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15. Wahlperiode
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   140. Sitzung

   Berlin, Dienstag, den 23. November 2004

   Beginn: 10.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Zunächst möchte ich dem Kollegen Kurt J. Rossmanith, der gestern seinen 60. Geburtstag feierte, die besten Wünsche des Hauses übermitteln.

(Beifall)

   Interfraktionell wurde vereinbart, das von den Fraktionen der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der FDP eingebrachte Neunte Gesetz zur Änderung des Parteiengesetzes auf Drucksache 15/4246 heute in Verbindung mit Einzelplan 06 zu beraten. Außerdem sollen der Entwurf des Gesetzes einer Strategischen Umweltprüfung auf Drucksache 15/4119 dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit sowie das Zweite Gesetz zur Neuregelung des Energiewirtschaftsrechts auf Drucksache 15/3917 dem Finanzausschuss jeweils nachträglich zur Mitberatung überwiesen werden. Sind Sie mit diesen Vereinbarungen einverstanden? – Das ist der Fall. Dann ist so beschlossen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I auf:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005 (Haushaltsgesetz 2005)

– Drucksachen 15/3660, 15/3844 –

(Erste Beratung 124. Sitzung)

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008

– Drucksachen 15/3661, 15/3844, 15/4326 –

Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich Austermann Walter Schöler Anja Hajduk Dr. Andreas Pinkwart

   Wir kommen zu den Einzelplänen, und zwar zunächst zu den drei Einzelplänen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.1 auf:

Einzelplan 01

Bundespräsident und Bundespräsidialamt

– Drucksache 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Herbert Frankenhauser Klaas Hübner Franziska Eichstädt-Bohlig Jürgen Koppelin

   Wer stimmt für den Einzelplan 01 in der Ausschussfassung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Einzelplan 01 ist einstimmig angenommen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.2 auf:

Einzelplan 02

Deutscher Bundestag

– Drucksachen 15/4302, 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Johannes Kahrs Norbert Königshofen Franziska Eichstädt-Bohlig Jürgen Koppelin

   Hierzu liegt ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor, über den wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag auf Drucksache 15/4327? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Zustimmung der beiden Abgeordneten abgelehnt.

   Wir stimmen nun über den Einzelplan 02 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich? – Einzelplan 02 ist mit den Stimmen aller Fraktionen bei Gegenstimmen der beiden fraktionslosen Abgeordneten angenommen.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.3 auf:

Einzelplan 03

Bundesrat

– Drucksache 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Petra-Evelyne Merkel Albrecht Feibel Franziska Eichstädt-Bohlig Otto Fricke

   Wer stimmt für den Einzelplan 03 in der Ausschussfassung? – Gegenstimmen? – Enthaltungen? – Einzelplan 03 ist einstimmig angenommen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.4 und I.5 auf:

Einzelplan 08

Bundesministerium der Finanzen

– Drucksachen 15/4308, 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Jochen-Konrad Fromme Bernhard Brinkmann (Hildesheim)Klaas Hübner Anja Hajduk Dr. Andreas Pinkwart

Einzelplan 20

Bundesrechnungshof

– Drucksachen 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Anja Hajduk Iris Hoffmann (Wismar)Bernhard Kaster Dr. Andreas Pinkwart

   Zu den genannten Einzelplänen liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor. Zum Einzelplan 08 liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, über den wir am Freitag abstimmen werden.

   Außerdem rufe ich den Tagesordnungspunkt I.6 auf:

Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2004 (Nachtragshaushaltsgesetz 2004)

– Drucksachen 15/4020, 15/4137 –

(Erste Beratung 132. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss)

– Drucksachen 15/4138, 15/4139 –

Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich Austermann Steffen KampeterWalter Schöler Anja Hajduk Dr. Andreas Pinkwart

   Zu diesem Gesetzentwurf, über den wir später namentlich abstimmen werden, liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion der FDP vor.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache drei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Friedrich Merz von der CDU/CSU-Fraktion das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

(Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der König ist tot! Es lebe der König!)

– Ich möchte ja mit vielen verwechselt werden, aber das muss nicht unbedingt sein.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Meine Damen und Herren, in der Haushalts- und Finanzpolitik haben wir in den letzten Jahren von der rot-grünen Bundesregierung, vor allem von Ihnen, Herr Bundesfinanzminister, schon viel erlebt. Die Prognosen, die Sie über die Entwicklung der Staatsfinanzen und zu Wachstum und Beschäftigung abgegeben haben, waren fast immer zu optimistisch: Ihre Annahmen über die Ausgaben waren regelmäßig zu niedrig angesetzt, Ihre Annahmen über die Einnahmen regelmäßig zu hoch. Jede Steuerschätzung, von der Sie im Verlaufe der gut fünf Jahre Ihrer Amtszeit für den Bundeshaushalt ausgegangen sind, musste korrigiert werden. Die Vorlage eines Nachtragshaushaltes – so wie heute wieder für das Jahr 2004 wegen massiver Ausgabenüberschreitungen – wird von der Ausnahme zur jährlich wiederkehrenden Routine.

   Herr Eichel, Sie haben einen Gesetzentwurf zurückgezogen, den Sie im nächsten Jahr wieder vorlegen wollen: über die persönliche Haftung von Managern für falsche Informationen gegenüber dem Kapitalmarkt. Wenn Sie mit dem, was Sie in den letzten Jahren hier im Parlament und außerhalb geboten haben, an den Regeln dieses Gesetzes gemessen worden wären,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

wenn Sie persönlich dem so genannten Kapitalmarktinformationshaftungsgesetz unterliegen würden, Herr Eichel, dann wären Ihre Einkünfte und Ihre Pensionen schon heute bis an Ihr Lebensende gepfändet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder (CDU/CSU): Die vom Bundeskanzler gleich mit!)

   Was Sie uns nun allerdings mit dem Nachtragshaushalt 2004 und dem Bundeshaushalt 2005 in zweiter und dritter Lesung vorlegen, stellt so ziemlich alles in den Schatten, was Sie hier in den letzten Jahren geboten haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Franz Müntefering (SPD): Kohl und Waigel haben Sie wohl schon vergessen?)

– Vielen Dank für diesen Zwischenruf, Herr Müntefering.

(Franz Müntefering (SPD): Ihre Arroganz, das zu vergessen, was früher gewesen ist, ist schon beachtlich!)

   Sie werden mit dem Nachtragshaushalt für das Haushaltsjahr 2004 die höchste Neuverschuldung ausweisen,

(Franz Müntefering (SPD): Sie müssen Ihren letzten Auftritt nicht nutzen, um solche Geschichten zu erzählen!)

die der Bund jemals hatte. Auch wenn Sie es nicht mehr erwähnen, haben wir es nicht ganz vergessen: Es wir Ihr Ziel, Herr Eichel, im Jahre 2006 einen ausgeglichenen Haushalt vorzulegen. Davon sind Sie weiter denn je entfernt. Niemand spricht darüber und es gibt auch keine Veranlassung mehr, über dieses Thema zu sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Für das Haushaltsjahr 2004 bemühen Sie wieder das Grundgesetz, um diese Verschuldung zu rechtfertigen. Indem Sie erneut eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts feststellen, wollen Sie diese Verschuldung für mit dem Grundgesetz vereinbar erklären.

(Franz Müntefering (SPD): Was ist in Hessen, Niedersachsen und Baden-Württemberg? – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Saarland!)

Herr Eichel, ich stelle Ihnen folgende Frage: Wie wollen Sie die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eigentlich feststellen, wenn am Ende des Jahres 2004 ein – wenn auch bescheidenes – Wachstum von 1,8 Prozent steht? Das ist schlicht und ergreifend eine unzulässige Inanspruchnahme einer verfassungsrechtlichen Regelung. Auch deshalb haben wir uns dazu entschlossen, jetzt den Weg nach Karlsruhe zum Bundesverfassungsgericht einzuschlagen. Wir können Ihnen diese Haushaltspolitik nicht mehr durchgehen lassen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich will Ihnen das anhand einer Debatte deutlich machen, die offensichtlich im Kabinett geführt wird. In dieser – sie ist noch nicht abgeschlossen – hat der Bundeswirtschaftsminister vor einigen Tagen vorgeschlagen, die Bildungsausgaben zu den im Grundgesetz bezeichneten Investitionen hinzuzurechnen, sodass sich die Investitionsausgaben im Bundeshaushalt erhöhen, wodurch die Verschuldungsgrenze ebenfalls nach oben verlagert würde. Das Gegenteil von dem, was Sie mit Ihrem Versuch, den Investitionsbegriff des Grundgesetzes auszudehnen, tun, wäre richtig. Die Rechnungshöfe des Bundes und der Länder haben nämlich zu Recht verlangt, den Investitionsbegriff nicht weiter, sondern enger zu fassen, und zwar auch, um die Wertverluste und die Vermögensveräußerungen, die Sie zu verantworten haben und die Sie vollziehen, zu reduzieren.

   Ich will das an einem Punkt, auf den die Bundesbank vor einigen Wochen hingewiesen hat, deutlich machen. Die Bundesbank hat in ihrem Monatsbericht Juni 2004 eine Übersicht über die Entwicklung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens und über die Bildung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens in den letzten Jahren veröffentlicht. Im Jahre 2003 war die Bildung des gesamtwirtschaftlichen Sachvermögens erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland negativ. Was heißt das? Das heißt, dass der Staat erstmalig in der Geschichte der Bundesrepublik – das sind fast 60 Jahre – in einem Jahr kein zusätzliches Sachvermögen gebildet, sondern Substanz verbraucht hat. Das Sachvermögen hat um über 3 Milliarden Euro abgenommen.

   Ich sage es ganz nüchtern: Das, was hier geschieht, beweist, dass es richtig ist, den Investitionsbegriff des Grundgesetzes nicht weiter, sondern enger zu fassen. Die Verschuldungspolitik muss – im Zusammenhang mit dem Haushaltsjahr 2005 komme ich später noch darauf zu sprechen – institutionelle Grenzen erhalten, die enger als die gegenwärtigen sind, sodass wenigstens die Substanz für die nachfolgenden Generationen erhalten bleibt. Sie darf nicht für Konsum in der Gegenwart aufgezehrt werden.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Genau das tun Sie aber seit geraumer Zeit. Für die Jahre 2004 und 2005 wird die Bilanz wahrscheinlich nicht anders ausfallen. Herr Clement, der Investitionsbegriff des Grundgesetzes darf also nicht um die Bildungsausgaben ausgedehnt, sondern er muss enger gefasst werden, damit das Sachvermögen unseres Landes, unseres Volkes, dieser Gesellschaft zumindest erhalten bleibt und vor dem ungehinderten und unverschämten Zugriff der rot-grünen Bundesregierung geschützt wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

An den Daten Ihres Haushaltsplanes für das Jahr 2005 können Sie feststellen, dass Sie genau dies tun wollen. Sie haben 22 Milliarden Euro neue Schulden in den Bundeshaushalt 2005 eingestellt und behaupten, dass Sie die Schulden jetzt endgültig reduzieren und im nächsten Jahr einen verfassungskonformen Haushalt vorlegen werden, mit dem Sie die Kriterien des Maastricht-Vertrages erfüllen. Meine Damen und Herren, es ist bereits heute klar absehbar, dass dies auch im Jahre 2005 – im vierten Jahr in Folge – nicht gelingen wird. Ich will dies daran deutlich machen, welche einmaligen Einnahmen Sie in diesem Haushalt veranschlagen: Neben 22 Milliarden Euro neuen Schulden wollen Sie 23 Milliarden Euro einmalige Einnahmen aus Privatisierungen und Forderungsverkäufen erzielen. Das, was Sie da tun, ist in der Geschichte der Haushaltspolitik dieses Landes nun wirklich einmalig. Sie machen in einem Umfang neue Schulden, wie das bisher noch nicht der Fall gewesen ist, und verkaufen gleichzeitig zukünftige Forderungen. Sie scheuen noch nicht einmal vor dem Griff in die Pensionskassen der Postbeamten zurück, die eigentlich dazu angelegt wurden, zukünftige Beamtenpensionen abzusichern. Selbst diese verramschen Sie mit Einmaleinnahmen für das Jahr 2005. Herr Eichel, was Sie da machen, ist vor dem Hintergrund von Generationengerechtigkeit und Nachhaltigkeit die asozialste Politik, die in Deutschland jemals gemacht worden ist.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist Politik auf Kosten unserer Kinder, gegen die sie sich heute noch nicht mit dem Stimmzettel wehren können. Jedes Kind, das am heutigen Tag geboren wird, kommt bereits mit 16 500 Euro Schulden auf die Welt.

(Widerspruch bei der SPD – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn den Subventionsabbau verhindert?)

   Das können Sie übrigens auch im Nachhaltigkeitsbericht der Bundesregierung nachlesen. Der von Ihnen eingesetzte Beirat für nachhaltige Entwicklung schlägt Ihnen das genauso wie der Bundesrechnungshof links und rechts um die Ohren. Statt Ihre Politik zu ändern, kritisieren Sie die Leute, die Sie zu Recht kritisieren.

(Franz Müntefering (SPD): Sie waren auch schon mal besser, Herr Merz!)

Diese Art und Weise lassen wir Ihnen nicht durchgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Sie hängen schon kleinen Kindern schwere Mühlsteine hoher Schulden um den Hals, die diese schon heute um ihre Zukunftschancen bringen und sie massiv beeinträchtigen.

(Widerspruch bei der SPD)

   Sagen Sie gleich bitte nicht – das werden wir von Ihnen wieder hören, Herr Eichel –, daran sei die Opposition schuld, weil wir Ihnen die Kooperation verweigert hätten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

– Bevor Sie klatschen, möchte ich Ihnen Folgendes sagen: Für diese Lage des Bundeshaushaltes ist ganz allein die rot-grüne Bundesregierung verantwortlich und niemand anderes in diesem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Tun Sie doch nicht so unschuldig! Seien Sie nicht so scheinheilig!)

   Wir haben hier vor Jahr und Tag – das habe ich in ziemlich schlechter Erinnerung – eine intensive Debatte über die Körperschaftsteuerreform geführt. Lassen wir die Systemfrage einmal außer Betracht. Das Ergebnis der Körperschaftsteuerreform des Jahres 2000 ist, dass Ihnen in den beiden Haushaltsjahren 2001 und 2002 insgesamt rund 30 Milliarden Euro Körperschaftsteuereinnahmen fehlten. Diese Einnahmen haben Sie versenkt, nicht wir, weil Sie ein schludriges Gesetz vorgelegt haben. Ich scheue mich vor dem Begriff „handwerklicher Fehler“, weil das eine Beleidigung aller Handwerker in Deutschland ist. So schlecht arbeitet kein einziger Handwerker.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sie haben übersehen, dass mit diesem Gesetz Körperschaftsteuererstattungen in ungeahntem Umfang auf Sie zukommen würden.

(Hans Eichel, Bundesminister: Was? Was für ein Quatsch!)

– Selbstverständlich. Herr Eichel, wenn Sie das bestreiten, kann ich noch etwas konkreter werden: Im Jahre 2000 betrugen die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer 23 Milliarden Euro. Im Jahre 2001, im ersten Jahr nach In-Kraft-Treten Ihrer Reform, ergab sich bei den Körperschaftsteuereinnahmen ein Minus von 450 Millionen Euro.

(Elke Wülfing (CDU/CSU): Genauso ist es!)

Damals hat der Staat mehr Körperschaftsteuer erstatten müssen, als er von allen körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen zusammen im Haushaltsjahr 2001 vereinnahmt hat. Das ist Ihre Politik gewesen, Herr Eichel, nicht unsere. Dafür sind Sie verantwortlich und nicht die Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Übrigens: Wenn die Höhe der Körperschaftsteuereinnahmen in den Jahren nach 2001 bis heute in etwa so geblieben wäre, wie sie früher war, hätten wir seitdem nicht ein einziges Mal gegen den europäischen Stabilitäts- und Wachstumspakt verstoßen. Wir hätten in jedem Jahr die Maastricht-Kriterien erfüllen können. Für die Nichteinhaltung dieser Kriterien sind Sie verantwortlich, nicht die Opposition.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Das ist nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart; denn es geht fröhlich weiter so. Vor einem Jahr haben wir über die Tabaksteuererhöhung diskutiert. Wir haben Sie dringend davor gewarnt, weiter an der Tabaksteuerschraube zu drehen. Wir haben Ihnen vorausgesagt, dass diese Schraube irgendwann überdreht wird. Genau das ist eingetreten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der Regierungsbank)

– Da Sie von der Regierungsbank dazwischenrufen: Die Tabaksteuererhöhung fällt in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes und hat mit dem Bundesrat nichts zu tun. Das haben Sie ganz alleine gemacht und auch ganz alleine zu verantworten. Sie wollten zusätzliche Einnahmen in Höhe von 1 Milliarde Euro haben.

(Joachim Poß (SPD): Im Vermittlungsausschuss war das Gegenstand!)

Sie haben in diesem Jahr 400 Millionen Euro weniger. Der Saldo der Steuereinnahmen beträgt minus 1,4 Milliarden Euro. Das ist Ihre Politik und nicht die der Opposition.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Joachim Poß (SPD): Sie kennen die Fakten nicht! Das ist typisch!)

   Sie beklagen sich darüber, dass ein Drittel des Bundeshaushalts als Zuschuss in die gesetzliche Rentenversicherung geht. Wir haben Ihnen gesagt, dass diese Politik falsch ist. Sie haben das ökologisch-soziale Steuerreform genannt. Das war das große Projekt der rot-grünen Koalition zu Beginn Ihrer Amtszeit.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist auch ein gutes Projekt!)

Sie haben gesagt, Sie wollten die Lohnnebenkosten senken und dies durch höhere Steuereinnahmen ausgleichen. Das haben Sie mit dem Siegel der Ökologie versehen. Das Ergebnis ist, dass der Bundeshaushalt durch die Verpflichtung, einen Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung zu geben, erdrosselt wird. Herr Müntefering, Sie hatten einen Vorgänger, der heute auf der Regierungsbank sitzt. Im Plenum sitzt Herr Schlauch, der auch einmal Fraktionsvorsitzender war. Diese beiden haben uns gesagt, dass der Rentenversicherungsbeitrag im Jahr 2004 bei 17 Prozent liegen werde. Ich habe das noch ganz gut in Erinnerung. Wir steuern jetzt wieder auf 20 Prozent zu.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo wären wir denn mit Ihnen?)

Sie beklagen sich über den Zuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung in Höhe von 80 Milliarden Euro, den Sie nicht mehr schultern können.

(Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo waren Sie denn?)

Meine Damen und Herren, Ihre Politik ist falsch und diese falsche Politik holt Sie heute ein. Sie können den Haushalt nicht mehr ausgleichen, weil Sie diese Fehler gemacht haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Merz, erlauben Sie eine Zusatzfrage des Kollegen Kuhn?

(Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Enkel von Norbert Blüm!)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Ja, bitte.

Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Merz, ich möchte zu zwei Punkten eine Zwischenfrage stellen. Erstens: Können Sie in Abrede stellen, dass die Art, wie der ehemalige Kanzler Kohl die Einheit finanziert hat, dazu beiträgt,

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

dass die Sozialversicherungsbeiträge um 4 Prozent höher liegen, als es bei einer anderen Finanzierung der Fall gewesen wäre?

(Beifall bei der SPD)

   Die zweite Frage lautet: Ist Ihnen bekannt, dass dadurch, dass wir die Einnahmen aus der Ökosteuer zur Senkung der Rentenversicherungsbeiträge verwenden, die Rentenversicherungsbeiträge um 1,7 Prozentpunkte niedriger sind, als sie ohne diese Maßnahme wären? Was schlagen Sie vor, um bei einer eventuellen Abschaffung der Ökosteuer die Senkung der Rentenversicherungsbeiträge um 1,7 Prozentpunkte aufrechtzuerhalten?

   Sie müssen schon konkret werden und dürfen nicht nur allgemein daherreden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Friedrich Merz (CDU/CSU):

Lieber Herr Kuhn, dass nun ausgerechnet aus Ihren Reihen Fragen zur deutschen Einheit kommen, erstaunt mich. Ich hatte eigentlich nicht vor, über das Thema 3. Oktober zu sprechen. Wir können das aber gerne nachholen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das hätte gerade jemand aus Ihren Reihen nicht fragen sollen. Sie haben sich zu Recht gegen das Thema gewehrt.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Können Sie mal die Frage beantworten?)

– Ja, ich beantworte die Frage. Ich sage etwas zur deutschen Einheit.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Zur Finanzierung!)

   Es sind sich heute alle Fachleute darüber einig – das können Sie in einer hochinteressanten Schriftenreihe der Berliner Humboldt-Universität nachlesen –

(Zuruf von der SPD: Die Frage ist immer noch nicht beantwortet!)

– ich beantworte die Frage zur deutschen Einheit und zu ihrer Finanzierung sehr konkret –, dass die Methodik der Finanzierung der deutschen Einheit, nämlich ein Drittel durch höhere Steuern – das haben Sie völlig vergessen; ich erinnere an die Erhöhung der Mineralölsteuer –, ein Drittel durch Erhöhung der Beiträge zu den Sozialversicherungssystemen und ein Drittel durch höhere Schulden, richtig war. Dieser Mix zur Finanzierung der deutschen Einheit war – auch aus der Rückschau betrachtet – der einzig richtige Weg zur Finanzierung der deutschen Einheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben Sie wohl geträumt, Herr Merz!)

   Sie machen uns jetzt Vorwürfe, die deutsche Einheit sei falsch finanziert worden.

(Lothar Mark (SPD): Aus der Portokasse!)

Herr Eichel, dass aus Ihren Reihen zu diesem Thema etwas kommt, wundert mich. Wir haben hier am 13. September 2000 – ich kann mich genau an das Datum erinnern – eine Diskussion über die Finanzierung der deutschen Einheit geführt. Ich bleibe bei dem, was ich damals gesagt habe. Die Diskussion über den 3. Oktober bestätigt nachdrücklich meine damalige Einschätzung.

(Lothar Mark (SPD): Das hat nichts mit der Frage zu tun!)

Sie haben mit diesem Thema nie etwas am Hut gehabt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Tatsache, dass Sie den 3. Oktober leichtfertig zur Disposition stellen, um auf diese Art und Weise Ihren Haushalt auszugleichen, sagt nicht nur etwas über den geistigen Zustand der Bundesregierung und dieser Koalition aus,

(Zuruf von der SPD: Er redet schon zehn Minuten und hat die Frage nicht beantwortet!)

sondern auch über den einiger Beteiligter.

Ich bleibe auch beim Thema Ökosteuer bei dem, was ich gesagt habe. Ich sage Ihnen aber noch etwas zur Ökosteuer. Was hätten Sie gesagt, wenn ich oder einer von uns Ihnen, als Sie dieses Projekt auf den Weg gebracht haben, vorausgesagt hätte, dass Sie im Jahre 2005 trotz Ökosteuer zusätzlich einen Kassenkredit brauchen, damit die Rentenversicherung zahlungsfähig bleibt? Das ist aber keine Vorhersage der Opposition, sondern die Rentenversicherungsträger haben gesagt, dass sie mit dem Geld nicht auskommen, weil die Reserven aufgebraucht sind, und dass sie neben dem Zuschuss von 80 Milliarden Euro einen Kassenkredit brauchen, damit die Zahlungsfähigkeit erhalten bleibt. Sie schütteln den Kopf, Herr Kuhn.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Was soll er auch sonst tun?)

Das wird stattfinden. Die Rentenversicherung wird in diesem Jahr zusätzliches Geld brauchen. Das beweist: Sie haben mit Ihrem Beitrag Schiffbruch erlitten. Vor Ihnen sitzt Herr Schlauch, der Vorgänger von Herrn Müntefering ist Herr Struck. Die beiden haben uns für das Jahr 2004 einen Beitragssatz zur Rentenversicherung von 17 Prozent vorausgesagt. Wir bewegen uns jetzt wieder auf 20 Prozent zu.

(Lothar Mark (SPD): 20 Prozent sind nachweisbar weniger als 22 Prozent!)

Sie sind mit der so genannten ökologisch-sozialen Steuerreform gescheitert. Es ist nicht ökologisch, es ist nicht sozial und es hat mit Steuerreform nichts zu tun. Es ist nur die Verschiebung von Problemen aus dem Rentenhaushalt in den Bundeshaushalt. Sie haben versucht, eine Lösung zu finden – das ist das Ergebnis.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Meine Damen und Herren, was trotz dieser Kassenlage bei dieser Bundesregierung noch alles möglich ist, können Sie an vielen Stellen im Bericht des Bundesrechnungshofes nachlesen.

(Franz Müntefering (SPD): Schwacher Abgang heute, Herr Merz! Sie waren schon mal besser! – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Viel Text, wenig Konkretes!)

Ich vermute, der Kollege Austermann wird an der einen oder anderen Stelle noch darauf zu sprechen kommen. Um deutlich zu machen, wofür Sie Geld haben, nenne ich ein Beispiel: Für das „Bundesprogramm Ökologischer Landbau“ wird viel Geld ausgegeben. Der Bundesrechnungshof schreibt dazu:

Das Bundesministerium sieht die Notwendigkeit, in einer reizüberfluteten Gesellschaft durch eine vorgeschaltete Sensibilisierungsphase breite Bevölkerungskreise für die Auseinandersetzung mit der Thematik des ökologischen Landbaus zu gewinnen.

Wenig später heißt es in dem Bericht; denn die Prüfer des Bundesrechnungshofes waren ja auch im Ministerium:

Aus dem Bundesprogramm werden Wettbewerbe und Bio-Erlebnistage finanziert. An einzelnen Veranstaltungen nehmen Vertreter der Leitungsebene des Ministeriums teil.

Meine Damen und Herren, wenn Sie für einen solchen Unfug Geld haben – in sieben Jahren stellen Sie für diesen Spaß über 100 Millionen Euro zur Verfügung –, dann hören Sie auf, der Opposition Vorwürfe zu machen, wir würden uns nicht am Subventionsabbau beteiligen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich weiß ja, dass Sie hier gleich wieder das Lied der Eigenheimzulage singen werden. Man kann über das Thema reden und man kann in der Tat auch nach Alternativen suchen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Entscheiden, nicht reden!)

– Ja, ganz konkret entscheiden. Frau Scheel, wir haben uns im letzten Jahr gemeinsam entschieden, die Eigenheimzulage in einem mehrjährigen Programm erheblich zu reduzieren und den Bestandserwerb mit dem Neubau gleichzustellen. Jetzt schlagen Sie trotz dieser Einigung die vollständige Abschaffung der Eigenheimzulage vor. Unterstellen wir einmal einen Augenblick, die Abschaffung der Eigenheimzulage würde tatsächlich beschlossen und ins Gesetzblatt kommen. Dadurch würden Sie, Herr Eichel, im Jahr 2005 in Ihrem Bundeshaushalt ganze 95 Millionen Euro sparen. Ich habe mir die Zahlen noch einmal angesehen; die tatsächlichen Zahlen sind noch viel eindrucksvoller als die Zahlen, die ich im Kopf hatte.

(Walter Schöler (SPD): Nennen Sie mal die Zahl für die nächsten Jahre! – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Über 7 Milliarden!)

– In den nächsten Jahren steigt die Zahl, nur reden wir jetzt über den Bundeshaushalt 2005.

   Damit die Relationen klar sind: Sie würden mit der Abschaffung der Eigenheimzulage so viel Geld sparen, wie Sie mit dieser rot-grünen Haushaltspolitik an jedem Tag neue Schulden machen. Sie würden einmal 95 Millionen Euro sparen. Diese Summe entspricht ziemlich genau dem Betrag, um den Sie an jedem Tag im nächsten Jahr, 365-mal hintereinander, die Schulden erhöhen. Bauen Sie hier bitte keinen Popanz auf! Fangen Sie nicht an, die Öffentlichkeit über das wahre Ausmaß der Probleme zu täuschen, und fangen Sie vor allen Dingen nicht schon wieder an, die Opposition dafür zu beschimpfen, dass Sie Ihren Haushalt nicht in den Griff bekommen. Das ist Ihr Problem und nicht unser Problem.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Ihnen der Bundesrechnungshof vorgerechnet hat, dass Ihnen wegen der fehlerhaften Besteuerung der Automatenaufsteller über 2 Milliarden Euro an Umsatzsteuererlösen drohen? Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Ihr Bundeskanzler mal eben im Vorbeigehen auf dem Deutschen Steinkohletag sagt, er wolle die Steinkohlesubventionen ab dem Jahr 2007 um ungefähr 50 Prozent pro Jahr erhöhen? Was sagen Sie eigentlich dazu, dass Sie für die Förderung der deutschen Steinkohle für den Zeitraum von 2006 bis 2012 16 Milliarden Euro zugesagt haben? Das alles ist doch nicht unsere Politik! Es sind vielmehr Ihre Probleme, die Sie selbst verursacht haben, und Ihre Zusagen, die Sie an anderer Stelle leichtfertig gegeben haben. Es ist Ihr Problem, dass dieser Haushalt völlig aus den Fugen gerät und hinten und vorne nicht mehr zusammenpasst.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich weiß wie jeder andere im Raum, dass wir die schweren strukturellen Verwerfungen des Haushaltes nicht alleine über die Fiskal- und Haushaltspolitik werden beheben können. Dazu gehört sicherlich mehr. Die Überwindung der Wachstums- und Beschäftigungskrise in Deutschland bedarf eines umfassenden Reformansatzes.

(Joachim Poß (SPD): Das ist aber eine sehr dünne Suppe, die ihr kocht!)

   Ich will Ihnen an einem konkreten Beispiel aufzeigen, wie auch Ihre wirtschaftspolitischen Vorstellungen ins Leere laufen, wenn Sie so weitermachen wie bisher. Alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages haben Anfang November – also erst vor kurzem – einen Brief des Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft bekommen. Bevor der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft einen Brief an alle Abgeordneten schreibt, muss schon relativ viel passieren. Wir bekommen so etwas nicht jede Woche oder jeden Monat.

(Walter Schöler (SPD): Das macht er mehrfach im Jahr, aber aus anderen Gründen!)

Der Präsident der Max-Planck-Gesellschaft fordert uns in einem dramatischen Appell auf, das von Ihnen vorgelegte Gentechnikgesetz zu korrigieren und dafür zu sorgen, dass insbesondere die Grüne Biotechnologie in Deutschland eine Zukunft hat.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Ja!)

   Im Frühjahr des Jahres 2000 wurde auf einem großen Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union in Lissabon, an dem auch der Bundeskanzler und andere Mitglieder der Bundesregierung teilgenommen haben, beschlossen, dass Europa zur am dynamischsten wachsenden Wirtschaftsregion der Welt werden soll. Dazu bedarf es neuer Technologien. Wenn Sie aber gleichzeitig aus immer mehr Bereichen aussteigen – das gilt für die friedliche Nutzung der Kernenergie ebenso wie für die Nutzung der Biotechnologie – und den Forschungsstandort Bundesrepublik Deutschland aufgeben,

(Joachim Poß (SPD): Wie man in so kurzer Zeit so viel Mist erzählen kann, ist unglaublich!)

dann dürfen Sie sich nicht darüber wundern, dass sich die strukturelle Wirtschafts- und Beschäftigungskrise in Deutschland immer weiter vertieft und dass Sie es nicht mehr schaffen, einen dadurch geprägten Bundeshaushalt auszugleichen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Das Problem besteht darin, dass Sie in der Wirtschafts- und Finanzpolitik kein konsistentes Konzept mehr haben und dass Sie, die Sozialdemokraten, viel zu häufig den Spielwiesen der Grünen nachgeben, dass Sie viel zu häufig aussteigen statt einzusteigen und dass Sie zwar kluge Reden über alle möglichen Innovationen halten, dass aber tatsächlich die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Wettbewerb von Jahr zu Jahr weiter zurückfällt.

