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15. Wahlperiode
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   142. Sitzung

   Berlin, Donnerstag, den 25. November 2004

   Beginn: 9.00 Uhr

   * * * * * * * * V O R A B - V E R Ö F F E N T L I C H U N G * * * * * * * *

   * * * * * DER NACH § 117 GOBT AUTORISIERTEN FASSUNG * * * * *

   * * * * * * * * VOR DER ENDGÜLTIGEN DRUCKLEGUNG * * * * * * * *

Präsident Wolfgang Thierse:

Guten Morgen, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Sitzung ist eröffnet.

   Die heutige Tagesordnung soll nach einer interfraktionellen Vereinbarung um die Beratung des Ergebnisses des Vermittlungsausschusses zum Zweiten Fallpauschalenänderungsgesetz – Drucksache 15/4272 – erweitert und nach der verbundenen Beratung zum Einzelplan 15 mit dem CDU/CSU-Antrag zum GKV-Modernisierungsgesetz aufgerufen werden. Sind Sie damit einverstanden? – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Wir setzen die Haushaltsberatungen – Tagesordnungspunkt I – fort:

a) Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2005

(Haushaltsgesetz 2005)

– Drucksachen 15/3660, 15/3844 –

(Erste Beratung 124. Sitzung)

b) Beratung der Beschlussempfehlung des Haushaltsausschusses (8. Ausschuss) zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung

Finanzplan des Bundes 2004 bis 2008

– Drucksachen 15/3661, 15/3844, 15/4326 –

Berichterstattung:Abgeordnete Dietrich Austermann Walter Schöler Anja Hajduk Dr. Andreas Pinkwart

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.18 auf:

Einzelplan 09

Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit

– Drucksachen 15/4309, 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Volker Kröning Kurt J. Rossmanith Hans-Joachim Fuchtel Anja Hajduk Otto Fricke

   Es liegen drei Änderungsanträge der Fraktion der CDU/CSU sowie ein Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau vor. Über einen Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU werden wir später namentlich abstimmen.

   Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf Einzelplan 09 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache zwei Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache und erteile dem Kollegen Hans-Joachim Fuchtel, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zu Beginn dieser Debatte möchte ich mich zunächst einmal bei den Beamten Ihres Hauses, Herr Minister Clement, für die intensive Zuarbeit herzlich bedanken. Ebenfalls möchte ich mich bei den Kolleginnen und Kollegen aller Fraktionen für die sachliche Arbeit, die wir hinsichtlich dieses großen Etats in den letzten Monaten im Haushaltsausschuss geleistet haben, bedanken.

   Noch mehr würde ich mich natürlich bedanken, wenn unseren Änderungsanträgen zugestimmt worden wäre. Dem Steuerzahler möchte ich von hier aus sagen: Wenn die CDU/CSU in der Verantwortung wäre, dann würden in diesem Etat allein in den Kapiteln zum Arbeitsmarkt 2,5 Milliarden Euro eingespart werden:

(Beifall bei der CDU/CSU)

1,5 Milliarden Euro bei der Arbeitslosenhilfe und 1 Milliarde Euro bei den Arbeitsämtern.

(Zurufe von der SPD)

– Da Sie an dieser Stelle Zurufe machen, muss ich Ihnen sagen: Haben Sie doch den Mut, eine Zwischenfrage zu stellen! Machen Sie nicht nur Lärm, sondern stellen Sie sich der Sache!

   Meine Damen und Herren, wir hätten uns früher eine Opposition gewünscht, die sich so verhält, wie wir es tun,

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

eine Opposition, die beim Sparen hilft.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das dürfen Sie 20 Jahre bleiben!)

Sie sind allerdings heute noch nicht in der Lage, richtig zu sparen. Wir hingegen haben den Mut zum rigorosen Sparen. Sie haben diesen Mut nicht. Das unterscheidet uns grundsätzlich.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Fuchtel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Laumann? –

(Lachen bei der SPD)

Ja oder nein?

Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):

Ja; diese Zwischenfrage kommt allerdings ein bisschen überraschend.

(Heiterkeit)

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Herr Kollege Fuchtel, da vonseiten der SPD keine Zwischenfragen gestellt werden, sondern nur gegrölt wird, möchte ich Ihnen folgende Frage stellen: Können Sie einmal genau erklären, wie wir zu den Einsparungen in Höhe von 2,5 Milliarden Euro kommen wollen?

Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):

Das mache ich sehr gerne, Herr Kollege. – Erstens gibt es bei der Arbeitslosenhilfe eine überplanmäßige Ausgabe, die vorsieht, dass im November und Dezember dieses Jahres 1,4 Milliarden Euro zusätzlich verausgabt werden; das wurde so beschlossen. Daher gibt es keinen Grund, für die Zeit ab Januar nächsten Jahres weitere 1,5 Milliarden Euro zu beantragen. Hier schaffen sich die Regierungsfraktionen ein so genanntes Dezemberpolster, mit dessen Hilfe sie im nächsten Jahr lässig 1,5 Milliarden Euro verstecken können.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das ist das Weihnachtsgeld!)

Wir wollen Haushaltswahrheit und Haushaltsklarheit.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deswegen ist das völlig überflüssig und muss korrigiert werden. Doch dazu sind die Damen und Herren von Rot-Grün nicht in der Lage.

   Zweitens geht es um den Zuschuss an die Bundesagentur für Arbeit in Höhe von 1 Milliarde Euro. Die neuesten Berichte des Bundesrechnungshofes geben allen Anlass, stärkere Sparmaßnahmen zu verlangen.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Unterhalten Sie sich mal mit den Arbeitslosen!)

Anstatt die Bürger abzuzocken, sollten Sie lieber einmal die Außenstände eintreiben helfen, die die Bundesagentur für Arbeit noch hat. Das sind über 4,5 Milliarden Euro. Davon lässt sich 1 Milliarde Euro lässig eintreiben – man muss es nur wollen. Von den Schwaben können Sie bekanntlich das Sparen lernen; hier wäre ein typisches Beispiel.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ich-AG! Personal-Service-Agentur!)

– Darauf komme ich nachher zurück, Herr Kollege Austermann.

   Ich möchte noch darauf eingehen, wie der Bundeskanzler hier gestern aufgetreten ist. Der Bundeskanzler nimmt es einfach nicht ernst. Diese Laxheit,

(Walter Schöler (SPD): Was?)

mit der er gestern von dieser Stelle aus über die enormen Schulden gesprochen hat! Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die Bürger draußen im Lande fragen: Wieso sollen wir eigentlich bei den Kommunen, bei den Ländern, bei uns selber sparen, wenn der Bundeskanzler so locker über all diese Probleme hinweggeht? Kaum fünf Minuten hat er sich innerhalb einer einstündigen Rede damit befasst! Das ist mit Sicherheit keine staatsmännische Form, sich mit dieser großen Frage auseinander zu setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Meine Damen und Herren, der Bundeshaushalt sieht so schlecht aus, weil die Bundesregierung in Sachen Wirtschaft und Arbeit die Hausaufgaben nicht gemacht hat; Herr Minister Clement, in erster Linie sind Sie hier gefragt. Angela Merkel hat gestern in der Debatte die eindeutigen Feststellungen des Sachverständigenrates und der OECD zitiert: Es sind überwiegend hausgemachte Fehler, die zu dieser Situation geführt haben.

   Ich möchte Ihnen aufzeigen, wie die Lage aus Sicht der Haushälter heute aussieht: In der Zeit von Februar 2001 bis Oktober 2004 hat die Anzahl der Beschäftigten um 1,5 Millionen abgenommen. Ein Beschäftigungsrückgang in dieser Größenordnung wirkt sich ungeheuer stark auf die Haushaltsentwicklung aus. Für den Bund und die Bundesagentur für Arbeit entstehen dadurch Mehrausgaben bzw. Mindereinnahmen von nicht weniger als 28,5 Milliarden Euro im Jahr 2005. Den Sozialversicherungen fehlen dann nochmals 9 Milliarden Euro. – Der Herr Kollege Kröning schaut betreten weg. Er weiß natürlich als Haushälter, welche Zahlen hier zu Buche schlagen. Meine Damen und Herren, wenn solch große Finanzvolumina ausfallen, dann ist ganz klar: Das ist Ergebnis Ihrer Politik. Rot-Grün macht arm und arbeitslos – den Staat und den einzelnen Bürger.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Dieses Geld fehlt natürlich für Investitionen, für Mittelstandspolitik, für Forschung, für Entwicklung. Wenn dieses Geld wegbricht, fehlt es in diesen Bereichen an den notwendigen Impulsen vom Staat; das ist doch ganz klar.

   Ich habe es einmal untersuchen lassen: Wo der Wirtschaftsminister im Jahre 2003 1 Euro ausgeben konnte, da gab der Arbeitsminister 4,3 Euro aus. In den Jahren 2004 und 2005 verschiebt sich diese Relation auf 1 : 5: 1 Euro für die Wirtschaft, 5 Euro für den Arbeitsmarkt. Meine Damen und Herren, so schafft man nicht mehr Arbeit in Deutschland!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Deutschland ist Exportweltmeister. Normalerweise überträgt sich der Exportaufschwung auf die Binnenkonjunktur – in Deutschland nicht. Das ist nicht normal. Jeder Chefvolkswirt einer großen Bank kann Ihnen die Gründe nennen, warum dies so ist: In Deutschland herrscht ein durch die Politik hervorgerufener tiefer Vertrauensverlust. Das, Herr Clement, ist das Werk von Rot-Grün, von sechs Jahren rot-grüner Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Der einfache Bürger spart heutzutage, so gut er kann, und verzichtet auf Konsum. Der Betrieb stellt nicht ein und wenn er einstellt, dann nur befristet. Herr Minister Clement, das zentrale Problem ist, dass landauf, landab niemand mehr an Ihre Zahlen glaubt. Sie geben jedes Jahr Prognosen ab, die am Ende des Jahres von ganz anderen Ergebnissen überrollt werden. Sie sollten sich mehr der Realität widmen und nicht den Fiktionen, die Sie sich auf dem Papier zusammendichten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Die Verlässlichkeit muss zurückgewonnen werden; das ist die Aufgabe der Politik, das ist unsere Aufgabe hier in diesem Hause. Wir wollen eine Politik mit klaren Zielsetzungen.

   Dieses Land steuert in diesem Winter auf 5 Millionen Arbeitslose zu.

Das ist ein dramatischer Rekord. Wir müssen uns jedes einzelne Schicksal anschauen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Eine Verdrehung der Tatsachen! Das hat der Sachverständigenrat nicht geschrieben! Lesen Sie das Gutachten des Sachverständigenrates! Sie wollen nur hetzen!)

– Herr Stiegler, Sie schreien hier schon wieder dazwischen. Sie sollten einmal ganz ruhig sein. Sie waren der größte Rufer, als gesagt wurde, dass die Zahl der Arbeitslosen bis 2002 auf 3,5 Millionen gesenkt werde. Heute machen Sie den Mund wieder auf. Sie sollten unter Ihrem Tisch in der Versenkung verschwinden. Das wäre sachlich angemessen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Lesen Sie die Zahlen und was der Sachverständigenrat dazu sagt! Sie wollen nur hetzen! Saudummes Daherreden!)

Sie sollten hier nicht so arrogant daherreden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sie haben eine Art Zwei-Klassen-Gesellschaft produziert: Auf der einen Seite gibt es diejenigen, die einen Arbeitsplatz besitzen, und auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die keinen Arbeitsplatz besitzen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie wollen nur hetzen! Sie reden saudumm daher!)

Ziel der Unionspolitik ist es, diese Zwei-Klassen-Gesellschaft zugunsten eines durchgängigen Arbeitsmarktkonzeptes aufzubrechen, wodurch jedem eine Chance gegeben wird. Vor dieser Aufgabe stehen wir.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ludwig Stiegler (SPD): Abschaffung des Kündigungsschutzes und Abschaffung der sozialen Gerechtigkeit! Sie wollen eine Tagelöhnergesellschaft! Das ist es! – Weiterer Zuruf von der SPD: Wie?)

– Sie fragen, „Wie?“ Das können wir Ihnen sehr klar sagen und das wird Ihnen auch der Wähler sagen, wenn er Sie in die Opposition schickt, damit wir zeigen können, wie die Antwort auf das „Wie“ in die Tat umgesetzt wird.

(Lachen bei der SPD)

   Zunächst einmal geht es darum, dass wir die Maßnahmen umsetzen, die kein Geld kosten. Das machen Haushälter am allerliebsten; das ist sonnenklar. Hier gibt es sehr viel zu tun. Ich nenne nur die Stichworte Deregulierung – in diesem Bereich wurde noch lange nicht das erreicht, was erreicht werden muss – und Entbürokratisierung, wofür das Gleiche gilt. Hier sind ungeheure Substanzen für die Belebung des Arbeitsmarktes vorhanden, die genutzt werden müssen. Natürlich müssen wir auch die Ausgaben für den Arbeitsmarkt durchforsten und selektiver tätigen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie wollen die Arbeitsmarktpolitik abschaffen!)

   Wir dürfen – das gilt beispielsweise für den Bereich der Eingliederungszuschüsse – auch keine Gewöhnungseffekte oder Automatismen zulassen. Ich-AGs, Jobfloater und Personal-Service-Agenturen müssen umgehend abgeschafft werden, da sie unter dem Strich viel mehr Geld kosten, als sie an Erfolg für den Arbeitsmarkt einbringen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Die kann man sich ersparen!)

Das ist hinausgeworfenes Geld. Allein daraus würden sich erhebliche Sparpotenziale ergeben, die wir für Investitionen nutzen könnten.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Sämtliche Programme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit müssen auf den Prüfstand.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das habe ich mir gedacht!)

– Sie haben sich das gedacht. Wahrscheinlich wissen Sie über diese Dinge nicht so viel wie ich. Deswegen sage ich es Ihnen hier einmal.

(Ludwig Stiegler (SPD): Alles abschaffen!)

   Es kann nicht länger akzeptiert werden, dass beispielsweise bei Jugendprogrammen pro Kopf und Jahr durchschnittliche Kosten in Höhe von 12 100 Euro entstehen. Das, was hier für einen arbeitslosen Jugendlichen im Jahr ausgegeben werden muss, verdient ein Arbeiter in den neuen Bundesländern oftmals nicht netto im Jahr. Das muss anders und effektiver gemacht werden. Das liegt doch auf der Hand.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Ein anderes Beispiel dafür, was einen umhaut und was man sich kaum vorstellen kann, sind die Lehrgänge im Zuge einer dreijährigen Ausbildung in Berufsbildungswerken. Gemäß der Unterlagen der BA kosten sie pro Person mittlerweile bis zu 106 000 Euro.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Was?)

– Sie haben richtig gehört. – Herr Stiegler, diese Dynamik muss doch gebremst werden. Das müsste selbst in ein SPD-Hirn hineingebracht werden können.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Die Bundesagentur ist unter dem Vorstandsvorsitzenden Herrn Weise transparenter und kostenbewusster geworden. Das unterstützen wir ausdrücklich. Wir möchten aber auch noch darauf hinweisen, dass die im hinteren Teil der Veröffentlichungen des Bundesrechnungshofes im Monat November stehenden Bemerkungen sehr lesenswert sind. Dort lesen Sie, wie viel Geld noch zur Disposition steht und dass man mit ihm besser umgehen kann. Das muss man in dieser Situation dringend tun. Auch bei Hartz IV gibt es Ähnliches zu sagen. Das werden meine Kollegen nachher noch tun.

   Alle Jahre wieder gehen die Prognosen von Herrn Clement in die Hosen.

(Heiterkeit bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler (SPD): Aber stinken tun nur Ihre!)

Leider werden Sie nach meiner Rede einen weiteren Akt dieser arroganten Traumtänzerei erleben. Ich sage ausdrücklich: Dafür übernimmt die Union keine Verantwortung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler (SPD): Ihr habt sie ja auch nicht! Setzt euch nur hin!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile Kollegen Volker Kröning, SPD-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der SPD)

Volker Kröning (SPD):

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das war nun der Kollege Fuchtel von der CDU/CSU, wie er leibt und lebt.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Sehr gut!)

Da es bei der CDU/CSU mehrere dieser Art gibt, spricht nachher noch das Urgestein Rossmanith.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Bravo!)

Ich fasse nun im Folgenden die Bereiche Wirtschaft und Arbeit zusammen.

   Der Einzelplan 09 steht 2005 mehr als noch in diesem Jahr im Zeichen der Arbeitsmarktreform. Aber dennoch, meine Damen und Herren, dürfen wir den Bereich Wirtschaft nicht vernachlässigen. Die beiden gravierendsten Veränderungen in dem Einzelplan haben ihre Ursachen zum einen im Ausgang des Vermittlungsverfahrens zur Arbeitsmarktreform im Juli und in den politischen Fortschreibungen im August dieses Jahres, zum anderen in den Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten sowie der Steuerschätzung, die mitten in die Beratungen des Ausschusses fielen und praktisch von einer Woche zur anderen zu berücksichtigen waren.

   Die beiden Veränderungen führten zum einen zu Aufstockungen der Arbeitsmarktausgaben um zunächst 2,2 Milliarden Euro, sodann um weitere 1,5 Milliarden Euro, zum anderen zur Erhöhung der globalen Minderausgabe um 1 Milliarde Euro. Zumindest die beiden ersten Aufstockungen hätte die CDU/CSU unterstützen müssen, hat sie doch die zugrunde liegenden Gesetze mit der Koalition beschlossen.

   Stattdessen – das muss man in der Öffentlichkeit deutlicher machen, als das bisher geschehen ist – flüchten Sie sich wie schon am Anfang der Umsetzungsstrecke zur Arbeitsmarktreform in der Mitte dieses Jahres wieder aus der Verantwortung.

   Mit Ihrem Antrag, die Arbeitslosenhilfe um 1 Milliarde Euro zu kürzen, haben Sie den bisherigen Arbeitslosenhilfeempfängern und künftigen Arbeitslosengeld-II-Empfängern sogar damit gedroht, im Januar des nächsten Jahres kein Geld zu erhalten. Dies haben wir selbstverständlich im Haushaltsausschuss zurückgewiesen.

(Dirk Niebel (FDP): Das war doch Ihr Minister, wenn ich das recht sehe!)

Es ist merkwürdig, dass Sie diesen Antrag hier nicht wieder stellen, aber dennoch in der Öffentlichkeit damit agitieren.

(Beifall bei der SPD – Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das war die Idee von Bundesminister Clement! Wir zitieren nur Bundesminister Clement! – Ludwig Stiegler (SPD): Nur hetzen!)

   Was die Konsequenzen aus den gesamtwirtschaftlichen Eckwerten angeht, so unterstützt die versammelte Opposition die Erhöhung des Zuschusses an die Bundesagentur für Arbeit nicht. Im Gegenteil: Beide Oppositionsfraktionen haben sich mit Kürzungsanträgen überboten.

(Beifall des Abg. Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU) und des Abg. Dirk Niebel (FDP))

Auch die Anhebung der Haushaltsansätze beim Arbeitslosengeld II und bei den Leistungen zur Eingliederung in Arbeit trägt die Koalition alleine. Ich bin mir sicher, dass alle im Land, die das angeht, erkennen werden, wer für sie Verantwortung trägt und wer nicht.

   Die nach wie vor schleppende Konjunkturerholung macht es notwendig, im Haushalt der Bundesagentur 14,12 Milliarden Euro für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen bereitzustellen. Davon entfallen 4,4 Milliarden Euro allein auf den Eingliederungstitel, in dem die meisten Ermessensleistungen der aktiven Arbeitsförderung zusammengefasst sind. Zusätzlich werden im Bundeshaushalt Eingliederungsleistungen von 6,55 Milliarden Euro finanziert. Beides drückt aus, dass die Solidargemeinschaft der Beitragszahler zur Arbeitslosenversicherung und die Gesamtheit der Steuerzahler das Fördern genauso ernst nehmen wie das Fordern.

   Die Anstrengungen der Bundesagentur und der Kommunen, ob sie nun Arbeitsgemeinschaften gebildet haben oder optieren, sind ebenfalls weit gediehen. Die Bundesregierung und die sie tragende Koalition haben für diesen Umstellungsprozess – einschließlich der so genannten Revisionsklausel – eine Finanzausstattung bereitgestellt, die den Erfolg garantiert. Es ist Vorsorge getroffen, dass diese Revisionsklausel ohne Risiko für den Gesamthaushalt praktiziert werden kann.

   Von der Spitze bis zur Basis der Gesamtorganisation wird hart gearbeitet. Davon haben sich viele Kolleginnen und Kollegen aus diesem Haus in den letzten Monaten und Wochen überzeugt. Ich glaube, ich darf in Ihrem Namen jenseits der Polemik, die hier und heute stattfindet, allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der 181 Agenturen im Lande und den Mitarbeitern von Bahn, Post und Telekom danken, die der Agentur aushelfen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Dieser Einsatz wird gerade in den nächsten Monaten an der Schwelle von diesem zum nächsten Jahr gebraucht werden.

   Vorrangiges Ziel in dem Umsetzungsprozess ist es, den Menschen beizeiten Sicherheit über ihre Einkommens- und Betreuungssituation zu geben.

Dies wird nur Schritt für Schritt gehen.

   Entscheidend ist, dass die neuen Leistungen pünktlich gewährt werden. Es ist ein gutes Zeichen, dass 84 Prozent aller bisherigen Arbeitslosenhilfebezieher einen Antrag auf Arbeitslosengeld II gestellt haben. Doch muss man einräumen, dass erst 41 Prozent der Anträge bearbeitet sind. Auch muss mit Widerspruchsverfahren in nicht unbeträchtlicher Zahl gerechnet werden. Dies zeigt, welchen Kraftakt die Bundesagentur und die Kommunen noch vor sich haben und wie sehr sie – hoffentlich mit den Beschlussmehrheiten in beiden Häusern im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens – auf unsere Unterstützung angewiesen sind. Die beiden Kommunen in meinem kleinen Land, nämlich Bremen und Bremerhaven, haben schon eine Antragsquote von über 90 Prozent und eine Bearbeitungsquote von über 70 bzw. über 50 Prozent erreicht.

   Auch die Förderung mithilfe des neuen Fallmanagements ist eingeleitet. Sie beginnt bei den bis zu 25-Jährigen mit einem Personalschlüssel von 1 : 75. Diese Anstrengung wird auch durch die Einstiegsqualifizierung Jugendlicher flankiert, die im Rahmen des Ausbildungspaktes mit der Wirtschaft vereinbart ist. Es ist schön, dass sich gerade in den letzten Tagen herausgestellt hat, dass dieses umfassende Konzept, von dem der Ausbildungspakt ein Teil war, Früchte trägt. Die Integration in den Arbeits- und in den Ausbildungsmarkt bleibt das Hauptziel der Reform.

(Dirk Niebel (FDP): Diese Rede verstößt gegen das Folterverbot!)

– Herr Niebel, Sie sind zum Glück eine rettungslose Minderheit. Das wird gleich bei der Wirtschaftspolitik noch deutlich werden.

(Beifall bei der SPD)

   Da bei den Protesten gegen die Arbeitsmarktreform so oft die Rede davon war, es werde gar nicht gespart, möchte ich festhalten: Wir müssen hart darauf hinarbeiten, den Zuschuss an die Bundesagentur und die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung in den nächsten Jahren zu senken.

(Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU): Genau das machen wir!)

Für 2005 setzen wir darauf, dass die nun veranschlagte Höhe des Bundeszuschusses ausreicht. Das wären 1,2 Milliarden Euro weniger als in diesem Jahr. Dies schließt allerdings ein, dass das mit der Bundesregierung verabredete Maßnahmenpaket, das Einsparungen in Höhe von 600 Millionen Euro bei der Agentur umfasst, realisiert wird.

   Mehr Effizienz ist das eine, mehr Wachstum und Beschäftigung das andere. Klar ist, dass alles daran gesetzt werden muss, ein hohes Wirtschaftswachstum, einen Beschäftigungszuwachs zu erreichen und die Zahl der Arbeitslosen zu senken. Es geht nicht darum, darüber zu philosophieren, ob die Eckwerte der Bundesregierung eingehalten werden können, sondern es geht einzig und allein darum, alles daranzusetzen, dass dies gelingt. Das nenne ich aktive Politik. Hat dies keinen Erfolg – darüber müssen wir uns im Klaren sein –, wird es auch 2005 im Bundeshaushalt im Ganzen und speziell im Einzelplan 09 schwierig werden.

   Umso wichtiger ist es mir, noch einiges zum Teil Wirtschaft dieses Einzelplans zu sagen. Er hat ja die Funktion, neben den gesetzlichen Rahmenbedingungen, auf die der Minister sicherlich noch eingehen wird, im Haushalt Stabilität zu vermitteln und Anreize zu setzen. Darum geht es gerade bei den Förderprogrammen im Bereich Wirtschaft. Zunächst ist all denen, die zur Voraussetzung des ökonomischen Erfolges unseres Landes eine rigide Sparpolitik machen, zu sagen: Der Einzelplan wächst im Bereich Wirtschaft nicht, er sinkt gegenüber 2004 sogar von 4,7 Milliarden Euro auf rund 4 Milliarden Euro, aus denen 2005 sogar noch eine globale Minderausgabe in Höhe von 60 Millionen Euro zu erwirtschaften ist.

   Zahlreiche Einzelansätze sind schon bei der Aufstellung durch die Bundesregierung im Zusammenhang mit der Koch/Steinbrück-Liste gekürzt worden. Bei den weiteren Kürzungen ist zu berücksichtigen, dass von den verfügbaren 4 Milliarden Euro durch Zusagen aus den Vorjahren bereits mehr als zwei Drittel rechtlich oder politisch gebunden sind. Bei den Beratungen des Haushaltsausschusses war deshalb nicht viel mehr möglich, als die Ansätze für regionale Wirtschaftsförderung, für Innovation und für den Mittelstand zu stabilisieren. Zusätzlich sind einige Akzente bei den Baransätzen und den Verpflichtungsermächtigungen verstärkt worden, zum Beispiel bei der industriellen Gemeinschaftsforschung und der Verbesserung der Materialeffizienz, aber auch beim Export.

   Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass sich bei der Mittelstandspolitik die Wege der Opposition getrennt haben und dass sich die FDP isoliert hat: Sie hat im Ausschuss Kürzungsanträge gestellt, die aus mittelstandspolitischer Sicht verheerend sind und mit denen sie alleine geblieben ist. In den Programmen Pro Inno und Inno-WATT zum Beispiel würden die anspruchsvollen und risikoreichen Innovationsbemühungen von weit über 1 000 kleinen und mittleren Unternehmen abbrechen und der wirtschaftliche Aufholprozess gerade in Ostdeutschland würde gefährdet werden.

(Siegfried Scheffler (SPD): Skandalös ist das!)

   Als Haushälter sind wir beileibe nicht fachpolitisch blind. Im Gegenteil: Wir würden gerne einige Ansätze verstärken, wenn es die Haushaltslage zuließe. Leider ist der Anteil des Wirtschaftsressorts an der Innovationsoffensive der Bundesregierung mit 20 Millionen Euro bis zur Entscheidung über die Eigenheimzulage gesperrt. Es wäre gut, wenn sich der Bundesrat bereit finden würde, dieses weitere Stück Subventionsabbau mitzumachen.

   Ich möchte aber auch die Weichenstellungen erwähnen, bei denen wir uns zwischen den Fraktionen einig waren. Dies betrifft zum einen die Luftfahrtförderung. Die Absicherung des A350 und eines neuen Airbustriebwerkes haben wir gemeinsam geschlossen. Auch bei den Hilfen für die Werftindustrie sind wir uns einig, den Umbau von Produktions- zu Innovationshilfen fortzusetzen. Ich bin froh, dass die Abstimmungsschwierigkeiten, die wir in den vergangenen Monaten mit den Küstenländern hatten, überwunden sind. Es ist auch anzuerkennen, dass die Wirtschaft auf diesem Gebiet Einsicht in die enge Haushaltslage zeigt.

   Die Mittel für den A350 und das Triebwerk – und damit die Sicherheit für ein KfW-Darlehen – sind gesperrt. Die Zielrichtung, mit der wir – auch darin sind wir uns einig – nach dem so genannten Launch durch die Industrie an eine Entsperrungsvorlage herangehen werden, ist aus den Erläuterungen klar: Wir wollen in Deutschland Wertschöpfung – das heißt vor allem Arbeitsplätze – sichern.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Darum werden wir auf den so genannten Workshare bei der Entwicklung und der Produktion achten. Das gilt auch für die regionale Verteilung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland.

   In diesen Zusammenhang fällt schließlich die Sicherung der regionalen Wirtschaftsförderung, die im Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung schon von der Regierung vorgenommen worden ist und die auch in der Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung eine Rolle spielt. Nachdem der Finanzierungsanteil des Bundes an dieser Gemeinschaftsaufgabe durch die Konsolidierungsmaßnahmen der letzten Jahre reduziert werden musste, hat die Bundesregierung nun ein gleich bleibendes Niveau in Höhe von 700 Millionen Euro pro Jahr bis zunächst 2008 festgeschrieben. Dies hat Vertrauen gebildet. Das können wir gerade in der Kommissionsarbeit feststellen.

   Der Haushaltsausschuss hat noch ein Übriges getan: Er hat in Übereinstimmung mit dem Ausschuss für Wirtschaft und Arbeit die Deckelung der Rückeinnahmen beseitigt und damit mehr als 700 Millionen Euro pro Jahr verfügbar gemacht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alle Vorbindungen aus den letzten Jahren können damit eingehalten werden. Auf dieser Basis sollten nun die Verhandlungen zwischen der Bundesregierung und den betroffenen Ländern zu Ende geführt werden, die auf eine ziel- und wirkungssichere Strukturförderung gerichtet sind. Es kommt nicht in erster Linie darauf an, wie viel Geld bereitgestellt wird, sondern dass es investiv und innovativ eingesetzt wird.

   Alle diese Entscheidungen des Haushaltsausschusses stehen unter dem Damoklesschwert einer zusätzlichen Minderausgabe in Höhe von 65,7 Millionen Euro, die als Teil der zusätzlichen globalen Minderausgabe von 1 Milliarde Euro auf unseren Einzelplan entfällt. Dies war im letzten Moment der Ausschussberatungen zu beschließen, weil die Beratungen andernfalls neu hätten aufgerollt werden müssen. Ich muss bekennen, dass ich diese Entscheidung nur schweren Herzens mitgetragen habe, dass sie aber wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit alternativlos war.

   Doch ich warne wie vor einem Jahr vor einer Aushöhlung des Haushaltsrechts: Wenn schon Soll und Ist, also das politische Ziel des Haushaltsgesetzgebers und das prognostische Ergebnis, auseinander klaffen, dann ist eine prioritätengerechte Haushaltssteuerung zwingend. Nach Verabschiedung des Haushalts ist dies Aufgabe der Regierung. So hat sich das Verhältnis zwischen den Gewalten umgekehrt. Aber ich erkläre für das Parlament, dass wir dies kontrollieren werden.

(Beifall des Abg. Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU))

   Es ist ernst, aber wahr: Wo rechtliche und politische Vorbindungen existieren, ist nichts zu holen; wo der Haushaltsausschuss Kürzungen abgelehnt oder Aufstockungen vorgenommen hat, ebenfalls nicht. Was bei der Haushaltsaufstellung weder der Bundesregierung noch dem Parlament gelungen ist, bleibt also nachzuholen. Um nicht kontraproduktiv zu handeln, müssen im Haushaltsvollzug Alternativen gefunden werden. Wir waren uns im Ausschuss mit dem Minister einig, dass wir uns dabei gegenseitig nach Kräften unterstützen.

   Darum bitte ich auch das Finanzressort. Wenn es richtig ist, in der aktuellen wirtschaftlichen Situation einen vernünftigen Mix aus Konsolidierung, Strukturreformen und Wachstumsimpulsen zustande zu bringen, sind das Wirtschafts- und das Finanzressort besonders aufeinander angewiesen.

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich will auch nicht anstehen, wie der erste Sprecher heute Morgen den Berichterstatterkolleginnen und -kollegen zu danken, also Ihnen, Herr Fuchtel und Herr Rossmanith, und auch Herrn Kollegen Fricke, den ich heute Morgen noch nicht gesehen habe. Offenbar ist der FDP der Haushalt doch nicht so wichtig. Sie kündigt ja auch öffentlich Kürzungsanträge an, wie man heute Morgen in der Zeitung lesen kann, ohne dass die Anträge dem Haus vorliegen. Das ist für mich eine unmögliche Einstellung zum parlamentarischen Geschäft.

(Widerspruch bei der FDP)

Meiner Kollegin Anja Hajduk möchte ich besonders herzlich für die gute Zusammenarbeit innerhalb der Koalition danken. Last, but not least ein Dank an das Ministerium und besonders an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Haushaltsabteilung. Sie haben uns loyal und kompetent unterstützt. Auf diese Unterstützung werden wir alle gemeinsam auch in Zukunft angewiesen sein!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Rainer Brüderle, FDP-Fraktion.

(Beifall bei der FDP)

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Haushaltsberatungen werden von der Regierung wie üblich bestritten: Sie beschimpft die Opposition, unterstellt ihr Schwarzmalerei, wirft ihr vor, Zerrbilder darzustellen, und legt selbst keine Konzepte vor. Aber eines müssen Sie sich sagen lassen: Es ist Ihr Finanzminister, der zum vierten Mal die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausruft, weil er mehr Schulden macht, als er Investitionen tätigt. Das grenzt geradezu an wirtschafts- und finanzpolitische Schizophrenie. Entweder können Sie der Opposition begründet vorwerfen, sie stelle Zerrbilder dar und betreibe Schwarzmalerei, oder die Situation ist tatsächlich so dramatisch, dass Sie zum vierten Mal hintereinander die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts ausrufen müssen, um mehr Schulden aufnehmen zu können, als Sie Investitionen tätigen. Deshalb sollten Sie redlich bleiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Gestern haben wir erfahren, dass die Wirtschaft im dritten Quartal dieses Jahres wieder stagniert. Der Exportboom schwächt sich ab, neigt sich eher dem Ende zu. Die Binnenkonjunktur fängt diesen Ausfall nicht auf. Das ist, wie ich weiß, eine Momentaufnahme, aber dieses Bild ist durch tiefer gehende Gründe geprägt. Unser Kernproblem ist – das sagen auch die Sachverständigen – ein zu schwaches Trendwachstum. Der Wachstumspfad in Deutschland bewegt sich seit Jahren kontinuierlich bei etwa einem Prozent, während die Amerikaner ein Trendwachstum von 3 bis 3,5 Prozent haben. Ergebnis dieser Schere in der Entwicklung des Grundwachstums ist volkswirtschaftlich eine Differenz in der Produktivität zwischen den Vereinigten Staaten und Deutschland von 30 Prozent. In einfachen Worten gesprochen heißt das: Wenn 1 000 Arbeitnehmer und 500 Maschinen in Amerika und in Deutschland jeweils 10 Stunden arbeiten, werden in Amerika 30 Prozent mehr Autos produziert. Durch Ihre verfehlte Politik haben sich bei uns die Strukturen so verfestigt, dass einfach kein Wachstum entsteht. Unser Trendwachstum bleibt unter der Schwelle, an der der Arbeitsmarkt anspringt und neue Arbeit entsteht.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sehr richtig!)

Wenn wir es nicht schaffen, das Trendwachstum deutlich anzuheben – vergleichbar einer Größenordnung in anderen Ländern –, werden alle oszillierenden Teilmaßnahmen nicht helfen.

   Man kann sich auch nicht aus der Verantwortung reden, denn es ist eine Tatsache, dass die Arbeitslosigkeit in Großbritannien, Holland und Schweden nur etwa halb so hoch ist wie in Deutschland. Diese Länder bewegen sich in derselben Weltwirtschaft wie wir. Also ist doch logisch und völlig klar: Hier in Deutschland wird etwas grundlegend falsch gemacht, wenn es uns über Jahre nicht gelingt, das Wachstum zu steigern, und wenn in anderen Ländern die Arbeitslosigkeit nur halb so hoch ist wie in Deutschland. Das Problem liegt hier!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Brüderle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Niebel?

(Zurufe von der SPD: Oh! – Redezeitverlängerung! – Ute Kumpf (SPD): Er schindet wieder Redezeit!)

Rainer Brüderle (FDP):

Natürlich gern.

Präsident Wolfgang Thierse:

Bitte, Herr Niebel.

Dirk Niebel (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege Brüderle. – Nachdem Sie die Dramatik der Situation der deutschen Wirtschaft und des Arbeitsmarktes hier schon so anschaulich geschildert haben, wie bewerten Sie – auch im Hinblick auf die Rede des Kollegen Kröning – die Tatsache, dass das Finanzministerium bei der Haushaltsberatung über diese wichtige Thematik nicht vertreten ist?

