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15. Wahlperiode
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   115. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 18. Juni 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Interfraktionell ist vereinbart worden, die Tagesordnung um die erste Beratung des Gesetzentwurfes des Bundesrates zur Beschleunigung von Verfahren der Justiz – Drucksache 15/1491 – zu erweitern. Außerdem ist vereinbart worden, die gestern bereits überwiesenen Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen sowie des Bundesrates, jeweils zum Abbau von Statistiken – Drucksachen 15/3306 und 15/2416 –, nachträglich auch an den Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur Mitberatung zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe den soeben aufgesetzten Zusatzpunkt 18 auf:

Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Beschleunigung von Verfahren der Justiz (... Justizbeschleunigungsgesetz)

– Drucksache 15/1491 –

Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss

   Eine Aussprache ist für heute nicht vorgesehen. – Ich sehe, Sie sind damit einverstanden. Wir kommen daher gleich zur Überweisung. Interfraktionell wird vorgeschlagen, den Gesetzentwurf auf Drucksache 15/1491 an den Rechtsausschuss zu überweisen. Gibt es dazu anderweitige Vorschläge? – Das ist nicht der Fall. Dann ist die Überweisung so beschlossen.

   Wir kommen nun zu den Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses. Nach einer interfraktionellen Vereinbarung soll die heutige Tagesordnung um die Beratung von zwei Beschlussempfehlungen des Vermittlungsausschusses erweitert werden. Diese Punkte sollen jetzt gleich als Zusatzpunkte 19 und 20 aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe also zunächst den Zusatzpunkt 19 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Zwölften Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes

– Drucksachen 15/2109, 15/2360, 15/2849, 15/3164, 15/3384 –

Berichterstattung:Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch

   Berichterstatterin im Bundestag ist Gudrun Schaich-Walch, Berichterstatter im Bundesrat Minister Rudolf Köberle. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

   Damit kommen wir zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist; das gilt auch für die noch folgenden weiteren Empfehlungen des Vermittlungsausschusses. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/3384? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Kein Kabinett, keine Meinung!)

   Wir kommen nun zum Zusatzpunkt 20:

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Gesetz zur Neuregelung des Rechts der erneuerbaren Energien im Strombereich

– Drucksachen 15/2327, 15/2539, 15/2593, 15/2845, 15/2864, 15/3162, 15/3385 –

Berichterstattung:Abgeordnete Michael Müller (Düsseldorf)

   Berichterstatter im Bundestag ist Abgeordneter Michael Müller, Berichterstatter im Bundesrat Ministerpräsident Christian Wulff. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Wird das Wort zu Erklärungen gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

   Dann kommen wir zur Abstimmung. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/3385? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte 22 a bis 22 c auf:

a) Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts

– Drucksache 15/3088 –

(Erste Beratung 111. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

– Drucksache 15/3344 –

Berichterstattung:Abgeordnete Waltraud Wolff (Wolmirstedt)Helmut HeiderichUlrike HöfkenDr. Christel Happach-Kasan

b) Beratung der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Helmut Heiderich, Gerda Hasselfeldt, Peter H. Carstensen (Nordstrand), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Grüne Gentechnik in Deutschland nutzen – Verlässliche Rahmenbedingungen für einen verantwortungsvollen Einsatz in der Landwirtschaft schaffen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Chancen der Grünen Gentechnik nutzen – Gentechnikgesetz und Gentechnik-Durchführungsgesetz grundlegend korrigieren

– Drucksachen 15/2822, 15/2979, 15/3344 –

Berichterstattung:Abgeordnete Waltraud Wolff (Wolmirstedt)Helmut HeiderichUlrike HöfkenDr. Christel Happach-Kasan

c) Beratung der Beschlussempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss)

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Daniel Bahr (Münster), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Distanzierung der Bundesregierung von gesetzeswidrigen Zerstörungen von Freisetzungsversuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen

– zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Christel Happach-Kasan, Hans-Michael Goldmann, Ulrike Flach, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlinburg durchführen

– Drucksachen 15/1825, 15/2352, 15/3383 –

Berichterstattung:Abgeordnete Waltraud Wolff (Wolmirstedt)Helmut HeiderichUlrike HöfkenDr. Christel Happach-Kasan

   Zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Neuordnung des Gentechnikrechts liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kollegin Herta Däubler-Gmelin, SPD-Fraktion.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir beraten heute in zweiter und dritter Lesung den Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts der Bundesregierung in der durch den federführenden Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft geänderten Fassung. Ich empfehle Ihnen die Annahme des von uns gefassten Beschlusses und auch des Entschließungsantrages.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Wo ist denn die zuständige Ministerin?)

   Ich glaube, das ist deswegen richtig, weil es sich hierbei um ein sehr wichtiges Gesetz handelt. Es geht ja darum, festzulegen, unter welchen Bedingungen genveränderte Pflanzen und genverändertes Saatgut bei uns in der Landwirtschaft eingesetzt werden dürfen. Diese Frage, die unter dem Stichwort „Grüne Gentechnik“ in der Öffentlichkeit heiß diskutiert wird, ist für die Verbraucher und für die Landwirte von hohem Interesse. Wie wir wissen, sind sie zum allergrößten Teil außerordentlich besorgt und haben große Bedenken. Dagegen stehen die Interessen von agrochemischen Unternehmen, die mit neuen Produkten, die sie für gut halten, in den Markt kommen wollen.

   Auch in der Öffentlichkeit sind diese Fragen außerordentlich umstritten. Wir haben hier im Deutschen Bundestag schon mehrfach Grundsatzauseinandersetzungen unter verschiedenen Aspekten geführt.

   In diesem Gesetzentwurf geht es aber nicht nur um die Grundsatzauseinandersetzungen. Es gibt auch eine Menge von Fragen, die im Detail sorgfältig bedacht und geregelt werden mussten. Das tun wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf in guter Weise.

   So wie die Europäische Union vorgegeben hat, soll es die Möglichkeit geben, genveränderte Pflanzen und genverändertes Saatgut in der Landwirtschaft einzusetzen. Unser Gesetz stellt dafür allerdings strenge Regeln auf. Diese strengen Regeln sind nötig, weil damit garantiert und sichergestellt werden kann, dass Landwirte auch weiterhin ganz normal ohne genveränderte Pflanzen wirtschaften können und dass der ökologische Landbau auch weiterhin – wie bisher – möglich ist. Vor allen Dingen sind sie auch nötig, damit die Verbraucherinnen und Verbraucher, die in ihrer überwältigenden Mehrheit genveränderte Lebensmittel ablehnen, die Produkte unserer Landwirte auch weiterhin kaufen.

   Gerade im Interesse der Landwirte und auch der Verbraucherinnen und Verbraucher wollen wir nicht, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel sozusagen schleichend, unkontrolliert und zunächst unbemerkt in unsere Ladentheken kommen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir wollen vielmehr, dass dann, wenn bei uns genveränderte Lebensmittel erzeugt werden, nicht nur die Risiken sehr viel genauer bestimmt, sondern dass durch Kontrolle auch Transparenz, Garantie, Wahrheit und Klarheit möglich werden.

   Nun habe ich Ihnen die Grundsätze aufgezählt. Es ist für einen Gesetzgeber natürlich nicht ganz leicht, diese Grundsätze in ihrer Breite so zu regeln, dass Garantie, Wahrheit, Klarheit und Transparenz auch tatsächlich gesichert sind. Es ist allerdings notwendig, dass das nicht nur versucht, sondern auch mit Erfolg erreicht wird, weil nur so Sicherheit und Vertrauen bei Verbraucherinnen und Verbrauchern, also in der Öffentlichkeit, und Klarheit für die Landwirte stabilisiert werden können. Genau das tun wir mit dem vorliegenden Gesetzentwurf.

   Zum Ersten tun wir dies durch klare Aussagen

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

über das Standortregister, das wir in zwei unterschiedliche Stufen eingeteilt haben, nämlich einmal in einen öffentlich einsehbaren Teil, aus dem sich ergibt, wo genveränderte Pflanzen auf landwirtschaftlichen Flächen ausgebracht werden, und einmal in einen eher geschützten Teil, aus dem lediglich Personen mit einem berechtigten Interesse, also Nachbarn solcher Landwirte, die sich für genveränderte Pflanzen entscheiden, oder auch Imker, auf deren Interesse ebenfalls ganz besonders einzugehen ist, Näheres erfahren können, damit die notwendigen Informationspflichten erfüllt und die notwendigen Vorkehrungen getroffen werden können.

   Wir haben darüber hinaus klare Regelungen für die Haftung der Landwirte in diesem Gesetzentwurf verankert. Dazu gehört zunächst einmal die gute fachliche Praxis. Was heißt das? Das heißt: Wenn genveränderte Pflanzen verwandt werden, dann müssen die ihnen innewohnenden Risiken berücksichtigt werden. Man darf nur unter dieser Bedingung anbauen, um diejenigen, die keine genveränderten Pflanzen anbauen oder ökologisch wirtschaften wollen, nicht zu beeinträchtigen. Es muss also eine ganze Reihe von klaren Informationspflichten geben, und zwar nicht nur Pflichten für die anbauenden Landwirte, sondern auch für ihre Erzeuger und Lieferanten.

   Diese Informationspflichten sind notwendig für die Abwägung der Risiken für Mensch, Tier und Umwelt und für die Haftung bei Schäden. Es geht zudem auch um Risiken, die sich aus der Auskreuzung ergeben können, wobei die Auskreuzungsrisiken zum Beispiel bei Raps noch größer sind als die bei Kartoffeln. Nochmals: Der Grund für unsere strengen Regelungen ist, dass die Landwirte, die keine genveränderten Pflanzen nutzen oder ökologisch produzieren wollen, nicht ins Abseits gedrängt werden, sondern dass ihnen Sicherheit garantiert werden muss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Herzog, SPD-Fraktion?

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):

Aber selbstverständlich.