(Joachim Poß (SPD): Sagen Sie noch ein Wort zu Horst Seehofer! Das ist doch jetzt fällig!)

Weil dies so ist und weil es nicht mehr zu verantworten ist, wie Sie insbesondere den nachfolgenden Generationen gegenüber vorgehen, werden wir nicht nur gegen den Nachtragshaushalt, sondern auch gegen den Bundeshaushalt 2004 das Verfassungsgericht anrufen. Ich habe etwas gezögert, dem zuzustimmen, weil ich nach wie vor der Meinung bin, dass die Politik nicht in Karlsruhe, sondern in Berlin gestaltet wird. Wenn man sich aber gegen Ihr Vorgehen nicht mehr anders wehren kann, dann muss man jedes Instrument nutzen, um diesen Weg in den Verschuldungsstaat zu stoppen und einen Beitrag dazu zu leisten, dass dieses Land aus der Krise herauskommt und dass Sie wieder zu einem Weg zurückkehren, der zu Wachstum, Beschäftigung und einem ausgeglichenen Haushalt führt. Aus eigener Kraft schaffen Sie das erkennbar nicht mehr.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU – Beifall bei der FDP – Joachim Poß (SPD): Dünne Suppe!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Bundesminister der Finanzen, Hans Eichel.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dies ist die Woche der Abschiede der stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden der CDU/CSU. Einen solchen Abschied haben wir eben wieder erlebt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Er will sich verabschieden! – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Wiedersehen!)

   Über die Arroganz will ich nicht reden, verehrter Herr Merz, aber ich habe Sie in Debatten schon – und zwar zu Recht – nachdenklicher erlebt als eben.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er haut drauf wie die außerparlamentarische Bewegung!)

Sie bzw. alle, die auf Ihrer Seite sitzen, eignen sich nicht als Chefankläger in Sachen Schulden machen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich will Ihnen das in aller Ruhe, aber mit aller Deutlichkeit vorhalten. Sie haben in den 16 Jahren, in denen Sie regiert haben

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

– ja sicher! –, neue Schulden in Höhe von 580 Milliarden Euro gemacht.

Das waren seit 1983 – hören Sie genau zu! –, als das Bruttoinlandsprodukt einen Bruchteil des heutigen ausmachte, 36 Milliarden Euro neue Schulden, die der Bund in Ihrer Regierungszeit pro Jahr gemacht hat. In den sechs Jahren, in denen wir regieren, haben wir insgesamt 130 Milliarden Euro neue Schulden – bei einem ganz anderen Niveau des Bruttoinlandsproduktes – gemacht. Das sind im Jahresdurchschnitt knapp 22 Milliarden Euro neue Schulden. 36 Milliarden Euro neue Schulden pro Jahr bei Ihnen, knapp 22 Milliarden Euro pro Jahr bei uns! Das ist die erste Feststellung.

(Beifall bei der SPD)

   Zweitens. Nach der Wiedervereinigung betrug die durchschnittliche Nettoneuverschuldung des Bundes in den Jahren von 1991 bis 1998 nach den Vorgaben des Maastricht-Vertrages im Schnitt 1,8 Prozent. In unserer Regierungszeit betrug sie – ohne Berücksichtigung der UMTS-Erlöse – 1,5 Prozent. Sie behaupten, ich machte höhere Schulden als Herr Waigel. Das wollen wir uns einmal genauer ansehen. 1996, als das Bruttoinlandsprodukt auf einem viel niedrigeren Niveau war – so viel ökonomischen Sachverstand haben Sie doch wohl, Herr Merz –, hat Herr Waigel 40 Milliarden Euro neue Schulden gemacht. Das waren 2,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Wenn das, was im Nachtragshaushalt 2004 festgelegt ist, eintritt, wird die Quote in diesem Jahr bei 2 Prozent liegen. In absoluten Zahlen wird das sicherlich – darüber müssen wir nicht reden – die höchste Nettoneuverschuldung in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland sein; das gefällt mir überhaupt nicht. Aber wir dürfen nicht vergessen – es hat überhaupt keinen Zweck, das außen vorzulassen; das sollten Sie ein für allemal zur Kenntnis nehmen; das sage ich überall mit Stolz –: Wir müssen aufgrund der deutschen Einheit etwas leisten, was niemand sonst leisten muss. Ich wüsste nicht, ob eine andere Wirtschaft in der Welt das so gut schultern könnte.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich werfe Ihnen die Fehler, die Sie im Zusammenhang mit der deutschen Einheit gemacht haben, nicht vor. Aber sie müssen deutlich gemacht werden. Um das mit aller Klarheit zu sagen: Es war nicht möglich, wie Sie das versprochen haben, die deutsche Einheit aus der westdeutschen Portokasse zu bezahlen und in kurzer Zeit blühende Landschaften in Ostdeutschland zu schaffen. Alles ist viel teurer geworden, als Sie es angenommen haben. Eine ganze Generation muss für die deutsche Einheit – ich sage ausdrücklich: für das Glück der Einheit – mehr arbeiten als alle anderen Generationen vorher und nachher. Das ist die schlichte Wahrheit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Natürlich wird die deutsche Einheit gefeiert. Aber wegen ihr muss in Deutschland auch mehr gearbeitet werden. Das ist mein Verständnis vom Bekenntnis zur Nation.

   In meine Regierungszeit fällt auch die niedrigste Nettoneuverschuldung nach der Wiedervereinigung. Im Jahre 2000 betrug sie 1,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Das waren 24 Milliarden Euro. Den größten Anteil hatte damals noch der Bund.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das wissen wir!)

– Sicherlich wissen Sie das. Aber das muss man immer wieder sagen, auch wenn Sie das nicht gerne hören.

   Ich möchte nicht nur darüber reden, wo der Bund steht. Herr Merz, ich habe wenig gegen das einzuwenden, was Sie gesagt haben. Ich habe das auf der Bundespressekonferenz ebenfalls gesagt. Auch ich halte die jetzige Entwicklung auf Dauer für nicht durchhaltbar. Aber ich möchte nun auf etwas zu sprechen kommen, was ich sehr spannend finde. In der Tat macht der Bund in diesem Jahr 43,5 Milliarden Euro neue Schulden. Das ist mir entschieden zu viel, auch wenn es – wenn man es ökonomisch betrachtet – nicht so viel ist wie bei Herrn Waigel. So ist der Sachverhalt. Ausweislich des Bundeshaushalts für das nächste Jahr, in den hohe Privatisierungserlöse eingestellt sind – anders ginge es nicht –, machen wir weniger Schulden, als wir Investitionen tätigen. Wer übrigens einen europäischen Vergleich anstellt, wird feststellen, dass in den drei Jahren der Stagnation die Defizitentwicklung in Deutschland wesentlich vorsichtiger verlaufen ist als in vielen Nachbarländern, die eine viel größere Abweichung von ihrer Ausgangsposition hatten. Während in den Jahren der Stagnation die Abweichung bei uns 2,6 Prozent betrug, lag beispielsweise der Wert in den Niederlanden, die immer so gelobt werden, bei 4,4 Prozent.

   Die jetzige Nettoneuverschuldung ist sicherlich außerordentlich unerfreulich. Darum will ich gar nicht herumreden. Aber, Herr Merz, vor dem Hintergrund der messbaren Ergebnisse der Politik, die Sie in 16 Jahren gemacht haben, nehme ich es nicht hin, dass Sie nun versuchen, mich anzuklagen. Sie sind auch völlig blind gegenüber dem, was Ihre Landesregierungen machen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Darf ich Sie auf Folgendes hinweisen: 2004 waren die Haushalte von Hessen, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein, Bremen, Berlin und Sachsen-Anhalt verfassungswidrig. Für 2005 legen die fünf Bundesländer Hessen, Niedersachsen und das Saarland – diese drei sind CDU-geführt – sowie Bremen und Berlin Haushalte vor, die höhere Schulden als Investitionen vorsehen. Das tue ich nicht.

   Sie reden über einzelne Maßnahmen wie Forderungsverkäufe. Solche Verkäufe machen mir keinen Spaß. Das bringt uns zwar jetzt Geld; es wird uns aber künftig etwas kosten. Darum will ich keinen Moment herumreden. Aber was passiert denn in Hessen? Obwohl Hessen mit seinem Haushalt mehr Schulden macht, als es Investitionen tätigt, werden die Liegenschaften von Ministerien veräußert, damit man heute Geld hat. Anschließend zahlt man Miete, in Wirklichkeit den doppelten Kapitalzins. Das ist Hessen unter Ihrer Führung!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Baden-Württemberg – es kann möglicherweise gerade eben noch einen Haushalt vorlegen, durch den weniger Schulden gemacht als Neuinvestitionen vorgenommen werden – hat die Zinsen aufgrund einer Einlage der Landesregierung bei der Landesbank mit Laufzeit bis 2017 vorzeitig vereinnahmt, was für den Doppelhaushalt 2005/2006 einen Mittelzufluss von 550 Millionen Euro bedeutet. Das geschah nur, damit man gerade noch unter der Verfassungsgrenze bleibt. Das ist das reiche BadenWürttemberg.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich sage das nicht, um den dortigen Kollegen – ich habe mit ihm ein gutes, sachliches Verhältnis, auch wenn wir nicht immer einer Meinung sind – jetzt zu beschimpfen; ich sage das nur, damit die gegenwärtige Finanzsituation in Deutschland einmal klar wird. Die ostdeutschen Länder – mit Ausnahme von Sachsen; das will ich ausdrücklich sagen – verwenden die Mittel, die sie für den Aufbau Ost bekommen, zum Teil zweckwidrig. Darüber haben wir im Finanzplanungsrat reden müssen. Das ist die Finanzsituation, mit der wir es in Deutschland zurzeit zu tun haben.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Herr Kollege Eichel, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Barthle?

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Gerne.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Herr Barthle.

(Zurufe von der SPD: Baden-Württemberg!)

Norbert Barthle (CDU/CSU):

Herr Bundesfinanzminister, Sie haben soeben das Beispiel BadenWürttemberg angesprochen. Können Sie mir zustimmen, dass ein großer qualitativer Unterschied zwischen dem, was das ebenfalls gebeutelte Land Baden-Württemberg anstellen muss, um seinen Haushalt über die Runden zu bringen – wir Baden-Württemberger leiden natürlich auch unter den Rahmenbedingungen, die bundesweit gelten –, und dem, was Sie tun, besteht? Stimmen Sie mir zu, dass ein Forderungsverkauf aufgrund einer Einlage, deren Zinsertrag höher als die Kosten ihrer Kapitalisierung ist – in einem absehbaren Zeitraum und bei abschmelzenden Beträgen –, qualitativ etwas ganz anderes ist als das, was Sie mit Ihrem Deal mit der Postbank machen, Stichwort Postmitarbeiterpensionen? Die Volumina in diesem Bereich wachsen nämlich an und damit kommen auf Sie in den kommenden Jahren wesentlich größere Belastungen zu. Stimmen Sie mir also zu, dass zwischen dem, was BadenWürttemberg macht, und dem, was Sie machen, ein großer qualitativer Unterschied besteht?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hans Eichel, Bundesminister der Finanzen:

Was Sie erklären, ist schlicht falsch. Die Forderungsveräußerung dort führt dazu, dass die Unternehmen Jahr für Jahr weniger zahlen. Im Fall Baden-Württemberg gilt dagegen: Aufgrund der Zinsen kann man Jahr für Jahr mit etwa den gleichen Einnahmen rechnen. In beiden Fällen handelt es sich um ein Vorziehen von Einnahmen aus der Zukunft auf die Gegenwart. Das unterscheidet sich nicht. Ich mache das mit den Postunterstützungskassen gar nicht schöner, sondern sage nur: Das ist exakt dasselbe, was Baden-Württemberg mit dem Vorziehen der Zinseinnahmen macht; das ist nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Doch!)

   Eine besonders schöne Veranstaltung findet in Bayern statt. Da steht in der Verfassung: 2006 ist ein ausgeglichener Haushalt vorzulegen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das steht nicht in der Verfassung!)

– Es steht noch nicht drin? Dann haben sie aber Glück gehabt. Das haben sie sich vorgenommen. – Wissen Sie, wie die das machen? Passen Sie auf, was da passiert! 2006 wird dort ein ausgeglichener Haushalt vorgeführt; der Ausgleich basiert aber auf Privatisierungserlösen und auf der Entnahme von Rücklagen,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ach, die haben noch Rücklagen! Wie hoch sind denn die Rücklagen des Bundes?)

die durch Kreditermächtigungen in der Größenordnung von 1,1 Milliarden Euro gebildet worden sind. Das heißt dann im Wahljahr 2006: Bayern hat einen ausgeglichenen Haushalt. Lassen Sie wenigstens diese Schönfärberei sein! Es macht doch keinen Sinn.

   Wir, der Bund, sind in einer äußerst schwierigen Finanzlage.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Bayern hilft Ihnen doch damit, Maastricht einzuhalten!)

Das bestreite ich nicht. Das habe ich öffentlich nie getan, auch im Haushaltsausschuss nicht. Ich komme auf die Gesetze, die ich Ihnen vorgeschlagen habe, um das Problem zu lösen, gleich noch zurück. Die Länder handeln inzwischen genauso wie wir. Über diesen Punkt werden wir zu reden haben.

   Was haben wir zur Haushaltskonsolidierung beigetragen? Zunächst einmal will ich festhalten – Herr Merz, Sie haben das nicht mehr gesagt –: Herr Austermann wird wieder kommen und behaupten, wir hätten auf der Ausgabenseite überhaupt nicht gespart.

Da braucht er nur im Gutachten des Sachverständigenrats nachzulesen; darin ist das ausdrücklich bestätigt.

   Ich will das nur mit ganz wenigen Zahlen deutlich machen. Der Haushalt 1998 hatte einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 12,1 Prozent. Der Haushalt 2005 hat einen Anteil am Bruttoinlandsprodukt von 11,5 Prozent. 1989 hatte der Bund 301 000 Beschäftigte; im Haushalt 2005 sind es 282 000. Wir haben heute im wiedervereinigten Deutschland beim Bund weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, als wir in der westdeutschen Bundesrepublik unter Ihrer Regierung hatten. Das ist Konsolidierungspolitik, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Finden Sie auch nur eine einzige Gebietskörperschaft in Deutschland, die in dieser Zeit die Personalkosten lediglich um 1,5 Prozent per annum – das ist nämlich die Ziffer für den Bund – hat steigen lassen! Bei allen ist das Komma um eine Stelle nach rechts verschoben. So ist der Sachverhalt!

   Wenn Sie sich einmal die Gesamtausgaben ansehen, dann stellen Sie fest, dass sie – das will ich ganz deutlich machen – von 1998 bis jetzt um etwas über 20 Milliarden Euro gestiegen sind. Sie sind weniger stark gestiegen als der Zuschuss zur Rentenversicherung – da haben Sie Recht, Herr Merz –; nur: Der Zuschuss zur Rentenversicherung ist finanziert. Er hat nicht zu unserem Defizit beigetragen. Sie mögen es nicht gutheißen, dass wir das über die Ökosteuer gemacht haben, aber Sie haben damals zum Mittel der Mehrwertsteuererhöhung gegriffen. Sie haben es nicht anders gepackt. Nur mit unserer Hilfe vor der Bundestagswahl 1998 ist verhindert worden, dass der Rentenversicherungsbeitrag auf über 21 Prozent gestiegen ist. Weil Sie nicht in der Lage waren, das Problem mit Ihren Mitteln zu lösen, brauchten Sie die Opposition und brauchten Sie vor allem die sozialdemokratisch regierten Länder. Wir haben es mitgemacht. Die Mehrwertsteuer wurde um einen Punkt erhöht, damit der Rentenversicherungsbeitrag nicht über 21 Prozent steigen musste. Das war der Sachverhalt.

   Um auf unsere Ausgaben zu sprechen zu kommen: Ja, es gibt ein Problem, und zwar am Arbeitsmarkt – darauf komme ich noch zurück –; darüber besteht überhaupt kein Streit. Das macht mir auch große Sorgen. Deswegen führen wir ja die Hartz-Reformen durch; Wolfgang Clement betreibt das sehr intensiv. Aber wenn Sie sich das genau ansehen, stellen Sie fest: Es bleibt übrig, dass von 1998 bis 2005 die Ausgaben von 160 Milliarden Euro auf 142 Milliarden zurückgehen, wobei die Ausgaben für Bildung und Forschung sogar steigen. Das ist nun wirklich richtige, beinharte Konsolidierung und das weiß auch jeder. Ich komme im Zusammenhang mit Ihren Haushaltsanträgen noch einmal darauf zurück. Was Sie behaupten, ist also wirklich Unsinn.

   Ich werde gleich zu den Bereichen kommen, in denen wir nicht so erfolgreich waren. Auf der Ausgabenseite waren wir erfolgreich. Wir waren es ebenfalls bei den Finanzhilfen. Da konnten wir das ja auch ohne Sie machen. Von 11,5 Milliarden Euro geht es auf 6 Milliarden Euro im nächsten Jahr herunter. Toll ist übrigens – darauf will ich bei der Gelegenheit nur hinweisen –, dass der Bundesrat im vergangenen Jahr gesagt hat: Wir nehmen auch die nicht zustimmungsbedürftigen Teile sozusagen in Haft bzw. lassen das ganze Vermittlungsverfahren scheitern, wenn in den Bereichen, in denen der Bund allein entscheiden kann, nämlich zum Beispiel in der Landwirtschaft, auch nur ein einziger Cent weggenommen wird. – Das ist Ihre Art, mit dem Thema Subventionsabbau umzugehen, meine Damen und Herren!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben in den letzten beiden Jahren mit dem Gesetz zum Abbau von Steuervergünstigungen und mit dem Haushaltsbegleitgesetz zum Haushalt 2004 einen Abbau von Subventionen im Steuerrecht in Höhe von insgesamt 26 Milliarden Euro vorgeschlagen. Den Bundesrat passiert haben nur Vorschläge mit einem Volumen von 8,5 Milliarden Euro. Das ergibt ein Loch von 17,5 Milliarden Euro. Dabei will ich gern einräumen, Herr Merz, dass sich das bei der Eigenheimzulage über die Jahre aufbaut. Das ist doch ganz klar, das haben wir auch ausgewiesen; das braucht überhaupt nicht Gegenstand der Debatte zu sein. Das ist nachhaltig: Jahr für Jahr fehlen 17,5 Milliarden Euro bei Bund, Ländern und Gemeinden. Das genau ist der Grund dafür, dass jetzt nicht nur der Bund in einer so schwierigen Situation ist, sondern auch die Länder in einer so schwierigen Situation sind. Die Länder haben sich – von Ihnen angeleitet – mit Fleiß selber in diese Situation hineingebracht.

   Das ist übrigens auch der Grund dafür, dass ich zur Lösung unserer Probleme keine Vorschläge mehr mache, bei deren Umsetzung ich auf den Bundesrat angewiesen bin. Ich will die Zusammenarbeit mit dem Bundesrat – das sage ich, damit wir uns da nicht missverstehen –, aber wenn man auf Ihre Mehrheit im Bundesrat angewiesen ist, ist man verraten und verkauft. Damit das ganz klar ist: Das lassen wir mit uns nicht machen!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Volker Kauder (CDU/CSU): Das ist absoluter Unsinn, Herr Minister!)

   Der Subventionsabbau als Baustein fehlt. Das sagt Ihnen übrigens jeder im Land. Sie erzählen gelegentlich – auch wenn das alles sehr leise geworden ist; insofern ist der Abschied ja konsequent, Herr Merz –, Sie bräuchten das für Ihre große Steuerreform. Das ist eine Geschichte, die Sie bei der gegenwärtigen Haushaltslage keinem Menschen erzählen können. Niemand kann mehr eine Steuerreform machen, bei der er auch nur auf einen einzigen Cent verzichtet.

Sie müssen Subventionen abbauen, um die Haushalte zu konsolidieren und um Geld für die Zukunftsaufgaben dieses Landes zur Verfügung zu haben. Allein dafür müssen Sie Subventionen abbauen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der FDP: Wozu benutzen Sie denn die Eigenheimzulage?)

Das ist übrigens auch bei den Ländern angekommen. Immerhin hat sich schon ein Land bei der Abstimmung über die Abschaffung der Eigenheimzulage der Stimme enthalten. Auch hier gibt es also keine ganz geschlossene Front mehr. Die Erklärung von Herrn Koch, man könne zwar nicht über die Eigenheimzulage an sich, aber über ihre Höhe reden, wenn man bei der Umsetzung der Koch/Steinbrück-Vorschläge weitermache, ist ja auch schon ein Anfang. Dabei muss ich gleich hinzufügen: Das, verehrter Herr Koch, ist viel zu wenig. Denn die Koch/Steinbrück-Vorschläge beliefen sich auf ein Volumen von ganzen 1,3 Milliarden für Bund, Länder und Gemeinden. Unser Problem ist aber ein ganz anderes – da haben Sie Recht – und das betrifft nicht nur uns hier, sondern auch die Länder. So dürfte zum Beispiel die Verfassungswidrigkeit des hessischen Haushaltes den Ministerpräsidenten zu einer anderen Einschätzung der Situation bewegen.

   Das Loch, das Sie durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat hervorgerufen haben, umfasst 17,5 Milliarden. Legen Sie diese Summe einmal auf die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden um. Wenn es dieses Loch nicht gäbe, sähe die Lage schon ganz anders aus. Dann brauchten wir auch nicht mehr über die Einhaltung der Maastricht-Kriterien reden. Diese hätten wir ohne dieses Loch schon längst erfüllt. So müssen wir eine Reihe zusätzlicher Anstrengungen unternehmen.

   Fazit: Es sind auf der Ausgabenseite alle Anstrengungen unternommen worden, die gemacht werden konnten. Es fehlen, weil der Bundesrat nicht mitgespielt hat, eine kongeniale Leistung beim Abbau von Steuersubventionen und – jawohl, auch das stimmt – ein entsprechendes Wachstum. Deswegen sind Steuereinnahmen nicht in der Höhe erzielt worden, wie wir sie erwartet hatten. Ihre Ausführungen dazu, verehrter Herr Merz, waren aber unter Ihrem Niveau. Denn intellektuell müsste es Ihnen klar sein.

(Joachim Poß (SPD): Da bin ich mir nicht sicher!)

Sie wissen doch ganz genau, wie sämtliche Prognosen lauteten, also nicht nur die der Bundesregierung;

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Auch die von allen Wirtschaftsforschungsinstituten!)

selbst die des Internationalen Währungsfonds als der höchsten Autorität bei internationalen Wachstumsprognosen sah dementsprechend aus. Ganz sachlich betrachtet ist die Situation auch sehr einfach: Immer dann, wenn eine wirtschaftliche Rezession festzustellen ist, fallen die Prognosen besser aus als das tatsächliche Ergebnis; das kann man historisch belegen. Wenn es aufwärts geht, verhält es sich umgekehrt. In den Jahren 1999 und 2000 sind unsere Prognosen vom tatsächlichen Wirtschaftswachstum übertroffen worden. Nächstes Jahr wird das möglicherweise auch wieder der Fall sein: Wir sind ja von 1,5 Prozent ausgegangen, während jetzt alle Prognosen sagen, dass es etwas höher ausfällt.

(Zurufe von der FDP)

Es könnte also das erste Mal seit Jahren sein, dass wir wieder erleben, dass das Wachstum stärker ausfällt als prognostiziert. Unsere Kernprobleme, meine Damen und Herren, sind also einerseits unzureichender Subventionsabbau – dem werden Sie sich nicht entziehen können – und andererseits die Wachstumsschwäche; da haben Sie Recht, Herr Merz.

   Ich will in diesem Zusammenhang jetzt gar nicht über die weltwirtschaftliche Lage und die Probleme, die sich daraus für alle ergeben, reden, sondern über die Herausforderungen, die wir meistern müssen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Endlich einmal!)

– Ich habe die ganze Zeit über unsere, vor allen Dingen über die von Ihnen hervorgerufenen Probleme geredet.

(Dr. Angela Merkel (CDU/CSU): Ja, genau! Sie sollten aber über Ihre reden!)

   Die eine Herausforderung ist die alternde Gesellschaft. Deswegen sind große Anpassungen in den Sozialsystemen nötig. Die andere besondere Herausforderung ergibt sich durch die Bewältigung der deutschen Einheit. Die Aufwendungen für die deutsche Einheit – da hat Herr Kuhn völlig Recht – stellen einen wesentlichen Grund für unsere Wachstumsschwäche dar. Die EU-Kommission hat das untersucht und kommt zu dem Ergebnis, dass dadurch das Wachstum um zwei Drittel niedriger ist. Also müssen wir alles daran setzen, mit dieser besonderen Herausforderung fertig zu werden, und besondere Anstrengungen unternehmen, um die Wachstumsschwäche zu überwinden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Deswegen machen wir eine Politik für Wachstum und Beschäftigung im Dreiklang von Strukturreformen, Haushaltskonsolidierung und Wachstumsimpulsen. Es ist ja nicht so, als ob wir damit nicht erfolgreich wären.

   Strukturreformen sind, wie wir alle wissen, anstrengend und in Bezug auf Wachstum und Vertrauen kurzfristig sogar eher kontraproduktiv, indem wir den Leuten Geld wegnehmen. Um dieses Faktum brauchen wir gar nicht herumzureden. Langfristig sind sie aber notwendig und mittel- und langfristig helfen sie auch.

   Nehmen wir einmal die Rentenreform: Es kann sein – das hängt von den Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt ab –, dass wir nächstes Jahr noch diesbezügliche Entscheidungen treffen müssen. Heute weiß ich das noch nicht. Im Moment sehe ich das noch nicht auf uns zukommen, aber es kann sein. Mit dem Nachhaltigkeitsfaktor haben wir aber – das baut sich ja Schritt um Schritt auf – das Finanzierungsvolumen um 20 Milliarden Euro, was 1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht, abgesenkt und damit die Arbeitgeber, die Arbeitnehmer und im Übrigen auch die Bundeskasse, die ja in dem Maße, wie die Beiträge steigen, ebenfalls in Anspruch genommen wird, entlastet.

   Auch die Reformen, die wir im Gesundheitssektor vorgenommen haben, zeigen doch Wirkung. Darum wird man allerdings immer wieder kämpfen müssen. Ein Swing von minus 2 Milliarden im ersten Halbjahr des vergangenen Jahres auf plus 2,5 Milliarden im ersten Halbjahr dieses Jahres im Gesundheitssystem, also um 4,5  Milliarden im Vergleich der ersten beiden Jahreshälften, zeigt doch, dass sie greifen.

(Zuruf des Abg. Dr. Andreas Pinkwart (FDP))

– Das war doch die ganze Zeit so, Herr Professor Pinkwart. Da greifen wir zum ersten Mal richtig hinein, wie Sie feststellen, wenn Sie auf die letzten Jahre zurückblicken. Sie sehen, dass es wirkt.

   Aber Sie müssen sich auch Folgendes klar machen. Ein wesentliches Thema, mit dem wir in der Zukunft zu tun haben werden und bei dem Sie immer viel zu sehr Klientelpolitik betreiben, lautet: Wie können wir im Gesundheitswesen für mehr Wettbewerb auf der Anbieterseite sorgen?

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein ganz entscheidendes Thema, bei dem Sie immer viel weniger akzeptiert haben, als Ulla Schmidt gewollt hat.

   Durch all diese Reformen in den Sozialsystemen ist es möglich, nachhaltiger zu finanzieren, ein neues Gleichgewicht von Solidarität, die den Kern ausmacht, und Eigenverantwortung herzustellen – ein Stück mehr Eigenverantwortung ist wichtig; andernfalls wird man die Solidarität nicht sichern können – sowie die Lohnnebenkosten zu stabilisieren bzw., mühselig genug, zu senken; in Ihrer Zeit sind sie immer nur gestiegen.

   Der größte Umbauprozess liegt auf dem Arbeitsmarkt vor uns. Er ist mit Risiken verbunden; darum darf man nicht herumreden. Aber es ist doch allen völlig klar, dass die beiden Systeme der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe nicht weiter nebeneinander bestehen konnten und dass die Zusammenführung ein anstrengender Prozess ist. Sie haben dabei eher Verschärfung gefordert; als es dann aber Widerstand gab, hat man erlebt, dass die einen in die Büsche verschwanden, während sich die anderen fast an die Spitze der Demonstranten stellten. So kann man mit Reformpolitik, die notwendig und auch schmerzhaft ist, nicht umgehen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Diese Reform hat aber auch Chancen, weil insbesondere die Vermittlungstätigkeit intensiviert wird und alle jungen Leute bis 25 Jahre ein Angebot bekommen. Das ist eine ganz neue Qualität. Deshalb kann und soll man diese Reform offensiv vertreten.

   Neben den Strukturreformen ist die Konsolidierung der zweite Schwerpunkt; ich habe es schon deutlich gemacht. Dritter Schwerpunkt: Wachstumsimpulse. Auch die letzte Stufe der Steuerreform wird gemacht. Ab dem 1. Januar nächsten Jahres wird der niedrigste Eingangssteuersatz gelten, den wir je hatten. In Ihrer Zeit waren es 25,9 Prozent, jetzt wird er auf 15 Prozent gesenkt. Der Spitzensteuersatz wird von 53 auf 42 Prozent gesenkt. Das Kindergeld wurde erhöht.

   Insgesamt führt die Steuerreform zu einer jährlichen Entlastung von rund 56 Milliarden Euro. Selbst wenn Sie die Ökosteuer gegenrechnen – obwohl man an dieser Verrechnung Zweifel methodischer Art haben kann, denn dadurch werden Beiträge ersetzt –, haben wir eine jährliche Entlastung um die 40 Milliarden Euro für die Bürger und die Unternehmen dieses Landes erreicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Für die Personenunternehmen haben wir die Gewerbesteuer als Kostenfaktor abgeschafft. Für die Körperschaften haben wir einen einheitlichen und wettbewerbsfähigen Steuersatz eingeführt.

   An die CDU/CSU gewandt möchte ich Folgendes sagen. Herr Merz, den Nachklapp bezüglich der Ausschüttungen hätte ich an Ihrer Stelle lieber nicht gebracht. Dass es überhaupt Ausschüttungen geben kann, hat mit dem System, das wir jetzt haben und das auf meinen Vorschlag hin eingeführt worden ist, überhaupt nichts zu tun. Die Ausschüttungen der Unternehmen, die der Körperschaftsteuer unterliegen, resultieren ausschließlich aus Ihrem alten Vollanrechnungsverfahren.

(Beifall bei der SPD – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Haben Sie denn die Rechtslage vorher nicht gekannt? So ein Schmarren!)

Das wird mit diesem System beendet. – Da müssen Sie nicht den Kopf schütteln; das ist, mit Verlaub, Herr Merz, steuerpolitisches Einmaleins. Wir haben eine Definitivbesteuerung. Die Unternehmen zahlen 25 Prozent und dabei bleibt es; da wird nichts gegengerechnet.

   In Ihrer Zeit wurden, was überhaupt nicht verständlich ist, die im Unternehmen verbleibenden Gewinne höher besteuert als ausgeschüttete Gewinne. Das war ein toller Beitrag zur Eigenkapitalbildung! Da wundern Sie sich, wenn die Unternehmen in schlechten Zeiten Ausschüttungen vornehmen, zum einen zur Kurspflege und Bilanzkosmetik, zum anderen weil sie dann vom Staat Geld zurückbekommen – nur weil Sie den Unsinn eingeführt haben, im Unternehmen verbleibende Gewinne höher zu besteuern als ausgeschüttete Gewinne.