Rainer Brüderle (FDP):

Ich halte das symptomatisch für den Stil, in dem die Regierung mit der Opposition und einem der vornehmsten Rechte des Parlaments, dem Etatrecht, umgeht. Das drückt sich auch in der mangelnden Präsenz auf der Regierungsbank aus. Der Finanzminister hat wahrscheinlich eine Stunde des Sichschämens für den von ihm vorgelegten Haushalt eingelegt.

(Heiterkeit und Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Widerspruch bei der SPD – Zuruf von der SPD: Supergut abgesprochen!)

   Das Resultat der erwähnten strukturellen Schwächen liegt auf der Hand. Im Frühjahr nächsten Jahres wird die Zahl der registrierten Arbeitslosen auf 5 Millionen steigen. In Wahrheit werden es noch viel mehr sein; denn man muss die Zahl der sich in ABM und ähnlichen Maßnahmen befindenden Menschen hinzurechnen. Herr Andres wird schon einmal vorgeschickt, um die Öffentlichkeit darauf vorzubereiten, dass die Zahl der Arbeitslosen demnächst bei 5 Millionen liegt. Herr Weise von der Bundesagentur für Arbeit hat bereits erklärt, es sei durchaus möglich, dass die Zahl der Arbeitslosen auf 5 Millionen steige. Die geäußerten Befürchtungen werden sich leider bestätigen; dessen bin ich mir sicher.

   Die Nettoneuverschuldung hat eine Größenordnung von über 43 Milliarden Euro erreicht. Im nächsten Jahr wird sie um 22 Milliarden Euro – –

(Zuruf des Abg. Volker Kröning (SPD))

Dass ausgerechnet Sie, der Sie eine Rede gehalten haben, die die Qualität einer Schlafpille hatte, etwas über meinen Redestil sagen, finde ich prima.

(Volker Kröning (SPD): Sie reden über alles, aber nicht zum Haushalt!)

Glauben Sie, der Sie Ihre Zahlen fast wie ein Buchhalter verlesen haben, wirklich dass Ihre Rede ein Beispiel dafür war, wie man Parlamentsdebatten lebendig machen und die Menschen draußen im Lande, insbesondere die jungen Leute, für unsere Arbeit interessieren kann? Dass Sie einen solchen Zuruf in einer Parlamentsdebatte machen, ist der Gipfel und zeigt, dass Sie sich jenseits der Realität bewegen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Brüderle, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres?

Rainer Brüderle (FDP):

Sehr gern.

Präsident Wolfgang Thierse:

Bitte, Herr Andres.

Gerd Andres (SPD):

Herr Brüderle, würden Sie dem Hohen Hause sagen, dass es richtig ist, dass der Sachverständigenrat in seinem Gutachten sinngemäß ausgeführt hat, es könne sein – es muss also nicht –, dass im Februar des kommenden Jahres die Zahl der Arbeitslosen an die 5-Millionen-Grenze herankomme oder sie überschreite, dass dies aber keineswegs etwas mit einer Erhöhung der Arbeitslosigkeit zu tun habe, sondern in Verbindung mit der Einführung der neuen Leistung Arbeitslosengeld II stehe, wodurch es statistische Effekte geben könne?

(Johannes Singhammer (CDU/CSU): Die Statistik stimmt ja ohnehin nicht! Wir sind ja schon jetzt über 5 Millionen!)

Rainer Brüderle (FDP):

Es kann statistische Effekte geben; das ist schon richtig.

(Gerd Andres (SPD): Nein! Sie sollen nur sagen, ob der Sachverständigenrat das gesagt hat!)

– Herr Andres, es ist Ihr gutes Recht, eine Zwischenfrage zu stellen. Aber mein gutes Recht ist es, sie zu beantworten. Deshalb überlassen Sie freundlicherweise mir die Beantwortung der gestellten Frage. Wenn Sie Ihre Frage selbst beantworten wollen, dann sollten Sie das zu Hause tun.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Herr Andres, wenn Sie jetzt freundlicherweise meine Antwort entgegennähmen! Es ist richtig, dass statistische Effekte auftreten können. Es ist aber auch richtig, dass die Arbeitslosigkeit in Wahrheit höher ist. Sie wissen ganz genau, dass 1,5 Millionen Menschen durch ABM und andere Maßnahmen künstlich in Arbeit gehalten werden, dass es sich dabei aber nicht um Arbeitsplätze handelt, die durch gute betriebliche Ergebnisse und Markterfolge entstanden sind. Es handelt sich vielmehr um Notmaßnahmen, die sicher erforderlich sind. In Regionen wie Mecklenburg-Vorpommern, wo die Arbeitslosigkeit extrem hoch ist – dort kommen 35 Arbeitslose auf eine offene Stelle –, kann man sicherlich nicht auf ABM verzichten. Aber die Wahrheit ist, dass die Zahl der Arbeitslosen bei etwa 6 Millionen liegt. Von dieser Größenordnung sollte man ausgehen.

   Jeder Arbeitslose ist – vielleicht sind wir uns darin sogar einig – ein Arbeitsloser zu viel; denn hinter jeder Zahl verbirgt sich ein persönliches Schicksal. Bei der Beseitigung von Arbeitslosigkeit geht es nicht nur darum, den Menschen wieder zu ermöglichen, durch Arbeit Geld zu verdienen. Der Besitz eines Arbeitsplatzes hat vielmehr auch etwas mit dem Selbstwertgefühl der Menschen zu tun, Teil der Gesellschaft zu sein, dabei zu sein. – Herr Andres, ich bin zwar noch nicht fertig mit der Beantwortung Ihrer Frage, aber Sie dürfen sich bei Ihrem augenscheinlichen Gewicht ruhig schon setzen.

(Zuruf von der SPD)

– Wenn Sie zuhören würden, anstatt vor sich hinzuquaken, würden Sie vielleicht etwas mitnehmen können. Es wäre für viele Parlamentsdebatten besser, wenn man zuhören und sich auseinander setzen würde, als sich wie Sie als Spezialist für Zwischenrufe zu betätigen. Einer im Saal muss sicherlich der Doofste sein. Sie müssen sich aber nicht zu erkennen geben.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Brüderle, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kröning?

Rainer Brüderle (FDP):

Sehr gern.

Volker Kröning (SPD):

Nach dieser fulminanten Antwort auf die Frage des Parlamentarischen Staatssekretärs Andres, der auf der Abgeordnetenbank Platz genommen hat, möchte ich Sie erstens bitten, zu bestätigen, dass das Bundesfinanzministerium durch den Parlamentarischen Staatssekretär Diller anwesend ist.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Inzwischen! Überraschend!)

   Zweitens. Wie ist es mit Ihrem Parlamentsverständnis zu vereinbaren, dass Sie Ihren wackeren jungen Kollegen Fricke im Rahmen einer abschließenden Lesung des Bundeshaushalts überhaupt nicht zu Wort kommen lassen?

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Kollege, aus Respekt vor dem Antwortenden bleibt man normalerweise stehen. Aber wenn Sie Probleme haben, dann können Sie sich gern setzen.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU)

   Es ist noch nicht so weit, dass Sie festlegen, wer von der FDP redet.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Es war ja nur eine Frage!)

Noch steht es uns frei, im Parlament das zu sagen, was wir wollen. Wir lassen uns von Ihnen nicht vorschreiben, wer von uns redet.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Kümmern Sie sich um Ihre Eier! Machen Sie einmal eine gescheite Politik! Das ist besser, als sich nach Ihrer blamablen Rede mit so einem Kasperletheater hier im Parlament profilieren zu wollen.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Oberkasper!)

   Unsere Sozialsysteme sind schwer angeschlagen. Die Lohnnebenkosten steigen. Von dem Ziel, sie auf 17 Prozent zu senken, sind wir weit entfernt; sie bewegen sich wieder auf 20 Prozent zu. Das Kernproblem ist: Sie managen die Krise nur; aber Sie haben kein Konzept für eine wirtschaftspolitische Runderneuerung Deutschlands. Es fehlt Ihnen an Ideen und an Mut, die notwendigen Veränderungen vorzunehmen.

   Wachstum kommt dann zustande, wenn wir Steuern senken. Ihre sozialdemokratische Ministerpräsidentin in SchleswigHolstein, Frau Simonis, macht eine Kampagne, die Steuererhöhungen in Höhe von 20 Milliarden Euro vorsieht. Sie will die Mehrwertsteuer um drei Prozentpunkte erhöhen, sie will die Erbschaftsteuer erhöhen und sie will die Vermögensteuer wieder einführen. Keiner widerspricht, weder Herr Eichel noch Herr Diller – er sitzt inzwischen wieder auf seinem Platz – noch Herr Klement.

   Durch diese Äußerungen werden die Menschen in unserem Land permanent verunsichert. Sie lassen das zu. Sie dürfen sich daher nicht wundern, dass das Angstsparen zunimmt und dass wir die Binnenkonjunktur nicht in den Griff bekommen. Die Menschen müssen ja – das ist der Eichhörncheneffekt – Vorsorge betreiben, wenn Sie ihnen täglich von neuen Bedrohungen und Zusatzbelastungen erzählen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Franz Müntefering (SPD): Und wenn sie Ihre Reden hören, dann auch!)

So kommen Sie nicht voran.

   Herr Müntefering, ich darf mich bei Ihnen ausnahmsweise einmal bedanken: Sie haben dem Spuk, den 3. Oktober, den Nationalfeiertag, abzuschaffen, um so das Wirtschaftswachstum zu fördern, ein Ende bereitet. Es hat mich schon schockiert, dass die Partei Willy Brandts solche Überlegungen öffentlich vorträgt. Sie sind offensichtlich der letzte Patriot der Sozialdemokraten. Ich bedanke mich dafür, dass es durch Sie eine solche Haltung, für die Willy Brandt einmal stand, bei Ihnen noch gibt.

   Stichwort Bürokratieabbau: Herr Clement wird bei keiner Rede müde, zu sagen: Jawohl, da müssen wir etwas machen. Recht hat er! „Masterplan“ und ähnliche tolle Begriffe werden in die Diskussion eingebracht. Lesen Sie einmal die „Süddeutsche Zeitung“ von heute – sie ist Ihnen ja durchaus gewogen –: Worten sollen Taten folgen; von 1 000 Vorschlägen sind 29 auf den Weg gebracht worden. So wird Bürokratie nicht abgebaut und so wird dem Mittelstand nicht geholfen, neue Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Stichwort Ladenschlusszeiten: Statt die Ladenschlusszeiten in der Woche endlich freizugeben, schieben Sie die Beratung dieses Themas in die Föderalismuskommission ab. Nichts von dem, was angekündigt worden ist, wird umgesetzt. So werden wir mit Sicherheit keinen Befreiungsschlag schaffen.

   Unser Kernproblem ist: Ein niedriges Wachstum geht mit einer zu geringen Elastizität der Volkswirtschaft und mit einer zu geringen Fähigkeit zur Absorption von Veränderungen einher. Jede Veränderung draußen in der Welt – Schwankungen des Wechselkurses oder der Ölpreise – wirkt sich bei uns stärker als woanders auf das System aus, weil unsere Volkswirtschaft im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften in Bezug auf Elastizität und Fähigkeit zur Absorption von Veränderungen insgesamt zu schwach ist.

   Das hat etwas mit den Arbeitsmarktstrukturen zu tun: Sie lassen betriebliche Bündnisse für Arbeit nicht zu. Sie lassen nicht zu, dass die Beschäftigten, der Betriebsrat und die Unternehmensleitung bei einer Mehrheit von 75 Prozent eigene Wege finden können. Sie halten das Tarifkartell hoch, weil Sie Angst vor den Gewerkschaften haben. Besser wäre es, den Arbeitnehmern im Betrieb – es geht um deren Job und deren Lebensperspektive – die Möglichkeit zu geben, selbst zu entscheiden.

(Beifall bei der FDP)

Wir setzen dabei einen hohen Anspruch. Das alles wird verweigert und anschließend wundern Sie sich, dass wir nicht vorankommen.

   Sie haben das ERP-Vermögen wieder angetastet. Ich habe sowieso nicht verstanden, weshalb das Wirtschaftsministerium die Deutsche Ausgleichsbank aus der Hand gegeben hat. Eigentlich dürfte mich das nicht wundern; denn Ihr Vorgänger hat wirtschaftspolitische Themen mit nicht allzu viel Tiefgang behandelt.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Nicht so arrogant, Herr Brüderle! Das macht keinen guten Eindruck!)

Sie lassen zu, dass Ihre Förderinstrumentarien schleichend ausgehöhlt werden. In diesem Bereich kann man etwas für den Mittelstand tun, der große Probleme hat.

(Volker Kröning (SPD): Welche Anträge hat denn die FDP gestellt?)

Pro Jahr gibt es 50 000 bis 60 000 Konkurse. Wir streiten uns über 30 000 fehlende Ausbildungsplätze in Deutschland, müssen aber jährlich 60 000 Konkurse verzeichnen. Wenn wir in einem Jahr diese Konkursquote nicht hätten, hätten wir keine Probleme bei der Ausbildungsplatzsituation. Das sind die wahren Zusammenhänge.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   In wenigstens einem Satz will ich exemplarisch sagen, was der zweite Kernbereich ist. Dass Arbeitsplätze durch Verlagerung verloren gehen, ist bei einer offenen Wirtschaft und Strukturwandel nicht verhinderbar. Aber es muss Neues entstehen. In Deutschland entsteht aber kaum etwas Neues. Ich nenne nur die Gentechnik. Herr Fischer hat es als hessischer Umweltminister fertig gebracht, die Insulinproduktion bei den Farbwerken Hoechst aus Hessen und aus Deutschland zu vertreiben. Heute importieren wir künstlich hergestelltes Insulin für die Therapie, weil es günstiger ist. Frau Künast ist gerade dabei, durch ein Gentechnikverhinderungsgesetz einen Wachstumsbereich, in dem wir echte Chancen hätten, neue Arbeitsplätze zu schaffen, neue Perspektiven zu erreichen, kaputt zu machen. Sie arbeitet mit Studien aus den 40er-Jahren über Maisanbau im Kaukasus und ähnlich skurrilen Dingen – aus ideologischen Gründen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb haben wir zu wenig Zukunftsperspektive. Deshalb kommen wir nicht voran.

   Wir legen Rückholprogramme für Wissenschaftler auf. Machen Sie es doch gleich so, dass die Wissenschaftler hier bleiben, dass sie in Deutschland vernünftig arbeiten können, dass neue Arbeitsplätze entstehen, dass der Strukturwandel vernünftig bewältigt werden kann, statt durch permanente Blockaden zu verhindern, dass das, was bei uns an Perspektive möglich ist, umgesetzt wird! Wir sind nicht blöder als früher. Wir sind nicht fauler als früher. Wir sind in Deutschland falsch aufgestellt. Teil der falschen Aufstellung ist die Regierung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Otto Fricke, FDP-Fraktion.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie haben wohl alle keine Redezeit gekriegt, oder?)

Otto Fricke (FDP):

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition! Wenn man vom werten Kollegen Kröning zweimal angesprochen wird, muss man auch die Chance erhalten, dazu kurz Stellung zu nehmen.

   Herr Kollege Kröning – verehrter Kollege Kröning! –,

(Volker Kröning (SPD): Ich höre zu!)

erstens zu der Frage, warum ich nicht rede. Meine Fraktion hat so großes Vertrauen in mich, dass sie mich diese Woche sogar dreimal reden lässt. Es ist nicht notwendig, dass ich zu jedem Haushalt rede. Was Sie gesagt haben, ist also falsch.

   Zweitens. Meine Fraktion hat großes Vertrauen in den Kollegen Brüderle. Er sagt hier genau die richtigen und notwendigen Sachen.

   Drittens sind wir beide uns darüber einig, glaube ich, Herr Kollege Kröning, dass Wirtschaftspolitik und Arbeitsmarktpolitik nicht nur vom Haushalt, nicht nur von nüchternen und trockenen Zahlen, sondern zu einem großen Teil auch davon abhängig sind, welche Wirtschaftspolitik und welche Gesetze gemacht werden.

(Beifall bei der FDP)

   Schließlich, Herr Kollege Kröning, habe ich von Ihnen gleich am Anfang Ihrer Rede gehört, dass Sie mich hier sehr vermisst haben. Das finde ich sehr nett. Das zeigt, dass wir unter uns Haushältern trotz aller Auseinandersetzungen immer eine sehr starke Verbundenheit haben.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist Zeitschinderei!)

Aber es ist nicht nur Aufgabe des Haushälters, in den Haushaltsdebatten da zu sein, Herr Kollege Kröning; es ist auch Aufgabe des Haushälters, sich darum zu kümmern, dass der Haushalt in Ordnung kommt. Sie bemühen sich gemeinsam mit Ihrem Koaltionspartner nicht darum, einen verfassungsgemäßen Haushalt hinzubekommen. Sie bemühen sich nicht, den Haushalt 2004 verfassungsgemäß zu machen.

(Zuruf des Parl. Staatssekretärs Karl Diller)

– Herr Kollege Diller, wir schon. Ich kann Ihnen das dicke Buch noch einmal zum Lesen geben. Vielleicht fällt Ihnen doch noch etwas ein. – Deswegen kümmert sich die FDP-Fraktion gemeinsam mit der CDU/CSU-Fraktion darum, wie wir vernünftig und Haushältern gemäß nach Karlsruhe gehen, um die Ausgaberitis, die Sie hier wieder betreiben, endlich zu stoppen.

   Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Kröning, Sie haben das Wort zur Reaktion.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Er muss auf so einen Schwachsinn nicht antworten!)

Volker Kröning (SPD):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es steht für uns beide fest, Herr Kollege Fricke, dass wir uns höflich behandeln. Ich habe nicht Sie kritisiert; ich fühle mich aber verpflichtet, Ihre Fraktion zu stellen.

   Von Herrn Brüderle ist gesagt worden, dass unzulässigerweise Förderprogramme gekürzt werden. Auf der anderen Seite aber verkündet Ihre Fraktion laut „FAZ“ vom heutigen Tag – die nenne ich nur beispielhaft –, dass Sie weitere Einsparungen in Höhe von 5,6 Milliarden Euro bei Zuwendungen, Zuschüssen und sonstigen Titeln für realistisch halten.

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Ja!)

Das mag so allgemein sein, dass das niemand erkennt. Ich will aber auf die Anträge eingehen, die Sie im Haushaltsausschuss gestellt haben. Ich bitte Sie, mir durch wen auch immer – durch Sie, Ihren Fraktionsvorsitzenden oder den fabelhaften Herrn Brüderle, zu dessen Ausführungen mir nur noch der Satz einfällt: same procedure as every year –

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

zu sagen, was Sie mit Ihrer Kritik an der gesetzlichen und finanziellen Förderpolitik des Bundes gemeint haben. Im Haushaltsausschuss haben Sie Kürzungen vorgeschlagen, die nicht nur die Förderprogramme PRO INNO und INNO-WATT betreffen, die ich vorhin erwähnt habe, sondern zum Beispiel auch die Förderung von Existenzgründungen und Technologietransfer, die Förderung der Innovationsfähigkeit von mittleren und kleineren Unternehmen und die Förderung der Errichtung, Modernisierung und Ausstattung von überbetrieblichen Fortbildungseinrichtungen. Durch Kürzungen in diesen und vielen weiteren Punkten sollen im Bereich der Mittelstandspolitik nach Ihren Vorstellungen insgesamt 20 Prozent eingespart werden. Sie verhalten sich unaufrichtig, wenn Sie diese Frage nicht aufklären.

(Beifall bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Wir verlängern die Debatte jetzt nicht mehr! Wir kommen darauf zurück!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort erteile ich Kollegin Anja Hajduk, Bündnis 90/Die Grünen.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorab eine Bemerkung machen, die nicht unmittelbar im Zusammenhang mit dieser Debatte steht. Orange ist die Farbe der Opposition in der Ukraine. Ich glaube, heute ist ein Tag, an dem wir mit den Orangen auf unseren Plätzen in diesem Haus unsere Solidarität mit der Opposition in der Ukraine zeigen sollten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Von Abgeordneten der SPD werden orangefarbene Aktendeckel emporgehalten)

– Ich sehe, wir sind uns darüber in diesem Hause einig. Wir können nur wünschen, dass der Kampf der Opposition um die Anerkennung ihres Erfolges auf friedliche Weise gelingt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Nun zurück zum Haushalt: Der Haushalt des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit ist der Haushalt mit den größten Veränderungen auf der Ausgabenseite. Das hängt hauptsächlich natürlich mit der sehr schwierigen Situation, die wir auf dem Arbeitsmarkt haben, zusammen. Es wurde hier schon erwähnt, dass die Zahl von derzeit 4,5 Millionen Arbeitslosen aufgrund der statistischen Veränderungen im Winter möglicherweise in Richtung 5 Millionen geht.

   Gerade da es aber der Haushalt mit den größten Veränderungen ist, kann man am Umgang mit diesem Haushalt ablesen, wie überzeugend bzw. wie widersprüchlich und hilflos die Änderungsvorschläge der Opposition sind. Ich muss damit beginnen, weil hier von den Kollegen Fuchtel und Brüderle Vorwürfe gegen uns erhoben wurden. Der Kollege Fuchtel hat gesagt, die Union habe den Mut zum rigorosen Sparen. Vielleicht genauso gemeint, aber in sich vollkommen widersprüchlich wirft uns der Kollege Austermann vor, wir würden einen unseriösen Haushalt vorlegen, der nicht den Prinzipien von Haushaltsklarheit und -wahrheit entspreche.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Richtig! – Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Da hat er Recht! – Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Er ist verfassungsunkonform! – Gegenruf des Abg. Klaus Brandner (SPD): Schallplatte!)

   Dazu sage ich Ihnen Folgendes: Wir haben in den Haushaltsberatungen den Ansatz für den Arbeitsmarktbereich nach oben korrigieren müssen, weil wir auf ein Vermittlungsausschussergebnis reagieren mussten, für das auch Sie die Verantwortung tragen. Demnach werden die Kommunen um weitere 1,4 Milliarden entlastet werden. Sie haben auch unsere Entscheidung gebilligt, den Auszahlungstermin für das neue Arbeitslosengeld II auf Januar zu legen. Das ist richtig, und das alles kostet uns 2,2 Milliarden mehr. Schließlich haben wir den Etat erhöht, weil es aufgrund der neuen wirtschaftlichen Daten bezüglich des Gesamtvolumens für das Arbeitslosengeld II im Jahre 2005 höhere Risiken gibt und weil die Bundesagentur für Arbeit mehr Geld braucht. Wir haben also für Haushaltswahrheit und -klarheit gesorgt, indem wir den Ansatz um insgesamt 3,8 Milliarden erhöht haben. Was machen Sie? Sie wollen einfach noch 2 Milliarden streichen. Sie schaffen damit allein im Arbeitsmarktbereich eine Risikolücke für das Ministerium für Wirtschaft und Arbeit in Höhe von über 5 Milliarden.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Das ist in höchstem Maße fahrlässig und unseriös. Ich würde sogar so weit gehen, zu sagen, das, was Sie hier veranstalten, ist Betrug an der Öffentlichkeit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich will auch etwas zu dem so mächtigen Wort, Rot und Grün mache arm und arbeitslos, sagen. Das ist eine maßlose Unverschämtheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Herr Fuchtel, der Kollege Laumann aus Ihrer Fraktion hat Sie zum Glück aufgefordert: Herr Fuchtel, sagen Sie einmal, was wir beantragen. Darauf haben Sie geantwortet: Wir wollen jetzt 1 Milliarde Euro bei der Arbeitslosenhilfe streichen, weil sich Rot-Grün damit nur ein Polster anlegt. – Das ist eine maßlose Frechheit.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Denn diese 1 Milliarde Euro wird – das war schon immer so – als Dezembergeld für die Arbeitslosenhilfeempfänger im Januar etatisiert. Dieses Geld wollen Sie einfach einkassieren. Den Mut, das mit einer gesetzlichen Änderung zu erwirken, haben Sie aber nicht. Sie unterstellen uns, wir würden auf diese Weise ein Polster schaffen. Aber wenn hier jemand die Leute arm machen würde, dann die, die diesen Antrag durchsetzen würden, und das sind Sie. Wir werden das jedoch nicht mitmachen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, gestatten Sie ein Zwischenfrage des Kollegen Austermann?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Wenn es denn der Erhellung der CDU/CSU dient, gerne.

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Frau Kollegin Hajduk, sind Sie bereit, erstens zur Kenntnis zu nehmen, dass die Tatsache, dass die FDP und wir Änderungsanträge zu diesem Haushalt gestellt haben, nicht bedeutet, dass wir uns für den Haushalt insgesamt für verantwortlich erklären, und zweitens, dass wir gemeinsam in der letzten Sitzung des Haushaltsausschusses 1,4 Milliarden Euro mehr zur Verfügung gestellt haben, die zusätzliche Ausgaben für die Arbeitslosenhilfe im November und Dezember abdecken sollten, dass wir nach dieser Entscheidung sagen, dass für die Arbeitslosenhilfe im Januar – die Arbeitslosenhilfe hat eine Rekordhöhe von 18,8 Milliarden Euro erreicht, weil es noch nie so viele Langzeitarbeitslose gab – nicht noch ein Betrag von 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt werden muss, und dass wir den Betrag aus diesem Grunde streichen wollten? Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin froh, dass Sie diese Frage stellen, denn ich hoffe, dass Sie nach meiner Antwort verstehen, worum es bei diesen 1,5 Milliarden Euro im Januar eigentlich geht. Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie der diesjährigen Nachveranschlagung für die Arbeitslosenhilfe zugestimmt haben.

(Otto Fricke (FDP): Aber wir nicht!)

Aber die Arbeitslosenhilfe wird doch immer am Ende eines Monats gezahlt und im folgenden Monat etatisiert.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das ist Mogelei!)

Sie haben einem Betrag zugestimmt, der nur für die Zahlungen an die Arbeitslosenhilfeempfänger reicht, die dem Monat November zuzuordnen sind.

   Ich möchte nur, dass Ehrlichkeit in diese Debatte einkehrt,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das wird Zeit!)

auch bei Ihnen. Dazu gehört, zu sagen, dass die Zahlung, die im Januar etatisiert wird, sich auf die Zahlung für die Arbeitslosenhilfeempfänger im Dezember bezieht. Wenn Sie bei den Arbeitslosenhilfeempfängern keine tatsächliche Kürzung wollen, bitte ich Sie, zuzugeben, dass Sie sich geirrt haben und Ihre Milliardenentlastung eine Luftnummer ist. Dann sind wir uns einig.

   Ich will Ihnen nur eines noch in Erinnerung rufen, Herr Austermann, denn ich bin sehr für eine sachliche Debatte. Ihre Zustimmung zu der Nachveranschlagung bei der Arbeitslosenhilfe war richtig. Ich konnte aber überhaupt nicht nachvollziehen, dass Sie sich bei der Veranschlagung des Arbeitslosengeldes II ausgerechnet bei der Entlastung der Kommunen bei den Unterkunftskosten – Ergebnis des Vermittlungsausschusses –, bei diesen zusätzlichen 1,4 Milliarden Euro, die Sie unbedingt wollten, im Haushaltsausschuss enthalten haben.

(Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

Das ist völlig lächerlich. Ich finde, Sie sollten so viel Gradlinigkeit besitzen, zu den Sozialreformen, denen Sie zugestimmt haben, auch hier im Plenum zu stehen. Das darf die Öffentlichkeit auch von einer Opposition erwarten.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Hajduk, gestatten Sie eine Nachfrage des Kollegen Austermann und dann eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Fuchtel?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja, es ist ja ein wichtiges Thema.

Dietrich Austermann (CDU/CSU):

Frau Kollegin, ich sage es noch einmal: Dass wir zu verschiedenen Punkten Änderungsanträge vorgelegt haben, bedeutet nicht, dass wir uns mit dem Gesamtkonzept von Hartz IV, wie es jetzt kalkuliert ist, einverstanden erklären. Deshalb haben wir uns an dieser Stelle enthalten. Dass die Kalkulation bei Hartz IV vorne und hinten nicht aufgeht, weiß inzwischen jeder. Sie selbst haben an anderer Stelle gesagt, Sie sehen dort große Risiken. Deswegen werden Sie sich nicht wundern, dass wir uns – ich glaube, das können Sie verstehen und den Menschen auch erläutern – an dieser Stelle enthalten haben. Sind Sie bereit, das zur Kenntnis zu nehmen?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich bin bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass Sie unsere Konzepte nicht mittragen wollen; denn es handelt sich um schwere Entscheidungen, die Sie dann noch konsequenter mitverantworten müssten. Ich gestehe Ihnen zu, dass Sie das nicht tun. Aber ich erlaube mir hier auch, einen Widerspruch deutlich zu machen: Sie unterveranschlagen im Arbeitsmarktbereich, Ihre Haushaltsplanung enthält zu große Risiken und Sie wären dafür verantwortlich, dass noch einmal 5 Milliarden Euro weniger dort etatisiert wären. Diesen Widerspruch haben Sie zu verantworten. Ich lege Wert darauf, dieses hier deutlich zu machen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollege Fuchtel.

Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):

Meine erste Frage. Frau Kollegin Hajduk, sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass meine Aussage, Rot-Grün mache arm und arbeitslos, sich auf die Gesamtsituation bezieht, die aufgrund der hohen Zahl von Arbeitslosen in unserem Land, sowohl in Ost als auch in West, eingetreten ist? Darauf können Sie nicht einfach mit Nein antworten. – Das ist meine erste Frage.

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Kollege Fuchtel, Sie müssen sich schon entscheiden, ob Sie eine oder mehrere zusammenhängende Fragen stellen wollen.

Hans-Joachim Fuchtel (CDU/CSU):

Dann stelle ich noch eine zweite Frage. Sind Sie bereit, zur Kenntnis zu nehmen, dass in einem Schreiben des Finanzministeriums – das ist die Ausschussdrucksache 15/2493 des Haushaltsausschusses – die überplanmäßige Ausgabe in Höhe von rund 1,4 Milliarden Euro damit begründet wird, dass der Bedarf für die Monate November und Dezember 2004 abgedeckt werden solle?

   In diesem Schreiben steht nicht, dass der Bedarf noch höher liegt. Es wurde der Eindruck erweckt, dass mit diesem überplanmäßigen Ausgabenbedarf der gesamte zusätzliche Bedarf abgedeckt wird. Aber heute nehmen Sie eine ganz andere Haltung ein. Im Übrigen wissen Sie sehr wohl, dass alle Titel deckungsfähig sind. Oder ist Ihnen das in diesen Minuten am Rednerpult entfallen?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Zur zweiten Frage. Herr Fuchtel, ich bin bereit, Ihnen das in einem Vieraugengespräch außerhalb des Plenums noch einmal zu erklären,

(Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

da Sie es offenbar immer noch nicht verstanden haben.

(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Zur ersten Frage möchte ich sagen: Ich bin durchaus bereit, anzuerkennen, dass Sie sich mit unserer Politik insgesamt nicht einverstanden erklären wollen. Das entnehme ich Ihrer frechen Behauptung, unsere Politik mache arm und arbeitslos. Ich stelle fest: Wenn es konkret wird, dann verdrücken Sie sich. Das ist unredlich.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

   Ich möchte an dieser Stelle deutlich machen: Die Politik von Rot-Grün im Bereich des Arbeitsmarktes ist gar nicht so einfach. Sie bedeutet nämlich Einschränkungen, zum Beispiel Einschränkungen durch Hartz III und Hartz IV. Es geht also nicht nur um die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe, sondern auch – das habe ich schon erwähnt – um die Verkürzung der Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes auf maximal 12 bzw. 18 Monate. Das wird zu einer großen Entlastung ab den Jahren 2007 und 2008 führen. Auch diese langfristige Wirkung ist sehr wichtig; denn wir müssen auch auf lange Sicht den Haushalt strukturell auf feste Füße stellen.

   Wir können heute lesen – das ist eine gute Nachricht –, dass die Praxis der Frühverrentung zurückgegangen ist. Es ist wichtig, dass wir in diesem Bereich umsteuern und umdenken. Wir schaffen die Voraussetzungen – das ist für uns eine große Herausforderung –, dass die Vermittlungsbemühungen der Bundesagentur auch mit Blick auf die Arbeitgeber intensiviert werden.

   Ich möchte noch erwähnen, dass man heute schon spüren kann, dass die Bundesagentur ihre Aufgabe, ihre Haushaltsmittel effizient einzusetzen, sehr ernst nimmt. Im Jahr 2004 gab es auf dem Arbeitsmarkt keine Entlastung. Die Situation bleibt weiterhin sehr schwierig. Mit Blick auf die Opposition möchte ich sagen: Wenn der Bundesagentur wegen der schlechten Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt Mittel in Höhe von über 1 Milliarde Euro fehlen, dann ist es eine große Leistung – das müssen auch Sie anerkennen –, dass sie durch Umschichtung der Ausgaben ungefähr mit den Mitteln auskommt, die wir veranschlagt haben. Diese neue Politik der Bundesagentur sollten wir alle würdigen. Sie ist nicht einfach durchzusetzen; denn sie betrifft auch Maßnahmen für Arbeitslose, die an der einen oder anderen Stelle nicht mehr so gefördert werden können wie früher. Aber insgesamt muss man sagen, dass dies der richtige Ansatz ist. Das muss einmal deutlich gesagt werden. Es zeichnen sich auch schon Erfolge ab.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte jetzt auf die FDP eingehen. Bei der Beratung dieses Haushaltes – auch Sie sagen, man brauche Mut zum rigorosen Sparen – haben Sie nicht nur für den Bereich des Arbeitsmarktes, wie ich finde, völlig unseriöse Sparvorschläge gemacht. Sie haben auch in dem Bereich Förderung der Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit kleinerer und mittlerer Unternehmen und vor allem auf dem Gebiet Forschung, Entwicklung und Innovation im Bereich des Mittelstandes Kürzungsvorschläge mit einem Volumen von rund 130 Millionen Euro vorgelegt.

   Als Haushälterin habe ich gewiss Respekt davor, wenn man auch bei Dingen, die man im Prinzip für gut hält, um Einsparungen wirbt. Aber vorzuschlagen, Mittel für Forschung, Entwicklung und Innovation in einem Bereich, wo dies für unseren wirtschaftlichen Standort wirklich wichtig ist, in einem solchen Ausmaß zu rasieren, sich jedoch bei der Abschaffung der Eigenheimzulage stur zu stellen, lässt darauf schließen, dass Sie im Moment wirtschaftspolitisch ein großes Kompetenzloch haben.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist unglaublich! – Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Sie haben es nicht begriffen!)

Das ist natürlich schwer für eine Partei, die immer für den Mittelstand eingetreten ist.

(Abg. Rainer Brüderle (FDP) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

   Herr Brüderle, stellen Sie einen Kontakt zwischen Ihren Haushältern und Ihren Wirtschaftspolitikern her! Das müssen Sie bereinigen; das passt auf keine Kuhhaut. Haben Sie mehr Mut beim Subventionsabbau!

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Hajduk, gestatten Sie eine Zwischenfrage?

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Nein. Ich möchte jetzt zum Schluss kommen.

   Ich möchte zum Abschluss ein Wort zur Steinkohle sagen; denn das ist der Subventionsabbaubereich, bei dem Sie uns Vorwürfe machen. Dazu muss ich ganz deutlich sagen: Sowohl der Vorschlag von der CDU/CSU als auch der von der FDP, die in diesem Bereich gewährten Subventionen im nächsten Jahr einfach auf null zu setzen, ist nicht ehrlich. Da gibt es gesetzliche Festlegungen.

(Beifall der Abg. Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Wir Grünen sind gewiss für eine stärkere Regression der Steinkohlesubventionen. Aber ich sag Ihnen eines – Herr Präsident, ich bin gleich fertig –: Wir machen einen realistischen und stärkeren Subventionsabbau. Nicht nur die Summe reduziert sich. Wir haben vielmehr mit unserem Koalitionspartner vereinbart, dass der Weltmarktpreis, wenn er hoch bleibt, bei der nächsten Runde der Kohlefinanzierung tatsächlich zusätzlich subventionsmindernd wirken wird. Das sind realistische Perspektiven für einen stärkeren Subventionsabbau.

   Mehr Realismus, mehr Ehrlichkeit hat die Bevölkerung in so schweren Zeiten verdient. Sie bauen immer nur Luftschlösser auf und verwenden kraftvolle Worte. Wenn aber schwierige Dinge zu entscheiden sind, dann schlagen Sie sich in die Büsche. Das ist traurig, aber leider wahr.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Rainer Brüderle.

Rainer Brüderle (FDP):

Kollegin Hajduk, nachdem Sie meine Zwischenfrage nicht zugelassen haben, will ich auf diese Weise klarstellen: Wir alle reden seit Jahren über den Subventionsabbau.

(Fritz Kuhn (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie sehen so gelb im Gesicht aus!)

– Wenn ich Sie sehe, immer. Dann kommt mir alles hoch. – Wir kommen aber trotz aller Diskussionen und des Weltökonomen Kuhn seit Jahren im Subventionsabbau nicht voran.