Gustav Herzog (SPD):

Frau Kollegin, Sie haben von Landwirten gesprochen, die dieser Technik skeptisch bis ablehnend gegenüberstehen. Können Sie mir sagen, ob das folgende Geschehen in der kleinen südpfälzischen Gemeinde Böbingen ein Einzelfall ist? In der Woche, in der wir die erste Lesung dieses Gesetzentwurfs vorgenommen haben, hat diese Gemeinde eine Aktion gestartet unter dem Titel „Gentechnikfreies Böbingen“. An der Spitze dieser Bewegung war der örtliche Vorsitzende der Bauern- und Winzerschaft, Herr Gerhard Staub, im Einsatz und der Gemeinderat und der Ortsbürgermeister haben sich dieser Aktion in Gänze angeschlossen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

– Bevor sich die Kolleginnen und Kollegen der Opposition noch mehr ereifern, will ich hinzufügen, dass die Damen und Herren, die sich an dieser Aktion beteiligt haben, nach meiner Kenntnis keine Funktionäre der SPD oder der Grünen sind. Vielmehr ist jener Herr Staub bei der Wahl am 13. Juni mit dem besten Stimmenergebnis in den Gemeinderat Böbingen gewählt worden.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN Helmut Heiderich (CDU/CSU): Derjenige, der Schröder geohrfeigt hat, auch!)

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):

Vielen Dank, Kollege Herzog. Schauen Sie: Die Opposition hat es natürlich leicht. Sie kann gegen alles sein und gegen jedes Gesetzesvorhaben demonstrieren. Das ist sozusagen das natürliche Recht der Opposition.

   Unsere Aufgabe als Mehrheitsfraktion in diesem Haus ist es, die unterschiedlichen Interessen zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen. Wir müssen insbesondere auch Sprecher für die Landwirte sein, die dieser Technik skeptisch gegenüberstehen. Wie Sie wissen, tun wir das, und zwar nicht nur durch die klaren Regelungen, die ich gerade erläutert habe, sondern auch durch die Möglichkeit, freiwillig gentechnikfreie Zonen zu schaffen. Sie haben ein Beispiel genannt. Aus der Uckermark sind mir Beispiele bekannt. In Baden-Württemberg gibt es eine erhebliche Zahl solcher Aktionen. Das gilt ebenso für Bayern und andere Länder.

   In unsere Regelungen nehmen wir natürlich auch die Anregungen aus der Praxis und die der Bauernverbände – seien es die des Deutschen Bauernverbandes, des Bauernbundes, des Imkerbundes oder der ökologisch wirtschaftenden Landwirte – auf. Das sehen Sie an unserem Gesetzentwurf. Wir haben sie zu einer Anhörung eingeladen. Die Ergebnisse der Anhörung finden sich in den Formulierungen unseres Ausschussänderudsngsantrages wieder.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie mich noch zu weiteren Inhalten unseres Gesetzentwurfes kommen. Der Gesetzentwurf enthält natürlich Kontrollpflichten und Kontrollrechte der öffentlichen Hand. Es gehört zu den legitimen staatlichen Aufgaben, dafür zu sorgen, dass Gesetze eingehalten werden. Mich schmerzt es trotz meines Respekts für das natürliche Bedürfnis der Opposition, alles abzulehnen, immer wieder, wenn die Kontrollaufgaben oder -pflichten als Bürokratie verteufelt werden. Wenn man nicht kontrollieren kann, dann hat das Aufstellen von Regeln relativ wenig Sinn.

   Im Bundesrat haben gerade die Kolleginnen und Kollegen aus den CDU- bzw. CSU-geführten Ländern darauf hingewiesen, dass sie erhebliche Bedenken gegen die Einführung von Landesstandortregistern hätten. Wir sind diesen Bedenken entgegengekommen und haben uns dafür ausgesprochen, die Länderstandortregister nicht obligatorisch zu machen. Deshalb haben wir das Bundesregister vorgeschlagen, das ich Ihnen gerade vorgestellt habe. Das hatte zur Folge, dass der Gesetzentwurf in Verbindung mit einigen anderen Regelungen zustimmungsfrei wurde. Das begrüßen wir ausdrücklich, und zwar deswegen, weil damit verhindert wird, dass von einer bestimmten Seite in diesem Haus das Gesetzesvorhaben unendlich in die Länge gezogen werden kann. Die Landwirte, deren Interessen wir vertreten, sind darauf angewiesen, dass sie jetzt Sicherheit haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Landwirte brauchen Planungssicherheit bis zum Ende dieses Sommers. Darauf haben uns alle Praktiker aus der Landwirtschaft hingewiesen. Dem sind wir entgegengekommen.

   Wir sind auch der Meinung, dass zusätzlich einiges auf europäischer Ebene geklärt werden muss. Deswegen haben wir einen Entschließungsantrag eingebracht, mit dem wir die Bundesregierung in zwei wichtigen Bereichen zu Aktivitäten auffordern. Zum einen sind wir der Meinung, es wäre sehr vernünftig, wenn wir europaweit geltende Haftungsregelungen hätten, und zwar einerseits deswegen, weil sie die Klarheit und die Planungssicherheit für alle Beteiligten erhöhen, und andererseits, weil damit wettbewerbsrechtliche Verzerrungen vermieden oder auch Unterschiede im Umweltbereich stärker berücksichtigt werden können. Deswegen drängen wir so darauf, dass derartige Regeln europaweit vereinbart werden.

   Zum Zweiten hat das auch mit dem Haftungsrisiko der Landwirte zu tun. Natürlich haften die Landwirte für das, was sie selber verantworten müssen und können, nämlich für die Verletzung der guten fachlichen Praxis. Darüber hinaus gibt es aber das so genannte Koexistenzrisiko. Das ist ein technischer Ausdruck, der sich auf das Risiko der Auskreuzung einer Pflanze bezieht, was zur Folge hat, dass konventionell oder biologisch wirtschaftende Landwirte – das ist die überwiegende Mehrheit – ihre Produkte nicht mehr loswerden und deshalb einen wirtschaftlichen Schaden haben. In einem solchen Fall sollten eigentlich die Erzeuger haften. Dafür gibt es bisher auf europäischer Ebene noch keine Regelung. Eine solche einzuführen wäre sehr gut. Bis dahin allerdings – das empfiehlt der Ausschuss allen Landwirten, die sich für den Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft entscheiden – sollten diese Landwirte von ihren Lieferanten eine Freistellung für diese Risiken verlangen. Dieses Petitum kommt auch von den Bauernverbänden. Wir haben es aufgenommen und sind der Meinung, dass man das nicht laut genug fordern kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ein weiterer Punkt aus dem Entschließungsantrag, der uns ebenfalls wichtig ist, besagt, dass Lücken im Kennzeichnungsrecht durch einheitliche Regelungen auf EU-Ebene geschlossen werden müssen. Wir wissen, dass tierische Produkte heute auch dann von der Kennzeichnung ausgenommen werden, wenn die Tiere mit gentechnisch veränderten Futtermitteln, Pflanzen oder was auch immer gefüttert werden. Das halten wir für falsch und für ein Element der Verunsicherung.

   Lassen Sie mich zusammenfassen: Wer für eine neue Technologie, die bestimmte Wirtschaftsunternehmen auf den Landwirtschaftsmarkt bringen wollen, weil sie sich etwas davon versprechen, Vertrauen schaffen will, der muss sowohl für die Haftung als auch für die Transparenz, die Wahrheit und die Klarheit – das betrifft die Kennzeichnungsrichtlinien – klare Konsequenzen ziehen. Wir tun hier, was wir in Ausformung des europäischen Rechts tun können. Der nächste Schritt muss jetzt im europäischen Recht erfolgen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Helmut Heiderich, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Helmut Heiderich (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Neuregelung des Gentechnikrechtes und die heutige Debatte hätten eigentlich bereits im Oktober 2002 hier stattfinden müssen. Zwei Jahre lang haben Sie, die Koalition, die Fortentwicklung der Gentechnik verzögert, blockiert, Forschung verhindert und Verfahren verschleppt. Zwei Jahre lang haben Sie sich im Bundeskabinett gestritten und waren unfähig, eine Lösung vorzulegen. Zwei Jahre lang hat das eine Ministerium die Forschung im Freiland finanziell unterstützt, während das andere Ministerium die Forschung veräppelt hat, wie es die „Zeit“ im Dezember zutreffend formuliert hat.

   Zwei Jahre lang haben Sie in Brüssel kleinlaut beigegeben, wenn Entscheidungen zur Gentechnik angestanden haben. Zwei Jahre lang haben Sie im eigenen Land nicht das Geringste getan, um hinsichtlich unserer klimatischen, strukturellen und landwirtschaftlichen Bedingungen zu belastbaren praktischen Erfahrungen vor Ort zu kommen und damit die notwendigen Grundlagen für die Ausformulierung dieses Gesetzes zu schaffen. So aber sind wir auf Vermutungen oder allenfalls Daten aus zweiter Hand angewiesen.

   Zwei Jahre lang haben Sie nichts vorangebracht. Deswegen fordere ich Sie auf: Hören Sie endlich auf, öffentlich – wie auch eben wieder – nach Sündenböcken zu suchen!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Sie haben den Stillstand gewollt, den Sie demzufolge auch verantworten müssen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

   Inzwischen hat Sie offensichtlich die Panik ergriffen, dass Sie von der europäischen Entwicklung überrollt werden könnten und dass die Bürger merken könnten, dass Sie zu wenig Vorsorge getroffen und zu spät und unzureichend gehandelt haben. Nun bestimmt plötzlich politische Willkür das Handeln. Alle Verfahrensbeteiligten werden vor den Kopf gestoßen, wie es extremer nicht vorstellbar ist.

   Die Frau Ministerin hat erst gestern Morgen wieder erklärt, sie wolle alle Beteiligten an einen Tisch holen und im Verbund mit allen Gruppen zu vernünftigen Ergebnissen kommen. Sie reden doch sonst immer davon, alle Beteiligten zusammenzubringen; aber bei der grünen Gentechnik denken Sie gar nicht daran. Sie säen nur Zwietracht und verhindern jede eingehende Beratung. Sie stiften in der Bevölkerung und der Landwirtschaft Verwirrung, indem Sie die Zusammenhänge völlig falsch erklären. Denn Gentechnik spielt inzwischen in fast jedem Stall, fast jeder Apotheke und fast jedem Lebensmittel eine Rolle.

