenden des Sachverständigenrates. Der rechnet Ihnen vor, dass die Konditionen für Mittelständler immer noch nicht mit denen der übrigen Wirtschaft vergleichbar sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ludwig Stiegler (SPD): Er hat das Gegenteil gesagt!)

Und kommen Sie mir doch nicht mit der Steuerquote. Wenn viele mittelständische Betriebe nichts verdienen und deshalb keine Steuern zahlen können, dann kann die Steuerquote nicht hoch sein. Ich treffe doch volkswirtschaftliche Entscheidungen nicht nach Steuerquoten, sondern nach Steuersätzen.

   Sie übersehen völlig, dass wir nach der EU-Osterweiterung plötzlich mit Ländern in unmittelbarem Wettbewerb stehen, die eine Flat Tax haben, bei der nur ein Minimum steuerfrei gestellt ist, die maximalen Steuersätze aber bei unter 20 Prozent liegen. Es wird für manche Unternehmen bald völlig egal sein, ob ihr Firmensitz in Riga, in Köln, in Ljubljana oder in Hamburg ist. Der Unterschied ist nur, dass sie bei uns 50 Prozent oder mehr Steuern zahlen, während sie dort weniger als 20 Prozent bezahlen. Wie Sie dies durchhalten wollen, ist mir schleierhaft. Das wird zu weiterer Abwanderung von Kapital und inzwischen auch von Arbeitskräften führen, weil die Leute merken, dass woanders mehr übrig bleibt und dort auch bessere Umfeldbedingungen herrschen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Herr Clement wurde vom Superminister - ich zitiere noch einmal den „Spiegel“ - zum Störenfried degradiert. Einmal will er den Sparerfreibetrag streichen, dann soll die Ostförderung zusammengestrichen werden, dann soll das Straßennetz privatisiert werden. Gerade durch solche Vorschläge wird nicht die notwendige Klarheit geschaffen.

   Der Posten des Mittelstandsbeauftragten, der eigentlich genau für diese Menschengruppe und ihre Geisteshaltung kämpfen müsste, ist heute zu einer Versorgungsstelle für abgehalfterte grüne Politiker geworden.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist unanständig! Das ist diskriminierend! Das ist doch kein Stil!)

Das ist nicht der richtige Weg. So kann man dem Mittelstand keine Möglichkeiten aufzeigen, um aus der Krise herauszukommen.

   Diese Aufzählung ließe sich ja fortsetzen: In einer Bürgerversicherung sollen alle gleichgeschaltet werden. Hier bringen Sie eine DDR light ins System. Man könnte noch Ihren Zickzackkurs beim Ladenschluss und vieles andere hinzufügen. Mit all dem tragen Sie dazu bei, dass der Mittelstand keine faire Chance hat, sich positiv zu entwickeln. Die Bedingungen stimmen nicht. Selbst diese schlechten Bedingungen sind nicht berechenbar. Aber Wirtschaften beruht auf Kalkulation. Am Schluss müssen Sie rechnen: Zwei und zwei sind vier. Wer nicht rechnen kann, kann auch nicht steuern.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Ich weiß nicht, ob die das verstehen!)

   Die Eigenkapitalausstattung des Mittelstandes ist - zum Teil historisch bedingt, zum Teil bedingt durch unser Steuersystem - katastrophal schlecht. Der Deutsche Sparkassen- und Giroverband hat vor kurzem eine Untersuchung vorgelegt, in der er 50 000 mittelständische Betriebe erfasst hat. Von diesen hatte die Hälfte kein Eigenkapital - mit anderen Worten: Die sind schon fertig, wissen es aber nur nicht - und im Schnitt hatten Betriebe bis 100 Beschäftigte eine Eigenkapitalquote von 6 Prozent. In angelsächsischen Ländern liegt sie zwischen 35 und 45 Prozent. Das ist eine strategische Schwäche unseres Mittelstandes. Eine entsprechende Sensibilität für Rahmenbedingungen, die es dem Mittelstand ermöglichen, sich einzubringen, fehlt Ihnen leider völlig.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Sigrid Skarpelis-Sperk, SPD-Fraktion.

Dr. Sigrid Skarpelis-Sperk (SPD):

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Was die Opposition in der vergangenen Dreiviertelstunde hier geboten hat, war billige Polemik, widersprüchlich und zum Teil ausgesprochen heuchlerisch.

(Beifall bei der SPD)

Dass Sie zuerst der Handwerksordnung zustimmen und sie dann hier angreifen und beklagen, finde ich außerordentlich schäbig.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf der Abg. Dagmar Wöhrl (CDU/CSU))

- Entschuldigen Sie bitte, reden wir hier über die verabschiedete Handwerksordnung oder über frühere Vorschläge? Sie können sich doch nicht erst hier einbringen und mit uns gemeinsam um Änderungen ringen und dann genau diese hier angreifen.

   Ähnlich ist es mit der EU-Osterweiterung. Wir alle in diesem Hause haben sie gemeinsam beschlossen, Sie haben sie in den Chefetagen der deutschen Wirtschaft als wichtig, besonders mit Blick auf die Exporte, gepriesen, weil diese Erweiterung neue Chancen biete, aber hier nennen Sie die Konditionen, die Sie vorher alle kannten, schlecht für den deutschen Mittelstand. So können wir doch nicht miteinander umgehen!

(Beifall bei der SPD - Ludwig Stiegler (SPD): Doppelzunge! - Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Sie haben gar nicht zugehört!)

   Ein weiterer Punkt ist die Steuerreform; auch hier sprechen Sie doppelzüngig. Zuerst schlagen Sie eine Steuersenkung vor, Frau Kollegin Wöhrl, dann sagen Ihre eigenen Leute, auch der Finanzminister des Landes Bayern, Herr Dr. Kurt Faltlhauser, so gehe es nicht, es müsse auch an die Länderhaushalte gedacht werden - übrigens eine sehr vernünftige Anmerkung von ihm; wir müssen den historischen Tiefstand der deutschen Steuerquote bedenken und überlegen, wo und wie wir senken -, und anschließend beklagen Sie, einschließlich des Kollegen Brüderle - dessen Partei in dem Land, aus dem er kommt, der Steuerreform im Bundesrat zugestimmt hat -, das, was in der Folge geschieht.

   Dann macht Herr Michelbach hier eine Kurzintervention und erläutert, welch schlimme Auswirkungen § 8 a des Körperschaftsteuergesetzes hat,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Stimmt doch!)

und muss sich von Rezzo Schlauch belehren lassen, dass seine Partei das im Bundesrat selber mitgetragen hat.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Jetzt wollen wir es doch ändern!)

Herrschaften, hinter verschlossenen Türen Ja sagen, im Bundesrat zustimmen und dann an den Stammtischen und hier im Parlament anders reden, das ist einfach heuchlerisch.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Hans Michelbach (CDU/CSU): Quatsch! Wir haben gestern einen Änderungsantrag eingebracht!)

   Wir sollten uns stattdessen über Probleme unterhalten, wie zum Beispiel über die Strukturkrise des deutschen Bankensystems, die noch lange nicht durchgestanden ist und die schwerwiegende Auswirkungen auf die Finanzierung des deutschen Mittelstands hat, und darüber, was man konkret machen kann, um die Probleme zu lösen. Dazu reicht keine - ich sage es einmal ganz offen - Maulhurerei, vielmehr müssen wir überlegen, wie wir den Betrieben konkret helfen können. Darüber sollten wir sprechen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Entscheidend ist, welche Probleme mittelständische Unternehmen, insbesondere kleine, heute haben - das können wir alle, quer durch dieses Haus, an Beispielen aus unseren Wahlkreisen belegen -, wenn es darum geht, die notwendigen Finanzierungsmittel für Investitionen und den laufenden Geschäftsbetrieb zu beschaffen, von der Finanzierung von Forschung und Entwicklung ganz zu schweigen. Darin liegt einer der Gründe, warum sich der exportorientierte Aufschwung im Moment zwar in den Bilanzen der Großbetriebe niederschlägt, aber noch immer nicht bei den kleinen und mittleren Betrieben: Dort funktioniert die Finanzierung der Investitionen nicht.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sehr wahr!)

   Jeder von uns kann aus seiner eigenen Erfahrung bestätigen, was die Umfrage der Kreditanstalt für Wiederaufbau aus diesem Frühjahr dokumentiert hat: Für 43 Prozent der befragten Unternehmen ist die Kreditaufnahme spürbar schwieriger geworden;

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Das ist etwas anderes, als Ihr Kollege gerade erzählt hat!)

in den neuen Ländern sind es sogar 47 Prozent. Bei den kleinen Unternehmen ist es fast jedes zweite, das klagt. 16 Prozent der Unternehmen - wichtige Träger der Wirtschaft und der Beschäftigung, gerade in den Regionen - haben Probleme, überhaupt noch einen Kredit zu bekommen.

   Die Ursachen dafür sind vielfältig. Sie werden von den Banken oftmals auf das Stichwort Basel II reduziert, übrigens zu Unrecht. Im Gegenteil, die Bundesregierung und ihre Verhandlungsführer in Basel haben Ergebnisse erreicht - zum Teil gegen den Rest der Welt und in einer geduldigen Überzeugungsarbeit in Europa -, die die besonderen Finanzierungsbedingungen des Mittelstands angemessen und sehr viel besser berücksichtigen, als es in den ursprünglichen Plänen vorgesehen war.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sehr wahr!)

   Man hat in internationalen Zeitungen wie der „Financial Times“ und dem „Wall Street Journal“ nachlesen können, dass die Welt das deutsche Wort Mittelstand mittlerweile buchstabieren gelernt hat.

Es ist richtig und wichtig, dass die Kapitalmärkte nicht nur zur Finanzierung der großen multinationalen Konzerne da sind. Die Kapitalmärkte müssen auch die Finanzierungen für die kleinen Unternehmen sicherstellen. Auf diesem Gebiet hat gerade die Bundesregierung einen Durchbruch in der internationalen Debatte erreicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD - Albrecht Feibel (CDU/CSU): Haben Sie mal in der Praxis erfahren, wie die aussehen?)

- Ja. Reden wir einmal über die Praxis! Die heutige Situation hat auch mit der Struktur des deutschen Bankensystems zu tun.

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Aha!)

Wir müssen auch darüber offen reden, dass bei einem Teil der Großbanken der Mittelstand faktisch keine Kredite mehr bekommt. Das liegt nicht zuletzt daran, dass bei vielen dieser Großbanken das Geld knapp ist, weil sie es auf den internationalen Kapitalmärkten schlicht verzockt haben. Auch darüber muss man einmal offen miteinander reden.

(Beifall bei der SPD - Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie haben Eigenkapital vernichtet!)

   700 Milliarden US-Dollar sind allein durch die IT-Blase vernichtet worden. Wenn Sie einmal sorgfältig die Bilanzen der deutschen Großbanken durchgehen - leider sind es nicht nur die Großbanken -

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie haben das Eigenkapital der Firmen vernichtet!)

und sich die Auswirkungen der Lateinamerikakrise, der Asienkrise und der Russlandkrise anschauen, dann kommen Sie zu dem Schluss, dass massive Wertberichtigungen notwendig waren und dass sich die Banken immer noch nicht ganz von dieser Situation erholt haben. Schauen Sie sich einmal die Rates of Return und die internationalen Ratings an!

   Man muss auch darüber reden, dass die öffentliche Förderpolitik zum Teil eingesprungen ist, aber dass sie dieses Problem allein nicht lösen kann, insbesondere weil die Banken risikobewusster geworden sind. Man kann dies vor dem Hintergrund ihrer Bilanzen auch nachvollziehen. Sie müssen versuchen, aus dieser schwierigen Situation herauszukommen. Manchmal wurde das Management ausgetauscht, aber manchmal nicht. Diejenigen Banken, die das Management nicht gewechselt haben, fordere ich an dieser Stelle auf, sich bei den großmäuligen Ratschlägen an die Adresse der Politik etwas zu mäßigen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vor der eigenen Tür zu kehren und sich zu überlegen, was sie im vergangenen Jahrzehnt an Milliardensummen der Shareholder, aber auch, was die Potenziale der deutschen Volkswirtschaft angeht, in den Sand gesetzt haben, wäre wesentlich angemessener, als uns auf diversen Verbandstagungen gute Ratschläge zu erteilen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben gemeinsam versucht - das sage ich als Vorsitzende des Unterausschusses ERP-Wirtschaftspläne deutlich -, den Unternehmen wirksame Hilfen zu gewähren und diese schwierige Situation, in der die Banken risikobewusster geworden sind, einigermaßen in den Griff zu bekommen. Eine ganz neue Produktfamilie, die insbesondere berücksichtigt, dass deutsche Unternehmen über geringeres Eigenkapital verfügen, soll gerade kleinen und innovativen Unternehmen helfen, sich Nachrangkapital neben den klassischen Krediten zu beschaffen, damit sie in der Startphase und anschließend in der Wachstumsphase mehr Möglichkeiten haben.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wäre mir lieber gewesen, diesen Punkt ausführlicher darzustellen. Aber aufgrund Ihrer wirklich billigen Polemik, die an den nützlichen Maßnahmen im Rahmen dieser Mittelstandsoffensive kein gutes Haar gelassen hat - wir sollten versuchen, gemeinsam für den Mittelstand das Beste herauszuholen -, kann ich die positiven Seiten leider nicht ausgiebig darstellen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Weil sie nicht da sind, Frau Kollegin Skarpelis-Sperk! Man kann nicht über etwas reden, was nicht da ist!)

Es wäre wert, diese Maßnahmen dem Mittelstand und den kleinen Unternehmen bekannter zu machen und auf die neuen Möglichkeiten hinzuweisen. Das wäre besser, als alles schlechtzureden.

   In der Tat ist Wirtschaftspolitik zur Hälfte Psychologie. Sie leisten nur den Beitrag, alles schwarz zu malen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Hartmut Schauerte, CDU/CSU-Fraktion.

Deswegen bitte ich darum, einmal einen Moment innezuhalten und keine klein-kleine Betrachtung vorzunehmen. Ich gestehe Ihnen in einer Reihe von Fällen gute Absichten und guten Willen zu. Ich stelle fest, dass wir eine Reihe von Maßnahmen mitgetragen haben und dass sie vernünftig waren, weil sie an dem einen oder anderen Punkt eine Fehlsteuerung, eine Fehlentwicklung beseitigt haben. Das ist so; darüber brauchen wir uns doch nun wirklich nicht zu streiten.

   Die Frage ist: Reicht das? Ist dabei genügend herausgekommen? Können uns die Ergebnisse zufrieden stellen, die wir nach sechs Jahren Ihrer Regierungskunst und nach anderthalb Jahren Regierungskunst von Wolfgang Clement erkennen können, dem Superminister, der, als vor einem Jahr über diese Dinge diskutiert wurde, hier war, weil er zum Aufbruch blasen wollte, und der am heutigen Tage, an dem Bilanz gezogen wird, nicht hier ist?

   Ich darf in aller Ernsthaftigkeit auf ein paar Fakten hinweisen. Unser Ziel ist ja, in Deutschland Arbeitsplätze zu schaffen - und das mit einem effektiven, wirkungsvollen Mittelstand.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ein paar Zahlen: Wir haben im Vergleich zum Vorjahr 134 000 Erwerbstätige weniger. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist im Vergleich zum Vorjahr um 520 000 geringer. Die Zahl der offenen Stellen ist im Vergleich zum Vorjahr um 91 000 geringer. Das Ergebnis ist also deprimierend.

   Jetzt muss man überlegen, wie wir aus diesem Trend herauskommen. Sie können behaupten, Sie hätten alles gemacht. Wenn man es jetzt so laufen lasse, dann werde sich die Entwicklung verbessern. Sie glauben es aber selber nicht! Sie wissen das.

   Ich will ein paar Maßnahmen ansprechen, die Sie angekündigt haben, bei denen Sie guter Hoffnung waren und die Sie beschlossen haben, und dann darauf hinweisen, wie sie gewirkt haben. Die Personal-Service-Agenturen zum Beispiel, die vor kurzer Zeit eingerichtet worden sind, waren der große Renner zur Bewältigung vieler wichtiger Probleme.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Alles nur Schall und Rauch!)

Es wurden Beschäftigungseffekte in Höhe von 500 000 Arbeitsplätzen angekündigt, davon 350 000 Volljobs per anno. Das war Ihr Hoffnungsansatz. Herausgekommen ist in 2004 ein Beschäftigungseffekt von 7 700 Arbeitsplätzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wahnsinn!)

Das Programm des Jobfloaters wurde mit großer Hoffnung und gutem Willen beschlossen, weil es helfen sollte. Angekündigte Beschäftigungseffekte: 120 000 Jobs. Bis heute führte dieses Programm zu 11 000 Volljobs und 1 000 Ausbildungsplätzen. Dafür wurden aber 837 Millionen Euro ausgegeben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wahnsinn!)

   In diesem Zusammenhang wurde auf die Firmengründungen hingewiesen. Ich hatte bei der letzten Debatte mit Herrn Müntefering - ich weiß nicht, ob er noch hier ist - einen kleinen Disput. Er hatte von 1,6 Millionen Neugründungen in einem Jahr gesprochen. Ich warte noch auf eine präzise Antwort von ihm.

   Fakt ist: 1998 gab es 858 100 Firmenneugründungen und 704 000 Firmenabmeldungen. Saldo: 154 100 Neugründungen sind übrig geblieben. In 2003 gab es 761 000 Neugründungen und 656 000 Abmeldungen. Saldo: 105 000. Arbeitsplatzrelevante Firmenneugründungen in Deutschland sind also minimal. Das ist doch der Befund.

   Jetzt müssen wir überlegen: Ist alles richtig gemacht worden? Reicht das? - Ich sage: Nein! Sie haben durch eine Vielzahl von Maßnahmen, durch Ankündigungen, durch kontroverse Diskussionen, durch Streit, durch Zeitverzögerung, durch klassische Fehler also, mindestens so viel neue Verunsicherung bewirkt, wie Sie an der einen oder anderen Stelle sicherlich etwas Vernünftiges gemacht haben. Aber nennen Sie mir einige wenige vernünftige Dinge, die Sie gemacht haben und denen wir nicht zugestimmt haben! Sie werden keine finden. Ich kann Ihnen eine Maßnahme nennen, die wirklich funktioniert hat: die Einführung des Minijobs mit einem Verdienst von 400 Euro pro Kopf. Das ist das einzige Element - das haben wir in den Kompromissverhandlungen durchgesetzt -, das wirklich weitergeführt hat. 7,4 Millionen neue Minijobs sind entstanden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das ist das einzige Programm, das wirklich gelungen ist und das wir durchgesetzt haben. Ich will mich damit nicht brüsten; aber Sie sollten unsere Kritik ernst nehmen. Wir verstehen etwas vom Mittelstand. Wir wissen, was da fehlt. Wir sind da mehr zu Hause als Sie.

   Für den Mittelstand ist folgende momentane Entwicklung desaströs: Clement darf nicht mehr; Clement kann nicht mehr.

Der Bundeskanzler musste den Parteivorsitz abgeben.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Clement ist am Ende!)

Müntefering sollte den Parteivorsitz übernehmen, um Ruhe, sprich: keine weiteren Veränderungen, in den Reformprozess zu bringen. Das ist ein lebensgefährliches Signal; es gibt weder Hoffnung noch Perspektive für den Weg nach vorn.

   Wenn Sie diesen gefährlichen, vermutlich aber richtigen Eindruck nicht durch konkretes Handeln definitiv beseitigen, können Sie an den Einzelschräubchen drehen, so viel Sie wollen, dann können Sie auch die Kreditprogramme bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau so stark ausweiten, wie Sie wollen, Sie werden dennoch kein neues Vertrauen schaffen, sodass neue Arbeitsplätze in Deutschland entstehen können und nachhaltig gewirtschaftet werden kann.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Sie werden das Vertrauen nicht finden. Mittlerweile geht doch Angst im Volk um. Das Einzige, was an Ihrer so genannten nachhaltigen Entschuldungspolitik nachhaltig ist, ist die Tatsache, dass Sie die Maastricht-Kriterien nachhaltig verletzen. Wir müssen doch in den nächsten fünf bis sechs Jahren bei 40 Milliarden Euro Neuverschuldung mit weiteren massiven Verstößen rechnen. Wissen Sie, welche Ängste die Menschen haben? Wir reden diese Ängste nicht groß. Die Menschen befürchten, dass der Staatsbankrott droht, wenn wir so weitermachen.

(Widerspruch bei der SPD)

- Entschuldigen Sie, stellen Sie sich vor, die Zinsen in Deutschland steigen um 1 Prozent - das ist eine ganz niedrige Marge. Das ist auch höchstwahrscheinlich.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Ein Beitrag zur Konjunkturbelebung ist das, den Sie hier leisten! Unglaublich!)

- Sie werden steigen. Sie wissen doch, was auf dem internationalen Finanzmarkt los ist. Angesichts der Schulden, die uns jetzt belasten, müssen wir bei 1 Prozent Zinssteigerung in einem Jahr um die 10 bis 14 Milliarden Euro zusätzliche Staatsausgaben tätigen. An diesen zusätzlichen Staatsausgaben werden Sie nichts ändern können.

   Sie erlauben sich in dieser Situation den Stillstand und sagen: Wir brechen die Reformen ab. Die SPD-Wähler sind nicht mehr bereit, weitere Reformen zu akzeptieren. Die SPD-Mitglieder fürchten sie. Münteferings Aufgabe ist es, weitere Austritte zu verhindern und die SPD zu stabilisieren. Das heißt konsequent gedacht: Nichts, was schwierig ist oder wehtut, was aber vermutlich das einzig Hilfreiche ist, wird mehr umgesetzt. In diese negative Situation bringen Sie unser Land. Ich prophezeie Ihnen: Die Menschen werden Sie im Anschluss an Ihre Reden, auf welcher Veranstaltung auch immer - das ist jedenfalls bei mir so -, danach fragen, wie lange Herr Clement noch im Amt bleibt.

(Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf!)

Sie wissen, dass die Amtsdauer endlich ist.

(Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf!)

Es ist ja nicht so, dass er alles richtig gemacht hat. Wir wissen alle, dass er das in Nordrhein-Westfalen nicht gemacht hat und dass er es auch hier nicht macht. Wir hier haben ihn ja nie Superminister genannt. Er war aber der Einzige von Ihnen, der mit einer Reihe von Maßnahmen zumindest versucht hat zu reformieren. Sie haben ihn aber nicht gelassen und das ist das Problem. Wer soll denn kommen? Wen wollen Sie denn bringen? Herrn Brandner?

(Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf!)

Er ist doch Ihre wirtschaftspolitische Kompetenz in diesem Hause. Soll Herr Kollege Brandner den Kollegen Clement beerben? Ist das die Perspektive für den Mittelstand?

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Es lebe der DGB!)

Soll daraus neuer Mut für den Schritt nach vorn wachsen? Es ist eine ausgesprochen unerträgliche Situation.

   Über einen Punkt haben Sie hier mehrfach diskutiert, auch der Kollege Michelbach hat ihn aufgegriffen. Ich will daher auf § 8 a Körperschaftsteuergesetz eingehen. Wir haben ihn zwar mitbeschlossen - Sie wissen selbst, dass in den Nacht-und-Nebel-Aktionen im Vermittlungsausschuss sehr viel nebenher gelaufen ist -,

(Dr. Barbara Hendricks, Parl. Staatssekretärin: Das war gut vorbereitet! Mit allen Finanzministern!)

aber heute konstatieren wir, dass das ein Fehler war. Denn ein sehr großer Teil der mittelständischen Unternehmen zahlt heute Steuern auf seine Zinszahlungen und der Unternehmer, obwohl er den Kredit für sein Unternehmen aufgenommen hat, haftet dafür persönlich. So ist die heutige Lage und wir helfen doch niemandem, wenn wir uns darüber streiten, wer an dem Fehler mitgewirkt hat. Es ist doch einzig und allein vernünftig zu sagen: Wir haben einen Fehler gemacht und der wird so schnell wie möglich korrigiert, bevor er bilanzwirksam wird. In diesem Jahr muss der Fehler korrigiert werden, und zwar rückwirkend zum 1. Januar 2004. Das wäre eine konkrete Maßnahme. Sie können sich nicht mit dem Satz „Ihr habt mitgewirkt“ herausreden. Wir erkennen heute, dass das, was wir beschlossen haben, Gift ist; also: Weg mit dem Gift!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wenn das einträte, hätten wir endlich einen wirklichen mittelstandspolitischen Sprecher, Rezzo Schlauch. Jetzt wissen die meisten von ihm immer noch nichts.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Schauerte, gestatten Sie eine Zwischenfrage, die Ihre Redezeit verlängert? Die Kollegin Hendricks möchte Sie etwas fragen.

Hartmut Schauerte (CDU/CSU):

Gerne. Ich danke auch für den liebevollen Hinweis, Herr Präsident.

Dr. Barbara Hendricks (SPD):

Herr Kollege Schauerte, sind Sie bereit, mit dem Hause zur Kenntnis zu nehmen, dass es nicht nur um die Frage geht, ob wir das gemeinsam beschlossen haben? Das ist wirklich nicht der Punkt. Ich will aber den Vorwurf zurückweisen, dass es das Ergebnis einer Nacht-und-Nebel-Aktion gewesen sei. Es hat Arbeitsgruppen des Finanzausschusses gegeben, an denen auch die Finanzminister der B-Seite beteiligt waren. Ich selber habe diese Arbeitsgruppe für die Regierung betreut.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Die haben Sie mit falschen Zahlen bestückt!)

Es gab einen Regierungsentwurf. Er ist gründlich und sorgfältig und nicht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion beraten und im Verfahren auch geändert worden.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Mit falschen Zahlen aus dem BMF!)

So ist beispielsweise die Freigrenze gegenüber dem ursprünglichen Regierungsentwurf erhöht worden.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Wo ist die Frage?)

Er ist dann in der geänderten Fassung von allen bewusst angenommen worden. Das will ich der guten Ordnung halber noch einmal klarstellen und Sie bitten, das zur Kenntnis zu nehmen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Frage!)

   Des Weiteren möchte ich Sie bitten, zur Kenntnis zu nehmen, dass der Kritikpunkt, den Sie gerade angesprochen haben - § 8 a Körperschaftsteuergesetz -, nämlich der so genannte Rückgriff bei verbürgten Krediten, bereits im Entwurf eines Anwendungsschreibens, das von den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder, also einvernehmlich mit allen Ländern, erarbeitet worden ist

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Es gibt keine Rechtssicherheit!)

und zurzeit den Verbänden zur Stellungnahme vorliegt, schon geregelt ist. Dieser Entwurf liegt übrigens auch den Mitgliedern des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages vor. Er ist also auch der Unionsseite dieses Hauses bekannt oder könnte es zumindest sein. Wollen Sie sich mit mir einverstanden erklären, dass Sie vor diesem Parlament zukünftig keine Probleme mehr ansprechen, die schon längst gelöst sind?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Hartmut Schauerte (CDU/CSU):

Frau Staatssekretärin Hendricks, Sie haben zwei Fragen gestellt. Der Präsident hat sie zugelassen, also muss ich auch zwei beantworten.

(Dr. Rainer Wend (SPD): Sie können nicht einmal eine beantworten!)

   Ihre erste Frage lautete: Sind Sie nicht mit mir der Meinung, dass das seinerzeit im Vermittlungsausschussverfahren alles sehr sorgfältig beraten worden ist? Dass ausgerechnet Sie diese Frage stellen, wundert mich etwas, denn da Sie die Bundesregierung in dieser Angelegenheit betreut haben, dürften Sie sich an den peinlichen Vorfall erinnern, dass sich plötzlich herausstellte, dass um 1 Milliarde Euro falsch gerechnet worden ist.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Es wurden falsche Zahlen zugrunde gelegt! - Zuruf der Abg. Dr. Barbara Hendricks (SPD))

Es hat allergrößte Mühe gekostet, die entsprechenden Korrekturen vorzunehmen. Die Verantwortung dafür lag eindeutig bei Ihnen. Es war ein sehr hektisches Verfahren, in dem auch Fehler passieren konnten. Daher müssen Korrekturen ohne großes Lamento möglich sein.

   Die Antwort auf Ihre zweite Frage: Natürlich kenne ich den Brief. Er löst aber nur einen Teil des Problems, und zwar den, der ausschließlich Bürgschaften betrifft. Sie wissen, dass die weiter gehenden Forderungen vernünftig und richtig sind, nämlich den Faktor 1,5 bezogen auf das Eigenkapital deutlich zu erhöhen. Sonst ist es eine unzulässige Beschränkung.

