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15. Wahlperiode
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   133. Sitzung

   Berlin, Freitag, den 22. Oktober 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen!

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Herr Präsident! – Beifall)

– Nichts ist schöner, als einen Geburtstag mit Ihnen zu verbringen.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der SPD – Dr. Guido Westerwelle (FDP): Wenn Sie das wirklich so meinen, haben Sie ein Problem!)

   Die Sitzung ist eröffnet.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 19 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur finanziellen Unterstützung der Innovationsoffensive durch Abschaffung der Eigenheimzulage

– Drucksache 15/3781 –

(Erste Beratung 129. Sitzung)

a) Beschlussempfehlung und Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss)

– Drucksache 15/3972 –

Berichterstattung:Abgeordnete Stephan Hilsberg Dr. Michael Meister

b) Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) gemäß § 96 der Geschäftsordnung– Drucksache 15/3975 –

Berichterstattung:Abgeordnete Steffen Kampeter Walter Schöler Anja Hajduk Otto Fricke

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort dem Kollegen Stephan Hilsberg, SPD-Fraktion.

Stephan Hilsberg (SPD):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir diskutieren heute über ein wichtiges finanzpolitisches und gleichzeitig bildungspolitisches Vorhaben.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wieder einmal!)

– Richtig, wieder einmal. Dieser Hinweis von der Opposition ist richtig,

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

weil das ein wichtiger Punkt ist, an dem wir uns mehr Unterstützung von der Opposition wünschen, als wir bisher erfahren. Die Opposition verfährt so, wie sie das immer tut: In allgemeinen Fragen werden wir unterstützt; wenn es aber konkret wird und ans Eingemachte geht, wenn es gelegentlich einmal wehtut, wird uns die Unterstützung entzogen. So kann man keine Politik machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Um es ganz klar zu sagen: Unsere Regierung verdient jede Unterstützung, wenn es darum geht, mehr in Bildung zu investieren und weniger für Subventionen auszugeben. Zu der Frage, wofür das Geld bei der Bildung ausgegeben werden soll, wird anschließend unsere Ministerin für Bildung und Forschung, Frau Edelgard Bulmahn, das Nötige sagen. Deshalb werde ich mich an dieser Stelle, obwohl ich viel dazu sagen könnte, zurückhalten. Aus berufenem Munde wird das besser gesagt.

   Ich will etwas zur Notwendigkeit der Senkung von Steuersubventionen erklären. Heute ist die Situation anders als noch vor zehn Jahren. Es geht nicht einfach nur darum, die Ausgaben des Staates zu begrenzen. Nicht dasjenige Land ist ein gutes Land, das wenig Steuern verlangt, sondern dasjenige Land ist ein gutes Land, das ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis zwischen eingezogenen Steuern und dafür erbrachten Leistungen aufweist.

(Beifall bei der SPD)

Dieses Kriterium ist auch im europäischen und internationalen Standortwettbewerb wichtig. Deshalb geht es in der Frage der Notwendigkeit der Senkung der Subventionen nicht einfach nur darum, Ausgaben zu senken, sondern darum, die Effizienz des Steuersystems insgesamt zu verbessern; das ist der entscheidende Punkt. Wir sind an dieser Stelle schon einen ganz erheblichen Schritt vorwärts gekommen, an manchen Stellen auch mit Unterstützung der Opposition – gar keine Frage –, auch wenn das Endergebnis ein bisschen dürftig war. Beispielsweise war das berühmte Koch/Steinbrück-Papier an manchen Stellen nicht zielgenau. Aber immerhin ist es gelungen, einige Subventionen abzubauen. Es ist sehr gut, dass der berühmte Effekt, der noch vor fünf oder sechs Jahren beklagt wurde, nämlich dass wir Einkommensmillionäre haben, die keine Steuern zahlen, inzwischen der Vergangenheit angehört. Eine ganze Menge Steuerschlupflöcher wurden geschlossen. Das ist gut so und an dieser Stelle müssen und wollen wir weitermachen.

(Beifall bei der SPD)

   Es geht jetzt also nicht darum, Geschenke zu verteilen, sondern es geht um die Frage, wo Subventionen gerechtfertigt sind und wo nicht. In diesem Zusammenhang komme ich auf die Eigenheimzulage zu sprechen. Zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik haben wir einen ausgeglichenen Wohnraummarkt, der es nicht mehr rechtfertigt, eine solche allgemeine Eigenheimzulage zu gewähren. In einigen Regionen haben wir sogar katastrophale Leerstände; da kommen wir mit einer Eigenheimzulage überhaupt nicht weiter. In manchen Regionen in der Bundesrepublik ist die Situation ganz ohne Zweifel nach wie vor ein klein wenig angespannt. Aber das allgemeine Instrument einer Eigenheimzulage ist überhaupt nicht mehr angebracht.

(Beifall bei der SPD)

Natürlich haben wir es mit Besitzstandswahrern zu tun; ist doch gar keine Frage. Was wäre das auch für ein Lobbyverband, der sich dann, wenn es darum geht, in seinem Bereich bestimmte Gelder einzusparen, nicht melden oder organisieren würde! Das ist doch völlig normal und damit kann man auch umgehen. Es muss aber bewertet werden, ob es im allgemeinen Interesse liegt, dass so etwas gemacht wird.

   Von Wirtschaftsverbänden lasse ich mir ungern sagen, dass wir zu wenige Subventionen zahlen, da sie die ganze Zeit die Meinung vertreten haben, dass sich der Staat aus dem Marktgeschehen herauszuhalten habe. Genau das ist doch der Punkt. Deutschland ist nicht umsonst eines der Länder mit den höchsten Baupreisen. Sie müssen sich einfach einmal überlegen, ob die Bauwirtschaft die Eigenheimzulage in Milliardenhöhe, wie sie zurzeit gezahlt wird, nicht automatisch in ihre Kosten mit einrechnet und auf diese Art und Weise schon einmal Einnahmen hat, die sie vor niemandem und erst recht nicht im Marktgeschehen zu verantworten hat. Ich meine, das ist ein wichtiger Punkt. Deshalb muss das auch gesagt werden.

   Interessanterweise kann man bei der Diskussion um die Zukunft der Eigenheimzulage – auch im Ausschuss – keineswegs feststellen, dass die Opposition überhaupt nicht an die Eigenheimzulage ran will. Es gibt beispielsweise Äußerungen, dass man im Rahmen einer generellen und großen Steuerreform bereit sei, über die Zukunft der Eigenheimzulage zu reden. Es geht also gar nicht darum, dass man nicht bereit ist, hier etwas zu tun.

   Bei der entscheidenden Aufgabe, die wir heute haben, nämlich Steuersubventionen abzubauen, um ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Steuersystem insgesamt zu erreichen, verweigern Sie sich aus durchscheinenden parteitaktischen Interessen, weil Sie Ihre eigenen Konzepte damit finanzieren wollen. Ihre eigenen Konzepte sind nämlich dermaßen schlecht durchgerechnet, dass Sie Sorgen haben, wenn Sie an die Realisierung denken, zu der es kommen würde, wenn Sie jemals die Chance dazu hätten. Das ist doch der Hintergrund.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Während Ihr Faktionsgeschäftsführer Volker Kauder und der jetzt nicht mehr ganz so beliebte Teufel, der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, noch darüber reden, dass man das in eine allgemeine Steuerreform einbauen könnte, wird im Ausschuss darüber geredet, dass es vielleicht nicht falsch wäre, ein Konzept zu finden, in dem das Wohneigentum besser als bisher in eine steuerlich begünstigte Altersvorsorge mit eingerechnet wird. Darüber könnte man auch reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Sie müssen sich aber überlegen, was Sie eigentlich wollen und wofür Sie es verwenden wollen. Sie sind hier überhaupt nicht sortiert.

   Wir werden unseren Weg gehen. Der Weg kann nur lauten: besseres Preis-Leistungs-Verhältnis im Steuersystem insgesamt für einen Standortvorteil und für bessere Standortbedingungen für unsere Unternehmen in Deutschland, für bei uns benötigte Arbeitsplätze sowie für eine hervorragende und sich gut entwickelnde Volkswirtschaft im europäischen Konzert.

   Deswegen gehen wir auch an die schwierigen Punkte heran. Wir wissen nämlich, dass es für eine gute Zukunft unseres Landes notwendig ist, heute auch schwierige Aufgaben zu meistern.

   Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Christian von Stetten, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU):

Herr Präsident! Auch von mir herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

   Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lieber Kollege Hilsberg, es ist doch folgendermaßen: Im Dezember 2003 haben wir einen Kompromiss zwischen der Regierung und der Opposition erzielt, um die Zukunft der Eigenheimzulage neu zu regeln. Allein die Tatsache, dass wir uns heute, keine zehn Monate später, erneut mit diesem Thema beschäftigen müssen, weil die Regierung den betroffenen Bürgern gegenüber wortbrüchig werden will, ist der Skandal und zeigt die Unzuverlässigkeit der rot-grünen Regierung und der in ihr handelnden Personen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Hans Eichel, Bundesminister: Ach, Quatsch!)

   Wie war es denn? Sie von Rot-Grün wollten die Eigenheimzulage im letzten Jahr vollständig abschaffen, um Ihre Haushaltslöcher zu stopfen. CDU/CSU und auch die FDP wollten den Schwächeren unserer Gesellschaft weiterhin den Erwerb von Wohneigentum ermöglichen.

(Jörg Tauss (SPD): Ach, jetzt kommen mir gleich die Tränen!)