   Sie haben in dieser Woche den Boden jeder seriösen parlamentarischen Behandlung dieses Themas – ich formuliere das bewusst vorsichtig – verlassen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Dass Sie nach zwei Jahren Vorlaufzeit die Runde der hoch angesehenen Wissenschaftler und Experten erst zwei Tage vor der entscheidenden Abstimmung eingeladen haben, zeigt am deutlichsten, was Sie von den Ratschlägen der Wissenschaftler und Experten halten. Bis heute liegt nicht einmal ein Protokoll darüber vor, welche Verbesserungsvorschläge in der Runde am Montag vorgetragen wurden.

(Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Das ist immer so! Das ist nicht nur da so!)

   Dann haben Sie uns Dienstagabend lange nach Büroschluss ein einseitiges Fax mit Entschließungsanträgen Ihrer Fraktion zugesandt. Es enthielt keinen Vermerk und keinen Hinweis darauf, dass Sie anschließend in der Nacht klammheimlich auch noch einen 40-seitigen Änderungsantrag per E-Mail an die längst abgeschalteten Computer nachsenden würden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

In einer solchen Art und Weise kann man mit einem so wichtigen Thema, über das schon seit Monaten diskutiert wird, nicht umgehen.

   Nicht einmal in der entscheidenden Ausschusssitzung am Mittwochmorgen lag Ihr Antragspaket in schriftlicher Form zur Beratung vor. Auf unseren Antrag hin musste es erst hereingeschleppt werden, weil auf den Tischen nichts auslag, Frau Vorsitzende.

(Widerspruch der Abg. Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD))

– Das ist nicht falsch; es ist vielmehr die Wahrheit. Das können alle Kollegen bestätigen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Heiderich, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Däubler-Gmelin?

Helmut Heiderich (CDU/CSU):

Nein, ich gestatte im Moment keine Zwischenfrage. – Nachträglich hat sich herausgestellt, dass Sie auch noch eine wesentliche Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes mit aufgenommen haben, wovon weder in der Anhörung noch in der vorigen Fassung des Gesetzentwurfs die Rede war. Eigentlich hätten wir eine neue Anhörung beantragen können; diesem Antrag hätten Sie stattgeben müssen.

   Wer so handelt und das Parlament in einer solchen Art und Weise düpiert, der will keine Diskussion zur Sache; er will vielmehr etwas durchboxen, ohne dass ihm andere in die Karten schauen können. Das ist Ihr wirkliches Ziel.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dabei besteht gar kein Anlass zu einer solch plötzlichen Blitzaktion. Frau Künast selber hat doch das gegenwärtig für den wissenschaftlich begleiteten Erprobungsanbau der Bundesländer genutzte Saatgut zu diesem Zweck zugelassen. Sie wird doch hoffentlich gewusst haben, was sie da getan hat.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Das wäre das erste Mal gewesen!)

Sie weiß hoffentlich ebenfalls, dass dieser Anbau sicher und unbedenklich ist. Sonst hätte ihr Haus die Zulassung nicht erteilen dürfen. Aber Ihr jetziger Affront gegen die betroffenen Länder, die im Grunde die Aufgabe übernommen haben, die Sie seit zwei Jahren hätten erledigen müssen, ist kein Ausdruck verantwortlichen Handelns Ihrerseits.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie alle, auch Frau Künast, wissen außerdem, dass in diesem Jahr für den allgemeinen landwirtschaftlichen Anbau in Deutschland überhaupt keine gentechnisch veränderte Sorte zugelassen ist, dass also überhaupt kein Anbau bei den Landwirten stattfinden kann. Selbst wenn demnächst die Europäische Union eine gentechnisch veränderte Maissorte freigeben sollte, dann könnte der Mais erst im kommenden Frühjahr ausgesät werden. Bis dahin wären aber die neuen gesetzlichen Regelungen allemal in einem geordneten Verfahren umsetzbar gewesen. Ihre Nacht-und-Nebel-Aktion wäre also nicht notwendig gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Der krampfhafte Versuch, jetzt andere für das chaotische Durcheinander der Koalition haftbar zu machen, ist wirklich der Gipfel der Unverfrorenheit. Schließlich, Frau Vorrednerin, waren es doch gerade SPD-regierte Bundesländer, von Rheinland-Pfalz bis Mecklenburg-Vorpommern, die deutliche Nachbesserungen am bisherigen Gesetzentwurf verlangt haben. Die ständigen Behauptungen von einer Blockade an unsere Adresse sind schlicht unwahr, um nicht noch schärfere Formulierungen zu verwenden. Ich fordere Sie auf, endlich damit aufzuhören.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Hören Sie endlich auf, eine Debatte auf diesem Niveau zu führen, wie Sie das in dieser Woche tun!

   Herr Kollege Röspel, die Bio- und Gentechnik stellt ein großes Wachstumspotenzial dar. Das erklärt Ihr Bundeskanzler nahezu jeden Sonntag. Eine solche neue Technologie, die sich weltweit schon auf breiter Basis durchsetzt, kann man den Bürgern aber nicht von oben aufstülpen. Man kann ihr schon gar nicht durch populistisches Wegducken vor der Verantwortung gerecht werden, wie Sie das jetzt in starkem Maße tun. Man kann sie erst recht nicht mit einer starken Verunsicherung der Bürger begleiten. Dem müssten Sie eigentlich entgegentreten. Aber Sie tun im Moment das genaue Gegenteil.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Durch das, was Sie jetzt hastig vorgelegt haben, wird die gesamte Verantwortung für diese Technologie letztendlich bei den Bauern abgeladen. Diese, die sowieso schon das schwächste Glied in der Kette sind, sollen nun für die Versäumnisse von Rot-Grün geradezu an das Hoftor genagelt werden, um einmal diesen Ausdruck zu verwenden.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wieder einmal müssen die Bauern für Rot-Grün herhalten. Diese fatale Konsequenz scheint Ihnen selbst zu dämmern. Wie sonst sollte man die in Ihrem Entschließungsantrag formulierte untaugliche Aufforderung an die Landwirte verstehen – ich zitiere –, „sich durch ihre Lieferanten haftungsmäßig freistellen zu lassen“? Mit Koexistenz hat diese Aufforderung gar nichts mehr zu tun.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist die Forderung des Bauernverbandes!)

   Sie säen mit Ihrer Hauruckaktion Zwietracht in Deutschland. Sie isolieren Deutschland in Europa. Sie blockieren eine Forschung, die Deutschland zu einer Spitzentechnologie hätte verhelfen können, wie das auch von Abgeordneten aus Ihren Reihen immer öfter dargestellt wird.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn ich darf, möchte ich zum Schluss noch Ihren Minister Clement zitieren. Er stellt fest: Jedes zertrampelte Genmaisfeld ist eine zerstörte Chance. –

(Beifall der Abg. Ulrike Flach (FDP))

Sie haben in dieser Woche sehr viele Chancen für die Biotechnik in Deutschland zerstört. Der von Ihnen vorgelegte Gesetzentwurf und die heutige Diskussion sind ein Negativum für Deutschland und seine Zukunft.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Dr. Herta Däubler-Gmelin.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):

Herr Präsident! Lieber Herr Kollege Heiderich, ich hätte Sie das gerne selbst gefragt. Da Sie aber keine Zwischenfrage zugelassen haben, mache ich das jetzt im Rahmen einer Kurzintervention.

   Sie haben mich ja auch in meiner Eigenschaft als Ausschussvorsitzende angesprochen. Ich habe bereits vorher erklärt, dass ich viel Verständnis dafür habe, dass die Opposition sozusagen von ihrem natürlichen Recht, gegen alles zu sein, Gebrauch macht.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Unsinn! – Helmut Heiderich (CDU/CSU): Unglaublich! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Dass Sie jetzt aber in neun Minuten Redezeit zur Sache gar nichts gesagt haben, halte ich für bemerkenswert. Da Sie zum Verfahren, dem Sie sich lang und breit zugewandt haben, auch einige Unrichtigkeiten gesagt haben, muss ich das einfach sachlich richtig stellen:

   Der Entschließungsantrag, der von Ihnen nicht gerügt wurde, ist gestern um 19.46 Uhr per EMail an jedes Büro gegangen. Um 20.16 Uhr kamen die Änderungsanträge. Dass Sie es als „klammheimlich“ bezeichnen, dass die EMailÜbermittlung der Änderungsanträge 30 Minuten später erfolgte, halte ich für geradezu komisch. Dass Sie bei 20.16 Uhr von „in tiefster Nacht“ reden, wird selbstverständlich auch die Öffentlichkeit einigermaßen amüsieren.

   Sie haben in einem Punkt völlig Recht – lassen Sie mich das wiederholen; das haben wir auch im Ausschuss zum Ausdruck gebracht –: Wir haben die Änderungsanträge erst am Dienstag fertig stellen können, weil wir – übrigens Ihr Interesse voraussetzend – die Anhörung vom Montag in die Formulierung der Änderungsanträge aufgenommen haben. Das gehört zu unserer Pflicht.

(Birgit Homburger (FDP): Das ist doch wirklich lächerlich!)

   Ich finde es schade, dass Sie sich der Beratung entzogen haben.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

Dass es sich um ein Hauruckverfahren handele, kann man eigentlich nicht sagen, weil wir im Plenum des Deutschen Bundestages schon mehrfach über das Thema debatiert haben und weil vor allen Dingen der Bundesrat seine Einwände nach langer Diskussion bereits am – ich bitte die Öffentlichkeit und die verehrten Kolleginnen und Kollegen der Opposition, auf das Datum zu achten – 2. April dieses Jahres in schriftlicher Form vorgelegt hat.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Heiderich, Sie haben das Wort zu einer Erwiderung.

Helmut Heiderich (CDU/CSU):

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Frau Vorsitzende, ich kann verstehen, dass Sie jetzt versuchen wollen, das wirklich unseriöse und an den üblichen demokratischen Verfahren völlig vorbeigegangene Verhalten in dieser Woche in irgendeiner Form zu rechtfertigen.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Völlig unsinnig!)

   Ich habe eben deutlich auf Folgendes hingewiesen: Wenn Sie schon per Fax um 19.47 Uhr

(Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD): Um 19.46 Uhr!)

– oder um 19.46 Uhr – einen einseitigen Antrag verschicken, dann hätte es der Anstand geboten, dass man darauf schreibt: Achtung, per E-Mail kommen in einer Stunde noch 40 Seiten hinterher.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Frau Vorsitzende, Kollegen haben mich angerufen und haben mit mir über den Antrag gesprochen. Sie haben gesagt: Hier ist etwas gekommen. Darf ich dir das einmal vorlesen? – Nachdem ich die drei Sätze gelesen hatte, die in diesem Antrag standen, habe ich gesagt: Na, wenn es denn sonst nichts ist, dann ist die Problematik morgen früh nicht so bedeutsam.