   Dann greift ja diese Strafsteuer auf Zinsen; man zahlt also Gewinnsteuer auf Zinsen, die man zahlt; das muss man sich immer wieder klar machen. Es gibt auch noch weitere Punkte, die einfach nicht passen.

   Ich sage allerdings eindeutig: Ein Ziel haben wir genauso im Visier wie Sie, nämlich die eleganten Manipulationen der großen Konzerne zu unterbinden. Diese sind weltweit tätig und finanzieren Investitionen mit Krediten, die sie sich selber über irgendwelche Scheinfirmen gegeben haben, um damit in Deutschland Steuern zu sparen. Aber die mittelstandspolitischen Wirkungen Ihrer Maßnahmen sind absolut unerträglich. Korrigieren Sie den Fehler!

   Im Übrigen danke ich Ihnen für die Möglichkeit, das nachzutragen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Fritz Kuhn, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Brüderle, ich möchte Ihnen eine kurze Vorbemerkung widmen. In meiner Fraktion ist die Frage aufgekommen, was eigentlich mit Ihnen los ist. Sie haben eine sechsminütige Rede zum Mittelstand gehalten, aber nichts Konkretes zum Mittelstand gesagt, an das man sich erinnern könnte.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Ihre Rede gipfelte in einer unflätigen Beleidigung des Mittelstandsbeauftragten der Bundesregierung und dann haben Sie sich wieder gesetzt. Das war wirklich unter Ihrer Form. Das hat auch nichts mit dem Pfälzer Humor zu tun; denn in der Pfalz ist man nicht für Galligkeit, die Sie hier im Parlament verbreitet haben, sondern für etwas anderes bekannt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Da ist man lustig und freundlich!)

   Jetzt zur Sache. Frau Wöhrl, ich kann Ihnen nicht den Vorwurf ersparen, dass Sie die wirtschaftliche Lage aus parteipolitischem Kalkül schlechtreden. Wenn wir uns die Situation einmal nüchtern anschauen, stellen wir fest: Wir kommen langsam - ich betone: langsam - aus einer schwierigen Wirtschaftskrise heraus. Das Wachstum beträgt derzeit 1,4 Prozentpunkte und wir können mehr schaffen.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das ist doch alles nur Schall und Rauch!)

Sie wissen genau, dass es in Deutschland dann zu einem Abbau der Arbeitslosigkeit kommt, wenn das Wachstum die so genannte Beschäftigungsschwelle übersteigt, die derzeit bei etwa 1,8 Prozentpunkten liegt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wir müssen sie senken!)

   Die Beschäftigungsschwelle zu senken ist das zentrale Reformwerk, das wir durch die Hartz-Gesetze und die Agenda 2010 angepackt haben. Deswegen ist die Blockade, die Sie jetzt bei Hartz, bei der Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, betreiben, so entscheidend. Offensichtlich wollen Sie gar nicht, dass das, was auch Sie selbst seit Jahren verkündet haben - das Vorhaben, ein anderes soziales Transfersystem in Deutschland mit effektiv besseren Wirkungen auf den Arbeitsmarkt zu schaffen -, jetzt endlich umgesetzt wird.

(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

Wie können Sie uns denn sonst erklären, dass Herr Koch die Gemeinden zur Blockade dieses neuen Instrumentes aufruft? Ich meine: Er richtet damit großen Schaden an.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir sind also in einer Situation, in der wir - Herr Schauerte, mit dem, was Sie diesbezüglich gesagt haben, liegen Sie völlig falsch - weitere Reformen brauchen. Der Reformprozess muss weitergehen. Bisher gibt es das neue Arbeitslosengeld II und bessere Finanzierungsbedingungen für den Mittelstand noch nicht. Es ist noch sehr viel zu tun.

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Machen Sie doch mal einen Vorschlag!)

   Aber entscheidend ist Folgendes: Von Ihrer Seite dieses Hauses werden nur Elendsszenarien beschrieben.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Nein!)

Dies verschlechtert die Stimmung in der Bevölkerung,

(Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben keine Lösungen!)

bei den Investoren und auch bei den Konsumenten, die ihr Geld nicht ausgeben, weil sie von Ihnen ständig hören, wie elend und mies die Situation ist.

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Sie müssen auch mal die richtige Analyse machen!)

Deswegen sage ich Ihnen, Herr Schauerte - Sie haben ja versucht, konkreter zu werden und nicht nur die Standortarien zu singen,

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Die Zahlen sprechen doch für sich!)

wie es Frau Wöhrl getan hat -:

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Das war eine gute Rede von Frau Wöhrl!)

Wenn Ihnen daran liegt, dass es dem Mittelstand besser geht, dann verweigern Sie sich den Reformen nicht mehr, wie Sie es gerade tun, sondern gehen Sie mit in die Offensive, damit in Deutschland insgesamt mehr Reformen durchgeführt werden können.

   Frau Wöhrl, ich will zwei Punkte nennen, auf die es jetzt ankommt: Erstes Beispiel. Sie reden immer über das Thema Kohle. Das tun Sie eigentlich nur, damit Sie darüber schweigen können, dass Sie, wenn wir auch andere Subventionen abbauen wollen, auf der Bremse stehen. Das sind mittelstandsrelevante Fragen; denn für die Zukunft ist es entscheidend, welches Personal der Mittelstand bekommt. Ich habe von Ihnen noch keine konkrete Einlassung zu dem Vorschlag von Bundeskanzler Schröder gehört, die Eigenheimpauschale zu streichen und die dadurch frei werdenden Mittel bei Bund, Ländern und Gemeinden für Bildung, Forschung und Wissenschaft einzusetzen,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Ach! Um Haushaltslöcher zu stopfen, wollen Sie das Geld nehmen!)

um die strukturelle Schwäche, die hier besteht, zu überwinden.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Doch nur, um Haushaltslöcher zu stopfen!)

Dazu hört man von Ihnen nichts Konkretes. Sie reden nur über das Thema Kohle. Aber wenn es zum Schwur kommen soll, gehen Sie in die Büsche und schreien laut herum. Aber Sie nehmen die Verantwortung, die Sie aufgrund Ihrer Rolle in den Ländern haben, nicht wahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Zweites Beispiel. Weil wir Grüne sehen, dass es im Verkehrsbereich, bei der Schiene und der Straße, zu wenige Investitionen gibt, haben wir den Vorschlag gemacht, die Entfernungspauschale zu halbieren und die Mittel, die dadurch frei werden, für Verkehrsinvestitionen zu verwenden. In allen Ländern wird darüber geklagt - übrigens geht das auch zulasten des Handwerks -, dass zu wenig investiert wird, weil Koch und Steinbrück nicht nur Subventionen abgebaut, sondern auch bei den Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur gekürzt haben.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Die Maut! Was ist damit?)

Dazu habe ich von Ihnen noch nichts Konkretes gehört. Sie beklagen zwar, dass nicht investiert wird. Aber Sie machen die Wege, damit in Deutschland investiert werden kann, nicht frei, sondern betreiben Blockadepolitik.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Wer hat denn die Maut kaputtgemacht?)

Herr Schauerte, das müssen Sie sich hier anhören; denn es ist wichtig, dass wir an diesen beiden Stellen mehr tun. - Herr Kauder, was haben Sie für Sorgen? Warum machen Sie diese Bewegung?

(Volker Kauder (CDU/CSU): Redezeit!)

- Aha, die Redezeit; ich verstehe. Wenn es wehtut, führt Herr Kauder die Redezeit desjenigen, der gerade spricht, ins Feld. So ist es.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD - Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Das tut ihm weh, was Sie sagen!)

   Damit komme ich zum Schluss meiner Rede.

(Beifall des Abg. Volker Kauder (CDU/CSU))

Sie haben nichts getan, um die Blockaden, die ich angesprochen habe, zu überwinden.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Sie sind am Ende!)

Wenn Sie ehrliche Mittelstandspolitik machen würden, Herr Kauder, dann müssten Sie Ihre Bremsblockade aufgeben und zusammen mit der Regierung die notwendigen Reformen anpacken. Die Chance dazu haben Sie.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile der Kollegin Birgit Homburger, FDP-Fraktion, das Wort.

Birgit Homburger (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Herr Kollege Kuhn, ich will mit Ihnen anfangen. Nachdem Sie hier Konkretes eingefordert haben, haben Sie selber nicht viel Konkretes gesagt. Wenn Sie nur halb so gut handeln würden, wie der Kollege Brüderle heute hier geredet hat, dann ginge es diesem Land entschieden besser.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Alles Luftblasen und Beleidigungen!)

   Ein ganz wichtiger Aspekt beim Thema Mittelstand ist das Thema Bürokratie. Das wird immer wichtiger, immer deutlicher zeigt sich das. Es gibt eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung. Wir wissen, dass die bürokratischen Belastungen für die Wirtschaft in diesem Lande pro Jahr 46 Milliarden Euro betragen. Diese Belastungen sind insbesondere in den letzten fünf Jahren erheblich gestiegen, Herr Schlauch, und Sie wissen das. Sie haben vorher in der Antwort auf den Kollegen Michelbach gesagt: Wir haben uns bemüht und wir bemühen uns. Herr Kollege Schlauch, Sie wissen, was das heißt, wenn es in einem Zeugnis steht: Es heißt, Sie haben sich bemüht, es aber nicht erreicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Dieses Zeugnis, dass Sie sich selber ausstellen, ist für eine Regierung zu wenig und für unser Land katastrophal. Deshalb müssen wir uns einmal anschauen, was 46 Milliarden Euro bedeuten. Sie bedeuten, dass ein Arbeitsplatz in einem Großbetrieb mit über 500 Mitarbeitern jährlich mit circa 350 Euro Kosten belastet ist, ein Arbeitsplatz bei einem kleinen Unternehmen mit unter 10 Mitarbeitern allerdings jährlich sogar mit circa 4 300 Euro - nur aufgrund des Aufwands für Bürokratie!

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Aufwand für Bürokratie ist unnötig und dreht den Mittelständlern in diesem Land die Luft ab.

(Beifall bei der FDP - Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD): Das glauben Sie doch wohl selber nicht! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Was sind denn das für abstruse Zahlen? Das sind doch keine seriösen Zahlen!)

- Das ist seriös, vom Institut für Mittelstandsforschung.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ja, eben! Genau! Das ist auch nicht seriös!)

Das steht in einer Studie, die der Wirtschaftsminister in Auftrag gegeben hat; vielleicht unterhalten Sie sich einmal mit Herrn Clement.

   Es sind im Zusammenhang mit Bürokratie fünf zentrale Bereiche zu nennen: Steuern und Abgaben, Sozialversicherungsrecht, Arbeitsrecht, Statistiken und Umweltschutz. Herr Schlauch, Sie haben hier alle möglichen Vorschläge vorgetragen. Aber es bleibt wieder einmal dabei, dass es nur Vorschläge waren. Wir als FDP-Bundestagsfraktion haben für jeden einzelnen Fall, den Sie angesprochen haben, einen Antrag vorgelegt. Jeden einzelnen Antrag, jeden Gesetzentwurf haben Sie abgelehnt.

(Beifall bei der FDP)

Deswegen ist das, was Sie machen, Bürokratieabbau-Rhetorik, Herr Schlauch, und nicht Bürokratieabbau.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Kommen wir zum Thema Modellregionen. Herr Clement hat direkt nach dem Regierungsantritt - Oktober 2002 - angekündigt: zunächst Bürokratieabbau. Dann hat er gemerkt, dass er bei Ihnen damit nicht durchkommt, und gesagt: Richten wir Modellregionen ein. - Innerhalb kürzester Zeit haben sich 38 Regionen gefunden, die Initiativen ausgearbeitet und sich als Modellregionen beworben haben. Was haben Sie daraus gemacht? - Drei Testregionen eingesetzt! Die haben zwischenzeitlich tausend Vorschläge geliefert. Aus diesen tausend Vorschlägen haben Sie 29 ausgewählt und eine neue Initiative der Bundesregierung angekündigt. Meine sehr verehrten Damen und Herren von Rot-Grün, wenn Sie in diesem Tempo mit dem Thema Bürokratieabbau weitermachen

(Ludwig Stiegler (SPD): Von Redundanz haben Sie noch nichts gehört!)

und in diesem Tempo damit weitermachen, Vorschläge aus der Wirtschaft aufzugreifen, dann haben Sie am Ende dieser Legislaturperiode mit dem Bürokratieabbau noch nicht einmal angefangen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir haben auch zum Thema Statistik einen Antrag vorgelegt. 350 Bundesstatistiken werden jährlich erstellt; dafür werden 500 Millionen Euro aufgewendet. Der Bundesrechnungshof hat das Statistische Bundesamt mehrfach wegen Verschwendung gerügt. Dabei sind die Kosten, die sich dadurch ergeben, dass die Unternehmen die Daten zuliefern müssen, noch nicht aufgeführt. Das muss abgestellt werden. Dafür haben wir einen Antrag vorgelegt und dem können Sie heute zustimmen.

(Beifall bei der FDP - Jörg Tauss (SPD): Nein! Auf keinen Fall! Um Gottes willen! Bloß nicht!)

   Deswegen kann ich nur sagen: Lassen Sie den vollmundigen Ankündigungen zum Bürokratieabbau endlich Taten folgen. Wenn Sie selbst nichts zuwege bringen, stimmen Sie den Anträgen der FDP-Fraktion zu! Heute haben Sie die Chance dazu.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Ludwig Stiegler (SPD): Um Himmels willen!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Christian Lange, SPD-Fraktion.

Christian Lange (Backnang) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in der Bundesrepublik Deutschland gegenwärtig in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage. Das ist ohne Zweifel wahr. Fest steht aber auch: Die Beiträge, die wir heute vonseiten der Opposition gehört haben, werden nicht dazu beigetragen, diese schwierige wirtschaftliche Lage zu verbessern. Das muss hier einmal deutlich gesagt werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich muss mich schon sehr wundern, dass Sie offenbar noch nicht einmal das Frühjahrsgutachten zur Kenntnis genommen haben: Das Wachstum in Deutschland belief sich im ersten Quartal 2004 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum auf 1,5 Prozent und lag damit glatt höher als das der Eurozone, das nur 1,3 Prozent betrug. Ich erinnere mich noch, wie Sie in Ihren Beiträgen den Vorwurf inszeniert haben, wir seien Letzter in Europa. Diese Zeiten sind vorbei. Das Wachstum reicht zwar noch nicht aus - das stimmt -, aber es geht aufwärts. Ich bitte Sie, zumindest diese Tatsachen zur Kenntnis zu nehmen, wenn Sie schon nicht an die Prognosen glauben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Auch Bundesbankpräsident Axel Weber sieht die deutsche Wirtschaft auf dem Weg der Erholung. Er schätzt das Wachstum mit 1,7 Prozent ein und ist damit sogar noch optimistischer als die Bundesregierung und als wir. Das freut uns natürlich. Seine Einschätzung verdient hier zumindest Erwähnung.

   Es gibt weitere gute Konjunkturnachrichten. Die Befragung von Creditreform zur Mittelstandskonjunktur hat ganz deutlich gezeigt, dass der Anteil der mittelständischen Unternehmen mit sehr guter bzw. guter Auftrags- und Geschäftslage im Vergleich zum Vorjahr um 11,4 Prozentpunkte auf 29,4 Prozent angewachsen ist. Ein solches Ergebnis bedeutet nicht, dass es keine Schwierigkeiten gibt, aber es zeigt, dass es einen Aufwärtstrend gibt. Es gebietet die Seriosität, dies hier zu erwähnen.

(Vorsitz: Vizepräsident Dr. Norbert Lammert)

   Ähnliche Entwicklungen sieht auch das Statistische Bundesamt bei der Binnenkonjunktur, Herr Kollege Schauerte. Das Statistische Bundesamt meldet für das erste Quartal 2004 eine Erhöhung der Zahl der Erwerbstätigen im Dienstleistungsbereich, insbesondere in den Bereichen Handel, Gastgewerbe und Verkehr. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der hier Beschäftigten um 134 000 Personen gestiegen. Auch hier können Sie einen entsprechenden Aufwärtstrend feststellen.

   Mir stellt sich an dieser Stelle nun die Frage, welche Alternative Sie uns eigentlich anbieten. Wo in Ihren Anträgen, die wir heute beraten, spiegeln sich Ihre Sprüche zu mehr Wettbewerb und mehr Freiheit, Frau Wöhrl, eigentlich wider?

(Veronika Bellmann (CDU/CSU): 25 Vorschläge!)

Ein gutes Beispiel hierzu haben Sie selbst genannt. Bei der Überarbeitung der Handwerksordnung haben Sie versucht, sich aus der Verantwortung zu stehlen. Wir hätten uns hier noch mehr Freiheiten gewünscht - das gestehe ich zu -, haben aber einen Kompromiss gefunden, der, wie ich finde, sehr gut ist. Wir können in diesem Bereich einen Gründungsboom feststellen. Wir unterstützen so das unternehmerische Denken. Das ist alles positiv. Deswegen können Sie hier doch sagen, dass es richtig war, dass wir das gemeinsam gemacht haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Die Bürgerinnen und Bürger draußen im Lande erwarten, dass wir etwas gemeinsam auf den Weg bekommen. Seien wir stolz darauf, dass uns das gemeinsam gelungen ist!

   Ein weiteres Beispiel, das einen kleineren Bereich betrifft. Wir haben erreicht, dass Existenzgründer von Beitragszahlungen an die Industrie- und Handelskammern bzw. an die Handwerkskammern befreit sind, wenn ihr Gewerbeertrag nicht höher ist als 25 000 Euro im Jahr. Das ist ein kleiner, aber wichtiger Beitrag für die Menschen, die versuchen, unternehmerisches Denken in die Praxis umzusetzen.

   Ein weiteres solches Beispiel. Die Eintragung in das Handelsregister muss beschleunigt werden. Fast 70 Prozent aller Handelsregistereintragungen in Deutschland dauern länger als zwei Monate. Damit liegen wir deutlich über dem europäischen Benchmark von einem Monat. Den Gerichten soll deshalb gesetzlich vorgeschrieben werden, den Antragsteller innerhalb eines Monats in einer das Verfahren fördernden Weise zu bescheiden. Damit wollen wir klar machen, dass wir dafür sorgen wollen, dass die Menschen schneller an den Markt gehen können. Dieser Weg ist doch richtig. Sagen Sie deshalb, dass auch Sie das wollen und dass Sie mit uns diesen Weg gehen wollen.

   Schauen Sie sich heute im „Handelsblatt“ den Monitor zum Thema Ausbildung an. Dort steht die klare Aussage, dass wir auch denjenigen einen Weg ebnen müssen, die nicht so gut qualifiziert sind. Was haben wir gemacht? Schauen Sie sich das einmal an: Bereits seit dem 24. September 2003 gibt es eine Modernisierung hin zu Berufen mit zweijähriger Ausbildungsdauer, wie beim Verkäufer, Handelsfachpacker, Maschinenführer oder Fahrradmonteur. Wir müssen mehr machen - darin stimme ich Ihnen zu -, aber dass wir diesen Weg gegangen sind und dass es bereits Gesetz geworden ist, müssen Sie doch anerkennen. Sprechen Sie das doch einmal aus und erkennen Sie an, dass nicht alles schwarz in schwarz erscheint, sondern dass es in Deutschland voran geht. Das ist Teil der Wahrheit.

(Beifall bei der SPD)

   Nun zu Ihnen, Herr Brüderle, und Ihren steuerpolitischen Äußerungen. Das, was Sie vorgetragen haben - das steht auch in Ihren Anträgen -, dass die Personengesellschaften gegenüber den Kapitalgesellschaften benachteiligt wären, ist ein alter Hut. Ich will es noch einmal sagen, auch wenn es mich die letzten Minuten meiner Redezeit kostet: Man darf nicht auf den immer wieder bemühten Vergleich hereinfallen, Kapitalgesellschaften zahlen nur 25 Prozent Körperschaftsteuer, Personengesellschaften dagegen 45 Prozent Einkommensteuer. Dieser Vergleich stimmt nicht.

   Warum stimmt er nicht? Erstens. Kapitalgesellschaften müssen zusätzlich Gewerbesteuer bezahlen, was im Durchschnitt mit knapp 14 Prozent zu Buche schlägt. Also liegt die steuerliche Gesamtbelastung bei rund 39 Prozent, etwa beim Handwerksmeister. Die können die Gewerbesteuer bei der Einkommensteuerschuld pauschal verrechnen.

Zweitens. Die Körperschaftsteuer von 25 Prozent wird vom ersten bis zum letzten Euro des Gewinns erhoben, während die Einkommensteuer progressiv ausgestaltet ist. Bei der Personengesellschaft sind nur die Gesellschafter steuerpflichtig, aber nicht die Gesellschaft selbst. Das bedeutet, dass den Personenunternehmern wie jedem anderen Privaten auch der Grundfreibetrag und andere Freibeträge, etwa wenn er Kinder hat, zustehen.

   Drittens. Was ist schließlich das Ergebnis dessen? Um im Jahr 2005 eine den Körperschaften, also den Aktiengesellschaften, entsprechende durchschnittliche Gesamtbelastung von rund 39 Prozent zu erreichen, muss ein lediger Handwerksmeister rund 130 000 Euro versteuern. Bei einem verheirateten Handwerksmeister sind es rund 245 000 Euro. Dass dies nur 5 Prozent der Personengesellschaften in Deutschland sind, haben wir zu beklagen. Dass das Steuerrecht diese benachteiligt, stimmt aber einfach nicht. Behaupten Sie es hier also nicht. Finden Sie den Weg zurück zur Wahrheit und damit zur Klarheit und damit zum Wirtschaftswachstum in Deutschland! Dazu fordere ich Sie auf.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort der Kollegin Veronika Bellmann, CDU/CSU-Fraktion.

Veronika Bellmann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Staatssekretär, ich weiß nicht, auf welcher Rhetorikschule Sie reden gelernt haben. Meine Großmutter hätte bei dem lauten Redeschwall, den Sie von sich gegeben haben, gesagt: Wer schreit, hat Unrecht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Lange, ich will Ihnen gerne sagen, wo unsere Vorschläge für die Mittelstandspolitik stehen. Sie stehen in unserem vorliegenden Antrag. Es sind genau 25 an der Zahl. Uns vorzuwerfen, dass wir Ihnen hier nichts Konstruktives vorschlagen, ist wohl gründlich danebengegriffen.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Das glauben nicht einmal Ihre eigenen Leute!)

   Der KfW-Mittelstandsmonitor 2004 sagt aus: Die Schwäche des Mittelstandes hält das vierte Jahr in Folge an. Lediglich 12 Prozent der Mittelständler sind in der Lage, zusätzliches Personal einzustellen. Damit befindet sich die Mittelstandskonjunktur im Schlepptau der Gesamtwirtschaft mit entsprechender Wirkung auf Beschäftigungsimpulse und Investitionen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Hört! Hört!)

Es stellen sich die Fragen: Ist der Mittelstand in der Krise? Ist die Gesamtwirtschaft in der Krise? Ist die Weltwirtschaft in der Krise? - Nein, die Politik dieser Bundesregierung und die Staatsfinanzen sind in der Krise.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Ihre Laborversuche sind kläglich gescheitert und die politischen Rahmenbedingungen für den Mittelstand sind katastrophal.

   Ich will die Steuer- und Abgabenpolitik näher beleuchten und dabei insbesondere die Ausbildungsplatzabgabe hervorheben. Statt die Berufsbildung durch eine Verkürzung der Ausbildungsdauer, durch eine modulare Ausbildung, die an den Bedürfnissen der Wirtschaft orientiert ist, und durch die Schaffung neuer Ausbildungsberufe zu modernisieren, schaffen Sie ein Bürokratiemonster sondergleichen: 1 000 Arbeitsplätze ohne Wertschöpfung, die die Steuerzahler und damit die Staatsquote noch mehr belasten, als das ohnehin schon der Fall ist.

   Das Gleiche gilt bei Hartz IV. Ja, wir sind dafür, die Arbeitslosen- und Sozialhilfe zusammenzuführen.

(Jörg Tauss (SPD): Ah, ja!)

Wichtig ist aber die Umsetzung. Sie ist wie bei allen anderen Ihrer Gesetze schlampig. Die Bundesagentur für Arbeit verdient ihren Namen fast nicht mehr. Auch dort sind 40 000 neue Arbeitsplätze nötig, aber auch dort entsteht keine Wertschöpfung.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Über allem schwebt das Haushaltsdebakel ohnegleichen, zu dem das Maut-Desaster mit Milliardenlöchern noch hinzukommt, was nicht ohne Wirkung auf die Mittelstandspolitik bleibt.

(Jörg Tauss (SPD): Werden Sie mal konkret, Frau Bellmann!)

- Herr Tauss, es ist schön, dass Sie meinen Namen mittlerweile kennen, aber Sie können mit Ihren unqualifizierten Zwischenrufen ruhig einmal aufhören.

(Beifall bei der CDU/CSU - Jörg Tauss (SPD): Werden Sie mal konkret!)

Maut-Desaster, Haushaltslöcher, Haushaltsdebakel - von all dem ist bei der Gemeinschaftsaufgabe der Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur nicht die Rede.

   Ich will nun einmal näher auf die Gemeinschaftsaufgabe eingehen. Die Gemeinschaftsaufgabe ist das erfolgreichste Instrument der Wirtschaftsförderung, mit relativ geringen Mitnahmeeffekten und hohen Arbeitsmarkteffekten. 60 Prozent der GA-Summe werden an kleine und mittelständische Unternehmen mit 250 und weniger Arbeitnehmern ausgezahlt. Eine Kürzung dort wäre deshalb auch eine Beschneidung der Handlungsmöglichkeiten der Mittelständler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Kürzung der GA-Mittel ist ein gesamtdeutsches Spiel mit dem Feuer, da die GA kein rein ostdeutsches Förderinstrument ist, sondern ein Bundesprogramm, das jeder bedürftigen Region zugute kommen soll.

Mit den Kürzungen der GA-Mittel schädigen Sie allerdings besonders den Aufbau Ost. Er wird an der wirksamsten Stelle ausgebremst. Dazu gibt es parteiübergreifend Kritik. Ministerpräsident Platzeck, SPD, erklärt: Eine tragende Säule des Aufbau Ost ist gefährdet. - Bundesminister Stolpe sagt: Kürzen ist Unsinn. - MdB Schneider, SPD, warnt: Aufbau Ost wird sturmreif geschossen. - MdB Hettlich, Grüne, sagt: Das ist Zündeln am Solidarpakt, eine Taktik der Nadelstiche gegen die Ostförderung. Er ruft Herrn Clement dazu auf, als Bundesminister für das ganze Land verantwortlich zu sein und nicht nur für sein Heimatland Nordrhein-Westfalen.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Da hat er genug Schaden angerichtet!)

   Der Verdacht, dass ein Vermeiden der Subventionskürzungen bei der Steinkohle zulasten des Ostens geht, ist nicht von der Hand zu weisen. Die Steinkohleförderung wird bis 2012 verlängert. Die Steinkohleförderung wird von Kürzungen nach dem Koch/Steinbrück-Konzept, die auf 708 Millionen Euro festgelegt waren, ausgenommen. Die Steinkohleförderung sinkt langsamer als ursprünglich geplant, auch wenn sie verzögert ausgezahlt wird. Das bedeutet für die Kohle ein Plus von 630 Millionen Euro und entspricht genau der Summe, die bei den Verpflichtungsermächtigungen für die GA eingespart werden soll. CDU-Haushälter Dietrich Austermann kritisiert deshalb zu Recht, dass der größte Fehler der Regierung darin besteht, die Vergangenheit zulasten zukunftsgewandter Wirtschaftsförderung zu fördern.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   In der Öffentlichkeit aber werden diese Kürzungen nicht mit dem Haushaltsdebakel, mit den Milliardenverlusten aus dem Mautdesaster oder mit Wahlgeschenken begründet, sondern mit dem Koch/Steinbrück-Konzept. Meine sehr verehren Damen und Herren, eine Lüge wird nicht wahrer, wenn man sie ständig wiederholt.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU - Beifall bei der SPD - Jörg Tauss (SPD): Das ist wahr! Da haben Sie Recht! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Ihre Selbsterkenntnis ist schon bemerkenswert!)