   Ich bin heilfroh, dass wir das abgeschafft haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Denn das, was wir immer vorausgesagt haben, ist eingetreten: Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass das Vollanrechnungsverfahren europarechtswidrig war. In meinen Albträumen erlebe ich, dass wir bis zum Jahre 1977 Ihr System rückabwickeln müssen. Dann ist der Staatshaushalt pleite! Das ist der Sachverhalt, um den es wirklich geht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Blanker Unsinn!)

Im Übrigen weise ich darauf hin, dass Sie ganz gerne eine noch viel umfangreichere Steuerreform durchgeführt hätten.

   Meine Damen und Herren, das war unsere Antwort. Nun ist die Frage, wie die Rolle der Finanzpolitik konkret aussieht. In den Jahren 2001 bis 2003 – das gilt auch für das Jahr 2004 – mussten wir die automatischen Stabilisatoren im Abschwung wirken lassen.

Ich sage ausdrücklich, dass das noch für 2004 gilt. Diese Position wird vom Sachverständigenrat ausdrücklich gestützt, weil die Konjunktur nachweislich nur auf einem Bein steht und weil wir nichts tun dürfen, um die Binnennachfrage zu schwächen. Sie muss erst noch richtig in Gang kommen.

   Zu Ihrer Klage in Karlsruhe zum Haushalt 2004 sage ich Ihnen in aller Ruhe: Wir haben beim Haushalt 2004 gemäß Art. 115 des Grundgesetzes gehandelt, indem wir „zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts“ einen Wachstumsimpuls gesetzt haben. Zu diesem Zweck haben wir die Steuerreform vorgezogen. Sie haben dabei – wenn auch nur unzureichend – mitgemacht. Auch beim Subventionsabbau haben Sie nur unzureichend mitgemacht. Die Folgen werden wir dieses Jahr und die folgenden Jahre noch zu spüren bekommen.

   Sie haben die Beschlüsse zur vorgezogenen Steuerreform im Bundestag und im Bundesrat mitgetragen. Eine Reihe von Ländern hat daraufhin, genauso wie der Bund, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erklärt und ist entsprechend vorgegangen. Auch Sie waren an diesen Beschlüssen beteiligt. Klagen Sie ruhig in Karlsruhe gegen das, was Sie in diesem Hause mit beschlossen haben! Ich bin außerordentlich gespannt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Haben wir den Haushalt mit beschlossen? So ein Quatsch!)

– Nein, Sie haben nicht den Haushalt mit beschlossen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Na also!)

Aber Sie haben das teilweise Vorziehen der Steuerreform in genauer Kenntnis der Folgen mit beschlossen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Da waren noch ein paar andere Ursachen!)

Die Voraussetzung für das Vorziehen war, dass wir mehr Kredite aufnehmen, um eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abzuwehren.

   Ihre Bemerkung zu diesem Punkt war unter Ihrem intellektuellen Niveau, Herr Merz. Denn als wir im Jahre 2003 aus der Rezession heraus wollten, haben wir mit unserer Politik das Ziel erreicht, wirtschaftliches Wachstum zu bekommen, indem wir gemäß Art. 115 Grundgesetz gehandelt haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will noch ein paar wenige Bemerkungen zum Haushalt 2005 machen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ach ja! – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Endlich!)

– Ich habe die ganze Zeit über den Haushalt geredet, Herr Austermann.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Viel zu lange!)

Meine Ausführungen haben Ihnen nicht gefallen. Aber das ist völlig in Ordnung.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Eichels Märchenstunde!)

   Die Risiken, mit denen wir es zu tun haben, haben ein Volumen in Höhe von 8 Milliarden Euro. Diese setzen sich zusammen aus Mindereinnahmen in Höhe von 3,5 Milliarden Euro, im Wesentlichen bei der Tabaksteuer und der Mineralölsteuer, zusätzlichen Zuschüssen in Höhe von 3 Milliarden Euro für den Arbeitsmarkt und einem niedrigeren Bundesbankgewinn. Die Prämissen bei der Aufstellung des Haushaltes waren für mich deshalb völlig klar:

   Erstens. Wir wollen weniger neue Schulden als Investitionen. Der Art. 115 des Grundgesetzes wird genau eingehalten. Wir setzen alles daran – wir werden es auch schaffen –, im nächsten Jahr unter die 3-Prozent-Grenze zu kommen. Ich empfehle, nachzulesen, was der Sachverständigenrat zu unseren entsprechenden Maßnahmen sagt.

   Zweitens. Der Haushalt muss konjunkturverträglich sein. Damit sind Steuererhöhungen ausgeschlossen. Auch dazu hat der Sachverständigenrat eine eindeutige Haltung.

   Drittens. Die Maßnahmen müssen unabhängig von der Zustimmung des Bundesrates sein.

   Das sind die Bedingungen, die bei der Aufstellung des Haushaltes zu beachten sind. Deshalb sind wir zu der Lösung gekommen, die Sie kennen: Forderungsveräußerungen bei der Postunterstützungskasse bringen 5,5 Milliarden Euro. Die globale Minderausgabe wird um 1 Milliarde Euro aufgestockt und auf die Häuser umgelegt. Einnahmen aus Privatisierungserlösen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die in diesem Jahr nicht benötigt werden, weil die Steuereinnahmen besser fließen als veranschlagt, werden für das nächste Jahr eingestellt.

   Sie können nachlesen, wie der Sachverständigenrat diese Maßnahmen beurteilt. Der Sachverständigenrat ist der Meinung, dass angesichts der Blockade im Bundesrat die Bundesregierung zu einmalig wirkenden Maßnahmen greifen muss. Diese sind im Übrigen konjunkturverträglich.

   Um es ganz klar zu sagen: Dieser Haushalt ist nicht das, was ich mir vorgestellt habe. Aber es ist das, was angesichts der Tatsache, wie sich der Bundesrat unter Ihrer strategischen Anleitung verhält, möglich ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wohin das in der Vergangenheit geführt hat, haben Sie selber sehen können.

   Dass Sie nichts zu bieten haben, haben die Haushaltsberatungen gezeigt.

(Beifall des Abg. Joachim Poß (SPD))

Der Vorschlag von Herrn Stoiber – das habe ich gleich am Anfang gesagt – kommt nie wieder auf den Tisch. Er wollte eine Kürzung von 5 Prozent über alles, auch bei den Zinsausgaben.

(Franz Müntefering (SPD): Ja!)

Dass Sie die Zinsausgaben kürzen wollen, halte ich für ein starkes Stück.

(Zuruf des Abg. Jürgen Koppelin (FDP))

– Ich komme noch darauf zurück, Herr Koppelin. Ich kann nicht auf jeden einzelnen Antrag eingehen. – Sie wollen die Zinsausgaben kürzen, obwohl Sie die ganze Zeit von uns verlangen – da haben Sie Recht –, wir sollen die Ausgaben abhängig vom Bedarf veranschlagen. Die Finanzagentur sagt mir, dass die Wahrscheinlichkeit 85 Prozent beträgt, dass die von Ihnen veranschlagten Zinsausgaben nicht reichen werden.

Trotzdem nennen Sie das einen Einsparvorschlag. Das macht doch überhaupt keinen Sinn.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist typisch für die FDP!)

   Von den Kürzungsvorschlägen der CDU/CSU in Höhe von insgesamt 8 Milliarden Euro sollen 4 Milliarden Euro zulasten der Arbeitslosenhilfe, der Zuschüsse an die Bundesagentur für Arbeit und der Steinkohle gehen. Bei der Steinkohle wickeln wir den Vertrag ab, den Sie geschlossen haben. Den haben wir im Übrigen sogar noch ein bisschen ausgerungen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

So sieht die Situation im Jahre 2005 aus.

   Im Hinblick auf die Steinkohle will ich auch gleich klar machen: Die Subventionen verlaufen weiter degressiv.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das ist doch falsch! Sie legen doch drauf!)

Die Absprache lautet, dass von jetzt 28 Millionen Tonnen im Jahre 2012 noch 16 Millionen Tonnen gefördert werden.

(Zuruf des Abg. Friedrich Merz (CDU/CSU))

– Ja natürlich werden noch Subventionen benötigt.

(Friedrich Merz (CDU/CSU): Die gehen doch hoch!)

– Die gehen doch nicht hoch, sondern runter. – Der Abbau erfolgt so, dass keine betriebsbedingten Kündigungen ausgesprochen werden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wenn Sie mehr wollen, müssen Sie das sagen. Dazu sage ich als Finanzminister: Betriebsbedingte Kündigungen will ich nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Bei der Arbeitslosenhilfe nehmen Sie eine klare Unterveranschlagung vor. Das hätte zur Folge, dass wir hinterher eine überplanmäßige Ausgabe in den Haushalt einstellen müssten. Das dürften wir nicht, weil wir vorher von der Unterveranschlagung gewusst haben. Sie nehmen einfach Kürzungen vor und treiben damit den Haushalt in die Rechtswidrigkeit.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ist er schon! – Otto Fricke (FDP): Herr Eichel, das wussten Sie dieses Jahr auch!)

Mit solchen Positionen können Sie in Karlsruhe wunderbar klagen!

   Die flexibilisierten Ausgaben – das muss ich noch vortragen – sollen nach Meinung der FDP um 12 Prozent und der CDU/CSU um 10 Prozent gekürzt werden. Sie meinen immer, die Bürger kennen sich nicht aus und denken, das alles müsse doch funktionieren. Wissen Sie, was das heißt? Das bedeutet, dass die Mittel für den Wehretat um 700 Millionen Euro gekürzt werden müssen. Ihre Sprecher haben mir vorgeworfen, dass ich den Etat um 248 Millionen Euro kürze. Sie aber verstecken Ihre Kürzungen hinter der Überschrift „Kürzung der flexibilisierten Ausgaben“ und wollen die Mittel um 700 Millionen Euro kürzen. Das müssen Sie erklären!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die Mittel für die innere Sicherheit wollen Sie um 260 Millionen Euro kürzen. Wissen Sie, was das heißt? Das bedeutet, dass 5 200 Stellen wegfallen. Das geht übrigens überhaupt nicht; das ist gar nicht zu machen. Soll jetzt der Kollege Innenminister beim BGS 5 200 Leute abbauen? Ist das Ihre Priorität in der inneren Sicherheit? Das ist jedenfalls Inhalt Ihres Änderungsantrages zum Haushaltsgesetz. Das sollten Sie sich einmal vor Augen führen.

   Eine Kleinigkeit am Rande – denn Sie wollen ja nach Karlsruhe gehen –: Ein Senat würde dort komplett gestrichen.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Klage abgelehnt! Keine Leute!)

Da müssen Sie dann lange warten.

   Ein Zitat des Sachverständigenrates:

Angesichts dieser Dilemmasituation – der Abbau von Steuervergünstigungen ist nur mit Zustimmung des Bundesrates möglich, die jedoch in vielen Bereichen nicht absehbar ist; Steuersatzerhöhungen sollten in der gegenwärtigen Situation vermieden werden – werden von der Bundesregierung ungewöhnliche Maßnahmen in Erwägung gezogen,
(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): „Ungewöhnlich“ ist sehr zutreffend!)
um einerseits die Kreditaufnahme zu reduzieren, aber andererseits die konjunkturelle Erholung nicht zu ersticken.

Dann werden die Maßnahmen im Einzelnen aufgezählt.

   Das ist die Situation. Deswegen sage ich ganz zum Schluss und in aller Ruhe: Wir haben alle Strukturreformen, die wir auf den Weg bringen konnten, auf den Weg gebracht.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Falsch!)

Das ist die langfristige Konsolidierung. Wir haben alle Haushaltskonsolidierungen, die wir machen konnten, auf den Weg gebracht,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Auch falsch!)

soweit wir diese allein beschließen konnten. Wir haben mit einem neuen Innovationsschub dafür gesorgt, dass wir wirklich vorankommen.

   Ich will heute gar nicht besonders über die Eigenheimzulage sprechen. Sie müssen den Menschen erklären, warum Sie mit der größten Subvention, die wir im Steuerrecht haben, weiterhin Mittel in einen Markt fließen lassen wollen, der übersättigt ist. Sehen Sie sich die PISA-Studie an! Wer will verantworten, dass nicht genug Geld da ist, um unsere Kinder richtig unterrichten zu können?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Mit Ihrer Blockadepolitik bringen Sie nicht nur den Bund in eine schwierige Lage. Wir kommen da heraus – da gibt es kein Herumreden –, auch wenn es schwierig ist. Aber Sie haben auch die von Ihnen regierten Länder haushaltsmäßig vor die Wand gefahren. Frau Merkel, können Sie es denn verantworten, dass Sie von Ihren Ministerpräsidenten erwarten, dass sie ihre Länderhaushalte vor die Wand fahren, damit Ihre Strategie aufgeht? Das kann doch nicht der richtige Weg sein.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das wird nicht gut gehen; das sage ich Ihnen.

   Wir sind auf dem richtigen Wege.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Unsinn!)

Wir gehen mit Strukturreformen und einer Innovationsoffensive voran. Herr Merz, es war ganz falsch, dass Sie gesagt haben, wir würden Jahr für Jahr weniger Erfolge im Ausland haben. Der Sachverständigenrat stellt seinen Report unter die Überschrift „Erfolge im Ausland – Herausforderungen im Inland“. Wir werden doch überall in der Welt für unsere Erfolge beneidet.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Volker Kauder (CDU/CSU): Da muss sogar der Bundeskanzler lachen!)

– Am Wochenende – Sie hätten sich ja informieren können – waren die Finanzminister und Notenbankpräsidenten der 20 wirtschaftlich bedeutendsten Länder dieser Erde,

(Volker Kauder (CDU/CSU): Da kann man nur sagen: Herr, wirf Hirn rein!)

die über 93 Prozent des Bruttosozialprodukts der Welt erwirtschaften, hier versammelt. Es gibt zurzeit keine Wirtschaft, die im Weltmaßstab wettbewerbsfähiger ist als unsere. Das ist der schlichte Sachverhalt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben ein Nachfrageproblem im Inland. Ich kann es ja nicht ändern,

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Sie können es sowieso nicht ändern!)

wenn Sie noch nicht einmal zur Kenntnis nehmen, dass 80 Millionen Deutsche einen größeren Anteil am Welthandel haben als 280 Millionen Amerikaner, als 130 Millionen Japaner, als – das wird nicht immer so bleiben – 1,3 Milliarden Chinesen. Das ist nun wirklich eine absolute Spitzenleistung.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Deswegen:Hören Sie auf – Vertreter der Wirtschaft tun das auch nicht mehr; lesen Sie einmal, was Herr Ackermann dazu gesagt hat –, dieses Land kleinzureden. Wir sind ein starkes Land. Wenn dann auch noch die Blockade im Bundesrat verschwindet, können wir auch bei den Finanzen zu einer besseren Lage kommen.

   Dazu fordere ich Sie auf.

(Anhaltender Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Professor Andreas Pinkwart von der FDP-Fraktion.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ein sehr guter Mann!)

Dr. Andreas Pinkwart (FDP):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Bundesfinanzminister! Wenn Sie hier abschließend ausgeführt haben, dass sich die deutsche Wirtschaft im Weltmaßstab behauptet, dann sage ich: Das ist nicht darauf zurückzuführen, dass Sie eine angemessene Politik machen, sondern es ist darauf zurückzuführen, dass es in diesem Land fleißige Menschen und Unternehmer gibt, die sich trotz der widrigen Rahmenbedingungen jeden Tag neu anstrengen, sodass sich dieses Land im Wettbewerb noch behaupten kann.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   In diesem Jahr steigt die Neuverschuldung auf eine Rekordhöhe von 43,5 Milliarden Euro. Im Haushalt 2005 klafft eine Lücke zwischen laufenden Ausgaben und laufenden Einnahmen in Höhe von 45 Milliarden Euro. Hierzu kann man mit den Worten des Präsidenten des Bundesrechnungshofes nur feststellen: Das verschlägt einem den Atem.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Trotz eines angenommenen Wachstums von 1,8 Prozent in diesem Jahr treibt Deutschland unter Rot-Grün von Rekordverschuldung zu Rekordverschuldung, von Verfassungsbruch zu Verfassungsbruch.

(Jürgen Koppelin (FDP): So ist es!)

Statt auf die Mahnung des Bundesrechnungshofes zu hören und konkrete Sparvorschläge hier in die Debatte einzubringen, suchen Sie den Ausweg in immer windigeren Finanztricks. Gleichzeitig kritisieren Sie den Überbringer der schlechten Nachricht, nur weil er als Sozialdemokrat in aller Deutlichkeit nichts anderes gesagt hat als die Wahrheit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Um Ihre von Haushalt zu Haushalt wachsenden Probleme dann irgendwie noch mit nationalem und internationalem Recht in Einklang zu bringen, Herr Eichel, behelligen Sie Parlament und Öffentlichkeit Woche für Woche mit immer neuen Finanztricks, mit denen Sie Ihre Löcher stopfen wollen. Wenn die Situation nicht so bitter ernst wäre, könnte man auch sagen: Sie, Herr Eichel, befinden sich auf einer ständigen Entdeckungsreise und avancieren zu einer Art Kolumbus der Haushalts- und Finanzpolitik.

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie einen Etat aufstellen, wissen Sie nicht, wo es hingehen soll. Wenn Sie den Haushalt vollziehen, wissen Sie nicht, wo er sich gerade befindet. Wenn Sie den Abschluss vorlegen, wissen Sie nicht, warum es ganz anders gekommen ist, als Sie es den Menschen vorher versprochen haben. Sie tun dies alles auf Kosten der Steuerzahler.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Statt die Probleme des Bundeshaushalts konsequent anzugehen, versuchen Sie – das haben Sie heute Morgen erneut in Ihrer langen Rede sehr eindrucksvoll vorgeführt –, den Finger auf die anderen, vorzugsweise auf die Länder, zu richten, Stichwort: Subventionsabbau. Dies, Herr Eichel, ist aber nur dann glaubwürdig, wenn Sie auch konsequent dort, wo Sie allein zuständig sind, in Bezug auf den Abbau der Finanzhilfen tätig werden.

   Sie bewegen sich in Wahrheit aber in einem Widerspruch. Auf der einen Seite sagen Sie, das sei in dem Umfang nicht möglich, weil Sie die natürlichen Stabilisatoren wirken lassen wollen. Auf der anderen Seite fordern Sie aber weitere Kürzungen von steuerlichen Subventionen ein und rufen den Bundesrat auf, Ihnen an dieser Stelle entgegenzukommen. Gleichzeitig tun Sie in Sonntagsreden, aber auch heute Morgen so, als hätten Sie mit Ihrer Steuerreform die größte Entlastung aller Zeiten durchgesetzt. Da Sie den Bürgern jedoch auf kaltem Wege das wieder wegnehmen wollen, was Sie ihnen vorher versprochen haben, begehen Sie nichts anderes als plumpe Wählertäuschung, Herr Eichel.

   An dieser Wählertäuschung will sich selbst Ihr Ministerpräsident Steinbrück in Nordrhein-Westfalen offensichtlich nicht beteiligen. Er erklärte mit Blick auf die von Ihnen eingeforderte Kürzung von Steuervergünstigungen vor wenigen Tagen in einem Interview – ich zitiere –: „Vor dem Hintergrund der Zumutungen bin ich nicht bereit, an die Sonn-, Feiertags- und Nachtzuschläge heranzugehen.“

   Damit wird deutlich, Herr Eichel: Eine radikale Steuervereinfachung, die auch der Sachverständigenrat und die Forschungsinstitute dringend für Deutschland einfordern, wird es nicht geben, indem man einfach nur die Steuerzahler zusätzlich belastet. Sie wird nur möglich sein, wenn man auch bereit ist, die Tarife weiter zu senken.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wer das nicht will, sondern so vorgeht wie Sie, Herr Eichel, betreibt die gleiche Politik wie Frau Simonis, die zum Stopfen der Haushaltslöcher die Mehrwertsteuer erhöhen will. Der betreibt die gleiche Politik wie Herr Bütikofer, der die Erbschaftsteuer erhöhen will. Der betreibt die gleiche Politik wie Frau Roth von den Grünen, die angesichts von fast 5 Millionen Arbeitslosen im Winter den grandiosen Vorschlag vorgetragen hat, arbeits- und energieintensive Betriebe jetzt mit zusätzlichen Steuern belasten zu wollen.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Unglaublich!)

   Wohin diese Steuererhöhungspolitik führt, sehen wir an den beiden heute zu beratenden Haushaltsplänen. Höhere Mineralöl- und Tabaksteuern führen eben nicht zu zusätzlichen Steuereinnahmen und zu mehr Wachstum, sondern bewirken genau das Gegenteil.

   Nun möchte ich zwei Bemerkungen zu Ihrer besonderen Ausgabendisziplin machen, Herr Eichel. Sie weisen zum einen darauf hin – auch die Kollegin Hajduk hat das in einer Pressekonferenz getan –, dass die Ausgaben des Haushalts im Vergleich zu 1998 bislang noch nicht so stark angestiegen seien. Sie verheimlichen der deutschen Öffentlichkeit aber, dass Ihnen das beim Haushalt 2005 nur durch einen Finanztrick gelungen ist. Denn nur durch ein Tauschgeschäft bezüglich der Pensionsverpflichtungen von Post und Telekom gelingt es Ihnen, die Ausgaben des Haushalts für dieses und das folgende Jahr um 5,45 Milliarden Euro zu senken, um die Ausgaben des Bundes nach der Bundestagswahl, ab 2007, mit Zins und Tilgung um 7 Milliarden Euro pro Jahr zu erhöhen. Nur mit diesem Finanztrick können Sie Ihre Ausgabenentwicklung schönen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): 3 Milliarden Euro Verschwendung!)

   Bei den Etatberatungen geht es natürlich auch um die persönliche Glaubwürdigkeit im eigenen Ressort.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Welche Glaubwürdigkeit?)

Bei der Betrachtung Ihres Haushalts fällt auf, dass die Ausgaben für die Öffentlichkeitsarbeit gerade in Ihrem Ressort im Vergleich zu den Ausgaben der Vorgängerregierung um sage und schreibe 100 Prozent gestiegen sind. Natürlich ist klar, dass sich eine schlechte Politik nur schwer verkaufen lässt.

(Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Wo sitzen die Freunde?)

– Die Freunde sitzen hoffentlich auch bei Ihnen unter den kritischen Haushältern. – Umgekehrt gilt aber auch: Selbst durch eine noch so teure Werbung wird eine schlechte Politik nicht besser. Herr Eichel, betreiben Sie Ihre Politik ordentlich, dann können Sie auch bei der Öffentlichkeitsarbeit Kosten sparen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Angesichts der Rekordneuverschuldung, die ein historisches Ausmaß erreicht hat, sage ich ein Wort zu den Grünen: Der Haushalt 2005 und der Nachtragshaushalt 2004 sind aus meiner Sicht Dokumente, die belegen, dass Sie sich von Ihrer ehemaligen Leitidee der Nachhaltigkeit längst verabschiedet haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das Einzige, was im Haushalt zumindest noch das Label „Nachhaltigkeit“ trägt, ist ein Projekt von Frau Künast: Sie will im kommenden Jahr Steuergelder in Höhe von mehr als 1 Million Euro für einen bundesweiten „Aktionstag Nachhaltiges Waschen“ ausgeben.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Schmutzige Wäsche waschen!)

So weit ist es mit der Nachhaltigkeitspolitik der Grünen gekommen. Der Haushalt 2005 und der Nachtragshaushalt 2004 belegen: Der Marsch der Grünen durch die Institutionen endet im Schuldenstaat.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir werden uns an dieser verantwortungslosen Politik nicht beteiligen. Deshalb lehnen wir den Haushalt 2005 ab. Aus unserer Sicht muss alles getan werden, um die Finanzen endlich wieder auf eine tragfähige Grundlage zu stellen. Hierzu setzen wir auf die Doppelstrategie des Konsolidierens und des Reformierens. Zur Konsolidierung des Haushalts 2005 haben wir das „Liberale Sparbuch“ erarbeitet. Darin sind 400 konkrete Sparvorschläge mit einem Einsparvolumen von insgesamt 12,5 Milliarden Euro enthalten, durch deren Umsetzung der Bundeshaushalt auf eine verfassungsgemäße und solide Grundlage gestellt werden kann.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Ein Senat weg beim Bundesverfassungsgericht!)

   Darüber hinaus liegen Ihnen vielfältige Anträge und Initiativen zur Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Lage in Deutschland vor, die wir in den Bundestag eingebracht haben.

   Mit der Doppelstrategie des Konsolidierens auf der einen Seite und des Reformierens in den Bereichen Steuern, Sozialversicherung und Arbeitsmarkt auf der anderen Seite wird es gelingen, Deutschland wieder auf einen Wachstumspfad zu führen, der dringend erforderlich ist, um die strukturellen Probleme unseres Landes, die auch durch Ihre Politik verursacht worden sind, zu lösen.

(Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben doch 27 Jahre Regierungsmitverantwortung getragen und nichts getan! – Gegenruf des Abg. Jürgen Koppelin (FDP): Ach, Frau Scheel! Nicht immer dasselbe!)

– Frau Scheel, Sie und Ihre Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss haben es noch nicht einmal fertig gebracht, Kürzungsvorschlägen zu einzelnen Sachausgaben in Höhe von 1 000 Euro, die auch in unserem „Liberalen Sparbuch“ enthalten sind, zuzustimmen. Hier war Ihre Sparbereitschaft gleich null. Das ist Ihre Sparpolitik.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Als Begründung für den Nachtragshaushalt 2004 führen Sie zum vierten Mal in Folge eine schwere Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts an.

(Zuruf von der SPD)

– Herr Kollege, Sie sollten an dieser Stelle lieber zuhören, denn Sie wollen diesen Nachtragshaushalt ja beschließen. – Hierzu ist Folgendes festzustellen:

   Erstens ist es angesichts eines Wachstums von 1,8 Prozent mehr als fraglich, ob überhaupt eine gravierende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts vorliegt.

   Zweitens enthält der Nachtragshaushalt 2004, der erst jetzt, kurz vor Jahresende, von Ihnen vorgelegt wird und seine Wirkung erst nach seiner Verabschiedung entfalten kann, keinerlei Maßnahmen, um eine etwaige gravierende Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts tatsächlich wirksam abwenden zu können.

   Daher sind wir im Einklang mit den relevanten Institutionen wie der Deutschen Bundesbank und dem Sachverständigenrat der Auffassung, dass das Ziel, in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Lage unseres Landes mehr Wachstum und Beschäftigung zu schaffen, nicht durch mehr Schulden, sondern nur durch eine mutige und konsequente Konsolidierung sowie die entsprechenden Reformen zur Stärkung unseres Standortes erreicht werden kann.

(Beifall bei der FDP – Dr. Peter Danckert (SPD): Machen Sie doch auch mal einen Vorschlag!)

   Vor diesem Hintergrund liegt nach unserer festen Überzeugung ein klarer Verstoß gegen Art. 115 des Grundgesetzes vor,

(Jürgen Koppelin (FDP): Leider wahr!)

da die Neuverschuldung im Nachtragshaushalt annähernd doppelt so hoch ist wie die Investitionsausgaben. Zudem haben Sie im Haushalt 2004 bewusst falsche Zahlen angeführt.

(Jürgen Koppelin (FDP): Auch das ist leider wahr!)

Hier liegt ein eindeutiger Verstoß gegen die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit sowie der Vorherigkeit vor.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

Es handelt sich dabei um eine schwerwiegende Verletzung des Grundgesetzes, gegen die wir Parlamentarier uns nur noch schützen können, indem wir gegen das Haushaltsgesetz 2004 und den Nachtragshaushalt 2005 vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ziehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Christine Scheel (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Mir kommen die Tränen!)

   Dieser Schritt fällt uns nicht leicht. Angesichts des fortgesetzten und aus unserer Sicht organisierten Verfassungsbruchs durch diese Regierung ist dies allerdings unsere einzige Möglichkeit, sozusagen unser letztes Mittel, um weiteren Schaden von unserem Land abzuwenden.

   Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt die Kollegin Anja Hajduk vom Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Opposition, insbesondere die CDU/CSU, zeigt in dieser Debatte, dass sie nicht fähig ist, mit den sehr schwierigen Realitäten umzugehen.

(Zurufe von der CDU/CSU: Aber Sie! – Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Durch Wiederholung wird es auch nicht richtig!)

Sie haben hier einen Antrag vorgelegt – und Herr Merz hat sich einigermaßen Zeit genommen, ihn zu begründen –, in dem Sie Gründe aufführen, den Investitionsbegriff einzugrenzen. Sie beantragen, die Erlöse aus den Vermögensverwertungen von den Investitionen abzuziehen. Wenn wir das auf diesen Haushalt anwenden würden, dann kämen wir in der Tat zu einem Investitionsvolumen im einstelligen Milliarden-Euro-Bereich. Sie könnten sagen: Das ist ein Beleg dafür, wie schlecht das Verhältnis zwischen Investitionen und notwendigen Privatisierungen ist. So weit gehe ich ja noch mit. Aber wenn Sie diesen Antrag in der schwierigen Haushaltslage, in der wir sind, ernst meinen, dann ergreifen Sie eine Bundesratsinitiative! Ich sage Ihnen: Ihre Länderchefs werden die Initiative wegfegen wie den Bierdeckel von Herrn Merz. Was Sie hier bieten, ist lächerlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich will noch einmal auf den Haushalt 2005 und seine Bedingungen eingehen. Herr Pinkwart, Sie haben gerade gesagt, wir würden bei der Ausgabenanalyse nicht redlich vorgehen, insbesondere weil wir jetzt noch eine Absenkung von den 258 Milliarden Euro auf 254 Milliarden Euro vorgenommen haben.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): 5,5 Milliarden Euro!)

Lassen wir diesen Zeitpunkt einmal beiseite. Betrachten wir den Zeitraum von 1999 bis 2004. Dort gab es nur eine moderate Ausgabenerhöhung, in den letzten Jahren sogar eine Absenkung. Wenn wir dann noch die Zahlen um die durch den zusätzlichen Rentenzuschuss von 29 Milliarden Euro im Jahr 2003 und die durch die Anrechnung von Kindererziehungszeiten – etwas, bei dem Sie uns, wie ich glaube, nicht widersprechen – entstandenen Kosten von rund 29 Milliarden Euro bereinigen, sinken die Ausgaben vom Jahr 1999 bis zum Jahr 2004 von 224 Milliarden Euro auf 218 Milliarden Euro; dabei haben wir über die Inflation noch gar nicht gesprochen. Ich sage das, um deutlich zu machen: Wir sind, was die Ausgabenseite angeht – das können Sie angesichts dieser Tatsachen nicht leugnen –, sehr sparsam und restriktiv in den Etats.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Nein!)

Wir haben schon bei der Aufstellung dieses Haushaltes 3,3 Milliarden Euro zusätzlich eingespart, weitere 2,2 Milliarden kamen während der Beratungen hinzu; das sind insgesamt über 5 Milliarden Euro. Wir kündigen ferner an: Auch im öffentlichen Dienst wird weiter gespart werden.

   Ich will Ihnen noch etwas vor Augen führen: Betrachten wir den öffentlichen Haushalt einmal hinsichtlich des Rentenzuschusses. Der Rentenzuschuss ist von 1992 bis 2003 von 31 Milliarden Euro auf 77 Milliarden Euro gestiegen. Er ist also um 150 Prozent gestiegen! Die Ausgaben sind von 1992 bis 2003 nur um 18 Prozent gestiegen: von 218 Milliarden Euro auf 257 Milliarden Euro. Die Steuereinnahmen hingegen sind in dieser Zeit nur um 7 Prozent gestiegen: von 180 Milliarden Euro auf 192 Milliarden Euro.

   Wenn Sie wirklich nachhaltig sein wollen – Sie haben uns Grünen ja gerade vorgeworfen, wir ließen uns nicht von dem Prinzip der Nachhaltigkeit leiten, was ich deutlich zurückweise –,

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): So ist es!)

dann versuchen Sie einmal, auf lange Sicht zu sehen.