   Jetzt sagt die FDP: Wir müssen endlich in den Abbau von Subventionen einsteigen. Dieser Abbau sollte querbeet um 20 Prozent erfolgen. Denn keiner kann behaupten, dass er, wenn er nur noch über 80 Prozent der Mittel verfügt, seine Aufgabe nicht mehr erfüllen kann. Es wird nur gehen, indem Sie mit der Rasenmähermethode einsteigen. Der Subventionsabbau ist seit vielen Jahren ein Ladenhüter. Deshalb wurde dieser Ansatz gewählt. Sie können nicht so vorgehen, dass es an einer bestimmten Stelle nicht sein darf. Wenn Sie in den Subventionsabbau einsteigen, dann müssen Sie querbeet alle Subventionen um 20 Prozent heruntersetzen.

   Zur Eigenheimzulage. Die Eigenheimzulage gehört im Rahmen einer vernünftigen Steuerreform abgeschafft; das ist völlig richtig. Aber sie jetzt isoliert abzuschaffen, ohne gleichzeitig steuerlich zu entlasten, heißt, dass Sie faktisch die Steuern erhöhen und der Not leidenden Bauwirtschaft, der es am schlechtesten von allen Sektoren geht, noch einen Tritt draufsetzen.

(Katrin Göring-Eckardt (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das haben Sie immer noch nicht verstanden!)

Reden Sie einmal mit der IG BAU oder mit anderen, die etwas davon verstehen. Ein isolierter Abbau ohne eine Entlastung ist eine Steuererhöhung.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   In einer Zeit, in der die Binnenkonjunktur seit vier Jahren lahmt, Steuererhöhungen zu betreiben heißt, dass Sie die Einführungsvorlesung in die Volkswirtschaftslehre nachholen müssen – vielleicht gemeinsam mit dem Weltökonomen Kuhn, der immer durch große Originalität glänzt.

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Hajduk.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Kollege Brüderle, ich bin überzeugt: Wir brauchen diese volkswirtschaftliche Vorlesung gar nicht, sondern – ich sage das noch einmal – mehr Ehrlichkeit in dieser Debatte. Die Steuern werden zum 1. Januar nächsten Jahres gesenkt. Daher besteht jetzt die Möglichkeit – das sagen uns die Sachverständigen –, den Subventionsabbau anzugehen. Das ist in der volkswirtschaftlichen Diskussion ganz unstrittig. Leider wollen Sie da nicht mitmachen. – Das zur Eigenheimzulage. Hier kann man natürlich unterschiedlicher Meinung sein, wenn man von dieser Zulage überzeugt ist.

Jetzt möchte ich noch etwas zum Subventionsabbau sagen; denn Sie haben gerade gesagt, man müsse Mut zur Rasenmähermethode im Haushalt haben. Wenn Sie meinen Worten nicht folgen wollen, dann nehmen Sie doch wenigstens Ihren eigenen Antrag ernst, den Sie diesem Hause im Sommer vorgelegt haben. Darin haben Sie ein Subventionsabbaugesetz vorgeschlagen, in dem es in erster Linie darum ging, alle steuerlichen Subventionstatbestände, damit auch die Eigenheimzulage, abzuschaffen. Sie haben die sofortige Abschaffung dieser Steuersubventionen gefordert. Darüber hinaus hieß es, wenn es Subventionen geben soll, dann höchstens als befristete und degressive Finanzhilfen.

   Wir steuern um, wir geben Finanzhilfen, befristet und degressiv. Wir werben bei Ihnen für Ihr Mitmachen im Bundesrat, wir werben für den Steuervergünstigungsabbau. Sie müssen sich Ihren Antrag noch einmal vergegenwärtigen, Sie sollten ihn auch dem Kollegen Westerwelle zeigen; denn er hat das in der gestrigen Debatte ganz anders dargestellt.

   Nehmen Sie sich doch selber ernst! Dann kommen wir einen Schritt voran. Damit wäre auch dem Haushalt gedient.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse:

Das Wort zu einer weiteren Kurzintervention erteile ich dem Kollegen Wolfgang Gerhardt.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Die FDP muss von dieser Rede schon getroffen sein!)

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP):

Zur Erläuterung, damit wir nicht dauernd im Disput stehen, ohne dass jemand Gelegenheit erhält, dazu längere Ausführungen zu machen.

(Volker Beck (Köln) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr hattet doch Redezeit!)

   Der Mittelstand, Herr Kröning, verlangt nicht permanente Finanzhilfen und Zuweisungen. Der Mittelstand verlangt eine klare Wettbewerbschance durch Steuersenkungen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Deshalb ist der Kern der Mittelstandsförderung nicht das Programm, das Sie über Finanzhilfen und Dienstleistungen bei hohen Steuersätzen vorsehen. Wir wollen die Steuern senken und dem Mittelstand Wettbewerbs- und Chancengerechtigkeit durch niedrigere Steuern geben.

   Das Gleiche gilt für die Forschungslandschaft. Der deutschen Forschungslandschaft helfen finanzielle Zuwendungen allein nicht, ihr wäre durch eine Autonomie der Hochschulen,

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

durch eine klare Deregulierung, durch die Eröffnung von Forschungschancen in Deutschland auf Märkten, die die Grünen bisher völlig blockieren, geholfen.

   Deshalb ist der Kern Ihrer Einwendungen an uns, Frau Kollegin Hajduk und Herr Kollege Kröning, völlig verfehlt.

(Gerd Andres (SPD): Quatsch!)

Wir wollen den Subventionsabbau und Einsparungen im Haushalt, um Spielräume für Steuersenkungen zu ermöglichen, damit sich die Beschäftigungsdynamik entfalten kann.

(Beifall bei der FDP)

Sie beschränken sich auf kleines Karo, nahezu auf Pepita,

(Volker Kröning (SPD): Völlig irreal, was Sie sagen!)

auf dem ich nicht Schach spielen kann, wenn ich volkswirtschaftliche Zusammenhänge bewerte.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Kollegin Hajduk.

Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ich will das nur kurz kommentieren. Wir stehen dazu, dass wir den Schwerpunkt der staatlichen Förderung auf den Bereich Forschung und Innovation setzen. Auch Sie sind dafür, bestimmte Dinge staatlich zu unterstützen. Ich nehme zur Kenntnis, dass Sie in diesem Bereich, insbesondere für den Mittelstand, der es schwer hat, eigene Forschungsinitiativen allein voranzubringen, Absenkungen wollen. Ich glaube, es ist für Sie im Moment schwierig,

(Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Überhaupt nicht!)

hier öffentlich dazu stehen zu müssen, dass Sie in diesem Forschungs- und Entwicklungsbereich einen überproportionalen Eingriff vornehmen wollen. Ich halte diese überproportionale Absenkung für falsch und bin sehr dafür, dass Rot-Grün bei der Unterstützung der Innovationsfähigkeit unserer Gesellschaft vorangeht und nicht bei alten Hüten bleibt.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Belassen Sie das vorher bei ihnen! Erst wollen Sie es abnehmen und dann zurückgeben!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Nun erteile ich dem Kollegen Arnold Vaatz, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Gestatten Sie mir eingangs einen Satz zur Ukraine. Es ist uns – das erkläre ich namens meiner Fraktion – genauso wie der Fraktion der Grünen ein Anliegen – ich nehme an, das gilt für alle Fraktionen in diesem Haus –, dass es die demokratischen Kräfte in der Ukraine erreichen, dass die Verhältnisse in der Ukraine nicht wieder so werden, wie sie vor dem Fall des Eisernen Vorhangs in Europa waren. Dafür haben sie unsere Solidarität.

(Beifall bei der CDU/CSU und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD und der FDP)

Ich halte es für richtig, dass wir das auch optisch durch eine Orange zum Ausdruck bringen. Orange ist die Farbe der Hoffnung in der Ukraine, es ist im Übrigen auch die Farbe der CDU.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Der Hoffnung?)

Ich möchte Sie von der Koalition aber auch daran erinnern, dass Sie den Bundesaußenminister stellen. Wir erwarten vom Bundesaußenminister, dass er zu dieser Situation klare Worte äußert. Dem sollte auch eine allzu enge Männerfreundschaft zu Politikern einer anderen Partei nicht im Wege stehen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Kommen wir zum Einzelplan Wirtschaft und Arbeit. Diese Aussprachen dienen ja immer einer grundsätzlichen Verständigung über die Regierungspolitik. In diesem Zusammenhang möchte ich Sie zunächst einmal an ein Wahlversprechen erinnern. Die SPD hat im Jahre 1998 den Wahlkampf mit der klaren Zielsetzung geführt, die Arbeitslosigkeit in Deutschland signifikant abzusenken. Insbesondere wir in Ostdeutschland haben auf diese Ankündigung Hoffnungen gesetzt. In Ostdeutschland waren die Chancen für eine Absenkung der Arbeitslosigkeit damals auch gar nicht so schlecht. Denn es gibt ja in Ostdeutschland gleichzeitig das dramatische demographische Problem, das darin besteht, dass wesentlich mehr ältere Arbeitnehmer aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind, als junge in ihn eingetreten sind. Wenn also die Zahl der Arbeitsplätze in Ostdeutschland nur konstant geblieben wäre, hätten wir schon mit einer leichten Entspannung rechnen können. Heute, sechs Jahre danach, müssen wir feststellen: Es ist nichts, aber auch gar nichts von dieser Versprechung, die Arbeitslosigkeit in Deutschland signifikant zu senken, eingelöst worden.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Leider, leider ist das wahr!)

Das ist leider die Realität. Es nützt nichts, wenn das verdrängt wird; es nützt nichts, wenn beispielsweise der Herr Bundeskanzler gestern – ich habe ganz genau zugehört – über die Lage in Ostdeutschland und über die im Vergleich zum Westen doppelt so hohe Arbeitslosigkeit überhaupt kein einziges Wort verliert. Ich denke, das ist eine Provokation und ein Stück Realitätsverweigerung.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Und Realitätsverlust!)

   Es wäre eigentlich vom gesunden Menschenverstand her zu erwarten, dass man sich im Haushalt des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit dieser Lage annimmt und dass aus diesem Haushalt heraus Impulse gegeben werden, die Wege aus diesem Dauerdilemma weisen und vielleicht auch den Menschen im Osten ein Stück weit Hoffnung geben, dass sie im Vergleich zu den Menschen im Westen etwas stärker aus dem Dilemma der Arbeitslosigkeit herauskommen. Das Problem ist, dass ich solche Impulse – da bin ich nicht allein; auch die Kollegen von der FDP sind dieser Ansicht – nicht erkennen kann. Es ist wiederum ein Reparaturhaushalt, in dem nicht die Frage nach dem Aufwuchs von neuen Arbeitsplätzen in den Mittelpunkt gestellt wird, sondern in dem man sich der Verwaltung von Dauerarbeitslosigkeit widmet.

   Im Übrigen haben sich die Aussichten in Ostdeutschland auch nicht durch Hartz IV verbessert. Ich sage Ihnen heute von dieser Stelle aus: Im nächsten Jahr werden wir feststellen,

(Gerd Andres (SPD): Das ist noch gar nicht in Kraft getreten!)

dass durch die Einführung von Hartz IV in Ostdeutschland keine zusätzlichen Arbeitsplätze geschaffen worden sind.

(Gerd Andres (SPD): Das tritt doch erst im Januar in Kraft! – Volker Kröning (SPD): Schwarzmalerei!)

Das prognostiziere ich hier. In einem Jahr werden wir uns ja bei dieser Gelegenheit wieder sehen.

   Im Übrigen haben Sie auch die Randbedingungen zur Umsetzung von Hartz IV in Ostdeutschland keineswegs günstig gestaltet. Ich darf nur daran erinnern, dass die Kommunen oder die Landkreise, die optieren werden, dadurch teilweise finanziell so überfordert werden, dass sie hinterher trotz der Kompensation schlechter dastehen werden als vorher. Das hängt mit der Art der Verteilung dieser 1 Milliarde Euro Kompensation zusammen, die sich ganz stark zulasten der ostdeutschen Kommunen, die optieren werden, auswirken wird.

(Klaus Brandner (SPD): Quatsch! – Volker Kröning (SPD): Schwarzmalerei!)

– Das ist keine Schwarzmalerei; vielmehr werden Sie sehen: Das ist die Realität.

Wer sich schon so oft getäuscht hat wie Sie, der sollte mit Vorwürfen wie „Schwarzmalerei“ sehr vorsichtig sein.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir alle wissen, dass es kein Patentrezept gibt, um die Lage in Ostdeutschland schlagartig zu verbessern; das sagen uns auch die Wirtschaftsforschungsinstitute.

   Herr Clement, Ihr Kollege Stolpe denkt laut darüber nach, wie er Wachstumskerne schaffen kann; das ist meines Erachtens falsch. Schaffen soll die Regierung keine Wachstumskerne, sondern Rahmenbedingungen dafür, dass Wachstumskerne entstehen und sich entwickeln können; das ist die richtige Denkweise.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Genau diese Rahmenbedingungen sind in Ostdeutschland nicht optimal. Dafür will ich Ihnen ein Beispiel nennen: die Energiepolitik. Die sächsischen Grünen haben im letzten Landtagswahlkampf mit dem Slogan auf sich aufmerksam gemacht, dass sie den Ausstieg aus der sächsischen Braunkohleverstromung wollen. Dieser Bereich ist in Ostdeutschland allerdings einer der ganz wenigen Anker für Dauerbeschäftigung. Diese These verfängt außerdem nur in Städten, in denen man zu den Bedingungen in den weiter abseits gelegenen Regionen gar keine richtige Bindung mehr hat. Ganz abgesehen davon sage ich Ihnen Folgendes: Das Problem ist, dass der Ausstieg aus der ostdeutschen Braunkohleverstromung tatsächlich vorprogrammiert ist, zwar nicht kurz- oder mittelfristig, aber langfristig.

   Aus welchen Gründen? Der erste Grund ist, dass es weiterhin bei der marktverzerrenden Bevorzugung der rheinischen Steinkohle durch Subventionszahlungen bleiben wird. Dadurch werden die Marktchancen verringert.

   Der zweite Grund ist, dass die Brennstoffbezogenheit bei der Zuteilung von Verschmutzungslizenzen laut Nationalem Allokationsplan abgelehnt worden ist. Was bedeutet das? Das bedeutet, dass der naturgemäß geringere Wirkungsgrad bei der Verstromung von ostdeutscher Braunkohle für diese wettbewerbsverschärfend zu Buche schlagen wird. Jetzt können wir zwar bis zum Ende der Abschreibungsdauer der neuen und nach höchsten Umweltstandards gebauten Kraftwerke mit der Braunkohleverstromung rechnen. Aber es wird nicht den geringsten Anreiz dafür geben, diese Art der Energiegewinnung über diesen Zeitraum hinaus fortzusetzen und neu zu investieren. Das wird nicht geschehen.

   Der dritte Grund ist, dass Sie den Preislevel der in Deutschland erzeugten Energien durch die Vergütung für die Einspeisung von alternativen Energien so weit nach oben drücken, dass wir mittelfristig sowieso nicht konkurrenzfähig sein werden.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Ich sage nur: Windräder!)

Hinzu kommen noch die Kosten, die Sie werden aufbringen müssen, um aus der Nutzung der Kernkraft auszusteigen und sie zu substituieren. Für all das haben Sie keinerlei Vorkehrungen getroffen. Das wird unsere Wirtschaft, im Osten wie im Westen, im Mark treffen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Meine Damen und Herren, die Wirtschaft erwartet von Debatten wie dieser klare Signale. Das von Ihrem Haushalt ausgehende Signal bedeutet für die ostdeutsche Wirtschaft keine freie Fahrt; denn die Mittel für Ostdeutschland werden um fast 400 Millionen Euro gekürzt. In diesem Betrag eingeschlossen sind 155 Millionen Euro für die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur sowie 7 Millionen Euro für die Förderung des Absatzes ostdeutscher Produkte. Die Mittelstandsförderung ist seit 1998 um insgesamt 50 Prozent zurückgegangen,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ein Skandal ist das! Ein echter Skandal!)

obwohl Sie immer betonen, dass der Mittelstand der größte Hoffnungsträger unserer Wirtschaft ist.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Das Mindeste, was in den neuen Ländern bzw. in ganz Deutschland gebraucht wird, ist Planungssicherheit. Allerdings habe ich gelesen, dass Sie in Ihren Haushalt eine globale Minderausgabe in Höhe von 65 Millionen Euro einstellen werden.

Herr Clement, erinnern Sie sich bitte an die Argumente für den Tanz um die Auszahlung der GA-Mittel in diesem Jahr: Auch dieses Argument war dabei. Ich beschwöre Sie: Nutzen Sie dieses Argument nicht noch einmal, um den Auszahlungsprozess zu verzögern. Am Ende sehen wichtige Unternehmen von ihrer Absicht, in Ostdeutschland zu investieren, ab.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ein wichtiger Punkt der Planungssicherheit ist auch die Frage, wie es mit dem Solidarpakt weitergeht. Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir brauchen eine Spezifizierung der zugesagten Solidarpaktmittel in Höhe von 156 Milliarden Euro. Diese Mittel dürfen nicht zur Disposition gestellt werden – und das können sie, solange sie nicht spezifiziert sind. Dass die Sorge um Kürzungen berechtigt ist, zeigen die Kürzung der GA-Mittel und die schleichende Kürzung des Plafonds für die Investitionszulage von 2,34 Milliarden Euro 2004 und auf rund 600 Millionen Euro 2005. Beide Förderinstrumente, Herr Clement, sind wesentliche Bestandteile des Solidarpaktes.

   Aus Zeitgründen kann ich jetzt nicht mehr auf einen weiteren Punkt eingehen, der uns sehr am Herzen liegt. Alles das, was Sie im Haushalt vorsehen, ist nicht mit einer plausiblen Weichenstellung für die Reduzierung von Bürokratie und die Verkürzung von Genehmigungsverfahren verknüpft. Sie haben mit der Verlängerung des Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz um ein Jahr einen ordentlichen Ansatz gemacht. Das reicht aber nicht aus und das wissen Sie auch ganz genau: Sie wissen, was wir für Planungszeiten haben. Wir brauchen für die gesamten Planungen Dispositionssicherheit und auch für Anschlussplanungen, die sich aus vorhergehenden Planungen ergeben. Ich bitte Sie also, setzen Sie endlich Zeichen, damit wenigstens die Bürokratie und die Zähigkeit der Genehmigungsverfahren in Ostdeutschland ein bisschen zurückgehen, sodass wieder etwas stärkere Hoffnung auf einen Aufwuchs von Infrastruktur und damit ermöglichte neue Arbeitsplätze entsteht.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile dem Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Wolfgang Clement, das Wort.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich grüße Sie sehr herzlich. Ich bin dieser Debatte sehr aufmerksam gefolgt. Ich bin sehr dankbar für das, was in den Ausschüssen und auch heute zu den Haushaltsberatungen beigetragen worden ist. Ich habe teilweise erregende Beiträge gehört,

(Heiterkeit bei Abgeordneten der SPD – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Kröning!)

beispielsweise von Ihnen, Herr Kollege Brüderle, dem rheinland-pfälzischen Ökonomen. Ich habe Ihren Beitrag zur Eigenheimzulage aufmerksam verfolgt, wie Sie sie begründet haben: auch mit den strukturellen Problemen, unter denen die Bauwirtschaft derzeit leidet. Fällt Ihnen dabei nicht auf, dass Sie der Kohle im Grunde genommen das gleiche Argument widmen müssten?

(Rainer Brüderle (FDP): 40 Jahre!)

Wenn Sie sich etwas aus Rheinland-Pfalz herausbewegen, nach nebenan, ins Saarland oder nach Nordrhein-Westfalen, in eine Bergbauregion, in eine Bergbaustadt, dann sehen Sie, wie die Bergbauförderung, die finanzielle Unterstützung der Kohleförderung,

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Aufwächst!)

für den Mittelstand dort – das geht auch an die Adresse von Herrn Gerhardt, der über den Mittelstand gesprochen hat – von ausschlaggebender Bedeutung ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Otto Fricke (FDP): Dann könnten wir genauso gut noch Kutschen bauen!)

Im Übrigen, Herr Kollege Brüderle, würde ich Sie gerne darauf hinweisen, dass wir mit dem radikalen Zurückfahren der Subventionen für den Steinkohlebergbau

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Stimmt ja gar nicht!)

genau auf der Linie weiterfahren, die 1997 von meinem Amtsvorgänger, Herrn Kollegen Rexrodt, vereinbart worden ist. Auf diesem Wege fahren wir die Subventionen zurück. Wenn in allen Bereichen, einschließlich der Eigenheimzulage, so verfahren würde, wären wir mit dem Subventionsabbau heute wesentlich weiter.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Wir wären dann aus der allgemeinen Phraseologie heraus. Das ist ja das, was einem so auffällt: einerseits diese Phraseologie und andererseits das Handeln. Ich sehe jetzt gerade Herrn Kollegen Gerhardt nicht, der von Steuersenkungen und von den radikalen Schnitten, die die FDP vornehmen wollte, gesprochen hat. Sie haben viel Zeit gehabt zu solchen Schritten.

(Jörg van Essen (FDP): Das ist doch an den Ministerpräsidenten Ihrer Partei gescheitert!)

   Wir werden ab Januar einen Eingangssteuersatz von 15 Prozent haben; das ist der niedrigste Steuersatz in der Geschichte der Bundesrepublik. Weil von Mittelstand die Rede ist: Wir werden einen Spitzensteuersatz von 42 Prozent haben, der gerade für die – mittelständischen – Personengesellschaften von großer Bedeutung ist.

Deshalb empfehle ich Ihnen, das in aller Ruhe zu betrachten und auch Ihre eigene Phraseologie an den Fakten, für die Sie selbst Verantwortung tragen und die heute geschaffen werden, zu messen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Die Kohlebeihilfe steigt!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Brüderle?

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Das scheint jetzt zur Gewohnheit zu werden. Bitte sehr, Herr Präsident.

Rainer Brüderle (FDP):

Herr Minister, sind Sie bereit, mir zuzustimmen, dass der einzige wesentliche Schritt zum Abbau der Kohlesubventionen von der Vorgängerregierung und Ihrem Vorvorgänger, Herrn Rexrodt, gemacht wurde?

   Dies geschah damals trotz heftiger Gegendemonstrationen. Lafontaine und Joseph Fischer sind Hand in Hand mit den Kumpels gegen den Abbau der Steinkohlesubventionen marschiert. Ihr Vorgänger hat die Laufzeit ausdrücklich verlängert, um jetzt bei der Ruhrkohle AG als Vorstandsvorsitzender die Subventionen weiter verwalten zu können.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Herr Kollege Brüderle, die letzte Bemerkung betrachte ich als Erfüllung Ihrer Pflichtaufgabe.

   Ich erinnere mich sehr gut an die Verhandlungen mit meinem Amtsvorvorgänger, Herrn Rexrodt. Ich selbst habe damals nämlich nicht demonstriert, sondern in aller Seriosität mit ihm verhandelt. Wir haben einen vernünftigen Weg zum Rückbau der Kohle bis heute gefunden.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Jetzt geht es wieder hoch!)

Genau nach diesem Prinzip, das damals unter anderem von mir mit Herrn Rexrodt verhandelt worden ist – dieses wird bis heute umgesetzt und das setzen wir bis zum Jahr 2012 fort –, handeln wir.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das stimmt nicht!)

Wir bewegen uns also völlig in der Logik des Weges, den mein Amtsvorvorgänger, Herr Kollege Rexrodt, beschritten hat.

(Waltraud Lehn (SPD): Wir lösen Probleme!)

Ich betrachte das als außerordentlich vernünftig. Sie sollten dies auch tun.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Herr Kollege Vaatz, Sie haben sehr ruhig und sehr eindringlich über die Lage in Ostdeutschland gesprochen. Zum Ersten. Wir wollen in Ostdeutschland so wie in Westdeutschland vorankommen, indem wir insgesamt ein wirtschaftliches Wachstum in einer nennenswerten Größenordnung erzielen. Die isolierte Betrachtung von Ostdeutschland müssen wir überwinden.

(Beifall des Abg. Otto Fricke (FDP))

   Zum Zweiten. Ich weiß nicht, weshalb Sie die Wachstumskerne, die es in Ostdeutschland inzwischen gibt, einfach ignorieren. Das kann nicht in Ihrem und erst recht nicht im sächsischen Interesse liegen. Ich nehme das, was Sie sagen, sehr ernst.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es gibt kaum eine Region – erst recht nicht in Sachsen –, in der nicht neue Wachstumsimpulse und Wachstumsmöglichkeiten von den Menschen und Unternehmen vor Ort geschaffen worden sind. Sie müssen davon ausgehen, dass ich inzwischen ganz gut damit vertraut bin.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Gute Landesregierung!)

Wir tun gut daran und wir werden auch weiterhin gut daran tun, diese Wachstumskerne zu fördern. Natürlich tun wir dies nicht, indem wir andere Bereiche des Landes – zum Beispiel den landwirtschaftlichen Bereich, also die landwirtschaftlichen Regionen – außer Acht lassen. Wir tun dies, indem wir auf die Wachstumsmöglichkeiten, die dort erarbeitet worden sind, setzen und dies fortführen.

   Im Übrigen: Lassen Sie uns ein bisschen von der Diskussion über Subventionen wegkommen und über einen vernünftigen Zugang zu diesen Themen sprechen. Dann wird beispielsweise klar werden, dass die Kapitalmarktbedingungen in Ostdeutschland wie in Westdeutschland nicht gut genug sind. Deshalb bereiten wir zurzeit eine Kapitalmarktkonferenz in Ostdeutschland vor. Dies werden wir – das tun wir auch jetzt schon – in verschiedenen Regionen Westdeutschlands ebenfalls tun. Wir werden uns mit der Kreditwirtschaft zusammensetzen und sie fragen: Wie sieht es mit den Krediten und mit der Möglichkeit der Eigenkapitalbildung aus und was können die KfW-Gruppe, die hier sehr viel tut, die Sparkassen und die Kreditwirtschaft dazu beitragen? Die eigentlichen Fragen, die in Ostdeutschland gestellt und beantwortet werden müssen, sind Fragen zu Unternehmensgründungen, zum Risikokapital und zum Eigenkapitalaufbau. Wir werden sie beantworten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   In dem Entwurf des Einzelplans sind für 2005 38 Milliarden Euro vorgesehen. Das sind 3,7 Milliarden Euro mehr, als wir bei der Einbringung des Haushalts veranschlagt hatten.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): So ist es!)

88 Prozent davon – das sind 33,3 Milliarden Euro – sind Ausgaben für den Arbeitsmarkt. Das ist ein gewaltiges Volumen. Um die Probleme am Arbeitsmarkt überwinden zu können, setzen wir aber noch mehr ein.

   Auch an diesen nackten Zahlen – sehr viel mehr natürlich an den Schicksalen der Menschen – wird die Notwendigkeit von grundlegenden Reformen am Arbeitsmarkt und von Wachstum deutlich.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Aha!)

Wir brauchen in Deutschland Wachstum und Reformen, durch die dieses Wachstum gefördert wird.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ja!)

   Wie ist die Stimmungslage in Deutschland? Sie ist so, wie sie hier heute Morgen auf bilderbuchhafte Weise deutlich geworden ist: himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt. Sie finden das überall in Deutschland. Vor zwei Tagen wurden neue Daten von Unternehmen, von Privatbanken und vom Institut der deutschen Wirtschaft veröffentlicht. Die „Financial Times“ brachte vor zwei Tagen die Schlagzeile „Deutschland dümpelt in der Konjunkturflaute“. Morgen werden wir das bei den Ifo-Geschäftsdaten wiederfinden.

(Rainer Brüderle (FDP): Heute schon!)

Am selben Tag schrieb das „Handelsblatt“: „Stimmung in der deutschen Wirtschaft wird besser“.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Auf welchem Niveau denn?)

Das charakterisiert uns. Herr Kollege Fuchtel, ich habe es Ihnen schon einmal gesagt: Sie müssen es aushalten, dass es in Deutschland noch einen Rest an zuversichtlichen Menschen und Optimisten gibt. Ich gehöre dazu.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen, dass das ganze Land zu Tode betrübt ist, mit gesenktem Haupt herumläuft und nur noch auf die Stiefelspitzen schaut.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Realismus wollen wir!)

Nein, das machen wir nicht. Wir setzen darauf, dass die Situation besser wird, und wir können sie auch verbessern.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Wie ist die Lage? Aus den vorliegenden Daten kann jeder etwas anderes herauslesen. Wir streiten ja heute in Deutschland – das ist unsere Fähigkeit – über die Wachstumsprognosen. Liegen sie ein Zehntel höher oder niedriger? Verschätzt sich Clement um ein Hundertstel?

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ein Hundertstel? 1 Prozent!)

Ist das nicht wieder ein gebrochenes Versprechen, wenn er sich um ein Zehntel verschätzt hat? Das ist die Kampflage und die Art und Weise, wie heute in Deutschland diskutiert wird.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Um 1 bis 2 Prozent daneben!)

   Ich sage Ihnen: Die Stagnation ist vorbei. Wir sind auf dem Weg, die Wachstumsschwäche zu überwinden. Es geht aufwärts und es wird auch weiter aufwärts gehen; darauf können Sie sich verlassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Hinsken?

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Mit dem größten Vergnügen.

(Heiterkeit bei der SPD – Gerd Andres (SPD): Laternen-Hinsken!)

Ernst Hinsken (CDU/CSU):

Herr Minister, wie bewerten Sie die Aussage des Präsidenten des Bundesrechnungshofes – ich möchte darauf verweisen, dass er ein Genosse und damit ein Freund von Ihnen ist –:

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Das weiß ich gar nicht.

Ernst Hinsken (CDU/CSU):

„Die Schieflage ist so extrem, dass es einem den Atem verschlägt.“ – Das sagt doch alles. Das widerlegt das, was Sie gerade zum Besten gegeben haben. Das gibt mir zu denken. Ich glaube ihm das, weil er das sehr inbrünstig vorgetragen hat.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Es ist gut, wenn Ihnen die Äußerung des Bundesrechnungshofpräsidenten, den ich übrigens nie nach seiner Parteizugehörigkeit gefragt habe, zu denken gibt. Mir gibt es zu denken – das ermutigt mich aber auch –, dass der Sachverständigenrat, deren einzelne Mitglieder ich auch nie nach ihrer Parteizugehörigkeit gefragt habe, die Politik der Bundesregierung so positiv beurteilt, wie er das gerade getan hat.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Sie alle reden Deutschland schlecht!)

Sie müssen sehr weit in die Vergangenheit schauen, bis Sie ein Gutachten des Sachverständigenrates finden, in dem die Arbeit der Bundesregierung so gut und so positiv beurteilt wird, wie das jetzt der Fall ist.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Sie haben wohl nur die erste Seite gelesen!)

   Schauen Sie sich ruhig alle verschiedenen Äußerungen an. Herr Hinsken, ich kann Sie doch nicht daran hindern, dass Sie aus den verschiedenen Äußerungen das herausfiltern, was Sie gerne haben möchten. In Bayern möchten Sie gerne jubeln und hier wollen Sie gerne zu Tode betrübt sein. Ich werde Sie nicht davon abhalten können, dass Sie so sind, wie Sie sind.

(Heiterkeit bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich kann aber alle dazu ermutigen, die Kräfte in Deutschland zu bündeln und zu verstärken. Diese Kräfte zeigen sich in einer Weise in der Exportwirtschaft, wie es in der Geschichte der Bundesregierung fast noch nie der Fall gewesen ist. Das Exportwachstum wird in diesem Jahr wahrscheinlich real 11 bis 12 Prozent betragen. Ich war gerade in Bangkok und habe dort an der Asien-Pazifik-Konferenz der deutschen Wirtschaft teilgenommen. Dort waren mit 800 deutschen Unternehmen noch nie so viele deutsche Vertreter. Das Ansehen der deutschen Wirtschaft und der Bundesrepublik Deutschland ist nie besser als heute gewesen.

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Doch!)

An diese Performance, wie wir heutzutage sagen, kommt keine andere Volkswirtschaft heran. Keine andere Volkswirtschaft der Welt exportiert mehr als die Bundesrepublik Deutschland, Herr Kollege Hinsken.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Realitätsverlust!)

   Es ist ein Grund, glücklich zu sein, wenn man an diesem Punkt ist. Ich habe mir gesagt: Mensch, könnte ich alle 800 Vertreter mit in den Deutschen Bundestag nehmen, damit diese sagen, wie gut die deutsche Wirtschaft ist, dann würden Sie das vielleicht für einen Tag akzeptieren, auch wenn Sie unterstellen, dass das nichts mit der rot-grünen Regierung zu tun hat. - Vielen Dank für die Frage.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Zurzeit bestehen noch ein paar Unsicherheiten, wobei sich die Lage auf dem Ölmarkt allmählich entspannt, was aber nicht für unsere Währung gilt. Wir werden das sehr aufmerksam zu beobachten haben. Es ist sehr wichtig, dass es nicht nur Anzeichen für Bewegung gibt, sondern dass sich die Investitionen im Inland verstärken, was sich im vergangenen Quartal in einem deutlichen Plus bei den Ausrüstungsinvestitionen gezeigt hat. Es spricht viel dafür, dass die Dinge in Gang kommen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Optimist!)

   Der private Konsum hingegen ist die Achillesferse der Konjunktur. Seit dem Jahresende 2002 sinkt der private Verbrauch und stagnierte im dritten Quartal. Das kann auf Dauer auch nicht durch den stärksten Exportboom ausgeglichen werden. Vielmehr macht uns dies für außenwirtschaftliche Schocks anfällig, sei es in Gestalt von Ölpreissteigerungen, sei es in Gestalt von Kursanstiegen. Wir brauchen beides: Wir brauchen einen exzellenten Auftritt der deutschen Wirtschaft – ihre Wettbewerbsfähigkeit war noch nie besser –, die durch den Export zum Wachstum beiträgt. Wir brauchen zugleich mehr Robustheit und mehr Schutz vor außenwirtschaftlicher Verwundbarkeit. Dazu gehört ein gewisses Wachstumspotenzial, an dem wir arbeiten müssen.

   Das geht nur mit mehr Dynamik auf den heimischen Güter- und Dienstleistungsmärkten.

Das geht nur, wenn wir bei geringerem Wachstum mehr Beschäftigung schaffen und das geht nur, wenn wir entsprechende Reformen in Deutschland in Gang setzen, die auch den Bürokratieabbau umfassen. Ich habe Ihre Aussagen gehört, dass der Bürokratieabbau schwierig ist. Es lohnt sich übrigens, einmal nachzulesen, welche Maßnahmen zum Bürokratieabbau auf den Weg gebracht worden sind.

(Ernst Hinsken (CDU/CSU): Was haben Sie denn gemacht?)

   Ich bin heute Morgen aus Brüssel zurückgekommen. Dort haben wir Diskussionen unter anderem zu diesem Thema geführt. Wir kämpfen in Brüssel um jede einzelne Vorschrift. Das gleicht manchmal einem Häuserkampf. Wahrscheinlich waren Sie von der Opposition auch an manchen Vorschriften beteiligt, die dort entstanden sind. Ich jedenfalls bin daran beteiligt gewesen. Wir haben entschieden, dass von 300 Vorschriften, die dort geprüft worden sind, 15 geändert werden.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Geändert oder abgeschafft?)

Das geschieht Schritt für Schritt. Sie können mich dafür kritisieren, wie Sie wollen, aber ich werde weitermachen. Von diesen 15 Vorschlägen stammen sechs aus Deutschland. Wir sind auf der Gewinnerstraße.

(Beifall bei der SPD – Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Streichen Sie doch Vorschriften in Deutschland!)

   Ich weiß, dass man sich dabei die Hörner abstoßen kann. Das braucht mir keiner zu erklären. Ich habe aber Sie alle, die Sie davon reden, nie gesehen, als es darum ging, Bürokratie abzubauen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Machen Sie einfach mit! Herr Austermann, als Sie Verantwortung hatten, haben Sie das nicht getan. In den Ländern, in denen Sie Verantwortung haben, tun Sie es auch nicht.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): In Niedersachsen, in Hessen, überall wird es doch gemacht!)

   Herr Kollege Vaatz, das gilt übrigens auch für Sie in Ostdeutschland. Sie wenden sich immer an den Bund. Die eigentliche Verwaltungshoheit liegt bei den Ländern. Bei der Reduzierung von Verwaltungsvorschriften, beim Thema Abschaffung von Überbürokratisierung und Überreglementierung muss vor allen Dingen in den Ländern mehr Tempo gemacht werden. Es gibt auch in Ostdeutschland genügend Bürokratie und Fehlentwicklungen. Ich will gar nicht über die Verwendung der Mittel aus dem Solidarpakt reden. Es gibt genügend zu tun. Ich kann uns nur alle auffordern, etwas zu tun.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Vaatz?

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Sehr gerne.

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Herr Minister, Sie erinnern sich sicher noch an die Zeit, in der Sie als Staatskanzleichef der Regierung von Nordrhein-Westfalen in die Verhandlungen über das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz einbezogen waren.

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz. Das sagt über uns alles.