Das Koch/Steinbrück-Konzept muss jetzt von Kürzungen im Verkehrsetat bis hin zu den Kürzungen der Verpflichtungsermächtigung bei der GA für alles herhalten. Verstecken Sie sich mit Ihren schönen Reden nicht hinter den Wachstumsprognosen und Ihrer chaotischen Haushaltspolitik, verstecken Sie sich nicht hinter einer moderaten Subventionskürzung, die moderate Konsolidierungsbemühungen nachweist! Die Länder tragen diese Subventionskürzungen aus dem Koch/Steinbrück-Papier nicht umsonst mit; sie stellen vielmehr auch in der Phase eines Abbaus Planungssicherheit und Verlässlichkeit dar.

   Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Die Kürzungen nach Koch/Steinbrück reichen von 4 bis 12 Prozent; im Unterschied dazu hat das BMWA vorgeschlagen, zwischen 35 und 65 Prozent zu kürzen. In 2005 kommen nach Koch/Steinbrück 96 Prozent oder 201,06 Millionen Euro zur Auszahlung, nach BMWA 35 Prozent oder 73,5 Millionen Euro. Die Differenz beträgt somit 128,1 Millionen Euro; das ist mehr, als die GA West ausmacht.

(Jörg Tauss (SPD): Muss man mal nachrechnen!)

   Ich bin gespannt, wie die Anfragen, die diesbezüglich im Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit gestellt werden, beantwortet werden. Ich hoffe, dass bis zur Kabinettsentscheidung am 23. Juni die verworrenen Kürzungsvorschläge des BMWA noch einmal geradegerückt werden. Es ist schon schlimm genug, dass die Verlässlichkeit der Politik weiter Schaden genommen hat. Ich hoffe auch, dass Sie nach dem Grundsatz handeln: An der Investitionsförderung zu sparen ist wirtschaftlich unsinnig, da dadurch die Sozialabgaben langfristig steigen.

   Wenn wir wissen, dass die Großindustrie durchaus mobil, der Mittelstand aber im wahrsten Sinne des Wortes bodenständig ist, dann müssen wir Investitionen auch beim Mittelstand entsprechend honorieren:

(Beifall bei der CDU/CSU)

durch eine Flexibilisierung von Arbeitsmarkt und Sozialpolitik, durch einen erleichterten Zutritt von Geringqualifizierten zum Arbeitsmarkt und durch weitere Steuerreformen.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, bitte denken Sie an Ihre Redezeit!

Veronika Bellmann (CDU/CSU):

Ich komme zum Schluss. - Notwendig ist eine klare Situationsanalyse, und zwar offen und ehrlich, nicht blauäugig und bewusst geschönt, wie es die Bundesregierung oder Herr Brandner vorhin vorgetragen haben. Sie handeln nach dem Motto: Wenn ich die Augen nur lange genug geschlossen halte, dann wird mein Traum schon irgendwann Wirklichkeit werden. - Das kann nicht zutreffen. Wir brauchen eine Situationsanalyse, eine Zielbestimmung und eine Wegbeschreibung. Wir brauchen wie im Auto ein Navigationssystem.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wir sind auch ohne Navigationssystem zurechtgekommen!)

Wenn Analyse, Zielbestimmung und Wegbeschreibung vorliegen, dann heißt es auch hier: Die Route wird berechnet. In diesem Sinne bitte ich Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun die Kollegin Gesine Lötzsch.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Der Liebling des Mittelstands!)

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Die aktuelle Steuerschätzung ist ein Offenbarungseid für Herrn Eichel und seine völlig verfehlte Finanzpolitik. Doch es ist keine Kehrtwende der Bundesregierung zu einer vernünftigen, die Konjunktur belebenden Finanzpolitik zu erkennen. Die Versuche des Kanzlers und seines Außenministers, die Finanzpolitik zu ändern und die Konjunktur anzukurbeln, sind offenbar gescheitert. Die Leidtragenden der bedingungslosen Fortsetzung dieser konjunkturfeindlichen Politik sind unter anderem die kleinen und mittelständischen Unternehmen in unserem Land.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Herr Clement folgt willig dem Sparkurs des Finanzministers und hat als Wirtschaftsminister mit seinem Vorschlag, die öffentlichen Investitionen für den Osten zu kürzen, mindestens - ganz freundlich ausgedrückt - ein Selbsttor geschossen. Gerade die kleinen und mittelständischen Unternehmen sind auf öffentliche Fördermittel dringend angewiesen.

   Sie wissen - viele wissen es augenscheinlich auch nicht -, gerade im Osten sind in Anbetracht der geringen Liquidität die Unternehmen ohne Fördermittel häufig vom Aus bedroht. Wer die GA-Mittel für den Osten so dramatisch kürzen will, wie Herr Clement das in die öffentliche Diskussion gebracht hat, der legt die Axt an die Wurzel des Aufbaus Ost. Herr Clement ist zwar nicht hier, aber trotzdem sollte man ihm ins Stammbuch schreiben, dass er nicht mehr Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und auch nicht der Kohlebeauftragte der Bundesregierung ist, sondern Verantwortung für ganz Deutschland trägt - und dazu gehört immer noch der Osten.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Der so genannte Aufholprozess Ost ist seit Mitte der 90er-Jahre ins Stocken geraten. Der Abstand zwischen Ost und West ist wieder größer geworden. 1997 betrug zum Beispiel die durchschnittliche Kreditquote, bezogen auf die Bilanzsumme, 66 Prozent; sie lag damit fast doppelt so hoch wie bei westdeutschen Unternehmen. Wer in Anbetracht solcher Zahlen Vorschläge wie Herr Clement macht, der hat die ostdeutschen Länder augenscheinlich abgeschrieben. Das gehört angeprangert und darf nicht hingenommen werden.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Er ist gerade in Ostdeutschland unterwegs - nur damit Sie es wissen!)

- Unterwegs sein alleine reicht nicht. Wer solche Vorschläge macht, Herr Kollege Schmidt, reist nur, um Trostpflaster aufzukleben. Herr Clement hat mit diesem Vorschlag einen Schaden angerichtet, der kaum wieder gutzumachen und auch mit einem Trostpflasterbesuch nicht zu korrigieren ist.

   Wir, die PDS, schlagen zur Stärkung des Mittelstandes unter anderem vor: erstens ein Infrastrukturprogramm der Bundesregierung, das vor allem die Infrastruktur von Städten und Gemeinden stärkt und kleinen und mittelständischen Unternehmen Aufträge gibt, zweitens einen neuen Finanzierungsschlüssel für die Gemeinschaftsaufgabe regionale Wirtschaftsstruktur, der den Länderanteil von 50 Prozent auf 25 Prozent senkt. In meiner Heimatstadt Berlin ist es zum Beispiel schon gar nicht mehr möglich, alle vom Bund zugestandenen Mittel der Gemeinschaftsaufgabe abzurufen, da das Land aufgrund seiner Haushaltsnotlage die Kofinanzierung nicht mehr bereitstellen kann.

   Ich darf aber auch auf positive Erfahrungen zum Beispiel der rot-roten Landesregierung in Schwerin mit einem Arbeitsmarkt- und Strukturentwicklungsprogramm verweisen. Dieses Programm ist nämlich so angelegt, dass die Regionen selbst über die Fördermittelzuweisung entscheiden und dass sie dafür eigene Budgets haben. Ich glaube, das ist der richtige Weg. Ein anderes gutes rot-rotes Instrument sind Initiativfonds für finanzschwache Kommunen, die mit den Mitteln aus diesen Fonds Voraussetzungen für die Ansiedlung von Unternehmen schaffen können. Ich bin mir sicher, dass es noch weitere gute Ideen gibt, die von der Bundesregierung einfach nur aufgegriffen, analysiert und umgesetzt werden müssen.

   Ich möchte noch auf einige Punkte der heutigen Debatte eingehen. Frau Kollegin Wöhrl hat zu Beginn der Debatte völlig richtig gesagt

(Dagmar Wöhrl (CDU/CSU): Was?)

- bekommen Sie keinen Schreck, ich zitiere Sie nur -, man solle den Faktor Arbeit von den Sozialabgaben abkoppeln. Sie wissen, dass wir von der PDS schon seit langem den Vorschlag unterbreitet haben, eine Wertschöpfungsabgabe einzuführen. Wenn wir Frau Kollegin Wöhrl an unserer Seite wissen, dann sind wir darüber nicht enttäuscht, sondern freuen uns darüber.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Da haben Sie etwas falsch verstanden!)

Der Kollege Rezzo Schlauch hat die falsche Behauptung aufgestellt, dass alle in diesem Haus für die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe sind. Ich darf für uns klarstellen, dass die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe ab dem 1. Januar 2005 bedeuten wird, dass die Menschen im Osten von nur noch 331 Euro leben müssen und die Menschen im Westen, die davon betroffen sind, von 345 Euro. Ich darf klarstellen, dass ein derartiges Verfahren niemals die Zustimmung der PDS finden wird. Wir als PDS-Abgeordnete gehören diesem Hause bekanntlich an.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Abschließend möchte ich darauf hinweisen, dass die besten Ideen nichts bringen, wenn die Bundesregierung nicht bereit ist, ihre Finanzpolitik zu ändern. Herr Eichel drosselt mit seiner Finanzpolitik die Konjunktur und Herr Clement zwingt mit seinen Investitionskürzungsvorschlägen den Mittelstand weiter in die Knie. Insofern kann man nicht von einer „Offensive für den Mittelstand“ sprechen; der Antrag von SPD und Grünen gaukelt dies leider nur vor.

   Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile dem Kollegen Walter Hoffmann, SPD-Fraktion, das Wort.

Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Es gibt, glaube ich, in diesem Hause einen breiten Konsens in der Einschätzung der Situation des Mittelstands bzw. der kleinen und mittleren Betriebe in unserem Lande. Alle haben betont, wie wichtig der Mittelstand ist, und die Standorttreue besonders hervorgehoben. Ein Teil der Redner hat auch die beschäftigungspolitische Bedeutung des Mittelstands angesprochen. Es sind beeindruckende Fakten, dass der Mittelstand 70 Prozent der Arbeitnehmer und 83 Prozent der Auszubildenden beschäftigt. Er ist, wie es so schön heißt, das zentrale Standbein für die Zukunft im erweiterten Europa und in einer globalisierten Welt.

   Da das so ist, tun wir gut daran, alles daranzusetzen, die Situation der kleinen und mittleren Betriebe zu verbessern. Darum streiten wir heute. Wir wollen, dass Menschen gerade in den kleinen und mittleren Betrieben Beschäftigung und Ausbildung finden, dass sich die finanzielle Lage dieser Betriebe verbessert und wieder Erträge eingefahren werden.

   Herr Schauerte, man kann darüber streiten, ob die bisher erzielten Ergebnisse ausreichend sind.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Ich meine, nicht!)

- Sie meinen, dass dies nicht der Fall ist. Wir haben dazu naturgemäß eine etwas differenziertere und positivere Einstellung. Aber ich denke, es ist unstrittig, dass wir in den vergangenen Monaten und Jahren eine Fülle von Maßnahmen ergriffen haben, um die Lage der mittleren und kleinen Betriebe zu verbessern.

   Zu den bürokratischen Belastungen und Regulierungen ist schon vieles gesagt worden. Ich möchte dazu noch einige Anmerkungen machen. Wie wir alle wissen, bestehen die Belastungen für die KMUs nicht nur im Steuer- und Abgabenbereich, sondern auch in der Bürokratie. Das hat die Kollegin Homburger von der FDP in den Mittelpunkt ihrer Ausführungen gestellt.

   Wenn wir die Lage der kleinen und mittleren Betriebe verbessern wollen, dann müssen wir zunächst einmal feststellen, wodurch diese Lage gekennzeichnet ist. Zum Mittelstand gehören der Friseur, der Dachdecker, der Existenzgründer im IT-Bereich, der Autozulieferer mit fast 500 Beschäftigten - auch er wird statistisch noch dem Mittelstand zugerechnet -, der Metzger, der Maschinenbauer, der Partyservicebetrieb und viele andere. In den jeweiligen Branchen und Sektoren gibt es unterschiedliche Regelungen und Belastungen. Insofern ist es schwierig, zu verallgemeinern.

   Ich denke, es hilft uns auch nicht weiter - das ist schon mehrfach festgestellt worden -, den Sachverhalt immer wieder polemisch und schwarzmalerisch darzustellen. Mir ist zum Beispiel völlig schleierhaft, warum die Kollegen von der FDP in ihrem Antrag eine großflächige Abschaffung statistischer Erhebungen fordern, obwohl wir wissen, dass wir zumindest auf einen Teil der Erhebungen dringend angewiesen sind und wir mit dem Versuch, sie abzuschaffen, auf den härtesten Widerstand stoßen würden, und zwar auch seitens der Politik. Denn wir brauchen eine vernünftige Datenerfassung, um die entsprechende Gesetzgebung auf den Weg zu bringen. Ich will damit sagen, dass der Teufel im wahrsten Sinne des Wortes im Detail steckt.

   Wir haben gehandelt - das ist nach unserer Auffassung auch unstrittig -; wir haben Maßnahmen entwickelt und sind jetzt dabei, diese konkret umzusetzen. Wir haben schnell und unbürokratisch das Projekt „Innovationsregionen“ geplant und umgesetzt - und zwar innerhalb eines Jahres, Frau Homburger!

   Wir haben mithilfe der Innovationsregionen eine Fülle von Vorschlägen erarbeitet und diese vor wenigen Tagen noch einmal in einem Kabinettsbeschluss zusammengefasst, der jetzt zur Umsetzung kommt. Er enthält 29 Vorschläge unter aktiver Beteiligung der Betroffenen. Das ist ein Prozess, der nicht von oben nach unten durchgesetzt, sondern mit den beteiligten Organisationen und den betroffenen Bürgerinnen und Bürgern erarbeitet wird. Zu den Vorschlägen gehören unter anderem die Verschlankung des Vergaberechts, die Modernisierung der Arbeitsstättenverordnung, die Reduzierung des Verwaltungsaufwands im Arbeitsschutzbereich, elektronische Verfahren bei Steuererklärungen und einfache Meldeverfahren in der Sozialversicherung.

   In extrem kurzer Zeit haben wir eine Fülle von Vorschlägen mit den Beteiligten entwickelt und auf den gesetzgeberischen Weg gebracht. Jetzt befinden wir uns in der Umsetzungsphase. Herr Schauerte, Sie brauchen keine Angst vor Ruhe und Stillstand in diesem Land zu haben. Wir werden den bisherigen Prozess fortsetzen. Ich denke, der Problemdruck ist in der Tat so hoch, dass wir uns Stillstand und Ruhe im wahrsten Sinne des Wortes überhaupt nicht erlauben können. Machen Sie sich keine Sorgen! Wir werden in unserem bewährten Stil weiter handwerklich solide und qualitativ hochwertige Arbeit leisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir werden also weiter Vorschläge sammeln und Maßnahmen umsetzen.

   Ich finde es gut, dass Sie uns in Ihrem Antrag für die Modellregionen - schön, dass das auch einmal geschieht - ausdrücklich loben. Jetzt können Sie uns auf der Bundesratsebene weiterhelfen; denn ein Großteil dessen, was wir vorgeschlagen haben, ist zustimmungspflichtig. Nehmen Sie entsprechend Einfluss auf die Bundesländer, in denen Sie etwas zu sagen haben!

   Ich möchte noch darauf hinweisen, dass ich in der Tat den Stil der Diskussion über die Mittelstandspolitik sowie über Entbürokratisierung und Deregulierung zum Teil für kontraproduktiv halte. Es hilft uns nicht weiter, die Situation ständig schwarzmalerisch darzustellen. Ich möchte damit die Probleme der kleinen und mittleren Betriebe nicht klein reden; darum geht es mir überhaupt nicht. Wenn wir aber Dynamik erzeugen und Menschen motivieren wollen, Unternehmen zu gründen, Arbeitsplätze zu schaffen und Ausbildungsplätze zur Verfügung zu stellen, dann schaffen wir das nicht mit Schwarzmalerei und depressiven Zustandsbeschreibungen.

   Das Institut für Mittelstandsforschung hat im letzten Jahr - meine Kollegin von der FDP hat das vorhin angesprochen - eine breit angelegte Untersuchung über die Belastung des Mittelstandes sowie über Deregulierung und Regulierung angestellt. Diese hat eine Fülle, wie ich finde, sehr nachdenkenswerter Ergebnisse gezeitigt. Ein Ergebnis ist, dass die subjektiv empfundene Bürokratiebelastung der Unternehmen größer ist als die tatsächlich nachgewiesene. Ich wiederhole: Die subjektiv empfundene Bürokratiebelastung der Unternehmen ist größer als die tatsächlich nachgewiesene! Ich bitte, einmal darüber nachzudenken, wie das zustande kommen kann und wo die konkreten Ursachen dafür liegen. Wenn man das tut, kommt man sehr schnell zu dem Schluss, dass das an einer schwarzmalerischen Stimmungsmache liegt, die sich auf viele Mittelständler in diesem Land in der Tat demotivierend auswirkt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, denken Sie bitte an die Zeit!

Walter Hoffmann (Darmstadt) (SPD):

Das sollten Sie bei der Formulierung Ihrer Anträge berücksichtigen.

   Deswegen appelliere ich an Sie noch einmal: Dramatisieren Sie die Lage nicht, sondern arbeiten Sie stattdessen an der konkreten Umsetzung unserer Vorschläge mit! Ein konkreter Vorschlag ist: Lassen Sie uns keine überflüssigen Anträge mehr einbringen! Das wäre ein großer Beitrag zum Abbau von Bürokratie.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Letzter Redner zu diesem Tagesordnungspunkt ist der Kollege Ernst Hinsken für die CDU/CSU-Fraktion.

Ernst Hinsken (CDU/CSU):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! „Schönredner“ ist ein Begriff, der im Süden der Republik stark verbreitet ist. Dieser Begriff trifft heute auf Sie, Herr Schlauch, voll und ganz zu. Wenn ich das, was Herr Kuhn ausgeführt hat, richtig verstanden habe, dann hat er zwar viel geredet, aber zum Mittelstand überhaupt nichts gesagt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das Schlimme ist: Sie reden schön, Sie reden sich selbst etwas ein und Sie glauben das auch noch, was Sie sich einreden.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In welcher Welt leben Sie denn?

   Die Lage des Mittelstandes war noch nie so katastrophal wie zurzeit. Allein in den letzten zwei Jahren gab es 80 000 Insolvenzen. Jeden Tag kommen weitere 100 hinzu. Herr Hoffmann, das sind dreimal so viele Konkurse wie vor zehn Jahren und fünfmal so viele wie vor 25 Jahren.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil das Konkursrecht geändert worden ist!)

Die Unternehmen laufen in Scharen davon. Jeden Tag verlieren wir über 1 000 Arbeitsplätze an das Ausland.

   In diesem Zusammenhang möchte ich noch auf Folgendes hinweisen: Die - staatlich großzügig subventionierten - Ich-AGs graben den Steuern und Abgaben zahlenden Meisterbetrieben zu guter Letzt das Wasser ab. Die Bundesagentur für Arbeit muss in diesem Fall fast 1 Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Meine Damen und Herren von Rot-Grün, Sie setzen mit dieser verfehlten Politik weitere Zehntausende von Arbeits- und Ausbildungsplätzen aufs Spiel. Deshalb fordere ich: Schaffen Sie die Ich-AGs sofort wieder ab. Eine solche Regelung gibt es in der ganzen EU kein zweites Mal. Dänemark und Schweden haben das einmal ausprobiert. Auch sie haben Schiffbruch erlitten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Seit Rot-Grün bei uns regiert, sind wir, Deutschland, nicht mehr die Lokomotive des europäischen Wirtschaftszuges, sondern wir sitzen im Bremserhäuschen und werden zur Last für die wirtschaftliche Entwicklung Europas.

(Ludwig Stiegler (SPD): Alte Reden werden jetzt wieder aufgewärmt!)

Herr Kollege Stiegler, nur noch Griechenland, Portugal und Spanien liegen hinter uns. Alle anderen sind vor uns. Fakt ist: In Deutschland sind - das kann nicht oft genug gesagt werden - die Nettolöhne einfach zu niedrig und die Bruttoarbeitseinkommen zu hoch.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir sind zu teuer, wir sind zu bürokratisch und wir sind zu wenig innovativ.

(Cornelia Pieper (FDP): So ist es!)

   Die Ursachen liegen auf der Hand: Sie haben den Mittelstand vernachlässigt; Sie haben ihm unverkraftbare Fesseln angelegt. Seit 1998 haben Sie einen Knüppel nach dem anderen aus dem Sack geholt. Ich rufe hier ins Gedächtnis: Lohnfortzahlungsgesetz gekippt, 630-DM-Regelung abgeschafft, Kündigungsschutzschwelle angehoben und das Betriebsverfassungsgesetz auf Mittel- und Kleinbetriebe ausgeweitet. Zum Beispiel kamen zu den Kosten von 6 Milliarden Euro noch 1,2 Milliarden Euro hinzu. Das ist ein Beschäftigungsprogramm für den DGB, aber nicht für die Bürger unseres Landes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Genauso wurde ein Rechtsanspruch auf Teilzeitarbeit umgesetzt. Ergebnis: minus 250 000 Arbeitsplätze. Die Bürokratie wurde ausgeweitet. Die Steuern wurden erhöht. Ich erinnere nur an die Einführung der Ökosteuer. Den Investitionshaushalt haben Sie gekürzt. Herr Minister Stolpe, Sie sind dabei der Leidtragende - ich fühle mit Ihnen -, weil Sie kein Geld mehr haben, um die Bauwirtschaft anzukurbeln. Jetzt kommen Sie von Rot-Grün noch mit der Ausbildungsplatzabgabe und anderem.

   Sie wundern sich, dass bei uns in der Bundesrepublik Deutschland nichts mehr läuft. Katzenjammer ist an der Tagesordnung. Aber das kommt ja nicht von ungefähr. Es ist alles hausgemacht, wie meine Vorrednerinnen Frau Bellmann und Frau Wöhrl bereits gesagt haben.

   Dem Macher Schröder unterläuft viel Murks. Er lässt den Mittelstand im Regen stehen. Uns muss quer durch das ganze Parlament besonders berühren, dass der Mittelstand von der Substanz lebt. Die Ertragslage hat sich drastisch verschlechtert. Es muss doch alarmieren, dass 35 Prozent der kleinen Unternehmen mit einem Umsatz unter 250 000 Euro überhaupt keinen Gewinn mehr machen und dass nur ein Drittel der größeren Unternehmen mit einem Umsatz zwischen 5 Millionen Euro und 50 Millionen Euro einen Gewinn erzielen.

   Die Eigenkapitaldecke wird immer dünner. Sie beträgt im Schnitt höchstens 6 Prozent der Bilanzsumme. Mehr als ein Drittel der Betriebe weist in der Bilanz kein Eigenkapital mehr aus. Bei kleineren Betrieben mit einem Umsatz bis 500 000 Euro sind es sogar mehr als die Hälfte. Dennoch sagen Sie: Mit dem Mittelstand geht es aufwärts; es ist alles in Butter; wir werden die Probleme meistern. Nein, Sie haben dem Mittelstand das Leben schwer gemacht, Sie haben ihn vernichtet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Unsinn! Völliger Unsinn! Mit solchen Reden kommen wir auch nicht weiter! - Ludwig Stiegler (SPD): Sie sind ein Schwarzseher!)

   Ende 2003 befürchteten über zwei Drittel aller Firmen mit weniger als 50 Beschäftigten und mehr als die Hälfte der Unternehmen mit über 50 Mitarbeitern für 2004 noch schlechtere Finanzbedingungen. Frau Kollegin Wöhrl, Sie haben vorhin darauf zu Recht verwiesen; aber hier wird es nicht verstanden.

(Ludwig Stiegler (SPD): Hier werden Programme gemacht, um dem abzuhelfen!)

Die Botschaft ist noch nicht ganz angekommen.

Das Wichtigste ist, dass wir den Mittelstand wieder stärken. Das ist das A und O. Durch die Stärkung des Mittelstandes werden Wachstum und Beschäftigung gefördert. Vor allen Dingen deshalb müssen vernünftige Rahmenbedingungen geschaffen werden. Für einen Aufschwung in Deutschland brauchen wir einen Befreiungsschlag - ich möchte dazu sechs kurze Punkte vortragen -: erstens einen Steuerabbauplan für die nächsten fünf Jahre, zweitens echte Reformen zur Senkung der Lohnzusatzkosten, drittens weniger Bürokratie, viertens eine Offensive für Investitionen, Innovationen und Existenzgründungen, fünftens eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes, sechstens längere Arbeitszeiten bei gleichem Lohn.

   Mittelstand und Existenzgründer gehören wieder ins Zentrum der Wirtschaftspolitik. Dahin werden wir sie auch rücken, weil Sie das versäumt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir brauchen mehr Freiraum für Selbstständigkeit. Seit drei Jahren werden in Deutschland immer weniger Unternehmen gegründet. Herr Lange, was Sie gesagt haben, stimmt gar nicht. Wir haben auch beim Handwerk ein ganz großes Minus zu verzeichnen, nämlich den Verlust von über 100 000 Arbeitsplätzen allein in diesem Jahr.

(Christian Lange (Backnang) (SPD): Fragen Sie nach beim Statistischen Bundesamt! Lies nach! Nicht immer die alten Reden wiederholen!)

   Lassen Sie mich zum Schluss noch Folgendes sagen: Der Selbstständigenanteil liegt bei uns in der Bundesrepublik Deutschland leider nur noch bei 10 Prozent. In der EU liegt er noch bei 16 Prozent. Dieser Trend zu einem immer geringeren Anteil muss endlich umgekehrt werden.

   Mittelständler gehen, auch was Arbeitszeit anbelangt, mit gutem Beispiel voran.

(Hartmut Schauerte (CDU/CSU): Das kann man wohl sagen!)

Die Jahresarbeitszeit ist bei ihnen um etwa 50 Prozent höher als bei vielen ihrer Mitarbeiter. Sie packen an, sodass es wieder aufwärts geht. Wir alle sind aufgefordert, dem Mittelstand endlich die Chance zu geben, sich wieder so zu entfalten, wie er es verdient. Wenn er auf Sie von Rot-Grün setzt, ist er verlassen. Wir werden dafür sorgen, dass es wieder vernünftige Rahmenbedingungen für den Mittelstand gibt und es wieder aufwärts geht, wie Kollege Schauerte das vorhin gesagt hat.

   Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Nur Polemik!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit auf der Drucksache 15/3221. Der Ausschuss empfiehlt unter Buchstabe a seiner Beschlussempfehlung die Annahme des Antrags der Fraktionen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen auf Drucksache 15/351 mit demTitel „Offensive für den Mittelstand“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer möchte sich der Stimme enthalten? - Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

   Unter Buchstabe b empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrages der CDU/CSU-Fraktion auf Drucksache 15/349 mit dem Titel „Grundsätzliche Kehrtwende in der Wirtschaftspolitik statt neue Sonderregeln - Mittelstand umfassend stärken“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Gegenprobe! - Wer möchte sich der Stimme enthalten? - Auch diese Beschlussempfehlung ist mehrheitlich angenommen.

   Unter Buchstabe c empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/357 mit dem Titel „Neue Chancen für den Mittelstand - Rahmenbedingungen verbessern statt Förderdschungel ausweiten“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich? - Mit Mehrheit ist die Empfehlung angenommen.

   Unter Buchstabe d empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/752 mit dem Titel „Statistiken reduzieren - Unternehmen entlasten - Bürokratie abbauen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Mit gleicher Mehrheit ist auch diese Beschlussempfehlung angenommen.

   Schließlich empfiehlt der Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit unter Buchstabe e seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3221 die Ablehnung des Antrages der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/1134 mit dem Titel „Modellregionen für Deregulierung und Bürokratieabbau“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? - Wer stimmt dagegen? - Wer enthält sich der Stimme? - Die Beschlussempfehlung ist mit der Mehrheit des Hauses angenommen.

   Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 5 a und b sowie die Zusatzpunkte 3 bis 5 auf:

5. a) Beratung des Antrags der Abgeordneten Arnold Vaatz, Werner Kuhn (Zingst), Ulrich Adam, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Ostdeutschland eine Zukunft geben

- Drucksache 15/3047 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

b) Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes

- Drucksache 15/776 -

(Erste Beratung 56. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (15. Ausschuss)

- Drucksache 15/2956 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Gabriele Lösekrug-Möller
Cajus Julius Caesar
Undine Kurth (Quedlinburg)
Angelika Brunkhorst

ZP 3 Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Nachhaltiges Wachstum in Ostdeutschland sichern

- Drucksache 15/3201 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für Tourismus
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

ZP 4 Beratung des Antrags der Abgeordneten Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), Dr. Karlheinz Guttmacher, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Ostdeutschland als Speerspitze des Wandels - Leitlinien eines Gesamtkonzepts für die neuen Länder

- Drucksache 15/3202 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

ZP 5 Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Friedrich (Bayreuth), Joachim Günther (Plauen), Eberhard Otto (Godern), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Keine Kürzungen bei den Verkehrsprojekten in Ostdeutschland

- Drucksache 15/3203 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (f)
Haushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für diese Aussprache eindreiviertel Stunden vorgesehen. - Ich höre und sehe keinen Widerspruch dazu. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile zunächst dem Kollegen Arnold Vaatz für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In den letzten Wochen entstand in Deutschland eine Debatte über den Aufbau Ost. So pauschalierend und abwertend man teilweise diese Debatte geführt hat und so verfehlt meines Erachtens auch die übereilte Schlussfolgerung ist, dass der Aufbau Ost gescheitert sei,

(Beifall des Abg. Siegfried Scheffler (SPD))

so bleibt aber doch festzuhalten, dass es zwar manchmal übertrieben war, wie man die Debatte geführt hat, es aber nötig war, dass sie geführt wurde.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP und des Abg. Siegfried Scheffler (SPD))

   Natürlich ist der Aufbau Ost nicht gescheitert. Wir dürften uns aber alle darin einig sein, dass er in enormen Schwierigkeiten steckt. Wir können nicht hinnehmen, dass die Stagnation in Ostdeutschland, die bereits etwa sieben Jahre anhält, noch weitere sieben Jahre zu ertragen ist. Wir müssen hier umsteuern. Wir brauchen neue Perspektiven für Ostdeutschland. Es müssen Identifikationsmöglichkeiten mit Zielen geschaffen werden, die tatsächlich attraktiv und auch realisierbar sind. Im Augenblick können wir bei der Regierung herzlich wenig diesbezügliche Ansätze erkennen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine Damen und Herren, wir sind uns natürlich darüber im Klaren, dass es immer Unterschiede zwischen den Regionen in Deutschland geben wird, dass sich die Leistungsfähigkeit und die Entwicklungsgeschwindigkeit unterscheiden werden. Wir können aber nicht damit einverstanden sein, dass in letzter Zeit keine Konvergenz mehr, sondern eine Divergenz zu verzeichnen ist. Die Tatsache, dass der polnische Präsident Kwasniewski gestern, nachdem er zunächst auf Polnisch darauf hingewiesen hatte, wie sich die Lage in Polen entwickele und dass man 6 Prozent Wachstum habe, sich zum Herrn Bundeskanzler umdrehte und ihm, damit er das auch mitbekomme, mit polnischem Einschlag auf Deutsch sagte: „6 Prozent, Gerhard!“, stellt natürlich eine Abwatschung der Politik der Bundesregierung dar.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Rainer Fornahl (SPD): Das ist ja lächerlich!)

Das zeigt insbesondere, dass Ostdeutschland mittlerweile in seiner Entwicklung gegenüber den östlichen Nachbarstaaten zurückgefallen ist. Das ist ein ganz besonders deprimierender Zustand, weil wir eben, wie gesagt, in den ersten Jahren eine ganz andere Geschwindigkeit vorgelegt hatten.

   Was ist festzustellen? Es gibt eine ganze Reihe von strukturellen Nachteilen in der Infrastruktur. Wir können nicht hinnehmen, dass diese Nachteile nicht unverzüglich aufgearbeitet werden. Wir können nicht hinnehmen, dass sie sich verfestigen und ein dauerhaftes Hindernis im Konvergenzprozess bilden.

   Wir stellen fest, dass die Wirtschaftskraft in Ostdeutschland seit längerer Zeit auf einem Niveau von zwei Dritteln der des Westens verharrt. Das ist viel zu wenig für den Aufwuchs von Unternehmenskapital, das ist zu wenig, um Kaufkraft selbst zu erzeugen, das ist zu wenig, um eine Konsolidierung der öffentlichen Finanzen zu ermöglichen. Es sind zu wenig Arbeitsplätze entstanden und die Anzahl der insolvenzgefährdeten Betriebe nimmt leider zu. Der Herr Bundeskanzler wollte sich einmal am Abbau der Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland messen lassen. Wir müssen heute leider feststellen, dass ein Abbau von Arbeitsmöglichkeiten in Ostdeutschland eingetreten ist: Nicht die Arbeitslosigkeit ist verringert worden, sondern die Arbeitsplatzdichte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das belastet nicht nur die Sozialsysteme und die Sozialkassen, es belastet vor allen Dingen die betroffenen Menschen, die entweder abwandern oder resignieren. Es darf nicht sein, dass die Politik den Menschen in Ostdeutschland solche Botschaften vermittelt.

Die Unternehmenslandschaft in Ostdeutschland wächst insgesamt zu langsam. Sie ist noch immer kleinteilig. Von einem wirklich starken Mittelstand, wie er das Kennzeichen der wachstumsstarken westdeutschen Länder ist, können wir in Ostdeutschland bislang nur träumen. Die regionalen Wachstumszentren, über die wir froh sind, verdanken wir in erster Linie der erfolgreichen Ansiedlungspolitik der Länder. Wir verdanken das aber auch beihilferechtlichen Sonderregelungen und besonderen Finanzierungsinstrumenten, zum Beispiel den EU-Strukturmitteln und den GA-Mitteln. Deshalb ist es umso unverständlicher, dass uns diese Finanzierungsinstrumente, wenn es nach der Regierung geht, künftig nach und nach aus der Hand geschlagen werden sollen. Das werden wir nicht zulassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine Damen und Herren, die entscheidende Frage ist für uns: Wie kommen wir zu wettbewerbsfähigen Arbeitsplätzen? Da haben bis jetzt alle Rezepte dieser Bundesregierung völlig versagt.

(Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch die der vorhergehenden!)

- Auch die CDU/CSU-FDP-geführte Bundesregierung hat in diesem Bereich keine Lösung zustande gebracht; das ist leider wahr. - Aber weil das so ist, verlangen wir von Ihnen jetzt: Schluss mit dem Aussitzen, Schluss mit der Illusion, man könne das Arbeitsvolumen durch Umverteilung von Arbeit erhöhen, Schluss mit der Arroganz gegenüber all jenen, die sich, wie zum Beispiel Klaus von Dohnanyi, Gedanken machen, wie man die Situation wenden kann, Schluss mit der Arroganz, ein „Weiter so“ zu wollen, wie es der heute vorliegende Koalitionsantrag beschreibt! Wir wollen ein Umsteuern, wie es zum Beispiel Klaus von Dohnanyi und Georg Milbradt detailgenau vorgeschlagen haben.

(Cornelia Pieper (FDP): Und die Landesregierung von Sachsen-Anhalt!)

Wir wollen wenigstens eine offene Diskussion darüber. Wir wollen nicht, dass eine Diskussion durch Besuche des Bundeskanzlers in Schwerin mit der Bemerkung, es sei ja alles in Butter, sofort unterbrochen und abgewürgt wird; denn so verfestigt sich die Stagnation.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Sie sind die personifizierte Stagnation!)

   Es ist bedauerlich, dass Sie bis jetzt keine konzeptionellen Vorstellungen haben, obwohl Sie aus Ihren eigenen Reihen deutlich kritisiert werden: von Herrn Hacker, Herrn Schneider, Herrn Hilsberg; auch Herr Hettlich hat sich dazu geäußert. Aber offenbar ist Ihnen über das Kurshalten hinaus noch nichts eingefallen.

   Wenn Sie aber Kurs halten wollen, dann müssen Sie den Menschen auch erklären, was Kurshalten heißt. Beim Emissionshandel zum Beispiel bedeutet es, dass auch die neueren Festlegungen dazu führen werden, dass die modernisierte Stromwirtschaft in Ostdeutschland die noch vorzunehmende Modernisierung in Westdeutschland finanzieren wird. In Ostdeutschland stehen die modernsten Kraftwerke, die es heute gibt, mit einem bereits entsprechend niedrigen Emissionsvolumen. Deshalb ist es technisch überhaupt nicht möglich, die Emissionen im gesetzlich vorgeschriebenen Maße weiter zu reduzieren. Die Stromwirtschaft Ost muss daher von den alten Kraftwerken West Zertifikate kaufen. Mit dem Verkauf dieser Zertifikate können die Kraftwerke in Westdeutschland ihre eigene Modernisierung bezahlen. Das bedeutet, die Kraftwerke in Ostdeutschland bezahlen zuerst ihre eigene Modernisierung und dann auch noch die Modernisierung in Westdeutschland. So sieht der Aufbau Ost in Sachen Emissionshandel aus!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Vaatz, der Kollege Hilsberg würde Ihnen gerne eine Zwischenfrage stellen.

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Ja, bitte.

Stephan Hilsberg (SPD):

Sehr geehrter Herr Kollege Vaatz, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass im gesamten Bereich des Nationalen Allokationsplanes die Early-Action-Bemühungen für den ostdeutschen Stromkonzern Vattenfall zu 100 Prozent umgesetzt wurden?

(Ludwig Stiegler (SPD): Er ist nicht auf dem neusten Stand!)

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Nein, sie sind nicht zu 100 Prozent umgesetzt worden, sondern, soviel ich weiß - -

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Uwe Küster (SPD): Ihr Wissen ist wirklich begrenzt! - Ludwig Stiegler (SPD): Sie wissen nicht genug!)

Ich habe gestern gehört, dass das gerade nicht so ist.

(Lachen bei der SPD - Zuruf von der SPD: Peinlich! - Dr. Uwe Küster (SPD): Höret die Signale! - Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Wer hat das denn gesagt, Herr Vaatz?)

Aber umso besser. Wenn das so ist, werden wir sehen. Ich bin gerne bereit, mit den Kollegen noch einmal zu reden; vielleicht sind sie ja zufrieden. Bis jetzt haben sie mir das nicht signalisiert.

Kommen wir zum Thema Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Die Lücken in der Verkehrswegeinfrastruktur in Ostdeutschland hätten wir mit Planungsverfahren, die etwa zehn bis 25 Jahre dauern, schließen müssen, wenn wir nicht die Möglichkeit gehabt hätten, das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz anzuwenden. Dieses Gesetz hat die Planungszeiträume in Ostdeutschland erheblich verkürzt. Es hat uns dadurch viel Zeit und viel Geld gespart.

   Aber jetzt hören wir, dass die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes keineswegs gesichert ist. Oder bestreiten Sie auch das etwa? Vielleicht haben Sie ebenfalls gestern Nacht den Beschluss gefasst, die Geltungsdauer dieses Gesetz zu verlängern.

(Franz Müntefering (SPD): Was wissen Sie denn da, Herr Vaatz?)

Die Verlängerung der Geltungsdauer dieses Gesetzes ist also, wie gesagt, noch nicht beschlossen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Es gilt aber noch!)

Das bedeutet, dass wir früher oder später in das alte bundesrepublikanische Planungsrecht zurückfallen werden. Das wiederum bedeutet, dass wir viel Geld in die Verwaltungsarbeit und in Gerichtsprozesse stecken müssen. Die Konsequenz ist, dass der Aufholeprozess im Bereich des Verkehrswegebaus weiter stagnieren wird.

   Zum Thema Strukturpolitik kündigt die Bundesregierung an, dass sie sich bei der EU für das Fortgelten der Strukturförderung der neuen Bundesländer als Ziel-1-Gebiete weiter einsetzen will und dass auch die beihilferechtlichen Spielräume bis 2013 erhalten bleiben sollen. Was passiert aber nun? Trotz zehn neuer Mitgliedstaaten streitet die Bundesregierung vehement für eine Deckelung des EU-Haushalts bei 1 Prozent des Bruttosozialprodukts. Die weitere Strukturförderung der Ziel-1-Gebiete wird nicht mehr möglich sein, wenn Sie bei dieser Haltung bleiben.

   All das scheint nicht richtig zusammenzupassen. Deshalb appellieren wir an Sie, Ihre bisherige Position zum Aufbau Ost zu ändern. Die CDU/CSU-Fraktion hat einen Antrag mit dem Titel „Ostdeutschland eine Zukunft geben“ vorgelegt. Das ist der Gegenentwurf zu Ihrem Kurshalten.

(Ludwig Stiegler (SPD): Vergangenheit ist das! - Franz Müntefering (SPD): „Gegenentwurf zum Kurshalten“? Was ist das denn?)

„Ostdeutschland eine Zukunft geben“ beinhaltet eine lange Liste von konkreten Maßnahmen. Wir denken, dass wir wesentlich mehr Anstrengungen unternehmen müssen, um die Herstellung von innovativen und marktfähigen Produkten sowie den Ausbau der Dienstleistungen in Ostdeutschland zu fördern. Nur auf diese Weise können neue Arbeitsplätze geschaffen werden.

   Wir erwarten von Ihnen, dass Sie mit den verkrusteten Arbeitsmarktstrukturen aufräumen und dass Sie über die Neuregelung des Kündigungsschutzes dazu beitragen,

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie wollen es ohne Kündigungsschutz! Seien Sie doch ehrlich!)

dass Arbeitskräfte leichter eingestellt werden können und dass das Missverhältnis zwischen hohen Überstundenvolumen und hohen Arbeitslosenzahlen nach und nach beseitigt wird.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, denken Sie bitte an Ihre Redezeit.

(Ludwig Stiegler (SPD): Ihre Zeit ist abgelaufen!)

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Herr Präsident, noch eine Schlussbemerkung.

   Wir erwarten von Ihnen, dass es eine geeignete Lohnfindung gibt, damit der Niedriglohnsektor erschlossen werden kann. Wir erwarten von Ihnen insgesamt mehr Freiheit, was die Gestaltungsmöglichkeiten der ostdeutschen Landesregierungen angeht. Wir erwarten insbesondere, dass es bei Ihrer Zusage bleibt, die Solidarpaktmittel in Höhe von 156 Milliarden Euro unangetastet zu lassen.

(Franz Müntefering (SPD): Was soll das denn jetzt? Das hat keiner in Zweifel gezogen!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege, es hilft alles nichts: Ihre Redezeit ist abgelaufen.

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Angesichts der heutigen Situation müssen wir befürchten, dass das Streichkonzert hinsichtlich der GA-Mittel den Solidarpakt allmählich aushöhlen wird

(Franz Müntefering (SPD): Was wollen Sie uns da unterstellen?)

und uns die Planungsgrundlage für die Zukunft entzogen wird. Genau das wollen wir vermeiden. Wenn Sie sich unserer Position anschließen würden, wäre das genau die richtige Botschaft für Ostdeutschland.

   Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich weise noch einmal darauf hin, dass die Redezeit vom Präsidium nicht festgelegt, sondern nur verwaltet wird. Wenn die tatsächliche Redezeit im Verhältnis zu der angemeldeten Redezeit deutlich überschritten wird, trifft dies die nachfolgenden Redner der jeweiligen Fraktion.

   Nun erteile ich dem Bundesminister Manfred Stolpe das Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Vaatz, in einem Punkt stimme ich mit Ihnen völlig überein: Die österliche Medienflaute wurde durch Berichte über den Aufbau Ost beendet. Ich betrachte es nicht als einen Schaden, dass dieses Thema wieder ernsthaft diskutiert worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Allerdings haben wir dabei auch sehr viel Unsinn hören müssen.

(Cornelia Pieper (FDP): Das kann man wohl sagen!)

   Wir werden vonseiten der Regierung alles versuchen, um eine moderate Umstellung der europäischen Strukturhilfe zu erreichen. Zumindest muss aber ein nationaler Ausgleich vorgesehen werden, und zwar gesichert durch europäisches Beihilferecht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Auf keinen Fall aber darf durch die Osterweiterung der Europäischen Union ein folgenschwerer Rückschlag für den Aufbau Ost entstehen. Ähnliches gilt übrigens auch für andere benachteiligte Regionen in Deutschland, die ebenfalls auf Strukturhilfen aus Brüssel angewiesen sind.

   Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, zusammen mit den Ländern den wirksamsten Einsatz der zur Verfügung stehenden Mittel zu vereinbaren. Jetzt, zur Halbzeit des Aufbaus Ost, wenige Monate vor dem In-Kraft-Treten des Solidarpaktes II, ist der richtige Zeitpunkt, die künftigen Schwerpunkte zu bestimmen. Bundesminister Clement und ich haben Praktiker der Wirtschaft und wissenschaftliche Analytiker eingeladen, um ihre Vorstellungen zum Aufbau Ost zu hören. Ergebnisse sind zum Sommer zu erwarten.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Bundesminister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kretschmer?

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Lieber erst hinterher, da die Uhr weiterrennt.

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Die Uhr rennt natürlich nur dann weiter, wenn wir sie nicht stoppen, was wir bei Zwischenfragen aber immer tun.

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Noch wird heftig gestritten, aber Schwerpunkte zeichnen sich schon ab. Die Beschleunigung der Reindustrialisierung ist zwingend. Finanzierungswege für die Neugründung und Bestandssicherung mittelständischer Unternehmen müssen schneller gegangen werden können. Die deutliche Verstärkung von Wissenschaft und Forschung als Wirkungskräfte der Wirtschaft ist ein entscheidender Hebel für den Aufbau Ost.

(Beifall bei der SPD)

Schnelle Deregulierungen müssen als wirksame Erleichterungen für wirtschaftliches Wachstum geschaffen werden. Ich hoffe auf überzeugende Ergebnisse.

   Meine Damen und Herren, wir müssen aber nicht abwarten, bis die Stellungnahmen vorliegen. Wir haben eine ganze Reihe von Instrumenten, von denen ich nur zwei nennen möchte. So können zum Beispiel strukturschwache Regionen bei der Entfaltung ihrer spezifischen Potenziale gezielt unterstützt werden. In sechs ostdeutschen und zwölf westdeutschen Regionen läuft das Projekt „Regionen aktiv“. Konzepte zur Entwicklung eines Gesamtraums werden durch EU-, Bundes- und Länderförderung gestärkt.

   Es gibt nach meiner Überzeugung in Deutschland keine verlorene Region. Gemeinsam mit den Akteuren vor Ort müssen wir die jeweiligen Stärken stärken. Stärken zu stärken - darum geht es auch bei dem zweiten Beispiel, das ich Ihnen nennen möchte, dem Angebot der Bundesministerien für Wirtschaft, Wissenschaft, Landwirtschaft, Verkehr und Bau an die Länder. Wachstumskerne könnten durch den gebündelten Einsatz von Fördermitteln schneller vorangebracht werden. Wir haben die Verhandlungen mit den Ländern darüber aufgenommen, wie einzelne Förderprogramme auf der Basis der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel effizienter der strategischen Entwicklung von Wachstumskernen und Wachstumsbranchen dienen können. Hier kann die Bundesförderung am effektivsten helfen, aber der Bund - das soll hier ausdrücklich betont sein - wird keine einseitigen Festlegungen treffen. Die Entscheidungen liegen bei den Ländern.

   Es sind die gemeinsam erarbeiteten Konzepte, die Ostdeutschland voranbringen können: gründlich geprüfte Konzepte, langfristig angelegte Konzepte mit dem Ziel, Arbeit zu schaffen, Mut zu machen und Menschen eine Perspektive zu geben. Die Leute schauen auf uns, auch heute. Kommen nur Zank, Streit oder gar Injurien zur Sprache oder - das wird von uns erwartet - wird ein gesamtgesellschaftlicher Konsens deutlich, dem Osten auf die eigenen Beine zu helfen? Letzteres ist erforderlich und wird erwartet.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Mit Verlaub: Der Aufbau Ost ist mehr als eine Olympiabewerbung. Je schneller und überzeugender der Aufbau Ost jedoch kommt, umso eher kann Deutschland seine volle Kraft entfalten. Alle gemeinsam können es schaffen: Bund, Länder, Kommunen, Wirtschaft, Wissenschaft und vor allem die Menschen in Deutschland, im Osten mit ihrem Mut und im Westen mit ihrer Solidarität. Dann wird es gelingen und das muss nicht erst zum Silvesterabend 2019 sein.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Zu einer Kurzintervention erhält der Kollege Kretschmer das Wort.

Michael Kretschmer (CDU/CSU):

Herr Bundesminister, verzeihen Sie mir, dass ich Sie beim Vorlesen Ihres Manuskripts gestört habe.

(Doris Barnett (SPD): Das machen wir nächstes Mal bei Ihnen auch!)

Natürlich können wir auch am Ende fragen.

   Es geht ganz konkret um die europäische Strukturpolitik. Wir haben in diesem Plenum bisher nicht gehört, dass die Bundesregierung, die SPD und die Grünen bereit wären, das Geld, das bisher in die neuen Bundesländer und die strukturschwachen Regionen fließt, zu ersetzen. Deswegen frage ich Sie: War das Ihre Privatmeinung, die Sie uns hier vorgetragen haben, oder wann hat das Bundeskabinett darüber diskutiert, dass es auf jeden Fall dazu kommen muss, dass die neuen Bundesländer, wenn der Aufbau Ost nicht scheitern bzw. abrupt abgebrochen werden soll, dieses Geld bekommen?

   Herr Bundesminister, wir fragen uns bei Ihren Ankündigungen immer wieder, ob man sich darauf verlassen kann. Ich möchte als ein Beispiel, weil es in Ihrem Haus ressortiert, das Osteuropazentrum für Wirtschaft und Kultur nennen, wo wir, die Union, Ihnen die Hand gereicht und gesagt haben: Wenn das Konzept stimmt, machen wir mit. Seit über einem Jahr warten die Länder und diejenigen, die die Konzepte geschrieben haben, auf eine Antwort, auf eine Entscheidung. Sie kommen nicht voran. Deswegen stelle ich die für die Strukturpolitik wichtige Frage: Wie verlässlich war Ihre Aussage hier und heute?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Zur Beantwortung, Herr Minister.

Dr. h. c. Manfred Stolpe, Bundesminister für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen:

Herr Kretschmer, Sie wissen ganz genau, dass wir uns diesbezüglich noch in einem Klärungsprozess befinden. Nicht umsonst haben sich die Ministerpräsidenten mit Herrn Monti getroffen und die Frage diskutiert. Dieser Prozess wird vermutlich noch ein paar Monate dauern.

   Ich habe meine Position hier klar geäußert. Ich bin mir sicher, dass die Bundesregierung sie deckt. Vorsorglich biete ich Ihnen an, das im Protokoll nachzulesen.

   Ich bitte Sie aber auch, zur Kenntnis zu nehmen, dass wir mit Zittau Wort gehalten haben. Hier können Sie sich eigentlich nicht beklagen. Wir machen auch bezüglich Leipzig weiter und werden alle angekündigten Maßnahmen durchziehen. Das können Sie jederzeit nachprüfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort der Kollegin Cornelia Pieper, FDP-Fraktion.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Die Arbeit kommt, die Pieper geht!)

Cornelia Pieper (FDP):

So ist es: Die Arbeit kommt, wenn Sie nicht mehr regieren, Herr Küster.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Dr. Uwe Küster (SPD): Sie haben doch den Spruch geprägt: Die Arbeit kommt! Und Sie sind gegangen!)

   Herr Präsident! Wir haben die Rede von Bundesminister Stolpe hier vernommen. Herr Bundesminister, ich kann nur sagen:

(Dr. Uwe Küster (SPD): Immer wenn es schwer wird, gehen Sie weg!)

Man kann die Ankündigungspolitik der Bundesregierung einfach nicht mehr ertragen. Mit moralischen Appellen und Psychologie sind die Menschen in Ostdeutschland zu Recht nicht mehr zufrieden zu stellen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es war der Bundeskanzler selbst, der mit Regierungsantritt 1998 den Ostdeutschen versprochen hat, der Aufbau Ost werde bei ihm Chefsache.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie haben blühende Landschaften versprochen!)

Sie haben sich 2002 über das Hochwasser gerettet, aber die Arbeitslosigkeit und die Zahl der Firmenpleiten in Ostdeutschland sind gestiegen. Das ist die Wahrheit. Sie haben die Menschen in den neuen Ländern verunsichert. Sie haben nicht Zuversicht vermittelt und auch keine neuen Chancen aufgezeigt. Bis heute, Herr Bundesminister Stolpe, fehlt ein Gesamtkonzept für eine wirtschaftliche Strategie in den neuen Bundesländern. Die ist nicht erkennbar. Deswegen meinen wir: Handeln Sie endlich!

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Noch schlimmer, meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, ist, dass Sie Ihrem eigenen Aufbau-Ost-Minister selbst nicht viel zutrauen. Im April dieses Jahres habe ich von Herrn Stephan Hilsberg in der „Financial Times Deutschland“ gelesen: Stolpes Leistungsbilanz als Ministerpräsident lässt nicht erkennen, dass er die Kompetenz für den Aufbau Ost hat. Klaus von Dohnanyi wirft Herrn Stolpe fehlende Konzeption und Durchsetzungsfähigkeit vor. Das stärkt doch bezüglich des Aufbaus Ost nicht das Vertrauen der Menschen im Osten Deutschlands in diese Bundesregierung. Das verunsichert die Menschen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Sie, Herr Stolpe, machen den Menschen auch keinen Mut, wenn ich lese, dass Sie erklären,

(Christoph Matschie (SPD): Dann machen Sie uns mal Mut, Frau Pieper!)

der Traum von einer schnellen Angleichung von Ost und West müsse beerdigt werden. Dazu kann ich nur sagen: Die Menschen wissen, dass die Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse in Deutschland nicht von heute auf morgen hergestellt werden kann. Sie verlangen aber von Ihnen als Bundesregierung, dass Sie handeln und endlich auch die Vorschläge, die im Übrigen aus den neuen Bundesländern gekommen sind, umsetzen.

(Beifall bei der FDP)

   Wissen Sie, was ich Ihnen noch mehr vorwerfe? Ich meine den Umstand, dass im Chor der Ahnungslosen auch noch die Stimmen von SPD-Ministerpräsidenten, von Herrn Steinbrück aus Nordrhein-Westfalen und von Frau Simonis, zu vernehmen sind. Ich kann zwar nicht unbedingt sagen, dass sie zu den kompetentesten Vertretern in Sachen Wirtschaftsaufschwung Ost gehören,

(Dr. Uwe Küster (SPD): Sie als Außenstehende sollten nicht über Kompetenz reden! - Siegfried Scheffler (SPD): Mehr als niveaulos! Fangen Sie bei sich selber an!)

aber beide forderten - vielleicht darf ich Ihnen das mit einer ihrer Aussagen untersetzen -, die Messlatte für die Verteilung der Mittel solle künftig nicht die Himmelsrichtung, sondern die Bedürftigkeit sein. Sie wissen überhaupt nicht, was los ist und wie die wirtschaftliche Situation in den neuen Bundesländern ist. Seit 1998 hat die Gründungsintensität dramatisch abgenommen. Die Insolvenzquote ist mit 20,5 Prozent doppelt so hoch wie in den alten Bundesländern. Die Arbeitslosenquote hat seit der deutschen Einheit ihren Höchststand erreicht und beträgt fast 20 Prozent, in einigen Regionen sogar 30 Prozent. Das ist eine dramatische Situation. Ich kann es einfach nicht mehr ertragen, dass SPD-Ministerpräsidenten auf dem Rücken der Ostdeutschen schon jetzt ihren Wahlkampf für die Landtagswahlen im nächsten Jahr führen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Dr. Uwe Küster (SPD): Deswegen sind Sie weggerannt? Statt zu arbeiten sind Sie weggerannt!)

Neuerdings bekommen sie auch tatkräftige Wahlkampfunterstützung von Ihrem sonst so mutigen Bundeswirtschaftsminister Clement.