Wenn Sie auf lange Sicht schauen, dann sehen Sie, wie wichtig es ist, die Finanzierung der Alterssicherungssysteme ehrlich abzusichern. Ich sage Ihnen hier auch ganz deutlich: Es ist Augenwischerei und billige Polemik, wenn die CDU klagt, dass die Renten im nächsten Jahr nicht steigen. Dass wir den Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt und den Menschen Opfer abverlangt haben, das war richtig und ehrlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Sie machen es sich zu einfach!)

   Wir müssen die Ausgabenentwicklung bei den Renten ernst nehmen und restriktiv damit umgehen. Ich will gerne zugeben, dass wir mit dem jetzigen Haushalt nicht unbedingt glücklich und zufrieden sind und dass die Privatisierungserlöse von 17 Milliarden Euro so hoch sind, um der Verfassung zu entsprechen. Das wird nicht geleugnet. Es ist keine nachhaltige Perspektive,

(Beifall des Abg. Dietrich Austermann (CDU/CSU))

wenn man Privatisierungen in diesem Umfang benötigt. Deswegen wird die Lösung des Haushaltsproblems in Strukturreformen liegen. Darauf komme ich noch zurück.

   Ich möchte Ihren Blick aber auch auf die Einnahmeseite lenken. Die Entwicklung der Steuereinnahmen in den letzten sechs Jahren ist von Stagnation gekennzeichnet. Das ist ein Problem. Ich möchte Ihnen vortragen, was der Finanzsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, Peiner, CDU, bei der Einbringung des Doppelhaushalts 2005/2006 gesagt hat:

Die Steuerquote ist mit 20,3 % auf einem historisch niedrigen Stand angekommen. In Europa wird Deutschland dabei nur noch von der Slowakei unterboten! Dauerhaft benötigt der Staat aber Steuereinnahmen von etwa 22 – 23 % am Bruttoinlandsprodukt, um die Bereitstellung der notwendigen öffentlichen Güter finanzieren zu können.
(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Was folgern Sie denn jetzt daraus? Was ist die Schlussfolgerung daraus?)

– Die Schlussfolgerung daraus ist, dass man sich bei Steuerreformen nicht im Utopismus ergehen sollte. Das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Dann müssen Sie Ihr eigenes Steuerkonzept zurücknehmen!)

Wir sind bereit, auch Tarife zu senken, und handeln seit einigen Jahren entsprechend. Sie haben das nicht geschafft.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Sie haben das im Bundesrat doch abgelehnt!)

Während Sie regiert haben, lag der Spitzensteuersatz bei über 50 Prozent. Jetzt regieren wir und wir haben den Eingangs- und den Spitzensteuersatz gesenkt. In der Opposition sagen Sie nun, Sie würden den Spitzensteuersatz noch doller senken. Das ist doch wirklich nicht seriös.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wenn Sie schon den Grünen und der SPD nicht trauen, dann sollten Sie zumindest die Mahnungen des Sachverständigenrats und des Chefs der Deutschen Bundesbank ernst nehmen, die sie uns vorgetragen haben. Ich habe sie so verstanden: Streiten Sie sich ruhig um eine bestimmte Tarifhöhe und darum, wie tief man den Spitzensteuersatz angeblich senken muss, zum Beispiel um das eigene Profil zu wahren. Um jetzt Steuern zu senken und das Steuersystem zu vereinfachen, gibt es, so die Experten in ihrem Rat an uns, die Möglichkeit – und eigentlich die Verpflichtung – eines wirklichen Steuersubventionsabbaus. Jetzt ist dafür der richtige Zeitpunkt. Herr Eichel hat zu Recht gesagt, dass man Ihnen den Vorwurf nicht ersparen kann, dass durch die von Ihnen verursachte Blockade beim Steuersubventionsabbau eine Lücke von über 17 Milliarden Euro für die öffentlichen Haushalte geblieben ist. Jetzt ist der richtige Zeitpunkt für den Steuersubventionsabbau. Wir können das Einkommensteuersystem letztlich leider nur mit Ihrer Hilfe vereinfachen.

   Aufgrund dieser Blockadelücke und trotz Ihrer schlichten Polemik – linke Tasche, rechte Tasche und all diese Dinge – möchte ich Ihnen eines noch einmal erklären, Herr Pinkwart.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Wir sind schlicht! – (Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

– Sie sind schlicht? Hoffentlich sind Sie nicht auch schlecht. – Sie müssen Mut zum Subventionsabbau haben, weil das Voraussetzung dafür ist, dass das Steuersystem einfacher wird.

(Dr. Guido Westerwelle (FDP): Erklären Sie es für mich bitte ein bisschen einfacher!)

Dabei sind für bestimmte Gruppen keine Ausnahmen möglich bzw. gerecht.

   Ich will Ihnen auch noch einmal deutlich machen, dass ich es wirklich billig finde und zurückweise, mit welchem moralischen Anspruch Herr Merz hier aufgetreten ist und uns vorgeworfen hat, wir machten das alles auf Kosten unserer Kinder.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Sprechen Sie mal mit Herrn Steinbrück! – Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das ist so!)

Dabei haben Sie es zu verantworten, dass wir in den öffentlichen Haushalten seit zwei Jahren eine Blockadelücke von über 17 Milliarden Euro zu verkraften haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Es ist wirklich billig, sich hier so aufzustellen, zumal Herr Merz in Ihrer Fraktion vehement für einen ähnlichen Subventionsabbau gekämpft hat.

Von daher ist das heute vielleicht wirklich ein Abschied von richtigen Ideen. Aus diesem Grunde betrachte ich die Tatsache, dass er seine Verantwortung abgegeben hat, mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

   Ich will auf Ihre Alternativen eingehen. Wenn wir bei der Berechnung des Bundeshaushaltes die Blockadelücke von 17 Milliarden Euro berücksichtigen, dann wäre – so könnte man sagen – für den Bund möglicherweise ein hoher einstelliger Milliardenbetrag von mindestens 8 Milliarden Euro herausgekommen. Das ist ungefähr die Lücke – ich glaube, es waren 7,5 Milliarden Euro –, die die CDU/CSU mit ihren Anträgen stopfen will.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Netto!)

Auf das dicke Sparbuch der FDP komme ich gleich noch. Zuerst aber zur CDU/CSU: Sie will etwa 8 Milliarden Euro einsparen, indem 2,5 Milliarden Euro im Bereich des Arbeitsmarktes, also bei der Arbeitslosenhilfe und der Bundesagentur für Arbeit, gestrichen werden sollen.

(Otto Fricke (FDP): Aber nicht 2,5 Milliarden Euro!)

Der Hauptvorwurf an die rot-grüne Regierung ist: Ihr unterveranschlagt den Arbeitsmarktbereich. Das ist alles unseriös. Wir zerren euch vor das Bundesverfassungsgericht. – Auch Herr Pinkwart hat gerade gefordert, die Kosten für den Arbeitsmarkt zu senken, und das dicke Sparbuch vorgezeigt. Mit seinen Vorschlägen sollen 850 Millionen Euro eingespart werden. 1 Milliarde Euro soll im Gesundheitsbereich gestrichen werden, was sich dann allerdings bei den Beitragssätzen negativ auswirken würde. – Das ist doch lächerlich und widersprüchlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wenn wir zu den Kürzungen von 2,5 Milliarden Euro im Arbeitsmarktbereich noch die Subventionen für die Kohle hinzurechnen – diese können Sie aber nicht einfach auf null setzen –, wenn dazu noch die hochriskante und verantwortungslose Absenkung der Zinsen kommt – auch das haben Sie vorgeschlagen –, dann bleiben von Ihrem 7,5-Milliarden-Euro-Sparpaket nur noch 1,5 Milliarden Euro übrig. Die Kürzungen von 6 Milliarden Euro, die Sie vorgeschlagen haben, sind also unseriös, und das nach Wochen der Beratung. Die restlichen 1,5 Milliarden Euro sollen – darauf hat Herr Eichel hingewiesen – global über die flexibilisierten Mittel eingetrieben werden. Herr Struck soll mit 700 Millionen Euro weniger auskommen und der Innenminister soll durch den Abbau von einigen Tausend Arbeitsplätzen den restlichen Sparbetrag aufbringen. – Das ist unglaubwürdig und reine Oppositionsrhetorik, die aber richtig schwach ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Wo sind denn Ihre Vorschläge? Was haben Sie denn vorgeschlagen? Sie haben doch nichts vorgeschlagen!)

   Sie werden auch keinen Erfolg mit Ihrer Klage vor dem Bundesverfassungsgericht haben. Herr Pinkwart, die schwerwiegenden Unterveranschlagungen in Ihrem dicken Buch machen Sie unglaubwürdig.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Sie haben noch nichts vorgeschlagen!)

Bestimmt sind einzelne Ihrer Anträge gar nicht so schlecht. Aber wir haben eigene Alternativen vorgelegt.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Wo denn?)

Wir haben – das habe ich schon vorhin deutlich gemacht – in diesem Haushalt mehrere Milliarden Euro eingespart.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Frau Kollegin Hajduk, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Koppelin?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Selbstverständlich.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Herr Koppelin.

Jürgen Koppelin (FDP):

Vielen Dank. – Ich möchte gerne ein konkretes Beispiel aus unseren Anträgen vorstellen.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es gibt bestimmt mehrere gute Vorschläge.

Jürgen Koppelin (FDP):

Es geht natürlich um ein Ministerium der Grünen. Übrigens hat mich gewundert, dass kein Bundesminister der Grünen auf der Regierungsbank gesessen hat, als Herr Eichel gesprochen hat. Aber darüber möge man sich in der Koalition unterhalten.

   Wir haben den Antrag gestellt, 20 Millionen Euro im Einzelplan 10 – das ist der von Frau Künast – zu streichen, weil der Bundesrechnungshof auf meine Veranlassung hin – das gebe ich gerne zu – festgestellt hat, dass im Titel „Ökologischer Landbau“ nur Mittel für Öffentlichkeitsarbeit stehen. Wenn dafür Mittel zur Verfügung gestellt werden sollen, dann gehören sie in den Titel Öffentlichkeitsarbeit. Unseren Vorschlag auf Streichung hat die Koalition aber abgelehnt.

   Sind Sie der Auffassung, dass Frau Künast in einem Jahr 20 Millionen Euro für Öffentlichkeitsarbeit braucht? Oder warum waren Sie nicht bereit, unseren Vorschlag auf Streichung zu unterstützen?

(Peter Rauen (CDU/CSU): Das ist eine sehr gute Frage!)

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Koppelin, es ist bekannt, dass wir die von Ihnen vorgenommene Interpretation nicht teilen.

(Beifall der Abg. Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) – Jürgen Koppelin (FDP): Aber der Bundesrechnungshof!)

Man kann sich natürlich darüber streiten, wie man mit dem ökologischen Landbau vorankommen will. Ihre Fraktion lehnt ihn aus ideologischen Gründen ab. Auch der Rechnungshof kritisiert uns; das ist seine Aufgabe. Aber wir werden dem Rechnungshof nicht in allen Punkten folgen. Das verantworte ich auch.

   Ich halte eine positive Weiterentwicklung des ökologischen Landbaus für wichtig. Sie sehen das anders. Mit diesen Positionen treten wir bei Wahlen an. Dann werden die Wähler entscheiden, ob sie in dieser Frage eher uns oder Ihnen zustimmen. Das ist ganz einfach.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Man muss das, was im Haushalt steht, verantworten. Dieser Haushalt enthält nicht nur Zahlen, sondern auch Ideen und Konzepte. Dabei unterscheiden wir uns; aber damit habe ich kein Problem.

   Ich möchte darauf zurückkommen, was wir mit diesem Haushalt machen und was unsere Perspektiven sind. Ich habe zum Beispiel mit Blick auf die Versorgungsausgaben darauf hingewiesen, dass wir Strukturreformen brauchen. Ich möchte noch einmal deutlich machen: Beim Thema Rente hat die Regierung wichtige Entscheidungen getroffen. Sie hat den Nachhaltigkeitsfaktor eingeführt. Trotz der Stagnation in den letzten drei Jahren mit einer inzwischen leichten Erholung haben wir es geschafft, den Rentenbeitragssatz stabil zu halten.

Wir haben durch unsere Rentenreform – um Ihnen, Herr Pinkwart, diese Frage zu beantworten – im Haushalt 2005 eine Entlastung in Höhe von 1,5 Milliarden Euro. Ich weiß, dass Sie von der Opposition bei der Begleitung dieser Reform eher ängstlich sind. Ich bedaure das. Ich möchte darauf hinweisen, dass wir uns unserer Verantwortung bewusst sind und die Reform mit Augenmaß vornehmen.

   Wir haben durch die Gesundheitsreform erreicht, dass sich die Einnahmen der Kassen in diesem Jahr wesentlich erhöht haben.

(Otto Fricke (FDP): Durch Steuersubventionen!)

Wir verbinden damit die Hoffnung, dass im nächsten Jahr die Beitragssätze gesenkt werden. Es ist ein gutes Zeichen, dass die Kassen ihre Schulden abbauen können. Wir hoffen, dass zusätzlich zum Schuldenabbau die Beitragssätze gesenkt werden können. Das ist ein wichtiger Punkt. Sie haben just beantragt, dass wir den Zuschuss aus dem Haushalt um 1 Milliarde Euro absenken. Ich glaube, das ist die falsche Botschaft für die Entwicklung des Beitragssatzes.

   Diese Regierung hat sich nicht gescheut, schwierige Reformen auf dem Arbeitsmarkt anzustoßen. Viele reden von Hartz IV und der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe. Diese Zusammenlegung entlastet den Bund nicht, aber sie entlastet sehr stark die Kommunen. Das haben wir gewollt. Sie wird den Bund erst mittelfristig entlasten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Die rot-grüne Regierung hat sich auch nicht gescheut, schwierige Reformen wie Hartz III zu beschließen, deren Früchte – ich rede jetzt von finanziellen Früchten – erst 2007 und 2008 geerntet werden, wenn in diesen Jahren 2,5 Milliarden Euro bzw. 4 Milliarden Euro auf dem Arbeitsmarkt eingespart werden. Das ist das Ergebnis, wenn man die Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf zwölf bzw. 18 Monate senkt. Das ist eine harte Maßnahme für diejenigen, die betroffen sind, aber wir haben uns nicht gescheut, mit Blick auf die langfristige Entwicklung auch der öffentlichen Haushalte solche Maßnahmen zu beschließen. Ich möchte darauf hinweisen, weil Sie immer nach der nachhaltigen Perspektive fragen. Wenn es konkret wird, dann wollen Sie von der Opposition – in diesem Sommer haben das Ihre Landtagswahlkämpfer leider deutlich gemacht – nicht dabei gewesen sein. Das muss man sich am Tage einer solchen Debatte ganz deutlich machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Wir setzen nicht nur auf die Reformen der sozialen Sicherungssysteme. Wir müssen auch im Bundeshaushalt eine bessere Perspektive entwickeln und schon heute die Kraft haben, neue Prioritäten zu setzen. Wir haben bei den Beratungen einen besonderen Akzent auf die Entwicklungszusammenarbeit und die humanitären Hilfen gelegt. Das wird bei den Einzelplanberatungen sicherlich noch thematisiert werden. Wir haben aber vor allem zum Programm erhoben, die Zukunftsfähigkeit unserer Gesellschaft nicht nur durch eine ökologische Modernisierung, sondern auch durch die Stärkung des Bildungsbereichs herzustellen.

   Die Ergebnisse der zweiten PISA-Studie sind jetzt veröffentlicht worden. Die Ergebnisse für Deutschland sind so schlecht wie vor einiger Zeit. Wir liegen im unteren Drittel, wir haben den höchsten Anteil an so genannten Risikoschülern und die soziale Stellung der Eltern bestimmt den Bildungserfolg der Kinder in keinem Land so stark wie in Deutschland. Angesichts dieser Tatsache ist es doch richtig, dass die Bundesregierung den Ländern unter die Arme greift, damit sie Ganztagsschulen schaffen, die bei diesem Hintergrund so wichtig sind.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wissen doch selber: Die Länder stemmen das nicht ganz allein. Wenn man eine solche Bildungsreform macht, dann ist es richtig, dass man die Reform gesamtstaatlich anpackt. Da geht es um Ganztagsschulen, um Kinderbetreuung und um bessere Forschungsfinanzierung. Diese Bundesregierung hat dafür erhebliche neue Mittel zur Verfügung gestellt. Diese Bundesregierung fordert Sie auf, in einem weiteren Schritt eine Subvention abzubauen, damit wir mehr Mittel zur Bildungsfinanzierung zur Verfügung haben.

   Was Sie sich leisten, ist geradezu sündhaft angesichts der Herausforderungen und Veränderungen, die wir im Bildungsbereich – das betrifft die gesellschaftlichen Chancen der jungen Generation – haben. Sie sagen einfach: Wir bleiben stur. – Es ist verwerflich, dass Sie stur bleiben, nur weil Sie glauben, das würde Ihre Chancen bei der Wahl im Jahr 2006 erhöhen. Das ist verantwortungslos gegenüber diesem Land und gegenüber den Menschen, die hier leben; das will ich Ihnen ganz deutlich sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Insofern hoffe ich, dass Sie oder zumindest Ihre Kollegen in den Ländern über diese Frage noch einmal nachdenken. Es geht nicht nur um Finanzen, sondern es geht auch darum, dass wir jetzt neue Prioritäten setzen.

   Herr Merz nörgelte am Anfang seiner Rede, Herr Clement habe angeblich im Kabinett eine Debatte um die Ausweitung des Investitionsbegriffs begonnen. Da ist mir ein kleiner Nachgeschmack geblieben; ich sagte das schon zu Beginn meiner Rede. Die Frage, ob Bildungsausgaben wichtige Investitionen für die Zukunft sind, sollten wir mit Ja beantworten. Ich habe den Eindruck, dass das bei Ihnen noch nicht richtig angekommen ist. Bei Ihnen haben Bildungsinvestitionen keine Konjunktur, sondern werden vernachlässigt.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das ist Verleumdung!)

Deshalb ist es wichtig, dass wir dieses Land regieren, auch über 2006 hinaus.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): So eine Drohung am Schluss!)

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Das Wort hat jetzt der Kollege Dietrich Austermann von der CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Frau Kollegin Hajduk, Sie haben Ihre Ausführungen mit der Beschreibung der Situation der Bildungspolitik in den einzelnen Bundesländern begonnen. Ich glaube, es ist völlig unbestreitbar, dass sowohl die erste PISA-Studie als auch die jetzige neue Studie ganz eindeutige Bildungsunterschiede in den einzelnen Bundesländern nachweisen und dass gerade die unionsgeführten Bundesländer besonders gut abschneiden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Bildungspolitik ist in erster Linie eine Sache der Länder.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die haben zu wenig Abiturienten!)

– Frau Sager, 50 Prozent Abiturienten in Hamburg sind nicht der Ausweis für besondere Tüchtigkeit und für besondere Qualität.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer regiert denn da?)

– Gott sei Dank Ole von Beust mit einer Unionsmehrheit. Deshalb, Frau Kollegin Sager, haben wir auch dort Erfahrung mit der Bildungspolitik.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben auch in Bayern zu wenig Abiturienten!)

Wenn man heute in Ländern fragt, was auf Landesebene am meisten über die Fähigkeit, eine Regierung zu führen, und über die Bereitschaft der Menschen, eine Regierung zu unterstützen, entscheidet, erhält man als Antwort: Es ist die Bildungspolitik. Das war unter anderem ein Grund dafür, dass Sie persönlich, Frau Sager, in Hamburg abgewählt worden sind.

(Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Deswegen werden die Geisteswissenschaften in Hamburg kaputt gespart!)

Ich möchte mit der Frage beginnen: Welche Wirkung haben der Nachtragshaushalt für 2004 und der Haushalt für 2005 mittel- und langfristig für unser Land? Wir haben uns in letzter Zeit oft über mögliche Einsparungen unterhalten. Herr Eichel, der ehemalige Finanzminister,

(Zuruf von der SPD: War das jetzt ein Gag?)

hat immer in die Vergangenheit geblickt und hat versucht, Durchschnittszahlen zu ermitteln. Ich vergleiche nun einmal zwischen einem Regierungszwerg und dem Oppositionsriesen Friedrich Merz hier am Pult. Durchschnittlich sind sie beide gleich groß,

(Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Gleich lang!)

aber in der inhaltlichen Aussage gab es schon einen wesentlichen Unterschied bei der Frage, wer wohl die richtige Politik vertritt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der ehemalige Finanzminister – –

Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Lang oder groß, das zeigt die Geschichte!)

– Ich sage es, damit Sie es wissen, Herr Brinkmann, weil ich der Meinung bin, dass man die Dinge nicht einfach gleiten lassen und gar nichts tun kann. Man kann nicht sagen: Ich gucke mir das alles einmal an, warte ab, wie es sich entwickelt, es kommt eine böse Konjunktur auf uns zu, auf einmal bricht das Wachstum weg und auch die Steuern hauen mir ab. Deswegen sage ich: Er ist eigentlich gar nicht mehr im Amt.

   Der ehemalige Finanzminister hat also gesagt – –

(Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Durch Wiederholen wird es nicht besser!)

– Ich sage es gern noch einmal: Der ehemalige Finanzminister hat gesagt, schuld daran seien das fehlende wirtschaftliche Wachstum und das Wegbrechen der Steuereinnahmen. Zunächst einmal muss man feststellen, dass wirtschaftliches Wachstum natürlich etwas zu tun hat mit politischer Aktion, mit konkreten Entscheidungen der Regierung. Die Rahmenbedingungen werden von der Regierung gesetzt.

   Ich will wiederholen, was Friedrich Merz vorhin gesagt hat. Durch die Körperschaftsteuerreform sind über Jahre hinweg, bei Bund und Ländern je zu 50 Prozent, etwa 23 Milliarden Euro pro Jahr weggefallen. Das sagt auch etwas über die Situation der Länder. Wenn man heute den Ländern vorwirft, sie machten zum Teil eine genauso schlechte Politik wie der Bund, dann muss man einfach sehen, dass der Bund sie mit seiner Steuerpolitik in den Strudel gerissen hat.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)

Ich erinnere an die Steuerbefreiung beim Verkauf von Beteiligungserlösen. Ich hätte nie gedacht, dass ein ehemaliger Bundesvorsitzender der Jungsozialisten eine Maßnahme durchsetzt, die zur Folge hat, dass Allianz, Deutsche Bank und viele andere 4 Milliarden Euro Beteiligungen verkaufen können, ohne 1 Cent Steuern zu zahlen. Dass sich das im Haushalt bemerkbar macht, dürfte sicherlich jeder nachvollziehen.

   Dass die Leute unter großem Druck in immer größerer Zahl in die Schwarzarbeit flüchten, hängt auch damit zusammen, dass sie die Steuerpolitik dieser Regierung für ungerecht halten. Sie entlohnt die Großen und belastet die Kleinen. Das ist eindeutig.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn die große Zahl der Schwarzarbeiter in Deutschland in regulären Arbeitsverhältnissen beschäftigt wäre, dann gäbe es 6 Millionen zusätzliche Arbeitsplätze. Erzählen Sie uns also nicht, dass die Regierung nichts für die Situation kann, in der sich unser Land befindet!

   Ich komme zu einem anderen Punkt. Offensichtlich ist genug Arbeit vorhanden. Das Beispiel Schwarzarbeit spricht dafür. Die Arbeit wandert aber ab. Dass Betriebe aus Deutschland weggehen, spricht dafür, dass sie zwar Arbeit haben, dass sie aber bei den gegenwärtig hohen Kosten in Deutschland, für die die Regierung verantwortlich ist, nicht zu leisten ist.

   Wenn Sie uns heute loben und feststellen, dass unser Land stark ist – das ist richtig, trotz dieser schwachen Regierung –, und auf den Export hinweisen, dann wissen wir alle, dass 40 Prozent der exportierten Güter im Ausland hergestellt werden. Das heißt, nur noch 60 Prozent kommen aus dem Inland. Insofern haben Sie auch diese Position im Export nicht zu vertreten.

   Die Regierung hat in wesentlichen Bereichen die Voraussetzung dafür geschaffen, dass das wirtschaftliche Wachstum nicht ausreicht. Das drückt sich in der Beschäftigung und bei den Steuerzahlern aus. Auch wenn die Steuerquote niedrig ist, so wird die Steuerlast für den Einzelnen immer höher, wenn die Zahl derer, die noch Steuern zahlen, immer kleiner wird. Die Zahl der Beschäftigten in Deutschland nimmt ständig ab, seit Sie an der Regierung sind. Die Zahl der Arbeitslosen nimmt immer weiter zu. 1997/1998 war das Gegenteil der Fall: Damals stieg die Zahl der Beschäftigten. Wenn man schon in die Vergangenheit zurückblickt, dann sollte man auch die richtigen Vergleiche anstellen.

   Insofern sind die Haushaltslage und die Beitragssituation bei der Rentenkasse bzw. bei der gesetzlichen Krankenversicherung nicht verwunderlich. Wenn weniger Menschen Arbeit haben, dann erzielen die gesetzliche Krankenversicherung und die Rentenversicherung weniger Einnahmen.

   Im nächsten Jahr werden wir vermutlich feststellen, dass die Situation hinsichtlich der Rente schwierig ist. Ich sage Ihnen dazu deutlich: In den nächsten fünf Jahren wird kein Rentner auch nur 1 Cent pro Jahr mehr bekommen. Sagen Sie den Rentnern die Wahrheit! Das hängt mit der derzeitigen Entwicklung zusammen. Sie haben auch im nächsten Jahr zusätzliche Belastungen zu tragen und deswegen wird es auch im nächsten Jahr keine zusätzlichen Impulse geben. Die Arbeitnehmer verdienen nicht mehr; es wird Nullrunden geben.

   Folgendes ist mit der rot-grünen Koalition gleichzusetzen: Arbeitsplatznot, Nullrunden, Bildungspleite, Kinderarmut, Rentenloch, Schuldenrekord, Kassenlüge und Haushaltslüge.

(Abg. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Bitte schön.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms:

Bitte schön, Frau Kollegin Hajduk. Sie haben das Wort zu einer Zwischenfrage.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Kollege Austermann, Sie haben gerade auf die Nullrunde der Rentner hingewiesen. Ich frage Sie: Halten Sie es für falsch, dass es im nächsten Jahr möglicherweise eine Nullrunde gibt, wenn die Beschäftigungssituation unverändert bleibt? Handelt es sich bei dieser Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors nicht um einen Punkt, den Sie mitvertreten wollen?

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Ich bin mir nicht sicher, ob die Nullrunde bei der Rente im nächsten Jahr eine Wirkung des Nachhaltigkeitsfaktors ist. Meines Erachtens ist die Nullrunde vor allem darauf zurückzuführen, dass Sie in den vergangenen Jahren das Wachstum in Deutschland ruiniert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Erstens hängt die Rentenerhöhung des nächsten Jahres damit zusammen, wie die Löhne im Vorjahr gestiegen sind, und zweitens bin ich mir ziemlich sicher, dass wir, wenn Sie 1999 nicht die Torheit begangen hätten, die von uns durchgeführten Reformen außer Kraft zu setzen,

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): So ist es!)

eine völlig andere Situation der sozialen Sicherungssysteme und der Staatseinnahmen hätten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Krista Sager (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schlimmer!)

   Das alles führt zu einer Lage, zu der eindeutig festgestellt werden muss: Deutschland befindet sich in einer dramatischen Haushalts-, Finanz- und Arbeitsmarktkrise. Die Lage war seit 1949 noch nie so schlecht.

Sie haben eine Reihe von Aktionen vor, mit denen Sie die Probleme zumindest für ein Jahr in den Griff bekommen wollen. Dabei handelt es sich um haushaltsrechtliche bzw. haushaltspolitische Eintagsfliegen. Sie wollen damit die Entwicklung in den Griff bekommen. Vielleicht gelingt das für ein Jahr. Ich glaube das aber nicht. Der von Ihnen vorgestellte Haushalt ist ein virtueller Haushalt. Er enthält erhebliche Risiken. Fraglich ist, ob Sie die Privatisierungserlöse tatsächlich erzielen und ob Sie die ERP-Mittel – das ist übrigens eine bemerkenswerte Situation, auf die ich noch eingehen werde – wie geplant bekommen. In diesem Zusammenhang haben auch die Amerikaner und der Bundesrat mitzureden. Fraglich ist auch, ob Sie bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau das Geld in vorgesehener Höhe abzocken können und ob die Steuereinnahmen Ihren Erwartungen entsprechend ausfallen. Ob Sie außerdem die im Haushalt vorgesehene globale Minderausgabe wie geplant umsetzen können, ist fraglich. Darauf möchte ich noch etwas näher eingehen, weil es unter anderem darum geht, wer mehr in der Bildungspolitik tut.

   Um den Bürgern das zu erklären: Der Begriff „globale Minderausgabe“ bedeutet, dass man im Haushalt einsparen will, dass man aber nicht sagt, wo. Meine Damen und Herren von der Regierungskoalition, Sie hatten ursprünglich eine globale Minderausgabe in Höhe von 1,5 Milliarden Euro im Haushalt eingeplant. Sie haben dann – das nennen Sie Sparmaßnahme – eine weitere globale Minderausgabe in Höhe von 1 Milliarde Euro vorgesehen.

   Sie haben die erste globale Minderausgabe mit der Wirkung heruntergebrochen – das lässt sich aber im Haushalt noch nicht ablesen –, dass der Verteidigungsminister rund 250 Millionen Euro, der Verkehrsminister etwa 250 Millionen Euro, die Bildungs- und Forschungsministerin 84 Millionen Euro und der Wirtschafts- und Sozialminister 65 Millionen Euro weniger bekommen. Überall wird also gekürzt. Damit war die Sache aber noch nicht erledigt. Sie brauchten eine weitere globale Minderausgabe, was dazu führt, dass der Verteidigungsminister erneut etwa 250 Millionen Euro und auch die Bildungs- und Forschungsministerin weniger bekommen.

   Herr Eichel, der mit der Bundeswehr noch nie etwas am Hut hatte, behauptet anschließend: Die böse Opposition möchte der Bundeswehr Geld wegnehmen. In Wirklichkeit möchte er der Bundeswehr 500 Millionen Euro wegnehmen. Ich möchte in diesem Zusammenhang einmal die Entwicklung von 2003 bis 2005 aufzeigen. Letztes Jahr standen für die Bundeswehr 24,4 Milliarden Euro zur Verfügung. In diesem Jahr sind es 24 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr werden es nur noch 23,6 Milliarden Euro sein. Dieser Betrag soll nun um weitere 250 Millionen Euro gekürzt werden. Wer meint es denn nun gut mit der Bundeswehr und wer nicht?

   Ich glaube, den Bürgern ist noch gar nicht völlig klar, was Sie angerichtet haben und was Sie dabei sind, anzurichten. In den Haushalt 2005 sind Einmalerlöse in Höhe von 44 Milliarden Euro eingestellt. Solche Erlöse wird 2006 nicht mehr geben; denn dann werden Sie das ganze Vermögen des Bundes verbrannt haben. Der Bund wird dann keine Aktienanteile an der Post oder der Telekom haben. Es wird also kein Vermögen mehr geben, das verscherbelt werden kann.