Herr Tauss, dann haben wir uns auf Kürzungen in Höhe von 30 Prozent in den nächsten drei Jahren geeinigt. Ich war von diesem Kompromiss nicht begeistert, aber es war ein Kompromiss. Er hat den Bürgerinnen und Bürgern eine Perspektive für die nächsten Jahre gegeben. Junge Familien haben auf diese von uns gemeinsam gemachten Zusagen hin ihre Lebensplanungen ausgerichtet.

   Und jetzt? Die Betroffenen fragen zu Recht, was denn nun gilt. Gibt es jedes Jahr wieder ein neues Theater. Sie wissen, mich persönlich können Sie nicht mehr so leicht enttäuschen. Was ich bei Ihnen in zwei Jahren chaosmäßiger Finanzpolitik an Unredlichkeit und Fehlplanung erlebt habe, ist nicht mehr zu toppen. Heute belasten Sie aber die Bürger und auch die Mitarbeiter in den Firmen. Was können Ihnen die Mitarbeiter in den mittelständischen Bauunternehmungen und in den Bausparkassen überhaupt noch glauben?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie scheinen aber nicht viel Begeisterung zu entfachen! Ein etwas quälender Beifall!)

Auch fachlich liegen Sie völlig falsch. Wir brauchen nicht weniger Bürger, die in ihre eigenen vier Wände investieren können, sondern mehr Bürger, die in ihr Eigentum investieren, anstatt Miete zu zahlen. Das ist eine solide Alterssicherung und schützt vor dem Problem, vor dem Sie immer warnen: der Altersarmut.

   Sie haben es bei der Einführung der so genannten Riester-Rente oder bei der Kürzung der neulich erst erfolgten Neuregelung der Alterseinkünftebesteuerung versäumt, die Bildung von Wohneigentum ausreichend zu berücksichtigen.

(Jörg Tauss (SPD): Sagen Sie mal was zur Bildung, nicht zur Bildung von Wohneigentum!)

Der Bundesrat hat sich bei diesem Thema eindeutig positioniert und fordert die Beibehaltung der Eigenheimzulage. Übrigens setzen sich nicht nur die CDU-, CSU- und FDP-Politiker in ihren Landesverbänden für die Eigenheimzulage ein, vielmehr verstehen auch Ihre Leute von der SPD den unehrenhaften Umgang mit den Betroffenen nicht.

   Herr Tauss, Sie können so viel protestieren, wie Sie wollen. Ich kann auch konkret werden.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Dazu möchte ich Ihnen keine Zitate von vor ein paar Jahren vorlesen, sondern nur ganz aktuelle. Der letzte Landesparteitag der SPD hat am 9. Oktober 2004 in Hanau in Hessen stattgefunden, also vor gerade 13 Tagen. Schauen wir doch einmal, Herr Finanzminister Eichel, was Ihr eigener Landesverband zum Thema Eigenheimzulage vor 13 Tagen beschlossen hat.

(Hans Eichel, Bundesminister: Mit knapper Mehrheit!)

Mit Zustimmung des Präsidenten zitiere ich kurz den Beschluss der SPD Hessen vom 9. Oktober 2004. Da heißt es:

Der SPD-Landesparteitag Hessen befürwortet die Beibehaltung der Eigenheimzulage.
(Hans Michelbach (CDU/CSU): Hört! Hört!)
Er lehnt die Abschaffung der Eigenheimzulage ab...
(Jörg Tauss (SPD): Leselüge!)

   Der Landesverband unseres SPD-Finanzministers begründet seinen Beschluss unter anderem mit folgenden Worten:

Die Abschaffung der Eigenheimzulage erschwert gerade jungen Familien ... den Erwerb von Wohneigentum deutlich.

   Weiter heißt es:

Der Erwerb von selbstbewohntem Wohneigentum bedeutet langfristig die Umwandlung von ansonsten zu zahlender Miete in eigenes Vermögen.

   Anschließend haben die hessischen Landespolitiker nachgerechnet, dies dem Finanzminister zukommen lassen und deswegen folgende Begründung in ihren Antrag aufgenommen – ich zitiere –:

Die Eigenheimzulage deckt bei einem durchschnittlichen Eigenheim maximal die anfallende Mehrwertsteuer auf die erbrachten Bauleistungen ab.
(Carl-Ludwig Thiele (FDP): So ist es!)
Weniger Bauleistung durch eine wegfallende Eigenheimzulage bedeutet somit Verzicht von Steuereinnahmen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Jörg Tauss (SPD): So, jetzt entscheiden wir über die Annahme des Antrags!)

   Dem ist nichts mehr hinzuzufügen. Wenn es Ihnen noch nicht einmal gelingt, Ihre eigenen Leute von diesem falschen Weg zu überzeugen, dann frage ich mich, wie Sie die Dreistigkeit besitzen können, sich hier im Bundestag hinzustellen, der Opposition Verweigerung vorzuwerfen

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nein, Verantwortungslosigkeit!)

und von uns zu erwarten, dass wir Ihnen auf diesem Weg der Pleiten, Pech und Pannen bei den Finanzen folgen. So wie Sie Ihr SPD-Landesparteitag aufgefordert hat – wie mir Ihr Landesverband mitgeteilt hat, ist ein Brief an den Finanzminister diese Woche im Ministerium eingegangen –, kann auch ich Sie nur auffordern: Ziehen Sie Ihren Antrag zurück! Wir haben einen Gegenantrag gestellt.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Kerstin Andreae, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben gestern über den Nachtragshaushalt debattiert. Wir wissen: Die Spielräume, die wir noch haben, sind begrenzt und eng.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Wir haben überhaupt keinen Spielraum mehr!)

Der Haushalt enthält Ausgaben von 250 Milliarden Euro. Wir wissen, dass 70 Prozent dieser Ausgaben für Zinsen und die Renten- und Pensionskasse verwendet werden. Das heißt, der Spardruck in Bezug auf den Haushalt ist sehr groß und unsere Spielräume sind gering.

   Einer unserer Spielräume sind die Subventionen. Die Frage bei eingesparten Subventionen ist: Sollen sie für die Schuldentilgung verwendet werden oder sollen sie anderweitig eingesetzt werden? Wir haben uns dafür entschieden, die Mittel aus dem Abbau der Eigenheimzulage für die Bildung zu verwenden, und zwar aus gutem Grund.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Für Subventionen gilt Folgendes: Vernünftige Subventionen sind degressiv. Irgendwann laufen sie aus und zwar dann, wenn das Ziel einer Subvention erreicht ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Das Ziel dieser Subvention war eine ausreichende Wohnraumversorgung. Dass dieses Ziel erreicht ist, sagen Ihnen alle Wissenschaftler, Gutachter und auch der Städtetag.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

– Herr Seiffert, Sie können hundertmal behaupten, dass dies nicht stimmt. Natürlich stimmt es: Der Wohnungsmarkt ist gesättigt.

   Wenn Sie dann noch die demografische Entwicklung bedenken, durch die der Bedarf langfristig noch weiter sinken wird, können Sie sich heute nicht hier hinstellen und fordern, über die Eigenheimzulage weiterhin den Bau von Eigenheimen und die Schaffung von Wohneigentum zu finanzieren. Der Markt ist gesättigt. Das müssen Sie endlich einmal anerkennen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Jetzt sagen Sie, das Ziel sei nicht nur die Schaffung von Wohneigentum, sondern auch die Altersvorsorge. Ich sage Ihnen eines:

(Ina Lenke (FDP): Das wollen Sie auch nicht!)

Die beste Altersvorsorge ist Bildung. Wir brauchen mehr Innovationen und mehr Bildung für eine vernünftige Altersvorsorge.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Natürlich hätten wir gerne einen größeren finanziellen Spielraum; aber wir haben ihn nicht. Deswegen haben wir uns dafür entschieden, in die Bildung zu investieren. Um diese Entscheidung geht es. Es geht um die Entscheidung: Eigenheimzulage oder Bildung? Es geht um die Entscheidung: Investition in einen gesättigten Wohnungsmarkt oder in Bildung?

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das ist simpel! Panzer oder Kindergeld?)

Es geht um die Entscheidung: Beton oder Bildung? Wir haben uns für die Bildung entschieden. Wenn wir die Eigenheimzulage abbauen, haben wir bis zum Jahr 2008 3 Milliarden Euro mehr zur Verfügung. Insgesamt haben wir dann 6 Milliarden Euro mehr für Kinderbetreuung, für Bildung und für Innovationen.

(Ina Lenke (FDP): Was ist denn mit Hartz IV? Jetzt kommen Sie mit Kinderbetreuung!)

– Genau, ich komme mit der Kinderbetreuung. Wissen Sie, warum ich mit der Kinderbetreuung komme? Weil wir uns in Deutschland etwas leisten, was geradezu absurd ist. Wir leisten uns, dass junge, gut ausgebildete Frauen – meist mit einem besseren Abschluss als Männer – keinen Zugang zu hoch qualifizierten Berufen haben, weil wir keine flächendeckende gescheite Kinderbetreuung haben. Wir brauchen Geld, damit wir solche Frauen in den Arbeitsmarkt vermitteln können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich möchte Ihnen jetzt ein Zitat des Kollegen Minkel aus der Debatte vom 30. September vorlesen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, gestatten Sie vor dem Zitat eine Zwischenfrage der Kollegin Lenke?

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Frau Lenke braucht Redezeit! Ich kenne sie schon! – Gegenruf der Abg. Ina Lenke (FDP): Meine Frage kennen Sie aber noch nicht!)

Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Ina Lenke (FDP):

Sehr geehrte Frau Kollegin, glauben Sie nicht mehr daran, dass durch die Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe die Betreuung von Kindern unter drei Jahren finanziert werden kann? Sie machen doch jetzt einen neuen Finanzierungstopf auf. Sie haben eben davon gesprochen, dass Sie die Eigenheimzulage auch für Kinderbetreuung und für Bildung im Kindergarten verfrühstücken wollen.

Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Kollegin, ich habe gesagt, dass wir durch den Abbau der Eigenheimzulage 3 Milliarden Euro bis zum Jahr 2008 mehr für Bildung haben werden. Dann habe ich gesagt, dass das bedeutet, dass wir für Bildung, Forschung und Kinderbetreuung in der Summe 6 Milliarden Euro mehr haben. Natürlich glaube ich, dass Hartz IV zur Finanzierung der Kinderbetreuung beitragen wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Aber wir bleiben noch etwas bei dem Thema Kinderbetreuung, weil mir das wirklich am Herzen liegt. Ich sagte, dass wir den jungen, gut ausgebildeten Frauen den Zugang zu hoch qualifizierter Arbeit verwehren. Der Kollege Minkel – ich kenne ihn nicht persönlich –

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Ein guter Mann ist das!)

hat in der Debatte vom 30. September zum Abbau der Eigenheimzulage Folgendes ausgeführt:

Es geht darum, ob unsere Menschen im Eigenheim wohnen dürfen oder auf einer Etage eines Wohnhauses wohnen müssen.
(Lachen bei der SPD – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So war das! Ich war dabei! Das stimmt!)

– Ich bin noch nicht fertig. Es wird noch viel besser:

Herr Eichel, mit dem Eigenheim fängt die Kindererziehung an. Beides hat etwas miteinander zu tun.

Die Einstellung, dass Kindererziehung etwas damit zu tun, ob man ein Haus hat, das einem selber gehört oder nicht, ist unglaublich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Die Sachverständigen sagen in ihrem Gutachten, dass sich die Eigenheimzulage überlebt habe. Der Städtetag sagt, dass die Eigenheimzulage als flächendeckende und undifferenzierte Subvention der Wohneigentumsbildung überholt sei.

(Zuruf von der CDU/CSU: Keine Ahnung vom wahren Leben!)

Es ist ganz klar: Die Eigenheimzulage fördert die Stadtflucht. Die Eigenheimzulage hilft nicht, die Wohnungsengpässe in Ballungsräumen zu beseitigen. Die Eigenheimzulage fördert gerade diejenigen, die nicht mehr auf diese staatliche Unterstützung angewiesen sind. Die entscheidende Altersvorsorge für uns ist Bildung. Bildung und Wettbewerb, Bildung und Innovationen sind der entscheidende Schlüssel dafür, dass wir dieses Land voranbringen können. Mit der Einstellung, die ich vorhin zitiert habe, bringen wir dieses Land nicht voran.

(Zuruf von der CDU/CSU: Da reicht aber nicht nur Geld!)

   Ich bitte Sie, die Lebenswirklichkeit anzuerkennen und sich in unserem Sinne zu entscheiden.

   Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Carl-Ludwig Thiele, FDP-Fraktion.

(Jörg Tauss (SPD): Mal sehen, ob heute was Neues kommt!)

Carl-Ludwig Thiele (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Zunächst auch von meiner Seite herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Eine solche Sitzung ist sicherlich dazu angetan, Ihnen möglichst häufig zu gratulieren. Das werden die nachfolgenden Redner wahrscheinlich auch tun.

   Frau Kollegin Andreae, Ihr Redebeitrag erweckt den Eindruck, dass das Streichen der Eigenheimzulage finanzielle Spielräume eröffnen und in der Zukunft Ausgaben ermöglichen wird, an die derzeit nicht zu denken ist. Wenn man Ihren Vorstellungen folgen würde, dann könnte man mindestens dreimal so viele gute und wünschenswerte Vorhaben benennen, die der Staat finanzieren sollte

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Da muss man sich entscheiden!)

und die dann mit den durch die von Ihnen geforderte Streichung der Eigenheimzulage eingesparten Mitteln finanziert werden könnten. Die Eigenheimzulage ist in diesem Zusammenhang der neue Jäger 90 der neuen rot-grünen Finanzpolitik! Das vermag ich nicht ganz einzusehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich wieder ernst werden. Gestern Nachmittag fand im Deutschen Bundestag die erste Lesung des Nachtragshaushalts für das laufende Jahr statt. Der Haushalt läuft aus dem Ruder. Deutschland wird die höchste Neuverschuldung erleben, die es je gab.

   Zum dritten Mal in Folge hat die Koalition einen verfassungswidrigen Haushalt zu verantworten. Ihr Finanzminister erklärt, dass er sich weigert, zu sparen und Sparvorschläge vorzulegen.

(Jörg Tauss (SPD): Unverschämtheit!)

– Dann beschweren Sie sich beim Finanzminister! Er hat sich doch so geäußert. Ich zitiere Herrn Eichel doch nur.

(Hans Eichel, Bundesminister: Quatsch!)

– Sie haben doch erklärt, Sie könnten in diesem Haushalt keine weiteren Einsparungen vornehmen. Sie wollen das nicht! Das Mindeste wäre, eine Haushaltssperre zu verhängen oder Ähnliches. Aber nicht einmal dazu sind Sie in der Lage, Herr Finanzminister.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß (SPD): Schwachsinn!)

   Wer so verantwortungslos mit den Staatsfinanzen umgeht, die höchste in Deutschland je erzielte Neuverschuldung erreicht, damit die nachfolgenden Generationen belastet und dann hier eine solche Shownummer abzieht, beweist, dass auch der letzte Rest Seriosität in der Finanzplanung auf der Strecke geblieben ist.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jörg Tauss (SPD): Das passt aber nicht zusammen!)

   Im vergangenen Jahr haben wir im Zuge des Vorziehens der nächsten Stufe der Steuerreform eine Diskussion geführt. Auch wir von der FDP haben uns für die Kürzung von Subventionen eingesetzt. Im Zuge dieser Diskussion wurde die Eigenheimzulage grundsätzlich umgestaltet. Sie wurde um 30 Prozent gekürzt. Das ist der Bereich, in dem am stärksten gekürzt wurde. Den Subventionsabbau in anderen Bereichen hat der Finanzminister nicht einmal vorgeschlagen; er wurde von den Ländern gefordert. Wir haben den Subventionsabbau mitbeschlossen.

   Die Rahmenbedingungen sind also bereits verändert worden. Die Änderung der Eigenheimzulage ist mit den Stimmen von Rot-Grün im Dezember beschlossen worden. Jetzt aber erklären Sie: Dieser Beschluss kann nicht länger gelten; die Eigenheimzulage muss komplett abgeschafft werden. Das irritiert und verunsichert die Bürger am stärksten: In dieser Politik gibt es keine Planungssicherheit und Verlässlichkeit.

   Mit dieser Planungsunsicherheit machen Sie die Konjunktur und das Wirtschaftswachstum kaputt und legen die Wurzeln dafür, dass Deutschland nicht in dem notwendigen Maße vorankommt.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Auch wir von der FDP sind der Auffassung, dass es keine Ewigkeitsgarantie für die Eigenheimzulage geben kann.

(Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach ja!)

Wenn sie aber gestrichen wird, dann müssen gleichzeitig die Steuern gesenkt werden.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Nur so kann sichergestellt werden, dass die Bürger und junge Familien, die ein Eigenheim erwerben wollen, diesen Wunsch verwirklichen können. Erkundigen Sie sich einmal, wie viele Familien mit Kindern in die Neubaugebiete ziehen und warum sie Eigentum bilden wollen.

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie wollt ihr denn den Schuldenabbau betreiben? Sagt das doch mal!)

Wenn man die Eigenheimzulage streicht, ohne diesen Personenkreis an anderer Stelle zu entlasten, dann ist er nicht mehr in der Lage, das notwendige Eigentum zu bilden. Um diesen Zusammenhang geht es doch!

   Alle Ihre Vorschläge bedeuten eine simple Steuererhöhung, die als Subventionsabbau getarnt ist. Das lehnen wir ab. Dafür stehen wir nicht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Was die Begriffe angeht, die Sie der Eigenheimzulage gegenüberstellen, ist festzuhalten: Wir brauchen in Deutschland in der Tat Bildung. Dafür stehen wir. Wir haben entsprechende Konzepte vorgelegt, die von Ihnen abgelehnt wurden.

(Jörg Tauss (SPD): Oh je!)

Wir brauchen in Deutschland aber auch Eigentum. Warum werden Bildung und Eigentum gegenübergestellt? Unser Land kann sich nur dann entwickeln, wenn es Bildung und Eigentum gibt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das ist doch der entscheidende Punkt.

Wenn es darum geht, den Subventionsabbau anzugehen, dann stellt sich die Frage, warum in den nächsten Jahren bis 2012 16 Milliarden Euro für die Steinkohle ausgegeben werden. Warum soll das erforderlich sein? Das ist eine Ausgabe, die vom Bundeshaushalt Jahr für Jahr geleistet wird. Hier kann man doch herangehen. Warum investieren Sie weiter in die Vergangenheit anstatt in die Zukunft? Ihre Aufgabe ist es doch, in die Zukunft zu investieren.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Wir Liberale möchten, dass in die Zukunft investiert wird. Wir brauchen weniger Kohle für die Kohle, aber mehr Kohle für die Bildung. Dafür werden wir werben. Das ist aber mit dem simplifizierten Steuererhöhungsgesetzentwurf der Bundesregierung nicht möglich.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Joachim Poß (SPD): Sie sind doch der Meister Simpel, der Simplizissimus!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Bundesministerin Edelgard Bulmahn.