   Dann haben Sie das andere per E-Mail versandt, obwohl die Computer um 20 Uhr oder um 21 Uhr natürlich längst abgeschaltet waren – so habe ich das eben formuliert; ich habe hier nichts von „tiefer Nacht“ gesagt; Sie müssen einmal genau zuhören –,

(Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Doch!)

sodass darauf niemand aufmerksam werden konnte.

   Am nächsten Morgen wäre es Ihre Pflicht gewesen, diesen Antrag auf den Tisch zu legen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dieser Pflicht sind Sie nicht nachgekommen. Die Kollegen mussten Sie mehrfach auffordern, die Exemplare erst einmal herbeizuschaffen, damit man überhaupt lesen konnte, was in diesem Antrag steht. – So sind die Dinge abgelaufen.

   Ich wiederhole: Mehrere Kollegen haben mir bestätigt, dass sie die von Ihnen per E-Mail versandten Anträge gar nicht bekommen haben. Schon allein das wäre ein Grund, die Verhandlung abzusetzen. Wir haben auch darauf verzichtet, eine Anhörung zur Änderung des Bundesnaturschutzgesetzes durchzuführen, obwohl Sie dies zusätzlich eingebracht hatten.

   Sie haben in dieser Woche das parlamentarische Verfahren mit Füßen getreten. Nun versuchen Sie hier nicht, das auch noch scheinheilig zu rechtfertigen.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Da der Kollege Wolfgang Zöller uns die Ehre erweist, seinen Geburtstag hier mit uns zu verbringen, möchte ich ihm herzlich gratulieren.

(Beifall)

   Nun erteile ich Kollegin Ulrike Höfken von der Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen das Wort.

Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kollegen von der CDU/CSU sind echt süß. CDU und CSU sind doch die Parteien, die für die Verlängerung der Ladenöffnungszeiten und für die Ausdehnung der Wochenarbeitszeit eintreten. Dennoch schaffen sie es noch nicht einmal, ihren eigenen Laden während der Geschäftszeiten des Bundestages offen zu halten. Also, ich bitte Sie!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD Helmut Heiderich (CDU/CSU): Wie reden Sie von diesem Parlament!)

Man kann ja bei guten Wahlergebnissen übermütig werden. Wir werden das nicht.

(Lachen bei der CDU/CSU)

– Oh nein! – Die Frage ist aber, ob Sie sich einen Gefallen tun, wenn Sie sich hinter einem Scharfmacher wie Herrn Heiderich versammeln, der eine reine Lobbyismuspolitik betreibt.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Was? – Helmut Heiderich (CDU/CSU): Hören Sie auf mit Ihren Unterstellungen!)

Wenn ich mit den Kollegen von der CDU zusammensitze, wie das heute Abend in der Eifel auf dem Ziegenhof von Regino Esch der Fall sein wird – das gilt aber auch für Trier oder Rheinland-Pfalz überhaupt –, dann nehmen sie ganz andere Positionen ein – der Kollege Herzog hat das dargestellt –; sie sagen nämlich: Sorgen Sie bloß dafür, dass es ein strenges Gentechnikgesetz gibt!

   Es kann doch nicht wahr sein, dass Sie sich gegen die wirtschaftlichen Interessen der übergroßen Mehrheit der Betriebe, die Interessen der übergroßen Mehrheit der Verbraucher und sogar die der großen Handelskonzerne stellen! Gestern haben Sie ein großes Theater gemacht, als ich da etwas kritisiert habe. Heute handeln Sie gegen diese Handelsinteressen. Das muss man sich doch einmal auf der Zunge zergehen lassen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Sie haben noch einmal die zerstörten Chancen erwähnt. Wir als Grüne sehen keinen Nutzen im Einsatz der Gentechnik im landwirtschaftlichen Bereich.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Sie haben noch nie bei einem Technikeinsatz einen Nutzen gesehen!)

Wir sehen die zahlreichen ungeklärten Risiken für die Verbraucher. Wir sehen in der Gentechnikfreiheit einen großen Marktvorteil für die deutsche Landwirtschaft, übrigens gerade für Regionen wie die Eifel und die Mittelgebirgslagen.

   Hier muss man auch noch einmal etwas klarstellen. Vor allem pauschale Aussagen wie die, es hätten sich keine gesundheitlichen Risiken ergeben, stehen auf sehr wackeligen Füßen.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Wieso lässt Künast dann zu?)

Sie wissen ganz genau: Es gibt zehn weltweit anerkannte Studien. Fünf davon sagen, es gebe nachteilige Ergebnisse.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Wieso lässt Künast dann zu? – Max Straubinger (CDU/CSU): Dann hätte Künast das verbieten müssen!)

Fünf Studien, privatwirtschaftliche übrigens, sagen, es gebe keine. Eine so dünne Datenbasis kann auf keinen Fall dazu führen, das Vorsorgeprinzip,

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sagen Sie das Ihrer Ministerin! – Max Straubinger (CDU/CSU): Warum hat die Ministerin nicht dagegengehalten? Warum lässt sie das zu? Das ist doch unredlich!)

das auch die EU vorschreibt – vertun Sie sich da nicht: Auch die EU-Richtlinie schreibt das vor –, außer Acht zu lassen. Deswegen müssen wir genau dieses Gentechnikgesetz jetzt vorlegen.

(Max Straubinger (CDU/CSU): Der Genmais kommt nur mit der Künast zum Einsatz!)

   Herr Heiderich, ich finde Ihre Anmerkungen – um das einmal vorsichtig auszudrücken – reichlich realitätsverdrehend; denn erst im April lag die Kennzeichnungs- und Herkunftsverordnung der EU-Kommission vor. Die Kennzeichnungsregeln waren erst zu diesem Zeitpunkt abgestimmt. Unser Gesetz vorher zu machen wäre reichlich absurd gewesen. Erst zu dem Zeitpunkt gab es die Grundlage dafür. Das Durchführungsgesetz haben Sie im Bundesrat aufgehalten. Man muss sich das einmal vorstellen: Sie haben die Verbraucher daran gehindert, über die Kennzeichnung ihre Informationsrechte wahrnehmen zu können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Das war eine reine Verzögerungstaktik, die Sie jetzt uns vorwerfen. Das ist ja wohl das Allerdickste!

   Zum Erprobungsversuch. Da passiert das Gleiche. Selbstverständlich wissen wir alle: Es gibt nach alten EU-Regeln zugelassene Produkte, mit denen wir uns heute auseinander setzen müssen. Es sind alte Zulassungen, die natürlich rechtlich entsprechend bewertet werden müssen.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Frau Künast hat sie zum Erprobungsanbau zugelassen!)

Aber es ist doch ganz klar: Sie halten das Gentechnikgesetz im Bundesrat auf, um diese Rechtslücke für einen geheim gehaltenen Erprobungsanbau zu nutzen. Das ist, finde ich, ein dickes Ding.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist unsere Pflicht und unsere Verantwortung, hier Rechtssicherheit zu schaffen, und das tun wir auch.

   Um auch das noch einmal ganz deutlich zu sagen: Wir setzen hier die Regeln der EU um. Manche fragen: Warum verbietet ihr das Ganze nicht, wenn man sich nicht sicher sein kann, ob das nicht doch Schäden verursacht? Wir nutzen in Deutschland aber in einer einmaligen Art und Weise die nationalen Möglichkeiten aus – das ist ein in Europa einmaliges Gesetz, auf das viele andere europäische Länder schauen –, um die gentechnikfreie Produktion zu schützen, die Verantwortung der Produzenten festzuschreiben, entsprechend dem Spielraum die gute fachliche Praxis in ihren Rahmenbedingungen zu klären, festzulegen, dass die ökologisch sensiblen Gebiete geschützt werden, und über ein transparentes Standortregister – meine Kollegin hat alles das schon dargestellt – sicherzustellen, dass es die Möglichkeit gibt, Haftungsansprüche geltend zu machen.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Was ist gute fachliche Praxis, wenn es keine Praxis gibt?)

   Die gute fachliche Praxis das zum Schluss wird natürlich von den Bundesländern noch ausgestaltet werden.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Wenn es keine Praxis gibt?)

Ich denke, diese sollten wir gemeinsam festlegen. Ich hoffe, dass der Bundesrat und die Länder hier ihre Verantwortung wahrnehmen

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Gerne, aber nicht in dieser Art! Das muss erst einmal ehrlich diskutiert werden!)

und auch entsprechende Verordnungen erlassen. Ich finde es fahrlässig, wenn die Länder stattdessen durch die Missachtung und Streichung sämtlicher Schutzmaßnahmen, die in unserem Gesetz vorgesehen waren,

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Sie haben doch Gesetzesvorgaben gestrichen!)

ein Chaos produzieren. So etwas könnte man wirklich nicht mittragen. Lassen Sie uns hierbei lieber gemeinsam vorgehen.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Helmut Heiderich (CDU/CSU): „Gemeinsam“!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Christel Happach-Kasan, FDP-Fraktion.

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich weiß nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen von Rot-Grün, warum ihr so fröhlich seid. Wenn wir einmal ganz kritisch in uns gehen und den Diskussionsprozess betrachten, dann kommen wir automatisch zu der Feststellung, dass wir vor dem Scherbenhaufen des Diskursprozesses über die Chancen und Risiken der Grünen Gentechnik in Deutschland stehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der im Ausschuss beschlossene Gesetzentwurf ist ein Dokument des Scheiterns, nichts anderes.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf dieses Ergebnis kann hier wirklich niemand stolz sein.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Mit dieser Einschätzung stehe ich übrigens nicht allein. Ich war schon überrascht, dass mich ein Vertreter von Greenpeace, der das genauso sieht, angesprochen hat.

(Lachen des Abg. Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Zurufe von der SPD)

   Dabei muss man sehen, dass dieses kein Einzelfall ist. Erinnern wir uns an die Diskussionen um die Rote Gentechnik: Das Verfahren zur Herstellung von Insulin durch gentechnisch veränderte Bakterien ist in Deutschland entwickelt worden. Das Verfahren zur Genehmigung der Produktionsstätte hat 13,5 Jahre gedauert.