   Es gibt dann nur noch Auslandsforderungen in einem geringen Maße. Man muss sich das einmal vorstellen: Russland hat bei uns Schulden. In diesem Jahr hat man den Haushalt durch den Verkauf eines Teils der Forderungen an Russland – selbstverständlich mit einem entsprechenden Abschlag – noch ausgleichen können. Das ist natürlich dumm, weil es den Russen finanziell gut geht. Es wäre besser gewesen, wenn man Russland erlaubt hätte, seine Kredite abzulösen. So hätte man die Haushaltslöcher stopfen können. Aber tatsächlich hat man – wie gesagt: mit einem Abschlag – die Forderungen an Dritte verkauft. Der nächste Teil der Schulden ist im Frühjahr kommenden Jahres fällig. Danach gibt es von Russland nichts mehr zu holen. Sie haben aber eine Position im Haushalt, die deutlich macht, dass Sie jedes Jahr mit Rückflüssen aus den vergebenen Darlehen rechnen. – Nichtsdestotrotz haben Sie beispielsweise auf Forderungen in Höhe von 4,8 Milliarden Euro an den Irak verzichtet, obwohl dieses Land große Ölreserven hat. Wir haben es ja! Wenn wir 2006 die Regierung übernehmen werden, dann wird es keine regelmäßigen Rückflüsse geben, weil die Forderungen an das Ausland nicht mehr bestehen. Sie hinterlassen verbrannte Erde.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ich weise deshalb darauf hin, weil gerade die Grünen immer wieder von Nachhaltigkeit reden. Was Sie machen, sind eine nachhaltige Zerstörung von Bundesvermögen sowie eine nachhaltig schädliche Beeinflussung der Bundesfinanzen. Das müssen Sie gegenüber den Wählern verantworten.

   Vor kurzem habe ich in einer Rede gesagt: Die künftige Generation ist davon betroffen. Daraufhin hat mir ein 29-jähriger Mann aus Schleswig-Holstein wütend geschrieben: Wie kommen Sie eigentlich darauf, dass das, was die Bundesregierung macht, nur die nachfolgende Generation betrifft? Das betrifft auch mich. Selbst wenn ich bis zum 65. oder 67. Lebensjahr arbeite, muss ich Schulden des Bundes abstottern.

   Lassen Sie mich einmal verdeutlichen, was es bedeutet, 44 Milliarden Euro neue Schulden in einem Jahr zu machen. Diese Schulden müssen irgendwann getilgt werden und – wer ein Haus gebaut hat, weiß das – darauf müssen Zinsen gezahlt werden. Das macht insgesamt etwa 88 Milliarden Euro. Das entspricht in etwa elf Umsatzsteuerpunkten. Herr Eichel hat einmal gesagt: Die Schulden von heute sind die Steuern von morgen. Ich könnte mir für Herrn Eichel einen ganz schlimmen Albtraum – davon hat er vorhin gesprochen – vorstellen: Jemand liest ihm immer wieder seine Haushaltsrede vor, die er vor der Bundestagswahl 2002 gehalten hat.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Damals hat er gesagt, Schulden seien süßes Gift und die Opposition sei bereit, hemmungslos neue Schulden zu machen. Er macht nun genau das, was er den Bürgern vor der Bundestagswahl 2002 vorgelogen hat, nicht zu tun. Deswegen mussten wir den so genannten Lügenausschuss einsetzen. Mit nachhaltiger Finanz- und Haushaltspolitik hat das, was Sie machen, Herr Eichel, jedenfalls nichts zu tun.

   Lassen Sie mich noch einen Punkt aufgreifen, den ich für besonders frappant halte: Die Telekom, die Post und der Bund müssen für Postpensionäre, für deren Witwen und für andere Angehörige bis zum Jahre 2090 aufkommen. Es handelt sich dabei um einen Betrag von 550 Milliarden Euro; hinzu kommen Verpflichtungen von Telekom und Post in Höhe von 20 Milliarden Euro.

   Jetzt kommt Herr Eichel und sagt: Ich übernehme sofort auch die Forderungen, die an die Post und an die Telekom gestellt werden; ich zahle also auch die Pensionen der entsprechenden Personen; dafür geben sie mir einmal schnell Geld. Das ist so, als wenn man zu seinem Nachbarn geht, der, um sich ein Auto zu kaufen, einen Kredit in Höhe von 18 000 Euro aufgenommen hat, und zu ihm sagt: Ich kaufe dir den Kredit ab; du gibst mir jetzt 5 000 Euro und dann übernehme ich die Abzahlung deines Autos.

(Joachim Poß (SPD): Das ist das Gleiche wie bei der Finanzierung Ihrer Gesundheitsreform!

Dazu sagt der Nachbar natürlich: Das ist doch Klasse; dadurch habe ich sofort 13 000 Euro Schulden weniger, ich habe ein neues Auto und ich bin der König.

(Vorsitz: Präsident Wolfgang Thierse)

   Eichel macht die Deutschen zu den Dummen. Er sagt: Wir kaufen Schulden und löschen damit ein momentan bestehendes Feuer. Aber wenn es im nächsten Jahr brennt, dann ist nichts mehr da zum Löschen; denn dann haben Sie alles verramscht, verscherbelt, verschleudert.

   Die Grünen, die SPD und wir haben im Ausschuss heftig miteinander diskutiert. Ich freue mich darüber, dass das menschliche Klima okay war, auch wenn wir in der Sache völlig anderer Auffassung sind. Wir haben gesagt: Es muss eine andere Politik gemacht werden. Sie haben gesagt: Wir haben doch gespart. Ja, Sie haben gespart: Auf dem Papier waren es 4 Milliarden Euro. Wie haben Sie gespart? Sie haben dadurch gespart, dass im nächsten Jahr die Pensionsverpflichtungen aus Forderungsverkäufen bedient werden. Das ist interessant. Herr Müntefering, man erzählt, dadurch wird die entsprechende Ausgabeposition für das nächste Jahr verringert. Aber danach muss der Bund wieder zahlen. Das heißt, der Haushalt schnellt dann wieder in die Höhe.

   Außerdem wurde gesagt: Wir machen eine moderate Ausgabenpolitik. 1998 lagen die Ausgaben bei 233 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr werden 25 Milliarden mehr sein. Das hat mit einer moderaten Ausgabenpolitik nichts zu tun. Wir haben eine Reihe von Maßnahmen vorgeschlagen, um deutlich zu machen, dass gespart werden kann. In der Tat wird Geld verschleudert, und zwar jeden Tag aufs Neue von morgens bis abends.

   Ein konkretes Beispiel dafür ist die Fußballweltmeisterschaft 2006. Niemand ist dagegen; jeder freut sich, dass sie in Deutschland stattfindet. Da das Eröffnungsspiel in München stattfindet und da die „Festspiele“ natürlich vom bayerischen Ministerpräsidenten, Edmund Stoiber, und vom Bundespräsidenten, CDU, eröffnet werden, kam die Regierung auf den löblichen Gedanken, einen Tag vorher eine große Veranstaltung in Berlin durchzuführen. Sie hat André Heller beauftragt, ein Programm zu entwickeln, in dem ausschließlich ausländische Künstler zeigen sollen, dass Deutschland gut ist. Das Ganze kostet uns einmal eben 20 Millionen Euro; die Grenze ist dabei nach oben offen.

   Wir haben dagegen protestiert. Wir haben gefragt: Seid ihr denn verrückt?

(Zurufe von der SPD)

– Sie haben es bestätigt; das ist klar. – In keinem anderen Land der Welt gab es bisher am Tag vor dem Eröffnungsspiel ein Programm. Dann hat sich die Regierung entschlossen, mit der FIFA zu reden. Ergebnis: Jetzt macht die FIFA das. Daraufhin hat man diese 20 Millionen Euro im Haushalt gestrichen. Kurz vor Ende der Beratungen kam aber ein Posten mit 10 Millionen Euro für das nächste Jahr und mit 12 Millionen für das übernächste Jahr hinzu. Das Ganze nennt sich jetzt „Freundlichkeitskampagne“. Diese Kampagne soll mit einer Standortkampagne „1. FC Weltmeister 2006“ verbunden werden.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Zigarrenraucherclub!)

Wieso machen wir, wenn es nötig ist, keine Standortkampagne 2005? Wieso machen wir die Freundlichkeitskampagne genau drei Monate vor der Bundestagswahl 2006? Wessen Visage muss denn hier angestrichen werden?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich glaube, dass ziemlich deutlich ist, dass es hier um einen schamlosen Griff in die Bundeskasse, in die Kasse des Steuerzahlers – er muss das künftig über Steuern bezahlen – geht.

   Herr Präsident, ich glaube, der Kollege Barthle möchte eine Zwischenfrage stellen.

Präsident Wolfgang Thierse:

Aber er hat diesen Wunsch so unscheinbar angemeldet, dass ich das kaum wahrnehmen konnte.

   Bitte schön, Herr Kollege Barthle.

Norbert Barthle (CDU/CSU):

Herr Präsident, wenn Sie meinen, dass ich unscheinbar bin, dann mache ich mich bemerkbar.

   Herr Kollege Austermann, können Sie mir bestätigen, dass Herr Bundesminister Schily in den Haushaltsberatungen im Haushaltsausschuss auf unsere Fragen, wofür diese 22 Millionen Euro für die Freundlichkeitskampagne genau gedacht seien, keine konkreten Antworten gegeben hat, obwohl ein entsprechendes Treffen schon am 2. November, also zwei Wochen vorher, im Bundeskanzleramt stattgefunden hat? Dabei wurden offensichtlich konkrete Planungen, wie die Freundlichkeitskampagne kurz vor der Bundestagswahl inhaltlich gestaltet werden soll, an Wirtschaftsbosse weitergereicht. Stimmen Sie mir zu, dass das nicht ganz in Ordnung war?

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Ziemlich klar ist, dass die alle nicht so richtig wissen, was im Kanzleramt zur Vorbereitung der Wahl beschlossen worden ist. Dazu gehört das Ganze auch. Nachdem Herr Schily, der für den Sport zuständig ist, weg war, hat man eine Begründung nachgeschoben. Diese Begründung lautete, das Ganze stehe im vierten Fortschrittsbericht für die Freundlichkeitskampagne. Jetzt wissen wir ganz genau, worum es geht: Es geht um Wahlwerbung, um schamlose Wahlwerbung drei Monate vor der nächsten Bundestagswahl und um nichts anderes.

(Beifall bei der CDU/CSU – Joachim Poß (SPD): Und jetzt noch ein Wort zu Horst Seehofer und Friedrich Merz!)

   Sie können jeden einzelnen Etat durchgehen. Sie finden Posten, bei denen man sich fragt: Muss das eigentlich sein? Im Umweltministerium wird ein Projekt mit dem Titel „Islam und Umweltschutz am Beispiel des Wassers“ gefördert. Das führt der Islamrat durch. Er wird von Milli Görös unterstützt, einer Organisation, die vom Verfassungsschutz beobachtet wird. Außerdem wird zum Duftstoffeinsatz in Innenräumen geforscht. Es geht um die Stärkung nachhaltiger Reiseangebote oder um Projekte wie „Frauen für eine giftfreie Zukunft“ oder „Zukunftsfähig mit Papier“; ich werde Ihnen gleich ein Papier überreichen, nämlich unsere Anträge. Dass das alles mit Zukunft zu tun hat, kann man bei unseren Anträgen, aber nicht in den anderen Fällen erkennen.

   Es wird tagaus, tagein Geld für eine Fülle von Dingen verschleudert. Sie geben 700 Millionen Euro aus, um einen Wettbewerber im Mautverfahren einzukaufen, damit der nicht gegen den Betreiber und gegen das ganze Verfahren klagt. Wir sagen: Das Geld müssen wir nicht ausgeben. Wenn Sie sich schon davon abgewandt haben, dass öffentliche Aufträge grundsätzlich nur nach Ausschreibung vergeben werden, sollten Sie dies nicht auch noch durch den Einsatz von Steuermitteln sanktionieren.

   Ich sage jetzt etwas zum Thema Subventionen. Sie geben für die Kohle mehr Geld aus, als im Haushalt dafür vorgesehen ist. Der Kohlekompromiss reicht bis 2005, Förderung degressiv. Sie haben jetzt vorgeschlagen, die Kohle bis 2012 weiter zu fördern; die EU erlaubt das bis zum Jahr 2010. Wir sind für eine degressive weitere Förderung der Kohle. Aber 16 Milliarden Euro draufzulegen, was bedeutet, dass man im Schnitt pro Jahr immer mehr für die Kohle ausgibt, halten wir nicht für richtig.

   Nun will ich noch ein weiteres Projekt aufgreifen. Sie alle erinnern sich, dass wir einmal eine Bundespräsidentenkandidatin Gesine Schwan hatten. Sie war kaum nicht gewählt, als das Gerücht auftauchte, sie bekomme dafür, dass sie kandidiert habe, 50 Millionen Euro für ihre Universität. Das wurde bestritten. Kurz vor Schluss der Haushaltsberatungen kam eine Vorlage, nach der die Viadrina 58,4 Millionen Euro für die Pflege der deutsch-polnischen Beziehungen erhalten soll. Jede Universität würde sich über 58 Millionen Euro freuen. Bei manch einer ist das mehr, als sie überhaupt zur Verfügung hat.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das war die teuerste Bewerbungsrede in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland!)

– Kollege Kampeter sagt mit Recht: Das war die teuerste Bewerbungsrede, die wir je hatten.

   Schauen Sie sich an, was etwa für Öffentlichkeitsarbeit, Projekte, Beraterverträge und Personalausgaben verschwendet wird! Jedes Jahr soll nach dem Gesetz 1,5 Prozent des Bundespersonals abgebaut werden. Wenn das gemacht worden wäre, gäbe es heute 20 000 Mitarbeiter im öffentlichen Dienst weniger. Jeder kann sich ausrechnen, welche Einsparungen das mit sich brächte. Sie haben für das nächste Jahr sogar 110 neue Stellen im Leitungsbereich der Ministerien vorgesehen. Ich habe vor kurzem einen Brief von einem Mitarbeiter des Forschungsministeriums, Besoldungsgruppe B 9 – das ist das Spitzengehalt –, bekommen, in dem er schreibt: Ich laufe hier herum. Ich weiß nicht, was ich den ganzen Tag tun soll. – Sie wollen auch noch 110 Mitarbeiter zusätzlich einstellen und verschwenden damit das Geld des Steuerzahlers! Damit muss Schluss sein!

   Meine Damen und Herren, wir haben eine Fülle von Anträgen gestellt, die wir im Ausschuss und gegenüber der Öffentlichkeit erläutert haben. Wir wollen 1,3 Milliarden Euro mehr für Verkehrsinvestitionen und für Forschungsinvestitionen ausgeben. Wir wollen 9 Milliarden Euro einsparen. Dass das möglich ist, haben wir in unseren Anträgen dokumentiert. Ich werde Ihnen, Herr Eichel, zum Abschied das Konvolut unserer Anträge überreichen.

(Joachim Poß (SPD): Wollen Sie Abschied nehmen?)

– Ich gehe davon aus, dass ich im März meinen Amtseid in Schleswig-Holstein leisten werde.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD)

Es tut mir Leid für die Auseinandersetzung mit Ihnen. Herr Poß, Sie können davon ausgehen, dass ich den Diensteid, der besagt, dass man Schaden vom deutschen Volk wenden wird – das wäre dann für das Bundesland Schleswig-Holstein –, ernster nehmen werde, als Sie das ausweislich Ihrer Haushaltspolitik getan haben.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Abg. Dietrich Austermann (CDU/CSU) überreicht Bundesminister Hans Eichel Unterlagen)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Walter Schöler, SPD-Fraktion, das Wort.

Walter Schöler (SPD):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich kann ja verstehen, dass der Kollege Austermann seine Rede etwas lustlos vorgetragen hat,

(Volker Kauder (CDU/CSU): So ein Blödsinn!)

nachdem ihm der scheidende stellvertretende Fraktionsvorsitzende als Redner vorgeschaltet worden ist. Aber man sollte zumindest bei der Wahrheit bleiben, wenn man von Fakten redet. Das hat der Kollege Austermann weder in der Vergangenheit noch in seiner heutigen Rede getan. Er hat hier nur hohe Erwartungen an sich selbst geäußert. Wir kennen seine hohen Erwartungen schon lange. Ich weiß gar nicht, der wievielte Anlauf es jetzt ist, eine neue Funktion zu bekommen, diesmal am 22. Februar nächsten Jahres in Schleswig-Holstein. Sie werden sehen, Heide Simonis wird wieder gewählt, die rot-grüne Regierung bleibt in Schleswig-Holstein und wir werden leider Herrn Austermann hier in Berlin weiter ertragen müssen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir schwanken zwar immer zwischen Abschied und Wehmut; aber er wäre eine glatte Fehlbesetzung als Finanzminister in Schleswig-Holstein, denn mit den klassischen Haushaltsgrundsätzen Wahrheit und Vollständigkeit steht er auf Kriegsfuß.

(Volker Kauder (CDU/CSU): Kollege Austermann hat von menschlichen Ansätzen und Klima gesprochen!)

Ihr Paket mit Sparvorschlägen, nachdem es im letzten Jahr keinen einzigen gab, beinhaltet nur Luftbuchungen und strotzt vor Unwahrheit, Verlogenheit und Rechtsbeugung. Das werde ich Ihnen auch noch belegen, Kollege Austermann.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Im Übrigen haben Sie heute Morgen in einer Rundfunk- bzw. Fernsehsendung erklärt, wenn man an die Eigenheimzulage heranginge, würden damit sämtliche Zusagen, die bereits gemacht worden seien, zurückgenommen. Ich würde solche Unwahrheiten nicht an die Öffentlichkeit tragen. Jeder weiß, dass eine mögliche Streichung der Eigenheimzulage nur für künftige Fälle gilt und nicht für die Restlaufzeit von maximal acht Jahren für bereits bewilligte Zulagen.

   Wir haben neben dem Haushalt 2005 auch das Nachtragshaushaltsgesetz 2004 zu beraten. Wir sind der festen Auffassung, dass beide Haushalte die Regeln des Art. 115 bezüglich der Verschuldung einhalten; denn in den letzten Wochen und Monaten sind nochmals erhebliche Finanzierungslücken entstanden, die in beiden Haushalten von uns geschlossen werden mussten. Ich gebe durchaus zu, dass das nicht einfach war. Zu den dafür von uns beschlossenen Finanzierungskonzepten gibt es aber angesichts der für Störungen derzeit äußerst empfänglichen wirtschaftlichen Lage keine vertretbaren Alternativen. Auch wir wissen, dass Vermögen nur einmal veräußerbar ist.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wieso benehmen Sie sich dann nicht so?)

Die Entscheidung zur Veräußerung ist also sehr schwerwiegend und sie fällt uns auch schwer. Es ist aber nicht so, dass 2005 der Rest des Tafelsilbers verkauft würde. Wenn wir die Ideen aufgriffen, die manche Finanzminister der Länder entwickeln, könnten wir uns noch Gedanken über ganz andere Maßnahmen machen. Aber das wollen wir ja gar nicht.

   Wo würden wir denn landen, wenn wir massiv bei den Ansätzen für Investitionen eingriffen oder gar erhebliche Steuererhöhungen vornähmen? Wäre das der bessere Weg? Wir antworten in diesem Fall mit einem klaren Nein. Denn all das wäre Gift für die aktuelle wirtschaftliche Situation, die durch eine anziehende Konjunktur gekennzeichnet ist. Die Bürger müssen Vertrauen und Zuversicht gewinnen, damit der Aufschwung nicht nur vom Export, sondern in Zukunft auch wieder von der Binnennachfrage mitgetragen wird.

   Sie von der Opposition sehen das anders. Ich will Ihren Wust an Anträgen auf massive Kürzungen bei Leistungen und Ausgaben des Staates, die völlig unvertretbar sind, nicht im Raume stehen lassen, sondern ein wenig kommentieren. Sie setzen damit nämlich nicht nur den sozialen Frieden aufs Spiel, sondern auch die innere Sicherheit unseres Landes. Ich weiß, dass Sie dieses Szenario vor dem Hintergrund der angekündigten Verfassungsklage aufgebaut haben. Vor dieser Klage – das sage ich auch an die Adresse der FDP – ist uns überhaupt nicht bange.

   Angesichts der Ankündigung des Ganges nach Karlsruhe kann ich der Opposition nicht ersparen, die Auffassung meiner Fraktion zur Frage der Verfassungsmäßigkeit beider Haushalte etwas breiter darzulegen.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Haben Sie überhaupt eine eigene Auffassung? Haben wir bei den Beratungen nicht gemerkt!)

Ich beginne mit dem Nachtragshaushaltsgesetz 2004. Wir wissen, die Nettokreditaufnahme von 43,5 Milliarden Euro übersteigt das veranschlagte Investitionsvolumen um 18,9 Milliarden. Das ist nach dem Grundgesetz nur dann zulässig, wenn es zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts erforderlich ist. Diese ernste, nachhaltige Störung wollen Sie doch angesichts der Tatsache, dass das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes in diesem Jahr leider gravierend verfehlt wird, nicht bestreiten.

   Bedauerlicherweise hat die konjunkturelle Erholung bisher kaum Spuren auf dem Arbeitsmarkt hinterlassen. Die Zahl der Sozialversicherungspflichtigen ist nach wie vor rückläufig. Deshalb wird der Nachtragshaushalt von einer erheblichen konjunkturbedingten Mehrbelastung bestimmt.

(Laurenz Meyer (Hamm) (CDU/CSU): Wofür Deutschland abgemahnt worden ist durch Ihre Politik!)

So fallen die jetzt erwarteten Steuereinnahmen nicht nur um 12 Milliarden niedriger aus, als in der Schätzung bei der Verabschiedung im letzten Jahr prognostiziert, sondern – auch das müssen wir feststellen – sie liegen um 12 Milliarden niedriger als noch im Jahre 2000. Sie sind damit um rund 40 Milliarden geringer, als im Finanzplan 2000 bis 2004 seinerzeit erwartet worden war. Die Hälfte der Ausfälle ist auf das geringe Wachstum zurückzuführen. Wir haben im Bundeshaushalt 2004 also einerseits ganz erhebliche Mehrbelastungen zu verkraften. In konjunkturell weniger angespannten Phasen haben Sie übrigens, als Sie regierten, prozentual gesehen wesentlich höhere Kredite in Anspruch genommen. Andererseits sind die Einnahmen gegenüber den ursprünglichen Erwartungen deutlich zurückgeblieben.

   Der vorhandene außenwirtschaftliche Funke muss auf die Binnenkonjunktur überspringen, damit sich die wirtschaftliche Erholung bei uns verfestigt und auch auf dem Arbeitsmarkt zu spüren ist. Rechnerisch vermindert eine Einsparung von 19 Milliarden Euro bei den Ausgaben des Bundes die Inlandsnachfrage um rund 1 Prozent. Was wäre das für eine Wirkung, wenn ein solcher Nachfrageausfall den Arbeitsmarkt erreichen würde! Die Zahl der Arbeitslosen würde steigen, statt zurückgeführt zu werden, und das Beschäftigungsziel würde eindeutig stärker verfehlt als durch die Nutzung der automatischen Stabilisatoren. Sie alle wissen das, Sie wollen es nur nicht wahrhaben.

   Außerdem wären eine deutliche Wachstumseinbuße und damit eine Verletzung des Wachstumszieles die Konsequenz. Das Bundesverfassungsgericht wird, sollten Sie die Klage einreichen, sicherlich all diese Zusammenhänge würdigen und ermitteln, welche negativen Folgen eine andere Politik für die Binnennachfrage sowie Wachstum und Beschäftigung hätte. Das jetzt veranschlagte Nettokreditaufnahmevolumen ist eindeutig das kleinere Übel, auch wenn uns dieses sehr schwer fällt.

   Der Bundeshaushalt 2005 ist ebenfalls verfassungsfest. Er hält die Verschuldungsregel des Art. 115 Grundgesetz ein; denn die Nettokreditaufnahme liegt mit 22 Milliarden Euro unterhalb der Investitionssumme von 22,7 Milliarden Euro.

(Otto Fricke (FDP): Und dabei bleibt es?)

   Sie behaupten nun, dass der Verkauf der Anteile des Bundes an Telekom und Post an die Kreditanstalt für Wiederaufbau keine Privatisierung sei, sondern eine verdeckte Kreditaufnahme. Darüber werden wir vor dem Verfassungsgericht streiten. Wir halten diese Auffassung schlicht für falsch. Die Anteile werden aus dem Bundesbesitz hin zur KfW verlagert und dafür zahlt die KfW an den Bund. Diese Zwischenstufe der Privatisierung ist sinnvoll. Das hat die KfW uns in der Vergangenheit schon bewiesen. Sie hat gezeigt, dass sie, losgelöst von haushaltspolitischen Erwägungen oder Notwendigkeiten, den günstigsten Zeitpunkt für die Platzierung am Kapitalmarkt nutzen kann. Wir halten das für gut.

   Auch die Kapitalisierung der Postpensionsverpflichtungen ist, entgegen Ihren Behauptungen, keine Kreditaufnahme, sondern nur ein zeitliches Vorziehen dieser Zahlungen.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Die Prüfung liegt doch noch gar nicht vor!)

Diese Zahlungen fließen im Übrigen gar nicht in den Bundeshaushalt. Es handelt sich hier nämlich um ein Rechtsgeschäft zwischen der Postunterstützungskasse und dem Postnachfolgeunternehmen.

   Der Bundeshaushalt 2005 ist auch insofern verfassungsfest, als er die Haushaltsgrundsätze der Wahrheit und Vollständigkeit bei der Veranschlagung gemäß Art. 110 Grundgesetz einhält. Die Steuereinnahmeansätze sind vollständig vom Arbeitskreis „Steuerschätzung“ übernommen worden. Das sind also nicht, wie Herr Merz einmal einfach behauptet hat, irgendwelche Schätzungen, die sich der Finanzminister aus den Fingern gesogen hat, sondern sie kommen vom Arbeitskreis „Steuerschätzung“, an dem der Bund, die Länder und viele Sachverständige beteiligt sind. Das wissen Sie ganz genau; dennoch versuchen Sie, hier wieder zu täuschen, auch Herr Austermann, indem er behauptet, die Bundesregierung setze zu optimistische Steuereinnahmen an.

   Auch die gesamtwirtschaftliche Vorausschätzung der Bundesregierung mit ihren Annahmen zum Arbeitsmarkt – Sie haben sie heute wieder kritisiert – bewegt sich im Spektrum der Vorausschätzungen von Instituten und Organisationen. Deshalb sind die Vorhaltungen der Opposition völlig gegenstandslos. Wir gehen mit der Bundesregierung für 2005 von 1,7 Prozent Wachstum aus und liegen damit in der Mitte der Schätzungen des Sachverständigenrates, der Mehrheit der wirtschaftswissenschaftlichen Institute, dem Institut der deutschen Wirtschaft und dem Internationalen Währungsfonds, befinden uns also in bester Gesellschaft.

   Auch die Privatisierungsmaßnahmen entsprechen den Grundsätzen der Wahrheit und Vollständigkeit. Sie sind zwar – das ist unbestritten und das gebe ich auch zu – umfangreich. Keiner verkauft gern in einer solchen Phase Teile seines Vermögens. Aber sie sind zumindest solide unterlegt. Das hat Ihnen der Bundesfinanzminister schon im Haushaltsausschuss eingehend erläutert.

   Sehr wichtig ist uns die Einhaltung des Maastricht-Defizitkriteriums ab dem kommenden Jahr.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Das erzählen Sie schon seit drei Jahren!)

Der im Haushaltsausschuss beschlossene Bundeshaushalt 2005 trägt seinen Teil dazu bei, das Defizitkriterium von 3 Prozent einzuhalten. Bezüglich dieses Kriteriums hat sich der Finanzplanungsrat in der vergangenen Woche mit dem vorliegenden Tableau befasst. Er hat nachvollziehen können, dass die errechneten Angaben zutreffend sind. Spitz gerechnet sind es sogar 2,9 Prozent; diesen Prozentsatz hat der Finanzminister nach Brüssel gemeldet.

   Ich komme nun auf Ihr Paket von Anträgen zu sprechen. Letztes Jahr waren es 326 Anträge der CDU/CSU und 437 Anträge der FDP. Ich weiß nicht, wie viele es diesmal sind. Darin sind viele kleine Posten enthalten.

(Otto Fricke (FDP): Kleinvieh macht auch Mist!)

Man kann einmal hochrechnen, wie viel Millionen Blatt Papier Ihre Anträge umfassen müssten, damit mit den darin vorgeschlagenen Einsparungen der Haushalt ausgeglichen werden könnte. Das würde noch nicht einmal auf eine CD-ROM passen. Sie haben Scheinanträge gestellt, weil Sie nicht in der Lage sind, Vorschläge zu präsentieren, wie man den Haushalt ausgleichen kann.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ihre Anträge dienen lediglich der Untermauerung Ihrer Verfassungsklage. Sie gaukeln den Bürgern vor, es gebe eine ehrliche Alternative zum Finanzierungskonzept der Koalition.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Das ist auch so!)

   Was sagt der Sachverständigenrat dazu? Er beurteilt den Kurs der Finanzpolitik insgesamt schon als restriktiv.

(Otto Fricke (FDP): Kannte der Sachverständigenrat Ihre Zahlen?)

– Er kannte wahrscheinlich Ihre Anträge noch nicht. Aber er kannte zumindest die Politik der Bundesregierung und unsere Voranschläge. – Die in den letzten Jahren zurückgeführte Ausgabenquote sinkt um weitere 0,8 Prozent auf 46,8 Prozent und liegt damit deutlich – so die Ausführungen des Sachverständigenrates – unter dem Durchschnitt der Eurozone in Höhe von 48 Prozent. Das strukturelle Defizit wird um rund einen halben Prozentpunkt reduziert.

   Der Sachverständigenrat schreibt in seinem Gutachten weiter:

In Anbetracht der hohen Unsicherheiten über die konjunkturelle Entwicklung des nächsten Jahres und dabei insbesondere über das erhoffte Anspringen der Binnennachfrage sollte die Finanzpolitik deshalb von jeder weiteren Verschärfung des Restriktionskurses absehen.

Wir handeln entsprechend.

   Ihnen gefällt das nicht. Ihre Anträge dokumentieren nur: Die Opposition ist nicht in der Lage, finanz- und wirtschaftspolitisch verantwortbar zu konsolidieren, ohne Beschäftigung und Wachstum zu gefährden – das tun Sie aber – und einen geordneten Haushaltsablauf mit Erfüllung rechtlicher Verpflichtungen zu gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Die angeblichen Einsparungen der Opposition sind zum großen Teil nur willkürliche Streichungen gesetzlich gebundener Ausgaben. Die Fakten entlarven Sie. So entfallen von den Einsparungen in Höhe von rund 8 Milliarden Euro, die die Vorschläge der Union in der Summe ausmachen, über 4 Milliarden Euro auf folgende Bereiche: Kürzung der Arbeitslosenhilfe um 1 Milliarde Euro, Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesagentur für Arbeit um rund 1,0 Milliarden Euro sowie die Streichung der Zuschüsse für die Steinkohle in Höhe von 1,6 Milliarden Euro. Es ist also schon sehr dreist, was Sie sich hier leisten. Sie werfen uns einen rechtswidrigen Haushalt vor. Sie selbst wollen aber Leistungen streichen, zu denen wir durch Gesetz, Vertrag oder Vereinbarung verpflichtet sind. Das ist unsolide Finanzpolitik, die Sie schon 16 Jahre lang gemacht haben und die Sie mit Ihren Anträgen offensichtlich fortsetzen möchten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Oh! – Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Kauft euch mal eine neue Platte!)

   Die Kürzung des Bundeszuschusses an die Bundesagentur für Arbeit um 1,0 Milliarden Euro würde dazu führen, dass die Ausgaben für die Arbeitsmarktpolitik drastisch reduziert werden müssten. Das würde besonders die neuen Länder treffen. Da weinen Sie Krokodilstränen; hier stellen Sie die Kürzungsanträge.

   Die Kürzung um 1 Milliarde Euro bei der Arbeitslosenhilfe für die letzte Zahlung im Dezember für den Januar des nächsten Jahres hätte katastrophale Folgen für die betroffenen Menschen. Sie müssen diesen Menschen sagen, dass sie demnach nur ein Drittel der Monatsleistung erhalten sollen.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Erzählen Sie keine Märchen hier!)