(Beifall bei der SPD)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Präsident, auch von mir einen ganz herzlichen Glückwunsch. Ich glaube, es wäre das schönste Geschenk für den Herrn Bundespräsidenten

(Heiterkeit im ganzen Hause)

– Entschuldigung, für den Herrn Bundestagspräsidenten –, wenn wir heute den Beschluss fassen würden, die Eigenheimzulage abzuschaffen.

   Wir alle – die Damen und Herren von der Opposition genauso wie von der Regierungskoalition – stehen heute vor der Aufgabe, zu beweisen, ob wir in der Lage sind, die Ausgaben der öffentlichen Hand in Zeiten knapper Kassen auf die Bereiche zu konzentrieren, die für die Zukunft unseres Gemeinwesens von ganz besonderer Bedeutung sind.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Von allen Parteien, von Wissenschaft und Wirtschaft wird gefordert, mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Darin liegt unsere Zukunft. In Deutschland investieren wir aber bisher zu wenig in Bildung und Forschung.

(Zuruf von der CDU/CSU: Wer ist denn die Bildungsministerin?)

Laut Statistik liegt Deutschland beim Anteil der Bildungsausgaben an allen öffentlichen Ausgaben an zweitletzter Stelle in Europa. An zweitletzter Stelle!

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Wie lange sind Sie schon Ministerin?)

Heute stehen wir alle in diesem Hohen Haus vor der Nagelprobe, ob wir bereit sind, dies zu verändern und dafür Sorge zu tragen, dass unsere Kinder in den Kindergärten und unsere Jugendlichen an den Schulen, Berufsschulen und Hochschulen eine Zukunfts- und Lebenschance erhalten. Das ist die Aufgabe, vor der wir stehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Thiele, lassen Sie mich eines ganz klar sagen: Es geht nicht an, sich ständig zum Subventionsabbau zu bekennen, aber immer dann, wenn es konkret wird, Gründe an den Haaren herbeizuziehen, die es vermeintlich rechtfertigen, warum man sich der notwendigen Entscheidung für den Subventionsabbau und damit für mehr Investitionen in Bildung und Forschung verweigert. Damit machen Sie sich völlig unglaubwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Tauss?

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Ja.

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Tauss, bitte.

Jörg Tauss (SPD):

Frau Ministerin, nachdem die Opposition in ihren Zurufen auf die Zusammenhänge zwischen den von Ihnen genannten Zahlen bezüglich der Ausgaben für Bildung und Forschung und auf die Regierung verwies, könnten Sie uns freundlicherweise einmal schildern, in welchem Zustand Sie den Bildungs- und Forschungshaushalt 1998 vorgefunden haben und wie sich die Situation heute darstellt? Könnten Sie auch darauf eingehen, wie sich die Situation in Niedersachsen nach der Regierungsübernahme durch Schwarz-Gelb darstellt, wie stark dort im Bereich von Bildung und Forschung gekürzt worden ist?

(Ina Lenke (FDP): So ein Quatsch!)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Man muss sich ja mit der Wirklichkeit auseinander setzen.

(Jörg Tauss (SPD): So ist es!)

Die Wirklichkeit sieht so aus – da Sie das offensichtlich vergessen haben und da auch Erinnern zur Bildung gehört, sage ich Ihnen allen das noch einmal –, dass die damalige CDU/CSU-FDP-geführte Bundesregierung unter Bundeskanzler Kohl den Haushalt für Bildung und Forschung um 400 Millionen Euro gekürzt hat. Das war Ihre Zukunftspolitik.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Hört! Hört! – Dr. Guido Westerwelle (FDP): Er stellt Ihnen die Frage!)

Das Gleiche macht zurzeit im Übrigen die CDU-FDP-geführte Landesregierung in Niedersachsen. Dass Sie dort die Investitionen in die Hochschulen um 50 Millionen Euro kürzen, ist genau die falsche Politik. Damit zerstören Sie in Niedersachsen die Zukunftsoptionen, die wir in den Jahren zuvor sinnvoller- und richtigerweise aufgebaut haben. Damit schaden Sie der Zukunft dieses Bundeslandes, genauso wie Sie in den 90er-Jahren der gesamten Bundesrepublik Deutschland geschadet haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Dr. Guido Westerwelle (FDP): Würden Sie mal mit dem reden, der Ihnen die Frage gestellt hat? – Lebhafte Zurufe von der CDU/CSU)

Die rot-grüne Bundesregierung hat dagegen seit 1998 die Mittel für Bildung und Forschung um 35 Prozent erhöht. Das ist genau der Unterschied zwischen dieser Regierung und den sie tragenden Koalitionsfraktionen auf der einen Seite und Ihrer Regierung auf der anderen Seite.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Der Tauss ist ja gebrechlich!)

Sie reden in Sonntagsreden über die Bedeutung von Bildung und Forschung und haben nicht das Rückgrat und den Mut, dann auch die notwendigen Entscheidungen zu treffen. Deshalb sind Sie unglaubwürdig.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Warum beschimpfen Sie Ihren Kollegen so, Frau Ministerin, ohne Punkt und Komma?)

   Wir haben die notwendigen Entscheidungen getroffen und haben den Mut, die Courage, dafür auch Subventionen zu streichen, die uns allen sicherlich lieb und teuer geworden sind. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Guido Westerwelle (FDP): Ich möchte, dass die Frage ausführlicher beantwortet wird! – Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist wirklich Zeitschinderei, Herr Präsident!)

   Wir wissen, dass die Frage, wie wir in unserem Land Beschäftigung, Wohlstand und soziale Gerechtigkeit auf Dauer erhalten können, ganz eng mit der Frage verknüpft ist,

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Herr Tauss, Frage stellen!)

ob es uns gelingt, Menschen eine gute Bildung zu ermöglichen – und zwar beginnend im Kindergarten –, die frühkindliche Betreuung auszubauen und vor allem zu verbessern, die schulische Bildung deutlich zu verbessern und die Forschung zu stärken. Die Frage, vor der wir stehen, ist also, ob uns dies wirklich gelingt.

   Es zeigt sich weltweit, in allen Ländern, dass die erfolgreichste Strategie für Wohlstand, Beschäftigung und wirtschaftliches Wachstum Investitionen in Bildung und Forschung sind. Deshalb kommt es darauf an, dass wir bereit sind, in Köpfe zu investieren und die Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft auch tatsächlich zu stärken.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Kohlesubventionen abbauen!)

   Wir müssen noch mehr für frühkindliche Bildung, schulische Bildung und Hochschulausbildung tun. Das ist auch von den Eltern gewollt; denn sie wissen, dass eine gute Ausbildung die beste Zukunftsinvestition und übrigens auch die beste Altersvorsorge ist. Wenn ich keinen Job habe, wenn ich keinen Arbeitsplatz finde, dann kann ich mir kein Haus leisten und dann kann ich mir auch alles andere nicht leisten. Deshalb ist eine gute Bildung eben auch die Voraussetzung für gute Beschäftigungschancen, für Teilhabe am Berufsleben und am gesellschaftlichen Leben.

   Wir müssen auch deutlich mehr für Forschung tun; denn neue Arbeitsplätze entstehen vor allem in den zukunftsträchtigen, in den forschungsintensiven Bereichen. Das gilt heute für alle Branchen. Das gilt für die Automobilbranche genauso wie für die chemische Branche, den Maschinenbau und den gesamten Dienstleistungssektor.

   Sie haben von Zuverlässigkeit gesprochen, Herr Thiele. Das ist, finde ich, ein wichtiges Wort.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Ja, das stimmt!)

Es kommt genau darauf an, dass wir zuverlässig sind in unseren Anstrengungen, Bildung wirklich zu verbessern, Bildungsangebote zu verbessern und allen Menschen Bildung zu ermöglichen.

(Beifall bei der SPD – Carl-Ludwig Thiele (FDP): Kürzen Sie doch bei der Steinkohle!)

   Wenn Sie hier so tun, als ob die Menschen, die ihre Bauplanung auf die Eigenheimzulage aufgebaut haben, enttäuscht würden, dann ist das falsch. Sie verdummen die Leute. Sie wissen genauso gut wie ich, dass diejenigen, die die Zusage haben, natürlich auch ihr Geld bekommen.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das ist klar!)

Die Eigenheimzulage läuft aus – sie wird nicht abrupt gekappt –, damit genau diese Zuverlässigkeit gegeben bleibt.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb finde ich es auch von der Sache her einfach nicht in Ordnung, wenn man so argumentiert. Da muss man sich mit den Fakten auseinander setzen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich habe vorhin gesagt, dass das für uns die Nagelprobe ist. Wir müssen hier im Bundestag heute Farbe bekennen. Das erwarten die Menschen von uns. Diese Erwartung sollten wir alle erfüllen.

   Vom Wegfall der Eigenheimzulage, die rund 10,4 Milliarden Euro ausmacht und damit der größte Subventionstitel im Bundeshaushalt überhaupt ist, profitieren vor allem die Länder. Die Länder sind es nämlich, die in den letzten Jahren – das trifft gerade für die CDU-regierten Länder zu – nicht mehr in dem notwendigen Maß in Bildung und Forschung investiert haben.

(Beifall bei der SPD – Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Die PISA-Studie kennen Sie?)