   Herr Stolpe, ich habe Ihre Ausführungen mit großem Interesse verfolgt, was ich im Übrigen immer tue. Aber am 15. Mai dieses Jahres durften wir im „Tagesspiegel“ lesen - hier bitte ich auch um eine Klarstellung des Bundeswirtschaftsministeriums -, dass sich die neuen Bundesländer in den kommenden drei Jahren auf drastische Kürzungen der Fördergelder für Investitionen einstellen müssen. Allein für das Jahr 2005 will das Ministerium vorläufig nur 35 Prozent der GA-Mittel freigeben. Das bedeutet, dass es wirklich zu einem Abbruch Ost kommt, weil kommunale Straßenprojekte und private Investitionen nicht verwirklicht werden können und dadurch die Arbeitslosigkeit steigen wird. Hierzu verlange ich eine Klarstellung. Ich bzw. die FDP will wissen: In welchem Umfang werden Sie bei der GA kürzen? Oder werden Sie zuverlässig sein und die Mittel für die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ auch weiterhin nicht kürzen?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, die Fehlleistungen der Bundesregierung, die steigende Verschuldung und die fehlenden Reformen, sind erkennbar und gehen auch zulasten der neuen Bundesländer. Eine Steuerreform, die mittelstandsfeindlich ist, eine Gesundheitsreform, die die Lohnzusatzkosten in die Höhe treibt, eine Erhöhung der Mineral- und Ökosteuer, die die Benzinpreise in Rekordhöhe treibt, die Erbschaftsteuer, die Vermögensteuer und die Ausbildungsplatzsteuer, durch die immer mehr Unternehmen in die Pleite getrieben werden, das alles ist keine Politik, die den neuen Bundesländern hilft. Ich kann Sie nur zu einer Kehrtwende auffordern.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Dennoch gibt es aus den neuen Bundesländern wirklich ermutigende Signale. Dort sind Wachstumskerne bzw. Leuchttürme entstanden, die sich sehen lassen können und die auf die Initiative der Bundesländer selbst und der Menschen vor Ort zurückgeführt werden können.

(Siegfried Scheffler (SPD): Das ist ja so ein Quatsch!)

So wurden in den ostdeutschen Ländern ermutigende Zeichen gesetzt: zum Beispiel durch die Halbleitertechnik in Dresden, durch die Polymer-Chemie im Dreieck Bitterfeld-Halle-Leuna und durch den Biotechnologiestandort in Mitteldeutschland, der in ganz Deutschland Spitze ist.

(Ludwig Stiegler (SPD): Wer hat denn das bezahlt? - Über die Ausnutzung von Bundesprogrammen, Frau Pieper! Ein bisschen Bescheid wissen sollten Sie!)

- Herr Stiegler, Sachsen-Anhalt und Sachsen haben im letzten Jahr Bundesratsinitiativen eingebracht, in denen sie Modellregionen für die neuen Länder fordern. Das tun sie zu Recht; denn sie wollen die Aussetzung von Bundesrecht.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sagen Sie deutlich: Sie wollen keinen Kündigungsschutz!)

   Wir sind gemeinsam mit den Ostdeutschen der Auffassung: Dadurch, dass die Bürokratie und die Verwaltungsstrukturen 1990 eins zu eins auf die neuen Länder übertragen worden sind, wurden Investitionen und damit auch Arbeitsplätze verhindert. Deswegen wollen wir neue Wege gehen. Wir wollen zum Beispiel eine Lockerung des Kündigungsschutzrechtes und flexiblere Ausbildungsvergütungen,

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie wollen geringere Ausbildungsvergütungen!)

damit die jungen Menschen nicht abwandern müssen, sondern in ihrer Heimat einen Arbeits- oder Ausbildungsplatz finden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Klaus von Dohnanyi fordert mit seiner Kommission - Sie selbst haben ihn beauftragt -, dass im Osten ein pragmatisch angepasster Flächentarifvertrag mit breiten Öffnungsklauseln zugelassen werden soll. Recht hat er! Handeln Sie endlich, machen Sie es doch!

(Christoph Matschie (SPD): Machen wir doch schon lange, Frau Pieper!)

   Wir Liberale wollen, dass der Osten zum Reformmotor in Deutschland wird. Die Ostdeutschen zeichnen sich durch eine hohe Bereitschaft aus, neue Wege auszuprobieren und Leistungseinschnitte hinzunehmen, wenn dadurch der Arbeitsplatz erhalten bleibt. Sozial ist, was Arbeit schafft; das ist für die Menschen dort wichtig und für uns auch.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ludwig Stiegler (SPD): Jetzt machen Sie schon die Stoiber-Sprüche!)

   Wir brauchen einen differenzierten Blick auf die Regionen in Ostdeutschland: nicht die Gießkanne, sondern den Trichter für Förderprogramme.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie brauchen den Nürnberger Trichter!)

Die Zeit ist überfällig für ein Gesamtkonzept und ich ermahne die Bundesregierung noch einmal, eine solche wirtschaftspolitische Strategie vorzulegen.

   Wir schlagen vor: Erstens. Wir brauchen die Konzentration der Förderung auf gewerbliche Investitionen, insbesondere aber auf die wirtschaftsnahe Forschung und Entwicklung.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das ist aber neu!)

Der Industrieanteil an der Bruttowertschöpfung liegt im Osten bei 16 Prozent, im Westen bei rund 23 Prozent. Der Anteil wertschöpfungsstarker Betriebe ist einfach zu gering.

   Der Anteil Ostdeutschlands an den gesamtdeutschen Aufwendungen für Forschung und Entwicklung beträgt lediglich 6 Prozent. Deswegen brauchen wir - zweitens - die Konzentration auf Forschungsförderung. Wir schlagen vor, Leistungen für Forschung und Entwicklung im Rahmen der Investitionsförderung stärker zu berücksichtigen und sich auf Wachstumskerne zu konzentrieren.

(Beifall bei der FDP)

Wir wollen die Vernetzung von Wissenschaft, von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, und Unternehmen, damit durch innovative Technologien vermehrt neue Produkte auf den Markt kommen und ostdeutsche Unternehmen exportfähig werden.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das haben Sie aus dem Fortschrittsbericht der Bundesregierung abgeschrieben!)

Die Exportquote liegt im Osten bei 25 Prozent, im Westen dagegen bei 38 Prozent. Da muss ein Aufholprozess in Gang kommen.

   Drittens. Wir brauchen Risikokapital aus einem revolvierenden Fonds für mittelständische Unternehmen, ähnlich dem ERP-Programm, dem Marshall-Plan. Wir wollen eine bessere Liquidität mittelständischer Unternehmen. Deswegen haben wir vorgeschlagen, bis zu einem Umsatz von 2,5 Millionen Euro die Umsatzbesteuerung von der Soll- auf die Ist-Besteuerung umzustellen.

(Beifall bei der FDP)

Das würde dazu beitragen, dass die Liquidität von Unternehmen gestärkt wird und Arbeitsplätze gesichert werden.

   Wir wollen - viertens - eine Regelung für die grenznahen Regionen in Ostdeutschland ähnlich dem bis 1994 in Kraft gewesenen Zonenrandförderungsgesetz.

   Wir wollen - fünftens - eine Prioritätensetzung bei der Infrastruktur. Herr Minister Stolpe, das ist Ihr Verantwortungsbereich. Es ist doch einfach nicht mehr hinnehmbar,

(Zuruf von der FDP: Das ist doch das Problem: dass es einfach nicht mehr hinnehmbar ist!)

dass wir nach 14 Jahren noch immer nur Brücken und Tunnel in der Landschaft stehen sehen, wo der ICE von Nürnberg über Erfurt, Leipzig/Halle nach Berlin fahren soll. Diese Strecke muss endlich ausgebaut werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU - Ludwig Stiegler (SPD): Mit den Steuergeschenken, die die FDP fordert!)

Das ist nur ein konkretes Beispiel.

(Christoph Matschie (SPD): Da sind die Bauarbeiter am Werk! Sie müssen hinfahren und sich das angucken! Sie müssen die Wirklichkeit zur Kenntnis nehmen!)

   - Herr Matschie, machen Sie konkrete Vorschläge; Sie haben hier im Bundestag die Möglichkeit dazu. Schreien hilft nicht, hören Sie mir lieber zu - vielleicht lernen Sie dadurch ja.

   Mein Kollege aus Sachsen erzählt mir von Demonstrationen, Streiks an der Grenze zu Osteuropa, Staus. Das Verkehrsaufkommen ist gewaltig gewachsen. Wir wollen, dass die Bundesregierung im Rahmen der EU-Osterweiterung dafür sorgt, dass die Fördermittel aus dem Strukturfonds vordringlich zum Ausbau der grenzüberschreitenden Verkehrsnetze im Osten Deutschlands eingesetzt werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU - Siegfried Scheffler (SPD): Fragen Sie in Sachsen-Anhalt nach, wo die Regionalisierungsmittel geblieben sind!)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Frau Kollegin, falls das nicht Ihr Schlusssatz gewesen sein sollte - wofür er sich vorzüglich geeignet hätte -, muss ich Sie darauf aufmerksam machen, dass Ihre Redezeit bereits zu Ende ist.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Cornelia Pieper (FDP):

Vielen Dank, Herr Präsident. - Ich finde es bedauerlich, dass hier im Hohen Hause, im Deutschen Bundestag, so wenig Gelegenheit besteht, über die Probleme der Bürgerinnen und Bürger der neuen Bundesländer zu sprechen.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Das können Sie jeden Tag bestimmen!)

Machen Sie die neuen Länder doch endlich zur Speerspitze des Wandels, lassen Sie die Menschen unter Beweis stellen, was sie auf dem Kasten haben; dann würden wir alle gewinnen.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun der Kollege Peter Hettlich, Bündnis 90/Die Grünen.

Peter Hettlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen und Herren! Wir haben im Oktober letzten Jahres in diesem Hause über den Stand der deutschen Einheit debattiert. Damals habe ich gesagt - dazu stehe ich auch heute noch -, dass die Einheit in den Köpfen weit gediehen ist, sehr viel weiter, als es mancher Schwarzmaler noch immer beschwört. Aber ohne eine Angleichung der wirtschaftlichen Verhältnisse wird unsere Einheit nur unvollständig bleiben. Die Lösung dieser Aufgabe ist von großer Bedeutung für ganz Deutschland, denn nur durch eine sich selbst tragende nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland können wir Spielräume für weitere dringend notwendige Investitionen in die Zukunft unseres Landes schaffen.

   Wir haben in den letzten Wochen eine zum Teil unselige öffentliche Debatte über Transferleistungen zwischen West und Ost führen müssen. Ausgehend von einem Artikel mit der reißerischen Überschrift „1 250 Milliarden Euro - Wofür?“ entstand eine Diskussion darüber, ob Ostdeutschland ein Fass ohne Boden sei und ob es sich überhaupt lohne, weiterhin in die neuen Bundesländer zu investieren. Trauriger Höhepunkt war aus meiner Sicht die Behauptung, der Aufbau Ost sei ursächlich für den Absturz West. Umso bedenklicher war sie, da sie von Klaus von Dohnanyi stammte, der mit seinem Praktikerkreis Vorschläge für die weitere Entwicklung in den neuen Bundesländern machen sollte.

   Diese Aussage war und ist so falsch wie töricht. Herr Dohnanyi hätte als ehemaliger Hamburger Bürgermeister wissen müssen, dass die Probleme des Westens ihren Ursprung in der Zeit lange vor der Wiedervereinigung haben und durch die Euphorie der frühen 90er-Jahre lediglich übertüncht wurden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Heute müssen wir für die Folgen einstehen. Dies aber Ostdeutschland bzw. den Ostdeutschen vorzuwerfen ist sachlich falsch und moralisch nicht zu rechtfertigen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, bei der SPD und der CDU/CSU)

   Eine hervorragende und ernst zu nehmende Analyse der Situation stellen dagegen der erste und zweite Fortschrittsbericht wirtschaftswissenschaftlicher Institute über die wirtschaftliche Entwicklung in Ostdeutschland dar. Letztmalig im November 2003 haben die beteiligten Institute eine nüchterne und kritische Bestandsaufnahme der vergangenen Jahre vorgenommen. Die Analysen und Lösungsansätze sind dergestalt, wie ich sie mir für meine tägliche Arbeit als Politiker wünsche, und ich kann sie auch ernst nehmen.

   Die Arbeitsgruppe Ost der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen hat sich in einen intensiven Dialog mit den Autoren begeben. In einem Positionspapier unserer Fraktion hat sie bereits am 30. März Vorschläge vorgelegt, wie wir die künftige wirtschaftliche Entwicklung Ostdeutschlands gestalten wollen:

   Förderungen nach dem Gießkannenprinzip sind weder sinnvoll noch vor dem Hintergrund der Haushaltsprobleme von Bund, Ländern und Kommunen dauerhaft leistbar. Um den unterschiedlichen Entwicklungsbedingungen der Regionen Rechnung zu tragen, sehen wir daher zwei Hauptaufgaben: einerseits die Stärkung der vorhandenen Wachstumsregionen und andererseits die Stabilisierung der anhaltend wirtschaftsschwachen Städte und ländlichen Regionen.

   Bündnis 90/Die Grünen plädierten bereits in der letzten Legislaturperiode für eine effizientere Förderung, die an den Stärken und Perspektiven der einzelnen Regionen ansetzt. Von wirtschaftlich erstarkenden Regionen strahlen Effekte auf angrenzende strukturschwache Gebiete aus, die dort Entwicklungspotenziale stärken. Wir wollen Zukunftstechnologien besonders in den Regionen fördern, in denen bereits Kerne neuer Industrien vorhanden sind. So schaffen wir am ehesten die Voraussetzungen, dass einzelne Regionen langfristig unabhängig von Transfers werden und eigenständige Entwicklungswege verfolgen.

   In den Kommunen, Landkreisen und Ländern muss sich die Einsicht durchsetzen, dass eine erfolgreiche Entwicklung nur gemeinsam und nicht gegeneinander erreicht werden kann. Dies bedeutet den Abschied von der Kirchturmpolitik der vergangenen Jahre, die zum Teil zu erheblichen Fehlallokationen zum Beispiel bei der Erschließung und der Vorhaltung von Gewerbe- und Industriegebieten, aber auch in der Wirtschaftsförderung geführt hat. Daher muss sich die Vergabe von Fördermitteln auch künftig an überregionalen und länderübergreifenden Wirtschaftsstrukturen orientieren.

   Das zentrale Instrument der Wirtschaftsförderung sowie der Förderung der wirtschaftsnahen Infrastruktur in den neuen Ländern ist die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionale Wirtschaftsstruktur“, die GA. Ihr Schwerpunkt liegt auf der Förderung überregionaler Wirtschaftskreisläufe. Die GA ist ein effizientes, arbeitsplatzerhaltendes und arbeitsplatzschaffendes Mittel mit einer sehr hohen Zielgenauigkeit. Wir wollen, dass GA-Mittel stärker in Zukunftsbranchen sowie in Dienstleistungsbereiche fließen.

   Die von Wirtschaftsminister Clement angestoßene Debatte über die Kürzung der GA-Mittel war in diesem Zusammenhang nicht hilfreich. Aus diesem Grunde habe ich mich in der Öffentlichkeit ungewöhnlich scharf zu diesem Thema geäußert. Ich mache auch an dieser Stelle deutlich: Mit uns wird eine weitere Kürzung nicht zu machen sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Im Zuge der Föderalismusdebatte wird die GA aber von Teilen der Kommissionsmitglieder infrage gestellt, übrigens auch von Ministerpräsident Stoiber. Dem wollen wir entgegenwirken, auch im Hinblick auf die Veränderungen in der EU-Strukturpolitik, die aus der EU-Erweiterung resultieren.

   Wir wollen die Finanzausstattung der GA in den neuen Ländern im Rahmen der Vorgaben aus dem Solidarpakt II verstärken. Statt die bis 2006 befristete Investitionszulage zu verlängern, schlagen wir vor, die GA zu stärken, da wir sie für die bessere Maßnahme halten. Die Investitionszulage in ihrer jetzigen Form bewirkt zu hohe Mitnahmeeffekte bei den Unternehmen und ist unserer Meinung nach nicht zielgenau.

   Neue und sichere Arbeitsplätze entstehen vor allem in zukunftsträchtigen Wirtschafts- und Dienstleistungsbranchen. Die Hochschulen in den neuen Ländern müssen noch stärker als bisher auf die Zusammenarbeit mit der regionalen Wirtschaft setzen. Sie können zum Schließen der Unternehmenslücke im Osten beitragen, indem sich wirtschafts- und ingenieurwissenschaftliche Studiengänge noch konsequenter an der Praxis orientieren und indem sie junge Menschen gezielt auf ein selbstständiges Unternehmertum vorbereiten.

   Ich möchte an dieser Stelle die deutschen Banken ausdrücklich an ihre Mitverantwortung erinnern und darauf hinweisen, dass ihre restriktive Kreditvergabe vielen Unternehmensgründern den Start unnötig schwer bzw. unmöglich macht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Damit werden die positiven Entwicklungen, die wir durch die Gründung der Mittelstandsbank im letzten Jahr angestoßen haben, konterkariert. Auch die Fragen der Besicherung und der nach Auskunft Betroffener viel zu langen Bearbeitungsfristen müssen beantwortet werden. Ich bin der Meinung: Wenn sich hier nicht bald eine Entwicklung zum Besseren zeigt, dann müssen wir auf politischer Ebene entsprechend handeln.

   Die regionale Vernetzung von Forschung, Hochschulen und Wirtschaft muss weiter vorangetrieben werden. Die wettbewerbliche Vergabe von Forschungsmitteln an Regionen, in denen Wissenschaft und Wirtschaft im Rahmen innovativer Netzwerke kooperieren, hat sich als ein sehr wirksames Instrument erwiesen. So entwickeln sich Kerne, die eine regionale Dynamik entfalten und in denen zusätzliche Arbeitsplätze im Industrie- und Dienstleistungsbereich entstehen. Der 1999 initiierte Inno-Regio-Wettbewerb ist eine der wichtigsten Maßnahmen zur Innovationsförderung in den neuen Ländern und muss daher erhalten, wenn nicht sogar gestärkt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Die Förderung der technologischen Leistungsfähigkeit ostdeutscher Unternehmen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Schwerpunkt der Wirtschaftspolitik entwickelt. Mit diesen Anreizen ist es gelungen, den Größennachteil ostdeutscher Unternehmen auszugleichen. In der Forschungsintensität stehen ostdeutsche Firmen den westdeutschen Unternehmen kaum nach. Allerdings mangelt es an der Umsetzung der Forschungsergebnisse in marktfähige Produkte. Auch hier möchte ich noch einmal auf die zu lösenden Probleme in der Finanzierung derartiger Investitionen verweisen.

   In den vergangenen Jahren ist viel Geld in den Ausbau der technischen Infrastruktur Ostdeutschlands geflossen. Der Anschlussgrad für die Abwasserentsorgung hat das Niveau der alten Bundesländer erreicht und die Telekommunikationsstruktur ist auf dem modernsten Stand der Technik. Auch zukünftig wird der Aus- und Neubau von Verkehrswegen in den neuen Bundesländern überproportional finanziert. Studien belegen allerdings auch, dass der Ausbau der Verkehrsinfrastruktur allein nicht zu dem erhofften Entstehen neuer Arbeitsplätze führt.

(Renate Blank (CDU/CSU): Schon allein der Bau von Verkehrswegen schafft Arbeitsplätze!)

Eine gute verkehrliche Anbindung von Regionen ist eine Voraussetzung für die Ansiedlung von Unternehmen, sie ist aber nur ein Standortfaktor unter vielen.

   So genannte weiche Standortfaktoren sind mit dafür ausschlaggebend, ob investiert wird. Sie werden gerade für die Unternehmen immer bedeutender, die hoch qualifizierte und motivierte Mitarbeiter benötigen. Investitionen in die soziale Infrastruktur, in Bildung und Wissenschaft, in Kinderbetreuung und Schulen, in Sport- und Jugendeinrichtungen, in kulturelle Angebote und in die innerstädtische Lebensqualität sind mit entscheidend für die Ansiedlung neuer Betriebe.

   Zum Schluss meiner Rede möchte ich noch ein Thema streifen, das in letzter Zeit ebenfalls das öffentliche Interesse erregt hat, nämlich die Fehlverwendung der Solidarpaktmittel. Mir ist zwar bewusst, dass sich die Länder in einer schwierigen Situation befinden, die sie zum Teil - ich denke zum Beispiel an die Leistungen nach den Sonder- und Zusatzversorgungssystemen der ehemaligen DDR - nicht zu verantworten haben. Dennoch macht es keinen Sinn, einfach die Vorgaben zu ignorieren und diese Mittel wie in Berlin zu 0 Prozent oder in Sachsen-Anhalt zu nur 1 Prozent zweckgerichtet zu verwenden. Es würde dadurch zu einer gesamtdeutschen Diskussion kommen, die die Solidarität der alten Bundesländer erheblich strapazieren könnte.

   Ich habe es schon bei vielen Gelegenheiten gesagt: Bündnis 90/Die Grünen stehen zum Solidarpakt II und auch zur Höhe der vereinbarten Solidarpaktmittel. Wir erwarten aber, dass die ostdeutschen Länder und ihre Ministerpräsidenten ihre Hausaufgaben machen und energische Maßnahmen ergreifen, um künftige Fehlverwendungen zu minimieren oder besser ganz zu vermeiden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Aus meiner Sicht und auch aus der Sicht der Praxis wäre eigentlich Folgendes notwendig: Wir müssen die Verwendung der Solidarpaktmittel längerfristig planen, das Parlament muss wirksame Kontrollmechanismen erhalten und wir müssen uns auch darüber unterhalten, ob Sanktionen notwendig sind.

Hier stehen wir zwar vor verfassungsrechtlichen Problemen, aber wir sollten das diskutieren; denn es besteht dringender Handlungsbedarf.

   In den vergangenen 14 Jahren ist in Ostdeutschland viel Positives geschaffen worden, sowohl durch den Fleiß und die Kreativität der Ostdeutschen als auch durch die Solidarität der Bürgerinnen und Bürger aus den alten Bundesländern. Diese Solidarität ist für uns aber auch die Verpflichtung, Rechenschaft über unser Tun abzulegen und uns auch künftig einem kritischen Dialog zu stellen.

   Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort hat nun der Ministerpräsident des Freistaates Sachsen, Professor Milbradt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Viel Gutes ist gesagt worden. Wenn all das umgesetzt würde, wäre ein Teil meiner heutigen Intervention schon erledigt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, wenn!)

Aber die bisherige Erfahrung ist, dass zwischen Reden und Handeln ein großer Unterschied besteht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Stolpe, ich hoffe nur, dass das, was Sie gesagt haben, mit den Herren Clement und Eichel abgestimmt ist; denn sie haben etwas anderes verkündet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Am Montag vergangener Woche war der Bundeskanzler zum Richtfest der neuen Chipfabrik von AMD in Dresden. Mit einer Investitionssumme von 2,4 Milliarden Euro errichtet das amerikanische Unternehmen in Dresden bereits sein zweites Halbleiterwerk. Insgesamt arbeiten in der Region Dresden 11 000 Menschen in der Mikroelektronikindustrie. Damit ist Dresden innerhalb weniger Jahre zu den Top Fünf der internationalen Mikrochipindustrie aufgestiegen,

(Zuruf von der SPD: Mit viel Bundesgeld!)

Nummer eins in Europa. Das ist ein Beispiel, wie man beim Aufbau Ost Erfolge erzielen kann.

(Ludwig Stiegler (SPD): Mit der Bundesregierung!)

- Vorsichtig! Ich bin für die Unterstützung der Bundesregierung in diesen und vielen anderen Fällen ausdrücklich dankbar.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)

   Es gibt auch viele andere Erfolgsgeschichten beim Aufbau Ost, zum Beispiel die Autoindustrie mit VW, BWM und Porsche in Sachsen, die optische Industrie in Jena, die chemische Industrie in Sachsen-Anhalt und Brandenburg oder auch die Entwicklung des Tourismus in vielen Regionen in Mecklenburg-Vorpommern. All diese Erfolge wären ohne ein wichtiges Instrument der Wirtschaftsförderung nicht möglich gewesen, die so genannte Gemeinschaftsaufgabe.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Ausgerechnet hier will der Bundeswirtschaftsminister den Rotstift ansetzen.

(Zuruf von der SPD: Stimmt nicht!)

- Was heißt denn hier: Stimmt nicht? Uns ist untersagt worden, weitere Zusagen zu machen.

(Maria Michalk (CDU/CSU): Unverantwortlich!)

Wir haben das entsprechende Schreiben vom Bundeswirtschaftsminister im Haus.

   Die GA-Förderung ist bisher eindeutig das erfolgreichste Instrument beim Wiederaufbau. Auch in dem von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Fortschrittsbericht wird eine Fortführung der GA-Förderung auf hohem Niveau gefordert. In Sachsen wurden dadurch seit 1990 über 18 000 Investitionen von Unternehmen gefördert. Das heißt, seit 1990 wurden allein in Sachsen mit einem GA-Volumen von 7,7 Milliarden Euro Investitionen von über 40 Milliarden Euro angestoßen. Dadurch wurden 224 000 neue Arbeitsplätze geschaffen und noch einmal so viele gesichert.

   Statt auf diesen Erfolgen weiter aufzubauen, statt dieses Pflänzchen zu pflegen, riskiert die Bundesregierung, dass die Entwicklung abbricht.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Kollege Stolpe, es kann doch nicht im Interesse der Bundesregierung sein, dass dies eintritt. Auch Sie wollen wie wir alle, dass der Aufbau der Wirtschaft in Ostdeutschland weitergeht.

   Natürlich - jetzt komme ich zu den öffentlichen Äußerungen - ist die Auszahlung der Barmittel in diesem und im nächsten Jahr gesichert. Das hat uns der Bundeskanzler in Dresden bei AMD erklärt. Dazu sind Sie aber auch verpflichtet, Herr Müntefering.

(Franz Müntefering (SPD): Was?)

Denn dabei geht es nur um die Abfinanzierung für die in der Vergangenheit eingegangenen Verpflichtungen. Es gibt schon seit Jahren keine freien Barmittel mehr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! - Das hat er nicht mitgekriegt!)

   Diese Mittel, Herr Müntefering, um beim Thema zu bleiben, sind bereits gebunden. Für Unternehmen, die heute neu investieren, stehen diese Barmittel gar nicht mehr zur Verfügung. Zwischen uns, die wir die Haushaltsthematik kennen, ist das sicher nicht strittig. Oder muss die Einhaltung von Recht und Gesetz schon als besondere Leistung der Bundesregierung angesehen werden?

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Uwe Küster (SPD): So was von nassforsch!)

   Um den Investoren für zukünftige Ansiedlungen - darüber reden wir - Fördermittel zusagen zu können, brauchen wir Verpflichtungsermächtigungen, und zwar die Verpflichtungsermächtigungen, die dieser Bundestag in den Bundeshaushalt 2004 geschrieben hat.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

Genau diese sperren Sie.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es geht nicht um den Bundeshaushalt des Jahres 2005. Es ist eine andere Diskussion, welche Verpflichtungsermächtigungen dort hineinkommen. Es geht um die Verpflichtungsermächtigung dieses Jahres für die Jahre 2005, 2006 und 2007. Darüber reden wir. Diese Mittel sind zumindest bis zur Stunde im Schnitt zu 45 Prozent gesperrt worden. Damit nehmen Sie uns den entscheidenden Handlungsspielraum, und das zu einem Zeitpunkt, in dem Investitionen in Sachsen und, wie ich vermute, auch in anderen Ländern vor der Tür stehen, wir aber auf der anderen Seite in neue Konkurrenz zu Osteuropa treten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

   Sie setzen für Investoren das völlig falsche Signal. Als der Bundeskanzler in Dresden war, hat mich der Vorstandsvorsitzende von AMD gefragt: Wird denn auch unsere Investition gefördert? Bekommen wir noch unser Geld? - Das sind doch die Fragen, die an uns gerichtet werden. Für mich stellt sich die Frage: Wollen Sie, dass weitere Investitionen und Arbeitsplätze kommen, oder wollen Sie das nicht?

(Christoph Matschie (SPD): Was haben Sie denn geantwortet?)

- Ich habe gesagt: Ja,

(Christoph Matschie (SPD): Dann ist es doch gut!)

aber diese Mittel sind bisher vom Bund nicht freigegeben worden. Ich habe das auf meine eigene Kappe genommen, Herr Matschie,

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

weil ich mich bei einem solchen internationalen Publikum nicht für die Bundesregierung schämen wollte.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das ist die Situation.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie haben Vertrauen in die Bundesregierung!)

- Nein, ich habe zunächst einmal Vertrauen in die eigene Kraft.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Eigene Kraft durch das Geld des Bundes!)

   Das Hauptproblem in Ostdeutschland ist der Mangel an industriellen Arbeitsplätzen. Deshalb ist mir die Entscheidung vollkommen unverständlich. Sie widerspricht allem, was bisher über die Parteigrenzen hinweg für den Aufbau Ost galt. Deswegen noch einmal: Wir brauchen von Ihnen, Herr Stolpe, und von der restlichen Bundesregierung das Signal, dass alle Verpflichtungsermächtigungen ab sofort freigegeben werden

(Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

und dass Sie auch im Bundeshaushalt des Jahres 2005 ähnliche Verpflichtungsermächtigungen für die Jahre 2006 bis 2008 ausbringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dann kann es weitergehen. Ich kann doch nicht sagen: Der Bund zahlt im Augenblick nur ein Drittel. Der Bund weiß nicht, was er will. Da müssen wir noch einen Monat warten, bis vielleicht wieder eine Haushaltsklausur stattgefunden hat. - Das ist Gift für die Investoren. Diese Diskussion sollte man erst gar nicht anfangen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Warum führen Sie sie dann?)