Sie wollen die Schwachen schröpfen und wissen im Übrigen genau, dass diese Kürzung rechtlich gar nicht möglich ist.

   Zu Ihrem Antrag, die Steinkohlenhilfe ganz zu streichen, sage ich Ihnen: Die Menschen im Ruhrgebiet werden schon aufmerksam registrieren, dass die Opposition den Bergbau abrupt über die Klinge springen lassen will.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wie bitte? Das war doch vereinbart! – Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Das ist doch nicht wahr!)

Wir machen so etwas nicht mit. Wir führen die Hilfe schrittweise zurück. Der Zuruf des Kollegen Kalb zeigt, dass er den Antrag seiner Fraktion nicht kennt.

   Die FDP will in ihren Anträgen die Arbeitslosenhilfe und den Zuschuss an die Bundesagentur zwar nicht ganz so stark beschneiden. Aber stattdessen haben Sie beantragt, 1 Milliarde Euro beim Zuschuss an die gesetzliche Krankenversicherung zu streichen. Das behindert die möglichen Beitragssenkungen und die Schuldentilgung, erhöht die Kosten des Faktors Arbeit und wäre im Übrigen ein Verstoß gegen geltendes Recht.

   Ich komme jetzt zu den berühmten flexibilisierten Ausgaben, also im Wesentlichen Personal- und Sachkosten. Die FDP beantragt eine pauschale Kürzung um 12 Prozent und die Union um 10 Prozent. Das sind 1,9 Milliarden bzw. 1,6 Milliarden Euro.

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Fricke, FDP-Fraktion?

Walter Schöler (SPD):

Ja.

Otto Fricke (FDP):

Herr Kollege Schöler, Sie haben gerade kritisiert, dass die FDP – was zutreffend ist – den Subventionszuschuss an die Krankenversicherung, der im Jahre 2005 von 1 Milliarde auf 2,5 Milliarden Euro steigt, kürzen wollte. Stimmen Sie mit mir dahin gehend überein, dass Sie gemeinsam mit Ihrer Ministerin und den Grünen den Vorschlag gemacht hatten, es bei 1,5 Milliarden Euro zu belassen und den Zuschuss nicht auf 2,5 Milliarden Euro zu erhöhen, wie nachher beantragt wurde? Ist es also mit anderen Worten nicht so, dass wir genau den Antrag gestellt haben, den Sie eigentlich nach dem Gesetzentwurf für gerecht und richtig gehalten haben?

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Einfach Ja sagen!)

Walter Schöler (SPD):

Dem kann ich nicht zustimmen. Wir haben ein Gesetz. In diesem Gesetz ist exakt geregelt, wie hoch die Leistungen für das Jahr 2004 sind. Ab dem Jahre 2005 sind dort 2,5 Milliarden Euro vorgesehen. Nach dem Jahre 2006 sollen sich die Zuschüsse auf jährlich 4,2 Milliarden Euro belaufen. Das ist übrigens eine Vereinbarung, die gemeinsam mit dem nun nicht mehr im Amt befindlichen Herrn Seehofer getroffen worden ist. Die Frage ist, wer hier Gesundheitskompromisse aufkündigt. Sie wollten diese Mittel um 1 Milliarde Euro kürzen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Nein! Ihre Steuererwartungen haben sich nicht erfüllt!)

Die Union wollte zunächst 1,8 Milliarden Euro nur sperren. Sie hat sich damit nicht nur von Herrn Seehofer, sondern von dem getroffenen Kompromiss ein ganzes Stück entfernt. Bleiben Sie doch bitte bei der Wahrheit!

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Die von Ihnen vorgesehene globale Minderausgabe in Höhe von 1,6 bis 1,9 Milliarden Euro bedeutet für den Wehretat eine Kürzung um rund 700 Millionen Euro. Sie weinen hier Krokodilstränen, wenn der Verteidigungsminister über die globale Minderausgabe 250 Millionen Euro erwirtschaften will, beantragen aber selbst eine Kürzung von 700 Millionen Euro. Das ist Verlogenheit und nichts anderes.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wenn die Personalausgaben beim Innenminister um rund 260 Millionen Euro gekürzt würden, wie es die Union oder die FDP will, müssten rund 5 200 Grenzbeamte und Beamte des Bundeskriminalamtes nach Hause geschickt werden. Stellen Sie sich einmal vor, wie sich das auf die Sicherheit an den Flughäfen und den Grenzen auswirken würde!

   Das zeigt die Verantwortungslosigkeit Ihrer Vorschläge, die Sie gemacht haben,

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

um eine großmäulige Ankündigung von Herrn Stoiber, im Haushalt mal eben 5 Prozent, also 12,9 Milliarden Euro, einzusparen, umzusetzen. Sie sind dem nicht gefolgt. Das ehrt Sie, aber nur ein kleines Stück; denn Sie haben eine Marge von 3 Prozent übernommen und wollten 7,5 Milliarden Euro einsparen. Was daraus geworden ist, habe ich Ihnen gerade vorgetragen.

   Dazu kommen dann die berühmten Streichungen bei den Zinsaufwendungen und dem Disagio mit über 2 Milliarden Euro. Ich glaube, da gab es sogar einmal einen Antrag von Ihnen, vertraglichen Verpflichtungen im Hinblick auf den Eurofighter, für den in erster Linie Sie die Verantwortung tragen, nicht nachzukommen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Nein! Es geht um Zusatzausgaben!)

   Das zeigt: Ihre Konsolidierungsanträge sind Schall und Rauch. Sie sind das Papier nicht wert, auf dem sie gedruckt sind. Wären sie auf wieder verwertbarem Papier mit Perforation gedruckt worden, wäre das besser gewesen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der CDU/CSU: Haha!)

   Wir haben hingegen mit dem Bundeshaushalt 2005 trotz der leider notwendigen Einmaleinnahmen einen konsequenten Konsolidierungshaushalt beschlossen. Schließlich haben wir die Koch/Steinbrück-Liste aus dem Vorjahr überwälzt und mit 8 Prozent veranschlagt. Wir haben die globale Minderausgabe des Jahres 2004 in Höhe von 2 Milliarden Euro in das Jahr 2005 überwälzt und eine neue eingesetzt.

   Das zeigt, dass wir die Ausgaben erheblich zurückgefahren und konsolidiert haben. An diesem Ziel halten wir, auch wenn wir jetzt in schwierigem Fahrwasser sind, fest. Wir lehnen ein kurzatmiges Kaputtsparen, wie Sie es hier teilweise vorgeschlagen haben, als für die Wirtschaft und die Konjunktur kontraproduktiv ab. Mit Blick auf die demographische Entwicklung und die Generationengerechtigkeit kann es im Übrigen zu unserem Konsolidierungskonzept überhaupt keine Alternative geben, auch wenn dieser Weg etwas länger und etwas steiniger ist, als wir es vor der Stagnationsphase angenommen haben.

   Sie tragen ein hohes Maß an Mitverantwortung für die Finanzierungsschwierigkeiten in den öffentlichen Haushalten.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Lenken Sie nicht ab!)

Durch Ihre Blockadepolitik im Bundesrat sind Sie mitverantwortlich. Im Zusammenhang mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz und dem Haushaltsbegleitgesetz 2004 haben Sie Einnahmeverbesserungen von rund 24 Milliarden Euro in den Jahren 2004 bis 2006 blockiert und unserem Land damit – übrigens auch mit Blick auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien – nachhaltig geschadet. Der Bund stünde andernfalls in diesem Zeitraum mit rund 10,6 Milliarden Euro und die Länder stünden mit 9,9 Milliarden Euro besser da. Diese pfeifen schon jetzt zum großen Teil auf dem letzten Loch.

   Ich fordere Sie auf, Ihre Blockadehaltung endlich aufzugeben und Ihrer Gesamtverantwortung für den Staat gerecht zu werden. Geben Sie Ihre Klientelpolitik auf und tragen Sie einen vernünftigen Steuervergünstigungsabbau und Subventionsabbau mit!

Der Finanzminister hat Sie und die Länder dazu eingeladen. Mit ihrem Verhalten hat die Union auch den Gemeinden erheblich geschadet; denn den Gemeinden entgehen durch diese Blockadehaltung der Union und der FDP rund 4,4 Milliarden Euro in den drei Jahren. Wir haben den Gemeinden geholfen. Wir werden 2005 den Gemeinden etwa – bei steigender Tendenz – 6,5 Milliarden Euro belassen bzw. an sie weitergeben oder sie entlasten.

   Was ist denn eigentlich aus Ihrer Bierdeckelsteuerreform geworden?

(Ute Kumpf (SPD): Filz! – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das ist Bestandteil des Haushalts!)

Sie ist lauthals angekündigt worden. Dann haben Sie stillschweigend erklärt, dass mit der Umsetzung sowieso erst ab dem Jahre 2010 gerechnet werden könne. Dann verschwand das Konzept in der Schublade. Dazu kommt, dass Sie eine ungerechtfertigte Umverteilung von unten nach oben vornehmen wollten. Das Ergebnis dieser Bierdeckelrechnung ist: Herr Merz ist zurückgetreten. Er hat ja heute seine Abschiedsrede als stellvertretender Fraktionsvorsitzender gehalten.

   Nun zur Gesundheitsreform mit dem faulen Unionskompromiss der Kopfpauschale. Sie hätten uns, wenn wir ein solches Konzept präsentiert hätten, uns vorgeworfen: Das ist ein bürokratisches Monster der Gleichmacherei. – Wir haben ein klares Konzept, über das wir uns in den nächsten Monaten sicherlich auseinander setzen werden. Aber ich werde Ihnen heute schon sagen: Ihr potenzieller und früherer Koalitionspartner FDP ist davor, dass eine solche unausgegorene Konzeption überhaupt in das Gesetzblatt kommt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD sowie der FDP)

   Die soziale Abfederung wollen Sie dann auch noch durch eine Senkung des Spitzensteuersatzes vornehmen; Sie wollen also dafür virtuelles Geld, das überhaupt nicht vorhanden ist, in die Hand nehmen. Das Ergebnis dieser Operation: Seehofer warnt durch seinen Rücktritt vor Ihrer Konzeption. Dem ist nichts hinzuzufügen.

   Ich stelle also fest: Sie sind mit Ihren Reformvorschlägen schon gescheitert, bevor Sie diese überhaupt konkretisieren konnten.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Wir denken eben vorher nach, nicht hinterher! Sie müssen jede Reform fünfmal nachbessern!)

Sie sind und bleiben der Blockierer einer zukunftsgerichteten Politik. Aus allen Fachkreisen wird anerkannt: Unsere Reformen weisen in die Zukunft. Die Menschen begreifen zunehmend, dass unsere Reformen notwendig sind, um die Zukunft zu sichern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Deswegen seid ihr bei 30 Prozent!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Jürgen Koppelin, FDP-Fraktion.

Jürgen Koppelin (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich zu Beginn meiner Rede festhalten, dass die Zusammenarbeit im Haushaltsausschuss trotz der unterschiedlichen Positionen ausgesprochen gut gewesen ist und dass wir fair miteinander umgegangen sind. Ich will an dieser Stelle unserem Vorsitzenden Manfred Carstens dafür recht herzlich danken, dass wir eine sehr sachliche Diskussion gehabt haben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der SPD, der CDU/CSU und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Natürlich gibt es unterschiedliche Standpunkte. Kollege Schöler, zu Ihren Ausführungen und den Anträgen, die die FDP im Ausschuss vorgelegt hat, möchte ich sagen: So wie die FDP auch im Ausschuss nun nicht alles abgelehnt hat, was von der Koalition gekommen ist – es sind ja durchaus positive Dinge dabei gewesen –, so, finde ich, hätten Sie sich die Mühe machen sollen und hätten sich von den über 437 Anträgen, die wir gestellt haben, das eine oder andere doch ein bisschen genauer angucken sollen. Sie hätten eben nicht nur auf die Parteipolitik oder die Koalitionsräson achten sollen, sondern hätten sagen können: Dieser Antrag von der FDP ist durchaus akzeptabel; ihm können wir zustimmen. Ich glaube, dass die Bürger draußen nicht verstehen, dass wir, wenn wir in Deutschland wirklich in einer derart schwierigen finanzpolitischen Situation sind, als Regierung und Opposition nicht bereit sind, zusammenzuarbeiten. Ich denke, es gibt auf beiden Seiten durchaus gute Vorschläge. Wir sind stolz auf unsere 437 Anträge; das will ich hier sagen. Es ist das nicht nur eine Fleißarbeit gewesen. Dazu kam, dass wir uns auch mit den Fachpolitikern in unseren eigenen Reihen auseinander setzen mussten, die natürlich gern auch mehr Geld gehabt hätten. Ihnen musste klar gemacht werden, dass dieses oder jenes nicht geht. Das Ergebnis war, dass wir nur bei der Bildung draufgesattelt haben.

   In Richtung der Grünen will ich sagen: In der letzten Woche der Haushaltsberatung habe ich mit Interesse Interviews der Fraktionsvorsitzenden Göring-Eckhardt gelesen, in denen sie gesagt hat: Wir werden in dieser Woche noch einmal rangehen und richtig streichen und sparen. – Wo ist das Ergebnis? Null! Sie haben uns nichts vorgelegt. Das ist, finde ich, enttäuschend.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich will einen anderen Punkt ansprechen, damit Sie erfahren, wie und warum wir so diskutieren. Kollege Schöler, wenn das, was Sie zu Ihren Oppositionszeiten gesagt haben – ich denke da zum Beispiel an Herrn Diller –, immer noch gelten würde, dann könnten wir uns ja auf das eine oder andere verständigen. Ich nenne ein Beispiel: globale Minderausgaben. Der Kollege Austermann hat ja schon deutlich gemacht, was globale Minderausgaben sind. Damit ist gemeint, dass im Laufe des Jahres in allen Häusern Einsparungen vorgenommen werden, wobei die Haushälter, hoffe ich, mit beraten können. Das konnten wir bisher leider nicht. Solche globalen Minderausgaben ermöglichen nach meiner Auffassung nicht gerade, dass wir im Haushaltsausschuss eine vernünftige Politik machen können.

   Der Kollege Diller – er war damals Sprecher der Sozialdemokraten in der Opposition – nannte globale Minderausgaben „Aktion Klingelbeutel“. Damals waren die Beträge noch geringer. Heute sitzt er hier als Staatssekretär, freut sich seines Lebens und hat kein Problem mit steigenden globalen Minderausgaben. Er weiß überhaupt nicht mehr, was er früher dazu gesagt hat. Andere Zitate möchte ich Ihnen ersparen, weil meine Redezeit dafür nicht ausreicht. Das ist nicht in Ordnung, Sie müssen sich schon an das halten, was Sie damals in der Opposition gesagt haben, als Sie uns kritisierten.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dann sind wir auch bereit, so manches mit Ihnen zusammen zu machen. Sie können aber nicht heute hü und morgen hott sagen, nur weil Sie in der Regierung sind.

   Es tut mir Leid, aber ich muss jetzt doch noch einmal auf den ökologischen Landbau zu sprechen kommen.

(Joachim Poß (SPD): Das tut Ihnen gerade bei den GRÜNEN Leid? Wie aufrichtig!)

Er ist ein Musterbeispiel, das für vieles steht. Wir werden übermorgen noch über den Etat von Frau Künast reden. Ich habe nichts gegen den ökologischen Landbau, obwohl ich meine, dass unsere Landwirte auch ökologisch arbeiten und dass das, was Frau Künast will, nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss ist.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Sie können der deutschen Bevölkerung nicht klar machen – auch denjenigen nicht, die für den ökologischen Landbau sind –, warum Frau Künast 20 Millionen Euro für Broschüren und Propagandamaterial dazu ausgibt. Das hat auch der Rechnungshof so bezeichnet. Nun können Sie zwar sagen, der Rechnungshof interessiere Sie nicht, der deutschen Öffentlichkeit aber können Sie nicht erklären, wieso Frau Künast in ihrer desolaten Haushaltslage 20 Millionen Euro für Propagandamaterial ausgibt.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Uns wird immer etwas untergejubelt, was wir und auch die Bürger am Fernseher so schnell gar nicht nachprüfen können. Herr Eichel hat uns erklärt, wie hoch sein Schuldenstand sei. Die Zahl stimmt einfach nicht. Er hat wesentlich mehr Schulden aufgenommen. 1999 waren es 26,1 Milliarden Euro, im Jahr 2000 23,8 Milliarden Euro, im Jahr 2001 22,8 Milliarden Euro, im Jahr 2002 31,9 Milliarden Euro, im Jahr 2003 38,6 Milliarden Euro. Mit dem diesjährigen Nachtragshaushalt nimmt er 43,5 Milliarden Euro auf. Er kann uns hier nicht solche Schoten erzählen und behaupten, er hätte nur wenig Schulden aufgenommen. Er hat wesentlich mehr Schulden aufgenommen. Er ist der Schuldenmacher der Nation, er hat andere weit übertroffen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Dass er völlig hilflos ist, merken wir doch. Es tut mir Leid, aber man muss das deutlich aussprechen. Er meint, er könnte uns die Dinge unterjubeln. Wie ist er denn auf den 3. Oktober gekommen? Ich will Ihnen jetzt nicht vorhalten, was er 1989 als Oberbürgermeister von Kassel zur deutschen Einheit gesagt hat. Damals hat er abgestritten, dass es die deutsche Einheit geben würde, sie sei eine Utopie. Ich will uns mehr ersparen. Ich sage dazu nur: Bei einem Menschen, der solche Äußerungen als Oberbürgermeister von Kassel gemacht hat, wundert es einen nicht, dass ihm plötzlich einfällt, man könnte den Feiertag am 3. Oktober streichen, um den Haushalt zu sanieren.

   Ich komme zum Schluss und möchte nur noch Folgendes ausführen: Man sollte nicht die Länder kritisieren. Bundestag und Bundesregierung müssen vorangehen und den Ländern zeigen, dass man sparen kann. Wir, die FDP, sind dazu bereit, deshalb haben wir auch unsere Anträge eingebracht. Ich weiß, dass die Koalition schwer an dieser Regierung trägt, deswegen möchten wir Ihnen, Herr Kollege Schöler, unsere Anträge nicht noch einmal überreichen. Stattdessen überreiche ich Ihnen unsere CD-ROM, die Sie sich zu Weihnachten auch gegenseitig schenken können.

   Herzlichen Dank für Ihre Geduld.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Mit Musik? – Brigitte Schulte (Hameln) (SPD): Wir wollen das Buch auch haben!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort der Kollegin Franziska Eichstädt-Bohlig, Bündnis 90/Die Grünen.

Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Schade, als der Kollege Koppelin seine Rede begann, dachte ich, jetzt würde es endlich so konstruktiv, wie es dem Thema und den Haushaltsproblemen entspräche. Insofern schließe ich mich zunächst der Einschätzung an, dass wir im Haushaltsausschuss und in den internen Kollegengesprächen sehr viel weiter sind, als diese Diskussion zeigt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Ferner möchte ich auch ich unserem Vorsitzenden Manfred Carstens ganz herzlich danken für seine umsichtige Art, in der er den Ausschuss konstruktiv durch die Sitzungen führt, auch mitten in der Nacht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Ich möchte etwas Kritisches zu der Art, in der wir diskutieren, anmerken. Schon in der ersten Lesung haben wir uns wie in den letzten zweieinhalb Stunden der heutigen Debatte ständig gegenseitig die Schuld zugewiesen. Ich finde es aber sehr wichtig, dass Minister Eichel sehr deutlich dargelegt hat, wie schwierig die Haushaltssituation ist und wie schwierig es für die Koalition ist, zu handeln, wenn der Bundesrat blockiert.

Sie führen nun an, dass Sie Ihre dicke Bibel – ich meine Ihre 400 Anträge mit Kürzungsvorschlägen – eingebracht haben. Dabei wissen Sie genau: Wir haben uns Ihre Anträge sehr genau angeguckt,

(Zuruf von der CDU/CSU: Das glaube ich nicht!)

weil wir natürlich Interesse daran haben, das Hemd an ein paar Stellen noch etwas kürzer zu schneiden, wenn sich das sinnvoll machen lässt.

(Ilse Aigner (CDU/CSU): Nicht einmal die Kürzungen in Höhe von 1 000 Euro, die die FDP vorgeschlagen hat, haben Sie übernommen!)

   Vom Minister, von meiner Kollegin Anja Hajduk, vom Kollegen Walter Schöler und von anderen ist bereits dargelegt worden, dass das so einfach nicht geht. Denn die Grundsätze von Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit würden verletzt. Sie können nicht auf der einen Seite fordern, dass etwas haushälterisch richtig eingestellt werden muss, und auf der anderen Seite Kürzungen vornehmen, wie Sie sie beispielsweise in den Bereichen Arbeitsmarktpolitik und Zinsen vorschlagen haben. So geht das leider nicht.

   Ebenso können Sie nicht erwarten, dass wir vonseiten der Koalition Ihnen zustimmen, wenn Sie an manchen Stellen schlicht und einfach die Handlungsfähigkeit der Regierung einschränken wollen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Alles Propagandageschrei!)

Denn natürlich wollen wir auch mit diesem Haushalt dazu beitragen, dass die Politik weiterhin im Sinne von Rot-Grün gestaltet wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Von daher müssen wir Ihre Anträge – bei der CDU/CSU geht es um 7,5 Milliarden Euro, bei der FDP um 5,8 Milliarden Euro – im Großen und Ganzen ablehnen. Ein paar konkrete Punkte haben wir zwar im Laufe des Verfahrens übernommen,

(Zuruf von der CDU/CSU: Übernommen? Ihr könnt ja nicht mal zustimmen!)

allerdings überwiegend, um damit andere Positionen zu finanzieren. Meine Kollegin Anja Hajduk hat bereits geschildert, dass wir in Form einer großen globalen Minderausgabe, die nach der letzten Steuerschätzung 2 Milliarden Euro beträgt, in die Haushalte eingreifen.

   Zum „Klingelbeutel“-Thema muss ich sagen: Es ist einfach so, dass wir bei den flexibilisierten Ausgaben nicht mehr so stark kürzen können, unter anderem, weil wir von den Häusern erwarten, dass sie viel mehr ausbilden und dafür das Polster der flexibilisierten Ausgaben ausnutzen.

(Otto Fricke (FDP): Wer ist denn Herr des Verfahrens?)

Das hat auch Ihre Zustimmung gefunden. Wir können also nicht mehr Leistung erwarten und gleichzeitig Kürzungen vornehmen. Das haben wir uns sehr genau überlegt; sonst hätten wir es vielleicht so gemacht.

   Ich möchte meine paar Minuten Redezeit nutzen, um in aller Deutlichkeit für das zu werben, was sowohl Minister Eichel als auch meine Kollegin Katrin Göring-Eckardt gesagt haben – hier sind wir aufeinander angewiesen –: für einen umfassenden Abbau der steuerlichen Subventionen. Im Winter letzten Jahres haben wir im Vermittlungsausschuss die Erfahrung gemacht, dass Sie viele Vorschläge zum Subventionsabbau abgelehnt haben. Deswegen bringen wir diesmal als einzigen Punkt, in dem wir auf den Bundesrat – und damit auf die Opposition hier – angewiesen sind, die Eigenheimzulage ein.

   Minister Eichel hat das Angebot gemacht, eine Arbeitsgruppe einzurichten, in der sich Vertreter von Bundesrat und Koalition an einen Tisch setzen und gemeinsam Punkt für Punkt durchgehen, was im Bereich des Subventionsabbaus geleistet werden kann. Dafür möchte ich bei Ihnen in aller Deutlichkeit werben. Wir sollten diesen Pingpongball nicht ständig hin- und herspielen. Es sollte nicht jeder immer wieder sagen: An dieser oder jener Stelle hättet ihr sparen können. Vielmehr sollten wir uns mit den wirklich großen Brocken beschäftigen, die gesellschaftlich wehtun. Deswegen können sie formal und inhaltlich nur gemeinsam angegangen werden.

   Bei diesen Themen handelt es sich um die Entfernungspauschale und um Probleme wie das Dienstwagenprivileg und

(Otto Fricke (FDP): Nacht- und Feiertagszuschläge!)

die Nacht- und Feiertagszuschläge; das weiß ich. Diese Punkte kann man nur gemeinsam angehen, und zwar auch politisch.

   Von daher rufe ich Sie auf, das endlich ernst zu nehmen und diesem Vorschlag zu folgen. Dann, glaube ich, kommen wir zusammen und können im nächsten Jahr einen vernünftigen Haushalt aufstellen, der in den nächsten Jahren peu à peu Spielräume bringt. Wir alle wissen auch, dass der Abbau von Subventionen im Steuerbereich nicht von heute auf morgen eine Lösung bringt, auch der der Eigenheimzulage nicht. Deswegen war sehr komisch, was der Kollege Merz heute gesagt hat. Alle wissen, dass das volle Volumen erst nach acht Jahren frei wird – das müsste eigentlich auch der Kollege Merz schon gelernt haben –; niemand hat das Gegenteil behauptet. Umso wichtiger ist es, dass wir endlich mit dem Subventionsabbau beginnen und diese Strukturreform gemeinsam vorantreiben. Hören wir also mit den Schuldzuweisungen auf! Ran an die Buletten!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Bartholomäus Kalb, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe noch sehr gut in Erinnerung wie Sie von der Koalition im letzten Jahr den Kollegen Austermann mit Häme überzogen haben, als er gesagt hat, dieser Haushalt – der Haushalt 2004 – sei nicht beratungsfähig.

(Ilse Aigner (CDU/CSU): So war es!)

Wenn es eines Beweises bedurft hätte, dass Austermann Recht hat, dann haben Sie ihn mit der Vorlage des Nachtragshaushaltes erbracht,

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

mit dem Sie ja eingestehen, dass Sie die Neuverschuldung weit stärker ausdehnen müssen als jemals zugegeben, nämlich von 29,3 auf 43,7 Milliarden Euro. Sie verfehlen damit zum dritten Mal Ihr Ziel um rund 50 Prozent; im letzten Jahr waren es sogar über 100 Prozent. Und das nennen Sie dann solide! Hier kann man Austermann nur zustimmen: Das war nicht in Ordnung. Das war nicht korrekt. Das war eine Hinters-Licht-Führung des Parlaments und des Volkes.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Jetzt ist keiner da von der Spitze des Finanzministeriums.

(Zuruf von der CDU/CSU: Doch – er hat sich nur verkrochen!)

– Entschuldigung, Herr Kollege Diller. – Es ist schon sehr bemerkenswert, wie Sie sich sowohl letztes Jahr als auch dieses Jahr geweigert haben, rechtzeitig – rechtzeitig – einen Nachtragshaushalt vorzulegen. Wenn Sie jetzt noch ein paar Wochen gewartet hätten, hätten Sie uns ja gleich die Jahresrechnung präsentieren können. Sie verwechseln gelegentlich Haushaltsplan und Jahresrechnung.

   Die Situation des Haushalts hat sich in einer bisher nicht für möglich gehaltenen, dramatischen Weise verschärft. Das schränkt die Handlungsspielräume immer mehr ein und gefährdet die Zukunftsfähigkeit unseres Landes. Die Investitionsquote erreicht mit 8,9 Prozent einen historischen Tiefstand. Unsere Infrastruktur erleidet einen dramatischen Substanzverlust. Neues, Notwendiges kann nicht geschaffen werden. Das berührt eine der wesentlichen Grundlagen der Leistungsfähigkeit unserer Volkswirtschaft.

   Es ist schon darüber gesprochen worden: Wenn Sie nicht den Trick mit der Postpensionskasse machen würden, wäre der Haushalt, über den wir diese Woche zu befinden haben, schon am Tage der Verabschiedung verfassungswidrig. Nur mit diesem Trick erreichen Sie, dass die Investitionen knapp höher liegen als die Neuverschuldung. Ohne diesen Trick wäre die Neuverschuldung um 4,7 Milliarden Euro höher als die Investitionen. Damit erschleichen Sie sich sozusagen die formale Verfassungsmäßigkeit: mit dem Eingang langfristiger Zahlungsverpflichtungen. Das widerspricht in eklatanter Weise Geist und Sinn des Art. 115 des Grundgesetzes.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Entgegen allen Aussagen ist zu befürchten, dass Sie auch 2005 und damit zum vierten Mal in Folge gegen die Maastrichtkriterien in erheblicher Weise verstoßen werden. Das hat den Bundeskanzler aber nicht daran gehindert, letzte Woche in einem Interview zu behaupten: Wir werden einen Bundeshaushalt 2005 vorlegen, der die Stabilitätskriterien einhält. Nein, Sie haben keinen solchen vorgelegt, Sie haben auch im Haushaltausschuss keinen solchen beschlossen und sie werden auch am Freitag dieser Woche keinen derartigen beschließen. Ich kann nur warnen: Melden Sie nach Brüssel korrekte Zahlen! Der immer noch gute Ruf Deutschlands bei unseren Partnern ginge sonst verloren. Griechenland kann nicht der Maßstab für uns sein,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das sind Sozis gewesen!)

was wir uns leisten sollen und wollen.

   Die neueste Masche von Finanzminister Eichel ist ja, den Ländern vorzuwerfen – heute Morgen wieder und auch am letzten Sonntag in „Berlin direkt“ –, sie würden mit geschönten Zahlen und Tricks arbeiten. Dabei erwartet gerade er von den Ländern, dass sie mithelfen – er hat sie dazu aufgefordert –, die 3-Prozent-Grenze

(Walter Schöler (SPD): Sie haben doch blockiert!)

der Maastrichtkriterien einzuhalten. Das ist auch richtig und dabei sollten alle zusammen helfen; das ist im deutschen Interesse. Aber wenn Sie sagen – so auch der Finanzminister am Sonntag wieder –, einige Länder, darunter drei unionsgeführte wie Hessen, Niedersachsen und das Saarland, hätten verfassungswidrige Haushalte, dann kann ich nur fragen: Ja wer hat denn dort regiert, wer hat denn die finanziellen Grundlagen dieser Länder zerstört?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Das waren doch die führenden sozialdemokratischen Ministerpräsidenten Hans Eichel, Gerhard Schröder, Oskar Lafontaine und Kollegen. So ist doch die Wahrheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Wer hat im Bund regiert?)

Den Nachfolgern wäre es viel lieber, diese Suppe jetzt nicht auslöffeln zu müssen.

Im Übrigen – Friedrich Merz hat heute Morgen darüber gesprochen –: Sie haben mit Ihrer dilettantischen Unternehmensteuerreform ganz wesentlich dazu beigetragen, dass nicht nur die Einnahmen des Bundes, sondern auch die der Länder und Gemeinden beschädigt worden sind. Sie haben ihnen die Grundlagen in ganz wesentlicher Weise entzogen.

(Beifall des Abg. Heinz Seiffert (CDU/CSU))

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Kalb, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Schulte?

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Gerne.

Brigitte Schulte (Hameln) (SPD):

Herr Kollege Kalb, würden Sie bitte das Jahresgutachten der Sachverständigen zur Kenntnis nehmen. Dann können Sie feststellen, dass Niedersachsen im Moment zwar ein Finanzproblem hat, dass die Verschuldung des Landes Niedersachsen aber ganz erheblich unter der vieler von der CDU regierten Länder liegt. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie das hier klarstellen könnten.

(Otto Fricke (FDP): Hessen war auch lange Zeit CDU-regiert!)

Bartholomäus Kalb (CDU/CSU):

Verehrte Frau Kollegin Schulte, das ist wieder ein untauglicher Versuch,

(Walter Schöler (SPD): Albrecht hieß der Ministerpräsident!)

von den eigenen Fehlern abzulenken und die Schuld in Richtung der Union zu schieben. Das geht so nicht und das kann ich auch nicht durchgehen lassen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Schwach, wirklich schwach! – Walter Schöler (SPD): 16 Jahre Kohl waren der Untergang!)