(Heiterkeit bei der SPD)

Arnold Vaatz (CDU/CSU):

Ich freue mich, dass Sie sich durch Verwendung der Vokabel „uns“ zum ersten Mal einbeziehen.

   Herr Clement, ist Ihnen noch in Erinnerung, wie damals die Konstellation gewesen ist und wer damals versucht hat, dieses Gesetz im Bundesrat zum Scheitern zu bringen? Kennen Sie die Namen der entsprechenden Ministerpräsidenten?

(Dr. Hans-Peter Friedrich (Hof) (CDU/CSU): Hört! Hört!)

Sind unter diesen Ministerpräsidenten Ostdeutsche gewesen?

Wolfgang Clement, Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit:

Das ist mir nicht in Erinnerung.

(Arnold Vaatz (CDU/CSU): Das kann ich mir vorstellen! – Abg. Arnold Vaatz (CDU/CSU) nimmt wieder Platz)

– Wir beide müssen jetzt stehen bleiben und das tapfer durchhalten.

   Sie sind mir vor allen Dingen aus diesen Diskussionen noch bekannt. Wir beide waren damals Chefs der jeweiligen Staatskanzleien. Sie waren einer der jungen, dynamischen, aufstrebenden Leute. Ich war schon älter. Mir ist das alles noch bekannt. Ich weiß, dass wir damals Fehler gemacht haben. Selbstverständlich.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Aha!)

   Ich würde gerne einmal mit Ihnen über die Fehler diskutieren, die von allen gemacht worden sind. Ich war an ziemlich vielen Verhandlungen dieser Art beteiligt, am Vertrag zur deutschen Einheit und allem, was dazu gehört.

   Natürlich haben wir Fehler gemacht, unter anderem den, dass wir das komplette Rechtssystem und damit auch die Verwaltungsordnung Ostdeutschland übergestülpt haben. Das war damals Gegenstand der Diskussion. Da war Herr Schäuble übrigens auf der richtigen Seite. Wir haben das damals falsch entschieden. Ich könnte aber auch andere Dinge anführen, die von Herrn Schäuble und anderen falsch beurteilt worden sind. Das wissen wir heute alle und korrigieren das.

   Entscheidend ist doch: Wenn wir für das Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz einen anderen Namen finden könnten, wäre es gut. Es ist aber richtig und wichtig, wir sollten es um mehr als ein Jahr verlängern und auf ganz Deutschland ausdehnen. Das ist meine Ansicht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Dann machen Sie es doch!)

Jetzt verlängern wir es erst einmal um ein Jahr. Das ist, wie Sie zu Recht gesagt haben, ein Fortschritt. Der Fortschritt ist eine Schnecke. Wir werden den Weg weiter gehen.

   Zu den Reformen gehört die soziale Grundsicherung für Arbeitssuchende. Das ist ein radikaler Systemwechsel, ein Schritt zur neuen Gerechtigkeit von Fördern und Fordern, von Leistung und Gegenleistung und von Rechten und Pflichten. Sie kennen das alle. Zurzeit beschäftigt viele Menschen, dass wir die soziale Grundsicherung einführen. Es gibt viele, gerade in den Reihen der FDP, die bezweifelt haben, dass das geht.

   Wir sind zurzeit dabei, das EDV-System einzuführen. Das betrifft etwa 3 Millionen Menschen. Wir, auch ich, haben versprochen, dass jeder, der berechtigt ist und den Antrag rechtzeitig stellt, Anfang Januar eine Leistung bekommt. Dabei bleibt es. Wir haben jetzt eine Rücklaufquote von über 85 Prozent. Es sind von etwa 2,6 Millionen Anträgen über 50 Prozent in das System eingegeben. Etwa 700 000 Leistungsbescheide sind bereits versandt worden.

   In der Presse wurde über technische Probleme berichtet. Das wird gleich als Chaos bewertet, für das die Bundesregierung bzw. ich die Verantwortung tragen. Dabei verläuft die Einführung eines neuen EDV-Systems – sei es auch bei der kleinsten Zeitungsredaktion; ich war seinerzeit selber daran beteiligt – niemals ohne technische Probleme. So ist es auch in diesem Fall. Dadurch ist es zu Verzögerungen gekommen, aber wir liegen im Zeitplan. Wir machen Fortschritte und kommen voran.

   Probleme gibt es noch im Zusammenhang mit dem Antragsrücklauf bei den kommunalen Trägern. 310 Träger sind befragt worden; der Antragsrücklauf beläuft sich bisher auf durchschnittlich etwa 70 Prozent. Bei etlichen kommunalen Trägern sind es bisher weniger als 50 Prozent. Die Spreizung liegt bei den kommunalen Trägern zurzeit zwischen 15 und 100 Prozent. Ich habe die Bitte, dass jeder, der die Möglichkeit dazu hat, vor Ort mit den kommunalen Behörden, den Arbeitsgemeinschaften und den Agenturen spricht, damit es vorangeht.

   Gehakt hat es, wie gesagt, bei der Software. Wir haben aber Verbesserungen erzielt. Die BA und T-Systems haben eine schnelle Eingreiftruppe eingesetzt, die dafür sorgt, dass die Probleme vor Ort erfasst und möglichst gelöst werden. Wir werden bis zum großen „Big Bang“ Anfang Januar durch organisatorische Maßnahmen in den einzelnen Ämtern Hilfe leisten. Vor Ort wird im Mehrschichtbetrieb und an Wochenenden gearbeitet. Gestern sind 84 000, 74 000 und 73 000 Fälle sind in den letzten drei Tagen im System erfasst worden. Es wird also mit Hochdruck gearbeitet. Darauf weise ich in aller Ruhe hin.

    Ich möchte an dieser Stelle allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Bundesagentur und der Kommunen, die allen Widrigkeiten zum Trotz Großes leisten, meinen herzlichen Dank aussprechen.

(Beifall bei der SPD)

   Es geht um die größte Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik und wir sind darauf angewiesen, dass die Menschen, die dafür Mitverantwortung tragen, mitwirken. Das tun sie und dafür danke ich ihnen nochmals.

   Wie Sie wissen, sind wir zurzeit dabei, die Zusatzjobs und den „Arbeitsmarkt im Aufbruch“ vorzubereiten. Wir werden in diesem Bereich der Eingliederung, insbesondere auch der Zusatzjobs, die landläufig als 1-Euro-Jobs bezeichnet werden, bereits in diesem Jahr mindestens 100 000 Maßnahmen – wahrscheinlich sind es sogar noch mehr – durchführen. Diese Zahl wird dann noch deutlich steigen.

   Herr Kollege Brüderle, Sie sprechen immer wieder davon, dass diese Maßnahmen nichts an der Arbeitslosigkeit ändern und nur aus statistischen und sonstigen Gründen durchgeführt würden. Das geht an der Sache vorbei. Tatsache ist, dass diese Maßnahmen notwendig sind, weil wir damit fast 1 Million Menschen aus der Sozialhilfe holen und konzentriert in die Arbeitsvermittlung bringen. Selbstverständlich sind stufenweise Übergänge notwendig, um, wenn irgend möglich, die Menschen in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen. Das ist unverändert unser Ziel und es geschieht in Ostdeutschland wie in Westdeutschland.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich bin davon überzeugt, dass wir Erfolge erzielen werden. Das zeigt sich übrigens auch am Ausbildungsmarkt und am Ausbildungspakt. Herr Müntefering hat dies gestern bereits dargestellt. Mit Stand vom 21. Oktober mussten noch rund 25 000 junge Leute versorgt werden. Die Zahl der zur Verfügung stehenden Angebote ist hingegen größer als 25 000.

   Ich schätze, dass wir in diesem Monat die Zahl der zu Vermittelnden erneut um etwa 10 000 senken konnten. Ich bin fest davon überzeugt, dass jedem und jeder, die zurzeit noch keinen Ausbildungsplatz haben, ein Angebot gemacht werden kann, und zwar entweder bezogen auf einen betrieblichen oder außerbetrieblichen Ausbildungsplatz oder auf eine Einstiegsqualifikation. Für Einstiegsqualifikationen stehen 25 000 Plätze zur Verfügung, von denen noch kaum welche vergeben worden sind. Diese Plätze sollten genutzt werden.

   Ich glaube, dass wir mit dem Ausbildungspakt einen ausgesprochen guten und vernünftigen Weg gegangen sind. Es ist sehr wichtig, dass wir diesen Erfolg versprechenden Weg weiterverfolgen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte noch darauf hinweisen, Herr Kollege Vaatz, dass mit dem Haushalt bei der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ mit rund 700 Millionen Euro, die überwiegend den neuen Ländern zugute kommen, für Stabilität gesorgt wird – dafür bin ich sehr dankbar – und dass wir die Rückflüsse – das ist in den Ausschussberatungen meines Wissens unter Mitwirkung aller so beschlossen worden –, das heißt die Rückzahlungen aus abgerechneten Projekten, nicht nur begrenzt, sondern in voller Höhe zur Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen zur Verfügung stellen können. Auch dafür bin ich sehr dankbar. Es schafft sehr viel mehr Spielraum, als auf den ersten Blick zu erkennen ist.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Ich freue mich über die Verpflichtungsermächtigungen für die Entwicklung des Airbus 350 und eines Triebwerks für Regionalflugzeuge. Auch das sind wichtige Schritte.

   Ich begrüße es auch, dass wir uns über die Wettbewerbshilfen für den Schiffbau verständigen konnten. Dabei gehen wir langsam, aber sicher zu einer Innovationsförderung über. Dies ist für uns und den weiteren Prozess außerordentlich wichtig.

   Ich freue mich, dass Stellen für die Regulierungsbehörde ausgebracht worden sind. Das ist der Vorgriff auf die Regulierung des Gas- und Strombereiches im Netz, die kommen muss. Meine Bitte von hier aus ist, auf diesem Gebiet zu einer Verständigung zu kommen – vielleicht sogar ohne den Vermittlungsausschuss –, um das Ziel, das wir uns vorgenommen haben, zu erreichen. Wir wollen so rasch wie möglich den Vorgaben folgen und eine Regulierung in Deutschland in Gang bringen, damit auch in den Strom- und Gasnetzen ein echter Wettbewerb stattfinden kann.

   Meine Damen und Herren, in einer solchen Debatte ist es sehr schwer, eine Übersicht über alles zu geben, was geschieht und was getan werden muss. Unser Ziel ist selbstverständlich, auf allen Feldern zu konsolidieren. Dazu brauchen wir die Reformen in der Bundesrepublik. Unser Ziel ist es, Steuern zu senken; das tun wir. Unser Ziel ist eine Senkung der Lohnnebenkosten; das ist in Gang, insbesondere durch die Maßnahmen im Bereich der Gesundheitskosten. Wir müssen den Arbeitsmarkt in Ordnung bringen und es gibt nichts Wichtigeres – das wissen Sie alle – als die Einführung der sozialen Grundsicherung, die unter dem Schlagwort Hartz IV zusammengefasst wird.

   Ein weiteres wichtiges Vorhaben ist der Bürokratieabbau. Nicht weniger wichtig ist die Föderalismusreform, damit wir auch im Staat zwischen Bund, Ländern, Städten und Gemeinden handlungsfähig werden. Ich weiß aus den Diskussionen um Hartz IV – alle, die daran beteiligt waren, wissen das –, wie schwierig es ist, unter den gegenwärtigen von uns selbst im Laufe der Jahrzehnte geschaffenen föderalen Bedingungen auf diesem Gebiet zu vernünftigen Lösungen zu kommen.

   Auf eines will ich noch hinweisen, Herr Kollege Brüderle, weil das bei Ihnen jedes Mal zu kurz gesprungen ist: Die Mittel und Kräfte, die wir dadurch frei bekommen, brauchen wir für Schulen und Hochschulen, für Bildung, Wissenschaft und Forschung.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Deshalb müssen Sie jetzt den Weg frei machen durch eine Reduzierung der Mittel für den Eigenheimbau. Das ist auch wichtig für meinen Haushalt. Ich setze darauf, dass letztlich doch die Vernunft siegt und wir zu einem Schritt kommen, der nachhaltig wirksam ist.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Mit 95 Millionen werden Sie doch überhaupt gar nichts bewegen, Herr Minister! Sie täuschen doch bewusst die Öffentlichkeit!)

   Sie und die von Ihnen regierten Länder wissen doch, dass das auch im Interesse der Länder ist. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es Ihnen auf Dauer gelingt, von hier aus zu entscheiden, was zum Wohle der Länder ist. Jedenfalls erinnere ich mich noch sehr gut an meine Zeit als Ministerpräsident.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das waren schlimme Zeiten für Nordrhein-Westfalen!)

Ich hätte mir das, was Sie den Ländern mit Ihrer Blockadehaltung zumuten, nicht gefallen lassen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Also: Bewegen Sie sich, meine Damen und Herren! Wir alle müssen uns bewegen. Wir verlangen von den Menschen und von den Unternehmen, dass sie sich bewegen. Wir haben deutliche Anzeigen dafür, dass es besser wird.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wenn sich die Bundesregierung doch mal bewegen würde!)

Machen Sie sich keine Hoffnungen! Sie werden mit dem Versuch, eine Trübsalstimmung in Deutschland zu erzeugen, scheitern. Verlassen Sie sich darauf!

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Wir setzen darauf, dass sich die Dinge ändern, und wir tun alles dafür. Wir brauchen, wie der amerikanische Botschafter gesagt hat, einen emotionalen Turnaround in Deutschland. Machen Sie dabei mit! Stehen Sie nicht immer rum und nörgeln – das hat keinen Zweck –, sondern sehen Sie zu, dass wir vorankommen!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das war eine schlechte Rede!)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegin Gudrun Kopp, FDP-Fraktion.

Gudrun Kopp (FDP):

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Herren und Damen! Sehr geehrter Herr Minister Clement, wir stehen nicht herum, sondern wir bewegen uns mehr, als Ihnen lieb ist.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sie vertreten sich die Beine!)

   Wir haben Ihren Hilferuf an die Opposition, wir mögen Ihnen doch helfen bei den Aufgaben, die Sie einfach nicht geregelt bekommen, sehr wohl gehört. Wir haben allerdings schon jede Menge Konzeptionen vorgelegt und Reformvorschläge gemacht; Sie sind diese schuldig geblieben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich sage Ihnen in dieser Haushaltsdebatte noch einmal: Der Wirtschaftsetat ist zu 85 Prozent ausgebucht durch Arbeitsmarktmaßnahmen. Es bleibt kaum noch ein Spielraum. Bei dem, was Sie beim verbleibenden Rest zu tun haben, versagen Sie vollkommen. Das ist heute Morgen klar geworden.

   Unser Hauptproblem ist die Bewältigung der Arbeitslosigkeit. An dieser Bewältigung arbeiten Sie nicht genügend; das ist defizitär. Sie versuchen mit Ihrer Rede, dem Deutschen Bundestag Opium zu geben.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ja!)

Die Wirkung ist jedoch gleich null, weil Sie nicht die notwendigen Rahmenbedingungen schaffen, die Voraussetzung für wirtschaftliches Wachstum und Arbeit sind.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der Gewöhnungseffekt des Opiums!)

   Ich finde es sehr bezeichnend, dass Sie mit keinem Wort erwähnt haben, was in Deutschland schief läuft. Ich nenne als Beispiel die Energiepolitik. In den Jahren von 1998 bis 2004 wurden die Ausgaben für den privaten Stromverbraucher durch Steuern, Abgaben, Auflagen, Umlagen – EEG und KWK – um 64 Prozent erhöht,

ganz zu schweigen von der energieintensiven Industrie. Sie begehen hier eine Verfehlung.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr gut!)

Sie reagieren nicht und schauen hilflos zu, wie Ihr Umweltminister Energiepolitik betreibt. Sie stehen rum und sind bewegungslos.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU – Steffen Kampeter (CDU/CSU): In Ostwestfalen-Lippe!)

– Richtig, auch in Ostwestfalen-Lippe.

   Der Bürokratieabbau ist nur heiße Luft. Es steckt nichts dahinter.

   Lassen Sie mich noch ein Wort zum Abbau der Steinkohlesubventionen sagen. Dies ist ja ein ewig Ding, bei dem wir nicht vorankommen. Mein Kollege Brüderle hat vollkommen Recht: Die FDP bemüht sich seit Jahren um eine Beendigung dieser Subventionen, und zwar ab 2005 . Wir wollen keine Fortführung der Steinkohlesubventionen bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag.

    Herr Clement, ich finde es bezeichnend – Sie haben heute Morgen nichts dazu gesagt –, dass Sie 16 Milliarden Euro, die für die getroffene Anschlussregelung für den Zeitraum von 2006 bis 2012 benötigt werden, noch nicht einmal rechtlich abgesichert haben. 16 Milliarden Euro für Steinkohlesubventionen!

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): 2,2 Milliarden pro Jahr! Die EU hat noch nicht zugestimmt!)

Auf welcher Basis haben Sie eigentlich diese Vereinbarung getroffen? Sie haben zwar im Haushalt 2005 Vorsorge für die erste Rate getroffen. Aber was soll danach geschehen?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nichts!)

Auf welcher rechtlichen Grundlage bzw. mit welcher Berechtigung, meinen Sie, können wir weiter die Vergangenheit finanzieren? Die betroffenen Arbeitnehmer wissen längst, was die Stunde geschlagen hat. Sie auf eine Beendigung der Steinkohlesubventionen vorzubereiten ist unumgänglich. Hier haben Sie komplett versagt.

(Beifall bei der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie müssen zum Ende kommen.

Gudrun Kopp (FDP):

Ich komme zum Schluss.

   Völlig versagt haben Sie beim ERP-Sondervermögen. Sie gehen an die Mittelstandsförderung heran, obwohl die dafür vorgesehenen Mittel nicht bundeseigen sind. Vielmehr handelt es sich um ein Sondervermögen aus dem Marshallplan,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sehr wahr! Das wird jetzt geplündert!)

das bei Existenzgründungen helfen soll, Eigenkapital aufzubauen. Sie lassen es zu, dass Herr Eichel das ERP-Sondervermögen als Steinbruch nutzt, um Milliarden für den Schuldenabbau zu transferieren. Aber auch das wird nichts mehr nutzen.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Plünderer!)

   Sie lassen jedenfalls die mittelständische Wirtschaft wieder einmal bluten. Darüber haben Sie allerdings kein Wort verloren. Erzählen Sie uns nicht, dass die Lage prima sei! Sie ist tatsächlich katastrophal. Aber Sie stehen beiseite und schauen tatenlos zu. Das ist eine Schande.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Frau Kollegin, Sie haben Ihre Redezeit schon verdoppelt.

(Zurufe von der SPD: Oh!)

Gudrun Kopp (FDP):

Zum Schluss halte ich noch einmal unser Sparbuch hoch. Wir sind fleißig. 12,5 Milliarden Euro Einsparungen. Machen Sie mit! Folgen Sie dem FDP-Beispiel!

   Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse:

Ich erteile das Wort Kollegen Werner Schulz, Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Werner Schulz (Berlin) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen von der FDP, wenn es um die Kohlesubventionen geht, vergessen Sie mit regelmäßiger Hartnäckigkeit, dass Sie, als Sie mutig eine Subvention hätten kürzen können – Ende der 90er-Jahre sollte der Kohlepfennig abgeschafft werden, weil das Bundesverfassungsgericht es nicht mehr zuließ, ihn mit der Stromrechnung zu erheben –, dafür gesorgt haben, dass die Einnahmen aus dem Kohlepfennig zusätzlich in die Steinkohlesubventionen fließen. Das ist eine Altlast, die wir heute noch abzutragen haben.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): 16 Milliarden Euro draufgesattelt! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nicht abgebaut! Reden Sie doch nicht!)

So viel zum Mut der FDP, Kohlesubventionen abzubauen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte mich an der Kurvendiskussion darüber, wie viel Wachstum wir im nächsten Jahr erreichen werden – die Bandbreite reicht von 1,4 über 1,6 bis zu 2 Prozent –, nicht unbedingt beteiligen; denn es ist müßig, über die Stellen hinter dem Komma zu diskutieren. Fakt ist auf jeden Fall: Es gibt Wachstum und es liegt tendenziell etwa im Durchschnitt der letzten zehn Jahre. Der eine oder andere mag das für nicht ausreichend halten. Man kann sich sicherlich mehr vorstellen. Aber ich befürchte, dass wir ein höheres Wachstum nicht so schnell erzielen können. Deswegen ist es realistisch, mit den prognostizierten Wachstumsraten zu rechnen und sich darauf einzustellen.

   Es ist klar, dass wir damit allein die Arbeitslosigkeit, das Hauptproblem in unserem Land, nicht bewältigen können.

Deswegen brauchen wir – auch über Hartz IV – arbeitsmarktpolitische Flankierungen. Auf diesem Gebiet werden wir allerdings noch die eine oder andere Verbesserung vornehmen müssen.

   Erfolgreich ist die deutsche Wirtschaft – Erfolge gibt es zweifellos in der Außenwirtschaft, noch nicht so bei der Bewältigung der Probleme und Herausforderungen der Binnenkonjunktur; das besagt auch das Gutachten des Sachverständigenrats. Gewisse Risiken bestehen durch die Schwäche des Dollars und durch das doppelte Defizit in den USA. Die damit verbundenen Lasten haben natürlich alle europäischen Länder zu tragen. Darauf hat Frau Merkel gestern hingewiesen. Sie hat rhetorisch gefragt: Wieso liegen wir dann an letzter Stelle?

   Der Nationalfeiertag wurde wacker verteidigt. Übrigens haben auch wir wenig davon gehalten, den 3. Oktober zum kalendarischen nationalen Wandertag zu machen. Das gilt auch für die fiskalische Begründung der Verschiebung dieses Feiertags. Es hätte viele gute politische Gründe gegeben, den 9. November als Nationalfeiertag auszurufen. An diesem Tag ist in unserer Schicksalsnation manches zusammengekommen: Demut und Stolz auf die errungene Demokratie, aber auch Scham wegen des Absturzes in die Barbarei.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wollen Sie jetzt einen zusätzlichen Feiertag?)

All das ist innerhalb von 150 Jahren passiert.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner)

   Frau Merkel und auch Herr Merz haben etwas vergessen. Herr Merz hat in seiner Rede ein surrealistisch anmutendes Bild eines kleinen Kindes mit einem Mühlstein um den Hals gemalt – das war fast wie ein Goya-Gemälde – und so versucht, darzustellen, was wir den künftigen Generationen aufbürden. Sie haben allerdings vergessen, dass wir die Lasten, die Hypotheken, die Verwerfungen der deutschen Einheit nach wie vor als Transferleistung schultern, und das sind immerhin 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Für uns ist die Einheit keine Last! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Was hätten Sie denn da anders gemacht?)

– Herr Kampeter, ich kann Ihnen ganz klar sagen, was wir anders gemacht hätten: Wir hätten nicht auf Pump finanziert. Wir hätten nicht zugelassen, dass die Lohnnebenkosten in die Höhe getrieben werden; sie sind um mehr als 7 Prozent gestiegen. Noch heute sind 4 Prozent der Lohnnebenkosten durch die deutsche Einheit begründet. Das kostet Arbeitsplätze in Ost und in West.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Die Drittelfinanzierung ist doch richtig gewesen! Woher hätte man das Geld denn nehmen sollen?)

Durch Ihre Politik kam es zu Überkapazitäten in der Bauindustrie, was heutzutage konjunkturelle Schwierigkeiten hervorruft.

   Von den industriellen Kernen, die die Treuhand schaffen wollte, ist doch nichts übrig geblieben. Erst heute sind im Osten allmählich Cluster zu erkennen. Das ist mit Wirtschaftsförderung und übrigens auch mit neuen Ansätzen der Strukturförderung erreicht worden. Sie haben sich an dieser Stelle also wirklich nicht zu beschweren. Im Gegenteil: Sie haben einen Großteil dazu beigetragen, dass wir diese Lasten heute zu tragen haben.

   Es gibt sicherlich viele Gründe, sich über Kostensenkungen und über Kostenoptimierung am Standort Deutschland den Kopf zu zerbrechen; schließlich muss man die inneren Probleme lösen. Man sollte aber zur Kenntnis nehmen, dass wir keine Basarökonomie haben. Es ist eine Unterstellung, dass die Wertschöpfung überwiegend oder nur noch im Ausland stattfindet und dass in Deutschland nur noch die Endmontage erfolgt. Im Gegenteil: Es ist der deutschen Wirtschaft durch ihre relativ gute Wettbewerbsfähigkeit gelungen – das sagt der Sachverständigenrat ganz klar –, die internationale Arbeitsteilung für sich gewinnbringend zu nutzen. Das unterscheidet unsere Wirtschaft von der früherer Jahre, als ganze Industriezweige wie die Unterhaltungselektronik verschwunden sind.

   Dennoch gibt es vernünftige Gründe, die Kosten zu senken. Ich habe allerdings etwas dagegen, wenn das mit einer ideologischen Offensive, sprich: mit der Forderung nach einer Einschränkung des Kündigungsschutzes, einhergeht, wie wir das momentan erleben. Der Kündigungsschutz ist in der Ära Kohl eingeschränkt worden. Wir haben dies rückgängig gemacht. Wir führen hier eine reine Ideologiediskussion. Möglicherweise sind mit der Einschränkung des Kündigungsschutzes, was die Einstellungsbarriere anbelangt, psychologische Momente verbunden, aber keine beschäftigungsfördernden Effekte. Ihr ehemaliger Arbeitsminister Blüm sagt: Damals sind als Gegenleistung für die Herabsetzung der Kündigungsschwelle 300 000 Arbeitsplätze versprochen worden. Auf diese Arbeitsplätze wartet er noch heute; es ist in dieser Richtung nichts passiert.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Ihr habt es doch wieder geändert!)

   Nehmen wir die Mitbestimmung als Beispiel: Der BDI-Präsident Rogowski spricht sogar von einem „Irrtum der Geschichte“. Allein diese Wortwahl deutet auf den Bildungsnotstand auch in den hohen Etagen der Industrie; die Geschichte kann kein Akteur sein. Rogowski meint möglicherweise, dass die Mitbestimmung anachronistisch ist. Willy Brandt hat in den 70er-Jahren „Mehr Demokratie wagen“ und Wolfgang Ullmann hat 1989 „Demokratie jetzt“ gesagt. Ich meine, dass das keine Irrtümer waren. Das galt für alle Bereiche. Wir dürfen den demokratischen Sektor im 21. Jahrhundert nicht vor den Betriebstoren in unserer Republik enden lassen.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und der SPD)

So war das nicht zu verstehen. Ich meine, dass nur Ignoranten und Abenteurer ernsthaft glauben können, dass man Solidarität und Partnerschaft aufs Spiel setzen kann, ohne dass das Ganze ein politisches Nachspiel und einen politischen Preis hat.

   Wir wissen, dass die Mitbestimmung den sozialen Frieden am Standort erhalten hat. Wir wissen, dass die Mitbestimmung gerade bei den letzten Konflikten – Karstadt-Quelle und Opel – der Konfliktbereinigung gedient hat. Also: Kostensenkung ja, aber vielleicht auf einem anderen Gebiet.

   Wir sollten uns nicht nur die Arbeitsproduktivität und die Lohnstückkosten, sondern vielleicht auch einmal die Materialökonomie anschauen; denn da sind wirklich Schätze verborgen. Wir haben deswegen die Verpflichtungsermächtigungen beim Titel „Verbesserung der Materialeffizienz“ deutlich erhöht. Gerade im Materialverbrauch, in der Materialausbeute liegen enorme Reserven. Wir haben in der deutschen Volkswirtschaft etwa 180 Milliarden Euro pro Jahr Materialreserve. Nach einer Prognos-Studie könnten wir, wenn wir das ausschöpfen, eine Steigerung des Bruttoinlandsprodukts um etwa 14 Prozent erreichen. Das wären etwa 760 000 Arbeitsplätze. Uns geht es vor allem um das Know-how, was vorhanden ist. Es gilt die vorhandenen Methoden und Technologien zu nutzen und dem Mittelstand zur Verfügung zu stellen.

   Das Gleiche gilt beispielsweise für die Energieeffizienz. Es geht darum, intelligentere Energiesysteme zum Einsatz zu bringen, mehr Ausbeute aus der Verbrennung von fossilen Energieträgern zu erzielen und neue Energieträger zu entwickeln, Biotreibstoffe zu entwickeln, beispielsweise im Zuge der Wiedernutzung der Fischer-Tropsch-Synthese. Das sind Zukunftsfelder – neben dem Export der erneuerbaren Energien. Das sind die Felder, auf denen wir Wachstum generieren können, auf denen zukünftige Arbeitsplätze entstehen können.

   Wir sollten uns vielleicht an einen Lehrsatz von Henry Ford, dem Pionier des Industriezeitalters, erinnern,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Seid ihr jetzt doch wieder fürs Auto? – Weitere Zurufe)

nicht an den, dass Autos keine Autos kaufen können – der ist ja auch bekannt –, sondern an den, dass sich die Wettbewerbsfähigkeit eines Landes nicht in den Fabriken oder Forschungslabors, sondern in den Schulen beweisen wird. Deswegen kämpfen wir darum, dass die Mittel für die Eigenheimzulage nicht mehr in den Bau von Eigenheimen, sondern in Schulen, in Bildung, in Wissenschaft und Forschung fließen. Nur wenn wir dort entsprechend vorankommen, können wir uns auch das schönere Wohnen künftig leisten.

   Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das ist ja ärmlich! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Ein zynischer Angriff auf die Eigenkapitalbildung!)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Kurt Rossmanith, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Schulz, nur einen Satz von Ihnen möchte ich korrigieren; es gäbe vieles zu korrigieren, aber das ist für mich elementar. Wir beschäftigen uns hier nicht mit den Lasten der deutschen Einheit, sondern mit den Lasten, die der Sozialismus in einem Teil Deutschlands hinterlassen hat. Das ist das Problem und das sollten wir uns immer wieder vor Augen führen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Der Sozialismus hat auch im anderen Teil Deutschlands Spuren hinterlassen! – Volker Kröning (SPD): Aber es stimmt, dass das 15 Jahre her ist!)

– Wenn solche Zwischenrufe kommen, dann kann ich auch das sagen, was ich eigentlich nicht sagen wollte: Und mit diesen Sozialisten regieren Sie in einigen Bundesländern zusammen. Das ist an sich eine Schande.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zurufe von der CDU/CSU: Pfui!)

   Wenn man erst später in die Debatte eingreifen darf, hat das den Vorteil, dass man sich auf das eine oder andere beziehen kann, was die Kolleginnen und Kollegen dargelegt haben. Herr Kollege Kröning, ich schätze Sie sehr wegen Ihrer Aufrichtigkeit. Sie haben uns dafür gerügt, dass wir sparen wollen.

(Widerspruch bei der SPD – Volker Kröning (SPD): Nein, nein!)

– Vielleicht wollten Sie das nicht zum Ausdruck bringen, aber Sie haben es wortwörtlich gesagt.

(Volker Kröning (SPD): Absolut unglaubwürdig!)

   Bei Hans Eichels Weltrekord im Schuldenmachen – 45 Milliarden Euro; das sind in der alten Währung in Deutschland annähernd 100 Milliarden DM – uns als Opposition dann, wenn wir uns bemühen, Beiträge zu leisten und Vorschläge dafür zu machen, wo sinnvollerweise Sparmaßnahmen angesetzt werden könnten, zu rügen und zu beschimpfen, finde ich nicht ganz korrekt.

(Volker Kröning (SPD): Von Beschimpfung ist keine Rede!)

Bei diesem Haushalt müssten wir an sich sagen: Wir verweigern schlicht und einfach die Debatte darüber. Nicht nur ein juristisch gebildeter Mensch, sondern jeder kann es an sich mit den Händen greifen, dass dieser Haushalt, über den wir in dieser Woche sprechen, verfassungswidrig ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP –Peter Dreßen (SPD): Null Ahnung!)

   Es ist in den 55 Jahren seit dem Bestehen der Bundesrepublik Deutschland noch nicht vorgekommen, dass selbst der Präsident des Bundesrechnungshofes, Herr Engels,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der Genosse Präsident, bitte!)

der, auch wenn er Ihr Parteibuch besitzt, ein ehrenwerter Mensch ist

(Horst Kubatschka (SPD): Eine Unverschämtheit ist so etwas! – Sie Bauer!)

– lieber Kollege, ich stamme von Bauern ab; alle meine Vorfahren waren Bauern und ich bin stolz darauf, dass ich ein Sohn von Bauern bin; da stimme ich Ihnen zu –,

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Ludwig Stiegler (SPD): Komm zur Sache!)

sagt, dass die Schieflage des Etats einem den Atem verschlägt.

(Ludwig Stiegler (SPD): Das ist ein schlecht gewähltes Bild!)

   Lieber Herr Bundesminister Clement, Sie haben in Ihrer Art die 20 Minuten Redezeit an diesem Pult sehr gekonnt genutzt.

(Volker Kröning (SPD): Was stimmt, das stimmt! – Ludwig Stiegler (SPD): Was man von Ihnen bisher nicht sagen kann!)

Nur inhaltlich habe ich von Ihnen wenig bis gar nichts gehört. Ich bin jedoch der Meinung, dass man nicht einfach so nonchalant über das eine oder andere hinweggehen sollte. Es macht schon einen Unterschied, lieber Herr Bundesminister Clement, ob es 0,1 Prozentpunkt Wirtschaftswachstum mehr oder weniger gibt, ob ein Wirtschaftswachstum von 1,8 Prozent, auf das Sie nach wie vor setzen, erreicht wird oder nur noch eines von maximal 1,4 Prozent, wie es die Wirtschaftsweisen gesagt haben. Wenn unser Wachstum, wie die Wirtschaftsweisen prognostiziert haben, um 0,4 Prozentpunkte niedriger ausfällt, hätte das nämlich zur Folge, dass noch mehr Menschen aus dem Arbeitsleben in die Arbeitslosigkeit geschickt werden. Dabei habe ich die Auswirkungen, die das auf den Haushalt hätte, noch gar nicht berücksichtigt.

(Ludwig Stiegler (SPD): Die Wirtschaftsweisen reden von einem Zuwachs der Beschäftigung, nicht von einem Abbau! Nicht einmal das Gutachten haben Sie gelesen!)

Der Punkt ist doch, Herr Bundesminister, dass die Beschäftigtenzahl permanent zurückgeht und die Arbeitslosenzahl steigt.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): So ist es! – Ludwig Stiegler (SPD): Die Wirtschaftsweisen sagen das Gegenteil!)

   Kollege Fuchtel hat schon darauf hingewiesen und auch Sie selber haben es bestätigt, dass 88 Prozent der Haushaltsmittel des Bundesministeriums für Wirtschaft und Arbeit für Arbeitsmarktmaßnahmen vorgesehen sind.

(Peter Dreßen (SPD): Gut so!)

Das heißt, dass 34 Milliarden Euro rein konsumtiv ausgegeben und in die Landschaft verstreut werden. Für die eigentlichen Aufgaben, für die ein Bundesminister der Wirtschaft zuständig wäre, bleibt nur ein ganz schmaler Finanzrahmen von etwa 3,5 Milliarden Euro. An diesem Punkt kranken wir doch.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie machen doch keinen Vorschlag!)

   Sie haben gesagt, wir sollten uns bewegen, Herr Bundesminister Clement. Die beste Bewegung, die die Bundesregierung unter Kanzler Schröder machen könnte, ist, sich hinauszubewegen und zurückzutreten. Machen Sie diese Bewegung. Nur damit und mit nichts anderem wäre Deutschland geholfen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das war ein guter Vorschlag!)

   Sie, Herr Bundesminister Clement, haben vom Konsolidieren gesprochen. Ihnen müsste man eigentlich kondolieren, dass Sie Mitglied einer derartigen Bundesregierung sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Zurufe von der SPD: Ha, ha!)

Bis 2006 wird die Situation in Deutschland noch schlimmer, aber dann werden Sie sich bewegen müssen. Dann wird Ihnen nichts anderes mehr übrig bleiben.

   Lassen Sie mich noch etwas zum Verkehrswegeplanungsbeschleunigungsgesetz sagen. Sie haben es natürlich vermieden, Ausführungen darüber zu machen. Ich möchte Sie daran erinnern, dass 1991 der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz – der hieß damals Gerhard Schröder – zusammen mit seinem Gehilfen – das war ein gewisser Trittin – massiv gegen dieses Gesetz Stellung bezogen hat. Von der Haltung von Herrn Lafontaine will ich gar nicht erst reden.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Wer ist das denn? – Ludwig Stiegler (SPD): Reden wir lieber über Horst Seehofer!)

   Ich könnte als Bundesminister für Wirtschaft nicht so fröhlich in diese Runde blicken, wenn mir der Kreditversicherer Euler Hermes mitteilen würde, dass in diesem Jahr über 40 000 Unternehmensinsolvenzen zu erwarten sind; gegenüber dem Vorjahr bedeutet das einen 3-prozentigen Anstieg.