   Sachsen - das will ich deutlich sagen - ist bereit, alle zur Verfügung stehenden GA-Mittel zu finanzieren. Wir haben Investoren und wir wollen sie nicht nach Osteuropa ziehen lassen. Sollte das eine oder andere Bundesland im Osten keine Investoren haben oder nicht in der Lage sein, die GA-Mittel abzunehmen, so bin ich bereit, diese abzunehmen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Nun zu den Koch Steinbrück-Vorschlägen, die von der Bundesregierung als Begründung für eine eventuelle Streichung von der Bundesregierung herangezogen werden. Das ist Unsinn. Richtig ist, dass sich die ostdeutschen Länder der gesamtdeutschen Solidarität nicht verschlossen haben und bereit waren, auch in ihrem Bereich Kürzungen von 4 Prozent pro Jahr zu akzeptieren. Aber 4 Prozent sind nicht 45 Prozent.

(Zuruf von der SPD: Eben!)

Der Bundesfinanzminister hat dem Bundeswirtschaftsminister eine Kürzungssumme aufgegeben, die auch die Steinkohle umfasst. Weil er da nicht kürzen kann, kürzt er im einzigen flexiblen Bereich und das ist die GA-Förderung. Das ist doch die Wahrheit.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das ist nicht die Wahrheit!)

- Natürlich! Sie können im Bereich der Steinkohle im Augenblick die Subventionen gar nicht kürzen, Sie können sie nur verschieben, weil die Rechtsbindung bis weit in das nächste Jahrzehnt reicht.

(Klaus Uwe Benneter (SPD): Weil die Situation der Menschen da genauso schlimm ist! - Widerspruch bei der CDU/CSU)

- Herr Benneter, ich will nicht die Mittel der Ruhrkohleförderung, aber es wäre sicherlich im Sinne des Ruhrgebietes besser, diese Gelder würden für die Ansiedlung zukunftsgerichteter Industrie verwendet statt für die Abwicklung der Vergangenheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich mache mir Sorgen um Ostdeutschland. Ich mache mir auch Sorgen um ganz Deutschland, denn ich weiß, wenn der Osten nicht vorankommt, dann leidet ganz Deutschland. Ich kann - das will ich deutlich sagen - bei der Bundesregierung und bei dem, was hier gesagt wurde, keine Strategie für den Aufbau Ost erkennen,

(Cornelia Pieper (FDP): Seit sechs Jahren!)

allenfalls das alte Lied: Fahren nach Sicht. Es geht nach dem Motto: Kommt Zeit, kommt Rat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Christoph Matschie (SPD): Das ist immer noch besser als Blindflug!)

   - Lassen Sie mich ausreden, Herr Matschie; Sie kommen doch auch gleich zu Wort - Der für die Bundesregierung wenig erfreuliche

Bericht zum Stand des Aufbaus Ost vom vergangenen Herbst - er wurde schon zitiert - wurde von der Bundesregierung nur mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Herr Kollege Stolpe, wo bleibt die politische Antwort auf die niederschmetternde Analyse der Institute, dass im Zweifel nur eine passive Sanierung übrig bleibt? Wissen Sie, was eine passive Sanierung ist? Sie können eine Region dadurch sanieren, dass Sie den Zähler vergrößern und dass dadurch das Pro-Kopf-Einkommen steigt. Sie können dies aber auch dadurch erreichen, dass der Nenner sinkt. Das nennt sich passive Sanierung oder schlicht Abwanderung.

   Ist das die Antwort der Bundesregierung hinsichtlich des Aufbaus Ost? Das kann doch nicht richtig sein. Klaus von Dohnanyi, ich selbst und andere haben konkrete Vorschläge vorgelegt, die alle ein und dieselbe Forderung in unterschiedlichen Nuancen umfassen: So wie bisher kann man nicht weiter vorgehen.

(Cornelia Pieper (FDP): Richtig!)

Wir brauchen für den zweiten Teil des Aufbaus Ost einen neuen Anlauf und neue Regeln, aber nicht mehr Geld.

(Cornelia Pieper (FDP): Weniger Regeln! - Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die ganze Zeit haben Sie über Geld gesprochen!)

- Ich habe über das Geld geredet, das uns zugesagt worden ist. Eines werden Sie nicht hinbekommen, Herr Kollege, nämlich dass Sie bezogen auf den Aufbau Ost mit weniger Geld, das für Investitionen zur Verfügung gestellt wird, eine größere Wirkung erzielen können.

(Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was ist das für eine Investitionspolitik, die nur Fördermittel braucht, Herr Ministerpräsident?)

   Ich werde zu einigen Punkten noch etwas ausführen. Auch die ostdeutschen Länder haben ihren Beitrag zur Kürzung von Subventionen in einem anderen Bereich geleistet. Die Investitionszulagen sind durch Beschlussfassung des Bundestags im Frühjahr um drei Viertel gekürzt worden. Ich halte das für vertretbar. Auch das ist ein Beitrag zur inneren Solidarität.

   Der Aufbau Ost ist überall dort gelungen, wo der Staat direkt einwirken konnte und wo die ostdeutschen Länder und Kommunen wie auch der Bund selbst Verantwortung getragen haben. Das gilt zum Beispiel für das Gesundheitswesen, die Altenpflege, Schulen, Umwelt und Altlasten. Aber bei der zentralen Aufgabe der Entwicklung einer sich selbst tragenden Wirtschaftsentwicklung im privaten Sektor kommen wir seit 1997 nicht mehr voran.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Seit 1996!)

Wir haben erst 60 Prozent der Wirtschaftskraft des Westens erreicht und sind seit Beginn der rot-grünen Bundesregierung auf diesem Stand stehengeblieben. Darüber haben wir zu diskutieren.

   Unser gemeinsames gesamtdeutsches Ziel muss doch sein, die hohen Transferzahlungen von West nach Ost zu reduzieren. Wir sind bereit, die Förderpraxis der vergangenen Jahre kritisch zu überprüfen. Wir müssen eine Umsteuerung bei der Förderung vornehmen, damit starke industrielle Kerne und nachhaltig sichere Arbeitsplätze entstehen. Ich bin auch bereit, mich einer Diskussion über die Frage der Fehlverwendung von Mitteln zu stellen. Aber Sie wissen aus den Berichten der Bundesregierung, dass zumindest dem Freistaat Sachsen in dieser Hinsicht kein Vorwurf gemacht werden kann.

   Ich freue mich, dass Bundesminister Stolpe mittlerweile auf unser sächsisches Modell der Förderung industrieller Wachstumspole - die so genannten Cluster - eingeschwenkt ist. Ich wiederhole: Es geht mir nicht um mehr Geld; wir möchten vielmehr das vorhandene Geld effektiver einsetzen. Angesicht sinkender Mittel brauchen wir eine abgestimmte industriepolitische Förderstrategie.

   Die Unternehmen, die den Kern der Wachstumspole bilden, funktionieren als starke Lokomotiven. Diese Lokomotiven ziehen eine Vielzahl von kleinen und mittelständischen Waggons nach sich, und zwar nicht nur im unmittelbaren räumlichen Umfeld, sondern weit in das Land ausgreifend, wie man es in Sachsen insbesondere bei der Automobilzulieferindustrie sieht. Deshalb brauchen wir auch ein leistungsfähiges Verkehrsnetz in den schwachen Regionen, um diese an die starken Regionen anzubinden.

(Zuruf von der CDU/CSU: So ist das!)

   Mit dem Aufbau ist es wie bei einem Rennwagen. Sie können einen Rennwagen doch nicht dadurch schneller machen, dass Sie die Motorleistung drosseln. Natürlich muss der Spritverbrauch sinken, aber darunter darf die Motorleistung nicht leiden. Gefragt sind vielmehr Feintuning, eine bessere und genauere Einspritzung, eine bessere Dynamik und möglicherweise auch ein besserer Fahrer.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gilt das für Sachsen?)

   Wichtig ist, dass der Bund endlich den Korb 2 des Solidarpakts II gesetzlich fixiert; denn die GA-Mittel sind Teil des Solidarpakts.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): So ist es!)

Hätten wir diese gesetzlich fixiert, wäre die von Herrn Clement angestoßene Diskussion über die Kürzung der GA-Mittel erst gar nicht möglich gewesen. Deswegen fordere ich Sie alle auf, möglichst schnell Klarheit beim Korb 2 des Solidarpaktes II bis 2019 zu schaffen. Dann können wir uns solche Diskussionen wie die heutige ersparen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ein Punkt ist mir noch besonders wichtig. Wir könnten beim Aufbau Ost viel mehr erreichen, wenn wir mehr Freiheiten hätten. 1990 haben wir in Ostdeutschland ein System übernommen, durch das im Westen Jahr für Jahr viele Tausende industrielle Arbeitsplätze verschwinden. Mit diesem System West können Sie doch die fehlenden Arbeitsplätze im Osten nicht schaffen. Mit „Weiter so wie bisher“, dem Inhalt des vorliegenden Koalitionsantrages, werden wir weiter wie bisher hinterherhinken. Meine Damen und Herren Abgeordneten der Koalitionsfraktionen aus dem Osten, wollen Sie das? Ist das der Auftrag Ihrer Wähler? Wie wollen Sie denn die extrem hohe Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland bekämpfen? Was sagen Sie denjenigen, die abwandern wollen? Sicherlich nicht das, was in Ihrem Antrag steht, den Sie heute beschließen. Sie wissen doch ganz genau, dass dieser Antrag weiße Salbe ist und dass sich mit ihm die Kernprobleme des Ostens nicht lösen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Deswegen appelliere ich an Sie: Diskutieren Sie doch mit uns, den Ländern, und meinetwegen auch mit den Oppositionsfraktionen darüber, wie wir mehr Freiheit geben können und wie wir aus den Mitteln mehr machen können. Schauen wir doch einmal über den Tellerrand unserer Nation hinaus und sehen uns an, welche anderen europäischen Länder Erfolge erzielt haben. Irland zum Beispiel hat sich in 30 Jahren durch eine gezielte Wirtschaftspolitik, durch Zukunftsinvestitionen in Bildung und Unternehmen sowie durch flexible Strukturen von einem der ärmsten zu einem der reicheren Länder der EU entwickelt.

(Franz Müntefering (SPD): Jetzt lenken Sie doch nicht ab! Darum geht es doch gar nicht!)

- Doch, Herr Müntefering, genau darum geht es. Wir sollten uns an denjenigen Ländern in Europa orientieren, die Wachstum geschaffen haben,

(Franz Müntefering (SPD): Ja, Ja, ist ja gut!)

und nicht an denjenigen Ländern, die seit Jahren so gut wie kein Wachstum mehr auf die Beine gebracht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Franz Müntefering (SPD): Aber im Bundesrat kneifen Sie!)

   Geben Sie uns, den neuen Bundesländern, doch mehr Freiheit! Was würden Sie denn verlieren? - Gar nichts!

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Welche Freiheit, Herr Milbradt?)

Es gibt doch nur zwei Möglichkeiten, wenn Sie uns mehr Freiheit geben: Wir haben entweder Erfolg oder Misserfolg. Im ersten Fall werden uns andere nacheifern und im letzten Fall werden wir die politischen Folgen selbst zu tragen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU - Franz Müntefering (SPD): Sie kneifen doch! An beiden Stellen wollen Sie Recht haben! Aber Sie müssen sich einmal entscheiden, was Sie wollen!)

Geben Sie uns die Freiheit, die Wachstumsregionen in anderen EU-Ländern haben, mit denen wir konkurrieren. Wir brauchen in Deutschland mehr Mut, mehr Kreativität und eine größere Bereitschaft zum Experimentieren. Die Menschen in Ostdeutschland haben in den vergangenen Jahren Großartiges geleistet.

(Franz Müntefering (SPD): Im Bundesrat kneifen und hier die Backen dick aufblasen!)

Sie haben bewiesen, dass sie Mut, Kreativität und Bereitschaft zum Wandel haben. Jetzt kommt es darauf an, dass der Staat ihnen die Türen öffnet und nicht ständig Steine in den Weg legt.

(Zuruf von der SPD: Im Bundesrat!)

   Danke sehr.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU - Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Christoph Matschie, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Christoph Matschie (SPD):

Herr Präsident! Werte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte auf die Katastrophenstimmung, die Sie, Frau Pieper und Herr Milbradt, hier verbreitet haben,

(Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Wo sind Sie denn gewesen?)

mit Sätzen antworten, die der Vorstandsvorsitzende der Jenoptik AG dem „Stern“ gesagt hat:

Ostdeutschland ist besser als sein Ruf. Ich glaube, wir Deutsche neigen dazu, den Standort schlecht zu reden. Statt schnelle Urteile über den Aufbau Ost abzugeben, rate ich, abzuwarten, bis sich die gute Infrastruktur voll auswirkt.

Recht hat der Mann! Das sage ich Ihnen, Frau Pieper.

(Beifall bei der SPD)

   Herr Milbradt, Sie haben hier über die Gemeinschaftsaufgabe gesprochen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Zutreffend!)

Ich glaube, wir alle sind uns einig, dass dies unser wichtigstes Wirtschaftsförderinstrument ist. Das hat auch Herr Stolpe hier deutlich gemacht. Ich bin dezidiert der Auffassung: Wir brauchen dieses Instrument auch in den nächsten Jahren beim Aufbau Ost, und zwar in dem bisher zugesagten Umfang.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Aber die von Ihnen hier verbreitete Katastrophenstimmung verschreckt Investoren und trägt nicht zum Aufbau Ost bei, Herr Ministerpräsident.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Widerspruch bei der CDU/CSU und der FDP - Zurufe von der CDU/CSU: So ein Quatsch! - Unglaublich!)

   Herr Milbradt, zum Mut, Forderungen zu stellen, gehört der Mut, über die Finanzierung der Umsetzung dieser Forderung zu reden. Auch darüber müssen wir hier diskutieren, Herr Milbradt.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Herr Kollege Matschie, darf Ihnen die Kollegin Pieper eine Zwischenfrage stellen?

Christoph Matschie (SPD):

Einen kleinen Moment. Ich bin mit Herrn Milbradt gleich fertig. Dann kommt Frau Pieper dran.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD - Zuruf von der SPD: Weitermachen!)

   Herr Milbradt, jeder in diesem Haus und auch bei Ihnen weiß: Die Lage der öffentlichen Kassen ist äußerst angespannt. Das gilt für den Bund, für die Länder und für die Gemeinden.

(Klaus Uwe Benneter (SPD): Auch in Sachsen!)

Wenn man an einer bestimmten Stelle „Hier darf nicht gekürzt werden“ sagt - diese Forderung unterstütze ich; bei Bildung und Forschung darf ebenfalls nicht gekürzt werden -,

(Zuruf von der CDU/CSU: Da wird doch gekürzt!)

dann muss man sagen, woher das Geld genommen werden soll. Wir haben Vorschläge zum Subventionsabbau gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir haben beispielsweise vorgeschlagen, die Eigenheimzulage abzuschaffen und das eingesparte Geld an anderen Stellen sinnvoller zu investieren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Uwe Küster (SPD): Da haben sie Parteipolitik gemacht! - Franz Müntefering (SPD): Da haben sie gekniffen!)

Als wir das taten, da saßen Sie auf der Bank der Blockierer. Sie haben zu diesem Subventionsabbau Nein gesagt. Angesichts dessen sollten Sie sich nicht hierhin stellen, Forderungen erheben und ungedeckte Schecks ausstellen. Auch das gehört zur Wahrheit, Herr Milbradt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Zu einer Zwischenfrage bekommt die Kollegin Pieper das Wort.

Cornelia Pieper (FDP):

Herr Kollege Matschie, Sie haben der Opposition vorgeworfen, den Standort neue Bundesländer schlechtzureden, obwohl wir hier ganz konkrete Vorschläge gemacht haben, wie wir den Aufbau Ost mit einer Gesamtstrategie - Modellregionen etc. - voranbringen können. Wie würden Sie die Äußerungen Ihrer Ministerpräsidenten Steinbrück, Simonis usw. bezeichnen, die den Aufbau Ost ständig schlechtreden und permanent fordern, die Förderprogramme zu kürzen und aufzuhören, die Fördermittel nach Himmelsrichtungen zu verteilen - was noch nie stattgefunden hat?

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Christoph Matschie (SPD):

Sehr geehrte Frau Kollegin, ich will hier noch einmal in aller Klarheit deutlich machen: Meine Position ist, dass diese Fördermöglichkeiten nicht beschnitten werden dürfen.

(Beifall des Abg. Dr. Uwe Küster (SPD))

Diese Position habe ich auch gegenüber SPD-Ministerpräsidenten deutlich gemacht. Sie wissen so gut wie ich, dass es in den Bundesländern unterschiedliche Interessen gibt. Die damit verbundenen Konflikte werden ausgetragen. Meine Position ist hier deutlich geworden.

(Zuruf von der CDU/CSU: Ja, Ihre eigene!)

Zu dieser Position stehe ich auch.

   Im Übrigen, Frau Pieper, sollten wir wirklich wahrnehmen, dass der Aufbau in Ostdeutschland zwei Gesichter hat. Man muss sie beide sehen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Man muss auf der einen Seite wahrnehmen: Es gibt heute in Ostdeutschland die modernsten Fabriken und die neuesten Forschungslabore. Es gibt Städte, die wieder zum Leben erwacht sind.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das haben wir gesagt! Das sind unsere Worte!)

Das ist eine Aufbauleistung von Millionen Menschen in Ostdeutschland, die so gewaltig ist, dass man davor wirklich Respekt haben muss.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das sind unsere Worte gewesen!)

Man darf nicht immer nur schwarz malen, wie Sie, Herr Vaatz, es hier gemacht haben.

   Natürlich gibt es auch eine andere Seite. Wer aufmerksam durch Ostdeutschland fährt, der sieht diese andere Seite. Neben dem gelungenen Aufbau gibt es die bedrückende, hohe Arbeitslosigkeit.

(Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt fangen Sie nicht mit dem Schwarzmalen an!)

In manchen Regionen liegt sie bei über 20 Prozent.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das sind unsere Worte, Herr Matschie!)

In diesen Regionen herrscht Angst, weil die jungen Menschen weggehen und weil die Alten allein zurückbleiben. Natürlich gibt es das alles. Es gibt Regionen, in denen die Hoffnung langsam stirbt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Was sagen Sie denen, Herr Matschie?)

   Aber, Herr Kollege Vaatz, wir müssen doch die Frage stellen: Wie kommen wir an dieser Stelle weiter?

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Ja, natürlich!)

Wir dürfen nicht nur das Problem beschreiben. Deshalb haben wir auch heute konkrete Vorschläge dazu auf den Tisch gelegt.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Welche denn?)

   Ostdeutschland war und ist auf Unterstützung angewiesen. Ich will an dieser Stelle noch einmal sagen: Meine Erfahrung in den letzten Jahren war - ich teile sie mit vielen Kolleginnen und Kollegen, auch aus den alten Bundesländern -, dass eine großartige solidarische Leistung vollbracht worden ist, und zwar von den Ostdeutschen, die den Mut gehabt haben, anzupacken, und von den Westdeutschen, die mitgeholfen haben, dass diese Solidarität finanziert werden kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Arnold Vaatz (CDU/CSU): Die durch Taschenspielertricks der Regierung jetzt entwertet wird! Das ist die Realität!)

   Natürlich ist auch klar: Die Ungeduld wächst. Sie wächst im Osten, weil es nicht schnell genug vorangeht. Sie wächst auch im Westen, weil da gefragt wird: Was ist in den letzten Jahren passiert? Warum ist es nicht so schnell vorangegangen, wie wir alle uns das erhofft haben? Deshalb müssen wir heute auch darüber diskutieren: Wie setzen wir die Mittel, die wir zur Verfügung haben, möglichst effizient ein? Was machen wir aus den Möglichkeiten, die wir hier haben?

   Natürlich gehört dazu, auch den Mut zu haben, zu sagen: Wir müssen Mittel stärker auf Wachstumskerne und auf möglichst Erfolg versprechende Entwicklungen konzentrieren. Sie haben einige davon beschrieben, die übrigens in erheblichem Umfang mit Bundesgeld gefördert worden sind. Diese Entwicklung soll auch weitergehen. Wenn junge Leute mobil sind - sie sind es nun einmal -, suchen sie ihre besten Chancen. Wir aber wollen doch, dass sie nicht aus Ostdeutschland nach München, nach Stuttgart oder nach Düsseldorf gehen, sondern dass sie in Dresden, in Leipzig oder in Jena bleiben, weil sie dort die besten Möglichkeiten für sich sehen. Also müssen wir Wachstumskerne fördern.

(Beifall bei der SPD)

   Ich bin Manfred Stolpe für seine Initiative dankbar, der das Gespräch mit den Bundesländern aufgenommen hat, um zu klären, wie man die Möglichkeiten, die Bund und Länder haben, besser miteinander koordiniert, wie man Kräfte bündelt und auf solche Erfolg versprechenden Entwicklungen konzentriert.

   Natürlich kommt es vor allem darauf an, Innovationskraft zu stärken. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung hat in den letzten Jahren die Mittel für die Innovationsförderung in den neuen Bundesländern quasi verdoppelt - daran hat Edelgard Bulmahn einen ganz großen Anteil -; hier ist eine gigantische Leistung vollbracht worden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Jeder, der durchs Land fährt, erkennt: Das Geld ist gut angelegt. Das kann man überall sehen. Vo wenigen Tagen haben wir in Ilmenau ein neues Fraunhofer-Institut auf den Weg gebracht. Ich bin gestern in Hermsdorf gewesen und habe mir angeschaut, welche Früchte die Wachstumskerneförderung dort getragen hat. Man kann das mit Händen greifen. Es wirkt. Das ist auch die Stärke, die wir in den nächsten Jahren gewinnen müssen. Wir müssen Innovations- und Wachstumskräfte stärken.

   Was sich in Ihrem Antrag wiederfindet - Löhne weiter runter, Niedriglohnsektor ausweiten -, das ist nicht der Weg in Ostdeutschland.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Schauen Sie sich doch mal um! Schon heute gibt es in vielen Bereichen in Ostdeutschland Löhne, von denen ich sage, dass sie unterhalb der Schamgrenze sind. In Erfurt beispielsweise gehen Menschen mit einem Bruttostundenlohn von 3,30 Euro nach Hause. Von diesem Lohn kann man nicht leben; man muss zusätzliche staatliche Hilfe beantragen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Deshalb sage ich Ihnen als Abgeordneter aus Ostdeutschland: Wir brauchen nicht über Niedriglöhne und die Ausweitung des Niedriglohnsektors zu reden. Wir brauchen eine Debatte über einen gesetzlichen Mindestlohn. Wir brauchen Mindeststandards in Ostdeutschland, damit Menschen mit ihrer eigenen Hände Arbeit ihren Lebensunterhalt verdienen können. Die Debatte über Mindestlöhne ist die Debatte, die wir heute führen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Cornelia Pieper (FDP): So ein Quatsch!)

   - Nein, das ist kein Quatsch, Frau Pieper.

(Cornelia Pieper (FDP): Doch!)

Neun Länder in der Europäischen Union haben solche Mindestlohnregelungen eingeführt, weil sie erkannt haben: Wir brauchen eine untere Grenze für die Lohnentwicklung, damit Menschen am Ende auch von ihrer Hände Arbeit leben können und nicht auf zusätzliche staatliche Hilfe angewiesen sind. Für mich ist es auch eine Frage der Würde des Menschen,

(Zuruf von der SPD: Richtig!)

ob man einen angemessenen Lohn für seiner Hände Arbeit bekommt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie mich zum Schluss Folgendes sagen: Die Entwicklung in Ostdeutschland ist trotz aller Probleme - das ist meine feste Überzeugung - eine Erfolgsgeschichte, an der Millionen von Menschen mitgeschrieben haben. Lassen Sie uns deshalb im Deutschen Bundestag gemeinsam dafür sorgen, dass diese Erfolgsgeschichte in den nächsten Jahren fortgeschrieben werden kann und dass wir auf diesem Weg möglichst alle mitnehmen.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Norbert Lammert:

Das Wort erhält nun die Kollegin Cornelia Behm, Bündnis 90/Die Grünen.

Cornelia Behm (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass wir zum Thema „Zukunft Ostdeutschlands“ eine Kernzeitdebatte am Donnerstagvormittag führen, erfüllt mich durchaus mit Befriedigung,

(Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU): Das haben Sie den Oppositionsparteien zu verdanken!)

zeigt es doch, dass dieses Thema wichtig ist. Ostdeutschland hat noch immer in besonderer Weise an den Folgen der jüngsten Geschichte zu tragen. Es ist gut, dass das Parlament das ganz ernst nimmt.

   Die CDU/CSU bildet in ihrem Antrag „Ostdeutschland eine Zukunft geben“ ein weich gezeichnetes Bild der bisherigen Erfolge des Aufbaus Ost ab.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Weich gezeichnet?)

- Ja. - Ich bin weit davon entfernt, das Erreichte kleinzureden und dem Klischee des ewig unzufriedenen Ostlers zu entsprechen, doch die Bilanz, die dieser Antrag zieht, ist geschönt: kein Wort über die Deindustrialisierung, die wir im Osten erlebt haben, kein Wort über den Wohnungsleerstand und den Verfall von Städten aufgrund drastisch sinkender Bevölkerungszahl, kein Wort über vor sich hin rottende Industrie- und Gewerbebrachen

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das stand in unserem letzten Papier!)

und über fehlgeplante überdimensionierte Infrastruktur, kein Wort über gigantische Fehlinvestitionen von Fördermitteln

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Schwarzmalerei!)

und darüber, dass man vor 1990 Arbeitslosigkeit nur vom Erzählen kannte. Neben den vielen Erfolgen gehört auch das zur Realität Ostdeutschlands. Es ist kein Wunder, dass die CDU/CSU das in ihrem Antrag unerwähnt lässt; denn wenn sie es erwähnen würde, müsste sie auch ihre Verantwortung für gewaltige Fehlsteuerungen und Fehlinvestitionen in den 90er-Jahren eingestehen.

   Die CDU/CSU fordert, fruchtlosen Debatten über Sonderwirtschaftszonen entgegenzutreten. Dem kann ich nur zustimmen. Allerdings frage ich mich, wo die Konsequenz bleibt. Wann hören Sie endlich auf, Sonderregelungen für den Osten zu fordern, zum Beispiel im Planungs- und Genehmigungsrecht? Warum unterliegen Sie noch immer dem Irrglauben, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass durch die Ausschaltung von Bürgerbeteiligung und Verbandsklagerechten Projekte schneller realisiert werden können?

(Michael Kretschmer (CDU/CSU): Weil wir es tagtäglich erleben!)

Hier soll Demokratieabbau als Entbürokratisierung verkauft werden. Jawohl, so sehe ich das.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb lehnen wir den Gesetzentwurf der CDU/CSU-geführten Bundesländer zur Streichung des Verbandsklagerechtes für Naturschutzverbände ab. Aus denselben Gründen wird es mit uns auch keine Verlängerung der Geltungsdauer des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetzes geben.

   Meine Damen und Herren, die CDU/CSU fordert, den Kündigungsschutz in Ostdeutschland auszusetzen. Ich sehe nicht, dass es Ostdeutschland gut bekommen würde, wenn beim Arbeitsrecht niedrigere Standards als in Westdeutschland eingeführt würden. Ob die daraus abgeleiteten vagen Arbeitsplatzerwartungen Realität werden, ist doch sehr zweifelhaft. Welche Zugewinne an Arbeitsplätzen sind uns nicht schon von den Wirtschaftsforschungsinstituten durch Sozialabbau und Deregulierung des Arbeitsrechtes prognostiziert worden! Von diesen Arbeitsplätzen haben wir bisher kaum welche gesehen. Real aber ist die Gefahr, dass mit zunehmendem Sozialabbau die Motivation und damit die Produktivität und Qualität der Arbeit sinken. Das wäre kein Anreiz, in den Standort Ost zu investieren.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, die ostdeutsche Wirtschaft stärken heißt die regionale Wirtschaft stärken. Ostdeutschland ist keineswegs ein homogenes Gebilde, sondern weist eine Vielfalt von Regionen mit jeweils typischer Ausprägung aus. Das Typische liegt nicht nur in der Wirtschaft, Infrastruktur, Kultur und Natur begründet, sondern auch in der Geschichte und Mentalität der Bevölkerung. Daran müssen sich regionale Entwicklungskonzepte orientieren, die die jeweiligen Wirtschaftspotenziale erschließen sollen.