Es reicht eben nicht aus, dass der Bund die Mittel um 35 Prozent erhöht, wenn gleichzeitig CDU-regierte Länder ihre Haushalte kürzen und einige Länder ihre Haushalte plafondieren.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Schauen Sie sich das Ranking der PISA-Studie an!)

Wir müssen auf beiden Seiten erhöhen. Deshalb ist es sehr wichtig, dass die Länder durch eine Streichung der Eigenheimzulage in Zukunft in jedem Jahr 2,5 Milliarden Euro zur Verfügung haben werden,

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Das stimmt doch gar nicht!)

die sie zum Beispiel zusätzlich für die Beschäftigung von Lehrern einsetzen könnten.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Wie viel ist es denn im nächsten Jahr?)

   Wie wollen Sie eigentlich den Eltern in ganz Deutschland gegenüber rechtfertigen, dass Sie nicht bereit sind, die Mittel zur Verfügung zu stellen, die zum Beispiel die Beschäftigung von rund 30 000 Lehrerinnen und Lehrern allein im Jahr 2008 ermöglichen würden?

(Beifall bei der SPD – Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Wie hoch ist es denn 2005?)

Das müssen Sie rechtfertigen! Wie wollen Sie rechtfertigen, dass Sie den Kommunen 900 Millionen Euro verweigern, die sie dringend für Investitionen in die frühkindliche Betreuung, für Investitionen in die Kindergärten und für den Ausbau der Schulen brauchen?

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Wie viel sind es denn 2005?)

Wie wollen Sie das eigentlich inhaltlich begründen?

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Kurz gesagt: Wenn wir nicht den Mut haben, den Schritt zu wagen, die finanziellen Ressourcen, die durch die Abschaffung der Eigenheimzulage frei werden, zur Verfügung zu stellen – ich bestreite überhaupt nicht, dass das Mut erfordert –, dann handeln wir nicht verantwortlich. Deshalb werden diesen Mut aufbringen. Ich werde gleich sehen, ob auch Sie diesen Mut zeigen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Ministerin, kommen Sie bitte zum Ende.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Die ist doch bereits am Ende!)

Edelgard Bulmahn, Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Ja.

   Ich will es zum Schluss noch einmal zugespitzt formulieren: Wenn wir diesen Mut nicht haben und nicht in Bildung und Forschung investieren, dann können wir morgen auch keine Häuser mehr bauen. Deshalb entscheiden wir heute über eine Frage der Zukunft. Da baue ich auf die Vernunft.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort dem Kollegen Stefan Müller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU):

Herr Präsident! Ich darf mich dem Glückwunschreigen anschließen, wenngleich ich Ihnen das Geschenk, dass wir diesem Gesetzentwurf zustimmen, wohl nicht machen kann. Ich denke, ich spreche da für meine Kollegen von der CDU und der CSU.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren Kollegen! Frau Bundesbildungsministerin, Sie haben soeben mithilfe von Herrn Tauss – er will diese Debatte ganz offensichtlich zu einer Regierungsbefragung machen – groß und breit ausgeführt: Wir müssen dieses und jenes tun, wir müssen mehr für Forschung, für Maschinenbau und für Kinderbetreuung ausgeben. Da stellt sich für mich schon die Frage, wer in diesem Land seit sechs Jahren Bundesbildungsministerin ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Ich frage mich doch, warum Sie das, was Sie hier angesprochen haben, nicht schon sehr viel eher auf den Weg gebracht haben.

   Sie reden hier immer wieder über die Zukunft der jungen Generation usw. Gestern ist der Nachtragshaushalt beraten worden. Herr Bundesfinanzminister, dieses Jahr ist wahrscheinlich eine Nettoneuverschuldung von über 40 Milliarden Euro nötig. Was Sie hier betreiben, das ist doch weder nachhaltig

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

noch im Sinne der jungen Menschen. So geht es auf jeden Fall nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Der erneute Versuch der Bundesregierung, die Eigenheimzulage abzuschaffen, ist ein weiterer Beleg für die Unberechenbarkeit dieser Bundesregierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie hatten bereits im Haushaltsbegleitgesetz 2004 die Abschaffung der Eigenheimzulage vorgesehen. Das geschah damals zugegebenermaßen allerdings noch unter dem Gesichtspunkt der Haushaltskonsolidierung. Der Vermittlungsausschuss hat dann bekanntermaßen im Dezember 2003 eine Kürzung um 30 Prozent empfohlen. Das ist vom Bundestag und vom Bundesrat so beschlossen worden. Damit wurde Anfang 2004 die Eigenheimförderung auch im Hinblick auf eine Neuausrichtung unter bau-, familien- und haushaltspolitischen Gesichtspunkten reformiert.

(CarlLudwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

   Die Bundesbürger hätten eigentlich davon ausgehen können, dass damit endlich wieder – zumindest bis 2006 – Klarheit und Berechenbarkeit der Förderbedingungen geschaffen worden sind. Man muss jetzt feststellen: Das ist einmal mehr ein Trugschluss und von Berechenbarkeit kann überhaupt keine Rede sein. Wurde die Abschaffung noch vor einem Jahr mit dem Stopfen von Haushaltslöchern begründet, soll sie jetzt der Förderung von Bildung und Forschung dienen.

(Beifall des Abg. Jörg Tauss (SPD))

Was stimmt denn nun: Haushaltskonsolidierung, Innovationsförderung oder Subventionsabbau? Ich frage mich, wie oft Sie die Eigenheimzulage noch heranziehen wollen. Mehr als einmal ausgeben können Sie sie doch nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Die Bundesregierung begründet ihre Vorstöße zur Abschaffung der Eigenheimzulage immer damit, dass diese Zulage nicht mehr zielführend sei, weil die Wohnraumversorgung in Deutschland ohnehin schon so gut wie nie zuvor sei; wegen der demographischen Entwicklung werde der Bedarf an Wohnraum ohnehin abnehmen usw. Aber es waren doch genau diese Beweggründe, warum wir im Vermittlungsauschuss, in diesem Parlament und im Bundesrat der Umstrukturierung der Eigenheimförderung zugestimmt haben. Es waren doch genau diese Gründe, die zur Neuausrichtung der Förderbedingungen ab dem Jahr 2004 geführt haben.

   Sie werden doch nicht bestreiten, meine Damen und Herren von Rot-Grün – –

(Jörg Tauss (SPD): Doch, doch, doch!)

– Daran, dass Sie es bestreiten, Herr Tauss, habe ich keinen Zweifel. Aber hören Sie vielleicht zunächst einmal zu! – Sie werden doch nicht bestreiten, dass Deutschland beim Wohnungsneubau in Europa immer noch Schlusslicht ist: Mit 2,8 neu gebauten Wohnungen je 1 000 Einwohner liegt die Bundesrepublik am Ende aller europäischen Länder. Lediglich Schweden und die Slowakei weisen eine niedrigere Quote auf. Mit knapp 41 Prozent rangiert Deutschland bei der Eigenheimquote am unteren Ende der europäischen Länder.

   Wer die Eigenheimförderung aufgibt, entzieht einer ganzen Branche die Lebensgrundlage.

Er gefährdet Arbeitsplätze und die individuelle Altersvorsorge.

   Wer die Eigenheimförderung aufgibt, ohne an anderer Stelle für finanzielle Entlastung zu sorgen, verhindert, dass Menschen mit durchschnittlichem Einkommen privates Wohneigentum erwerben können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Eigenheimzulage ist heute ein ganz wesentlicher Baustein einer privaten Altersvorsorge. Wenn ein Bauwilliger heute um ein Darlehen nachsucht, ist die Kapitaldienstfähigkeit nun einmal von entscheidender Bedeutung. Für diese wiederum ist die Eigenheimzulage oftmals ein unverzichtbarer Bestandteil.

(Jörg Tauss (SPD): Jetzt hör auf!)

   Meine Damen und Herren, es ist doch geradezu familien- und sozialpolitisch widersinnig, die Unterstützung der Wohneigentumsbildung gegen Forschungs- und Bildungsinvestitionen ausspielen zu wollen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Perspektiven von Familien mit Kindern werden Sie jedenfalls nicht dadurch verbessern, indem Sie ihnen die Unterstützung bei einer der wichtigsten Investitionen des Lebens, nämlich der Schaffung von Wohneigentum, entziehen. Ein innovationsfreundlicheres Klima werden Sie im Übrigen auch nicht alleine dadurch schaffen, indem Sie Gelder übers Land verteilen. Dazu gehört schon ein bisschen mehr. Ich bestreite ja nicht, dass Innovationen, also die Entwicklung neuer Produkte, Verfahren und Dienstleistungen, sowie erfolgreiches Vermarkten von Technologien Grundlage für die Schaffung von Arbeitsplätzen, für die Sicherung von Wachstum und Wohlstand ist. Das wird hier im Hause niemand bestreiten. Es gehört aber mehr als Geld dazu, um dieses Ziel zu erreichen.

   Dazu gehört zunächst ein umfassendes Programm, das verschiedene Politikfelder integriert. Dazu gehört eine Bildungspolitik, die auf Wettbewerb und Leistungssteigerung setzt, eine Forschungspolitik, die gezielt die Anwendung von Spitzentechnologien fördert

(Jörg Tauss (SPD): Machen wir alles!)

und die schnelle Umsetzung von Ergebnissen der Grundlagenforschung sichert. Dazu gehört aber auch, Herr Tauss, eine Wirtschafts- und Finanzpolitik, die erfolgreiches unternehmerisches Engagement belohnt und den Aufbau von Kompetenzzentren fördert. Dazu gehört genauso eine Arbeitsmarktpolitik, die mehr Flexibilität bei individuellen und betrieblichen Vereinbarungen erlaubt.