   Deshalb stellen wir jetzt – der Kollege Vaatz hat das schon angesprochen

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Zu Recht!)

und die Gründe erläutert – den Antrag auf Anhebung der Verpflichtungsermächtigung für die Gemeinschaftsaufgabe; denn damit werden Arbeitsplätze geschaffen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sagen Sie doch mal, was Sie mit dem Dieselöl gemacht haben!)

Man kann nicht einfach sagen, die Subventionen werden gestrichen, sondern muss erläutern, was Unfug ist und was notwendig, weil es die Wirtschaftskraft fördert und Arbeitsplätze schafft. Wir fordern, dass die Verpflichtungsermächtigung für die Gemeinschaftsaufgabe angehoben wird, weil dadurch 260 000 bis 300 000 Arbeitsplätze geschaffen werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU – Ernst Hinsken (CDU/CSU): Dazu hat er nichts gesagt!)

   Auch das Thema Werften will ich erwähnen. Sie verhandeln mit den Ministerpräsidenten und vereinbaren, aus dem Verhältnis von einem Drittel Bund und zwei Dritteln Länder ein Verhältnis von 50 zu 50 zu machen. Aber mit welcher Konsequenz? Dadurch wird der Förderrahmen eingeengt, den wir ohnehin nur noch bis 31. März nächsten Jahres haben, in den wir jetzt die Mittel fließen lassen müssten und für den wir vielleicht noch zusätzliche Mittel ansetzen müssten, weil wir alle Aufträge, die wir bis 31. März nächsten Jahres bekommen, in diesen EU-Förderrahmen mit aufnehmen können, wodurch Arbeitsplätze und Wirtschaftskraft für unsere Not leidende Werftindustrie hier in Deutschland geschaffen werden könnten statt in Korea und anderen Ländern.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Dietrich Austermann (CDU/CSU): Das schadet dem Schiffsbau!)

Aber hier wird gestrichen.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Rossmanith, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Ich bedanke mich und komme zu meinem letzten Satz, Frau Präsidentin.

(Ludwig Stiegler (SPD): Nichts zum Haushalt!)

   Eines hat mich besonders geärgert: Sie haben selber wieder gesagt, dass in China 800 Unternehmer waren und Deutschland in Südostasien hohes Ansehen genießt. Warum brauchen wir denn dann eine Gesellschaft mit dem Namen Invest in Germany, die den Standort Deutschland verbessern soll? Die dafür vorgesehenen 8,5 Millionen Euro könnten wir einsparen. Streichen Sie einfach diesen Unfug! Dann haben wir schon wieder 8,5 Millionen Euro, die wir sinnvoll einsetzen könnten.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Rossmanith, das war aber ein etwas längerer Satz.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Es geht ja auch um viel Geld, Frau Präsidentin!)

Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU):

Deshalb müssen wir leider – auch wenn ich mich für die Zusammenarbeit mit Ihrem Haus und den Kolleginnen und Kollegen im Haushaltsausschuss bedanke – diesen Haushalt ablehnen. Er ist nicht nur unehrlich, er ist auch falsch und setzt völlig falsche Schwerpunkte. Deshalb schadet er unserem Land.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Klaus Brandner, SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Klaus Brandner (SPD):

Sehr geehrte Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Heute Morgen haben wir ja schon eine spaßige Debatte gehört;

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Nein, das war todernst!)

aber ich glaube, wir können es uns nicht ersparen, die Fakten sprechen zu lassen.

(Dietrich Austermann (CDU/CSU): Da kannst du dich ja bloß noch aufhängen!)

   Herr Fuchtel hat vorgetragen, Rot-Grün mache schwarz

(Lachen und Beifall bei der CDU/CSU)

– ich meine: arm und arbeitslos;

(Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Das ist leider Gottes auch wahr!)

aber richtig ist: Nicht Rot-Grün, sondern Schwarz-Gelb machte arm und arbeitslos,

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

arm, weil Sie in den vielen Jahren Ihrer Regierungszeit nichts anderes gemacht haben, als die Sozialversicherungsbeiträge in die Höhe zu treiben –

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Reden Sie doch mal über die Zukunft!)

wir haben sie abgesenkt –, weil Sie die Steuern in die Höhe getrieben haben – wir haben die Steuern abgesenkt –, weil die Abgabenlast in diesem Lande unter Ihnen hoch war; wir haben sie begrenzt, sicherlich noch nicht so weit, wie wir es uns vorstellen können, aber im Kern sind die verfügbaren Einkommen nicht geringer, sondern höher geworden. Insofern haben Sie nicht Recht, wenn Sie hier vollmundig behaupten, Rot-Grün mache arm und arbeitslos. Das fällt auf Sie zurück, Herr Fuchtel.

   Auch, dass Schwarz-Gelb arbeitslos gemacht hat, müssen Sie sich vorhalten lassen. Die höchste Arbeitslosigkeit hatten wir im Februar 1998 mit 4,82 Millionen Arbeitslosen.

(Ludwig Stiegler (SPD): Sehr wahr! Sie sind immer noch Rekordhalter!)

Das sollten Sie sich hinter die Ohren schreiben oder zumindest vor den Spiegel stecken, damit Sie jeden Morgen beim Rasieren sehen, über was wir hier reden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Rot-Grün hat den Trend gestoppt und in vielen Fällen auch umkehren können. Von einer Zweiklassengesellschaft – das ist Panikmache – kann angesichts dessen, was wir von Ihnen übernommen haben – ich habe es gerade angesprochen –, überhaupt keine Rede sein.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Rossmanith?

Klaus Brandner (SPD):

Ich möchte weiter vortragen; denn sonst werden wir heute überhaupt nicht fertig.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie haben Angst vor Rossmanith!)

   Die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern, von der Herr Vaatz gesprochen hat, ist bedrohlich hoch. Wir können darüber nicht jubeln. Aber Sie müssen auch da bei der Wahrheit bleiben, Herr Vaatz. Die Arbeitslosigkeit in den neuen Ländern geht zurück. Die Arbeitslosigkeit im Osten liegt in diesem Monat bei durchschnittlich 17,5 Prozent. 1998 betrug sie durchschnittlich 18,2 Prozent. Auch das sind harte Fakten, die Sie zur Kenntnis nehmen müssen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Da Sie von zerstörten Hoffnungen reden, möchte ich Sie fragen: Wer hat denn die Hoffnungen der Menschen in den neuen Ländern zerstört?

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Der Bundeskanzler hat gestern zum Aufbau Ost überhaupt nichts gesagt! Er hat den Osten schon längst aufgegeben!)

Das war doch wohl Helmut Kohl, der davon gesprochen hat, die deutsche Einheit könne aus der Portokasse finanziert werden. Er wollte es ohne Steuererhöhungen schaffen und hat dafür die Sozialkassen missbraucht. Damit hat er die Menschen getäuscht.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Jetzt täuschen Sie doch nicht Sympathie für die neuen Länder vor!)

Das wollen wir Ihnen nicht durchgehen lassen. Sie müssen sich das schon vorhalten lassen.

(Beifall bei der SPD)

   Ich will ganz deutlich sagen, dass das, was in den neuen Bundesländern passiert ist, kein Schritt nach vorne ist. Auch hier muss der Wahrheit die Ehre gegeben werden. Deswegen will ich daran erinnern, dass Herr Milbradt der größte Befürworter für schärfere Einschnitte auf dem Arbeitsmarkt war. Danach aber wollte er mit den Demonstranten Arm in Arm dafür eintreten, dass die Schärfen abgemildert werden. Ähnlich hat sich der nordrhein-westfälische Herausforderer Rüttgers verhalten. Er hat von einer Generalrevision bei Hartz gesprochen. Das zeigt, dass er sich nicht der Verantwortung für den notwendigen Wandel in diesem Land stellt.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dirk Niebel (FDP): Diese Rede haben Sie schon dreimal gehalten! – Joachim Poß (SPD): Vergangenheitsminister Rüttgers!)

   Lassen Sie uns zu weiteren harten Fakten kommen. Die Konjunkturentwicklung in diesem Land ist sicherlich mit Unsicherheiten behaftet. Ich nenne beispielsweise die Entwicklung des Ölpreises, die Stärke des Euros und die Wechselkursschwankungen. Diese Faktoren bringen natürlich Unsicherheiten mit sich. Aber in dem Herbstgutachten wird von einem Wirtschaftswachstum von 1,5 Prozent gesprochen. Der Sachverständigenrat spricht von 1,4 Prozent und das Institut der deutschen Wirtschaft sogar von 2 Prozent. Ich denke, dass die Bundesregierung richtig liegt, wenn sie von einem wirtschaftlichen Wachstum zwischen 1,5 und 2 Prozent ausgeht.

   Man kann feststellen, dass es schon jetzt deutliche Anzeichen für eine konjunkturelle Erholung der Binnenwirtschaft gibt. Ich will in diesem Zusammenhang nur daran erinnern, dass die Ausrüstungsinvestitionen im dritten Quartal gegenüber dem zweiten Quartal 2004 um 4,1 Prozent gestiegen sind. Das zeigt, dass die deutschen Unternehmen Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung haben. Ich kann Sie nur auffordern, die Unternehmen in diesem Vertrauen zu bestärken. Mäkeln Sie deshalb nicht rum, wenn sie keine Alternativen haben, sondern unterstützen Sie diesen positiven Kurs!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Ernst Hinsken (CDU/CSU): Das glauben Sie doch selber nicht, was Sie hier sagen! – Steffen Kampeter (CDU/CSU): So lustlos vorgetragen überzeugt uns das nicht!)

   Die Konjunktur in diesem Lande belebt sich. Dafür gibt es harte Fakten. Diese positive Konjunkturentwicklung wird vom Sachverständigenrat bestätigt. Man muss aber auch feststellen, dass das Volumen der Kommunalfinanzen aufgrund der Reform der Gewerbesteuer im ersten Halbjahr 2003 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2004 um 12,8 Prozent gestiegen ist. Durch die Gewerbesteuerumlage kommt eine weitere Verbesserung der Gewerbesteuereinnahmen auf der kommunalen Ebene in Höhe von circa 3 Milliarden Euro hinzu. Sie wissen, dass sich im nächsten Jahr zusätzlich Einsparungen durch Hartz in Höhe von 2,5 Milliarden Euro ergeben werden.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Das wollen wir erst einmal abrechnen im nächsten Jahr!)

Das zeigt, dass wir bei der Stimulierung der Konjunktur erfolgreich waren.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Bis jetzt haben Sie keine Zusage zu der Gewerbesteuer eingehalten!)

– Das stellen wir über unsere Revisionsklausel sicher. Herr Kampeter, das wissen Sie doch genau. Verunsichern Sie die Menschen nicht, sondern helfen Sie mit, dass sie Vertrauen in die Zukunft haben!

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Auch die Stabilisierung der Lohnnebenkosten ist ein weiterer harter Fakt. Verschiedene Maßnahmen dazu werden die Konjunktur ebenfalls stimulieren. Der Anstieg der verfügbaren Einkommen – der Sachverständigenrat geht von 2,3 Prozent aus – ist ein deutliches Zeichen dafür, dass die Binnennachfrage steigt. Der private Konsum wird erstmals wieder im Jahre 2005 um 0,8 Prozent ansteigen, nachdem es mehrere Jahre entweder überhaupt keinen Anstieg oder sogar einen Rückgang gab.

   Das sind die harten Fakten, die deutlich machen, dass die Konjunktur in diesem Land stimuliert wird und dass deshalb Vertrauen in diese Entwicklung angesagt ist.

   Ich will aber auch darauf hinweisen, dass unser Haushalt andere qualitative Maßnahmen beinhaltet, indem wir zum Beispiel dafür sorgen – das ist von einigen Rednern angesprochen worden –, dass wir ein Programm mit dem Namen „Materialeffizienz“ auflegen, das endlich auch dazu führt – die gesamtwirtschaftliche Diskussion konzentriert sich aus meiner Sicht viel zu sehr auf die Personalkosten, die Arbeitszeit, die Flexibilisierung und die Kostensenkung im Hinblick auf den Faktor Arbeit –, dass der Faktor Material stärker beachtet wird. Obwohl die Kosten für das Material im verarbeitenden Gewerbe etwa doppelt so hoch sind wie die Kosten, die durch den Faktor Arbeit entstehen, ist die Aufmerksamkeit in Bezug auf diesen Bereich leider zu gering.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD – Steffen Kampeter (CDU/CSU): Gilt das auch für die Energiekosten, Herr Brandner?)

   Die Materialproduktivität gilt gemeinhin als selbstoptimierende Größe eines Unternehmens. Sie ist in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Allerdings ist die Arbeitsproduktivität – das muss uns aufmerksam machen – sehr viel stärker gestiegen. Studien belegen, dass nur 50 Prozent des Effizienzpotenzials genutzt werden und dass das Bruttoinlandsprodukt durch Produkt- und Prozessinnovationen erheblich gesteigert werden kann, wenn wir diesem Themenfeld mehr Aufmerksamkeit widmen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

   Um die Potenziale in der Materialeffizienz zu nutzen, hat die Koalition dankenswerterweise ein Impulsprogramm mit dem Namen „Materialeffizienz“ aufgelegt, das – davon bin ich überzeugt – mithelfen wird, das wirtschaftliche Wachstum in diesem Land nachhaltig zu fördern und die Nutzung der Ressourcen zu verbessern. Ich darf unseren Haushältern und unserem Minister dafür danken, dass sie dieses Programm so deutlich unterstützen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich darf in diesem Zusammenhang auch darauf hinweisen, dass die Wachstumsförderung durch ÖPP, durch öffentlich-private Partnerschaften, ein wichtiger Aspekt ist, um die Konjunktur in diesem Lande zu stimulieren. Immer mehr Kommunen erkennen zwischenzeitlich die Chance, die öffentlich-private Partnerschaften bieten. Nehmen wir das Beispiel einer rheinischen Kleinstadt: Dort gibt es einen Instandhaltungsstau und Sanierungsbedarf von gut 27 Millionen Euro im Hinblick auf ihre 13 Schulkomplexe.

(Zuruf des Abg. Steffen Kampeter (CDU/CSU))

– Auch das ist ein gutes Beispiel, Herr Kampeter. Ich kenne mich in meinem Heimatwahlkreis aus. Über die positiven Dinge sollten wir reden; darum trage ich sie gerade vor.

   Jedes Jahr ergibt sich in vielen Kommunen ein Stau bei notwendigen Investitionen, auch bei Investitionen in die Erneuerung. In der mittelrheinischen Stadt Monheim ist es letztlich so, dass der Betriebsaufwand von 3,15 Millionen Euro oft nicht ausreichte, um die Schulen in einen vernünftigen Zustand zu versetzen.

   Mit dem Programm ÖPP lassen sich in diesem Land wichtige Investitionen schneller und auch effizienter umsetzen. In Deutschland ist ein Milliardenmarkt in Bezug auf öffentlich-private Partnerschaften im Entstehen. Wir wollen diesen Markt – das sage ich ganz deutlich – fördern, und zwar nicht nur im öffentlichen Hochbau, sondern auch in anderen Bereichen, zum Beispiel im Verkehrsbereich, bei den sozialen Dienstleistungen, im Verteidigungsbereich, bei der Modernisierung des Staates, also auf allen anderen Feldern, wo sich dieses Instrument einsetzen lässt.

   Deshalb wollen wir als SPD-Bundestagsfraktion uns dieser Aufgabe konzentrierter stellen. Wir arbeiten an einem ÖPP-Beschleunigungsgesetz, das sicherstellt, dass solche Maßnahmen in diesem Land noch schneller und effizienter implementiert werden können, damit weitere Investitionen, die möglich sind, zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich möchte ansprechen, dass der Sachverständigenrat das, was ich gerade vorgetragen habe, in seinem Grundduktus sehr deutlich stützt. Er sagt wörtlich:

Die andauernde Binnenschwäche … drückt sich in einer inzwischen in Deutschland weit verbreiteten Auffassung aus, die wirtschaftlichen Zukunftsperspektiven seien in düsteren Farben zu malen.

Ich darf an dieser Stelle anmerken: Der Sachverständigenrat meint anscheinend die Opposition, die dies seit Jahren so tut.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Wir sind realistisch! Der Sachverständigenrat berät in der Regel die Regierung!)

Der Sachverständigenrat stellt weiter fest:

Dies übersieht …: Zum einen verfügt die deutsche Volkswirtschaft über eine im Grundsatz wettbewerbsfähige unternehmerische Basis, die es selbst in den … wirtschaftlich schwierigen Jahren geschafft hat, die Vorteile der internationalen Arbeitsteilung gewinnbringend zu nutzen.

Das macht deutlich: Wir haben allen Grund, positiver in die Zukunft zu schauen. Wir sollten dies tun, wenn wir über unsere Stärken reden: die hohen Exportüberschüsse und die Wettbewerbsfähigkeit trotz des starken Euro. Der Standort ist auch für Unternehmen mit ausländischen Forschungsaktivitäten – wie zum Beispiel für General Electric in München – attraktiv. Warum reden wir nicht über die positiven Beispiele? Der Standort ist attraktiv, weil der Strukturwandel, der die Wettbewerbsfähigkeit in diesem Land unterstützt, gemeinsam mit den Arbeitnehmern getragen und nicht gegen sie durchgesetzt wird.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Das ist nur möglich, weil wir in diesem Land flexibel handelnde Gewerkschaften und Betriebsräte haben. Die Flexibilität zeigt sich unter anderem in differenzierten Tarifverträgen. Ich nenne als Beispiele Siemens in Kamp-Lintfort und Bocholt, Daimler-Chrysler in Sindelfingen oder auch VW. Diese Beispiele machen deutlich, wo die Wachstumspotenziale liegen. Sie liegen nicht in der Abschaffung der Tarifautonomie, sondern in deren Stärkung. Wir müssen das konstruktive Potenzial in diesem Land stärken.

(Beifall bei der SPD sowie der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

   Ich möchte abschließend sagen: Moderne Tarifverträge erweitern den Handlungsspielraum in diesem Land. Moderne Tarifverträge differenzieren und sie lassen und schaffen Raum für die Gestaltung der Innovation.

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Und mit betrieblichen Bündnissen für Arbeit!)

Das ist mit Mitbestimmung zu erreichen. Dass die Union und die FDP die Mitbestimmung quasi abschaffen wollen,

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Nein! Sie haben nur unsere Anträge nicht gelesen!)

ist ein Zeichen dafür, dass sie die Zukunftsfähigkeit noch nicht erreicht haben.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Ihr habt eure Zukunft schon hinter euch!)

Ich bitte Sie, darüber nachzudenken. Helfen Sie mit, dass unser Land zukunftsfähig bleibt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Karl-Josef Laumann, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle (FDP))

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Nachdem ich die Rede des Wirtschaftsministers gehört habe, in der es hieß, die Lage in Deutschland sei zunehmend optimistisch zu sehen und werde besser, frage ich mich: Wie passt diese Aussage damit zusammen, dass der Finanzminister für den Haushalt 2004 zum wiederholten Mal feststellt, dass das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht in unserem Land gestört ist?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wie diese beiden Aussagen von den Mitgliedern dieser Bundesregierung zusammenpassen, müssen Sie mir erklären.

   Kollege Brandner, Sie haben gerade gesagt, Schwarz-Gelb habe arm gemacht, während die Sozialversicherungsbeiträge bei Ihnen gesunken seien. Eine Zwischenfrage haben Sie nicht zugelassen und ich weiß auch, warum.

(Klaus Brandner (SPD): Hellseher!)

Sie haben nämlich verschwiegen, dass Sie durch die Erhöhung der Mineralölsteuer 5 Milliarden Euro, durch die Erhöhung der Tabaksteuer 4 Milliarden Euro und durch die Ökosteuer 6,6 Milliarden Euro zusätzlich eingenommen haben. Allein durch diese Verbrauchsteuern haben Sie dem deutschen Volk zwischen 15 und 16 Milliarden Euro entzogen und beklagen sich jetzt über die Entwicklung in der Binnenkonjunktur. Ein bisschen redlicher sollte man in einer solchen Auseinandersetzung schon sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Herr Clement, es gehört schon Mut dazu, zu sagen, wir seien bei der Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt – diesen möchte ich zuerst ansprechen – auf gutem Weg. Der Bundeskanzler hat 1998 gesagt, er wolle die Arbeitslosigkeit senken. Als er das sagte, gab es in unserem Land 3,8 Millionen Arbeitslose. Als Sie Ihr Amt übernahmen, gab es bereits 4 Millionen Arbeitslose. Ein halbes Jahr vor Ihrem Amtsantritt hat die Hartz-Kommission getagt und versprochen, drei Jahre später – das wäre im nächsten August – solle die Arbeitslosigkeit mithilfe ihrer Instrumente bei 2 Millionen liegen. Der Sachverständigenrat sagt uns aber leider fürs nächste Jahr 5 Millionen Arbeitslose voraus.

(Klaus Brandner (SPD): Herr Hartz ist nicht Gesetzgeber!)

   Ich bin gespannt, wie Sie mithilfe der Hartz-Instrumente bis August Ihr Ziel, die Arbeitslosigkeit auf 2 Millionen abzubauen, erreichen wollen.

(Joachim Poß (SPD): Wer hat denn davon gesprochen?)

Wenn Sie redliche Politik betreiben würden, müssten Sie zugeben, dass Sie mit Ihrer Arbeitsmarktpolitik gänzlich gescheitert sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Wir haben in den letzten zwei Jahren in Deutschland 1,1 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren, zurzeit gibt es 26,3 Millionen. Im gleichen Zeitraum hat es 80 000 Unternehmensinsolvenzen gegeben. Der Sachverständigenrat sagt uns voraus, dass die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten nächstes Jahr noch einmal um 3,5 Prozent abnehmen wird. Folglich wird es im nächsten Jahr in Deutschland weniger als 26 Millionen sozialversicherungspflichtige Beschäftigte geben. Das ist die Lage am Arbeitsmarkt.

Was tun wir, um da rauszukommen? Wie sieht es mit der Vermittlung der Arbeitslosen in Deutschland aus? 2001 gab es bei der Bundesagentur nach Auswahl und Vorschlag 1,4 Millionen Vermittlungen. 2002 waren es noch 886 000, 2003 714 000. Die Zahlen für dieses Jahr, die bis Oktober vorliegen, zeigen, dass die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur noch einmal um ein Viertel zurückgegangen ist. Dass Sie in einer solchen Situation, in der die Bundesagentur das Kerngeschäft immer schlechter hinbekommt, die Agentur im Rahmen der Zusammenlegung von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe – die wir inhaltlich unterstützen – beauftragen, für weitere Millionen von Personen zuständig zu werden, ist angesichts der Tatsache, dass sie ihre eigentliche Aufgabe, nämlich vermitteln, immer weniger bewältigt, schon ein politischer Fehler, den wir Ihnen vorhalten müssen. Sie haben damit eine große Verantwortung dafür übernommen, dass die Arbeitsverwaltung in diesem Land überhaupt nicht mehr funktioniert.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Wenn wir die Lage auf dem Arbeitsmarkt und die Leistungsfähigkeit der Arbeitsverwaltung realistisch einschätzen würden – ich bin gern bereit, diese Debatte im Ausschuss mit der Regierung und den Regierungsfraktionen zu führen –, dann würden wir einsehen: Es ist notwendig, dass wir eine emotionslose, sehr sachliche Debatte über die Arbeitsmarktpolitik, die wir in Deutschland traditionell betreiben, führen. Traditionell stecken wir viel Geld in den Qualifizierungsbereich und führen dort viele Maßnahmen durch; traditionell arbeiten wir relativ viel mit Beschäftigungszuschüssen. Ich glaube, dass wir gut beraten wären, wenn wir einmal in andere Länder schauen würden, die in den von mir genannten Bereichen wesentlich weniger machen, die dafür aber den Schwerpunkt auf eine bessere Betreuung setzen. Ich könnte mir vorstellen, dass die Bundesagentur die Möglichkeit erhält – so wie sie Bildungsprogramme vergibt –, auch mit privaten Agenturen zusammenzuarbeiten, um die Vermittlungstätigkeit zu verbessern, sodass die Menschen zielgenauer vermittelt werden können und die Arbeitgeber für sie passende Vorschläge bekommen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Laumann, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Andres?

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Gern.

Gerd Andres (SPD):

Lieber Kollege Laumann, wenn Sie eine arbeitsmarktpolitische Diskussion fordern, dann stelle ich mir die Frage

(Steffen Kampeter (CDU/CSU): Sie sollen ihm eine Frage stellen!)

– ich weiß schon, wem ich die Frage stellen muss, Herr Kollege; herzlichen Dank für den Hinweis –, was wir eigentlich in den letzten sechs Jahren gemacht haben.

(Zuruf von der FDP: Diese Frage ist berechtigt! – Lachen und Beifall bei der CDU/CSU und der FDP – Karl-Josef Laumann (CDU/CSU): Das ist genau der Punkt!)

– Ich kann es Ihnen sagen: Wir haben mit Hartz I, mit Hartz II, mit Hartz III

(Zurufe von der CDU/CSU und der FDP: Frage!)

und jetzt mit Hartz IV genau die arbeitsmarktpolitischen Schritte umgesetzt, die wir gemeinsam diskutiert haben – im Ausschuss, im Parlament und überall sonst.

   Aber ich wollte etwas anderes fragen.

(Lachen bei der CDU/CSU und der FDP – Rainer Brüderle (FDP): Ist das üblich, Frau Präsidentin? – Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Die Präsidentin ist permissiv!)

Sie haben, Herr Laumann, die Zahlen über die Vermittlungstätigkeit der Bundesagentur genannt. Würden Sie bitte zur Kenntnis nehmen, dass es für die Bundesagentur in einer wirtschaftlich schwierigen Situation, die wir unzweifelhaft hatten, schwieriger ist, Jobs zu vermitteln? Und würden Sie bitte Ihre Aussage korrigieren, der Sachverständigenrat erwarte, wir würden im nächsten Jahr sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verlieren?

(Rainer Brüderle (FDP): Ist das eine Frage, Frau Präsidentin, oder ist das eine Kurzintervention? – Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Das ist sehr permissiv! Äußerst permissiv!)

Er erwartet nämlich das genaue Gegenteil. Ferner hat der Sachverständigenrat mitgeteilt, dass die Stagnationsphase überwunden ist und die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung im nächsten Jahr aufwächst. Würden Sie das bitte zur Kenntnis nehmen, Herr Laumann?

(Dr. Andreas Schockenhoff (CDU/CSU): Weiter reden!)

Karl-Josef Laumann (CDU/CSU):

Herr Kollege Andres, es ist ja richtig, dass Sie die Hartz-Gesetze durchgezogen haben.

(Gerd Andres (SPD): Gemeinsam!)

Aber als wir Hartz I gemacht haben, war die Erwartung: Wir erreichen in drei Jahren eine Halbierung der Arbeitslosigkeit. Sie haben jetzt noch ein halbes Jahr dafür Zeit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das heißt, Hartz ist gescheitert: Die PSA ist gescheitert; die Ich-AG ist gescheitert. Es ist viel Geld versenkt worden. Wir sollten jetzt, da es mit diesen Instrumenten nicht klappt, darüber reden, wie wir in dieser Beziehung besser werden können. Da können Sie sich aufregen, wie Sie wollen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Welt, Herr Kollege Andres, ist Gott sei Dank weiter, als Sie denken. Ich habe vor ein paar Tagen die Bundesagentur in Hanau besucht. Ich habe mir ein Projekt angeschaut, in dem diese Agentur bei der Vermittlung mit einem privaten Unternehmen zusammenarbeitet. Die Arbeitgeber sagen: Wir bekommen passgenaue Vorschläge. Die Arbeitnehmer sagen: Wir bekommen mehr Stellen vorgeschlagen, die besser zu uns passen. Aber leider gibt es noch viel zu wenige solcher Modelle. Hier müssen wir viel mehr tun. Aber dann sollten wir auch die Mittel freischaufeln. Ich würde lieber weniger Maßnahmen durchführen, dafür aber mehr in die zielgenaue Vermittlung investieren. Das ist ein ganz konkreter Vorschlag, den wir an dieser Stelle machen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Ich will einen weiteren Punkt ansprechen. Alle Fraktionen in diesem Hause wissen, dass wir in Deutschland mehr Wachstum und mehr Arbeitsplätze brauchen, um aus unserer Situation herauszukommen. Aber die Bundesregierung geht in ihrer mittelfristigen Finanzplanung davon aus, dass die Arbeitnehmer in den nächsten fünf bis sieben Jahren einen Nettolohnverlust hinnehmen müssen. In Ihrem Haushalt, Herr Clement, heißt es nämlich: Die Steuern und Sozialabgaben werden stärker steigen als die Löhne. Wie soll die Binnenkonjunktur in einer solchen Situation anspringen? Auch hierzu hat die Union ganz klare Vorschläge erarbeitet, was uns in den letzten zwei Wochen wahrlich nicht leicht gefallen ist. Wir sagen: In einer solchen Situation muss man zumindest die Beiträge einer großen Sozialversicherung vom Arbeitsverhältnis und damit vom Lohn abkoppeln. Damit haben wir erneut einen ganz konkreten Vorschlag gemacht, wie wir der Entwicklung, dass die Nettolöhne langsamer steigen werden als die Sozialabgaben und Steuern, entgegenwirken können. Schlagen doch auch Sie diesen Weg ein!

   Wenn wir Wachstum schaffen wollen, müssen wir sehr stark auf innovative Produkte setzen. Ich sehe, dass Sie in Ihrem Haushalt riesige Anstrengungen zur Förderung der Nanotechnologie unternehmen. Das begrüße ich; denn in diesem Bereich sind hohe Zuwachsraten zu erwarten. Aber gleichzeitig ist festzustellen, dass die gleiche Bundesregierung die Grüne Gentechnik, die ein ähnlicher Schlager werden kann, politisch diffamiert und in Deutschland unmöglich macht. Das, was Sie bei der Nanotechnologie aufbauen, schmeißen Sie bei der Grünen Gentechnik mit dem Hintern wieder um. Eine solche Regierung kann kein Wachstum schaffen. Das ist die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   In den letzten drei Wochen wurde in Deutschland – das sage ich Ihnen ganz offen – eine irre Diskussion über das Thema Arbeitszeiten geführt. Die Bundesregierung hat gesagt: Wir können unser Land retten, indem wir den Nationalfeiertag abschaffen. Andere meinten, man müsse sich in der Politik jetzt auch mit den Raucherpausen in den Betrieben beschäftigen. Aus diesem Thema sollten wir uns lieber fein heraushalten; denn das kann in den Betrieben besser als im Deutschen Bundestag geregelt werden.

   Wahr ist aber, dass wir flexiblere Arbeitszeiten brauchen. Zur Wahrheit gehört auch, dass die Arbeitszeiten in Deutschland eher länger als kürzer werden müssen, damit wir wieder aus der gegenwärtig problematischen Situation herauskommen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Auch hierzu hat die Union einen ganz praktischen Vorschlag gemacht. Wir sagen: Im Tarifvertragsgesetz muss klargestellt werden, dass betriebliche Bündnisse für Arbeit möglich sind. Denn dann wird sich diese Entwicklung in den Betrieben sehr passgenau einstellen. Das ist im Rahmen großer Tarifverhandlungen gar nicht zu machen. Auch hier haben wir einen konkreten Vorschlag gemacht, um zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung zu kommen.

   Zur Wahrheit gehört auch: Viele unserer Botschaften bedeuten insbesondere für die Arbeitnehmer in unserem Land, dass sie sich für das gleiche Geld mehr anstrengen müssen. Wenn wir das aber mit einer Debatte verbinden, die zu der Erkenntnis führt, dass sich auch die Eliten in unserem Land eine neue Bescheidenheit auferlegen müssen, damit der Kitt in unserer Gesellschaft erhalten bleibt, dann ist das hinzukriegen.

   In diesem Zusammenhang verstehe ich nicht, dass der Bundeskanzler in der letzten Woche eine Gesetzesinitiative zur Veröffentlichung von Managergehältern gestoppt hat. Denn wenn man weiß, dass in den 70er-Jahren Manager ungefähr das Dreißigfache eines durchschnittlichen Arbeitnehmereinkommens verdient haben, sie aber heute das Zweihundertfünfzigfache dessen verdienen, der wird einsehen, dass wir diesen Kitt in der Gesellschaft brauchen, um die notwendigen Veränderungen der nächsten Monate und Jahre den Menschen zumuten zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Herr Clement, ich bin der Meinung, dass im Bereich von Wirtschaft und Arbeit nichts erreicht wurde. Die Situation auf dem Arbeitsmarkt ist so trostlos wie nie zuvor. Mit Ihrer Politik werden Sie in die Geschichte unseres Landes nicht als erfolgreicher Wirtschaftsminister eingehen, sondern als jemand, der die schwierigste Lage auf dem Arbeitsmarkt zu verantworten hatte und unter dem die Situation von Monat zu Monat eher schlimmer als besser geworden ist.

   Schönen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat die Kollegin Petra Pau.

Petra Pau (fraktionslos):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich beginne mit einer Meldung, die gestern von der Bundesbank verbreitet wurde. Demnach haben die Gewinne von Unternehmen und Vermögenden einen neuen Rekordstand erreicht. Zugleich liegt die Lohnquote der Beschäftigten auf dem niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Damit belegt die Bundesbank das, was die PDS im Bundestag wiederholt kritisiert hat: Die Reichen werden immer reicher und die Armen immer zahlreicher.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Das ist allerdings kein Naturgesetz, sondern das Erbe aus der Ära Kohl, das von Rot-Grün weitergeführt wird. Das finden wir falsch, ungerecht und unsozial.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos) – Kurt J. Rossmanith (CDU/CSU): Die Sozialisten haben das ganze Land von vorne bis hinten arm gemacht! Sie sollten sich schämen, Derartiges zu sagen!)

Nun bin ich mitten in der Diskussion über die so genannte Arbeitsmarktreform, über Hartz IV. Durch sie wird die Schere zwischen Arm und Reich weiter geöffnet – vorsätzlich. Auch deshalb lehnt die PDS Hartz IV ab.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Dagegen sprechen aber auch wirtschaftliche Gründe: Die Rekordgewinne entspringen nämlich, wenn nicht Spekulationsgeschäften, vor allem dem Exportboom. Der Binnenmarkt hingegen lahmt. Durch Hartz IV wird er noch lahmer, weil die Kaufkraft sinkt. Das ist bekannt, Rot-Grün setzt es dennoch durch und die Opposition zur Rechten zollt dem Ganzen auch noch Beifall – die PDS nicht.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Das Wohl und Wehe vieler Unternehmen hängt von der Kaufkraft auf dem Binnenmarkt ab. Die ostdeutschen Wirtschafts- und Arbeitsminister – von CDU bis PDS – haben hochgerechnet: Mit Hartz IV wird die Kaufkraft allein in den neuen Bundesländern um 1 Milliarde Euro sinken. Das macht viele arm. Das bedroht kleine und mittlere Unternehmen und damit weitere Arbeitsplätze. Deshalb unsere Prognose: Hartz IV schafft nicht weniger Arbeitslose, sondern mehr, arme Arbeitslose, nebst Angehörigen. Auch deshalb sagen wir Nein.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Rot-Grün hat mit Hartz IV ein Doppelmotto verkündet: Fordern und Fördern. Ganz egal, was ich davon halte, es geht nicht auf – das Fordern schon, das Fördern aber nicht. Das gilt insbesondere für strukturschwache Regionen, und zwar in Ost und West. Hinzu kommen die nackten Fakten: Die geplante Finanzausstattung der Bundesagentur für Arbeit reicht nicht. Es wäre daher nur ehrlich und auch zwingend, den vorliegenden Haushalt zu korrigieren. Deshalb haben wir beantragt, den Etat der Bundesagentur für Arbeit um 2 Milliarden Euro aufzustocken.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, unsere Bedenken gegenüber Hartz IV sind übrigens nicht nur sozialer oder wirtschaftlicher Natur, unsere Kritik hat auch einen rechtlichen Boden: Wir halten Hartz IV für mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Dazu wird die PDS in der nächsten Woche ein Gutachten vorstellen und wir werden Betroffene ermutigen, auf dieser Basis ihr Recht einzuklagen. Schließlich möchte ich noch anmerken, dass Hartz IV mit dem Datenschutz gründlich über Kreuz liegt. Auch das geht auf das Konto von Rot-Grün.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Noch ein Extrawort an die Grünen – nicht an alle; einige haben sich ihr soziales und bürgerrechtliches Gewissen sehr wohl bewahrt; aber sie sind bekanntlich in der Minderheit –: Ich höre aus Ihrer Fraktion immer wieder, dass Sie die Hartz-Gesetze nach Jahresfrist überprüfen und notfalls korrigieren wollen. Das ist schwarzer Humor pur, jedenfalls für alle, die bis dahin ihr Vermögen aufbrauchen mussten, nebst dem ihrer Angehörigen. Außerdem – das habe ich Ihnen gestern schon gesagt – treiben Sie vor allen Dingen Frauen in neue Abhängigkeiten. Das ist das Gegenteil von Emanzipation.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

   Vor diesem Hintergrund ist es geradezu obszön, wenn die Bundestagsgrünen solche Gesetze beschließen und anschließend die Hauptstadtgrünen ausgerechnet von der PDS fordern, dass sie diese Gesetze umsetzt, und zwar so, dass niemandem etwas genommen wird und dass es niemandem wehtut.