   Auch die Lage an der Grenze zu den neu zur EU beigetretenen Ländern Polen und Tschechien ist ein Kapital, mit dem ostdeutsche Regionen wuchern können. Ein tschechischer Kollege verglich unlängst die Euroregionen mit Ökosystemen: je größer die Artenvielfalt, desto stabiler das System. In den Euroregionen hat die Zukunft am 1. Mai dieses Jahres begonnen.

Angesichts der Debatte über Wachstumskerne ist es mir besonders wichtig, dass der ländliche Raum nicht abgehängt wird. Auch hier können Wachstumskerne identifiziert werden; denn ländlicher Raum ist mehr als nur Landwirtschaft. Im ländlichen Raum Industrien aufzubauen, für die es dort weder die Rohstoffbasis noch die Zulieferer noch die Absatzmärkte gibt, ist allerdings wenig erfolgversprechend. Industrie und Gewerbe müssen vor allem an das anknüpfen, was dort an Rohstoffen, Arbeitskräftepotenzial und Traditionen vorhanden ist.

   Wir setzen deshalb zum Beispiel auf den Anbau und die Verarbeitung von nachwachsenden Rohstoffen. Das hat einen dreifachen Effekt: Nachwachsende Rohstoffe können fossile Rohstoffe ersetzen - damit werden Ressourcen geschont -, sie haben in der Regel eine bessere Ökobilanz und sie schaffen zusätzliche Arbeit in Deutschland. Durch den Aufbau von Verarbeitungskapazitäten entstehen noch zusätzliche Arbeitsplätze, zum Beispiel im Anlagenbau.

   Ein weiteres Potenzial des ländlichen Raums stellt der wachsende Markt für Erholungsleistungen dar. In der Debatte um die wirtschaftliche Entwicklung im Osten gerät die Bedeutung kultureller Angebote und Einrichtungen, von Kulturdenkmälern, sozialer Infrastruktur und Naturschätzen leicht aus dem Blickfeld.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kommen Sie bitte mal zum Thema!)

Sie aber sind ein Kapital Ostdeutschlands, das es für die Entwicklung des Landes zu nutzen gilt. Auf der Basis der Kulturdenkmäler und der Naturschätze gilt es den Tourismus zu entwickeln. Sie sind aber auch Voraussetzung dafür, dass die Menschen gerne hier leben bzw. hierher ziehen.

   Im Osten Deutschlands liegen ohne Zweifel die meisten strukturschwachen Regionen. Der Auftrag des Grundgesetzes ist eindeutig: Es fordert, gleichwertige Lebensbedingungen zu schaffen. Um diese in Ost und West zu erreichen, bedarf es noch auf längere Sicht erheblicher Anstrengungen. Helmut Kohl hat blühende Landschaften versprochen; wir erinnern uns. Aber er hat an den wirklichen Bedürfnissen dieser Landschaften vorbeiregiert. Rot-Grün hat 1998 mit den Versprechungen für den Osten aufgehört. Aber Rot-Grün hat gehandelt. Neben den Gemeinschaftsaufgaben wurden zahlreiche innovations- und wirtschaftsfördernde Programme insbesondere für Ostdeutschland entwickelt. Auf diesem Weg werden wir weitergehen. Mit den Gesetzen zur Modulation, zur Agrarreform und zum EEG sowie mit der Mittelstandsoffensive geben wir nicht nur allen strukturschwachen Regionen eine Entwicklungsperspektive, sondern - um im Bild zu bleiben - Ostdeutschland eine Zukunft.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Bernward Müller.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bernward Müller (Gera) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Matschie, Sie haben Ihren Vortrag vorhin in einer sehr aufgeregten - mir von Ihnen unbekannten -, gekünstelten Art dargeboten und gefragt, wie wir in den neuen Bundesländern weiterkommen können. Die Antwort ist leicht zu finden: Sie können sie in unserem Antrag oder in den Protokollen der heutigen Debatte lesen. Wenn Sie aus diesen nicht nur Worte oder Passagen, die in Ihre Vorstellungswelt passen, herausnehmen, sondern einmal das Ganze lesen - was ich hoffe -, werden Sie in dem, was heute von der Unionsfraktion und der Opposition in diesem Hause insgesamt gesagt worden ist, richtige Antworten finden, die Sie, wenn Sie sie auch nur zum Teil beherzigen, einen großen Schritt nach vorn bringen werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP))

   Sie sprechen immer davon, wir würden die Situation in den neuen Bundesländern schlecht reden.

(Zuruf von der SPD: Das machen Sie ja auch!)

- Das ist nicht wahr. - Wer die Situation in den neuen Bundesländern kennt, der muss erkennen, dass die Konzepte, die Sie in den letzten Jahren vorgeschlagen haben und die das Land voranbringen sollten, eben nicht greifen. Das betrifft nicht nur die Lage in den neuen Bundesländern, sondern die gesamte politische Situation. Was Sie als Lösungen anbieten, sind keine Lösungen. Es verunsichert die Menschen und es macht Ihr politisches Handeln unglaubwürdig. Damit muss endlich Schluss sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Kollege Hettlich hat vorhin die unsägliche Debatte der letzten Wochen bewertet. Ich schließe mich dieser Bewertung an. Es ist äußert wichtig, immer zu wiederholen: In den neuen Bundesländern hat es kurzzeitig einen Aufschwung gegeben. Der Beginn war gut, aber die Fortsetzung - das ist das Entscheidende - hätte besser sein müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP))

   Ministerpräsident Milbradt hat ausgeführt, dass dort, wo der Staat eingegriffen und Regie geführt hat, vieles gelungen ist. Die weichen Standortfaktoren sind vorhanden und wirken. Aber mich besorgt, dass es außerhalb dieser so genannten Wirtschaftszentren noch zu viele ungenutzte Flächen in den Gewerbegebieten auf dem flachen Land gibt. Es muss etwas getan werden, damit sich auch dort eine positive Entwicklung einstellt. Wir wollen doch, dass die Menschen in den neuen Bundesländern bleiben, dass beispielsweise Thüringer in Thüringen bleiben. Wir wollen, dass unsere Kinder in unseren Ländern eine gute Ausbildung genießen können, ihre Zukunft gestalten können und eine Perspektive haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Fast jeder Redner hat hier betont, die Menschen hätten sich engagiert. Das ist so. Die Herausforderungen waren riesig; viele haben sich diesen Herausforderungen gestellt und haben Mut bewiesen, indem sie den Weg von einer staatlichen Wirtschaft zum Unternehmertum gegangen sind. Nun liegt es an uns, diesen Mut zu honorieren und diese Menschen zu unterstützen. Man sollte die Mittelständler nicht knebeln und ihnen Fesseln anlegen, sondern man sollte ihnen Chancen eröffnen. Denjenigen, die selbstständig werden wollen, sollte man eine Perspektive eröffnen, damit sie Ideen aufgreifen und sich als Unternehmer betätigen können; denn nur Unternehmer können Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP - Manfred Grund (CDU/CSU): Sehr gut!)

   Man muss wirklich feststellen, dass die Zeit wie im Fluge vergeht. Den Aufbau Ost zur Chefsache zu machen war eine Drohung für die Menschen in den neuen Bundesländern. In der Zukunft wäre es besser, wenn die verantwortlichen Minister der Bundesregierung nicht in diese Region fahren und nicht versuchen, dort die Entwicklung voranzubringen. Nur dann kann es weitergehen.

   Die Bundesregierung ist ihrer Aufgabe, für die neuen Bundesländer Entscheidendes voranzubringen, so wie es 1998 angekündigt wurde, in keiner Weise gerecht geworden. Ich will als Beispiel die ICE-Trasse Erfurt-Nürnberg nennen, die heute schon erwähnt wurde. Dieses Projekt ist für Thüringen - aber eben nicht nur für Thüringen - besonders wichtig. Das sind doch die Zeichen, die gesetzt werden müssen, damit Investoren ins Land kommen. Was hat es für einen Schlingerkurs gegeben, als Sie die Verantwortung für dieses Projekt übernommen haben!

(Zuruf von der SPD)

- Natürlich war das ein Schlingerkurs.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Erst auf dem Prüfstand!)

Erst musste alles geprüft werden. Dann haben die Grünen gesagt, das sei nicht wirtschaftlich. Die SPD wiederum hat gesagt, die Strecke werde doch gebaut, aber sie werde halt nicht so schnell gebaut.

(Renate Blank (CDU/CSU): Es wird überhaupt nicht mehr gebaut! - Zuruf von der SPD)

- Für Sie mag das so sein. Aber für uns ist es ganz wichtig.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege, achten Sie auf Ihre Redezeit. Sie müssen jetzt schnell zum Schluss kommen.

Bernward Müller (Gera) (CDU/CSU):

Ich komme ganz schnell zum Schluss.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Schneller, als die Strecke gebaut wird!)

   Es ist eine Katastrophe, wie Sie dieses Projekt voranbringen. Es herrscht Stillstand. Aber Stillstand ist Rückschritt. Auch wenn sich drei Bagger bewegen, so muss man doch sagen: Es geht nichts voran, sondern es herrscht Stillstand. Herr Matschie, ich sehe nicht, dass diese Strecke unter Ihrer Verantwortung jemals fertig gebaut wird.

   Ich gebe Ihnen folgende Empfehlung: Stellen Sie die Weichen neu oder machen Sie Platz für eine neue Politik!

(Beifall bei der CDU/CSU - Manfred Grund (CDU/CSU): Stellen Sie die Weichen! Oder besser: Weichen Sie!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Siegfried Scheffler.

Siegfried Scheffler (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Wenn man hier teilweise die Reden hört, insbesondere die von Frau Pieper - Herr Vaatz hat sich in seinen Eingangsbemerkungen ein bisschen an die Realität herangepirscht -,

(Cornelia Pieper (FDP): Sie nehmen die Realität nicht zur Kenntnis!)

muss man denken, dass Sie ein bisschen blind durch die Lande stolzieren.

   Frau Pieper, gerade Ihr Ministerpräsident

(Cornelia Pieper (FDP): Herr Böhmer!)

teilt ja immer wieder in Presse, Funk und Fernsehen, aber auch dann, wenn er hier im Bundestag ist, mit, wie erfolgreich seine Politik ist. Dies ist sie insbesondere dann, wenn Bundesmittel ausgegeben werden. Die Leuchttürme, die Sie in Sachsen-Anhalt geschaffen haben, beruhen auf Bundesmitteln.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN - Cornelia Pieper (FDP): Hat schon die CDU/CSU-FDP-Regierung auf den Weg gebracht!)

Das war bis 1998 nicht so. Vielmehr sind gerade die Akzente, die zum Beispiel Bundesministerin Edelgard Bulmahn gesetzt hat, erfolgreich und auch in Sachsen und Thüringen hochwirksam.

   Es gibt ja ein gewisses Maß an Übereinstimmung, zum einen was die positiven Dinge, zum anderen aber auch was die wirtschaftlichen Strukturdaten betrifft. Dabei geht es um die Sicht auf den Arbeitsmarkt, aber auch um die Einschätzung und die Wahrnehmung in der Bevölkerung, dass der Weg der letzten Jahre durchaus erfolgreich war. Das können wir doch gar nicht abstreiten. Wir sagen in unserem Antrag doch ganz deutlich: Ein Weiter-so wird es nicht geben. Aber das Bild eines generellen Stillstandes der ostdeutschen Wirtschaft ist schlichtweg falsch; Kollege Vaatz, darin stimme ich ausdrücklich mit Ihnen überein. Der Aufholprozess setzt sich natürlich bei einem zu geringen Wachstum insbesondere im industriellen Bereich fort. Der Strukturwandel ist in allen neuen Ländern, von Rostock oder Rügen bis hinunter nach Zittau, sehr sichtbar. Ministerpräsident Milbradt, aber insbesondere unser Kollege Matschie aus Thüringen haben dies eindrucksvoll vorgetragen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Gleichwohl vollzieht sich keine selbst tragende Entwicklung. Wir stimmen mit Ihnen auch darin überein, dass die finanzielle Abhängigkeit von Transfers aus Westdeutschland und die Abwanderung aus den neuen Ländern nicht gut sind. Damit werden wir uns als ostdeutsche Landesgruppe in der SPD nicht zufrieden geben. Hier geht es aber nicht nur um regionale Sorgen. Herr Matschie hat es teilweise schon angesprochen: Die Entwicklung in den neuen Ländern ist vielmehr in die Entwicklung in ganz Deutschland eingebettet. Mit Angst und Hysterie, wie das in der Presse geschieht oder auch von Ihnen immer wieder versucht wird - Frau Pieper, Sie haben das eindrucksvoll bestätigt -,

(Cornelia Pieper (FDP): Ich mache mir große Sorgen!)

können wir nichts erreichen. Wir können doch nicht den ungelegten Eiern im Hinblick auf die Haushaltsberatungen 2005 vorgreifen. Wir können uns hier zwar die Köpfe über GA- und Infrastrukturmaßnahmen heiß reden. Entscheidend ist letztendlich, was der Deutsche Bundestag, wir als Parlamentarier mit unseren Haushältern, im Hinblick auf den Haushalt 2005 oder jetzt die GA 2004 entscheidet. Insofern sind für mich viele Dinge - auch Ihre Pressemitteilung gestern aus Weimar - ungelegte Eier, die nur dazu dienen, diesen Standort schlecht zu machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich sage Ihnen, dass eine differenzierte Stärken- und Schwächenanalyse, wie es Kollege Matschie hier vorgetragen hat, mit guten Vor-Ort-Kenntnissen - denn ich und andere sind sehr viel im Lande unterwegs - eine Grundlage für neue Ansätze der Förderung schaffen kann. Deshalb beinhaltet unser Antrag nicht einfach ein Weiter-so, sondern eine Neujustierung, wie das Minister Stolpe nicht erst in der heutigen Debatte, sondern schon in der Vergangenheit dargestellt hat. Diese Neujustierung ist sichtbar.

   Vorhin wurde die Verdoppelung der industrienahen Forschung angesprochen. Diese ist in der Region Berlin-Brandenburg und auch in Mecklenburg-Vorpommern sichtbar, aber natürlich nicht in allen Regionen. Wir stimmen mit Ihnen darin überein, dass wir nach wie vor eine bessere Infrastruktur und industrienahe Forschung brauchen. Das können wir aber unter den gegenwärtigen Bedingungen der Globalisierung nicht sofort erreichen.

   Noch ein Punkt: Angesichts der Bedingungen kurz nach der Wende, in der Zeit, in der Sie - das wollen Sie heute nicht mehr wissen - eine Deindustrialisierung bewirkt haben, können wir doch nicht so tun, als ob gar nichts zustande gekommen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Die Europäische Union bestätigt der Bundesregierung und dem Deutschen Bundestag nach wie vor, dass mindestens zwei Drittel der finanziellen Engpässe auf die Deindustrialisierung und die Fehler in der Zeit kurz nach der Wendezeit, zum Beispiel auf den überhitzten Bauboom, zurückzuführen sind. Darunter haben wir noch heute zu leiden. Das blenden Sie vollkommen aus.

   Das blendet auch Ministerpräsident Milbradt aus.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Er blendet ebenfalls vollständig aus, dass er 2003, als über das Steuervergünstigungsabbaugesetz verhandelt wurde, auf der anderen Seite des Tisches saß und die unionsregierten Länder vollkommene Blockadepolitik betrieben. Wäre dem nicht so gewesen, hätten die Haushälter des Deutschen Bundestages und die Bundesregierung viel mehr Spielräume

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

in der Frage der Bildungs-, Forschungs- und Verkehrspolitik gehabt. Dann wäre es möglich gewesen, wesentlich mehr für die Schiene, für die Straße und für die Wasserstraßen zu erreichen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Diese Tatsachen dürfen Sie nicht ausblenden; darum bitte ich Sie wirklich.

   Frau Pieper und Herr Milbradt haben die Aspekte der Arbeitsmarktpolitik in den Vordergrund gestellt. Sie müssen dann aber auch den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sagen, dass Sie nicht nur den Niedriglohnsektor, sondern sogar schon die Schwellenlöhne von Rumänien, Bulgarien oder anderen Staaten durchsetzen wollen.

(Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP): Das stimmt nicht!)

Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wollen hinsichtlich des Kündigungsschutzes Änderungen vornehmen.

(Dr. Karlheinz Guttmacher (FDP): Das sind Unterstellungen!)

- Das sind keine Unterstellungen. Ich habe das aus Ihren Anträgen herausgelesen. - Diese Forderungen müssen wir von der SPD mit Nachdruck zurückweisen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir können uns durchaus über Lohnergänzungsleistungen unterhalten. Ihre Ausführungen zum Arbeitsmarkt aber - ich sage das ganz deutlich - sind ein Skandal. Sie wollen - auch das unterstelle ich Ihnen - über den Umweg einer anderen Strukturpolitik in Ostdeutschland die Arbeitnehmerrechte praktisch in ganz Deutschland aushebeln. Dabei machen wir nicht mit.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Deutschland, insbesondere Ostdeutschland, braucht konkurrenzfähige Arbeitsplätze - teilweise gibt es sie schon -, um international konkurrenzfähig zu sein. Von dieser internationalen Konkurrenzfähigkeit hat Ministerpräsident Milbradt gesprochen. Der Solidarpakt II reicht bis 2019 und wir als Landesgruppe Ost haben von der Regierung GA-Mittel eingefordert. Unser Zeithorizont reicht also bis 2019 und wir dürfen ihn durch Schlechtreden nicht verkürzen und so tun, als sei er bereits 2009 oder 2010 zu Ende. Meines Erachtens sind Ihre Vorschläge teilweise nicht nur arbeitsmarktpolitisch, sondern auch wirtschaftspolitisch unsinnig. Ihre Wirkung ist teilweise verheerend.

   Sie können dort, wo die Bundesmittel greifen und durch Bundesmittel finanzierte Programme aufgelegt werden - vorhin wurde das schon genannt -, eine vernünftige Landespolitik machen. Dazu müssen Sie die Kabinette, an denen Unions- oder FDP-Politiker beteiligt sind, auffordern, die ihnen zur Verfügung gestellten Mittel sinnvoll einzusetzen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Zum Beispiel in Berlin! Das ist unglaublich!)

Nehmen wir zum Beispiel die Verwendung der Regionalisierungsmittel in Sachsen-Anhalt. Sie können vor Ort sehen, wo die Mittel für den Ausbau der Verkehrsinfrastruktur angekommen sind.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ich bitte darum, hier Ross und Reiter zu nennen. Wir müssen klar sagen, wo die Ursachen liegen, und dürfen nicht immer nur auf den Bund schauen. Die Verantwortung der Länder muss hier ganz deutlich angesprochen werden.

(Cornelia Pieper (FDP): Wo ist Ihr Konzept?)

- Frau Pieper, wir können uns gern über Fragen der Bildungs-, Forschungs-, Verkehrs- und Arbeitsmarktpolitik unterhalten. Wir beschreiten gerade in der Arbeitsmarktpolitik einen anderen Weg als Sie. Wir stellen unsere Hartz-Gesetze Ihren Forderungen nach Lohnersatzleistungen entgegen. Ich denke, damit gehen wir den wesentlich besseren Weg.

(Beifall bei der SPD - Cornelia Pieper (FDP): Die Arbeitslosen werden immer mehr!)

   Sie können unserem Antrag mit ruhigem Gewissen zustimmen. Ihre Anträge müssen wir natürlich zurückweisen.

   Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Zu einer Kurzintervention, weil er persönlich angesprochen wurde, der Kollege Vaatz.

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Herr Kollege Scheffler, nach Ihrer Auffassung habe ich mich allmählich an die Realität herangepirscht. Mit „Realität“ nehmen Sie sicher auf die Zwischenfrage Ihres Kollegen Hilsberg Bezug. Dazu möchte ich Folgendes sagen: Die Aussage des Herrn Kollegen Hilsberg, dass man sich mit einer Firma geeinigt habe, ist richtig. Es geht aber nicht um die Einigung einer Regierung mit einer Firma. Vielmehr hat die Regierung gleiches Recht für alle zu schaffen.

   In der augenblicklichen Situation werden die mitteldeutsche Braunkohle und die mittelständischen Unternehmen, die in Ostdeutschland unmittelbar nach der Wende ihre Anlagen ertüchtigt haben und Emissionen abgeben, nach wie vor benachteiligt.

(Zuruf von der SPD: Falsch!)

denn noch ist das Referenzjahr bei der Bemessung für die Early Actions das Jahr 1994 und nicht, wie wir fordern, das Jahr 1991. Im Benchmarking wird der technische Wirkungsgrad der Braunkohle gegenüber dem technischen Wirkungsgrad der Steinkohle nach wie vor benachteiligt. Es ist nach wie vor richtig, was ich anfangs gesagt habe, dass nämlich die in Ostdeutschland neu gegründeten Betriebe hinsichtlich ihrer Finanzierung eine Doppelfunktion ausüben: Einerseits finanzieren sie sich selbst, andererseits finanzieren sie die Erneuerung im Westen. Daran hat sich nichts geändert.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Siegfried Scheffler (SPD):

Herr Kollege Vaatz, Ihre Kurzintervention bezog sich nicht auf meine Rede, sondern auf den Beitrag des Kollegen Hilsberg. Ich kann die Aussage des Kollegen Hilsberg aber bestätigen; denn in dieser Woche haben wir uns nach der entscheidenden Nachtsitzung, in der es um die Ausgestaltung des Entwurfs ging, mit den Verantwortlichen von Vattenfall unterhalten. Ich kann nur bestätigen, dass zukünftig sowohl die Investitionen als auch die Senkung der Emissionen Beachtung finden. Insofern muss ich das, was Sie hier vorgetragen haben, zurückweisen; es entsprich nicht den Tatsachen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Werner Kuhn.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Werner Kuhn (Zingst) (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! „Ostdeutschland eine Zukunft geben“ - das ist die Überschrift unseres Antrags. Das ist auch mit einer Vision verbunden. Diese Debatte heute wäre nicht zustande gekommen, wenn nicht die Oppositionsfraktionen signalisiert hätten, dass wir über Ostdeutschland reden müssen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die Menschen in der ehemaligen DDR haben mit der friedlichen Revolution selbst das Tor für eine freiheitliche Demokratie und ihre Zukunft aufgestoßen. Wir hatten viele Wegbegleiter und Wegbereiter. Mit Helmut Kohl hatten wir einen Bundeskanzler, der diese historische Aufgabe der Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ganz oben auf seiner Agenda stehen hatte.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Er hat blühende Landschaften versprochen!)

Das steht im Gegensatz zu der Agenda 2010 des jetzigen Bundeskanzlers, für den der Osten nur noch eine Marginalie ist. Man würde am liebsten gar nicht mehr darüber reden, wie die Entwicklung dort unter Rot-Grün letztendlich in die Grütt gefahren worden ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP - Uta Zapf (SPD): Das ist Quatsch!)

   Bei 5 Millionen Arbeitslosen und einer flächendeckenden Unterbeschäftigung von 20 Prozent in Ostdeutschland ist es zwingend notwendig, dass wir diese Debatte führen. Wenn der Osten nicht wieder auf die Beine kommt, wird die Wirtschaft in Deutschland der Entwicklung in Europa im wahrsten Sinne des Wortes weiter hinterherhinken. Wir brauchen uns nicht darüber zu ereifern, wer denn nun die Konzepte für die geringsten Steuersätze oder wer die besten Konzepte für die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung in Ostdeutschland hat. Die Fakten zeigen es eindeutig: Die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ ist eine zentrale Aufgabe. Ministerpräsident Milbradt hat ganz klare Worte dazu gefunden. Im Osten arbeiten wir mit dem European Recovery Program, weil wir 40 Jahre benachteiligt worden sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Jetzt werden wir durch diese Bundesregierung benachteiligt. Von ursprünglich 750 Millionen Euro sind die Ausgaben für diese Aufgabe auf knapp 200 Millionen Euro gesenkt worden. Das können wir uns einfach nicht bieten lassen. Wie sollen wir denn unseren Investitionsstandort fit machen? Wir brauchen die GA und die Investitionsförderung. Dafür brauchen wir auch Landesmittel. Wir müssen Einnahmen realisieren, um diese Situation in den Griff bekommen zu können.

(Ludwig Stiegler (SPD): Dann müsst ihr endlich die Steuergesetze mit beschließen!)

- Ja, Herr Stiegler, Sie sind natürlich ein ausgemachter Experte, der die Ostförderung in- und auswendig kennt.

(Dr. Peter Danckert (SPD): Er ist häufiger da als Sie!)

Sie werden ja zu diesem Tagesordnungspunkt später noch als Wunderwaffe Ihrer Partei eingesetzt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Aber Sie müssen sich einmal anschauen, wie die Menschen in den neuen Bundesländern auf ein Hoffnungssignal warten.

(Ludwig Stiegler (SPD): Man merkt, dass Sie von Angst getrieben sind!)

   Ich sage: Diese Bundesregierung ist nicht geeignet, ihnen dieses Signal zu geben. Da ich Herrn Matschies Problembeschreibung und die vielen Fragen, die er gestellt hat, gehört habe und beobachtet habe, wie er dann mit Herrn Minister Stolpe in einen Dialog getreten ist, sage ich Ihnen: Sie verhalten sich nicht wie Koalitionsfraktionen, die eine Regierung tragen, bzw. wie ein Minister für den Aufbau Ost. Das hat sich vielmehr angehört wie eine Selbsthilfegruppe, die einfach nur einmal über dieses Thema reden will, die aber gar keine eigenen Konzepte hat.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Dr. Uwe Küster (SPD): So was Aufgeblasenes! - Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ja mehr kühn als Kuhn!)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, es handelt sich um Verträge, die in Zukunft in keiner Weise geändert werden können. Bis 2012 sind wir in den Lasten der Steinkohleproduktion im Ruhrgebiet fest verwurzelt. Aber dort finden Wahlen statt.

(Cornelia Pieper (FDP): Oh ja!)

In NRW wird es dann heißen, dass man diese Situation leider nicht ändern könne; aber dann werden bis zum Jahre 2012 Förderungen in Milliardenhöhe zugesagt.

(Cornelia Pieper (FDP): 16 Milliarden!)

Genau das stand letztendlich auch auf der Agenda: Tausche Westkohle gegen Osthilfe. Dem wird unsere Fraktion in dieser Form aber nicht zustimmen. Das können wir Ihnen versichern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Ludwig Stiegler (SPD): Das ist ja unglaublich!)

Insoweit ist die Sache in Ordnung.

   Mit der Strategie, die wir heute vorgelegt haben, geben wir Ihnen einen Fingerzeig, wie Sie in Zukunft arbeiten sollen. Ich nenne nur die Stichworte Clusterbildung und universitäre Forschung. Allerdings müssen wir auch die Kosten betrachten, die dadurch auf die Länder zukommen. Sie finanzieren Universitäten und betreiben Produktentwicklung und Produktionseinführung auf einem möglichst hohen Niveau, damit dort auch gut ausgebildete Arbeitskräfte wieder eine Zukunft haben.

   Wenn Sie es ernst meinen würden, Herr Scheffler, dann müssten Sie sagen: Jawohl, wir wollen den Braindrain gemeinsam verhindern, damit der Zustand, dass die gut ausgebildeten Leute vom Osten in den Westen gehen, weil sie nur dort eine Zukunft haben, endlich gestoppt wird. Aber Sie führen eine Ausbildungsplatzabgabe ein, die dazu führt, dass die Unternehmen Leute ausbilden müssen, obwohl überhaupt keine mehr da sind. So können wir Deutschland nicht fit für die Zukunft machen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der SPD: Wer hat denn die Gelder streichen lassen?)

   Ich habe überhaupt kein Verständnis dafür, wenn gesagt wird - das wurde vom Kollegen Hettlich auf sehr interessante Weise dargestellt -, dass wir natürlich universitäre Forschung, Clusterbildung und Produktentwicklung brauchen, dass wir aber gerade auch für die neuen Bundesländer ein System von Instituten und außeruniversitärer Forschung ins Leben gerufen haben, zum Beispiel die Leibniz-Institute.

(Cornelia Pieper (FDP): Richtig!)