(Jörg Tauss (SPD): Machen wir auch!)

– Das machen Sie nicht. – Kurzum: Wir benötigen ein integriertes Politikprogramm, das die harten und die weichen Standortfaktoren stärkt und die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft verbessert. Hierfür ist vor allem die Verlässlichkeit politischer Entscheidungen nötig. Davon kann bei Ihnen keine Rede sein.

   Die beste Innovationsförderung für unser Land wäre der Rücktritt dieser Bundesregierung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir wissen doch alle: Dieses Gesetz wird den Bundesrat nicht so verlassen, wie es der Bundestag heute beschließt. Darum halte ich es für sinnvoll, heute über mögliche Veränderungen zu diskutieren. Wir als PDS stimmen einer Veränderung, nicht aber einer Abschaffung der Eigenheimzulage zu. Wir schlagen eine Konzentration der Eigenheimförderung auf Familien mit Kindern vor. Wir wollen eine stärker nach dem Einkommen und dem regionalen Bedarf differenzierte Förderung. So brauchen zum Beispiel junge Familien mit geringem Einkommen ein attraktives Angebot, um in Mecklenburg-Vorpommern zu bleiben.

(Stephan Hilsberg (SPD): Wohnungen fehlen da zu allerletzt! – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sehr merkwürdig!)

   Wenn die Eigenheimzulage abgesenkt wird, dann muss es einen finanziellen Ausgleich für die Förderung des Stadtumbaus, für die soziale Wohnraumförderung und die Genossenschaftsförderung geben.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Städte müssen ihre Funktion als Zentren des wirtschaftlichen, sozialen und urbanen Lebens erhalten und ausbauen können. Das ist natürlich auch wichtig, um Bauhandwerk, Bau- und Wohnungswirtschaft als stabile Wirtschaftsfaktoren in Kommunen und Regionen zu erhalten, und dient dem Erhalt von Arbeitsplätzen.

   Meine Damen und Herren, um kommunale und genossenschaftliche Wohnungsunternehmen vor der Insolvenz zu retten, fordern wir die Tilgung der Altschulden.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Das Mindeste jedoch wäre, die Zinszahlungen auf abgerissenen bzw. langfristig leer stehenden Wohnraum zu erlassen. Das Programm „Soziale Stadt“ muss fortgesetzt und noch besser mit den Förderbereichen Wirtschaftsansiedlung und Beschäftigungsförderung vernetzt werden.

   Die Behauptung des Gesetzentwurfs, dass die Eigenheimzulage die steuerliche Einzelsubvention mit dem höchsten Volumen im Bundeshaushalt sei, ist, wie ich finde, doch einem Blick durch eine sehr stark rot-grün gefärbte Brille geschuldet.

(Jörg Tauss (SPD): Thiele und Lötzsch Hand in Hand!)

Wenn Sie sich den Haushalt genau anschauen, stellen Sie fest, dass die höchsten Subventionen für Beschaffungen bei internationalen Rüstungskonzernen, insbesondere für Auslandseinsätze, erfolgen. Meine Kollegin Petra Pau hat Ihnen das ja bereits gestern in der Debatte über den Jahresabrüstungsbericht ganz genau vorgerechnet. Wenn im nächsten Jahr die Ausgaben für den Eurofighter 2000 um weitere 130 Millionen Euro auf 1,25 Milliarden Euro, für Unterstützungshubschrauber auf 350 Millionen Euro und für den NATO-Hubschrauber 90 auf 440 Millionen Euro angehoben werden sollen, so würde ein Verzicht auf diese zusätzlichen Rüstungsausgaben den Kapitalstock für eine wirkliche Innovationsoffensive, für Bildung, Forschung und Entwicklung bedeuten. Ich finde, dort sollte zuallererst angefasst werden, Frau Ministerin Bulmahn.

   Zum Abschluss natürlich auch von mir, Herr Präsident, die besten Glückwünsche zu Ihrem heutigen Geburtstag!

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Wolfgang Spanier, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wolfgang Spanier (SPD):

Herr Präsident! Ich habe Ihnen schon im Herzen gratuliert. – Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sind uns einig, dass wir im Bund, in allen 16 Ländern und in allen Kommunen eine äußerst schwierige Haushaltslage haben. Wir sind uns einig, dass unsere wichtigste Aufgabe, sozusagen die Grundlagenaufgabe, die Konsolidierung ist.

(Heinz Seiffert (CDU/CSU): Aber ihr macht das Gegenteil!)

   Selbstverständlich sind wir uns auch einig, dass eine Möglichkeit, eine Chance, aus diesem Dilemma herauszukommen, die Überprüfung von Subventionen ist.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso sind wir uns einig, dass – das wird zumindest keiner abstreiten können – die Eigenheimzulage trotz der Kürzung mit immerhin noch 6 Milliarden Euro eine der größten Subventionen ist.

   Wir sind uns auch einig, dass wir dringend notwendige Zukunftsinvestitionen noch stärker finanzieren müssen als bisher. Dazu gehören – trotz all der Anstrengungen der vergangenen Jahre – Bildung und Forschung. Das bereits Getane wird für die Zukunft nicht ausreichen. Hier werden wir einen Schwerpunkt setzen müssen.

   Ebenso werden wir – das sage ich als Wohnungspolitiker – angesichts der demographischen Entwicklung mehr für die Städtebauförderung, den Stadtumbau in Ost und West und die Weiterentwicklung und Fortführung des Programms „Soziale Stadt“ tun müssen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Hans-Michael Goldmann (FDP))

   Da geht es uns wie jedem Bürger und jeder Bürgerin auch: Wenn wir in diese Zukunftsaufgaben kein zusätzliches Geld investieren können, dann bleibt uns nur eines übrig, nämlich die Umschichtung. Das Positive, die Aufstockung, wird meist gern erwähnt. Dazu gehört aber auch das Negative, dass nämlich die Mittel irgendwo weggenommen werden müssen. Ich bin, auch als Wohnungspolitiker, davon überzeugt, dass die Eigenheimzulage durchaus geeignet ist, um in die beiden genannten Richtungen – Städtebauförderung und vor allem Bildung und Forschung – Mittel umzuschichten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Bei all den Bekenntnissen, die Sie in den Bundestagsdebatten zur Eigenheimzulage ablegen, bei all Ihrem Eintreten für den Erhalt der Eigenheimzulage wissen Sie ganz genau, dass auch die Union die Eigenheimzulage zur Disposition stellt. Noch am 15. September hat Frau Merkel – ich will Herrn Merz heute einmal nicht zitieren – im Rundfunk Berlin-Brandenburg ausdrücklich erklärt: Wir werden dem Steuerzahler die Eigenheimzulage nehmen, dafür werden wir ihm Steuersenkungen geben.

   Aber wenn Sie bei der Eigenheimzulage so viel Wert auf die Schwellenhaushalte legen, die Familien mit Kindern, dann müssen Sie auch sehen, wie deren Steuerbelastung derzeit aussieht und wie wenig ihnen das von Herrn Merz und Frau Merkel entwickelte Steuerreformpaket an zusätzlicher Entlastung bringt. Sie wollen mit der Abschaffung der Eigenheimzulage die Senkung des Spitzensteuersatzes von 42 auf 36 Prozent finanzieren. Dann müssen Sie das aber auch offen hier sagen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Jetzt machen Sie mal einen Punkt!)

   Interessant an dem Beitrag von Herrn von Stetten fand ich, dass er auf die Einbeziehung der Wohneigentumsförderung in die Riester-Rente verwiesen hat.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): Eben nicht!)

Das ist ein interessanter Gedanke; das will ich gerne einräumen. Aber Sie stellen sich doch wohl nicht vor, sozusagen eine Doppelförderung anzustreben: einerseits die Eigenheimzulage und andererseits obendrauf noch die Förderung über die Riester-Rente. Das kann angesichts der Finanzsituation der öffentlichen Hand wohl niemand wollen. Wenn Sie das wollen, müssen Sie es deutlich sagen. Wir haben im Koalitionsvertrag vereinbart, dass wir die Verzahnung mit der geförderten privaten Altersvorsorge überdenken und vorbereiten wollen.

   Manchmal habe ich den Eindruck, die Debatte über die Eigenheimzulage wird hochstilisiert zu einer Debatte, ob wir für oder gegen das Wohneigentum sind.

(Zuruf des Abg. Hans Michelbach (CDU/CSU))

Ich bin Abgeordneter aus Ostwestfalen, Herr Michelbach. Bei uns hat das selbst genutzte Wohneigentum einen ganz hohen Stellenwert.

(Stefan Müller (Erlangen) (CDU/CSU): Na also! – Heinz Seiffert (CDU/CSU): Dann gönnt es den anderen doch auch!)

Wir haben eine Eigentumsquote von weit über 50 Prozent. Es ist auch gut so, dass bei uns der Facharbeiter sein Häuschen bauen konnte.

(Hans Michelbach (CDU/CSU): Das wollt ihr jetzt wegnehmen! – Lachen bei der SPD)

– Ihre Zwischenrufe sind manchmal wirklich abenteuerlich. In der letzten Sitzungswoche haben Sie mir vorgeworfen, dass ich keine Krawatte tragen würde. Ich habe mich heute um Besserung bemüht. Aber jetzt unterstellen Sie mir, wir wollten dem Facharbeiter das Häuschen wegnehmen. Das ist, wie gesagt, schon wirklich abenteuerlich.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So wird an den Stammtischen der CSU diskutiert! – Joachim Poß (SPD): Michelbach ist ein politischer Exhibitionist!)