(Beifall der Abg. Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos))

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Johannes Singhammer, CDU/CSU-Fraktion.

Johannes Singhammer (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Clement, nach Ihrer Rede kann man nur feststellen: Sie leiden an fortgeschrittenem Wahrnehmungsverlust; denn seit der Haushaltsdebatte im vergangenen Jahr hat sich wenig geändert.

(Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU))

Nach wie vor schwebt die Abrissbirne über viel zu vielen Arbeitsplätzen in Deutschland. Allein in Jahresfrist haben wir 450 000 voll sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze verloren.

(Beifall des Abg. Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU))

Die Deindustrialisierung des Standortes Deutschland ist ein gutes Stück weiter vorangekommen und die Erosion der Industriearbeitsplätze ist von Ihrer Regierung in keiner Weise gestoppt worden.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Täglich verschwinden 900 Industriearbeitsplätze. Sie werden ins Ausland verlagert, schlichtweg eingedampft, verdunsten, sind nicht mehr da. Herr Bundesminister, Sie selbst haben in Ihrer Haushaltsrede am 5. Dezember 2002 für sich die Maßstäbe gesetzt, an denen wir Sie heute messen wollen. Sie haben damals gesagt – ich zitiere –:

… nicht einmal 1,5 Prozent Wachstum, wie Sie es, meine Damen und Herren von der Opposition, im Schnitt von 1995 und 1998 trotz boomender US-Konjunktur „eingefahren“ haben – das ist einfach zu wenig.

Herr Bundesminister, vor wenigen Tagen prognostizierte der Sachverständigenrat für das kommende Jahr ein Wachstum von lediglich 1,4 Prozent. Herr Minister, das ist zu wenig für Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Joachim Poß (SPD): Das Institut der deutschen Wirtschaft sagt: 2 Prozent!)

   Wenn wir uns die Prognosen des Ifo-Instituts einmal vergegenwärtigen, das voraussagt, dass in den kommenden Jahren gerade auch im Mittelstand ein weiterer Verlust von Arbeitsplätzen ins Ausland zu erwarten ist, dann ist das alles andere als Erfolg versprechend ist. Den Silberstreif am Horizont, den Sie glauben zu entdecken, müssen Sie uns einmal deutlich zeigen.

   Was ist nämlich die Realität? Karstadt, Opel in Bochum und in Rüsselsheim – jeden Tag kommt eine neue Tatarenmeldung in Deutschland. Wo hier Zuversicht aufkommen soll, bleibt Ihr Geheimnis.

(Zuruf des Abg. Peter Dreßen (SPD))

– Schreien Sie nicht so! – Nicht die Opposition, sondern die Bundesregierung mit ihrem Kurs der planvollen Wachstumsverweigerung bzw. Wachstumsverhinderung verbreitet hier ein Klima der Perspektivlosigkeit; das ist es.

(Peter Dreßen (SPD): Bei solch einem Schwachsinn muss man sich aufregen!)

   Unser Land wird unter Wert regiert. Die Menschen in Deutschland haben eine bessere Regierung verdient. Der Königsweg lautet Wachstum. Ich nenne Ihnen drei Bereiche, in denen Sie dieses Hauptziel verfolgen sollten, um aus dem Schlamassel herauszukommen.

(Peter Dreßen (SPD): Eine fähige Opposition wäre schon etwas!)

   Ein erster Punkt ist die Energieversorgung: Sie haben ein Energiegesetz jahrelang verschleppt. Nach den Vorgaben der Europäischen Union hätten Sie schon zum 1. Juli 2004 ein derartiges Gesetz vorlegen sollen. Nicht zuletzt deshalb liegen 40 Milliarden Euro für Ersatzinvestitionen im Bereich der Energiewirtschaft brach. Diese Investitionen, die zunächst keine Steuergelder bedingen, werden nur dann getätigt werden, wenn Klarheit herrscht. Wenn Unklarheit das Wesensmerkmal Ihrer Politik ist, dann wird nicht investiert, dann herrscht Stillstand.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Rainer Brüderle (FDP))

   Ich möchte einen zweiten Punkt herausgreifen. Wir sehen mit Sorge, dass die Konkurrenzfähigkeit Deutschlands bei bestimmten Produkten im Zuge der Globalisierung abnimmt. Was ist die Folge daraus? – Wir müssen um so viel besser sein, wie wir in Deutschland teurer sind. Dieser Abstand muss immer eingehalten werden. Erreichen können wir das mit einer engen örtlichen und systematischen Vernetzung von Innovation, Forschung und Produktion, der so genannten Clusterbildung. Dabei müssen die Schwerpunkte eindeutig auf der Spitzentechnologie liegen. Nur so wird Deutschland seinen Vorsprung erhalten und einen neuen Vorsprung schaffen. Wir brauchen die forschungsintensive komplexe Wertschöpfung mit Systemlösungen, die von der Billigkonkurrenz nicht leicht imitiert werden kann.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Willsch?

Johannes Singhammer (CDU/CSU):

Gerne.

(Klaus Brandner (SPD): Habt ihr keine Fraktionssitzung?)

Klaus-Peter Willsch (CDU/CSU):

Herr Kollege Singhammer, Sie haben gerade über Forschung und Innovation gesprochen. In diesem Zusammenhang möchte ich Ihnen folgenden Vorgang schildern:

   Die Bundesregierung hat sich bei der Verabschiedung des Einzelplanes 30 dafür feiern lassen, dass seitens der Koalition 10 Millionen Euro für die nationale Weltraumforschung zusätzlich zur Verfügung gestellt wurden. Nun hat mich unmittelbar danach folgende Information erreicht: Nachdem zur Erwirtschaftung der globalen Minderausgabe schon für das laufende Jahr 8 Millionen Euro zulasten der nationalen Weltraumforschung gingen, sind für das nächste Jahr gleich noch einmal 5,5 Millionen Euro vorgesehen.

   Stimmen Sie mir zu, dass von der Regierung vor allen Dingen Rosstäuscherei betrieben wird und in diesem Bereich keine reale Politik gemacht wird?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Johannes Singhammer (CDU/CSU):

Ich stimme dem zu, und zwar aus gutem Grund. An diesem Beispiel sehen wir wiederum, dass Taten und Worte weit auseinander klaffen. Wenn es zukünftig eine Chance auf sichere Arbeitsplätze in Deutschland geben soll, dann im Bereich der Hochtechnologie. Wenn wir die wenigen Ressourcen bündeln, dann dort. Für jeden Euro, den wir an der falschen Stelle einsparen, müssen wir doppelt so viel bei der Bundesagentur für Arbeitslose ausgeben. Das ist die Wahrheit. Deshalb ist dies eine falsche Politik.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Es ist richtig und notwendig, dass sich auch die Bundesregierung systematisch überlegt: Wie kommen wir mit der so genannten Clusterbildung voran? Es gibt einige Bundesländer – es sind vor allem die unionsregierten Länder –, die hier erfolgreich sind. Ich nenne zum Beispiel Sachsen mit der Chipindustrie am Standort Dresden. Ich denke hier auch an Bayern, wo wir in München vor kurzem die so genannte Neutronenquelle in Betrieb genommen haben – heftig kritisiert und lange blockiert von dieser Bundesregierung. Die Folgen sind sehr schnell sichtbar geworden: Nach nur wenigen Monaten Betriebszeit eröffnet dort General Electric ein großes Forschungszentrum und mittelständische Industrie siedelt sich an. Es entsteht ein so genannter industrieller Kern mit sicheren Arbeitsplätzen in der Hochtechnologie. Diese Art der Vernetzung in vielen unserer Landesteile mit einem klaren Plan und einer klaren Strategie vermissen wir bei der Bundesregierung. Wir stellen hier nur fest: Ideenlosigkeit regiert allenthalben.

   Mein dritter Punkt: Wir brauchen zur Sicherung von Arbeitsplätzen und des industriellen Standorts Deutschland eine Bundesregierung, die deutsche Interessen vertritt. Was meine ich damit, Herr Bundesminister Clement? Was war Ihre Reaktion auf die unredlich geführte Übernahmeschlacht zwischen Sanofi und Aventis, bei der die französische Regierung in massivster Form eingegriffen hat, um den Standort Frankreich durchzusetzen? Was haben Sie in der Folgezeit getan, um für den deutschen Industriestandort gleiche und faire Bedingungen zu erreichen? Was haben Sie getan, um derartig aggressive Praktiken in Zukunft zu verhindern? Was haben Sie getan, als Siemens überlegte, mit Alstom ins Geschäft zu kommen, und die französische Regierung die Verhandlungen gestoppt hat?

   Wir wollen nicht interventionistisches Fehlverhalten mit gleicher Münze zurückzahlen; das sage ich ganz klar. Aber eine Arbeitsteilung in Europa mit der Grundlinie „Zentrale in Paris und Filiale in Berlin“ liegt – so empfinden wir das – nicht im deutschen Interesse. Dabei geht es nicht um theoretische Diskussionen, sondern massiv um Arbeitsplätze. Wo werden denn die Arbeitsplätze zuerst abgebaut: in der Zentrale oder in der Filiale? Jeder von uns kennt die Antwort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

   Deshalb erwarten wir von Ihnen, Herr Minister, und von dieser Bundesregierung einen Einsatz für deutsche Interessen und deutsche Arbeitsplätze mit messbaren Effekten. Denjenigen, die in den vergangenen zwölf Monaten ihren Arbeitsplatz verloren haben, hat die rot-grüne Wirtschaftspolitik nicht geholfen. Wir wollen, dass nicht weitere Hunderttausende ein ähnliches Schicksal erleiden. Deshalb sage ich: Statt einer asozialen Haushaltspolitik brauchen wir eine soziale Wachstumspolitik für Deutschland.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über den Einzelplan 09, Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit, in der Ausschussfassung. Hierzu liegen vier Änderungsanträge vor, über die wir zuerst abstimmen. Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4348? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition, der FDP und der beiden Abgeordneten Dr. Lötzsch und Pau gegen die Stimmen der CDU/CSU abgelehnt.

   Wer stimmt für den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4349? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition, der FDP und der beiden Abgeordneten Dr. Lötzsch und Pau gegen die Stimmen der CDU/CSU abgelehnt.

   Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4350. Die Fraktion der CDU/CSU verlangt namentliche Abstimmung. Ich bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Sind die Plätze an den Urnen besetzt? – Das ist der Fall. Dann eröffne ich die Abstimmung.

   Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seine Stimme nicht abgegeben hat? – Das ist nicht der Fall. Dann schließe ich die Abstimmung und bitte die Schriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählung zu beginnen. Das Ergebnis der Abstimmung wird Ihnen später bekannt gegeben.

   Ich weise darauf hin, dass wir jetzt noch über einen weiteren Änderungsantrag abstimmen und nach der Auszählung über den Einzelplan 09 – Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit – abstimmen werden.

   Wir kommen zur Abstimmung über den Änderungsantrag der Abgeordneten Dr. Gesine Lötzsch und Petra Pau auf Drucksache 15/4351. Wer stimmt für diesen Änderungsantrag? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Änderungsantrag ist mit den Stimmen der Koalition, der CDU/CSU und der FDP gegen die Stimmen der beiden PDS-Abgeordneten abgelehnt.

   Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichen Abstimmung unterbreche ich die Sitzung.

(Unterbrechung von 12.05 bis 12.11 Uhr)

   Die unterbrochene Sitzung ist wieder eröffnet.

   Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schriftführern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstimmung über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zu Einzelplan 09 auf Drucksache 15/4350 bekannt. Abgegebene Stimmen 577. Mit Ja haben gestimmt 236, mit Nein haben gestimmt 341, Enthaltungen gab es keine. Der Änderungsantrag ist damit abgelehnt.

   Wir stimmen nun über den Einzelplan 09 in der Ausschussfassung ab. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Der Einzelplan 09 ist mit den Stimmen der Koalition bei Gegenstimmen der CDU/CSU, der FDP und der beiden PDS-Abgeordneten angenommen.

   Ich rufe die Tagesordnungspunkte I.19 bis I.21 auf:

I.19 Einzelplan 15

Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung

– Drucksachen 15/4313, 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Waltraud Lehn Dr. Michael Luther Anja Hajduk Otto Fricke

I.20 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Verwaltungsverfahren im Sozialrecht (Verwaltungsvereinfachungsgesetz)

– Drucksache 15/4228 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)InnenausschussRechtsausschuss Finanzausschuss

I.21 Beratung des Antrags der Abgeordneten Horst Seehofer, Andreas Storm, Annette Widmann-Mauz, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU

Wirkungen und Nebenwirkungen des GKV-Modernisierungsgesetzes – Kritische Bestandsaufnahme

– Drucksache 15/4135 –

Überweisungsvorschlag:Ausschuss für Gesundheit und Soziale Sicherung (f)InnenausschussRechtsausschuss FinanzausschussAusschuss für Wirtschaft und Arbeit Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und JugendHaushaltsausschuss

   Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf den Einzelplan 15 bezieht, ist bereits beim Einzelplan 08 abgestimmt worden.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Ich höre keinen Widerspruch.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Kollege Wolfgang Zöller, CDU/CSU-Fraktion.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wolfgang Zöller (CDU/CSU):

Grüß Gott, Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Gestatten Sie mir zunächst, dass ich der Gesundheitsministerin von ganzem Herzen Gesundheit wünsche. Ich kann verstehen und als Politiker nachempfinden: Es kann wohl nichts Schlimmeres geben, als wenn man seine Stimme verliert.

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, nichtsdestotrotz muss man natürlich, wenn wir heute über den Haushalt beraten, auch über die Halbzeitbilanz von Rot-Grün reden, die nun einmal von anhaltendem wirtschaftlichen Niedergang und anhaltender hoher Arbeitslosigkeit geprägt ist. Das belegen Ihre eigenen Zitate, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich darf aus dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zitieren:

Das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht ist im Jahre 2004 ernsthaft gestört... Das Ziel eines hohen Beschäftigungsstandes wird nach wie vor gravierend verfehlt... Es zeichnet sich ab, dass der Beschäftigungsrückgang deutlich stärker ausfallen wird.

   Meine sehr geehrten Damen und Herren, damit dokumentiert die Bundesregierung selbst, dass sie mit ihrer Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik völlig gescheitert ist.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Das Schlimme daran ist, dass wir dieses Trauerspiel nun im fünften Jahr in Folge erleben müssen.

(Michael Glos (CDU/CSU): Sehr wahr!)

   Dies hat natürlich auch Folgen für die bestehenden sozialen Sicherungssysteme. Die Rentenkassen sind leer. Die Rücklagen sind aufgebraucht. Es ist zu befürchten, dass die Rentner immer öfter eine Nullrunde hinnehmen müssen. Kein Problem ist nachhaltig gelöst. Alles wird ständig auf künftige Generationen verschoben.

   Auch in der Pflegeversicherung hat die Bundesregierung in den letzten Jahren die Einnahmeseite durch politische Fehlentscheidungen verschlechtert. Noch 1998 hatte die Pflegeversicherung einen Überschuss in Höhe von rund 5 Milliarden Euro. Nun ist zu befürchten, dass im kommenden Jahr die Mindestreserve in Höhe von 0,8 Milliarden Euro nicht mehr gehalten werden kann. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der seit 1995 stabile Beitragssatz in Höhe von 1,7 Prozent nicht mehr ausreichen wird, um die Pflegeleistungen verlässlich zu finanzieren.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Mit dem Zusatzbeitrag haben die schon an der Schraube gedreht!)

   Was hat die Bundesregierung dagegen unternommen? Sie hat eine – nach meiner Meinung: einfallslose – Beitragserhöhung vorgenommen, indem sie versucht hat, das Bundesverfassungsgerichtsurteil, das – man beachte! – am 3. April 2001 erlassen wurde, dreieinhalb Jahre später, also kurz vor Toresschluss, umzusetzen, allerdings auf eine Art, die in keiner Weise den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichtsurteils entspricht. Statt Versicherte mit Kindern zu entlasten, wird das Bundesverfassungsgerichtsurteil durch die einseitige Beitragserhöhung für Kinderlose zum Stopfen von selbst verschuldeten Finanzlöchern missbraucht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Ein solcher Strafbeitrag für Kinderlose widerspricht dem Geist des Bundesverfassungsgerichtsurteils.

   Die gesetzliche Krankenversicherung tritt trotz Mehreinnahmen und Einsparungen ebenfalls auf der Stelle. Die Krankenkassen sind nicht in der Lage, die Entlastungen als Beitragssenkungen an die Versicherten weiterzugeben.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das haben wir schon im letzten Sommer gesagt!)

Dafür gibt es zwei wesentliche Gründe: zum einen das Wegbrechen der Einnahmen – auch hier müssen Sie sich wieder den Vorwurf gefallen lassen, eine verfehlte Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik betrieben zu haben – und zum anderen die falschen Angaben über die tatsächliche Verschuldung der Krankenkassen. Während die Bundesregierung noch im letzten Jahr von 4 Milliarden Euro gesprochen hat, muss man heute fairerweise von 8 Milliarden Euro Verschuldung ausgehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Zuruf des Abg. Jörg Tauss (SPD))

– Herr Kollege Tauss, Ihre Zurufe sind vom Inhalt her nicht immer die interessantesten. Aber als Gesundheitspolitiker sei mir gestattet, darauf hinzuweisen, dass Ihre Zurufe von der Lautstärke her allmählich gesundheitsgefährdend für Ihre Nachbarn sind.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ohne das gemeinsam mit uns verabschiedete Gesundheitsmodernisierungsgesetz läge der Beitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung heute über 15 Prozent.

   Den Sozialkassen droht der finanzielle Offenbarungseid. Aber hier geht es nicht nur um ein finanzielles Problem. Dies hätte vielmehr auch massive Auswirkungen auf die Stabilität und den inneren Zusammenhalt unserer Gesellschaft. Dieser steht auf dem Spiel. Wer die soziale Sicherung in ihren Grundfesten gefährdet, der riskiert gesellschaftspolitische Konflikte. Deshalb ist es die politische Pflicht aller demokratischen Parteien – darin sollten wir uns in diesem Hohen Hause einig sein –, Konzepte zu entwickeln, die uns aus dieser Misere herausführen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Die Union hat sich dieser Verantwortung gestellt. Obwohl sie in der Opposition ist, hat sie klare Reformvorschläge gemacht.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo denn? Erklären Sie uns das einmal! – Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ich bin neugierig, Herr Zöller!)

– Da Sie unruhig auf den Stühlen herumrutschen, vermute ich, dass Sie mehr über unsere solidarische Gesundheitsprämie wissen wollen. Ich möchte in diesem Zusammenhang zwei wesentliche Punkte ansprechen. Erstens. Durch die Festschreibung der Arbeitgeberbeiträge kommt es erstmals zu einer Entkopplung der Arbeitskosten von den Gesundheitskosten. Dadurch verbessern wir die Chancen für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Dies sollte eigentlich unser gemeinsames Anliegen sein, damit es in Deutschland wieder aufwärts geht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Zweitens. Es werden erstmals auch die Besserverdienenden zum solidarischen Ausgleich herangezogen. Gesamtgesellschaftliche Aufgaben sollten auch von der Gemeinschaft finanziert werden.

(Andreas Storm (CDU/CSU): So ist es! - Waltraud Lehn (SPD): Das ist eine abenteuerliche Rede!)

Deshalb ist eine Finanzierung der Beiträge für Kinder aus Steuermitteln system- und sachgerecht.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Dies ist übrigens eine konsequente Fortführung unserer Bestrebungen, versicherungsfremde Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung herauszunehmen.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wie groß sind denn die Finanzlöcher? Können Sie uns darüber einmal aufklären?)

   Das von der Union vorgelegte Reformkonzept

(Jörg Tauss (SPD): Ist Unfug!)

bietet darüber hinaus weitere Ansätze für eine konkrete Ausgestaltung.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Zöller, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Dreßen?

Wolfgang Zöller (CDU/CSU):

Ja, bitte schön.

Peter Dreßen (SPD):

Herr Kollege Zöller, können Sie mich einmal darüber aufklären, wie es mit der Finanzierung nun wirklich aussieht?

(Otto Fricke (FDP): Wir haben nicht stundenlang Zeit!)

Bei Einführung der Kopfpauschale wollen Sie den Spitzensteuersatz um drei Prozentpunkte senken. Das heißt, der Staat hat 6 Milliarden Euro weniger in der Kasse. Hinzu kommt – das geben Sie selbst zu –, dass Ihr Kompromiss einen Zuschuss aus Steuermitteln in Höhe von 14 Milliarden Euro vorsieht. Insgesamt sind also zusätzlich 20 Milliarden Euro aufzubringen. Können Sie mich jetzt einmal darüber aufklären, von welcher Stelle des Haushalts Sie diese 20 Milliarden Euro nehmen wollen? Wollen Sie die Rente oder irgendwelche Subventionen kürzen?

Wolfgang Zöller (CDU/CSU):

Herr Kollege Dreßen, es wäre mir wesentlich lieber, wir könnten uns einmal über ein Konzept von Ihnen unterhalten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP)

Sie sind nämlich an der Regierung und nicht wir.

   Um auf Ihre Frage konkret zu antworten: Es ist nicht redlich, immer nur die eine Seite zu sehen. Wir haben gesagt: Die Finanzierung muss im Zusammenhang mit der Steuerreform gesehen werden. Sie werden sich wundern, wie gut man unsere Vorschläge bei den Beratungen in diesem Haus finden wird.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP – Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Sie wollen doch die Steuern senken!)

   Wir wollen auch strukturelle Komponenten einbauen. Dadurch wollen wir mehr Transparenz, mehr Wettbewerb und – das ist ganz wichtig – endlich einmal weniger staatliche Reglementierung im Gesundheitswesen erreichen.

(Waltraud Lehn (SPD): Das ist Ihnen voll gelungen! – Jörg Tauss (SPD): Mutig!)

Wir wollen auch, dass die Wahlmöglichkeiten der Versicherten wesentlich verbessert werden.

   Die Opposition legt konkrete Vorschläge vor.

(Erika Lotz (SPD): Konkret?)

Von der Regierung dagegen habe ich bisher kein schlüssiges Konzept gehört.

(Peter Dreßen (SPD): Haben Sie noch nie was von der Bürgerversicherung gehört?)

– Ich bin für das Stichwort „Bürgerversicherung“ dankbar. Korrekterweise müssten Sie es „Bürgerzwangsversicherung“ nennen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Waltraud Lehn (SPD): Ja, genau!)

Es ist besonders bemerkenswert, dass sich bisher weder die Fraktion noch die Ministerin noch der Kanzler öffentlich zur Bürgerzwangsversicherung bekannt haben. Das wundert mich. Ich will einmal sehen, wie Sie dazu stehen. Auch Sie sollten endlich kapieren: Sozial ist, was Arbeit schafft. Danach sollten wir die Maßnahmen ausrichten, um das Ziel zu erreichen.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Hat Ihnen Frau Merkel den Redenschreiber überlassen?)

   Leider ist festzuhalten: Unter Rot-Grün wurden die Sozialsysteme, ob Renten-, Pflege-, Arbeitslosen- oder Krankenversicherung, finanziell an die Wand gefahren. Das Schlimmste dabei ist: Man sieht keine Konzepte. Die Bürger sehen keine Perspektive, wie man aus dieser Misere herauskommt. RotGrün hat zwei Jahre vor der Bundestagswahl keinen Mut mehr, die notwendigen Reformen anzupacken. Die Union handelt getreu einer KolpingDevise: Wer Mut hat, macht Mut.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dr. h. c. Susanne Kastner Vizepräsidentin:

Das Wort hat die Kollegin Waltraud Lehn, SPD-Fraktion.

Waltraud Lehn (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Haushalt des Bundesministeriums für Gesundheit und Soziale Sicherung ist vor dem Hintergrund einer zweifelsfrei schwierigen Haushaltssituation beraten worden. Dennoch: Dieser Haushalt bleibt ein sozialer Haushalt. Die aktuelle Steuerschätzung erwartet für das nächste Jahr Steuereinnahmen von etwa 190 Milliarden Euro. Davon werden wir allein 128 Milliarden Euro für soziale Leistungen ausgeben, also gut 67 Prozent. Das heißt im Klartext: Von 100 Euro, die wir an Steuereinnahmen haben, geben wir 67 Euro für soziale Leistungen aus:

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Den Rest macht ihr mit Schulden!)

bei der Arbeitslosenhilfe angefangen über die Jugendhilfe bis hin zur Rente.

   Wir unterstützen und begleiten mit dem Haushalt 2005 die Reformpolitik von Bundeskanzler Gerhard Schröder mit einem starken sozialen Beitrag. Ohne Frage: Wir muten den Menschen mit unserer Reformpolitik Veränderungen zu, aber nehmen unsere soziale Verantwortung ernst – ganz im Gegensatz zu Ihnen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Schauen Sie einmal, wie es in der Rentenkasse aussieht!)

   Eine Streichorgie ohne Ende bei den sozialen Leistungen wollte die Union bei der Beratung im Haushaltsausschuss durchsetzen.

(Zuruf von der SPD: Unglaublich!)

Es ist beschämend, Herr Zöller, dass Sie hier so reden. Entweder haben Sie keine Ahnung oder Sie sagen bewusst die Unwahrheit. Beides disqualifiziert Sie.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Diese Aussage von Ihnen hat Sie disqualifiziert!)

Sie haben 19 Kürzungsanträge mit Eingriffen zum Beispiel bei den Leistungen für chronisch Kranke und Pflegebedürftige oder bei den Mitteln für die Aidsbekämpfung gestellt!

(Andreas Storm (CDU/CSU): So ein Blödsinn!)

– Oh nein, kein Blödsinn! Ich gebe Ihnen die Anträge gleich zum Einrahmen, damit Sie das nachlesen können. – Der designierte Nachfolger von Herrn Seehofer stellt sich hierhin und tut so, als wäre die Absicht der Union, eine Wohltat nach der anderen zu verteilen. Davon sollte sich das ganze Parlament distanzieren. So geht es nicht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Gleich ganz streichen wollten Sie den Bundeszuschuss zu den familienpolitischen Leistungen. Wenn ich mich nicht irre, Herr Zöller, waren Sie doch dabei, als Herr Seehofer das in den Koalitionsverhandlungen – in den Verhandlungen zur Gesundheitsreform durchgesetzt hat.

(Heiterkeit und Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

– Das war gut, nicht? Aber das war ja auch so etwas wie eine große Koalition in Fragen der Gesundheit. Wir würden uns wünschen, dass wir in den Fragen, die für die Bevölkerung so zentral sind, weiterhin gut zusammenarbeiten können.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ist das ein Liebeswerben, Frau Lehn?)

Aber die Zusammenarbeit haben Sie durch das, was Sie jetzt vorgelegt haben, denke ich, eindeutig aufgekündigt.

   Der Zwangsgemeinschaft Merkel/Stoiber ist nichts mehr heilig, kein sozialpolitisches Handeln und kein Sozialpolitiker. Horst Seehofer wurde auf dem Altar eines schon jetzt erkennbar brüchigen inneren Friedens geopfert. Kein Wunder, dass er jetzt ins Kloster will!

   Die mühsam versammelte Union geht auch, und zwar weit weg, weit weg von sozialer Verantwortung und weit weg von sozialer Gerechtigkeit. Mit ihrem Lohnnebenkostenabkopplungs-Einheitspauschale-Steueranteils-Modell hat die Union ein ebenso unsoziales wie bürokratisches Monstrum vorgelegt.

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Wo ist denn euer Modell?)

Sie von der Union wurden getrieben – von der Notwendigkeit, endlich mehr als Allgemeinplätze auf den Tisch zu legen und endlich den Streit in den eigenen Reihen zu schlichten, und zwar den Streit zwischen den Radikalreformern der CDU und den doch wertebewussteren Mitgliedern der CSU.

(Albrecht Feibel (CDU/CSU): Sagen Sie doch mal, was Sie wollen! – Jens Spahn (CDU/CSU): Was wollen Sie denn? – Gegenruf des Abg. Klaus Kirschner (SPD): Bürgerversicherung, ist doch klar!)

   Was ist das Resultat? Verriss des Papiers durch alle, aber wirklich alle Experten. Alle stimmen in Folgendem überein: zu bürokratisch, sozial unausgewogen, ohne Antworten auf Zukunftsfragen. Das Allerbezeichnendste aber ist: Sie von der CDU/CSU können nicht mit Geld umgehen; Sie können nicht rechnen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Lachen bei der CDU/CSU)

– Ich verstehe, dass Ihnen das wehtut.

Sie können nachweislich nicht rechnen.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Der 11.11. war doch schon!)

Unklar bleibt nur, was zuerst da war: die gedankliche Verwirrung oder das Zahlenwirrwarr in Ihrer Rechnung. Wirr jedenfalls ist das, was hinten herauskommt.

(Beifall bei der SPD)

   Wenn Sie fragen, wie ich dazu komme, so etwas zu sagen, dann antworte ich Ihnen: Die Experten, und zwar alle, haben Ihnen gesagt, dass Sie in Ihrem Konzept eine Finanzierungslücke – das war die Krönung – in Höhe von rund 18 Milliarden Euro haben.

(Zuruf von der SPD: Hört! Hört!)

Wir reden nicht von ein paar Hunderttausend, wir reden auch nicht von ein paar Millionen, wir reden von 18 Milliarden Euro.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Hildegard Müller (CDU/CSU): Das ist nichts gegen Ihren Haushalt! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

   Das gilt schon jetzt. Weiterhin ist völlig unklar, wie es mit der Prämie in Höhe von 109 Euro, die, wie schon gesagt, völlig falsch berechnet wurde, weitergehen soll. Wir haben nämlich – auch das sagen die Experten übereinstimmend – steigende Gesundheitskosten. Die fünf Wirtschaftsweisen erwarten, dass eine solche Prämie in den nächsten Jahrzehnten massiv angehoben werden müsste. Ganz konkret sagen die Wirtschaftsweisen, dass die Prämie bereits in zehn Jahren – das ist ein überschaubarer Zeitraum – bei 239 Euro,

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Aber nur, wenn ihr an der Regierung bleibt! – Gegenruf des Abg. Klaus Kirschner (SPD): So lange bleiben wir dran!)

2030 bei 331 Euro und 2050 sogar bei 500 Euro liegen würde. Wer soll das denn bezahlen?

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luther?

Waltraud Lehn (SPD):

Selbstverständlich. Wenn er schon nicht als Erster reden durfte, dann soll er jetzt wenigstens als Erster das Wort zu einer Zwischenfrage haben.

(Dr. Peter Ramsauer (CDU/CSU): Kümmern Sie sich um Ihr Zeug und nicht um unseres!)

Bitte, Herr Kollege Luther.

Dr. Michael Luther (CDU/CSU):

Liebe Kollegin Lehn, Sie haben ja jetzt sehr ausführlich Stellung zu dem Gesundheitsreformkonzept genommen, das die Union umsetzen möchte, wenn sie in der Regierungsverantwortung steht, also sicher ab 2006. Mich interessiert jetzt natürlich ganz besonders, was Sie bis 2006 machen wollen. Auch Sie wissen, dass wir die sozialen Sicherungssysteme nicht einfach so weiterlaufen lassen können. Ich bin auf Ihre Antwort sehr gespannt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich auch!)

Waltraud Lehn (SPD):

Das ist eine gute Frage, weil ich jetzt etwas Redezeit einspare. Ich springe nämlich jetzt fast an das Ende meiner Rede

(Dr. Uwe Küster (SPD), zu Abg. Dr. Michael Luther (CDU/CSU) gewandt: Aber Sie dürfen stehend zuhören!)

– das ist wahr – und kann Ihnen dazu Folgendes sagen: Zunächst einmal haben wir bereits Änderungen in den Sozialsystemen vorgenommen. Wir haben das mit Augenmaß gemacht und dabei immer das Ziel vor Augen gehabt, den Sozialstaat zu erhalten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Davon wissen die Rentner ein Lied zu singen!)

Herr Luther, Sie wissen, dass Sie dabei erfreulicherweise mitgeholfen haben.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Es ist positiv, dass fast das ganze Haus mitgemacht hat.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Wir haben den Mut, sogar noch weiter zu gehen!)

Nur die FDP hat nicht mitgemacht. Wir setzen in der Gesundheitspolitik – das wissen doch auch Sie – auf die Bürgerversicherung,

(Zuruf von der CDU/CSU: Wie sieht die denn aus?)

an der auch Selbstständige, an der auch Beamte und an der auch Gutverdienende beteiligt werden sollen, und zwar entsprechend ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber doch nur bis zur Beitragsbemessungsgrenze!)

Wer viel hat, der soll viel geben. Wer wenig hat, der muss nicht so viel bezahlen. Unser Modell der Bürgerversicherung ist sozial gerecht, familienfreundlich und zukunftsfähig. Im Übrigen bin ich gerne bereit, Ihnen, damit Sie das auch im Detail nachlesen können – ich verstehe ja, dass man das, was man nicht hören will, ungern zur Kenntnis nimmt –, das schriftlich zu geben. Sie können das dann nachlesen und nacharbeiten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir wollen es jetzt wissen! – Andreas Storm (CDU/CSU): So etwas Dünnes! – Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Frau Kollegin, gestatten Sie eine weitere Zwischenfrage des Kollegen Kolb?

Waltraud Lehn (SPD):

Aber selbstverständlich.

(Rudolf Bindig (SPD): Die Männer reizen dich!)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Ich bedanke mich, Frau Kollegin. – Es klingt ja immer so schön, wenn gesagt wird, auch diejenigen, die mehr verdienen, sollen zur Finanzierung der GKV beitragen. Es gibt aber doch eine Beitragsbemessungsgrenze in der gesetzlichen Krankenversicherung. Denken Sie denn daran, diese Beitragsbemessungsgrenze anzuheben? Das wäre ja fatal, weil dadurch die Lohnnebenkosten steigen würden. Wenn Sie sie nicht anheben, würde das Konzept einer Bürgerversicherung darauf hinauslaufen, dass die Mittelschicht in unserem Land mehr Beiträge zahlt, weil neben dem Bruttoeinkommen zukünftig beispielsweise Festgeldzinsen und Mieteinnahmen zusätzlich verbeitragt werden sollen und damit die Bemessungsgrundlage verbreitert wird.

Sie erzählen hier doch eine Mär! Von der Bürgerversicherung werden doch nicht diejenigen betroffen, die viel verdienen, sondern diejenigen, die ein mittleres Einkommen haben!

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Stimmt das?

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Die Frage kann man mit Ja beantworten!)

Waltraud Lehn (SPD):

Wenn eine Bürgerversicherung eingeführt wird, bedeutet das selbstverständlich, dass das ganze System in sich überdacht wird; sonst macht das keinen Sinn.

(Lachen bei der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ah!)

– Natürlich gehört das dazu, da muss man gar nicht „Ah!“ sagen. Alles andere wäre doch geradezu blöd.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dann können wir es doch gleich richtig machen!)

   Natürlich haben wir das System überdacht. Wir lassen uns von dem Prinzip leiten, dass stärkere Schultern mehr tragen können müssen als schwache Schultern.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber wie ist es mit der Beitragsbemessungsgrenze?)

– Es macht natürlich Sinn, dass man nach oben eine Grenze zieht, genauso wie man mit Blick auf die unteren Einkommen sagt: Niemand soll prozentual übermäßig belastet werden. Aber im Gegensatz zu dem Modell, das die CDU/CSU auf den Tisch gelegt hat und von dem Sie von der FDP sich, wie ich meine, zu Recht distanzieren, weil Sie das selber für unsinnig halten, ist es bei unserem Modell nicht so, dass der einzige Gewinner die Privatkrankenkassen sind. Denn was machen Sie? Sie treiben die Leute durch die Vielzahl von Entscheidungen, die Sie schon in dem Papier stehen haben, zu den privaten Kassen und sorgen dafür, dass sich zukünftig alle in vielen Bereichen – darauf komme ich gleich noch – zusätzlich versichern müssen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Frage nicht beantwortet!)

   Ich sage der CDU/CSU: Vielleicht wäre es klug gewesen, Sie hätten vorher einmal etwas intensiver, als Sie es getan haben, über die Grenze in die Schweiz geschaut, wo es, wie man weiß, die Kopfpauschale gibt. 1996 wurde dieses System dort eingeführt und innerhalb von sieben Jahren ist die Durchschnittspauschale um 50 Prozent angestiegen.

(Rolf Stöckel (SPD): Hört! Hört!)

Heute muss fast jeder Zweite in der Schweiz vom Staat alimentiert werden, weil er die Beiträge selbst nicht mehr aufbringen kann. Zurzeit findet in der Schweiz eine Diskussion unter den Regierungsparteien darüber statt, in welchem Umfang man Leistungen zukünftig begrenzen muss, wobei dort aus der allgemeinen Kopfpauschale ohnehin nicht so viel bezahlt wird, wie in Deutschland bezahlt werden soll.