   Dann wird gesagt: Jetzt führen wir eine Entflechtungsdebatte.

(Siegfried Scheffler (SPD): Rden Sie doch mal über unseren Antrag!)

Man denkt: Donnerwetter, jetzt wird endlich Bürokratie abgebaut; jetzt werden wir zum Zuge kommen. Aber nein, Herr Kollege Scheffler, diese Entflechtungsdebatte bedeutet nur, dass sich der Bund aus der Finanzierung der außeruniversitären Forschung zurückzieht

(Siegfried Scheffler (SPD): Das ist doch Quatsch!)

und sie den Ländern, die ohnehin kein Geld haben, auf die Augen drückt. Dadurch wird sich die wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zusätzlich verschlechtern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Zuruf von der CDU/CSU: Genau! Das geht nicht!)

Ich kann nur sagen: Herr Stolpe, wir brauchen eine kompetente Administration. Das wissen wir auch aus unseren Regierungserfahrungen bis 1998. Es ist notwendig, dass es eine Stabsstelle, einen Staatssekretär und einen Minister gibt, der für den Aufbau Ost zuständig ist, damit nicht jeder vom Thema Eigenheimzulage bis zur Verwendung der GA-Mittel kreuz und quer quatschen kann. Eine halbe Abteilung in Herrn Stolpes Bundesministerium, eine halbe in Herrn Clements Ministerium und eine halbe Stelle im Kanzleramt - das kann es nicht gewesen sein. Wir müssen den Aufbau Ost wirklich professionell angehen. Dass dies nicht geschieht, kritisiere ich in dieser Debatte; denn der eine weiß nicht, was der andere tut.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Diese rot-grüne Bundesregierung - das muss ich hinsichtlich des Aufbaus Ost sagen - ist eine Regierung der vertanen Chancen. Das stellt man fest, wenn man die Chancen beim Thema Hochtechnologie im Verkehrsbereich, insbesondere bezüglich der Magnetschwebebahn, Revue passieren lässt oder wenn man den Flugzeugbaustandort Deutschland respektive neue Bundesländer unter die Lupe nimmt. Unser Herz tränt, wenn wir sehen, dass der A3XX und der A380 jetzt in Toulouse gebaut werden. Hier bestand die Möglichkeit, politisch Einfluss zu nehmen, damit wir in den neuen Bundesländern einen zusätzlichen Leuchtturm schaffen.

(Cornelia Pieper (FDP): Richtig!)

Ich kann kein privates Automobilunternehmen zwingen, dahin zu kommen und dort ein Werk zu errichten, es sei denn, man verhandelt taktisch so gut und so richtig, wie Ministerpräsident Milbradt das gemacht hat.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die erste Aufgabe eines jeden Politikers - danach können Sie die Uhr stellen - ist Wirtschaftsförderung. Wenn ich meine Basis nicht in Ordnung kriege und meinen Leuten keine Zukunft geben kann, habe ich letztendlich überhaupt keine Chance, Wirtschaftsentwicklung und Aufschwung in den neuen Bundesländern zu bekommen.

   Meine sehr verehrten Damen und Herren von der Regierungskoalition, durch Ihre ganzen Regelwerke werde ich immer wieder an alte Zeiten erinnert: immer mehr Durchführungsbestimmungen, immer mehr Gesetzeswerke, immer mehr Initiativen zur Regulierung. Wir sind 1989 auf die Straße gegangen und haben gesagt: Freiheit statt Sozialismus. Und wir lassen uns von Ihnen den Sozialismus nicht durch die Hintertür wieder einführen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP - Lachen bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Berliner Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Harald Wolf.

Harald Wolf, Senator (Berlin):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kuhn, ich finde es schon erstaunlich, mit welcher Verve Sie und Ihre Fraktion in der Lage sind, über den Aufbau Ost zu reden und sich über die Bundesregierung zu empören, ohne ein Wort darüber zu verlieren, dass ein Großteil, eine Vielzahl der Probleme in Ostdeutschland, über die wir heute diskutieren, mit Fehlentscheidungen zusammenhängen, die unter der Bundesregierung Kohl getroffen worden sind,

(Zuruf von der CDU/CSU: Was für ein Quatsch ist das!)

mit einer verfehlten Politik, die geglaubt hat, der Aufbau Ost lasse sich aus der Portokasse finanzieren, mit einer Förderung über Abschreibungen, die ganz wesentlich dazu beigetragen hat, dass Fehlinvestitionen in Beton stattgefunden haben und eben nicht in die Wachstumskerne,

(Manfred Grund (CDU/CSU): Wie sähe denn Berlin aus, Herr Senator?)

über die wir heute diskutieren.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir heute über den Aufbau Ost diskutieren und über die Realität in Ostdeutschland, dann ist es in der Tat so, Herr Matschie, dass es zwei Gesichter gibt: einerseits die Erfolge bei der Modernisierung und beim Aufbau der Infrastruktur, die Erfolge auch bei der Herausbildung international konkurrenzfähiger Wachstumskerne und international konkurrenzfähiger Regionen. Aber es gehört andererseits genauso zur Wahrheit und zur Realität, dass wir nach wie vor eine gravierende Strukturschwäche haben - eine Arbeitslosigkeit von über 20 Prozent - und dass wir eine anhaltend hohe Abwanderung vor allen Dingen von jungen, gut ausgebildeten Menschen aus Ostdeutschland haben. Wenn diese Entwicklung nicht gestoppt wird, wenn dieser Trend nicht aufgehalten wird, wird er die positive Entwicklung überlagern und dann wird das Gefälle zwischen Ost und West wieder vertieft werden. Das ist das, worüber ich mir Sorgen mache, worüber wir reden müssen und wogegen wir Strategien entwickeln müssen. Ich glaube, es kann nicht in unserem Interesse sein, eine Entwicklung zu haben, bei der der Osten vom Westen weiter abgekoppelt wird. Ich glaube, es ist im Interesse der gesamten Republik und nicht nur im Interesse des Ostens, dass in Ostdeutschland eine selbst tragende wirtschaftliche Entwicklung eingeleitet wird, durch die Ostdeutschland nicht auf Transfers und Subventionen in dem Maße, wie es zurzeit der Fall ist, angewiesen ist. Deshalb, glaube ich, ist es auch im Interesse des Westens und der westdeutschen Bundesländer, sich intensiv mit den Fragen des Aufbaus und der wirtschaftlichen Entwicklung im Osten auseinander zu setzen. Eine positive Entwicklung im Osten ist eine Grundvoraussetzung für die Wettbewerbsfähigkeit und Konkurrenzfähigkeit des Standortes Deutschland insgesamt.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) und der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Deshalb, glaube ich, brauchen wir in der Tat einen neuen Entwicklungsschub in Ostdeutschland, brauchen wir eine Neubestimmung der Politik in und für Ostdeutschland. Das heißt auch, dass wir für Ostdeutschland weiterhin Sonderregelungen brauchen - wir haben ja schon jetzt Sonderregelungen - und dass wir weiterhin einen Standortvorteil für Ostdeutschland brauchen, weil Ostdeutschland nur so entsprechend aufholen kann.

   Was wir allerdings nicht gebrauchen können, sind Diskussionen, wie sie in den letzten Wochen geführt wurden, die Zweifel an der Zuverlässigkeit der Zusagen über Förderungen wie zum Beispiel der GA-Mittel haben aufkommen lassen. Ich bin sehr froh darüber, dass Minister Stolpe heute von dieser Stelle aus eine Klarstellung hierzu getroffen hat und dass die Koalitionsfraktionen in ihrem Antrag eine klare Position beziehen. Ich hoffe, dass auch das Bundeskabinett in seiner Sitzung am 23. Juni endgültig eine klare Stellung beziehen wird. Denn wir brauchen Planungssicherheit und Verlässlichkeit. Das sind die Grundvoraussetzungen, wenn wir über eine Neuausrichtung und eine Kurskorrektur beim Aufbau Ost diskutieren.

   Die Antwort auf die Forderung, wir müssten von der so genannten Gießkannenpolitik abkommen - das war in Ostdeutschland in den letzten Jahren schon immer mehr der Fall -, kann nicht sein, dass wir auf das Wasser verzichten. Vielmehr muss der Fördermittelstrom gezielter eingesetzt werden. Darüber müssen wir eine Diskussion führen.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) und der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

   Heute besteht zwischen allen Fraktionen und allen Parteien Übereinstimmung darüber, die Vergabe von Fördermitteln auf die Wachstumskerne zu konzentrieren. Meiner Meinung nach kann das aber nur ein Teil der Antwort sein. Wenn man sich von einer flächendeckenden Förderpolitik zurückzieht, die alle Regionen gleichmäßig bedenkt, muss eine Perspektive für die Regionen in Ostdeutschland formuliert werden, die nicht zu den Wachstumsregionen gehören. Wir müssen deutlich machen, dass es sich nicht um einen ungeregelten Anpassungsprozess handelt, sondern dass es gleichzeitig eine Regionalplanung und -förderung geben wird, durch die der Schrumpfungsprozess sozialverträglich gestaltet wird, und dass diesem gegebenenfalls sogar positive Elemente abgewonnen werden können. Das muss die andere Seite der Medaille sein, wenn wir die Investitionsförderung richtigerweise auf die Wachstumskerne konzentrieren wollen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Auf Berlin!)

   Meine Damen und Herren, wir brauchen für Ostdeutschland auch weiterhin Sonderregelungen, zum Beispiel im Steuerrecht. Wir könnten zum Beispiel der notorischen Eigenkapitalschwäche von kleinen und mittleren Unternehmen in Ostdeutschland begegnen, indem wir die Verbreiterung der Eigenkapitalbasis durch Nichtentnahme von Gewinnen steuerlich begünstigen. Das wäre, wie ich glaube, ein wichtiger Schritt zur Stärkung der Basis von kleinen und mittelständischen Unternehmen in Ostdeutschland und damit von Ostdeutschland insgesamt.

   Wir müssen auch über regional begrenzte Sonderregelungen in den Grenzgebieten zu den neuen Beitrittsländern der Europäischen Union nachdenken. Diese müssten sowohl Regelungen zur Freizügigkeit als auch steuerliche Vergünstigungen enthalten, damit die regionalen Kooperationsmöglichkeiten besser genutzt werden.

   Die Forderung nach einer Förderung von Wachstumskernen basiert auf der Erkenntnis, dass Ostdeutschlands Zukunft von der Entwicklung der modernen hochproduktiven Sektoren in diesen Regionen abhängt. Dabei geht es um Innovation und nicht um Niedriglohn. Sie, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, wissen doch, dass die Realität in den ostdeutschen Ländern heute bereits so aussieht, dass in einer Vielzahl von Betrieben Billiglöhne gezahlt werden und dass es, wenn die Unternehmen es wollen, häufig möglich ist, Arbeitskräfte für unter 5 Euro pro Stunde zu beschäftigen und sie schnell zu feuern. Leider sind die Kräfte des Marktes oft stärker als Flächentarifverträge und leider oft auch stärker als die Gesetze. Trotz dieser Realität mit einem bestehenden Niedriglohnsektor - ich finde, sie ist beklagenswert - ist der Aufbau Ost nicht weiter vorangekommen.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Arbeitslosigkeit ist Ihnen lieber!)

   Meine Damen und Herren von CDU/CSU und FDP, Sie wollen die schwierige Lage in Ostdeutschland dazu nutzen, um Dumping, Niedriglöhne und Sozialabbau in der gesamten Republik durchzusetzen. Dagegen muss man sich wehren. Das nutzt nämlich auch dem Osten nichts. Denn je niedrigere Einkommen in den Wachstumssektoren gezahlt werden, desto schwächer fällt die Nachfrage nach einfacher Arbeit aus und umso geringer sind die Aussichten, Arbeitsplätze für gering Qualifizierte zu schaffen.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Wer hat denn die Tarifleistungen in Berlin gekürzt? War das die CDU?)

Ein Ausbau des Billiglohnbereichs nützt dem Osten nichts, sondern schadet ihm. Niedrige Löhne im Osten verleiten die Menschen geradezu, in die Wachstumsregionen nach Westdeutschland zu gehen. Sie leiten damit einen Teufelskreis ein. Das ist das Gegenteil von dem, was Ostdeutschland braucht.

   Meine Damen und Herren, es muss in Ostdeutschland einen Neuanfang geben. Angesichts der Schwierigkeiten des Strukturwandels brauchen wir dazu Realismus und vor allen Dingen einen langen Atem. Ich glaube, es wäre ein großer Erfolg, wenn es uns gelingen würde, die wirtschaftliche und soziale Lage in den nächsten zwei bis drei Jahren zu stabilisieren und den Abwanderungsprozess aus Ostdeutschland zu stoppen. Das wäre das Signal dafür, dass die Menschen in Ostdeutschland wieder Vertrauen in ihre Zukunft, in ihr Land und in ihre Region gefasst haben.

   Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) und der Abg. Petra Pau (fraktionslos) sowie bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Ludwig Stiegler.

(Cornelia Pieper (FDP): Oh, ist die Zeit noch nicht vorbei? Ich denke, wir reden über den Aufbau Ost! - Arnold Vaatz (CDU/CSU): Er verzichtet!)

Ludwig Stiegler (SPD):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Am Ende dieser Debatte möchte ich für die SPD-Bundestagsfraktion festhalten, dass wir, Ost und West, zusammengehören. Wir feiern die Einheit und stehen auch im Alltag dazu. Wir verwahren uns dagegen, dass Sie Ost gegen West und umgekehrt aufhetzen.

(Beifall bei der SPD - Cornelia Pieper (FDP): Ihre Ministerpräsidenten Herr Steinbrück und Frau Simonis!)

   Ich bin Manfred Stolpe dankbar, dass er immer wieder betont: Problemregionen gibt es in ganz Deutschland. Wir lösen die Probleme in ganz Deutschland und jagen die Menschen nicht gegeneinander. - Mit Ihren Eifersüchteleien können Sie in den Wahlkreisen Punkte machen. Die CSU in Bayern kann gegen den Osten schimpfen und Sie können in den Wahlkreisen auf den Westen schimpfen.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das machen wir nicht!)

Geholfen ist damit aber niemandem. Lasst uns zusammen unser gesamtdeutsches Problem lösen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich bin als Wessi für den Aufbau Ost zuständig und betone für die SPD-Fraktion: Wir halten mit den Kolleginnen und Kollegen der Landesgruppe Ost zusammen, aber auch mit denen, die im Ruhrgebiet oder anderswo Probleme haben. Es versucht hier niemand, sich auf Kosten des anderen zu profilieren, weil wir nur gemeinsam Erfolg haben werden.

(Beifall bei der SPD - Arnold Vaatz (CDU/CSU): Sehr richtig!)

- Ja, das ist sehr richtig. Dann müssen Sie aber andere Reden halten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Die Taten sind entscheidend, nicht die Reden!)

   Herr Professor Milbradt, Ihre Rede hätte mich fröhlicher gestimmt,

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Stiegler und fröhlich!)

wenn Sie deutlich gemacht hätten, dass vieles, was Sie zu Hause - in Dresden, Leipzig und sonst wo - feiern, zur Hälfte und mehr vom Bund finanziert wird.

(Beifall bei der SPD - Georg Milbradt, Ministerpräsident (Sachsen): Das habe ich doch gesagt!)

- Ja, Sie haben sich aber wie ein Kind bedankt, das die Zähne zusammenbeißt, wenn es Danke sagen oder sich entschuldigen muss. So sieht die Begeisterung hier aus.

(Beifall bei der SPD - Zurufe von der CDU/CSU)

Man muss einmal vergleichen, wie die Kolleginnen und Kollegen aus dem Osten ihre Aufbauleistungen in den jeweiligen Ländern in den Wahlkämpfen zu Hause preisen und rühmen und wie sie nur noch Not und Elend sehen, kaum dass sie die heimatlichen Gefilde verlassen haben und in Berlin angekommen sind. Das grenzt an Bewusstseinsspaltung. Hüten Sie sich!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Milbradt, Sie sollten sich bei Herrn Stolpe für die Verkehrsinfrastruktur und bei Edelgard Bulmahn für die Forschung und Entwicklung bedanken. Gerade Ihre Hightechindustrie wäre ohne das wirklich engagierte Eintreten von Edelgard Bulmahn gar nicht denkbar gewesen.

(Lachen bei der CDU/CSU)

- Da könnt ihr ruhig lachen, ihr habt ihnen nichts gegeben. Ihr habt Steuervergünstigungen für Grundstücksspekulanten und Abschreibungskünstler finanziert und uns Schulden hinterlassen. Das war euer Aufbauwerk in den acht Jahren.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Cornelia Pieper (FDP): Die größten Schulden seit der Existenz der Bundesrepublik machen Sie!)

   Meine Damen und Herren, wenn wir das zusammen machen, dann sollen wir auch gemeinsam zu den Erfolgen stehen. Ich halte für die SPD-Bundestagsfraktion am Ende fest: Wir, meine Fraktion und auch die Koalition, stehen zum Solidarpakt. Wer hier daran zweifelt, der redet wider besseres Wissen und verunsichert die Menschen unnötig.

(Cornelia Pieper (FDP): Die SPD-Ministerpräsidenten sagen das? Herr Steinbrück auch?)

Wir stehen zu diesem Solidarpakt.

(Beifall bei der SPD)

   Diese Koalition steht auch zur Gemeinschaftsaufgabe.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Oh, das ist was ganz Neues! - Cornelia Pieper (FDP): Mitschreiben!)

- Seien Sie vorsichtig! - Es waren die Herren Ministerpräsidenten, die sie vor Jahren einmal abschaffen wollten. Es waren diese Koalition und diese Bundestagsfraktion, die die Beschlüsse gefasst haben, dass die GA erhalten bleibt. So sieht die Situation aus. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Manfred Grund (CDU/CSU): Die GA wollte niemand abschaffen! Bleiben Sie bei der Wahrheit! - Cornelia Pieper (FDP): Sie lügen, ohne rot zu werden!)

   Ich unterstütze Manfred Stolpe bei seinen Bemühungen zur Lösung der gegenwärtigen Probleme.

(Manfred Grund (CDU/CSU): Man wird doch noch bei der Wahrheit bleiben dürfen, auch wenn es Stiegler ist!)

Sie sind weiß Gott seltsame Leute: Im Bundesrat verweigern Sie sich Maßnahmen für Steuermehreinnahmen, aber fordern pausenlos Mehrausgaben und dazu einen Sparhaushalt. Das ist die Kubatur des Zirkels, die Sie hier veranstalten. Wer daran glaubt, der gehört in die Psychiatrie, aber nicht hierher.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Nun hat aber Professor Milbradt in einem Punkt durchaus Recht: Wir haben derzeit bei der Abwicklung der GA Probleme. Da kneift es und daran müssen wir arbeiten. Es ist das System der GA, dass die Mittel für die Zukunft gebunden werden und die Barmittel in jedem Jahr ausgezahlt werden. Im Zuge des Koch/Steinbrück-Konzepts und auch anderer Dinge gibt es aber im Verhältnis zu den Barmitteln Probleme. Es wäre falsch, das zu leugnen. Ich sage Ihnen aber zu: Dieser Antrag bedeutet auch, dass wir uns bemühen, diese Probleme zu lösen. Wir wollen nicht, dass Investitionen aufgrund dieser Situation scheitern oder behindert werden. Dabei können Sie sich auf unsere Unterstützung verlassen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Helfen Sie uns mit Ihren Haushältern und in Ihren Ländern! Helfen Sie uns auch dabei, ungerechtfertigte Subventionen abzubauen! Dann brauchen wir nicht so sehr im Haushalt herumzukratzen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir werden Manfred Stolpe und auch unsere Kolleginnen und Kollegen dabei unterstützen. Herr Professor Milbradt, ich hoffe, dass wir alsbald die notwendige Klarheit schaffen. Wo Sie Recht haben, haben Sie Recht. Diese Weisheit haben wir aber nicht erst von Ihnen vernommen, sondern von unserem Kollegen Siegfried Scheffler und auch von anderen Kollegen schon vor Wochen gehört. Auch Manfred Stolpe hat es allen, die es hören wollten, und auch denen, die es nicht hören wollten, gesagt.

   Wir haben aber auch unsere praktischen Aufgaben erledigt. Für die Probleme der vielen kleinen und mittleren Unternehmen, die - aus welchen Gründen auch immer - mit ihrer Eigenkapitaldecke am Ende sind, hat diese Koalition seit dem 1. März mit dem Programm Unternehmerkapital der KfW eine Antwort gefunden. Ich war erst gestern mit Dr. Danckert bei Hunderten von Mittelständlern in Brandenburg und mit Uwe Küster in Magdeburg, wo wir die Programme vorgestellt haben. Damit wird diesen Unternehmen geholfen. Lassen Sie uns zusammen mit den Banken und der KfW dafür sorgen, dass die Unternehmen wachsen können. Das leisten wir. Das ist mindestens genauso wirksam wie die GA.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich bedanke mich bei Manfred Stolpe für seinen Einsatz, der weiß Gott nicht immer leicht ist. Das können auch Sie einmal anerkennen. Viele von Ihnen profitieren davon, dass er Ihnen hilft. Aber Sie sind ein undankbares Volk; das muss man einmal sehen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wenn man laufend in die Hand, die einem Futter gibt, pickt, dann bekommt man irgendwann nichts mehr. Das sollten Sie zur Kenntnis nehmen.

   Ich bedanke mich bei den Kolleginnen und Kollegen unserer Fraktion, dass wir die Einheit auch in der Koalition leben und zusammenhalten. Mit Mut und Zuversicht, nicht mit Ihren Jeremiaden, werden wir es schaffen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Jetzt müssen nur noch alle wissen, was eine Jeremiade ist. - Damit sind wir am Ende der Rednerliste.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlage auf Drucksache 15/3047 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurf des Bundesrates zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes auf Drucksache 15/776. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt auf Drucksache 15/2956, den Gesetzentwurf abzulehnen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen von CDU/CSU abgelehnt worden. Damit entfällt nach unserer Geschäftsordnung die weitere Beratung.

   Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/3201, 15/3202 und 15/3203 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Wir kommen zu den Überweisungen im vereinfachten Verfahren ohne Debatte. Interfraktionell ist vereinbart, den Tagesordnungspunkt 26 a von der Tagesordnung abzusetzen. - Ich sehe, dass Sie damit einverstanden sind. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe nun die Tagesordnungspunkte 26 b bis 26 g sowie die Zusatzpunkte 6 a bis 6 g auf:

26 b) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes

- Drucksache 15/2722 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)
Rechtsausschuss

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Futtermittelgesetzes

- Drucksache 15/3170 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

d) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 14. Mai 2003 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Polen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen

- Drucksache 15/3171 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss

e) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 8. Juli 2003 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der mazedonischen Regierung über soziale Sicherheit

- Drucksache 15/3172 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend

f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen
vom 14. Oktober 2003 über die Beteiligung der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik am Europäischen Wirtschaftsraum

- Drucksache 15/3173 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union (f)
Finanzausschuss
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen

g) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Fakultativprotokoll vom 25. Mai 2000 zum Übereinkommen über die Rechte des Kindes betreffend die Beteiligung von Kindern an bewaffneten Konflikten

- Drucksache 15/3176 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss (f)
Auswärtiger Ausschuss
Verteidigungsausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

ZP 6 a) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Bundesnotarordnung

- Drucksache 15/3147 -

Überweisungsvorschlag:
Rechtsausschuss

b) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 7. April 2003 zwischen der Regierung der Bundesrepublik Deutschland und der Regierung der Tunesischen Republik über die Zusammenarbeit bei der Bekämpfung von Straftaten von erheblicher Bedeutung

- Drucksache 15/3177 -

Überweisungsvorschlag:
Innenausschuss (f)
Rechtsausschuss

c) Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung von Wagniskapital

- Drucksache 15/3189 -

Überweisungsvorschlag:
Finanzausschuss (f)
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit

d) Beratung des Antrags der Abgeordneten Jürgen Klimke, Klaus Brähmig, Ernst Hinsken, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Den Tourismus stärken - Chancen der EU-Erweiterung nutzen

- Drucksache 15/3192 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Tourismus (f)
Auswärtiger Ausschuss
Innenausschus
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union
Haushaltsausschuss

e) Beratung des Antrags der Abgeordneten Gabriele Lösekrug-Möller, Annette Faße, Brunhilde Irber, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der SPD sowie der Abgeordneten Undine Kurth (Quedlinburg), Franziska Eichstädt-Bohlig, Volker Beck (Köln), weiterer Abgeordneter und der Fraktion des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN

Internationale Richtlinien für biologische Vielfalt und Tourismusentwicklung zügig umsetzen

- Drucksache 15/3219 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)
Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Ausschuss für Tourismus

f) Beratung des Antrags der Abgeordneten Dirk Niebel, Rainer Brüderle, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Verschiebung des Zeitpunktes für das Inkrafttreten des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt (SGB II) auf den 1. Januar 2006

- Drucksache 15/3105 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Innenausschuss
Rechtsausschuss
Finanzausschuss
Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung
Ausschuss für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung
Haushaltsausschuss

g) Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Selbstverpflichtungserklärung der Deutschen Post AG zur Erbringung bestimmter Postdienstleistungen

- Drucksache 15/3186 -

Überweisungsvorschlag:
Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit (f)
Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Die Vorlage auf Drucksache 15/3176 - Tagesordnungspunkt 26 g - soll zusätzlich an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie an den Ausschuss für Menschenrechte und humanitäre Hilfe überwiesen werden. Sind Sie damit einverstanden? - Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Wir kommen jetzt zu den Tagesordnungspunkten 27 a bis 27 l sowie Zusatzpunkt 7. Es handelt sich um die Beschlussfassung zu Vorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt 27 a:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Regelung von Rechtsfragen hinsichtlich der Rechtsstellung von Angehörigen der Bundeswehr bei Kooperationen zwischen der Bundeswehr und Wirtschaftsunternehmen sowie zur Änderung besoldungs- und wehrsoldrechtlicher Vorschriften

- Drucksache 15/2944 -

(Erste Beratung 105. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Verteidigungsausschusses (11. Ausschuss)

- Drucksache 15/3124 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Rolf Kramer
Thomas Kossendey

   Wir kommen zur Abstimmung. Der Verteidigungsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3124, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. - Wer stimmt dagegen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Sie dürfen sich erheben, wenn Sie zustimmen wollen. - Stimmt jemand dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

   Tagesordnungspunkt 27 b:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 9. September 2002 über die Vorrechte und Immunitäten des Internationalen Strafgerichtshofs

- Drucksache 15/2723 -

(Erste Beratung 105. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

- Drucksache 15/3217 -

Berichterstattung: Abgeordnete Dr. Christoph Zöpel
Dr. Wolfgang Bötsch
Dr. Ludger Volmer
Harald Leibrecht

   Wir kommen zur Abstimmung. Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/3217, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. - Wer stimmt dagegen? - Gibt es Enthaltungen? - Auch dieser Gesetzentwurf ist einstimmig angenommen worden.

   Tagesordnungspunkt 27 c:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll vom 16. Mai 2003 zum Internationalen Übereinkommen von 1992 über die Errichtung eines Internationalen Fonds zur Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden

- Drucksache 15/2947 -

(Erste Beratung 108. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss)

- Drucksache 15/3215 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Dr. Günter Krings
Jerzy Montag
Rainer Funke

   Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3215, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte Sie um das Handzeichen, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Auch dieser Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte Sie, sich zu erheben, wenn Sie bei Ihrem eben geäußerten Abstimmungsverhalten bleiben wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung mit den Stimmen des ganzen Hauses angenommen worden.

   Tagesordnungspunkt 27 d:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Vorschriften über die Entschädigung für Ölverschmutzungsschäden durch Seeschiffe

- Drucksache 15/2949 -

(Erste Beratung 108. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses
(6. Ausschuss)

- Drucksache 15/3220 -

Berichterstattung:
Abgeordnete Dirk Manzewski
Dr. Günter Krings
Jerzy Montag
Rainer Funke

   Wir kommen zur Abstimmung. Der Rechtsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3220, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte Sie um das Handzeichen, wenn Sie dem Gesetzentwurf zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung einstimmig angenommen worden.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Bitte erheben Sie sich, wenn Sie zustimmen wollen. - Gibt es Gegenstimmen? - Gibt es Enthaltungen? - Der Gesetzentwurf ist in dritter Lesung einstimmig angenommen worden.

[Der folgende Berichtsteil - und damit der gesamte Stenografische Bericht der 111. Sitzung - wird morgen,
Freitag, den 28. Mai 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15111
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