   Es ist richtig: Die Chance, dass der Bundesrat zustimmen wird, ist sehr skeptisch einzuschätzen. Ich denke aber, dass Sie sich Gedanken über die Alternativen, beispielsweise im Rahmen der Riester-Rente, machen. Möglicherweise gibt es in einem Vermittlungsverfahren doch die Chance, sich auf sinnvolle Alternativen zu einigen. Da ist die Opposition gefordert.

   Es wurde heute vielfach sehr pauschal von „Kohle statt Bildung“ oder „Beton statt Bildung“ gesprochen. Ich glaube, das bringt uns in der Sache überhaupt nicht weiter. Das selbst genutzte Wohneigentum – in Ostwestfalen nennen wir es die Quadratmeterrente – ist natürlich ein Stück Altersvorsorge.

(Christian Freiherr von Stetten (CDU/CSU): So ist es!)

Das ist unbestritten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Konsequenz darf aber nicht sein, dass wir an der Eigenheimzulage festhalten müssen. Das ist der entscheidende Unterschied.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): So ist es!)

   In Bezug auf junge Familien müssen wir aufpassen. Denn jeder, der von der Sache etwas versteht, weiß: Wer sein Eigenheim oder seine Eigentumswohnung nur durch Einrechnen der Eigenheimzulage finanzieren kann, der geht natürlich ein gewaltiges Risiko ein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das stimmt!)

Die Eigenheimzulage kann nur das Sahnehäubchen – angesichts des Finanzvolumens müsste man sagen: die Sahnehaube – obendrauf sein. Ich glaube, darüber sind wir uns einig.

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, Sie müssen bitte zum Ende kommen.

Wolfgang Spanier (SPD):

Ja, Herr Präsident. – Ich wünsche mir, dass wir endlich über die Sache diskutieren. Das sture Festhalten am Status quo bringt uns überhaupt nicht weiter.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Klaus Minkel, CDU/CSU-Fraktion.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Jörg Tauss (SPD): Jetzt kommt der Erziehungsfachmann!)

Klaus Minkel (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bitte um Nachsicht, dass sich meine Rede nur sehr wenig als Geburtstagsansprache eignet.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Ich habe vier Beweisstücke mitgebracht, von denen kein einziges die Regierungskoalition erfreuen wird.

   Bei der Abschaffung der Eigenheimzulage geht es Ihnen doch nur darum, an frisches Geld zu gelangen. Denn Sie sind pleite.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ihre wahre Auffassung zur Eigenheimzulage hat der Bundeskanzler unmittelbar vor der Wahl mit wohlgesetzten Worten dargelegt. Ich darf das kurz vortragen:

Jährlich erfüllen sich rund 700 000 Haushalte mit dem Erwerb einer eigenen Wohnung einen Herzenswunsch. Vielen, insbesondere kinderreichen Familien, wäre dies ohne Eigenheimzulage nicht möglich. Das wissen wir und deshalb ist und bleibt die Eigenheimzulage das entscheidende Mittel zur Förderung von Wohneigentum.
(Beifall bei der CDU/CSU)

So Ihr Kanzler vor der Wahl. Wie Sie sich jetzt nach der Wahl verhalten, zeigt doch nur, dass ein Kanzlerwort null und nichtig ist. Es ist nichts wert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wenn Sie heute die Abschaffung der Eigenheimzulage beschließen, dann vollenden Sie einen Wahlbetrug. Dies ist ein besonders großer Betrug an der jungen Generation.

(Jörg Tauss (SPD): Hör doch auf! – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Was sagen Sie denn zu den Äußerungen von Frau Merkel?)

Nach Rente, Krankenversicherung und Staatsverschuldung wird die junge Generation einem weiteren Schneeballsystem ausgesetzt, nach dem Motto: Die Letzten beißen die Hunde. Junge Familien bekommen die Förderung, wenn es nach Ihnen geht, nicht mehr. Aber sie haben in einer Zeit, in der sie selbst Hilfe bräuchten, noch für viele Jahre die alten Verbindlichkeiten aus vorangegangenen Zusagen zu finanzieren.

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Sie haben das irgendwie missverstanden! – Weiterer Zuruf von der SPD: Das ist unredlich, was Sie da machen!)

Das ist unsozial, das ist ungerecht, das ist schäbig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Der Bundesfinanzminister beruft sich bei seiner Agitation gegen die Eigenheimzulage ständig auf irgendwelche Autoritäten. Herr Eichel, ich habe in der Schule gelernt: Die Berufung auf Autoritäten ersetzt keine Argumente. Schauen wir uns doch einmal die Direktoren der Bundesbank an! Die haben ihr Wohnungsproblem in prächtigen Dienstvillen bestens gelöst.

(Hans Eichel, Bundesminister: Welche Parteibücher haben die denn? – Jörg Tauss (SPD): Klassenkampf! Krieg den Palästen!)

Oder schauen Sie sich die Professoren mit ihren bemoosten Häuptern an! Auch die sind doch nicht auf die Eigenheimzulage angewiesen.

(Jörg Tauss (SPD): Die kriegen sie doch auch nicht!)

– Herr Tauss, ich persönlich empfinde es als höchst anfechtbar, wenn diejenigen, die im Trockenen sind, die Habenichtse davon abhalten wollen, selbst zu Eigentum und zu Besitz zu gelangen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Das ist doch völliger Unsinn!)

Auch das ist unanständig.

   Wenn man schon den Worten des Kanzlers nicht trauen kann, so ist auch die Unterschrift des Kanzlers null und nichtig.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Minkel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Spanier?

Klaus Minkel (CDU/CSU):

Herr Spanier, im Anschluss an meine Rede sehr gerne.

(Lachen bei der SPD – Jörg Tauss (SPD): Das geht nicht! – Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Auch das haben Sie nicht verstanden!)

– Herr Spanier, dann verzichte ich auf Ihre Zwischenfrage.

   Ich komme zu einem weiteren Beweisstück. Ich habe einen Vertrag mitgebracht, der zwischen dem Bundeskanzler auf der einen Seite und der IG BAU und den Verbänden der Bauwirtschaft auf der anderen Seite abgeschlossen worden ist. Dort widmet sich ein ganzes Kapitel dem privaten Wohneigentum und der Förderung durch die Eigenheimzulage. Auch diese Unterschrift des Kanzlers hat sich im Nachhinein als null und nichtig erwiesen. Sie ist nichts wert.

(Lothar Binding (Heidelberg) (SPD): Kommt Ihnen gerade irgendetwas peinlich vor? – Lachen bei Abgeordneten der SPD)

   In diesen Tagen berührt uns alle das Schicksal der Arbeiter von Opel oder das der Verkäuferinnen bei Karstadt. Aber ich rufe in Erinnerung, dass draußen im Lande in der Bauwirtschaft und im Bauhandwerk tagtäglich solche Fälle stattfinden. Über das Jahr haben 10 Prozent der deutschen Bauarbeiter, nicht zuletzt dank Ihrer Politik, ihren Arbeitsplatz verloren. Man kann eine gleiche Anzahl im Bauhandwerk hinzurechnen. Wir sollten uns nicht nur für die Arbeiter bei Opel und die Verkäuferinnen bei Karstadt interessieren. Auch die Bauarbeiter und die Bauhandwerker haben einen Anspruch darauf, dass man sich um ihre Nöte kümmert

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

und dass der Kanzler Zusagen, die er abgegeben hat, auch einhält.

   Ein weiteres Beweisstück – deshalb ist der Finanzminister heute so schweigsam;

(Wilhelm Schmidt (Salzgitter) (SPD): Und wenn er redet, dann fallen Sie über ihn her! Das ist doch alles Unsinn!)

ich muss quasi für den Finanzminister in Geschäftsführung ohne Auftrag sprechen – ist der Beschluss der hessischen SPD,

(Jörg Tauss (SPD): Das hatten wir schon!)

die Eigenheimzulage beizubehalten. Das erinnert ganz fatal an den Chef eines Quacksalberunternehmens, Herr Eichel, der seine Ware anpreist, während die Belegschaft durch die Lande zieht und überall vor dem Produkt warnt.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

So kann man eigentlich nur ein Pleiteunternehmen führen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Präsident, nun muss ich um Nachsicht

(Joachim Poß (SPD): Die haben Sie aber schon reichlich genutzt!)

für den recht rüden Sprachgebrauch der Genossen von Hessen-Süd bitten, der Ihnen, Herr Eichel, bekannt ist. So lädt man dort inzwischen auf Plakaten – jetzt kommt dieses Wort – zu Kotztagen ein und verteilt Kotztüten.

Man verteilt diese Kotztüten, weil man die Politik, die hier in Berlin betrieben wird, zum Rückwärtsfrühstücken empfindet.

   Sie haben die Parole ausgegeben: Bildung statt Beton. Man könnte es besser formulieren: Bildung statt Steinkohleförderung. Oder: Bildung statt dieser Bundesregierung.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Wolfgang Spanier, SPD-Fraktion.

Wolfgang Spanier (SPD):

Herr Minkel, ich weiß aus eigener langjähriger Erfahrung: Wenn man, wie Sie, polemisiert, kriegt man dafür Beifall, aber natürlich nur in den eigenen Reihen.

(Hans-Michael Goldmann (FDP): Aber die Tüten sind von Ihnen!)