   Das Unionskonzept ist schlecht gedacht und schlecht gemacht. Aber geradezu gemeingefährlich ist, dass Sie dabei etwas zu verschweigen versuchen, obwohl das unmittelbare und unvermeidbare Folge Ihres Konzeptes ist. Nach dem Vorhaben der Union gibt es zukünftig weder Krankengeld noch Zahnersatz. Viele familienpolitische Leistungen der Krankenkassen wie beispielsweise das Mutterschaftsgeld werden dann abgeschafft.

(Andreas Storm (CDU/CSU): So viel dummes Zeug auf einmal ist aber ein bisschen viel!)

Häusliche Krankenpflege und Mutter-Kind-Kuren fallen aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen heraus. Jeder wird diese Risiken dann privat absichern müssen,

(Ilse Falk (CDU/CSU): Wo steht das? – Hildegard Müller (CDU/CSU): Was machen Sie denn nächstes Jahr?)

wenn er es denn überhaupt bezahlen kann. Auch jetzt geht es doch schon lange nicht mehr um die 109 Euro pro Person, sondern um viele weitere Euro für Zahnersatz, Krankengeld und Steuern.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Zum 01.07. nächsten Jahres habt ihr das doch beschlossen!)

– Herr Zöller, ich glaube, dass Sie das bis ins Mark trifft, aber Sie hätten erst nachdenken sollen, bevor Sie ein Konzept auf den Tisch legen.

   Der Kommentar in der „Süddeutschen Zeitung“ am 15. November dieses Jahres zu Ihrem Konzept hat treffend festgestellt:

Wenn der Gesundheitskompromiss das Gesellenstück zum Nachweis der Regierungsfähigkeit sein sollte, kann man nur hoffen, dass diese Gesellen ... nicht so schnell als Meister die Werkstatt Deutschland übernehmen.

Dem ist nichts hinzuzufügen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ihr seid doch die Zauberlehrlinge!)

   Ich sage noch einmal:

(Zuruf von der FDP: Bitte nicht!)

Auch wir haben Veränderungen bei den Sozialleistungen vorgenommen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie haben keinen einzigen Vorschlag gemacht!)

Aber wir wollen den Sozialstaat im Rahmen des Möglichen und mit den Menschen gemeinsam umbauen, um ihn zu erhalten. Sozialstaat heißt für uns: Die Menschen werden unterstützt, die Hilfe benötigen. Sozialstaat heißt für uns aber auch: Wenn jemand Unterstützung nicht benötigt, dann muss er auf Leistungen verzichten. Schließlich heißt Sozialstaat für uns, dafür zu sorgen, dass sich diejenigen, die mehr leisten können, stärker beteiligen. Ich glaube deswegen, dass an der Bürgerversicherung – wie immer sie im Detail ausgeprägt sein mag –

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist gerade das, was uns und auch die Menschen interessiert!)

kein Weg vorbeigeht.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, zum Schluss meiner Rede möchte ich mich bei meinen Mitberichterstattern, bei Herrn Luther, Herrn Fricke und bei Frau Hajduk, recht herzlich bedanken. Es war eine nicht einfache, aber letztendlich sehr effektive Zusammenarbeit. Ich möchte mich auch bei der Frau Ministerin und bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ihres Ministeriums, insbesondere bei der Haushaltsabteilung, sowie bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des BMF herzlich bedanken.

   Ich wünsche mir, dass wir trotz der Schwierigkeiten, vor denen wir stehen, die gute Kooperation beibehalten werden.

   Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat der Kollege Dr. Heinrich Kolb, FDP-Fraktion.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wenn man Sie so hört, Frau Kollegin Lehn, und die Wahrheit nicht kennt, könnte man meinen, im Bereich der sozialen Sicherung in Deutschland sei alles in Ordnung.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Ja!)

Aber eine kritische Bestandsaufnahme zeigt, dass das Gegenteil der Fall ist. Im Einklang mit dem aktuellen Sachverständigengutachten kann ich sagen: Die Systeme der sozialen Sicherung in Deutschland befinden sich in einer schweren Krise.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Die rot-grüne Bundesregierung – an dieser Stelle herzliche Genesungswünsche an Frau Ministerin Schmidt – steht nach sechs Jahren Amtszeit in allen Bereichen der sozialen Sicherung, also in der Rentenversicherung, in der Krankenversicherung, in der Pflegeversicherung sowie auch in der Unfallversicherung und in der Künstlersozialversicherung – es bleibt wirklich keine Versicherung außen vor –, vor einem Scherbenhaufen. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis Ihrer Politik. Diese Versäumnisse haben Sie zu verantworten.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

   Man muss hier einmal klipp und klar sagen: Die schwachen Finanzen der Sozialkassen haben natürlich etwas damit zu tun, dass in diesem Jahr, in dem das Weltwirtschaftswachstum mit fast 5 Prozent den höchsten Wert seit drei Jahrzehnten erreicht hat, unsere Wirtschaft nur um 1,8 Prozent wächst, und das auch nur deswegen, weil in diesem Jahr die beweglichen Feiertage günstig liegen. Ansonsten würde das Wachstum unserer Wirtschaft nur 1,3 Prozent betragen. Ihre verfehlte Wirtschaftspolitik hat dazu geführt, dass wir am Ende der Wachstumstabelle stehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Die schwachen Finanzen der Sozialkassen haben natürlich etwas damit zu tun, dass die Beitragsbasis der sozialen Sicherungssysteme schwindet. Mit geringfügiger Beschäftigung und mit Ich-AGs lassen sich weder die Rente noch die Gesundheitsversorgung auf Dauer finanzieren. Allein von Juli 2003 bis Juli 2004 haben wir 487 000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse in Deutschland verloren. Das sind 1 334 Arbeitsplätze pro Kalendertag. Das ist das Ergebnis Ihrer Politik ebenso wie der traurige Rekord bei den Insolvenzen. Jahr für Jahr verschwinden rund 40 000 – vor allen Dingen mittelständische – Unternehmen vom Markt.

Die schwachen Finanzen haben natürlich auch mit den Entscheidungen zu tun, die Sie im System der sozialen Sicherung getroffen haben. Ich will das in aller gebotenen Kürze am Beispiel der Rentenversicherung erläutern. Die gesetzliche Rentenversicherung ist deshalb ein gutes Beispiel, weil die Zuschüsse aus dem Bundeshaushalt mit 78,2 Milliarden Euro rund 92 Prozent des Gesamtvolumens des Einzelplans 15 ausmachen. Nach dem Regierungswechsel glaubten Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, auf den noch von der Regierung Kohl/Kinkel beschlossenen demographischen Faktor in der Rentenversicherung verzichten zu können. Das war, wie selbst Bundeskanzler Schröder heute zugibt, ein großer Fehler.

(Waltraud Lehn (SPD): Schon lange geheilt!)

   Stattdessen wollten Sie mit der im Jahre 1999 beschlossenen Ökosteuer frisches Geld in das alte System bringen. Das zusätzliche Aufkommen sollte zur Beitragssatzsenkung eingesetzt werden. Das war, wie wir heute wissen, ein Trugschluss, Herr Kollege Dreßen. Die Realität des Jahres 2004 sieht nämlich so aus: Wir zahlen in diesem und auch im nächsten Jahr 17 Milliarden Euro Ökosteuer als – wenn Sie so wollen – Rentenbeitrag an der Zapfsäule, allerdings ohne den Erwerb von Rentenanwartschaften. Der Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung steht aber nicht bei 18,5 oder 18,6 Prozent,

(Zurufe der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) und der Abg. Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

wo er eigentlich sein müsste. Er liegt vielmehr bei 19,5 Prozent – und das, Frau Kollegin Dückert, obwohl in der Rentenversicherung zwischenzeitlich die Beitragsbemessungsgrenze erhöht, die Schwankungsreserve um 10 Milliarden Euro abgeschmolzen bzw. – so könnte man auch sagen – geplündert worden ist, obwohl Sie von den Rentnern den vollen Pflegeversicherungsbeitrag verlangen und Sie die GAGFAH verkauft haben und dabei noch einen Buchgewinn von 500 Millionen Euro erzielt haben.

(Dr. Dieter Thomae (FDP): Hört! Hört!)

   Man muss es hier einmal ganz nüchtern sehen: Wie Schnee in der Sonne haben sich in den letzten Jahren die Reserven der Rentenkasse unter Ihrer Verantwortung aufgelöst.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Kirschner?

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Nichts lieber als das, Herr Ausschussvorsitzender.

Klaus Kirschner (SPD):

Herr Kollege Dr. Kolb, wenn Sie darauf hinweisen, dass der Beitragssatz niedriger sein sollte, und Sie gleichzeitig auf die schwierige Finanzlage der Rentenkassen und den Bundeszuschuss einschließlich der ökologischen Steuerreform hinweisen – das alles ist völlig richtig; das wird hier niemand bestreiten –, frage ich Sie: Wie sieht eigentlich Ihr Vorschlag aus? Wollen Sie die Renten senken? Wenn Sie diese Probleme an die Wand malen – sie sind da; niemand bestreitet das – und Sie all das, was wir gemacht haben, ablehnen, müssten Sie auch einmal sagen, wie Ihr Lösungsvorschlag aussieht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Vielen Dank, Herr Kollege Kirschner. – Zunächst ist es so: Wenn man mit dem Gesicht vor der Wand steht, hat man natürlich, kurzfristig gesehen, keine Alternativen. Deswegen muss man zunächst einmal mit einer realistischen Bewertung der Situation beginnen. Das Problem ist doch, dass Sie in den letzten fünf Jahren das reale Wachstum um durchschnittlich 0,7 Prozent überschätzt haben. Das heißt, Sie haben am Jahresanfang gesagt, das werde schon gut gehen, der Aufschwung komme.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Was wäre bei Ihnen gewesen?)

Tatsächlich hatten wir aber Wachstumszahlen, die bei plus oder minus 0,1 Prozent lagen.

(Rudolf Bindig (SPD): Ihr Vorschlag!)

Das Ganze fängt damit an, dass Sie vollkommen überzogene Erwartungen haben, was die Entwicklung der Rentenfinanzen anbelangt.

(Carl-Ludwig Thiele (FDP): Sehr richtig!)

   Es gab Überlegungen – sie lagen diesem Hause vor –, wie man das Problem entschiedener hätte angehen können. Beispielsweise haben wir uns dafür ausgesprochen,

(Erika Lotz (SPD): Sagen Sie doch mal etwas zur Zukunft!)

die Möglichkeit der Frühverrentung klarer zu beenden, als Sie das getan haben. Sie haben zwar etwas auf den Weg gebracht; dies beinhaltet aber eine sehr lange Übergangsfrist.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ach so, Sie wollten das gleich streichen! Sagen Sie das den Leuten! Ohne Übergang!)

Das führt natürlich dazu, dass die Belastungen der Rentenkasse, kurzfristig gesehen, unverändert hoch bleiben.

(Rudolf Bindig (SPD): Null Vorschläge! – Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wer hat denn die Frühverrentung eingeführt?)

– Frau Bender, auch darüber kann man diskutieren. Ich müsste Sie aber bitten, eine Zwischenfrage zu stellen; denn ansonsten läuft mir die Zeit davon.

   Man sieht im Hinblick auf die Rentenkasse: Der Anschlag ist erreicht. Es gibt mittlerweile sehr interessante Zeugen dafür. Selbst Frau Engelen-Kefer – man reibt sich die Augen – hat als turnusmäßige Vorsitzende des VDR die Befürchtung geäußert, dass der auf Kante genähte Finanzmantel der Rentenversicherung nicht hält – und das bei einer weiteren Nullrunde, die Sie den Rentnern in diesem Lande im nächsten Jahr zumuten werden.

(Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wo ist Ihr Vorschlag, Herr Kolb? Wir haben immer noch nichts gehört!)

   Man muss hier klipp und klar fragen

(Dr. Dieter Thomae (FDP): Dies ist ein Chaoshaufen!)

– am Beispiel der Rentenversicherung habe ich es deutlich gemacht; aber in der Krankenversicherung sieht es nicht besser aus –: Wo sind die von Ihnen versprochenen Senkungen des Beitragssatzes? Wir stehen aktuell bei 14,2 Prozent. 13,6 hätten es sein müssen.

(Zuruf der Abg. Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN))

– Stellen Sie Zwischenfragen! Dann habe ich ein bisschen mehr Zeit.

   Jetzt versteigt sich die Ministerin dazu, zu sagen:

(Otto Fricke (FDP): Aber ganz leise!)

Wir werden Mitte Juli nächsten Jahres nahe bei 13 Prozent sein. Es ist doch eine dreiste Volksverdummung, die hier betrieben wird.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ab 1. Juli 2005 ist ein Sonderbeitrag von 0,9 Prozent zu leisten, der natürlich von den Krankenkassen weitergegeben wird. Die Versicherten zahlen nicht weniger; sie zahlen diesen Sonderbeitrag voll.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Richtig! – Dr. Thea Dückert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Jetzt sagen Sie mal, was Sie wollen!)

Sie haben dann im Ergebnis eine höhere Belastung, als es heute der Fall ist. So kann man mit den Menschen in diesem Lande wirklich nicht umgehen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Ich habe versucht – Frau Kollegin Dückert, Sie haben leider keine Zwischenfragen gestellt –, in der Kürze der Zeit deutlich zu machen: Wir stehen in der Sozialversicherung vor gewaltigen Problemen, vor Problemen, die keinen Aufschub dulden. Wenn die Deiche zu brechen drohen, genügt es nicht, Sandsäcke auf die undichten Stellen zu legen, sondern dann muss man den Druck auf die Dämme reduzieren.

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Herr Kollege Kolb, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Dr. Heinrich L. Kolb (FDP):

Dazu haben wir Ihnen eine Reihe guter Vorschläge vorgelegt, die ich Sie zu überprüfen bitte, damit wir sie anschließend hoffentlich einer Mehrheitsbeschlussfassung in diesem Hause zuführen können.

   Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. h. c. Susanne Kastner:

Das Wort hat die Kollegin Birgitt Bender, Bündnis 90/Die Grünen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Kolb, wenn Sie schon die Omnipotenzfantasie haben, Sie könnten das Meer zurückweichen lassen, dann lautet mein Rat: Gehen Sie einmal zum Psychiater. Jedenfalls ist das kein Thema für die Politik.

(Beifall bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist unkollegial! Fangen Sie noch einmal an! – Otto Fricke (FDP): Das ist schlecht!)

   Nun komme ich zum Thema. Angela Merkel hat Recht! Sie hat nämlich in einem in der letzten Woche veröffentlichten Interview gesagt, das Werben für Veränderungen müsse mit einer Debatte über Werte und Wurzeln einhergehen. Dem kann ich zustimmen, auch wenn ich Frau Merkel nicht oft zustimmen kann. Es ist eine wertbezogene Perspektive, aus der heraus man den so genannten Gesundheitskompromiss zwischen CDU und CSU kritisieren muss.

   Gewiss gibt es auch eine ganze Reihe von mehr oder weniger technischen Argumenten. So wollen Sie beispielsweise eine Behörde zum Einsammeln der Arbeitgeberbeiträge und der Steuermittel schaffen. Damit würden Sie einen riesigen bürokratischen Aufwand erzeugen, den Sie angeblich immer abschaffen wollen.

   Ein weiteres Argument: Die Prämiensubventionierung, die Sie den Niedrigverdienern versprechen, hätte zur Folge, dass 18 Millionen Haushalte mit 40 Millionen Mitgliedern jedes Jahr Anträge auf soziale Unterstützung ausfüllen müssten und diese Anträge geprüft und genehmigt werden müssten.

   Darüber hinaus sagen Sie, Sie wollten den Wettbewerb um niedrige Beitragssätze. Tatsächlich aber schließen Sie für Geringverdienende diesen Wettbewerb aus; denn wenn man nie mehr als 7 Prozent des eigenen Einkommens zahlen muss, hat man keinerlei Anreiz, sich um eine Kasse mit günstigeren Beitragssätzen zu bemühen.

   Ein weiteres Argument: Bei Ihnen gibt es keinen Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung. Sie wollen die Zweiteilung bestehen lassen. Inzwischen sagen selbst Professor Rürup und die Wirtschaftsweisen, man müsse einen einheitlichen Versicherungsmarkt im Gesundheitswesen herbeiführen.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Genauer lesen!)

Nur die Union verteidigt nach wie vor das Reservat der privaten Krankenversicherung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Andreas Storm (CDU/CSU): Der Sachverständigenrat hat dazu anderthalb Seiten geschrieben!)

   Diese Mängel sind sehr gut in der Äußerung von Arbeitsgeberpräsident Hundt zusammengefasst worden. Er sagte, das sei die gemischt lohnabhängige arbeitgeberbeitragsfondssteuerergänzungsfinanzierte Teilpauschalprämie der Union. Dazu kann man nur sagen: Bravo! Viele, die um dieses Problem wissen – so hört man –, hoffen auf die Hilfe der FDP, damit dieses Konzept nie durchgesetzt werden muss.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die Hoffnung ist berechtigt!)

Dazu kann ich nur sagen: Weit muss es mit der Union gekommen sein!

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber jetzt zur Bürgerversicherung! Wie wird sie werden?)

   Wichtiger ist aber die Frage der Finanzierungslücke des Konzepts. Das ist eine echte Wertedebatte. Sie versprechen einen sozialen Ausgleich und eine steuerfinanzierte Kindermitversicherung. Nun wollen Sie die Steuern etwas weniger senken, als Sie es vorab beabsichtigten. Man muss nicht Mathematik studiert haben, um zu wissen, dass dann, wenn man Steuern weniger als vorher beabsichtigt senkt, die zusätzliche Staatsverschuldung niedriger als vorher von Ihnen vorgesehen ausfällt, dass damit aber noch kein einziger Euro für den sozialen Ausgleich verdient worden ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Im Übrigen haben Sie die Arbeitgeberbeiträge zu hoch angesetzt und die Ausgaben zu niedrig. Das allein bedeutet eine Finanzierungslücke in Höhe von 20 Milliarden Euro. Meine Damen und Herren von der CDU, das ist kein neues Problem. Sie haben von Anfang an gewusst, dass das für das Kopfpauschalenmodell ein Problem ist. Inzwischen haben sich nur die Ausmaße der Lücke und die Finanzierungsströme verändert, die um die Lücke herumfließen. Das wissen ja auch viele aus der CSU und auch aus der CDU. Der baden-württembergische CDU-Fraktionsvorsitzende Günther Oettinger drückt das in wohlgesetzten Worten aus, indem er sagt:

Die Schwächen dieses Konzepts sind zu groß.

Man könnte es auch deutlicher sagen: Wenn man eine solche Finanzierungslücke in Kauf nimmt, dann heißt das doch nichts anderes, als dass der soziale Ausgleich für Sie vernachlässigenswert ist. Sie nehmen es wissentlich in Kauf, dass der gleiche Zugang aller Bürgerinnen und Bürger zu medizinisch notwendigen Leistungen mangels sozialen Ausgleichs infrage gestellt wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Den gibt es doch heute schon nicht mehr! Das ist doch in der Realität schon längst nicht mehr gegeben!)

Ich möchte wissen, wo da die Werte der Union geblieben sind. Hat das Soziale in der Union eigentlich noch Platz?

(Otto Fricke (FDP): Aber 40 Milliarden sind sozial?)

Und wo, Herr Zöller, ist dann auch das S in der CSU geblieben? Ich kann es nicht finden.

   Das Prinzip der Sozialversicherung bedeutet, dass der Solidarausgleich eingebaut ist. Das spart Kosten; das erspart den Leuten, die in den Genuss dieses Ausgleichs kommen, die Stigmatisierung und es garantiert gleichzeitig soziale Stabilität

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dann verstehe ich nicht, warum ihr bei Hartz IV eine Bedürftigkeitsprüfung gemacht habt!)

und ist damit von einer Geisteshaltung geprägt, die den sozialen Zusammenhang mitdenkt und ihn nicht jedes Jahr von den Haushaltsdebatten im Parlament abhängig macht. Deswegen ist die Frage „einkommensabhängige Beiträge versus einkommensunabhängige Pauschale“ nicht einfach eine Frage der Technik. Vielmehr geht es hier um Integration oder Ausgrenzung. Für den Weg, den Sie gehen wollen, liebe Kollegen und Kolleginnen von der Union, müssen Sie die Werte, die Angela Merkel einfordert, erst einmal finden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Andreas Storm (CDU/CSU): Ist es Ihnen so peinlich, über den eigenen Haushalt zu reden, Frau Bender? – Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Jetzt kommt das eigene Konzept!)

   Im Übrigen, Herr Kollege Storm, gibt es in dem Konzept ja auch einen Absatz über Wettbewerb, der mir ganz gut gefällt. Darin sagen Sie nämlich, es müsse Wettbewerb zwischen den Krankenkassen und mehr Wettbewerb zwischen den Leistungsanbietern geben. Sie kritisieren, jedenfalls ansatzweise, die Planwirtschaft im Krankenhausbereich

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Was wollen Sie denn?)

und auch die Anbieterdominanz im Arzneimittelmarkt. Nun frage ich mich aber, wie das zu Ihrer Politik der letzten Jahre passt. Bei der Gesundheitsreform waren Sie es, die die Anbieterinteressen im Gesundheitswesen geschützt haben. Heute legen Sie einen Antrag vor, der ebenfalls in dieser Debatte behandelt werden soll und der alles andere als frei von Klientelismus ist. Sie sorgen sich vor allem wieder um die Konkurrenzängste der Apotheker und auch einzelner Ärzte, die nicht den Wettbewerb wollen, weil sie sich nicht sicher sind, ob sie darin bestehen können.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Was wollen Sie denn jetzt mit den Apotheken machen?)

Wie passt das eigentlich zu diesem Papier? Das wäre doch auch eine interessante Frage.

   Im Übrigen findet der angekündigte Wettbewerb zwischen privater und gesetzlicher Krankenversicherung bei Ihnen nicht statt. Ich sage Ihnen: Rot-Grün steht für einen anderen Weg und dieser ist sehr werthaltig. Wir wollen Solidarität ausweiten, nicht abbauen. Wir wollen, dass auch in Zukunft alle Bürgerinnen und Bürger Zugang zu medizinisch notwendigen Leistungen haben. Wir verbinden das mit einem nachhaltigen Finanzierungsmodell. Das kann man von Ihnen wahrlich nicht sagen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD – Andreas Storm (CDU/CSU): Welches?)

   Lassen Sie mich, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein paar Worte zur Rente sagen.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das ist ja toll!)

Auch da kann ich einen Wertehorizont nicht erkennen.

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Sagen Sie doch mal was zu Ihrem Konzept!)

Kollege Storm – er wird ja nachher sprechen – hat noch im Dezember letzten Jahres gesagt:

Auf keinen Fall dürfen wir einseitig nur die Beitragszahler belasten; denn dann würde sich die verhängnisvolle Spirale aus steigenden Sozialabgaben und wegbrechenden Arbeitsplätzen immer weiter in Schwindel erregende Höhen schrauben.
(Andreas Storm (CDU/CSU): Richtig!)

Dem kann ich beipflichten.

(Vorsitz: Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer)

   Und jetzt? Wir sehen alle, dass die Finanzdecke der Rentenversicherung knapp ist.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Ich habe Ihnen doch gesagt, warum!)

Die Regierung bemüht sich, den Beitragssatz, Herr Kollege Kolb, stabil zu halten. Was tun Sie? Sie schreien „Alarm!“ und behaupten dann noch, die Regierung habe die Rentenkassen geplündert.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Hat sie ja auch! Sie haben doch Schmiere gestanden!)

– Das wissen Sie doch besser, Herr Kollege Storm. Niemand hat die Rentenkasse geplündert. Es bestand bereits in Ihrer Regierungszeit die Absicht, die Immobilien, die zum Kapital der Rentenversicherung gehören, zu verkaufen.

(Peter Dreßen (SPD): So ist es! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Aber nicht zum Schließen von Löchern, sondern zur Senkung der Beiträge! Das ist der Unterschied!)

Sie haben es nur wieder nicht auf die Reihe bekommen. Wir haben es gemacht. Wäre das nicht erfolgt, dann wäre der Rentenbeitragssatz jetzt höher. Ist es das, was Sie wollen?

Was Sie real tun, ist, Ihren eigenen Worten zu widersprechen, und zwar nur um des oppositionellen Gebarens willen. Das führt dazu, dass die Rentner und Rentnerinnen verunsichert werden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luther?

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Ja.

Dr. Michael Luther (CDU/CSU):

Liebe Kollegin Bender, ich habe folgende Frage: Sind Sie wie ich der Meinung, dass der Bundesrechnungshof den Deutschen Bundestag immer beauftragt hat, die GAGFAH-Immobilien zu privatisieren, mit dem Ziel, dass ihre Rendite als Geldanlage höher ist als der Wert des Immobilienvermögens,

(Andreas Storm (CDU/CSU): Aha! – Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das ist nämlich ein Unterschied!)

und dass niemals daran gedacht wurde, dieses Geld sofort auszugeben, sodass es weg ist?

(Beifall bei der CDU/CSU)

Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Es bleibt bei meiner Frage – auf die ich von Ihnen noch keine Antwort bekommen habe –: Ist Ihre Alternative, dass der Rentenbeitragssatz steigt?

(Andreas Storm (CDU/CSU): Aber das, was Sie gemacht haben, hat damit nichts zu tun!)

Wenn Sie das wollen – das wäre ein Widerspruch zu dem, was Herr Kollege Storm neulich noch gesagt hat –, dann müssen Sie das sagen. Irgendwann müssen Sie einmal Alternativen vorlegen, die auch finanziell aufgehen. Ich kann mich nur einer Kommentierung aus der „Stuttgarter Zeitung“ anschließen, in der es, bezogen auf den Gesundheitskompromiss, hieß:

Für die Union bleibt so nur eine Erkenntnis: Sie ist Opposition, und sie ist es derzeit zu Recht.
(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das war ja deutlich am Thema vorbei!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Michael Luther.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Dr. Michael Luther (CDU/CSU):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Bender, ich will an dieser Stelle etwas Grundsätzliches festhalten

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Gerne!)

– das sage ich auch für die Zuschauer –: Die Regierung stellen zurzeit Sie.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ja! Das bleibt hoffentlich auch so! – Erika Lotz (SPD): Das ist auch gut so!)

Es wundert mich, dass die bisherigen zwei Redner der Koalition zu 90 Prozent über ein Konzept der Union gesprochen haben, aber überhaupt keine eigenen Vorstellungen über die Reform der sozialen Sicherungssysteme vorgestellt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Heinrich L. Kolb (FDP) – Erika Lotz (SPD): Das stimmt doch gar nicht!)

   Lassen Sie mich, da wir Haushaltsberatungen durchführen, kurz eine allgemeine Bemerkung dazu machen: Wir haben über diesen Haushalt mit großer Ernsthaftigkeit diskutiert; Frau Lehn, auch Sie haben das gesagt. Was diesen Haushalt betrifft, gibt es eine Menge Probleme, die aufgezeigt worden sind. Das war aufgrund der guten Unterlagen für die Berichterstatter, die wesentlich besser als die des letzten Jahres sind, möglich. Deshalb, Frau Ministerin, möchte ich mich an dieser Stelle recht herzlich bei den Mitarbeitern Ihres Hauses bedanken, die uns zugearbeitet haben.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Auch möchte ich mich für die kollegiale Zusammenarbeit unter den Berichterstattern bedanken.

   Ich will noch ein anderes Thema aufgreifen, das in diesen Beratungen oft zu kurz kommt. Wem ist schon bewusst, dass zum Bundesministerium eine Vielzahl wichtiger Institute gehört? Ich will sie einmal nennen: Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, Deutsches Institut für Medizinische Dokumentation und Information, Paul-Ehrlich-Institut, Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, Robert-Koch-Institut, Bundesversicherungsamt und Bundessozialgericht. Die Aufgaben dieser Institute reichen von der Überwachung von Medizinprodukten und der Aufklärung über die Bewertung der Lage bei möglichen Bioterroranschlägen bis hin zur Aufsicht über Sozialversicherung und Rechtsprechung.

An dieser Stelle muss einmal gesagt werden, dass in diesen Instituten hervorragende Arbeit geleistet wird; davon konnte ich mich überzeugen, als ich im letzten Jahr viele dieser Institute besuchte. Ferner ist das auch in den Berichterstattergesprächen deutlich geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich habe einmal die Aufgaben aufgelistet, die die Politik diesen Instituten in den letzten Jahren neu auferlegt hat – und das vor dem Hintergrund, dass kaum Aufgaben von ihnen genommen wurden und sie mit immer weniger Personal auskommen müssen. Das halte ich für problematisch. Ich will einen solchen Punkt ansprechen: Das RKI betreibt ein Hochsicherheitslabor in seinem Haus. Stellen Sie sich einmal vor, dass es personell nicht mehr in der Lage wäre, dieses Labor zu betreiben! Es ist nicht so! Aber so eine Situation wäre für unser Land ein großes Risiko. Ich denke, das Risiko ist groß. Deswegen müssen wir sehr aufpassen, was wir hier im Deutschen Bundestag beschließen. Deshalb formuliere ich noch einmal: Angesichts knapper Kassen kann man nicht alles Wünschenswerte machen, man muss sich auf Schwerpunkte konzentrieren; diese festzusetzen ist Aufgabe der Politik. Mein Appell als Haushaltspolitiker geht insbesondere an die Mitglieder des Fachausschusses – und zwar von allen Fraktionen –, sich dieser Verantwortung stets bewusst zu sein.

(Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Das ist ein guter Hinweis! Das musste einmal gesagt werden!)

– Danke schön.

   Leider muss ich auch kritische Bemerkungen loswerden: Der Bundeshaushalt ist aus meiner Sicht nur scheinbar verfassungskonform. Wir wissen, dass die ihm zugrunde gelegten Wirtschaftsdaten schon heute Makulatur sind. Wir werden wie in diesem Jahr im nächsten Jahr wieder erleben, dass man sich geirrt hat; wir werden erneut einen Nachtragshaushalt mit einer Riesenneuverschuldung bekommen.

   Wir müssen sparen. Die CDU/CSU hat sich bemüht, in den Einzelberatungen bis ins Detail gehende Einsparvorschläge zu machen. Frau Lehn, es ist richtig: Ich habe 19 Änderungsvorschläge gemacht. Aber ich habe nicht vorgeschlagen, soziale Leistungen zu kürzen. Ich habe vorgeschlagen, Programme zu kürzen, die so, wie sie momentan im Raum stehen, vor dem Hintergrund der knappen Haushaltslage nicht im vorgesehenen Umfang erforderlich sind; die Einsparvorschläge umfassen 20 Millionen Euro. Ich hätte nicht von Ihnen erwartet, dass Sie alle meine Einsparvorschläge unkommentiert ablehnen. Das hat mir nur gezeigt, dass Sie überhaupt nicht bereit sind, auch nur darüber nachzudenken, sparsam mit öffentlichen Mitteln umzugehen.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich frage Sie noch einmal: Können Sie mir erklären, warum der Personaltitel des Ministeriums um 6,15 Prozent wachsen muss? Können Sie mir erklären, warum plötzlich ein neuer Titel „Prävention“ im Bundesministerium angesiedelt wird? Diese Aufgabe gehört in die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. In Wahrheit handelt es sich bei diesem Titel um einen neuen Titel für die Öffentlichkeitsarbeit der Ministerin. Ich denke, so etwas gehört sich in Zeiten knapper Kassen nicht!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Lassen Sie mich den Bundeskanzler aus seiner gestrigen Haushaltsrede zitieren:

Jenseits dessen sollten wir klar machen ..., dass es wahrscheinlich ein Fehler gewesen ist, nicht sehr viel früher darauf hinzuweisen ..., dass die wichtigste Voraussetzung für die Integration in eine Gesellschaft, in die man hineingeht, die Sprache ist. Deswegen ist es unerhört wichtig, einzusehen, dass die Sprache gelernt werden muss. Das sollten wir als Gesellschaft auch abverlangen.

Ich halte das für richtig.

   Ich frage Sie deshalb – ich habe das schon bei der Haushaltsberatung im Ausschuss und in den Berichterstattergesprächen gefragt –: Ist es dann gerechtfertigt, dass Sie eine Broschüre „Soziale Sicherungen im Überblick“ zum Beispiel auch in türkischer Sprache herausgeben?

(Gudrun Schaich-Walch (SPD): Das heißt doch nicht, dass man nicht verlangt, dass Menschen die Sprache lernen!)

Auf meine Frage im Berichterstattergespräch, was das soll, sagte man mir: Diese Broschüre geht aber gut. Das zeigt doch nur Folgendes: dass das Thema die türkisch sprechende Bevölkerung interessiert.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Herr Luther, wo Sie herkommen! Sie sind peinlich! – Gegenruf des Abg. Otto Fricke (FDP): Sie auch!)

Ich denke, wenn wir, wie der Bundeskanzler gesagt hat, den Leuten abverlangen sollen, dass sie die für die Integration wichtige Voraussetzung erfüllen, die Sprache zu lernen, sollte man auch bei den eigenen Publikationen diesen Weg beschreiten.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Gudrun Schaich-Walch (SPD): Das ist Ignoranz hoch drei! – Dr. Uwe Küster (SPD): Sie gehen an den Problemen der Leute vorbei!)

   Liebe Kolleginnen und Kollegen, 20 Millionen Euro einzusparen erscheint sinnlos, wenn man sich den Einzelplan insgesamt ansieht: Er hat ein Volumen von 84,7 Milliarden Euro. Würde man das gesamte Ministerium und alle Institute einsparen, käme man auf ein Volumen von 670 Millionen Euro. Das macht nur 0,8 Prozent aus. Die entscheidenden Ausgabenvolumina finden sich woanders: Zum einen ist da der Bereich Kriegsopferfürsorge. Das Etatvolumen dafür umfasst 3 Milliarden Euro, es ist stark rückläufig. Daran sollten wir aber nicht herangehen; denn das sind wir den Menschen schuldig, die für unser Vaterland gedient haben.

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Da wäre ich jetzt vorsichtig!)

   Wichtiger ist die Frage: Was passiert im Bereich Sozialversicherung, der 81 Milliarden Euro umfasst? Hier ist die Entwicklung der letzten Jahre dramatisch, insbesondere beim Bundeszuschuss zur Rentenkasse. Ich möchte mit allem Nachdruck auf die schlimme Entwicklung hinweisen. Sie sagen voller Stolz und sicherlich auch zu Recht: Wir konnten den Rentenbeitrag in den letzten Jahren bei 19,5 Prozent konstant halten. Aber zu welchem Preis!

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist wahr!)

Sie haben den Bundeszuschuss von 1998 bis 2003 erheblich gesteigert. Das wurde durch die Ökosteuer finanziert. Die Folgen der Ökosteuer für die Gesamtwirtschaft sind aus meiner Sicht erheblich. Das gehört heute aber nicht in diese Debatte und soll auch nicht mein Thema sein.

   Diese Maßnahme brachte nur eine kurzfristige Entspannung. Deshalb haben Sie die Schwankungsreserve für die Renten im weiteren Verlauf von einer vollen Monatsausgabe auf magere 0,2 abgesenkt. Sie haben die Barreserve der Rentenversicherer also fast aufgebraucht.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Mehr als 10 Milliarden Euro!)

Auch das hat in diesem Jahr aber nicht gereicht. Daneben haben Sie nämlich die GAGFAH-Immobilien – das war in dieser Debatte schon ein Thema – für 2,1 Milliarden Euro verkauft. Ich will noch einmal sagen: Die Privatisierungsaufforderung des Bundesrechnungshofes lautete, dass diese zu veräußern sind, weil eine höhere Rendite zu erzielen ist, wenn man den Erlös als Barvermögen anlegt, als wenn man das Immobilienvermögen behält. Niemand wird dabei bedacht haben – sicherlich auch der Bundesrechnungshof nicht –, dass Rot-Grün das Geld, sobald es zur Verfügung steht, sofort ausgibt und nicht spart.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Eher legt ein Hund einen Wurstvorrat an, als dass Rot-Grün spart!

– Genau.

(Dr. Uwe Küster (SPD): Müde, müde, Herr Kolb!)

   Frau Lehn, Sie haben vorhin in Ihrer Rede gesagt, die CDU/CSU könne nicht mit Geld umgehen.

(Waltraud Lehn (SPD): Das ist richtig!)

Wenn es ein Beispiel dafür gibt, dass Sie nicht mit Geld umgehen können, dann ist es Ihr Umgang mit der Privatisierung der GAGFAH.

(Beifall bei der CDU/CSU – Waltraud Lehn (SPD): Wenn wir das nicht gemacht hätten, dann hätten wir Probleme!)

– Frau Lehn, hören Sie zu!

(Dr. Uwe Küster (SPD): Ach, der Oberlehrer!)

   Nun kommt die spannende Frage, wie es weitergeht. Ich hätte mir gewünscht, dass Sie als Haushälterin diese Frage heute einmal angesprochen hätten.