(René Röspel (SPD): Wer war denn zu der Zeit an der Regierung?)

– Zu dieser Zeit gab es in Hessen eine rot-grüne Regierung. Diese ist abgewählt worden und durch eine schwarz-gelbe Regierung ersetzt worden. So wird es auch Ihnen ergehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – René Röspel (SPD): Das hat doch die Regierung Kohl verhindert!)

   Das Ergebnis der Diskussionen um die Rote Gentechnik ist bekannt: Sie hat sich durchgesetzt, sie ist akzeptiert, sie ist auf dem Markt. Sie wissen aber auch, dass die Wertschöpfung außerhalb des Landes stattfindet und auch die Arbeitsplätze außerhalb des Landes geschaffen wurden. Genau diese Entwicklung wird es auch bei der Grünen Gentechnik geben. Auch sie wird sich durchsetzen. Jeder beteiligte Akteur weiß dieses auch; wer das nicht zugibt, belügt die Leute. Wir alle wissen das.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wir alle wissen auch, dass Fermentationsprodukte von gentechnisch veränderten Organismen längst in aller Munde sind.

(Peter H. Carstensen (Nordstrand) (CDU/CSU): Im wahrsten Sinne des Wortes!)

Die Regierung hat es mir in ihrer Antwort auf meine Anfrage vor einiger Zeit bestätigt. Ich bedanke mich bei Herrn Thalheim für die korrekte Beantwortung.

   Wir wissen auch, warum die Diskussion gescheitert ist. Sie wurde nämlich allein risikoorientiert geführt. Es sind sehr hypothetische und nur theoretisch vorhandene Risiken angeführt worden.

   Ich will noch eines hinzufügen: Die Trennungslinie bei der Einschätzung von Grüner Gentechnik verläuft nicht zwischen Gegnern und Befürwortern. Die Trennungslinie verläuft zwischen Menschen, die Verantwortung für das Gemeinwesen empfinden, und solchen, die sich allein auf ihre punktuelle Gesinnung verlassen.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Populismus!)

Wir haben einen Streit zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auf der Seite derjenigen, die diese Frage gesinnungsethisch beurteilen, steht Greenpeace. Auf der Seite derjenigen, die diese Frage verantwortungsethisch beurteilen, steht zum Beispiel die DFG, aber auch viele andere.

(Widerspruch des Abg. Michael Müller (Düsseldorf) (SPD))

Vor diesem Hintergrund war es zwangsläufig, dass die Diskussion scheiterte. Sie musste scheitern, weil sich verantwortliche Politiker auf die Seite der Gesinnungsethiker gestellt haben und ihrer Verantwortung als Regierungsmitglieder nicht gerecht geworden sind.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Zuruf des Abg. Michael Müller (Düsseldorf) (SPD))

– Die FDP hat sich sehr klar zur Gentechnik geäußert. Ich brauche das nicht zu wiederholen.

   Der Grund dafür, dass der Werbefeldzug von Greenpeace Erfolg hatte, ist die Verunsicherung der Menschen. Wie man die Menschen in Deutschland verunsichert, haben wir beispielsweise bei der Debatte um BSE erlebt. Greenpeace hat jedoch keinen Erfolg bei Menschen, die gut ausgebildet sind, die selbstbewusst sind und die bereit sind, sich selbstständig ein Urteil zu bilden. Diese können nicht so leicht beeinflusst werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – René Röspel (SPD): Das ist unverschämt!)

Das bedeutet, dass die Regierung, wenn sie in einem Diskussionsprozess Konsens erzielen will, dafür sorgen muss, dass es sich um selbstbewusste Diskussionspartner handelt.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Das tut ja weh!)

Sie dürfen nicht verunsichert werden. Es muss eine offene und ehrliche Diskussion geführt werden. Dadurch kann vermieden werden, dass Verunsicherung entsteht.

(Zuruf der Abg. Gabriele Hiller-Ohm (SPD))

– Frau Hiller-Ohm, auch Sie haben sich daran beteiligt, die Menschen zu verunsichern.

   Wir wissen alle: Wer Angst hat, ist nicht frei, selbst zu entscheiden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Das Schüren von Ängsten nimmt den Menschen die Möglichkeit, eigenverantwortlich zu handeln. Genau deswegen, Kolleginnen und Kollegen von den Grünen, führen Sie mit so viel Lust Risikodebatten und sprechen von Risikotechnologien. Damit schaden Sie der Demokratie; denn Demokratie setzt auf mündige, eigenverantwortlich handelnde Bürger, während Sie über das Schüren von Ängsten die Bürgerinnen und Bürger bevormunden wollen. Sie sind eine zutiefst unliberale Partei.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gabriele Hiller-Ohm (SPD): Das ist ja unglaublich!)

   Die FDP lehnt diesen Gesetzentwurf ab. Er kann die Koexistenz nicht organisieren, weil er den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen durch die verschuldensunabhängige Haftung de facto unmöglich macht. Die Bundesregierung hat versäumt, eine Lösung für die Versicherung von Haftungsansprüchen auf den Weg zu bringen. Das wäre das Beste gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP – Widerspruch bei der SPD)

Der Gesetzentwurf bedient ausschließlich die Machtinteressen von Gentechnikgegnern. Auch dies lehnt die FDP ab. Der Schwellenwert von 0,9 Prozent bleibt, anders als die „FAZ“ berichtet hat, bestehen, auch wenn die jetzt gewählte Formulierung einen anderen Anschein zu erwecken sucht. Das ist unredlich.

   Die Regierung hat versäumt, Vertrauen in staatliches Handeln zu schaffen. Dieses Vertrauen ist die Voraussetzung dafür, dass der legitime Wunsch der Öffentlichkeit nach Transparenz beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen erfüllt werden kann, ohne dass dies zur Zerstörung von Feldern missbraucht wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt kommt das wieder!)

Ihre klammheimliche Freude an Feldzerstörung ist nicht zu übersehen. Es ist eine Schande, dass Sie beim Erprobungsanbau immer wieder von Geheimhaltung sprechen. Das ist schlicht nicht wahr.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sowohl das Konzept des Versuches als auch alles andere ist öffentlich und kann von all denen, die ein berechtigtes Interesse haben, eingesehen werden. Wenn Ministerin Künast darauf hingewirkt hätte –

(Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Wie lang sind Ihre fünf Minuten eigentlich?)

– Ich wäre Ihnen dankbar, wenn auch ich zu Ende reden dürfte.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Happach-Kasan, Sie müssen aber zum Ende kommen, denn Sie haben Ihre Redezeit schon deutlich überschritten.

(Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Jedes Mal! Immer!)

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):

Ich komme zum Schluss.

   Der Gesetzentwurf entwertet Investitionen von Forschungseinrichtungen und Betrieben in die Erforschung der Grünen Gentechnik, weil er verhindert, dass die Ergebnisse bei uns wirtschaftlich genutzt werden. Das ist eine Vernichtung von Geld. Für unser Land mit hoher Arbeitslosigkeit, ein Land, das weitreichende Reformen vor sich hat, ist dieser Gesetzentwurf eine Katastrophe.

   Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Ernst Ulrich von Weizsäcker, SPD-Fraktion.

(Michael Müller (Düsseldorf) (SPD): Der hat Max Weber gelesen!)

Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD):

Vielen Dank, Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Der Kritik der Opposition an der außerordentlichen Eile muss ich mich anschließen;

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

sie war auch für uns im Umweltausschuss außerordentlich belastend. Ich muss allerdings den Vorwurf zurückweisen, das habe mit irgendeiner Art von Geheimhaltung zu tun. Es war einfach der Ablauf der Ereignisse, vom Einspruch des Bundesrates über die Antwort der Bundesregierung usw.; ich brauche das jetzt nicht weiter auszuführen. Wir alle hätten über den Gesetzentwurf lieber in Ruhe beraten.

   Lassen Sie mich aber zum Inhalt kommen; das ist das Wichtigste. Ich will ihn aus zwei verschiedenen Blickwinkeln betrachten, zum einen aus dem ökologischen und zum anderen aus dem wissenschaftspolitischen.

   Umweltbesorgnisse sind letzten Endes wohl der wichtigste Grund für die sehr große Zurückhaltung, die man der Grünen Gentechnik vielerorts entgegenbringt. Frau Dr. Happach-Kasan, die Verunsicherung geht nicht von Rot-Grün aus, sondern von der Sache.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Von Greenpeace!)

Es ist eindeutig, dass große Unsicherheit besteht – und zwar nicht nur im einfachen Volk, sondern auch unter den Spitzenwissenschaftlern –, was eigentlich die langfristigen Auswirkungen sind. Nun so zu tun, als gehe es um den Standort Deutschland, eine Durchbrechertechnologie, Schwellenüberwindung usw., ist, vorsichtig gesagt, mindestens gegen das Vorsorgeprinzip.

   Weil die ökologischen Besorgnisse so weit verbreitet sind, behauptet nun umgekehrt die Befürworterseite immer wieder, die Grüne Gentechnik sei gut für die Umwelt.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Stimmt ja!)

Dies habe ich versucht irgendwo in den verfügbaren Publikationen belegt zu finden und bin nicht fündig geworden. Selbstverständlich – das ist geradezu hineindefiniert – nimmt der Pestizideinsatz erst einmal ab, wenn man das Pestizid, zum Beispiel Bt-Toxin, in die Pflanzen hineinmanipuliert. Aber schon nach wenigen Wachstumsperioden sind wir wieder bei dem alten Pestizideinsatz angelangt.

(René Röspel (SPD): So ist es!)

Das heißt, dieses Vorgehen hat überhaupt nicht geholfen.

   Dann kommt hinzu, dass sich der mit Abstand größte Teil der Grünen Gentechnik überhaupt nicht mit Bt-Toxin, sondern im Wesentlichen mit der Toleranz gegenüber Unkrautvernichtungsmitteln beschäftigt, insbesondere das von Monsanto entwickelte Round-up. Da sieht man sofort, schon in der ersten Wachstumsperiode, eine Vermehrung des Herbizideinsatzes.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Das ist falsch!)