Zur Sache haben Sie verdammt wenig gesagt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und was Sie zur Sache gesagt haben, war auch noch falsch. Ich will Ihnen das gern belegen. Sie haben hier vorhin den Eindruck erweckt, dass wir mit der Abschaffung der Eigenheimzulage die Finanzierung des Eigentums, wie sie bisher erfolgt ist, in irgendeiner Weise gefährden, und haben an die Wand gemalt, dass wir damit die Häuslebauer in große Schwierigkeiten bringen. Diese Darstellung ist völlig falsch.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wenn wir die Eigenheimzulage abschaffen, dann bedeutet das, dass vom kommenden Jahr an keine neuen Anträge gestellt werden können. Aber selbstverständlich wird die Eigenheimzulage, so wie es vereinbart ist, für diejenigen, die sie jetzt in Anspruch nehmen, bis zum Schluss weiter gewährt.

(Beifall bei der SPD)

Das haben Sie vorhin anders, zumindest missverständlich dargestellt.

   Ein Zweites. Ich habe nicht so ganz verstanden, was Sie mit dem Hinweis auf die Direktoren der Bundesbank gemeint haben. Aber ich kann mich sehr wohl daran erinnern, dass Sie in Ihrem Wahlprogramm die Einkommensgrenzen bei der Eigenheimzulage ganz abschaffen wollten; Sie wollten aus Gründen der Bedürftigkeit diese Zulage auch noch den Einkommensmillionären zukommen lassen. Daran möchte ich Sie erinnern.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Kerstin Andreae (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Wenn Sie hier in glühenden, geradezu herzzerreißenden Worten die jetzige Form der Eigenheimzulage verteidigen, dann kann ich Sie immer nur daran erinnern, dass Ihre Fraktion in ihrem Steuerkonzept die Abschaffung der Eigenheimzulage fordert. Wie passt das denn dazu, dass Sie hier in bewegenden Worten die familienpolitische Bedeutung der Eigenheimförderung preisen? Das passt doch hinten und vornn überhaupt nicht zusammen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich weiß nicht, wen es beeindruckt hat, dass Sie hier irgendwelche Zitate aus früheren Zeiten angeführt haben. Sie selbst haben vor knapp einem Jahr mit uns gemeinsam dafür gesorgt, dass das Finanzvolumen der Eigenheimzulage um 30 Prozent gekürzt wurde.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Richtig!)

Das haben Sie vor einem Jahr sicherlich völlig anders gesehen und hier im Bundestag auch völlig anders dargestellt. Man kann angesichts der schwierigen Haushaltslage seine Positionen ändern, ja, man muss es sogar. Es ist notwendig, Prioritäten anders zu setzen.

(Beifall bei der SPD)

Frau Bulmahn hat Recht: Dazu gehört manchmal Mut; da muss man manchmal über seinen eigenen Schatten springen. Tun Sie das endlich,

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

damit wir mit der sachlichen Diskussion anfangen können!

   Das wollte ich, Herr Präsident – mit Verlaub –, hier einmal gesagt haben. Ich bin gespannt, was Herrn Minkel jetzt noch einfällt.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Minkel, Sie haben das Wort zur Erwiderung.

Klaus Minkel (CDU/CSU):

Kollege Spanier, mir fällt natürlich immer etwas ein.

(Lachen bei Abgeordneten der SPD)

Was die Behandlung junger Familien betrifft, so haben Sie wirklich nicht zugehört oder Sie haben es nicht verstanden, obwohl ich es in einer früheren Rede schon einmal vorgetragen habe. Sie verursachen folgendes Dilemma: Im Falle des Wegfalls der Förderung zum 1. Januar 2005 werden ab diesem Zeitpunkt keine neuen Förderfälle mehr angenommen. Unsere jungen Familien erhalten dann keine Förderung mehr.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dieselben jungen Familien müssen aber für einen Zeitraum von rund zehn Jahren die Förderung der bereits bewilligten Fälle mit ihren Steuerzahlungen mitfinanzieren.

(Zuruf von der CDU/CSU: Sehr richtig!)

Das ist ein Schneeballsystem. Das empfinde nicht nur ich als grobes Unrecht.

(Lachen bei der SPD)

– Ihre Reaktion beweist mir, dass meine Botschaft jetzt bei Ihnen angekommen ist.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)

   Herr Spanier, Sie haben noch weitere Punkte angesprochen. Ich möchte Ihnen keine Antwort schuldig bleiben. Die B-Länder haben dem Kompromiss im Bundesrat über die Einkommensgrenzen zugestimmt. Damit ist es auch für die Union verbindlich, dass die Einkommensgrenzen abgesenkt werden können. Insofern verstehe ich nicht, dass Sie hier alte Geschichten aufwärmen.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN )

Die Entwicklung ist inzwischen fortgeschritten. Sie können dieser Tatsache entnehmen, dass es der Union nicht darauf ankommt, wenigen Millionären zu einer Eigenheimzulage zu verhelfen; sie können ihr Haus selbst finanzieren. Wir wollen den Millionen Menschen im Lande, die ein Eigenheim haben möchten, helfen.

   Was die Abschaffung der Eigenheimzulage angeht, sind wir völlig unterschiedlicher Auffassung. Sie wollen die Eigenheimzulage abschaffen, um Haushaltslöcher zuzuschmieren.

(Widerspruch bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

– Doch, darum geht es und um nichts anderes. Bei der LKW-Maut war das genauso.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Union verfolgt ein völlig anderes Konzept.

(Wolfgang Spanier (SPD): Sie wollen den Spitzensteuersatz senken!)

Wir wollen die Steuern allgemein und nachhaltig senken und die Eigenheimförderung synchron dazu abbauen. Es bleibt aber auch dann ein Problem übrig, das gelöst werden muss: Die wirklich einkommenschwachen Familien, die von einer Steuerreform nur begrenzt Vorteile haben, weil sie ohnehin nur wenig Steuern zahlen, müssen auch künftig in irgendeiner Form gefördert werden.

(Zuruf von der SPD: Kopfpauschale!)

   Sie haben die im letzten Jahr vorgenommene Kürzung angesprochen. Den Wohnungsbaupolitikern wäre es lieber gewesen, wenn die Kürzung statt 30 Prozent nur 12 Prozent betragen hätte, sie sich dann aber auch auf alle anderen Subventionen bezogen hätte. Diese Kürzung war Teil eines Kuhhandels im Bundesrat, durch den unter anderem die Bausparprämie erhalten werden konnte, die Sie zu 100 Prozent abschaffen wollten. Das war der tiefere Grund, warum sich die Union zu einer Kürzung um 30 Prozent bereit gefunden hat, obwohl uns diese Kürzung sehr weh tut.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Bevor wir zur Abstimmung kommen, erteile ich Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig das Wort zur Abgabe einer Erklärung zur Abstimmung gemäß § 31 der Geschäftsordnung.

Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich stimme dem Gesetz zu. Ich werbe auch sehr engagiert für die Abschaffung der Eigenheimzulage, weil sie angesichts der Tatsache, dass unser Gemeinwesen 1,3 Billionen Euro Schulden abzutragen hat, weder wohnungspolitisch noch vermögenspolitisch noch familienpolitisch wirklich sinnvoll und notwendig ist.

   In Richtung der Koalition möchte ich aber sehr deutlich sagen, dass ich mich gegen den Ausspruch „Bildung statt Beton“ mit Entschiedenheit wehre. Es geht hier nämlich sehr wohl auch um baupolitische Belange. Insofern ist es mir sehr wichtig, dass das, was in der Koalition im vorigen Jahr und in den Haushaltsberatungen Konsens war, wieder ins Bewusstsein gerückt und künftig wieder in inhaltlicher Unterstützung zum Ausdruck kommt: Es war Konsens, dass 25 Prozent der eingesparten Eigenheimzulage – dieses Geld wird dank der Vernunft des Bundesrats hoffentlich bald freigegeben – in die Städtebauförderung, in Stadtumbauprogramme und in das Programm „Soziale Stadt“ fließen. Der Kollege Spanier hat das vorhin angedeutet.

Angesichts des demographischen Wandels und der Situation in unseren Innenstädten und dicht bewohnten Stadtteilen brauchen wir nämlich sehr viele Anpassungsinvestitionen. Dafür möchte ich hier deutlich werben. Die Forderung nach einer Abschaffung der Eigenheimzulage soll keine Aussage gegen Innovation und Forschung  ich weiß, wir brauchen auch sie  sein. Außerdem brauchen wir einen Schuldenabbau. Ich bitte, in Zukunft auch diesen Aspekt in die Diskussion und in das Handeln einzubeziehen.

   Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Wir kommen zur Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Gesetzentwurf zur finanziellen Unterstützung der Innovationsoffensive durch Abschaffung der Eigenheimzulage, Drucksachen 15/3781 und 15/3821. Der Finanzausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 15/3972, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des übrigen Hauses angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist wiederum mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen des übrigen Hauses angenommen.

   Ich rufe den Tagesordnungspunkt 20 auf:

Beratung des Antrags der Abgeordneten Wolfgang Bosbach, Hartmut Koschyk, Thomas Strobl (Heilbronn), weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Gemeinsames Zentrum zur Terrorismusbekämpfung schaffen

– Drucksache 15/3805 –

Überweisungsvorschlag:Innenausschuss (f)Auswärtiger AusschussRechtsausschuss

Ausschuss für Menschenrechte und Humanitäre Hilfe

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für die Aussprache eine Dreiviertelstunde vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Clemens Binninger, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 133. Sitzung – wird am
Montag, den 25. Oktober 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15133
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