   Meine sehr verehrten Damen und Herren, dass Sie den Zwang zum eisernen Sparen in Wirklichkeit noch nicht sehen, beweisen die Ansätze für die Öffentlichkeitsarbeit für die grünen Spielwiesen – davon war schon die Rede; dies dient zur Ruhigstellung insbesondere des grünen Koalitionspartners – und auch das Festhalten an den Umzugsplänen für den BND. Wer glaubt, in einer solchen Zeit an einem derartigen Prestigeobjekt festhalten zu müssen und dafür Mittel in einer Größenordnung von 700 Millionen Euro bis geschätzten 1,2 Milliarden Euro lockermachen zu können, der hat den Ernst der haushaltspolitischen Lage wirklich nicht erkannt.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Der Hang zum Zentralismus ist in dieser Bundesregierung unverkennbar. Wir sollten eine alte Volksweisheit beherzigen: Erst das Notwendige, dann das Nützliche und dann das Angenehme.

   Man wagt kaum, die Frage nach den finanziellen Konsequenzen eines möglichen Beitritts der Türkei zur EU anzusprechen, weil man sich damit sofort dem Vorwurf aussetzt, man würde die wahre Bedeutung und die Dimension dieser Frage nicht erkennen.

(Ute Kumpf (SPD): Genau! Das stimmt auch! – Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Richtig!)

Es mag ja sein, dass es wichtigere Aspekte gibt, aber es muss schon die Frage erlaubt sein, ob wir das leisten können. Deutschland ist nun einmal der größte Nettozahler – mit wieder steigender Tendenz. Die Kosten werden von seriösen Instituten zwischen 21 und 35 Milliarden Euro pro Jahr angegeben. Den größten Teil davon hätte Deutschland zu tragen. Sollten wir nicht erst Sorge dafür tragen, dass die jüngste Osterweiterung und die bevorstehenden Beitritte von Rumänien und Bulgarien sowie möglicherweise von Kroatien und anderen bewältigt werden können? Sie haben keinen Knopf Geld in der Tasche, handeln aber nach dem Motto: Was kostet die Welt?

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Bei der Haushaltslinie für die EU besteht Einigkeit. Im Unterausschuss zu Fragen der EU und im gesamten Haushaltsausschuss herrscht geschlossen und ganz nachdrücklich die Auffassung, dass die Entwicklung der künftigen EU-Haushalte auf 1 Prozent des Bruttonationaleinkommens begrenzt werden muss. Insoweit unterstützen wir die Position der Bundesregierung.

   Im Frühjahr hat der Bundeskanzler das Zeitalter der Innovation ausgerufen. Gleichzeitig verliert Deutschland bedingt durch politisches Handeln und infolge zuwiderlaufender Gesetzgebungen in wichtigen Bereichen immer mehr an Boden. Ich nenne hier nur die Bio- und Gentechnik, die pharmazeutische und die chemische Industrie und viele andere Bereiche mehr. Innovation heißt nicht nur Erforschen, sondern auch Umsetzen und zur Anwendung bringen.

   Das Weltwirtschaftsforum sieht Deutschland in der Rangliste der wettbewerbsfähigsten Länder auf Platz 13. Viele andere bedeutende und weniger bedeutende Länder liegen vor uns. Ich gebe Herrn Finanzminister Eichel Recht, der vorhin gesagt hat, wir sollten Deutschland nicht schlechtreden, die Chancen nicht kleinreden und unser Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wir müssen dann aber auch etwas tun, dass wir wieder Spitze werden. Darauf kommt es an.

In Deutschland gehen täglich im Durchschnitt 1 000 Arbeitsplätze verloren und damit auch Fähigkeiten und zum Teil sogar Kernkompetenzen. Deutschland zählt aktuell nur noch 26,3 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte. Das sind 6,4 Prozent Beschäftigte weniger als 1995. Im gleichen Zeitraum, seit 1995, ist die Zahl der Rentner um fast 16 Prozent, die Zahl der Pensionäre um 17 Prozent, die Zahl der Arbeitslosen um 22 Prozent und die Zahl der Sozialhilfeempfänger um 12 Prozent gestiegen. 26,3 Millionen Arbeiter und Angestellte finanzieren 23 Millionen Renten, 4,4 Millionen Arbeitslose und 2,8 Millionen Sozialhilfeempfänger. Es kann nicht gut gehen, dass eine schrumpfende Leistungsminderheit eine wachsende Empfängermehrheit finanziert. Das Ergebnis ist unausweichlich: eine explodierende Neuverschuldung. Das sehen wir auch an den Haushalten. Im Bundeshaushalt 2002 betrug die Neuverschuldung 32 Milliarden Euro, im Bundeshaushalt 2003 38,6 Milliarden Euro, im Bundeshaushalt 2004 43,7 Milliarden Euro. Der Haushalt 2005 ist auf Sand gebaut. Wir werden uns nächstes Jahr um diese Zeit bei der Debatte um einen Nachtragshaushalt wiedersehen. Sie nehmen die wirklichen Probleme dieses Landes nicht ernst und werden Ihrer Verantwortung nicht gerecht.

   Ich muss auf das schöne große Inserat aus dem Jahr 2000 zurückkommen, in dem der Herr Finanzminister verkündet hat: Nur wer eisern spart, kann sich auch etwas leisten.

(Klaas Hübner (SPD): Da hat er Recht!)

Ich habe den Eindruck: Dieser Finanzminister und diese Bundesregierung haben sich haushalts- und finanzpolitisch zu viel geleistet.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Jörg-Otto Spiller, SPD-Fraktion.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Jörg-Otto Spiller (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Haushaltslage ist unbestritten strittig.

(Eckart von Klaeden (CDU/CSU): „Unbestritten strittig“, was ist das denn?)

Die notwendige Konsolidierung ist ein steiniger Weg. Das gilt für den Bund wie für die Länder und auch für sehr viele Kommunen.

   Ich hatte gehofft, dass diese Debatte davon geprägt sein würde, dass wir über den richtigen Weg für das gemeinsame Ziel streiten.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Leider ist dies bisher nicht eingetreten. Herr Merz hat heute seine Abschiedsrede gehalten. Von einer seriösen Finanzpolitik haben sich allerdings seine Fraktion und er selbst schon vor sehr langer Zeit verabschiedet.

   Sie haben kein stimmiges Konzept, sondern Sie stellen sich einander widersprechende Forderungen auf. Das, was zum Beispiel Sie, Herr Austermann, mit besonderem Eifer immer wieder, je nach Bedarf und wie es gerade passt, fordern oder ankündigen, passt nicht zusammen. Heute haben Sie sich darauf konzentriert, die zu hohe Nettokreditaufnahme zu beklagen. Bei anderer Gelegenheit verkünden Sie, es müsse eine deftige und kräftige Steuersenkung geben.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Für Wachstum und Steuereinnahmen!)

Dann kommen Sie mit neuen Forderungen, wie bei Ihrem Kopfpauschalenungetüm, mit dem neue Finanzlücken aufgerissen werden.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Jetzt ist der rote Faden futsch! Ist das Blatt falsch herum? Drehen Sie doch einmal das Blatt richtig herum!)

Herr Austermann, Sie können noch so viele Purzelbäume schlagen: Ein Konzept wird daraus nicht.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Aber jetzt hören wir Ihr Konzept!)

Diese drei Elemente passen einfach nicht zusammen. Es ist traurig, aber wahr: Die größte Oppositionsfraktion im Deutschen Bundestag hat an Konstruktivem leider nichts zu bieten.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Er sollte lieber einmal seine Blätter ordnen!)

   Herr Austermann und auch andere Kollegen haben unsere Steuerreform kritisiert. Ich will noch einmal sagen, was wir gemacht haben. Wir haben zunächst einmal das gute alte Prinzip bei der Lohn- und Einkommensteuer wiederhergestellt: Starke Schultern tragen mehr als schwache. Das fing damit an, dass wir Steuersparkünstlern mit einem sehr guten Einkommen die Möglichkeit genommen haben, sich dank kühner Konstruktionen und fantasiereicher Steuersparmodelle vor dem Finanzamt armzurechnen. Es gilt heute wieder, dass ein hohes Einkommen zu einer hohen Steuerpflicht führt und ein bescheidenes Einkommen zu einer geringen Steuerpflicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Wir haben insbesondere die Familien entlastet. Wir haben ebenso die Bezieher bescheidener, normaler und mittlerer Einkommen entlastet. Wir haben auch – dazu hat die Senkung des Spitzensteuersatzes gedient – die mittelständischen Unternehmen entlastet; denn nur bei den mittelständischen Unternehmen hat der Spitzensteuersatz überhaupt eine Rolle gespielt. Bei Einzelpersonen war das so gut wie gar nicht der Fall.

Ich erinnere trotzdem daran: Als Sie noch regierten, lag der Spitzensteuersatz bei 53 Prozent.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Weil Sie die Petersberger Beschlüsse abgelehnt haben!)

Heute liegt er bei 45 Prozent. Ab Januar wird er 42 Prozent betragen.

(Dr. Andreas Pinkwart (FDP): Das ist doch Geschichtsklitterung!)

Der Eingangssteuersatz betrug zu Ihrer Zeit 25,9 Prozent. Ab 1. Januar 2005 wird er 15 Prozent betragen.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Ich werde einen Brief nach Saarbrücken an Lafontaine schicken!)

   Die Körperschaftsteuer ist ein besonderes Kapitel. Der Bundesfinanzminister hat darauf hingewiesen, dass das Wegbrechen der Einnahmen aus der Körperschaftsteuer – netto – dadurch verursacht wurde, dass alte Steuerguthaben erstattet wurden. Parallel dazu ging das Aufkommen aus der Kapitalertragsteuer steil in die Höhe. Das muss man zusammen sehen. Inzwischen haben wir auch wieder eine erfreuliche Zunahme des Aufkommens aus der Körperschaftsteuer selbst. 2002 hatten wir Einnahmen aus der Körperschaftsteuer in Höhe von 2,9 Milliarden Euro. Zugegeben: Das war wenig.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Wir hatten mal 23 Milliarden!)

Dafür gab es allerdings Einnahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro aus der Kapitalertragsteuer. In diesem Jahr haben wir ein Körperschaftsteueraufkommen von knapp 14 Milliarden Euro. Im nächsten Jahr werden gut 17 Milliarden Euro erwartet. Das ist die Größenordnung, die auch vor der Unternehmensteuerreform erreicht worden ist.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): 23 Milliarden waren es! – Zurufe von der SPD: D-Mark!)

– D-Mark, Herr Kollege. Es waren gut 30 Milliarden DM. Ich weiß, dass Sie mit dem Rechnen gelegentlich Probleme haben.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Es waren 46 Milliarden DM! Wir sind noch vor PISA zur Schule gegangen!)

   Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung hat vor wenigen Tagen sein aktuelles Gutachten mit der Überschrift „Erfolge im Ausland – Herausforderungen im Inland“ vorgelegt. Natürlich spart er nicht mit kritischen Anmerkungen zur Finanzpolitik bei Bund und Ländern. Wie sollte das anders sein? Er ist nicht dazu eingesetzt, damit er nur Lob streut. Man muss aber Fairness walten lassen, wenn man aus seinem Gutachten zitiert.

   Der Sachverständigenrat weist völlig zu Recht darauf hin, dass die Gebietskörperschaften auf allen Ebenen Schwierigkeiten mit ihren Haushalten haben. Wenn wir über den Stabilitäts- und Wachstumspakt reden, dann kommt es auf das Ergebnis des Gesamtstaates an. Alle Gebietskörperschaften haben mit diesen Schwierigkeiten zu kämpfen. Alle haben dazu beigetragen, dass es Probleme bei der Nettokreditaufnahme und bei der Höhe der Verschuldung gibt. Ich zitiere aus dem Gutachten des Sachverständigenrates:

…; der Föderalismus bundesdeutscher Provenienz erlaubt es … den Ländern zum einen, durch den Bund angestrebte Einsparungen in Form eines Abbaus von Steuervergünstigungen wirksam zu blockieren, und zum anderen die Verantwortung für das gesamtstaatliche Defizit öffentlichkeitswirksam dem Bund gleichsam in die Schuhe zu schieben.

Genau das ist das Problem. Das ist Ihr Rezept. Es wird Ihnen bloß nicht abgenommen werden, weil die Bürger natürlich klüger sind, als Sie sie einschätzen. Die Bürger werden sich ihre eigenen Gedanken darüber machen, für wie unbedarft die Union sie hält.

(Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU): Deswegen seid Ihr bei 30 Prozent!)

   Ein zweites Zitat des Sachverständigenrates lautet:

Bei aller Kritik an diesen Operationen sollte aber auch nicht übersehen werden, dass der Bund zum einen auf der Ausgabenseite merklich konsolidiert hat und zum anderen der Weg über Einnahmeerhöhungen durch den Abbau steuerlicher Vergünstigungen regelmäßig blockiert wird.

   Mit Ihrer Zustimmung hier im Deutschen Bundestag rechnen wir nicht.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Mit Recht!)

Auf die Vernunft im Bundesrat hoffen wir immer noch. Darauf haben Sie nur beschränkten Einfluss.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): „Beschränkt“ war gut!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, auf der Ehrentribüne hat der Parlamentspräsident der Republik Makedonien, Herr Dr. Ljubco Jordanovski, mit einer Delegation Platz genommen. Wir heißen Sie im Deutschen Bundestag herzlich willkommen.

(Beifall)

   Der Deutsche Bundestag begrüßt die Fortschritte bei der Demokratisierung Makedoniens und insbesondere den eingeschlagenen Weg des Ausgleichs zwischen ethnisch-mazedonischen und ethnisch-albanischen Staatsbürgern. Wir unterstützen diesen Prozess und wünschen Ihnen und dem mazedonischen Parlament bei der weiteren Entwicklung Ihres Landes alles Gute.

(Beifall)

   Nun erteile ich dem Kollegen Jochen-Konrad Fromme, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Jochen-Konrad Fromme (CDU/CSU):

Herr Kollege Spiller, Sie haben gerügt, wir hätten kein Alternativkonzept vorgelegt. Sie haben kein einziges Wort zu diesem Haushalt gesagt, sondern nur über die Opposition gesprochen. Das ist ein Armutszeugnis für die Mehrheitsfraktionen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Der Finanzminister hat sich schon mit Grausen von seinem eigenen Haushalt abgewandt; sonst hätte ich ihm gern einmal vorgehalten, wie die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ ihn gerade kommentiert hat.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, es könnte ein Gewinn sein, wenn wir gleichzeitig über den Nachtragshaushalt 2004 und den Haushalt 2005 diskutieren. Man könnte davon ausgehen, dass die Erfahrungen der vergangenen Jahre in den Haushalt 2005 eingeflossen sind. Nun sind zwar sowohl der Finanzminister als auch sein Staatssekretär Lehrer, aber gelernt haben sie aus den letzten drei Jahren nichts. Die Situation wiederholt sich immer wieder: Sie legen einen völlig falschen Haushalt vor, beschimpfen uns, wenn wir die Zahlen richtig benennen, und müssen später kleinlaut eingestehen, dass wir doch Recht hatten.

(Walter Schöler (SPD): Was?)

Im Grunde genommen steht der Finanzminister heute da wie ein begossener Pudel, wie ein Ritter von der traurigen Gestalt, aber nicht wie jemand, der Haushalte gestaltet.

   Der Haushalt ist ein Instrument der Gestaltung. Er soll etwas bewirken. Der Finanzminister hat schon im Mai gesagt, dass ein Nachtrag fällig ist. Wer im Mai erkennt, dass er gestalten müsste, aber erst im November einen Nachtragshaushalt vorlegt, der nur noch buchhalterisch das nachvollzieht, was die Wahrheit längst gelehrt hat, vollzieht nach. Er ist Buchhalter, aber kein Gestalter. Sie haben das Prinzip des Nachtragshaushalts überhaupt nicht begriffen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Im Übrigen machen Sie immer wieder den gleichen Fehler. Sie machen sich ein Bild, das überhaupt nicht der Realität entspricht,

(Joachim Poß (SPD): Sie machen sich auch ein Bild!)

und sind nachher völlig enttäuscht, wenn die Realität Sie einholt. Sie stampfen dann wie ein kleines Kind auf den Boden. Sie sollten die Realität rechtzeitig zur Kenntnis nehmen. Sie sollten auch das zur Kenntnis nehmen, was Ihnen der Bundesrechnungshof – das sind ja nicht wir gewesen –

(Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Es ist auch nicht alles richtig, was die sagen!)

als unabhängige Institution aufgeschrieben und gesagt hat, und zwar so rechtzeitig, dass Sie es noch in einen wirkungsvollen Nachtragshaushalt 2004 und in den Haushalt 2005 hätten einbringen können.

   Sie verhalten sich völlig widersprüchlich. Dem Haushalt 2005 legen Sie eine Wachstumsprognose zugrunde, damit Sie die Einnahmen hoch schätzen können. Das ist doch der wahre Grund. Steuerschätzung ist kein Geheimnis, sondern der Finanzminister bestimmt mit der Wachstumsvorgabe das Rechenergebnis. Wenn Sie die Ausgangsgröße für das Rechenergebnis zu hoch vorgeben, dürfen Sie sich nicht wundern, wenn die Steuereinnahmen zu hoch geschätzt werden. Sie streuen damit den Menschen Sand in die Augen. Zeitgleich begründen Sie den Nachtragshaushalt mit einer Konjunkturschwäche. Was ist denn nun? Haben wir eine Konjunkturschwäche oder Wachstum? Eines geht nur.

(Walter Schöler (SPD): Du hast nicht zugehört!)

Jedenfalls passt beides nicht zusammen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Der Finanzminister ist ein ausgesprochen schlechter Kassenwart. Wenn sich der Kassierer in meinem Schützenverein so benommen hätte, hätten wir ihn längst zum Teufel gejagt.

(Zustimmung bei der CDU/CSU)

   Sie verkaufen Russlandforderungen mit einem Risikoabschlag, also mit großen Verlusten, während Ihnen Russland selbst gleichzeitig anbietet, die Forderungen zurückzukaufen und sogar Vorfälligkeitszinsen zu zahlen. Das wäre ökonomisch richtig gewesen.

   Sie tun so, als würden Sie sich von den Postpensionen trennen. In der Öffentlichkeit haben Sie den Eindruck erzeugt, Sie verkauften etwas und bekämen noch Geld dafür.

   Ich bekomme täglich Briefe von besorgten Postbeamten, die mich fragen, wer künftig ihre Pensionen bezahlt. In Wahrheit ist es doch anders: Sie haben mit großen Verlusten Risiken – nämlich die Pensionsrisiken – gekauft. Das könnte man zwar als ordnungsgemäß bezeichnen, wenn es kaufmännisch seriös zum richtigen Barwert vonstatten ginge; dies würde aber bedeuten, heute das Geld auf die hohe Kante zu legen, um in Zukunft alle Forderungen daraus bedienen zu können. Aber was machen Sie? Sie schmeißen das ganze Geld in den Orkus des Haushaltslochs und in den nächsten Jahren werden neue Risiken auf den Haushalt gezogen.

(Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Was macht Baden-Württemberg?)

   Jetzt komme ich auf die Körperschaftsteuer zu sprechen, die eines Ihrer Lieblingsthemen zu sein scheint. Sie haben sich auch in diesem Zusammenhang als ausgesprochen schlechter Kassenwart erwiesen. Denn die Wirtschaft hat dem Staat ein zinsloses Darlehen in Höhe von 70 Milliarden Euro gewährt. Sie haben durch die Systemumstellung dafür gesorgt, dass dieses zinslose Darlehen sofort gekündigt wurde, und wundern sich, dass Sie jetzt jedes Jahr 2,1 Milliarden Euro Zinsen zahlen müssen und dass sich der Haushalt allein aus diesem Grunde verschlechtert hat.

   Herr Eichel hat das System der Vollanrechnung

(Zuruf von der SPD: Rechenkünstler!)

als sehr schlimmes System bezeichnet, das er habe beseitigen müssen. Ich glaube, Sie haben vergessen, wer es seinerzeit eingeführt hat. Das war nämlich Helmut Schmidt, der es 1977 eingeführt hat. Das war nicht unsere Idee, sondern Ihre. Sie war aber richtig.

(Zurufe von der CDU/CSU: Ja! – Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Interessant!)

   Sie haben durch die Systemumstellung und die Befreiung der Veräußerungsgewinne von der Körperschaftsteuer der deutschen Wirtschaft Milliardengeschenke gemacht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Zeche bezahlt der kleine Mann. Weil die öffentlichen Ausgaben finanziert werden müssen, muss der kleine Mann dieses Loch über die Ökosteuer und anderes ausgleichen.

   Ich habe es nachgerechnet – übrigens stammen die Zahlen nicht von mir, sondern aus Ihrem Bundesfinanzbericht –:

(Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD): Dann sind sie richtig!)

Die Einnahmen aus der Körperschaftsteuer betrugen ursprünglich 23 Milliarden Euro.

(Joachim Poß (SPD): Wann?)

– Im Jahr 2000. Das ist noch gar nicht lange her. Die Löcher, die durch Ihre Systemumstellung entstanden sind, belaufen sich auf 77 Milliarden Euro,

(Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

die Sie der Wirtschaft geschenkt haben und die nun der kleine Mann bezahlen muss. Das betrachten Sie als nachhaltige Finanzpolitik!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD)

   Sie behaupten, dass Sie so schlecht dastehen, weil die Wirtschaft wegen der Binnenkonjunktur so schlecht läuft. Das mag zwar richtig sein, aber lassen Sie mich dazu zwei Punkte anmerken. Wenn andere europäische Länder unter den gleichen Rahmenbedingungen wesentlich besser dastehen als wir und Deutschland nicht mehr Lokomotive ist, sondern die rote Laterne trägt, dann muss es sich um Fehler handeln, die hier gemacht worden sind. Insofern ist ein großer Teil der Wirtschaftsentwicklung von niemand anderem als Ihnen zu vertreten.

   Wir haben 1998 eine wachsende Wirtschaft übergeben. Herr Schröder hat das damals als seinen Aufschwung reklamiert. Durch Ihre Politik ging es abwärts. Von Jahr zu Jahr ging die Zahl der Beschäftigten und der sozialversicherungspflichtig geleisteten Beschäftigungsstunden zurück.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Andreas Pinkwart (FDP))

   Nach Angaben der Deutschen Bundesbank haben Sie den Bürgern über die Ökosteuer, die Tabaksteuer und damit verbundene Maßnahmen jedes Jahr 0,5 Prozent der realen Kaufkraft genommen. Wer den Menschen jedes Jahr 0,5 Prozent der Kaufkraft – das macht 3,5 Prozent über die Jahre hinweg aus – nimmt, der darf sich nicht wundern, dass die Leute nichts mehr kaufen können. Wenn sie nichts mehr kaufen können, dann kann nichts mehr verkauft werden. Wenn nichts mehr verkauft werden kann, dann muss nichts mehr produziert werden. Dann gibt es keine Arbeit mehr und die Zahl der Arbeitslosen steigt. Sie haben doch die Situation zu einem großen Teil allein zu verantworten.

   In Frankreich und in anderen Ländern läuft es unter den gleichen Rahmenbedingungen besser, weil diese Länder nicht denselben Unsinn gemacht haben.

(Joachim Poß (SPD): Vor allen Dingen beim Stabilitäts- und Wachstumspakt!)

Bei Ihnen sind immer die anderen schuld. Schauen Sie einmal richtig hin! Sie haben einen Großteil der Ursachen geschaffen. Solange Sie hier die Mehrheit haben, wird sich das auch nicht ändern. Sie können den Leuten heute so viel Geld geben, wie Sie wollen. Inzwischen haben Sie die Stimmung so kaputt gemacht,

(Joachim Poß (SPD): Sie haben sie doch kaputt gemacht! Sie sind doch der Schwarzredner!)

dass die Leute Angst haben und nicht wissen, was die Zukunft bringen wird. Deswegen wird das vorhandene Geld nicht ausgegeben. Die Leute halten es vielmehr zusammen, weil sie Ihre Politikrisiken immer stärker fürchten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Wir diskutieren hier über den Haushalt, die wichtigste Parlamentsentscheidung. Ich habe von Ihnen aber heute noch keinen einzigen Satz zu der Sorge gehört, dass die Schere zwischen den Einnahmen und Ausgaben immer größer geworden ist und inzwischen 45 Milliarden Euro beträgt. Wenn Sie im nächsten Jahr nichts mehr zu verkaufen haben, dann müssen Sie mir erklären, wie Sie den nächsten Haushalt ausgleichen wollen. Dann haben Sie nämlich kein Tafelsilber mehr, das Sie verscheuern können.

Ihnen ist nichts heilig. Sie gehen an die ERP-Mittel und die Goldvorräte und nehmen einfach Geld aus der Kasse der Kreditanstalt für Wiederaufbau, die für die wirtschaftliche Entwicklung das A und O ist. Anschließend wundern Sie sich noch über die schlechten Ergebnisse Ihrer Politik. Ich kann ja verstehen, dass der Bundesfinanzminister dieser Debatte nicht beiwohnen möchte. – Herr Eichel, Sie sind ja wieder da. Herzlich willkommen, Herr Minister.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSU – Hans Eichel, Bundesminister: Wenigstens den Rest wollte ich noch hören!)

– Das finde ich ausgesprochen gut; denn hier können Sie jederzeit das lernen, was Sie bisher nicht kapiert haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es geht schlicht und einfach darum: Wer die wirtschaftliche Entwicklung wenden will – das ist das A und O und entscheidet über das Schicksal der Menschen und unserer Nation –, der muss die Bedingungen für das Wirtschaften verbessern und darf nicht durch Verunsicherung und durch Wegnahme von Kauf- und Investitionskraft dazu beitragen, dass die Wirtschaft ihre Rolle nicht erfüllen kann. Alles, was Sie tun, hat mit nachhaltiger Politik überhaupt nichts zu tun. Das Einzige, was Sie tun, ist, Risiken auf künftige Generationen nachhaltig zu verlagern. Das ist unseriös. So darf es in Deutschland nicht weitergehen; denn so werden wir nie auf die Beine kommen, so werden wir es nie schaffen.

   Sie haben unseren Sparantrag überhaupt nicht verstanden. Wir wollen sozusagen von den Resten, die man seit Jahren vor sich herschiebt, also von den Mitteln, die zwar in den Haushalt eingestellt waren, die aber nicht gebraucht wurden, 10 Prozent wegnehmen. Das ist etwas ganz anderes, als sozusagen aus dem Fleisch etwas herauszuschneiden. Wir wollen vielmehr den angesammelten Speck wegnehmen. Ihre globale Minderausgabe dürfte doch genauso wirken wie das, was wir vorhaben. Aber bei Ihnen soll es richtig und bei uns soll es falsch sein. So werden Ihnen die Menschen nicht auf den Leim gehen. So wird es nicht gehen.

(Jörg-Otto Spiller (SPD): Das haben wir nicht verstanden!)

– Das mag durchaus sein. Da Sie schon bisher nichts verstanden haben, werden Sie auch dies und insbesondere unsere Anträge nicht verstehen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Die Menschen werden aber eines verstehen: Sie haben ihnen vorgegaukelt, in kurzer Zeit die Staatsfinanzen zu sanieren. In Wahrheit haben Sie die Staatsfinanzen ruiniert. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Es ist traurig, dass Deutschland so weit heruntergekommen ist. Jeder Tag, den es länger dauert, wird es schwerer machen, wieder hochzukommen.

   Hören Sie auf, das Märchen zu erzählen, wir hätten im Bundesrat alles blockiert!

(Franziska Eichstädt-Bohlig (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist kein Märchen, das ist die Wahrheit!)

Herr Austermann hat Ihnen doch ausführlich erklärt, was wir alles mitgetragen haben. Wenn wir allem, was Sie voriges Jahr wollten, zugestimmt hätten, dann hätten Sie dieses Jahr nichts mehr, um die Haushaltslöcher zu stopfen. Dann wäre der Zustand, der erst nächstes Jahr eintreten wird, schon jetzt eingetreten.

   Der jetzt von Ihnen vorgelegte Haushalt ist so marode, dass er im Grunde genommen keiner Beratung wert ist. Eigentlich müssten Sie Ihren Haushaltsentwurf zurückziehen und von vorne beginnen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Bernhard Brinkmann, SPD-Fraktion.

(Joachim Poß (SPD): Bernhard, jetzt gibt’s ihm!)

Bernhard Brinkmann (Hildesheim) (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Dass wir vor einer äußerst schwierigen und problematischen Haushalts- und Finanzlage stehen, ist heute Vormittag deutlich geworden.

(Dr. Hermann Kues (CDU/CSU): Das ist Hildesheimer Nüchternheit!)

Was allerdings der Kollege Fromme eben zum Besten gegeben hat,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das war Klasse!)

kann man nur unter die Überschrift stellen: Lasst ihn bloß nicht an ein Rednerpult! Denn dann wird aus einem sachlichen, fairen und verlässlichen Kollegen im Haushaltsausschuss ein Rambo.

(Beifall bei der SPD – Lachen bei der CDU/CSU)

   Herr Kollege Fromme, ich kenne Sie schon aus der Zeit, als Sie noch Kreisdirektor des Landkreises Hildesheim waren. Aber das, was Sie eben zur Körperschaftsteuer gesagt haben,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): War richtig!)

muss aufgearbeitet werden; denn das hatte mit Wahrheit und Wahrhaftigkeit überhaupt nichts zu tun. Wir machen das ein anderes Mal in aller Ruhe; denn meine Redezeit ist von sieben auf fünf Minuten gekürzt worden.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Gott sei Dank!)

   Nur ein kurzer Hinweis dazu: Wenn Sie die gestiegenen Kapitalertragsteuereinnahmen eingerechnet hätten, dann hätten Sie nicht solch unrealistische Zahlenbeispiele genannt und wären stattdessen auf völlig andere Zahlen gekommen, werter Kollege Fromme. Aber wie gesagt, das arbeiten wir ein anderes Mal in aller Ruhe auf.

Ich möchte etwas zu der Abschiedsrede von Friedrich Merz sagen. Wer die Gegenfinanzierung des Bundeszuschusses zur gesetzlichen Rentenversicherung in der Art und Weise diskreditiert, wie er es getan hat, den muss man ganz einfach daran erinnern, meine sehr verehrten Damen und Herren von Union und FDP, dass es die SPD und der seinerzeit von einer SPD-Mehrheit beherrschte Bundesrat waren, die Ihnen im Frühjahr 1998 entgegengekommen sind. Ansonsten wäre damals der Rentenversicherungsbeitrag auf fast 23 Prozent gestiegen. Wir haben Ihnen mit dem 1 Prozent Mehrwertsteuer geholfen. Heute liegt der Beitragssatz in der Rentenversicherung bei 19,5 Prozent und nicht bei 23 Prozent. Auch da sollten Sie immer bei der Wahrheit bleiben, meine Damen und Herren von der Opposition.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Man muss Ihnen noch einen weiteren Punkt vor Augen führen – das hören Sie natürlich nicht gern; aber das ist so –: Als Sie 1998 abgewählt worden sind, haben Sie Staatsschulden in Höhe von 1,5 Billionen DM – der Wert des Euro ist übrigens hälftig, Herr Kollege Fromme, und nicht doppelt wie bei Herrn Stoiber – hinterlassen. Diese Kosten haben Sie durch die falsch finanzierte deutsche Einheit verursacht. Ich wiederhole: Sie haben Staatsschulden in Höhe von 1,5 Billionen DM – in Euro hälftig – hinterlassen.

   Ich kann Ihnen ein blaues Blatt geben, auf dem Sie nachlesen können, welche Steuererhöhungen Sie vorgenommen haben:

(Johannes Kahrs (SPD): Genau!)