In Argentinien hat dies mittlerweile zu absolut desaströsen Auswirkungen geführt. Dort sind Tausende von Quadratkilometern, die tonnenweise mit Glyphosat vollgekippt worden sind, biologisch tot – und dies bis hin zu den Bodenorganismen, die normalerweise für die Humusbildung verantwortlich sind. Das heißt, es kommt zu wirklich schwersten ökologischen Zerstörungen – und dies nicht trotz, sondern wegen der Gentechnik. Das muss man doch einmal zur Kenntnis nehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Weil nun die ökologischen Erfahrungen mit der Round-up-Toleranz negativ und die mit dem Bt-Toxin bestenfalls neutral sind – von den gesundheitlichen Aspekten, von denen Frau Höfken gesprochen hat, will ich einmal ganz absehen –, bringen die Gentechniker immer wieder Pflanzen in die Diskussion, die gegen Trockenheit, versalzte Böden oder gegen allerlei Schädlinge – sie kommen zum Beispiel mit dem Goldenen Reis oder mit irgendetwas anderem Schönen – gentechnisch robust gemacht werden. Dies ist Window Dressing. Man versucht, etwas an die Wand zu malen, was in der Praxis entweder gar nicht vorhanden ist oder keinen Nutzen bringt. Das ist die bisherige Erfahrung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ob diese versprochenen Wunderpflanzen – oder manchmal auch Wunderfische – ökologisch unbedenklich sind, steht völlig in den Sternen. Das Umweltgutachten 2004 des Sachverständigenrats für Umweltfragen widmet der Grünen Gentechnik ein ganzes Kapitel. Der Rat sagt, dass bezüglich der ökologischen Risiken riesige Ungewissheiten bestehen. In diesem Gutachten wird der ökologische Landbau als besonders schutzwürdig betrachtet. Es ist völlig klar, dass die von der Europäischen Kommission in die Diskussion gebrachte und in die Praxis eingeführte Formel von der Koexistenz keinerlei Garantie für das Überleben des ökologischen Landbaus bietet. Man sollte sich dieses Wort einmal auf der Zunge zergehen lassen. Schon das Wort „Koexistenz“ ist eine sprachliche Täuschung. Da muss man mit den gedanklichen Mitteln des Vorsorgeprinzips und der gesetzlichen Umgebung ausdrücklich dafür sorgen, dass wenigstens die Koexistenz Wirklichkeit wird.

   Lassen Sie mich zum Schluss ein paar Worte zur wissenschaftspolitischen Diskussion sagen. Mich hat ein Brief des Präsidenten der Deutschen Forschungsgemeinschaft, adressiert an Frau Däubler-Gmelin, sehr beunruhigt. Er sagt dort, dass die Forschung, die sich mit der Freisetzung von gentechnisch veränderten Organismen beschäftigt, nicht mehr stattfinden könne. Dazu fällt mir ein, was mir ein norwegischer Forscher sagte: 95 Prozent der Forscher, die zur Grünen Gentechnik arbeiten, stehen de facto auf der Payroll der Industrie. Das heißt, es ist gar kein Wunder, dass diejenigen, die im Wesentlichen die Kommerzialisierung im Sinn haben, Besorgnisse haben, wenn man ernsthaft über die ökologischen Auswirkungen forschen möchte.

(Widerspruch von der CDU/CSU und der FDP)

– Es ist ganz richtig, dass manche dieser Fragen überhaupt erst noch erforscht werden müssen.

(Zuruf der Abg. Ulrike Flach (FDP))

   Lassen Sie mich mit einer versöhnlichen Schlussbemerkung enden. Wenn man die Grüne Gentechnik dort einsetzt, wo sie wirklich eindeutig – also ähnlich wie die Rote Gentechnik – Nutzen stiftet, den man mit herkömmlicher Züchtung nicht erreichen kann – zum Beispiel bei Pflanzen, die sich als Diätgrundlage für Menschen mit bestimmten Stoffwechselkrankheiten eignen –, wird man von uns Umweltschützern und auch von dem vorliegenden Gesetz keinerlei Schwierigkeiten bekommen. Denn dabei handelt sich um Größenordnungen, die man ohne weiteres auch in geschlossenen Gewächshäusern züchten kann.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich Kollegin Happach-Kasan.

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):

Professor von Weizsäcker, die Verunsicherung der Menschen vor zehn Jahren ging da gebe ich Ihnen ausdrücklich Recht von der Sache aus. Zu jener Zeit war der Öffentlichkeit, den Medien, aber auch den Politikern relativ wenig bekannt, dass Gene in jedem Lebensmittel vorhanden sind. Es war wenig darüber bekannt, was sich bei der Züchtung vollzieht. Es ist auch wenig über die zukünftigen Auswirkungen diskutiert worden. Meine Kritik ist, dass wir den Diskurs nicht offen, nicht ehrlich und nicht ohne das Schüren von Ängsten geführt haben. Dies muss sich meines Erachtens gerade Rot-Grün auf die Fahne schreiben lassen.

   Ich finde es bedauerlich, dass Sie in Ihrem Debattenbeitrag die Forschung von Industrieunternehmen kritisiert haben. Wir wollen, dass angewandte Forschung nicht vom Staat, sondern von Industrieunternehmen bezahlt wird. Daher dürfen wir diese Forschung nicht als interessengeleitet und deswegen als nicht gut diskreditieren. Ich glaube, dass das eine falsche Vorgehensweise ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir wollen Grundlagenforschung in den Universitäten und wir wollen die angewandte Forschung von Industrieunternehmen und von mittelständischen Unternehmen, weil sie aus der Forschung einen Profit ziehen können. Wir wollen, dass Unternehmen Gewinn machen.

   Ich habe in Ihrem Beitrag die Auseinandersetzung mit Aussagen des Leiters des Max-Planck-Instituts für Züchtungsforschung, Professor Saedler er ist sicherlich nicht industriegeleitet , vermisst, der auf dem Forum des Max-Planck-Instituts sehr deutlich gemacht hat, dass zum Beispiel 4 Millionen chinesische Baumwollanbauer mit der Gentechnik einen enormen Erfolg für die Umwelt erzielen.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Dabei handelt es sich nicht um das Ergebnis von industrieller Forschung, wie Sie immer behaupten. Wie gesagt, es ist ein Erfolg für die Umwelt und damit ein Erfolg für die Menschen, weil es keine Unfälle mit Pflanzenschutzmitteln gegeben hat. Es ist außerdem ein Beitrag zur Weiterentwicklung des Landes, weil die Anbauer einen größeren Gewinn erzielt haben, als dies mit anderen Verfahren möglich wäre. Genau das wollen wir diesen Ländern ermöglichen. Wir wollen aber nicht, dass das satte Europa solche Entwicklungen in der Dritten Welt verhindert.

   Bitte berücksichtigen Sie in der Diskussion die Aussagen von Jacques Diouf, der im FAO-Bericht sehr deutlich gemacht hat, wie wichtig die Weiterentwicklung einer solchen Forschung für die Ernährungssituation in der Dritten Welt ist. Sie ist damit im Interesse der Menschen in diesen Ländern. Ich bitte, das zu berücksichtigen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege von Weizsäcker, Sie haben Gelegenheit zur Reaktion.

Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD):

Frau Dr. Happach-Kasan, Sie geben mir Gelegenheit, festzustellen, dass ich die von der Industrie bezahlte Forschung weder für überflüssig noch für schlecht gehalten habe. Ich habe lediglich gesagt, dass zum Inhalt dieser Forschung nicht die Forschung hinsichtlich ökologischer Risiken gehört.

   Hätte ich auf Herrn Professor Saedler antworten wollen, dann hätte ich die ziemlich negativen Ergebnisse in Karnataka in Indien mit den praktisch gleichen Sorten erwähnt.

   Wenn ich auf den FAO-Bericht eingegangen wäre, dann hätte ich Stimmen aus den Entwicklungsländern zitiert, die ausdrücklich die Besorgnis äußern, dass die Grüne Gentechnik eine Privatisierung des Saatgutes und damit eine Schlechterstellung der wirklich Hungernden und der einfachen Landbevölkerung zur Folge haben könnte.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit dem vorliegenden Gesetz soll eine EU-Richtlinie in deutsches Recht gegossen werden. Es geht um gentechnisch veränderte Organismen. Entsprechend groß sind die Kontroversen in der Landwirtschaft, in der Wissenschaft und bei Umweltverbänden. Wir erleben die Kontroverse heute auch hier im Haus.

   Das eigentliche Problem können wir hier im Bundestag nicht mehr lösen. Wer gentechnisch veränderte Organismen produziert, nutzt und in Verkehr bringt, der muss auch mit den Risiken leben. Die EU hat den Einsatz von gentechnisch veränderten Organismen freigegeben. Die Bundesrepublik ist an EU-Recht gebunden. Folglich muss es uns vorrangig darum gehen, die Risiken zu minimieren und klare Regeln zu setzen, wer in Schadensfällen haftet.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Damit bin ich beim ersten Punkt: Die Haftpflicht und die Beweislast kann nur bei denjenigen liegen, die von gentechnisch veränderten Organismen profitieren wollen, also nicht bei denen, die traditionelle und ökologische Landwirtschaft betreiben und aus schlechter Nachbarschaft den Schaden ziehen. Aus demselben Grund lehnt die PDS einen Schadensfonds ab, der aus Steuergeldern gespeist wird.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD))

   Glaubt man einschlägigen Umfragen, dann gibt es in der Bevölkerung eine große Ablehnung gegenüber gentechnisch veränderten Organismen. Das ist verständlich, zumal es bisher keine verlässliche Risikoforschung gibt. Der Kollege Ernst Ulrich von Weizsäcker hat eben sehr eindrucksvoll die Probleme und Erfahrungen in der Grünen Gentechnik dargestellt. Bürgerinnen und Bürger wollen völlig zu Recht wissen, was sie kaufen und verzehren. Deshalb müssen Produkte mit gentechnisch veränderten Bestandteilen entsprechend markiert sein. Bürgerinnen und Bürger wollen aber auch wissen, wo sie wohnen und leben, ob sie etwa in der Nähe von Versuchsfeldern leben, auf denen gentechnisch veränderte Organismen angebaut werden. Ich denke, es ist nicht hinnehmbar, wenn Versuchsfelder für gentechnisch veränderte Pflanzen geheim gehalten werden.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) – Helmut Heiderich (CDU/CSU): Das ist richtig!)

   Die PDS im Bundestag fordert also Transparenz und zugleich gesellschaftliche Kontrollen bezüglich Risiken und Nebenwirkungen; denn auch in der Landwirtschaft gilt: Vorbeugen ist besser als Heilen. Es gibt doch unbestritten Pflanzen, deren Verbreitung nicht begrenzbar ist. Landwirte und Umweltverbände verweisen dabei immer wieder auf den Raps. Er verstreut sich über die Lande und ist obendrein winterresistent. Deshalb ist es aus meiner Sicht richtig, wenn für gentechnisch veränderte Sorten ganz besondere Auflagen gelten sollen – allemal, um eine Vermischung mit natürlichen Rapsbeständen, aber auch mit Naturschutzgebieten zu vermeiden.

   Wer aus guten Gründen Abstand davon nimmt, gentechnisch veränderte Organismen zu verwenden, der muss auch Abstand wahren können, gerade auch vor ungewollter Verunreinigung. Das ist ein Gebot der Vernunft. Das ist ein schützenswertes Recht der herkömmlichen Landwirte, der Imker usw. Ich finde, das ist auch ein wichtiges Gut im Verbraucher- und Vertrauensschutz.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) sowie bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Martin Mayer, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Grüne Gentechnik bietet vielfältige Chancen. Sie ermöglicht beispielsweise die Züchtung von Pflanzen, die widerstandsfähiger gegen Schädlinge, Krankheiten und Dürre sind, die Gewinnung von hochwertigen nachwachsenden Rohstoffen und die Entwicklung von Nahrungsmitteln mit bestimmten zusätzlichen Qualitätsmerkmalen. Es ist schon bemerkenswert, dass in dieser Debatte von den Rednern der Koalition nicht ein einziges positives Wort über den Nutzen und die Chancen der Gentechnik gesagt worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Im Gesetzentwurf ist die Förderung der Gentechnik in Ziffer 3 des § 1 auch genannt. Aber was die Koalition und was insbesondere die Grünen davon halten, kann man Ausführungen der Kollegin Höfken entnehmen. In der Einleitung zu einem Internetforum schreibt sie:

Das Gesetz ist ein wichtiges Mittel, der weiteren schleichenden Einführung von gentechnisch veränderten Produkten in Deutschland Einhalt zu gebieten.
(Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jawohl, Sie wollen die schleichende Einführung! Undemokratisch ist das! Das war ein gutes Zitat!)

Sie wollen die Gentechnik also nicht.

Ich nehme das Beispiel Koexistenz. Bei der Koexistenz geht es um das Nebeneinander von alternativer und herkömmlicher Landwirtschaft und dem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen. Es ist für uns selbstverständlich ich betone das –, dass wir die alternativ wirtschaftenden Betriebe vor Nachteilen bewahren wollen. Im Schadensfall muss es selbstverständlich sein, dass ein finanzieller Ausgleich erfolgt. Es kann aber nicht sein, dass mit der Haftungsregelung der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in Deutschland praktisch verhindert wird. Das ist eine einseitige Ausrichtung dieses Gesetzes, die die Landwirte benachteiligt und letztlich auch dem Standort erhebliche Nachteile bringt.

   Die unionsgeführten Länder haben im Bundesrat Vorschläge unterbreitet, wie eine ausgewogene Haftungsregelung gestaltet werden könnte. Bei einigermaßen gutem Willen der Bundesregierung wäre es möglich gewesen, einen vernünftigen Kompromiss zu finden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wie sehr die Grünen ideologisch gegen die Gentechnik sind, haben sie auch mit ihren Plakaten zur Europawahl deutlich gemacht. Sie haben mit der Parole „Good Food statt Gen Food“ die Grüne Gentechnik diffamiert.

(Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die Wähler haben es verstanden!)

– Sie machen den Bürgern zuerst Angst und dann instrumentalisieren Sie diese Angst für Ihre parteipolitischen Zwecke.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Friedrich Ostendorff (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Und in Bayern haben es die Wähler auch verstanden!)

   Um eine sachgerechte Lösung des Nebeneinanders zu finden, ist der Erprobungsanbau dringend notwendig. Dass Sie an einer sachgerechten Lösung nicht interessiert sind, wird daran deutlich, dass Sie den Erprobungsanbau diffamieren und ihn hemmen, wo immer es möglich ist.

(Thomas Rachel (CDU/CSU): So ist es!)

   Ihre Einstellung wird auch in Ihrer Haltung zur Registrierung und Veröffentlichung von Daten über den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen deutlich. Hier ist den Grünen der Datenschutz plötzlich nicht mehr so wichtig. Aber es geht doch darum, dass in Deutschland aggressive Gruppen aus Umweltorganisationen allzu oft vom Faustrecht Gebrauch gemacht und Felder mit gentechnisch veränderten Pflanzen brutal verwüstet haben. Die zuständige Bundesministerin hätte sich hier durchaus klar von diesen Taten distanzieren müssen.

(Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Hat sie doch getan! Mehrfach!)

Man gewinnt doch den Eindruck, dass hier wohlwollendes Augenzwinkern stattfindet. Das halte ich für einen Skandal.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Waltraud Wolff (Wolmirstedt) (SPD): Es ist eine Frechheit, was Sie hier machen! Das ist Verleumdung!)

   Besonders gravierend wirkt sich die Blockadewirkung des Gesetzentwurfs auf die Forschung in Deutschland aus. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat dazu in der letzten Woche eine Ausarbeitung vorgelegt und ihre Sorgen dargelegt. Das, was als Gefährdungspotenzial angesprochen wird – so die DFG, nicht ich –, ist durch experimentelle Daten nicht gedeckt.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): So ist es! Alles aus den Fingern gesogen!)

Obwohl es in der Welt schon Millionen von Hektar von Flächen mit gentechnisch veränderten Pflanzen gegeben hat, ist bisher noch kein einziger Fall einer Schädigung aufgetreten.

(Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Blauäugig!)

Über die Gefahren kann zunächst nur spekuliert werden. Diese Spekulationen muss man natürlich ernst nehmen, aber es gab bisher noch keine Schäden. Auch das muss man deutlich aussprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Die DFG kritisiert außerdem die einseitige Haftungserklärung sowie die geplante Aufteilung der zentralen Kommission. Sie schreibt abschließend:

Dadurch würde wissenschaftliches Arbeiten auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik erschwert, wenn nicht gar unmöglich gemacht.

Der Vizepräsident der DFG formuliert es noch deutlicher:

Sollte diese Haftungsregelung in Kraft treten, würde die faktische „Innovation“ auf dem Gebiet der Grünen Gentechnik darin bestehen, dass diese Arbeiten künftig außerhalb Deutschlands stattfinden.

Ich finde, es darf nicht sein, dass wir die Wissenschaft in Deutschland in diesem Bereich praktisch zum Erlahmen bringen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Eine derartige Entwicklung trifft im Übrigen auch die über 100 mittelständischen Pflanzenzüchter, die sich in einem schwierigen internationalen Wettbewerb behaupten müssen.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Richtig!)

Auch sie müssten ihre Produktion und ihre Forschung ins Ausland verlegen.

   Es darf doch nicht sein, dass wir, weil wir ein gentechnikfreies Deutschland wollen, ein arbeitsplatzfreies Deutschland schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Mittel- und langfristig wird es eine weltweite Ausdehnung der Anwendungen der Gentechnik geben. Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.

(Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja, klar!)

Für Deutschland wird es um die Frage gehen, ob wir bei dieser Entwicklung nur Zuschauer sind oder an ihr als echte Beteiligte mitwirken, die dann auch die Standards mitbestimmen,

(Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist wieder so ein Lobbyist!)

die in der Forschung mitreden, die die Gefahren selbst definieren und rechtzeitig abwenden sowie letztendlich wirtschaftlichen Nutzen ziehen und neue Arbeitsplätze schaffen.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ulrike Höfken (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist bisher überhaupt nicht der Fall! 12 Milliarden Verlust für die USA! Aber das interessiert Sie alles nicht!)

   Das Beispiel der Anwendung der Roten Gentechnik in der Arzneimittelherstellung sollte uns eine Warnung sein. Aufgrund unserer ablehnenden Haltung musste Deutschland seine führende Rolle als Pharmastandort an die Briten und viele andere Länder abgeben. Dieses Beispiel sollte sich nicht wiederholen. Deshalb fordere ich im Interesse der Zukunft Deutschlands fordere ich die Bundesregierung auf, diesen Gesetzentwurf zurückzuziehen und gemeinsam mit der Union einen neuen zu erarbeiten, der Zukunftschancen für Deutschland eröffnet.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Reinhard Loske, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall des Abg. Dr. Ernst Ulrich von Weizsäcker (SPD))

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte nicht unmittelbar an diesen „sachlichen“ und „differenzierten“ Beitrag anknüpfen, sondern zunächst auf einige Ausführungen der Kollegin Happach-Kasan eingehen. Frau Happach-Kasan, Sie haben gesagt, Greenpeace und die Skeptiker in Sachen Grüne Gentechnik hätten bei intelligenten Leuten keine Chance. Das halte ich für eine bemerkenswerte Aussage. Ich nehme doch an, dass Sie die Skepsis, die in Sachen Grüne Gentechnik bei 70 Prozent unserer Bevölkerung vorherrscht, nicht als Dummheit auslegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Mit einem solchen Maß an Arroganz können wir mit den Befürchtungen der Bevölkerung nicht umgehen.

   Wenn es die ganzen Vorteile der Grünen Gentechnik, die laut Ernst von Weizsäcker von der Gentechnnikindustrie reklamiert werden, wirklich gibt – es ist besser für die Umwelt, es ist für die Bekämpfung des Welthungers, es ist besser für die Nahrungsmittelqualität – und wenn die Industrie diese ganzen Vorzüge wirklich herauskehren will, dann soll sie einmal beweisen, dass das auch wirklich so ist. Bisher ist an dieser Front wenig geschehen. Die empirische Evidenz ist eigentlich eine andere. Diese Behauptungen können nicht belegt werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Die Hypothese, die auch Herr Heiderich vorgetragen hat, halte ich für dreist und an den Haaren herbeigezogen. Herr Heiderich hat gesagt, es sei sowieso schon überall Gentechnik drin und man könne quasi gar nichts mehr machen. Nein, Herr Heiderich, das stimmt nicht. Es ist noch nicht überall Gentechnik enthalten. Sinn der Politik ist es ja gerade, Transparenz, Wahrheit und Klarheit herzustellen.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Dann muss man es richtig kennzeichnen!)