Von 1983 bis 1998 haben Sie Steuererhöhungen in Höhe von 150 Milliarden DM vorgenommen, um auch die Löcher zu stopfen, die Sie durch die falsch finanzierte deutsche Einheit selber aufgerissen haben. Auch das müssen Sie hier wieder einmal zur Kenntnis nehmen.

(Widerspruch bei der CDU/CSU)

– Dass Sie da laut werden, kann ich verstehen. Das hören Sie nicht gern.

   Ich will Ihnen dazu drei Punkte nennen:

   Erstens. Geerbt haben Sie 1983 eine Versicherungsteuer von 5 Prozent. Sie haben sie auf 15 Prozent erhöht, also verdreifacht.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Wo liegt sie jetzt?)

– Jetzt liegt sie bei 16 Prozent; es ist also 1 Prozent mehr. Herr Kollege Austermann, das können Sie sich aufschreiben. Das ist so. Von dieser Materie verstehe ich etwas.

   Zweitens. Sie haben die Mineralölsteuer dreimal nacheinander um 50 Pfennige erhöht,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Wo liegt sie jetzt?)

ohne dass ein Pfennig zurückgeflossen ist und ohne dass es stabile oder gesunkene Rentenversicherungsbeiträge gegeben hat.

   Ich glaube schon, dass Sie das nicht gern hören. Sie hören auch nicht gern, dass Sie uns einen Eingangssteuersatz in Höhe von 26 Prozent – genau genommen waren es 25,9 Prozent – hinterlassen haben; heute liegt er bei 15 Prozent.

   Der Kollege Austermann hat davon gesprochen, dass die Schwarzarbeit bei unteren und bei mittleren Einkommensschichten wegen gesunkener Steuersätze zugenommen hat. Angesichts dessen frage ich mich, wie es mit der Schwarzarbeit bei einem Eingangssteuersatz von 26 Prozent und bei einem weitaus geringeren Existenzminimum war.

(Beifall des Abg. Johannes Kahrs (SPD))

Herr Kollege Austermann, ich kann nur hoffen, dass viele Bürgerinnen und Bürger aus Schleswig-Holstein diese Debatte verfolgen, sodass auf Ihnen immer ein Schatten lastet und Sie nicht Finanzminister in Schleswig-Holstein werden.

(Beifall bei der SPD – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Hast du keine Lust mehr, zu regieren?)

   Lassen Sie mich zum Schluss auf den Entschließungsantrag der Unionsfraktion in Sachen Konversion derjenigen Standorte kommen, die von Schließungen betroffen sind. Das ist auch in meinem Wahlkreis der Fall. Ich bedauere es sehr, dass es in Hildesheim demnächst keine Bundeswehr mehr geben wird. Wer allerdings wie Sie heute ständig von Wahrheit und von Klarheit bei der Haushaltsführung spricht und dann einen Entschließungsantrag vorlegt, dessen Umsetzung dazu führt, dass wir Liegenschaften des Bundes zu einem symbolischen Preis von 1 Euro, auf jeden Fall weit unter Marktpreis verkaufen – nach Ihren Ausführungen haben wir jeden Euro bitter nötig –, der geht auch hier an den Realitäten vorbei. Wir werden auch diesen Entschließungsantrag, wie wir es im Haushaltsausschuss getan haben, ablehnen. Die Koalitionsfraktionen werden eine Arbeitsgruppe einsetzen, um zu pragmatischen Lösungen zu kommen. Wir laden Sie herzlich ein, daran teilzunehmen.

   Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Johannes Kahrs (SPD): Gute Rede!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Gesine Lötzsch.

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich bin Abgeordnete der PDS.

   Es ist wirklich beeindruckend, wie es Finanzminister Eichel jedes Jahr wieder schafft, sich arm zu rechnen. Obwohl schon die Kohl-Regierung die Steuerlast der Unternehmen in großem Umfang gesenkt hatte, legte die rot-grüne Regierung noch einmal kräftig nach und brach tatsächlich alle Rekorde. So verzichtet die Bundesregierung seit ihrer Unternehmensteuerreform im Jahre 2000 – das ist heute schon mehrmals gesagt worden – jedes Jahr auf rund 20 Milliarden Euro Steuereinnahmen. Ab dem 1. Januar 2005 wird der Spitzensteuersatz wieder gesenkt. Damit gehen dem Bund und den Ländern etliche Milliarden Euro verloren.

   Die Bundesregierung glaubt offensichtlich noch immer, dass Steuersenkungen für die Unternehmen zu mehr Investitionen und damit zu mehr Arbeitsplätzen führen würden. Doch diese Regierung hat die Rechnung ohne die Unternehmen gemacht.

BASF konnte zum Beispiel im letzten Jahr seinen Gewinn um 55 Prozent steigern. Das sind knapp 5 Milliarden Euro Gewinn in diesem Jahr. Der „Spiegel“ schreibt dazu:

Die Konzerne schwimmen förmlich in Geld – fragt sich nur, wofür sie die Milliarden ausgeben.

   Doch die Hoffnung der Bundesregierung, dass die Gewinne investiert werden, hat sich nicht bestätigt. Seit vier Jahren reduzieren die deutschen Unternehmen ihre Ausrüstungsinvestitionen und bauen bei jeder Gelegenheit Arbeitsplätze ab. Die Deutsche Bank zum Beispiel hat in drei Jahren 21 000 Stellen abgebaut und kann in diesem Jahr mit einem Gewinn von 5 Milliarden Euro rechnen.

   Fazit: Die Gewinne der Konzerne steigen und gleichzeitig wird die Arbeitslosigkeit am Jahresende die Schallmauer von 5 Millionen durchbrechen.

   Die Steuerausfälle, die durch die Bundesregierung verschuldet sind, und die Arbeitslosigkeit grenzen die Handlungsfähigkeit des Staates immer mehr ein. Das Geld reicht hinten und vorne nicht, um die dringendsten Staatsaufgaben zu finanzieren. Wer glaubt, dass es nicht schlimmer kommen kann, der irrt. Der Kanzler macht sich Sorgen um den schwachen Dollar. Die Sorgen sind begründet; denn Deutschland ist schlecht aufgestellt. Es steht wirtschaftlich auf nur einem Bein. Das Standbein der deutschen Wirtschaft heißt Export. Das zweite Bein, die Binnennachfrage, wird von Jahr zu Jahr schwächer und droht völlig einzuknicken. Ein Wegbrechen unseres Standbeins können wir uns nicht leisten; denn die schwache Binnennachfrage wird einen rückläufigen Export nicht ausgleichen können.

   Der schwache Dollar macht die Fehler der Bundesregierung auf dem Gebiet der Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik überdeutlich. Die tatsächlich verfügbaren Einkommen der abhängig Beschäftigten sind heute geringer als vor 14 Jahren. Die, die keine Arbeit haben, trifft es noch härter. Ab 1. Januar nächsten Jahres – übrigens der Tag, zu dem der Spitzensteuersatz gesenkt wird – werden Arbeitslose kein Arbeitslosengeld oder sehr viel weniger Arbeitslosengeld bekommen als bisher. Hartz IV bedeutet 331 Euro im Osten und 345 Euro im Westen, und zwar im Monat und nicht in der Woche, wie so mancher Abgeordnete bisher glaubt. Hartz IV trifft überdurchschnittlich viele Menschen in Ostdeutschland. Politiker wie Arnold Vaatz von der CDU empfehlen jedem Ostdeutschen, „sich mit seinem polnischen Kollegen zu vergleichen und glücklich zu sein und nicht immer nur in den Westen zu schauen“.

   Bemerkenswert finde ich den allgemeinen Trend, dass sich die Manager in der Bundesrepublik bei ihren eigenen Bezügen an US-Vorbildern orientieren und beim Einkommen ihrer Beschäftigten auf die polnischen Kollegen verweisen. So wird es mit einem stärkeren Massenkonsum in unserem Land nichts werden. Wie der Kanzler bei diesen erzwungenen Einkommensverlusten auf ein gutes Weihnachtsgeschäft hoffen kann – so hat er sich in Interviews geäußert –, bleibt mir ein Rätsel.

   Wir als PDS im Bundestag haben mehrere Änderungsanträge zum Haushalt eingebracht.

(Johannes Kahrs (SPD): Die ist doch gar nicht im Bundestag!)

– Natürlich gibt es die PDS im Bundestag, nämlich Frau Pau und mich. – Einen Änderungsantrag will ich besonders hervorheben. Frau Pau und ich wenden uns gegen eine weitere Senkung des Spitzensteuersatzes von 45 Prozent auf 42 Prozent zum 1. Januar 2005.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Wenn Sie, meine Damen und Herren, auf die Senkung des Spitzensteuersatzes verzichten, sind rund 2,55 Milliarden Euro mehr in der Staatskasse. Ich weiß, dass viele in der SPD und bei den Grünen Sympathie für diesen Vorschlag haben. Ich bin gespannt, wer von Ihnen sich traut, unserem Änderungsantrag zuzustimmen.

   Vielen Dank.

(Beifall der Abg. Petra Pau (fraktionslos))

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Klaas Hübner, SPD-Fraktion, das Wort.

Klaas Hübner (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Kollege Fromme hat uns eben eine gute Wirtschaftspolitik attestiert, wofür ich ihm sehr danke.

(Beifall bei der SPD)

Das gilt besonders für das, was wir bei der Körperschaftsteuer gemacht haben. Es ist bisher so gewesen, dass die einbehaltenen, also thesaurierten, Gewinne steuerlich besser gestellt wurden als die ausgeschütteten Gewinne. Wir haben in Deutschland im Mittelstand ein Eigenkapitalproblem. Bei einer historischen Betrachtung zeigt sich, dass der Mittelstand nämlich eher außenfinanziert ist. Wir haben dieses Problem gelöst. Wir haben dafür gesorgt, dass die einbehaltenen Gewinne steuerlich nicht mehr besser behandelt werden als die ausgeschütteten Gewinne, sodass die Eigenkapitalquote der Unternehmen gesteigert werden kann. Das ist eine nachhaltige Maßnahme zur Stärkung des deutschen Mittelstands.

   Friedrich Merz hat heute in seiner Abschiedsrede ein sehr rührendes Beispiel gebracht. Er sagte, dass zurzeit jedes neugeborene Kind mit Schulden von 16 000 Euro belastet ist. Er verschwieg dabei aber, dass 70 Prozent dieser 16 000 Euro unter der Regierung von CDU/CSU und FDP entstanden sind. Das gehört zur Wahrheit dazu.

(Beifall bei der SPD)

Wenn es Ihnen wirklich um Kinder geht, meine Damen und Herren von der Opposition, dann sollten Sie Ihre Haltung zur Eigenheimzulage noch einmal überdenken.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Wir wollen Folgendes: Wir wollen die Eigenheimzulage zurückfahren und das dadurch frei werdende Geld in Bildung, Forschung und Wissenschaft stecken, also in die Köpfe unserer jungen Menschen.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen nicht in Beton investieren, sondern in die Köpfe der nachwachsenden Generation. Wenn Sie etwas für Kinder in diesem Lande tun wollen, dann müssen Sie die Konsequenz ziehen und im Bundesrat der Abschaffung der Eigenheimzulage zustimmen.

   Die Sparvorschläge der Union waren

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Klasse!)

vor allem von der Idee geprägt, dass insgesamt 10 Prozent der flexibilisierten Mittel eingespart werden sollten. Ich will nur an einem Etat zeigen, was das wirklich heißt. Hier besteht nämlich ein Widerspruch zu den Auffassungen Ihrer eigenen Fachpolitiker. Wenn man zu dem Streichvolumen von 700 Millionen Euro, das sich gemäß diesem Vorschlag für den Haushalt des Ministers der Verteidigung Peter Struck ergibt, die Kürzungen in Höhe von 250 Millionen infolge der globalen Minderausgabe und die Einsparmaßnahmen beim Eurofighter und beim NH90 addiert, dann kommt man auf ein Streichvolumen von über 1 Milliarde Euro nur im Einzelplan 14, also dem des Bundesverteidigungsministers.

(Zuruf von der SPD: Das ist ja ein Hammer!)

Wenn man das nun in Beziehung setzt zu der von Ihnen angestoßenen Diskussion um innere und äußere Sicherheit und zu den fortwährenden Forderungen Ihrer Verteidigungspolitiker, für einen Aufwuchs beim Verteidigungsetat zu sorgen, stellt man fest, dass hier ein krasser Widerspruch besteht. Das zeigt, wie zerrissen Sie selber sind und dass Sie kein Konzept für die Haushaltspolitik in diesem Lande haben.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Es ist unzweifelhaft eine relativ schwierige Zeit für die Aufstellung von Haushalten; dennoch haben wir es geschafft, Akzente zu setzen, vor allen Dingen – das möchte ich herausheben – in den neuen Bundesländern.

   Entgegen dem ersten Entwurf haben wir Mittel für den Goldenen Plan Ost eingestellt. Der Goldene Plan Ost beinhaltet die Förderung von Sportstätten vor allem für den Breitensport. Das ist gerade in den neuen Bundesländern eine sehr wichtige Maßnahme, weil sich dort Jugendarbeit vornehmlich im Bereich des Sports abspielt. Deswegen ist es gut, dass wir hierfür 3 Millionen Euro eingestellt haben.

   Darüber hinaus haben wir die GA-Mittel auf hohem Niveau bei 700 Millionen Euro verstetigt und dafür gesorgt, dass nicht ausgegebene Mittel nicht in den Haushalt zurückfließen, sondern auch im darauf folgenden Jahr als GA-Mittel zur Verfügung stehen. Sie werden also nicht durch den Finanzminister vereinnahmt. Damit haben wir faktisch die GA-Mittel verstärkt, die das zentrale Fördermittel in den neuen Bundesländern sind, das vor allen Dingen dazu dient, gewerbliche Investitionen zu fördern.

   Außerdem haben wir einen weiteren Akzent im Bereich Bildung und Forschung gesetzt. Wir haben den Ansatz in diesem Bereich um rund 75 Millionen Euro erhöht. Wir hätten gerne mehr gehabt; jeder will dort gerne mehr haben. Aber dass wir nicht mehr einstellen konnten, liegt daran, dass Sie nicht bereit sind, im Bundesrat den Subventionsabbau, den wir fordern, mitzutragen, um die entsprechenden Mittel frei zu bekommen.

   Die SPD hat in der letzten Zeit bewiesen, dass sie mit den aus der Agenda 2010 resultierenden Maßnahmen wie Hartz IV und der Gesundheitsreform durchaus in der Lage ist, sehr schwierige Reformen in schwierigen Zeiten einzuleiten und auch durchzustehen. Wir haben damit bewiesen, dass wir Sozialdemokraten im Zweifel bereit sind, das Wohl unseres Landes über die Popularität unserer Partei zu stellen. Sie tun genau das Gegenteil. Darum, meine Damen und Herren, ist es gut, dass wir und nicht Sie regieren.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Heinz Seiffert, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Heinz Seiffert (CDU/CSU):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dieser Bundeshaushalt 2005, den Sie dem Parlament zur Verabschiedung vorlegen, ist durch und durch unseriös.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie treten die Grundsätze der Haushaltswahrheit und -klarheit mit Füßen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Die Finanzen der Bundesrepublik Deutschland sind total aus den Fugen geraten. Dieser Haushalt leidet wie seine vier Vorgänger an einem gigantischen strukturellen Defizit. Sie bringen die Einnahmen und Ausgaben nicht mehr zusammen, Herr Minister Eichel. Rot-Grün redet von Haushaltskonsolidierung und Nachhaltigkeit im Finanzbereich; Tatsache ist aber, dass Sie Deutschland in unverantwortlicher Weise in den Schuldenstaat führen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Sie missachten Art. 115 der Verfassung. Sie brechen fortgesetzt völkerrechtliche Verträge. Das läuft immer wieder nach dem gleichen Schema: Sie planen viel zu optimistisch – mehr nach dem Prinzip Hoffnung, die Einnahmen zu hoch, die Ausgaben zu niedrig –, dann weisen Sie auf die Risiken hin, die in der Planung noch stecken – „auf Kante genäht“ war einige Jahre das Stichwort –, und spätestens im Herbst erklären Sie schließlich, warum alles viel schlimmer gekommen ist. Schuld daran sind in aller Regel nicht Sie selbst, sondern äußere Einflüsse und Umstände: fehlendes Wachstum, lahmende Weltwirtschaft, hoher Dollar und vor allem die „Blockade“ im Bundesrat. Nur eigene Fehler haben Sie nie gesehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Was sind die Folgen dieser Himmelfahrtsplanung des Hauses Eichel? Verschuldung 2002: geplant 17,2 Milliarden Euro, tatsächlich 31,9 Milliarden Euro; 2003: geplant 18,9 Milliarden Euro, tatsächlich aufgenommen 38,6 Milliarden Euro; 2004: geplant 29,3 Milliarden Euro, jetzt stehen wir bei 43,5 Milliarden Euro, wahrscheinlich landen wir bei 47 Milliarden Euro. Was würde man wohl mit einem Stadtkämmerer tun, der über Jahre hinweg solche Leistungen vorlegt?

(Zuruf von der CDU/CSU: Feuern!)

Für 2005 haben Sie 22 Milliarden Euro Neuverschuldung in der Planung; dabei liegt das strukturelle Defizit wieder bei mindestens 45 Milliarden Euro.

   Ein großes Magazin hat getitelt: „Trickser in Topform“. Herr Minister Eichel, „Trickser“ stimmt, aber „Topform“ stimmt nicht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wenn jemand Tricks vorführt, darf man nicht von vornherein schon wissen, wie das Ganze ausgeht.

   Um von der Realität abzulenken, verkaufen Sie in unverantwortlicher Weise Tafelsilber. Meine Damen und Herren, es hat überhaupt nichts mit nachhaltiger Finanzpolitik zu tun, wenn man nur schnell und um jeden Preis verkauft, um Kasse zu machen. Wenn man dadurch die Spielräume der nachfolgenden Generationen einengt, dann verkauft man im Prinzip deren Zukunft. Das ist unverantwortlich.

   Herr Minister Eichel, denken Sie eigentlich noch daran, wie Sie kurz nach Ihrem Amtsantritt über die Schulden der Vorgängerregierung geredet haben, wie Sie dagegen polemisiert haben, dass wir gigantische Beträge für die deutsche Einheit aufgewendet haben? Sie haben von einer Schuldenfalle geredet. Heute sind Sie selbst der Rekordmeister im Schuldenmachen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von der SPD: Falsch!)

Sie haben noch im Jahr 2002 von einer Nullverschuldung im Jahr 2006 geredet. Davon sind Sie meilenweit entfernt.

(Bartholomäus Kalb (CDU/CSU): Jawohl! – Gegenruf von der SPD: Nichts gelernt!)

   Meine Damen und Herren, größter Einnahmebereich im Bundeshaushalt sind die Steuereinnahmen. Sie machen 75 Prozent der Gesamteinnahmen des Bundes aus. Die Steuern steigen zwar ständig, aber in der Gesamtsumme nicht so stark, wie von den Steuerschätzern immer prognostiziert. Nun beklagen Sie, dies sei die Folge der Wachstumsschwäche. Dabei vergessen Sie zu sagen, dass die Wachstumsschwäche in Deutschland seit Jahren eklatant ist und dass Sie an dieser Wachstumsschwäche einen kräftigen Anteil haben. Sie haben durch Ihre sprunghafte Steuerpolitik, vor allem durch das ständige Herumdoktern an den Bemessungsgrundlagen – ich denke nur daran, wie man ständig die Abschreibungssätze verändert hat –, ganz maßgeblich zu einem Vertrauensverlust beigetragen. Niemand hat doch – zumindest in Deutschland – wirtschaftliche Investitionen vorgenommen und die privaten Verbraucher sind dermaßen verunsichert, dass auch sie nicht mehr am Standort Deutschland investieren.

   Ich nenne einige konkrete Beispiele aus jüngster Zeit dafür, wie chaotisch und wenig bedacht die Steuerpolitik gelaufen ist.

Als erstes Beispiel nenne ich das Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit. Durch das Angebot, dass Schwarzgelder, die im Ausland gebunkert sind, nach Deutschland zurückgeholt und hier pauschal versteuert werden können, haben Sie 5 Milliarden Euro Steuereinnahmen für den Fiskus erwartet. Herr Minister Eichel, Sie haben alle Ratschläge der Fachleute und der Opposition in den Wind geschlagen. Selbst die Zusage, die im Vermittlungsausschuss gemacht wurde, steht heute unerfüllt im Raum. Sie haben nämlich bis heute versäumt, eine gesetzliche Regelung vorzuschlagen, wie die Kapitalerträge, die zurückgekommen sind, künftig versteuert werden sollen. Sie bieten den Steuersündern eine Brücke zur Ehrlichkeit an, ohne zu sagen, wie es am Ende der Brücke weitergeht. Sie haben nicht die Kraft, in den Koalitionsfraktionen eine Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte vorzuschlagen und durchzusetzen. Sie lassen die Sache lieber laufen und indem Sie sagen, es hinge alles am Bundesrat.

   Begleitet wird dieses Trauerspiel von den Aussagen der Frau Simonis, die noch Ministerpräsidentin ist und die zusammen mit ihren Genossinnen und Genossen ständig davon redet, die Erbschaftsteuer zu erhöhen. Andere äußern die Auffassung, man müsse die Vermögensteuer wieder einführen. Glauben Sie wirklich, dass jemand, der Schwarzgeld im Ausland hat, angesichts der diffusen Verhältnisse, die Sie zu verantworten haben, dieses Geld zurück nach Deutschland bringt?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FPD – Jörg Tauss (SPD): Ist das jetzt eine Rechtfertigung für Schwarzgeld!)

   Ich will ein weiteres Beispiel nennen. Die Erhöhung der Tabaksteuer in drei Stufen war verkorkst und falsch. Alle Fachleute und auch die Opposition haben davor gewarnt. Denn die stufenweisen Erhöhungen sind so hoch und erfolgen in so kurzen Abständen, dass die Bemessungsgrundlagen zerstört werden. Herr Minister, entweder waren Sie in diesem Punkt beratungsresistent oder Sie konnten sich gegen die Gesundheitsministerin, die möglichst schnell Geld sehen wollte, nicht durchsetzen.

   Tatsache ist nun: Statt der im Haushalt eingeplanten 1 Milliarde Euro Mehreinnahmen haben Sie Mindereinnahmen in Höhe von 400 Millionen Euro. Dieses dilettantische Vorgehen hat also ein Haushaltsloch von 1,4 Milliarden Euro verursacht. Wenn dieses Loch dadurch entstanden wäre, dass möglichst viele Raucher von ihrem Laster abgekommen wären, dann könnte man wenigstens den gesundheitspolitischen Aspekt hervorheben. Aber dieses Steuerloch ist ausschließlich dadurch entstanden, dass der Schmuggel und der Schwarzhandel für Zigaretten in einem gigantischen Ausmaß zugenommen haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ein drittes Beispiel ist der Tanktourismus, der durch die hohe Mineralölsteuer verursacht wird. Der Preisunterschied bei Diesel und Benzin ist mittlerweile so groß, dass zig Tausende ins Ausland fahren, um günstig zu tanken. Dadurch werden bei uns in den grenznahen Regionen die Existenz von Tankstellen und 5 000 Arbeitsplätze gefährdet. Das sind Folgen einer falschen Politik, die sich jetzt im Haushalt niederschlagen.

   Wir haben heute Morgen im Finanzausschuss beschlossen, eine Sachverständigenanhörung zu einem Antrag der CDU/CSU durchzuführen, der seit geraumer Zeit vorliegt. Es gilt, ein modernes Steuerrecht für Deutschland gesetzgeberisch auf den Weg zu bringen. Wir haben als Opposition ein Konzept für eine grundlegende Reform der Steuerstruktur vorgelegt. Wir wollen für Bürger und Unternehmen ein Steuerrecht, das einfacher, gerechter und leistungsfähiger ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Die Union hat ganz klare Vorstellungen. Sie werden sehen, dass die Sachverständigen bei der Anhörung unsere Vorschläge durchweg positiv beurteilen.

   Herr Minister Eichel, Sie und die rot-grüne Koalition haben nicht mehr die Kraft, Ihrem selbst verschuldeten Steuerdickicht zu entkommen. Deshalb wäre es für Deutschland gut, wenn diese verbrauchte Regierung baldmöglichst Platz für eine bessere Politik machen würde.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zu den Abstimmungen, und zwar zunächst über den Einzelplan 08, Bundesministerium der Finanzen, in der Ausschussfassung. Es liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor, der sich auf die beiden Einzelpläne 08 und 20 und außerdem auf alle noch zu beratenden weiteren Einzelpläne mit Ausnahme der Einzelpläne 32 und 60 bezieht. Über diesen Änderungsantrag soll mit Zustimmung der Antragsteller bereits jetzt insgesamt abgestimmt werden.

   Wir kommen also zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen sowie der beiden fraktionslosen Abgeordneten gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

   Wir kommen nun zum Einzelplan 08 in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan ist mit den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die Stimmen der anderen Abgeordneten im Hause angenommen.

   Abstimmung über den Einzelplan 20 – Bundesrechnungshof – in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 20 ist einstimmig angenommen.

   Abstimmung über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrages zum Bundeshaushaltsplan für das Haushaltsjahr 2004, Drucksachen 15/4020 und 15/4137. Der Haushaltsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung, den Gesetzentwurf in der Ausschussfassung anzunehmen. Das sind die Drucksachen 15/4138 und 15/4139. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf in der Ausschussfassung zustimmen wollen, um das Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit in zweiter Beratung mit den Stimmen der SPD und des Bündnisses 90/Die Grünen gegen die übrigen Stimmen des Hauses angenommen.

Dritte Beratung

und Schlussabstimmung. Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. –Sind die vorgesehenen Plätze besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

   Ist ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme noch nicht abgegeben hat? – Ich frage noch einmal: Haben alle Kolleginnen und Kollegen abgestimmt? – Das ist der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, da wir mit Abstimmungen fortfahren, bitte ich Sie, Platz zu nehmen.

   Wir kommen zur Abstimmung über den Entschließungsantrag der Fraktion der FDP auf Drucksache 15/4341. Wer stimmt für diesen Entschließungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Entschließungsantrag ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP abgelehnt.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte VII a bis f auf:

VII. Überweisungen im vereinfachten Verfahren

a) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an der EU-geführten Operation ALTHEA zur weiteren Stabilisierung des Friedensprozesses in Bosnien und Herzegowina im Rahmen der Implementierung der Annexe 1-A und 2 der Dayton-Friedensvereinbarung sowie an dem NATO-Hauptquartier Sarajevo und seinen Aufgaben, auf der Grundlage der Resolution 1575 (2004) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 22. November 2004

– Drucksache 15/4245 –

Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)Rechtsausschuss VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Ausschuss für die Angelegenheiten der Europäischen Union Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

b) Beratung des Antrags der Bundesregierung

Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur Unterstützung der Überwachungsmission AMIS der Afrikanischen Union (AU) in Darfur/Sudan auf Grundlage der Resolutionen 1556 (2004) und 1564 (2004) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 30. Juli 2004 und 18. September 2004

– Drucksache 15/4227 –

Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)Rechtsausschuss VerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und Humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung Haushaltsausschuss gemäß § 96 GO

c) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienst- und arbeitsrechtlicher Vorschriften im Hochschulbereich (HdaVÄndG)

– Drucksache 15/4229 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung (f)InnenausschussRechtsausschuss Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit VerteidigungsausschussAusschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendAusschuss für Gesundheit und Soziale SicherungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GO

d) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines … Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes“

– Drucksache 15/4113 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (f)Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Verkehr, Bau- und WohnungswesenAusschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Haushaltsausschuss

e) Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung der §§ 121, 122 StPO und weiterer Vorschriften

– Drucksache 15/3651 –

Überweisungsvorschlag:Rechtsausschuss (f)Innenausschuss f) Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über das Inverkehrbringen, die Rücknahme und die umweltverträgliche Entsorgung von Elektro- und Elektronikgeräten (Elektro- und Elektronikgerätegesetz – ElektroG)

– Drucksache 15/4234 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (f)InnenausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit

   Interfraktionell wird vorgeschlagen, die Vorlagen an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse zu überweisen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Dann kommen wir zu den Tagesordnungspunkten VIII a bis f. Es handelt sich dabei um Beschlussvorlagen, zu denen keine Aussprache vorgesehen ist.

   Tagesordnungspunkt VIII a:

Zweite Beratung und Schlussabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Protokoll V vom 28. November 2003 zum VN-Waffenübereinkommen

– Drucksache 15/3937 –

(Erste Beratung 132. Sitzung)

Beschlussempfehlung und Bericht des Auswärtigen Ausschusses (3. Ausschuss)

– Drucksache 15/4247–

Berichterstattung:Abgeordnete Gert Weisskirchen (Wiesloch)

Ruprecht Polenz

Dr. Ludger Volmer

Abg. Harald Leibrecht

   Der Auswärtige Ausschuss empfiehlt auf Drucksache 15/4247, den Gesetzentwurf anzunehmen. Ich bitte diejenigen, die dem Gesetzentwurf zustimmen wollen, sich zu erheben. – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Gesetzentwurf ist damit einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt VIII b:

Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft (10. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Bericht über die Überprüfung des Saatgutrechts

– Drucksachen 15/2381, 15/2499 Nr. 2, 15/4042 –

Berichterstattung:Abgeordnete Elvira Drobinski-Weiß Helmut Heiderich Friedrich Ostendorff Dr. Christel Happach-Kasan

   Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung auf Drucksache 15/2381 eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen bei Enthaltung der FDP angenommen.

   Tagesordnungspunkt VIII c:

c) Beratung der Beschlussempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen (14. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Verbesserung der Gefahrenabwehr in Häfen

KOM (2004) 76 endg.; Ratsdok. 6363/04

– Drucksachen 15/2793 Nr. 2.14, 15/4098 –

Berichterstattung:Abgeordneter Wolfgang Börnsen (Bönstrup)

   Der Ausschuss empfiehlt, in Kenntnis der Unterrichtung eine Entschließung anzunehmen. Wer stimmt für diese Beschlussempfehlung? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Beschlussempfehlung ist einstimmig angenommen.

   Wir kommen zu den Beschlussempfehlungen des Petitionsausschusses.

   Tagesordnungspunkt VIII d:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 158 zu Petitionen

– Drucksache 15/4180 –

   Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 159 ist einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt VIII f:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 160 zu Petitionen

– Drucksache 15/4182 –

   Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 160 ist ebenso einstimmig angenommen.

   Tagesordnungspunkt VIII g:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 161 zu Petitionen

– Drucksache 15/4183 –

   Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht ist mit den Stimmen von SPD und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der beiden anderen Fraktionen angenommen.

   Tagesordnungspunkt VIII h:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 162 zu Petitionen

– Drucksache 15/4184 –

   Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 162 ist mit den Stimmen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen gegen die Stimmen der FDP angenommen.

   Tagesordnungspunkt VIII i:

Beratung der Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses (2. Ausschuss)

Sammelübersicht 163 zu Petitionen

– Drucksache 15/4185 –

   Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Die Sammelübersicht 163 ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP gegen die Stimmen der CDU/CSU angenommen.

   Wir setzen die Haushaltsberatungen fort. Ich rufe Tagesordnungspunkt I.7 auf:

Einzelplan 30Bundesministerium für Bildung und Forschung

– Drucksachen 15/4319, 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Carsten Schneider Klaus-Peter Willsch Ilse Aigner Anna Lührmann Dr. Andreas Pinkwart

   Es liegen fünf Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU vor. Über einen Änderungsantrag werden wir später namentlich abstimmen. Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den Einzelplan 30 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Klaus-Peter Willsch, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 140. Sitzung – wird morgen,
Mittwoch, den 24. November 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15140
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