Dass Sie das nicht wollen, steht auf einem anderen Blatt. Sie können aber nicht so tun, als ob die Grüne Gentechnik quasi über uns käme und man nichts dagegen tun könne. Nein, es gibt Gestaltungsspielraum.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Dann kennzeichnen Sie doch einmal!)

Das bedeutet eben Verantwortungsethik und keine Gesinnungsethik.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Loske, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Däubler-Gmelin?

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Gerne, kein Problem.

Dr. Herta Däubler-Gmelin (SPD):

Kollege Loske, ich würde gerade in Anknüpfung an Ihre Aufforderung an die Industrie eine Frage an Sie richten: Gesetzt den Fall, die Industrie wäre wirklich der Meinung, es gäbe keinerlei Risiken oder zumindest keine, die einzugehen unverantwortlich wäre, sind Sie dann nicht auch der Meinung, dass die Industrie zur Vertrauensbildung zum Beispiel auch die möglichen Haftungsrisiken, die sich aus der Koexistenzregelung ergeben, freiwillig übernehmen sollte, statt sich so nachhaltig dagegen zu wehren?

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich glaube, dass diejenigen in der Industrie, die dieser Technologie zum Durchbruch verhelfen wollen, die gibt es ja; man führt ja laufend Gespräche mit ihnen , eine Bringschuld gegenüber der Öffentlichkeit haben, die Vorzüge wirklich kenntlich zu machen. Insofern müssen sie in ihrem eigenen Interesse für ein hohes Maß an Transparenz sorgen. Sie können auch keine Lasten auf Dritte abwälzen. Ich glaube daher, dass eine konsequente Orientierung am Vorsorge- und Verursacherprinzip, die sich in Haftpflichtregelungen niederschlägt, im eigenen Interesse der Industrie liegt. Das ist meine Meinung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Loske, gestatten Sie noch eine Zwischenfrage der Kollegin Happach-Kasan?

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Selbstverständlich.

Dr. Christel Happach-Kasan (FDP):

Kollege Loske, Sie haben natürlich Recht: Wir müssen die Befürchtungen der Menschen ernst nehmen und sie informieren, damit sie selbst in der Lage sind, entsprechend ihrem Willen zu entscheiden. Nehmen Sie aber bitte zur Kenntnis, dass ich nicht von „intelligent“ und „dumm“ gesprochen habe. Das ist nicht richtig.

(Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Doch!)

Ich habe von gut ausgebildeten und selbstbewussten Menschen gesprochen. Die beantworten ihre Fragen selber und sind nicht auf eine Orientierungshilfe seitens der Verbände angewiesen. Sie können das selber. Darauf wollte ich aufmerksam machen.

Dr. Reinhard Loske (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich nehme an, dass mein Freundes- und Bekanntenkreis im Durchschnitt gut ausgebildet ist. Da herrscht eine gesunde Portion Skepsis. Das sind Leute, die sich bilden, die lesen und sich informieren. Insofern finde ich eine solch arrogante Attitüde einfach nicht angemessen. Das muss ich ganz klar sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Birgit Homburger (FDP): Eine wirklich sehr unarrogante Antwort!)

   Zu Ihrer Differenzierung zwischen Verantwortungsethik und Gesinnungsethik: Sie haben gesagt, dass die Gesinnungsethik eine Sache der Grünen und der Ökologen sei,

(Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Nicht der Ökologen! Das habe ich nicht gesagt!)

während die Verantwortungsethik bei Ihnen liege. Das haben Sie uns zwischen Mund und Nase zu verstehen gegeben. Ich glaube, verantwortlich sein heißt, Wahlfreiheit und Transparenz sicherzustellen, ökologisch sensible Gebiete zu schützen und sich konsequent am Vorsorge- und Verursacherprinzip zu orientieren. Das ist praktizierte Verantwortungsethik, aber keine Gesinnungsethik. Das ist ganz eindeutig.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Nein! Verantwortung heißt, alle Aspekte zu berücksichtigen!)

   Meine Redezeit ist zwar leider kurz, aber da die Redner der Union, was ich wirklich bemerkenswert finde, überhaupt nichts zu ihren eigenen Vorstellungen gesagt, sondern nur auf uns herumgehackt haben, will ich noch ein paar Unterschiede zwischen uns herausarbeiten: Erstens. Die Union will, dass die „gute fachliche Praxis“ gestrichen wird.

(Helmut Heiderich (CDU/CSU): Das ist eine Lüge!)

Wir halten das für falsch. Wir brauchen eine Definition der „guten fachlichen Praxis“.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Zweitens. Die Union will, dass der Schutz ökologisch sensibler Gebiete gestrichen wird. Wir sind der Meinung, dass zum Beispiel die FFH-Gebiete und Natura 2000, also ökologisch sensible Gebiete, eines gewissen Schutzes bedürfen, weil wir nicht wissen, welche Auswirkungen auf die biologische Vielfalt entstehen. Auch das ist ein gewaltiger Unterschied zwischen uns.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Drittens. Die Union will die Haftungsregelungen aufweichen. Wir wollen, dass die Haftungsregelungen ambitioniert sind. Vor allem wollen wir – das hat Frau Däubler-Gmelin sehr schön beschrieben –, dass die Haftung zumindest in der ersten Phase, wenn noch keine europaweite Klärung vorliegt, nicht bei den Bauern liegt. Sie soll bei den Unternehmen liegen, die diese Produkte in Verkehr bringen. Ich wundere mich wirklich, dass die CDU/CSU dies ablehnt. Das muss man den Bauern noch einmal gut erklären.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Viertens. Wir wollen ein transparentes Standortregister. Die jeweiligen Standorte sollen, sofern ein berechtigtes Interesse vorliegt, flurstückscharf bekannt gegeben werden. Sie wollen das nicht. Sie wollen dieses Thema also klammheimlich behandeln.

   Ich will auch einmal auf die „klammheimliche Freude“, die von Ihnen angesprochen wurde, zurückkommen. Für mich und meine Freundinnen und Freunde kann ich ganz klar sagen: Wir freuen uns natürlich nicht darüber, dass solche Felder platt getrampelt werden. Aber auch eine Politik der Geheimhaltung bzw. des Unter-der-Decke-Haltens ist nicht gut.

(Katherina Reiche (CDU/CSU): Was sollen die denn machen? – Dr. Christel Happach-Kasan (FDP): Das stimmt doch nicht! Das ist nicht wahr!)

   Wir brauchen eine vernünftige Dialogkultur. Dieser Gesetzentwurf schafft dafür eine gute Grundlage. Er ist gut für die Verbraucherinnen und Verbraucher und für die Umwelt. Durch ihn geben wir denjenigen in Landwirtschaft und Industrie, die in diese Technologie einsteigen wollen, Sicherheit. Ich persönlich – das gebe ich ganz offen zu – bin kein Anhänger dieser Technologie, und auch meine Partei ist ihr gegenüber nicht besonders positiv eingestellt.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr freundlich umschrieben!)

Aber dieser Gesetzentwurf schafft faire Chancen. Insofern ist er auch gut, weil er Chancengleichheit herstellt.

   Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur Neuordnung des Gentechnikrechts auf Drucksache 15/3088. Der Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3344, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. – Hierzu liegt von der Kollegin Undine Kurth und dem Kollegen Winfried Hermann eine persönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung des Bundestages vor. – Ich bitte nun diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3344 empfiehlt der Ausschuss, eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit wie soeben angenommen.

   Wir stimmen jetzt über den Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/3348 ab. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Gegenprobe! – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

   Tagesordnungspunkt 22 b. Wir setzen die Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/3344 fort. Unter Nr. 3 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/2822 mit dem Titel „Grüne Gentechnik in Deutschland nutzen – Verlässliche Rahmenbedingungen für einen verantwortungsvollen Einsatz in der Landwirtschaft schaffen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 4 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2979 mit dem Titel „Chancen der Grünen Gentechnik nutzen – Gentechnikgesetz und Gentechnik-Durchführungsgesetz grundlegend korrigieren“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Gegenprobe! – Enhaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit wie soeben angenommen.

   Tagesordnungspunkt 22 c: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft auf Drucksache 15/3383. Der Ausschuss empfiehlt unter Nr. 1 seiner Beschlussempfehlung die Ablehnung des Antrags der FDP auf Drucksache 15/1825 mit dem Titel „Distanzierung der Bundesregierung von gesetzeswidrigen Zerstörungen von Freisetzungsversuchen mit gentechnisch veränderten Pflanzen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit wie zuvor angenommen.

   Unter Nr. 2 seiner Beschlussempfehlung empfiehlt der Ausschuss die Ablehnung des Antrags der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/2352 mit dem Titel „Freilandversuche mit gentechnisch veränderten Apfelsorten in Pillnitz und Quedlinburg durchführen“. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit der gleichen Mehrheit wie zuvor angenommen.

   Ich rufe nunmehr den Tagesordnungspunkt 23 sowie Zusatzpunkte 12 und 13 auf:

23. Beratung des Antrags der Abgeordneten Katherina Reiche, Thomas Rachel, Dr. Maria Böhmer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Mit Innovationen auf Wachstumskurs – eine einheitliche Strategie

– Drucksache 15/2971 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für die Angelegenheiten der Europäischen UnionHaushaltsausschuss

ZP 12 Beratung der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bundesbericht Forschung 2004

– Drucksache 15/3300 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungAusschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit

ZP 13 Beratung des Antrags der Abgeordneten Ulrike Flach, Cornelia Pieper, Christoph Hartmann (Homburg), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP

Innovationsstrategie für Deutschland – Wissenschaft und Wirtschaft stärken

– Drucksache 15/3332 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)Ausschuss für Wirtschaft und ArbeitAusschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und LandwirtschaftAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschuss

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Stunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort Kollegin Katherina Reiche, CDU/CSU-Fraktion.

[Fortsetzung folgt noch heute,
Freitag, 18. Juni 2004,
durch fortlaufende Ergänzung dieser Datei]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15115
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