(Waltraud Lehn (SPD): Das habe ich doch laut und deutlich getan!)

Im nächsten Jahr steigt der Bundeszuschuss kaum. Die Schwankungsreserve können Sie nicht weiter abbauen und Sie haben nichts mehr, was Sie für die Rente verramschen können.

(Waltraud Lehn (SPD): Verramscht haben wir nichts!)

Was passiert also im nächsten Jahr?

   Die Rentenversicherer warnen in diesen Tagen davor, dass die Rentenrefinanzierung aus der Rentenkasse nicht mehr gesichert ist, sodass der Bundeshaushalt herhalten muss. Sie haben Recht.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Frau Engelen-Käfer höchst persönlich! – Gegenruf der Abg. Anja Hajduk (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wenn Sie sich schon auf die berufen müssen, dann tun Sie mir Leid!)

Ich frage Herrn Eichel und Sie, meine Damen und Herren Haushälter der Regierung: Sehen Sie nicht, in welches finanzielle Fiasko wir hineinlaufen?

   Frau Schmidt, ich muss ganz deutlich sagen: An dieser Stelle zeigt sich, dass Sie versagt haben. Sie wissen, dass wir bei allen sozialen Sicherungssystemen Strukturreformen brauchen. Sie aber haben beschlossen, bis zum Ende der Legislaturperiode nicht mehr zu handeln.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie tun nichts! Das ist der Skandal!)

Sie sehen zu, wie der Karren vor die Wand fährt. Ich denke, das ist die eigentliche dramatische Aussage zum Bundeshaushalt 2005.

(Peter Dreßen (SPD): Die Redezeit muss doch schon um sein!)

   Ich will es noch einmal sagen: Es reicht nicht aus, dass nur die Union Überlegungen darüber anstellt, wie die sozialen Sicherungssysteme zu reformieren sind. Diese wird die Union, wenn sie 2006 an die Regierung kommt – davon gehe ich aus –, umsetzen. Auch Sie müssen hier und heute sagen, welche Konzepte Sie haben.

   Ich stelle fest: Sie haben keine Konzepte. Das ist sehr bedauerlich. Deswegen will ich auch noch einmal deutlich sagen: Sie tragen die Verantwortung für das finanzielle Fiasko, das wir erleben werden.

   Danke schön.

(Beifall bei der CDU/CSU – Waltraud Lehn (SPD): Gott sei Dank tragen wir die Verantwortung! Das ist schon mal gut!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Zu einer Kurzintervention erhält jetzt die Abgeordnete Marieluise Beck das Wort.

Marieluise Beck (Bremen) (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):

Sehr geehrter Herr Dr. Luther, Sie haben eben moniert, dass im Haushalt des Gesundheitsministeriums auch Geld für eine Aufklärungsbroschüre über das Gesundheitswesen in türkischer Sprache zur Verfügung gestellt wird.

   Ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass die Anwerbung türkischer Arbeitskräfte in Deutschland 1961, zwei Monate nach dem Bau der Mauer, begonnen hat, weil keine Arbeitskräfte aus der damaligen DDR mehr in den Westen kommen konnten. Diese Anwerbung wurde gezielt für die Bereiche durchgeführt, in denen harte Arbeit geleistet werden muss: den Bergbau, die Stahlindustrie, den Straßenbau und die Bauwirtschaft insgesamt.

Vielleicht sollte ich Ihnen auch noch sagen, wie diese Anwerbung vonstatten gegangen ist. Durch eine Gesundheitsprüfung wurden in der Türkei die Menschen ausgewählt, die auf der Stelle am Arbeitsplatz einsatzfähig waren. Keinem dieser Menschen ist ein Sprachkurs angeboten worden. Sie sollten gar nicht die deutsche Sprache erlernen. Sie sollten nur arbeiten und dann wieder nach Hause zurückkehren. Deswegen wurden sie „Gäste“ genannt.

   Die gesundheitliche Situation dieser Menschen, die jetzt 40 Jahre älter sind, ist in der Regel sehr schlecht, weil sich die Tatsache, dass sie die harten Arbeiten gemacht haben, die Deutsche oft nicht mehr machen wollten, physisch niederschlägt. Dass Sie nun monieren, dass diesen Menschen Aufklärung in hochkomplexen und sprachlich sehr schwierigen Bereichen wie dem Gesundheitswesen angeboten wird, zeigt, dass Ihr vorgegebenes Interesse an Integration in keiner Weise ehrlich ist, sondern dass es Ihnen nur darum geht, Menschen zu stigmatisieren, die Sie hierher geholt haben und die Sie jetzt nicht mehr hier haben wollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten der SPD)

   Ich bin darüber entsetzt. Es zeigt noch einmal, dass die notwendige Debatte um Integration, die unsere Gesellschaft vor große Herausforderungen stellt, offensichtlich doch den Unterton hat, dass man diese Menschen, die man gerufen hat, eigentlich nicht mehr haben will, dass sie uns lästig sind und dass sie wieder gehen sollen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Luther, bitte. Sie haben das Wort.

Dr. Michael Luther (CDU/CSU):

Ihre Kurzintervention gibt mir die Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen und noch einmal klar zu machen, was das Ansinnen meiner Rede war. Erst einmal will ich festhalten, dass der Anwerbestopp seit über 20 Jahren gilt. Seitdem leben diese Menschen hier und sollen auch hier leben. Aber unser gemeinsames Anliegen muss das sein, was unser Bundeskanzler – das unterstütze ich ausdrücklich – gestern gesagt hat – ich will es noch einmal zitieren –:

Deswegen ist es unerhört wichtig, einzusehen, dass die Sprache gelernt werden muss. Das sollten wir als Gesellschaft auch abverlangen.

   Wenn wir als neue Qualität erkennen, dass das, was wir bislang gemacht haben, nicht mehr so weitergehen kann, nämlich einfach zuzusehen, dass sich Subkulturen entwickeln, in denen keiner auf die Idee kommt, die Sprache des Landes zu lernen, in dem man lebt – diese Menschen sind aber nicht erst vor kurzem angeworben worden und seit einem Jahr hier, sondern schon seit vielen Jahrzehnten hier im Lande –, dann muss man mit allen Mitteln der Politik versuchen, da gegenzusteuern.

   Einen Punkt, den ich angesprochen habe, haben Sie nicht aufgegriffen. Ich möchte ihn daher noch einmal anführen. Wenn wir Öffentlichkeitsarbeit durchführen und dazu Broschüren herausgeben, die nicht das Ausländerrecht, sondern für alle Menschen in Deutschland geltendes Recht betreffen, dann sollten wir alle Möglichkeiten nutzen, damit ein Anreiz geschaffen wird, die deutsche Sprache zu erlernen. Die Tatsache, dass diese Broschüre auf Türkisch erschienen ist, war sicherlich zu einem früheren Zeitpunkt einmal richtig. Aber heute ist dies aus meiner Sicht nicht mehr zeitgemäß. Wir sollten gerade in diesem Bereich eine Änderung überlegen. Meine herzliche Bitte ist, darüber einmal ernsthaft nachzudenken.

   Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Erika Lotz.

Erika Lotz (SPD):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Herr Kollege Luther, darüber, dass Migrantinnen und Migranten die deutsche Sprache erlernen sollen und müssen, sind wir uns alle einig. Aber Ihre Antwort auf die Kurzintervention der Kollegin Beck war keine Hilfe. Sie müssen doch daran denken, dass in unserem Land sehr viele ältere türkische Mitbürgerinnen und Mitbürger wohnen, die die deutsche Sprache nicht beherrschen. Genau sie brauchen diese Broschüren. Kritisieren Sie das doch nicht! Wenn Sie der Auffassung sind, es sei notwendig, dass diese Menschen unsere Sprache erlernen, dann müssen wir auch an die älteren Mitbürgerinnen und Mitbürger denken, die die deutsche Sprache noch nicht beherrschen und sie aufgrund ihres Alters vielleicht auch nicht mehr so erlernen werden, dass sie die Sozialgesetzgebung verstehen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Was wir derzeit erleben, ist ein Grabenkrieg zulasten der sozialen Sicherheit der Menschen in unserem Land, aber nicht etwa zwischen Regierung und Opposition. Nein, er findet in den Reihen der Opposition selber statt. Nun ist unter Ihnen, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, ein neues Opfer zu beklagen. War es zuerst Norbert Blüm,

(Otto Fricke (FDP): Ihre Opfer sind die Bürger!)

der Arbeits- und Sozialminister Ihrer letzten fünf Bundesregierungen, der im vergangenen Jahr für seine sozialpolitische Überzeugung von Ihnen ausgelacht und mit Buhrufen bedacht wurde, so ist es nun Horst Seehofer, der den Gesundheitspakt von CDU und CSU aus fachlichen Erwägungen ablehnt. Er hat den stellvertretenden Fraktionsvorsitz abgeben müssen

(Otto Fricke (FDP): Weinen Sie keine Krokodilstränen!)

und auch mit seiner Funktion als stellvertretender Parteivorsitzender der CSU wird es bald zu Ende sein. Es gibt noch weitere Opfer in den Reihen der christlichen Arbeitnehmerschaft, namenlose Opfer, deren Gemeinsamkeit ist, dass es sich bei ihnen um Fachleute der Sozialpolitik handelt, die die Überzeugung haben, dass unser Sozialstaat den Schwachen in unserer Gesellschaft helfen soll. Die Sieger in CDU und CSU denken anders. Sie wollen unseren Sozialstaat demontieren.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie sind dabei, den Sozialstaat zu demontieren!)

Bei der zweitgrößten Fraktion in diesem Hause muss man schon genauer hinsehen, besonders was ihre politischen Konzepte für unser Land betrifft. Schauen wir uns ihre Pläne zur Gesundheit und zur Rente doch einmal genauer an.

(Otto Fricke (FDP): Was sind Ihre Pläne?)

Die Konzeptionslosigkeit Ihrer Politik, meine Damen und Herren von der CDU/CSU, zeigt sich unter anderem in Ihrem Antrag „Wirkungen und Nebenwirkungen des GKV-Modernisierungsgesetzes – Kritische Bestandsaufnahme“. Das ist ein Gesetz, das von Ihnen mitgetragen wurde und auch Ihre Handschrift trägt. Ich denke dabei zum Beispiel an die Praxisgebühr. In diesem Antrag, der immerhin 16 Seiten umfasst, lässt sich auch bei bester Absicht kein inhaltlicher roter Faden erkennen. Sie haben gut zwei Wochen an diesem Antrag gearbeitet. Er stand schon zweimal auf der Tagesordnung, wurde dann aber wieder abgesetzt, weil Sie sich offensichtlich noch nicht einig waren. Wenn man ihn liest, dann erkennt man, dass es dort eine Aneinanderreihung von Lob, Kritik, Behauptungen und Forderungen gibt, ohne dass ein konzeptioneller Zusammenhang sichtbar wird.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das könnte ein Koalitionsantrag sein!)

   Ich frage Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Union: Wohin wollen Sie? Welches Ziel verfolgen Sie in der Gesundheitspolitik? Eine Antwort auf diese Frage gibt Ihr Antrag jedenfalls nicht. Ich bin gespannt, ob es dazu in der heutigen Debatte noch Antworten geben wird.

   Sie kritisieren wieder einmal, dass der Zahnersatz künftig nicht über die Pauschale finanziert werden wird. Dabei wissen Sie genau wie ich, dass die vereinbarte Lösung vom Sommer letzten Jahres nicht praktikabel, äußerst verwaltungsaufwendig und für Versicherte mit höheren Kosten verbunden ist. Es hilft nichts, wenn Sie bei jeder Gelegenheit darauf hinweisen, dass Sie es gerne anders gehabt hätten. Das wissen wir. Sie von der CDU/CSU sollten endlich akzeptieren, dass die Kopfpauschale weder im Kleinen noch im Großen funktionieren wird.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage der Kollegin Müller?

Erika Lotz (SPD):

Ja, bitte.

Hildegard Müller (CDU/CSU):

Frau Kollegin Lotz, ich möchte Sie fragen, worauf Sie Ihre Behauptung gründen, dass sich die Zahnersatzregelung nicht realisieren ließ. Ich möchte zwei Stellen aus dem Protokoll der Anhörung zitieren. So sagt der Vertreter des Verbandes Deutscher Rentenversicherungsträger:

Der VDR hat niemals behauptet, dass ein Quellenabzugsverfahren nicht möglich ist.

   Herr Schweiger von der Bundesagentur für Arbeit sagte:

Im Kern kann ich mich dem anschließen,... Wir haben auch nie behauptet, dass es ... nicht möglich gewesen wäre, das umzusetzen.

Woher nehmen Sie die Gewissheit, dass Ihre Behauptung, die Sie im Laufe des parlamentarischen Verfahrens aufgestellt haben, richtig ist

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie haben nichts gemacht, Frau Lotz! Dann geht es natürlich nicht!)

und welche Zeugen können Sie benennen, die belegen, dass Ihre Behauptung zutrifft?

Erika Lotz (SPD):

Liebe Frau Kollegin Müller, ich habe die Protokolle der Anhörung nicht mitgebracht. Wenn ich gewusst hätte, dass Sie dazu Fragen stellen würden, hätte ich auch einen Stapel Papier mitgebracht und die entsprechenden Passagen herausgesucht.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Wenn Sie so eine Aussage machen, muss sie auch belastbar sein!)

Sie wissen doch genau, dass auch die Anhörung gezeigt hat, dass die Umsetzung der kleinen Kopfpauschale einen hohen Verwaltungsaufwand bedeutet hätte. Die Versicherten wären mit etwa 2,50 Euro zusätzlich belastet worden, wobei sich das nicht in einer verbesserten Qualität der Behandlung niedergeschlagen hätte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die 2,50 Euro wären auch nicht bei den Zahntechnikern oder bei den Zahnärzten angekommen.

   Sie können sich noch so sehr auf die Sachverständigen berufen, Frau Müller;

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Ich kann mich im Gegensatz zu Ihnen auf die Aussagen der Experten beziehen!)

es wäre in jedem Fall ein Monster geworden, das die Menschen stärker belastet hätte. Wir sind uns sicherlich darin einig, dass die Kopfpauschale unsolidarisch ist,

(Klaus Kirschner (SPD): Bürokratisches Monster!)

weil sie diejenigen mit niedrigeren Einkommen stärker belastet als diejenigen mit höheren Einkommen. Das gilt auch für Ihre anderen Pläne im Zusammenhang mit der Kopfpauschale.

(Beifall bei der SPD – Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Das stimmt doch nicht! – Hildegard Müller (CDU/CSU): Aber die Verschiebung der Parität ist sozial, ja?)

   Sie reden aber nicht mehr von einer Kopfpauschale; vielmehr nennen Sie es jetzt Gesundheitsprämie und wollen ihr auch noch die Eigenschaft „solidarisch“ andichten. Aber dass sie das nicht ist, werden die Menschen schon merken. Dazu muss ich keine Prophetin sein. Darin sind sich die Fachleute – auch Ihre eigenen – einig.

   Sie haben eine Woche lang über die Kopfpauschale gestritten. Was ist das Ergebnis? – Wer hat, dem wird gegeben. Das ist das Leitmotiv für Ihre künftigen Reformen. Um dieses Leitmotiv sollten Sie kein Mäntelchen hängen, sondern Sie sollten es den Wählerinnen und Wählern offen sagen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Was ist eigentlich aus Frau Nahles und der Arbeitsgruppe Bürgerversicherung geworden?)

Sie schlagen eine Umverteilung von oben nach unten vor: Ein Geringverdiener soll bei einer Kopfpauschale von 109 Euro 7 Prozent seines Einkommens bezahlen. Bei einem Arbeitnehmer mit einem Einkommen von beispielsweise 4 000 Euro machen die 109 Euro eine Belastung von 2,7 Prozent aus. Das nenne ich wahrlich solidarisch!

   Nach Ihren Vorstellungen soll für jede erwachsene Person die gleiche Kopfpauschale bezahlt werden. Das gilt beispielsweise auch für eine Mutter, die nicht mehr arbeiten geht. Sie soll ebenfalls einen eigenen Beitrag von 109 Euro leisten. Wenn das Ihre neue Familienpolitik ist, dann müssen Sie noch erläutern, wie das in der Praxis aussehen soll. Es ist aber keine neue Familienpolitik; denn die Kopfpauschale muss von allen gezahlt werden. Auch das ist in Ihren Augen Solidarität. Ich denke, dass das nicht stimmt.

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Lesen Sie doch mal! Lesen erleichtert die Wahrheitsfindung!)

   Sie sollten den Wählerinnen und Wählern auch erklären, wie Sie die Finanzierungslücke von 23 Milliarden Euro schließen wollen. Sie haben zunächst angegeben, dass Sie den Arbeitgeberbeitrag mit 6,5 Prozent festschreiben wollen. Bei den weiteren Zahlen – die Kollegin Bender ist schon darauf eingegangen – gehen Sie aber bei der Berechnung der Einnahmen von einem Arbeitgeberbeitrag von über 7 Prozent aus. Das Ganze stimmt also hinten und vorne nicht. Das haben auch Ihre Experten gemerkt. Von daher kann ich Herrn Seehofer verstehen.

   Es muss klargestellt werden, dass die Finanzierung des von Ihnen vorgeschlagenen Modells nur durch massive Leistungskürzungen möglich ist. Sie haben auf Ihrer Pressekonferenz auch deutlich gemacht, dass Zahnersatz und Krankengeld in der Kopfpauschale nicht enthalten seien. Sie haben aber nicht gesagt, wie Sie die Kopfpauschale finanzieren wollen.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Verwechseln Sie das mal nicht mit Ihrem eigenen Sozialbeitrag!)

   In diesem Punkt fordere ich Sie zu mehr Ehrlichkeit auf. Sie sollten den Wählerinnen und Wählern mitteilen, welche Kosten zu der Kopfpauschale hinzukommen. Sagen Sie ihnen, dass sie zukünftig im Krankheitsfall nach sechs Wochen kein Geld mehr bekommen sollen! Sagen Sie ihnen, dass in Zukunft der Zahnersatz zu 100 Prozent aus der eigenen Tasche zu finanzieren ist!

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Das ist doch bodenlos, was Sie erzählen! Sie haben doch die Gesetze durchgedrückt!)

Angesichts Ihrer Berechnungen zur Kopfpauschale kann man das gar nicht anders auslegen.

   Im Übrigen ist mit der Kopfpauschale ein ungeheurer Bürokratieaufwand verbunden. „Bürokratiemonster“ ist noch eine harmlose Bezeichnung dafür.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Lassen Sie mich noch etwas zu den Kürzungen im Haushalt des Ministeriums ausführen, die Herr Luther vorgeschlagen hat.

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Ich dachte, wir kommen jetzt nach eineinhalb Stunden zum Haushalt!)

Ich frage mich, wo die Fachpolitikerinnen und Fachpolitiker waren, als es um diese Vorschläge ging.

(Otto Fricke (FDP): Bei Ihnen haben sie sich wohl durchgesetzt?)

Vorgeschlagen wurden Kürzungen bei der Bekämpfung des Drogen- und Suchtmittelmissbrauchs, bei der Aidsprävention und bei der Versorgung chronisch Kranker. Im Ausschuss immer wieder zu fordern, dass in diesen Bereichen – gerade angesichts der Gefahr von Aids – mehr gemacht werden müsse, aber dann Kürzungen in diesen Haushaltstiteln zu beschließen, passt doch vorne und hinten nicht zusammen. An dieser Stelle sollten Sie sich um mehr Redlichkeit bemühen. Oder haben sich Ihre Fachpolitiker nicht darum gekümmert?

(Beifall bei der SPD sowie des Abg. Otto Fricke (FDP))

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Luther?

Erika Lotz (SPD):

Bitte, Herr Dr. Luther.

Dr. Michael Luther (CDU/CSU):

Frau Lotz, können Sie mir folgen, wenn ich sage, dass ich meine Anträge im Haushaltsausschuss immer damit begründet habe, dass die entsprechenden Haushaltsansätze in den vergangenen Jahren niemals ausgeschöpft wurden, das Geld also nicht ausgegeben wurde?

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): So ist es! Das ist keine Kürzung!)

Ich habe lediglich eine Begrenzung auf die Summe vorgenommen, die wirklich ausgegeben worden ist. Demzufolge ist das keine richtige Kürzung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Es wird lediglich dem Ministerium die Möglichkeit genommen, das Geld irgendwo anders auszugeben, wie es bislang geschehen ist. Können Sie mir in dieser Sache folgen?

Erika Lotz (SPD):

Herr Kollege Luther, Sie begründen Ihre Anträge immer damit, die Kürzungen seien notwendig, damit die Maastricht-Kriterien des Haushalts erfüllt werden.

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Es gibt immer noch eine zweite Begründung!)

Ich sage noch einmal: Die Maastricht-Kriterien werden mit unserem Haushalt erfüllt.

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Wie in den letzten Jahren!)

   Lassen Sie mich noch drei Takte zu Ihrer Einigung zur Rente sagen. Sie stellen sich heute hier hin und tun so, als seien Sie sich bei der Rente einig. Die CSU-Beschlüsse vom vergangenen Wochenende und die Rentenvorstellungen der CSU laufen doch einerseits auf einen Beitragssatz von 20 Prozent hinaus. Ihre Vorstellungen bedeuten andererseits Kürzungen bei der Rente von 20 Milliarden Euro und wir landen dann bei einem Bruttorentenniveau von 36,5 Prozent. Hinzu kommen weitere Belastungen für die Beitragzahler in Höhe von knapp 15 Milliarden Euro. Sie wollen den Kinderbonus, eine Kinderrentenregelung und eine volle Rente nach 45 Jahren. Dass diese Kürzungen vor allem durch Kürzungen bei der Hinterbliebenenrente erreicht werden sollen, verschweigen Sie. Sie verschweigen auch Mehrbelastungen der Kinderlosen, die notwendig würden,

(Otto Fricke (FDP): Schauen Sie doch, was in den Drucksachen steht!)

und zwar in einer Höhe, die mit dem Grundgesetz überhaupt nicht vereinbar wäre. Bevor Sie uns in der Diskussion über die Rente Vorwürfe machen, einigen Sie sich also erst einmal und sagen Sie, was Sie eigentlich wollen. Wollen Sie Beitragssatzstabilität, wollen Sie höhere Beiträge oder wollen Sie Leistungskürzungen?

   Sie wissen doch auch, dass die Rente im Umlagesystem natürlich von den Einkommen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen und auch von der Situation am Arbeitsmarkt und der Beschäftigung abhängig ist. Deshalb können Sie doch nicht solche Anträge stellen und solche Beschlüsse fassen, die – das wissen Sie auch genau – letztendlich entweder Leistungskürzung oder Beitragserhöhung bedeuten. Das kann es doch nicht sein; darüber sind wir uns doch alle einig. Wir müssen also für eine Stabilität der Beiträge sorgen und diese Regierung tut es.

   Ich will auch noch einmal daran erinnern, dass wir in der Diskussion über die Reformen im Gesundheitswesen schon ein Stück weiter wären, wenn Sie nicht eine ganze Reihe von Vorschlägen der Koalition blockiert hätten.

   Danke schön.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Otto Fricke.

Otto Fricke (FDP):

Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Wir führen hier schon eine sehr gespenstische Debatte. Die Koalition hat in einer Haushaltsdebatte über einen Haushalt, der nicht knackt, sondern inzwischen quietscht, nichts anderes zu tun, als sich mit einer Oppositionspartei auseinanderzusetzen, die ein Projekt vorlegt, das angreifbar ist und das auch nach Ansicht der FDP falsch ist. Aber die Opposition legt wenigstens ein konkretes Konzept vor. Was tun Sie? Sie legen nichts Konkretes vor.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wo ist eigentlich Frau Nahles?)

   Was Sie vorlegen, ist ein Haushalt mit einer Verschuldung, die – das garantiere ich Ihnen und ich bin mir sicher, dass kein Haushälter eine Wette dagegen annimmt – nicht bei den jetzt veranschlagten 20 Milliarden Euro stehen bleiben, sondern eine Drei in der Zehnerziffer haben wird. Das sind Ihre konkreten Zukunftspläne im Bereich der sozialen Sicherheit.

(Zuruf von der FDP: Leider wahr!)

   Meine lieben Kolleginnen und Kollegen, eines ist bemerkenswert: Wir als Haushälter empfehlen den Fachpolitikern immer: Tretet mal auf die Bremse, versprecht nicht zu viel. Bei der Gelegenheit möchte ich ausdrücklich sagen, dass das Verhältnis unter den Haushältern kollegial und auch befruchtend ist. Wir hören in den Haushaltsberatungen von allen Fachgremien immer wieder: Das kriegen wir hin, das schaffen wir. Auch bei den Renten hieß es jetzt wieder: Das wird in 2005 alles noch so klappen. Kollegin Lehn, Kollegin Hajduk, Sie haben an dem Berichterstattergespräch teilgenommen.

Ein paar Wochen später sagen nun auf einmal alle: Hm, nein, es dürfte wohl schwierig werden, es klappt wohl doch nicht. Wie das mit einer vernünftigen und vorausschauenden Haushaltspolitik in Einklang zu bringen ist, müssten Sie mir einmal erklären.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Wir sind auch nicht in der Lage, die– gemessen am Gesamthaushalt – kleinen Sozialsysteme mit einem gemeinsamen Ruck zu reformieren. Sie können sich ja einmal mit Ihren Kollegen in der Enquete-Kommission darüber austauschen. Ein Beispiel: Das Defizit der Künstlersozialkasse wird Stück für Stück höher. In diesem Jahr wird sogar vorzeitig ein Kredit gewährt, damit es in den nächsten Jahren noch Rückzahlungen gibt. Fast kann man sagen, dass es sich hier umgekehrt wie bei der Postpensionskasse verhält. Aber Sie bringen weder eine Reform zustande, die den Menschen deutlich macht, wo es lang geht, noch eine Reform – das wäre noch besser –, die den Menschen klar macht, dass es so nicht mehr weitergeht. Sie betreiben noch immer Ihr altes Spiel: Alles ist sicher, also nicht nur die Renten, wie Herr Blüm es einmal gesagt hat. Wir alle wissen aber – hier sind wir alle in der Pflicht –, dass die Bürger der Meinung sind, dass nichts, weder die Renten noch die Leistungen der Krankenversicherung und der Pflegeversicherung, sicher ist. Die Bürger fühlen sich ständig verunsichert.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

   Nun komme ich auf unser Gesundheitssystem und insbesondere die Krankenkassen zu sprechen. Frau Ministerin, ich glaube, auch bei Ihnen beginnt ein Umdenkungsprozess, was den Umgang mit den gesetzlichen Krankenkassen angeht. Sie merken selber, dass die Krankenkassen in ihrem Bereich geradezu herrschaftlich handeln, wie es ihnen nicht zusteht. Der FDP-Vorschlag ist klar: Wir müssen für mehr Wettbewerb zwischen den Krankenkassen sorgen. Ich habe gemeinsam mit allen anderen Berichterstattern die große Hoffnung, dass der Bundesrechnungshof, der eine neue Kontrollkompetenz bekommen hat, genau darauf achtet, wo hier die eigentlichen Probleme liegen, und dass er verhindert, dass weiterhin das Prinzip bei den Krankenkassen gilt: Immer erst wenn man gar nicht mehr anders kann, gibt man zu, dass man eigentlich noch viel mehr Schulden hat. Das darf nicht sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Ich bin sehr glücklich, dass Sie mit der Gesundheitsreform das Krankenversicherungssystem für einen steuerlichen Zuschuss geöffnet haben. Es ist grundsätzlich in Ordnung, Steuermittel in das Gesundheitssystem fließen zu lassen. In diesem Zusammenhang kann ich den Vorrednern von SPD und Grünen nur sagen: Inwieweit die von Ihnen so genannten Besserverdienenden, also die Leistungsträger, Solidarität üben und Verantwortung wahrnehmen, sollte man nicht mir daran messen, wie viel in den sozialen Sicherungssystemen umverteilt wird. Die Frage einer solidarischen Gesellschaft entscheidet sich vor allem im Steuersystem. Dort sollte sich Solidarität deutlich zeigen.

(Zuruf von der SPD)

– Meinetwegen sowohl als auch! – Je mehr Sie das verwischen, desto weniger merkt jemand, der Geld bekommt, damit er seine Krankenversicherung zahlen kann, welche solidarische Aufgabe die Gesellschaft ihm gegenüber wahrnimmt.

   Da ich sehe, dass meine Redezeit zu Ende ist und ich nicht von der Präsidentin ermahnt werden möchte, komme ich zum letzten Satz.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Rettung naht! Herr Kirschner möchte noch eine Zwischenfrage stellen!)

– Frau Präsidentin, Sie müssen entscheiden, ob Sie noch eine Zwischenfrage zulassen oder nicht. Ich würde sie zulassen.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Okay. – Bitte, Herr Kirschner.

Klaus Kirschner (SPD):

Herr Kollege Fricke, Sie haben den Satz in die Welt hinausposaunt: Derjenige, der nichts in die Krankenversicherung einzahlt, sieht auch nicht, was es kostet. Ist Ihnen schon einmal aufgegangen, dass man als Mitglied einer gesetzlichen Krankenkasse – falls Sie das überhaupt schon einmal waren –

Otto Fricke (FDP):

Ich war es sehr lange.

Klaus Kirschner (SPD):

– Sie waren es also – Beiträge und eine Selbstbeteiligung zahlen muss? Das heißt, wenn jemand Leistungen in Anspruch nimmt, dann muss er auch dafür zahlen, und zwar von der Praxisgebühr über Zuzahlungen bis hin – das ist das Entscheidende – zum Beitragssatz. Wollen Sie das leugnen?

Otto Fricke (FDP):

Nein, ich will das überhaupt nicht leugnen.

(Klaus Kirschner (SPD): Was erzählen Sie denn dann?)

– Herr Kollege, ich habe Ihnen eben zugehört, als Sie Ihre Frage gestellt haben. Jetzt sollten Sie sich in Geduld üben. Ich habe das als junger Mann ebenfalls lernen müssen. Ich gebe Ihnen nun meine Antwort und erkläre Ihnen das.

(Heiterkeit bei der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Normalerweise lernt der Junge vom Alten! – Fritz Schösser (SPD): Der Sie so lange in der gesetzlichen Krankenversicherung waren!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Fricke, kommen Sie nun zur Antwort.

Otto Fricke (FDP):

Werter Herr Kollege, während meiner Referendarzeit war ich Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung.

(Klaus Kirschner (SPD): Als Student?)

– Nein, nicht als Student, sondern als Referendar. – Damals habe ich 60 DM pro Monat für meine Krankenversicherung gezahlt. Dafür habe ich die gleichen Leistungen erhalten, für die andere weit mehr zahlen mussten.

(Klaus Kirschner (SPD): Na sicher! Was ist daran falsch?)

– Das ist nicht falsch. – Ich habe damit nur von denjenigen profitiert, die Mitglied des Systems waren und weit höhere Beiträge gezahlt haben, nicht von denjenigen, die höhere Steuern gezahlt haben.

(Zuruf von der SPD: Und was machen Sie heute?)

   Ich als Liberaler sage Ihnen ganz deutlich: Ich will, dass dieser soziale Ausgleich nicht im geschlossenen System derjenigen stattfindet, die in einer gesetzlichen Krankenkasse sind. Ich will vielmehr, dass alle über die Steuer an diesem System beteiligt sind, egal wie viel sie verdienen, egal wie sie ihr Geld verdienen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist doch logisch, Herr Kirschner!)

Das ist wahrscheinlich der Unterschied. Für mich findet Solidarität eben nicht nur innerhalb der Systeme statt.

   Ein letztes Wort noch an die Kolleginnen und Kollegen von den Grünen: Wenn Sie mit der Sozial- und Rentenpolitik so weitermachen, dann handeln Sie zwar nicht mit Zitronen, aber, wie man sieht, zumindest mit Orangen.

   Danke sehr.

(Beifall bei der FDP – Erika Lotz (SPD): Sie wären mal besser in der GKV geblieben! Das wäre dann solidarisch gewesen!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Andreas Storm.

Andreas Storm (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir erleben heute eine merkwürdige Haushaltsdebatte über den Sozialetat; denn die rot-grünen Kolleginnen und Kollegen haben fast kein einziges Wort zu ihrem Haushalt verloren.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der FDP – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Schämen Sie sich!)

Das kommt wahrscheinlich nicht von ungefähr. Die Mitte der Wahlperiode ist ein guter Zeitpunkt, einmal eine sozialpolitische Zwischenbilanz zu ziehen. Ich möchte Sie an Ihren eigenen Maßstäben, an der Agenda-2010-Rede des Bundeskanzlers vor 20 Monaten, messen. Das Hauptmotiv der Operation Agenda 2010 war doch, dass die Sozialbeiträge, dass die Lohnnebenkosten gesenkt werden.

(Zuruf von der SPD: In der Rentenversicherung 1,7 Punkte!)

Heute muss man fragen: Was ist aus Ihren vollmundigen Versprechen geworden? Sind wir, was die Senkung der Sozialabgaben angeht, etwa ein gutes Stück vorangekommen?

   Die Bilanz fällt mehr als ernüchternd aus. Allen HartzReformen zum Trotz – am 1. Januar tritt die größte Reform der Arbeitsmarktpolitik seit Jahrzehnten in Kraft – bleibt der Beitrag in der Arbeitslosenversicherung unverändert. Die Beiträge in der Rentenversicherung und in der Pflegeversicherung sind nur deshalb nicht angestiegen, weil RotGrün alle Rücklagen schamlos geplündert und das letzte Tafelsilber verscherbelt hat.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So ein Unsinn!)

   Die Rentenversicherung ist im nächsten Jahr Pleite. Was die Pflegeversicherung angeht, stellt sich nur die Frage, ob man sich noch über die nächste Bundestagswahl retten kann. Hinsichtlich der Krankenversicherung stehen wir, wenn man dem Schätzerkreis der Krankenkassen glauben darf, im ersten Halbjahr 2005 wieder genau dort, Frau Ministerin, wo wir zu Beginn der Konsensgespräche gewesen sind, nämlich bei einem Beitragssatz von 14,3 Prozent.

   Fazit: Von einer Senkung der Sozialabgaben kann keine Rede sein. Sie verharren auf dem Rekordniveau von 42 Prozent.

(Peter Dreßen (SPD): Ihr habt doch von 34 auf 42 erhöht!)

   Wir sind seit der Agenda2010Rede im Ergebnis keinen Schritt vorangekommen. Deshalb ist es kein Wunder, dass in Deutschland weiterhin Tag für Tag etwa 1 000 Arbeitsplätze verloren gehen. An ihren eigenen Maßstäben gemessen ist die Sozialpolitik dieser Regierung zur Halbzeit grandios gescheitert.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Man muss einmal die Frage stellen, warum die rotgrünen Therapieversuche nicht greifen. Sie greifen deshalb nicht, weil Sie von Anfang an eine falsche Diagnose gestellt haben.

(Waltraud Lehn (SPD): Sie tun so, als ob Sie an dem Gesundheitskompromiss überhaupt nicht beteiligt waren!)

Wer auf die alljährlich wiederkehrenden Defizite der Sozialkassen ständig mit Notoperationen, mit Streichkonzerten und mit Nullrunden reagiert, der kuriert an den Symptomen herum, aber er beseitigt nicht die Ursache der Misere. Diese Ursache ist die schwache Einnahmebasis. Sie tun auch nichts für die Prävention, nämlich für den Aufbau von Rücklagen.

   Ich sage Ihnen deshalb an dieser Stelle ganz klar: Eine gute Sozialpolitik muss sich an einem Maßstab messen lassen, den Sie ansonsten immer gerne bei anderen anlegen, nämlich am Maßstab der Nachhaltigkeit. Nachhaltigkeit bedeutet für die Sozialkassen zunächst einmal eine solide Einnahmebasis. Tatsache ist: Da so viele Arbeitsplätze wegfallen und da die Arbeitslosigkeit gestiegen ist, brechen die Einnahmen aller Zweige der Sozialversicherung weg. Da ist es eben kein Wunder, dass trotz der – zugegebenermaßen massiven – Einsparungen im Gesundheitswesen dank der gemeinsamen Gesundheitsreform – sie greift ja –, dass trotz mehrfacher Nullrunden bei der Rente – im nächsten Jahr gibt es wieder eine Nullrunde – und dass trotz faktisch eingefrorener Leistungen der Pflegeversicherung die Beiträge nicht sinken und dass die Rücklagen dahinschmelzen.

(Erika Lotz (SPD): Was erzählen Sie denn da? Radio Eriwan! – Gegenruf des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist doch so!)

   Nachhaltigkeit bedeutet aber auch, dass steigende Sozialausgaben nicht zu steigenden Arbeitskosten in den Betrieben führen dürfen; denn steigende Arbeitskosten bedeuten, dass wir weiter immer mehr Arbeitsplätze verlieren und dass jede kleine Konjunkturschwankung erneut zu Einnahmeverlusten der Sozialkassen führt. Deswegen müssen wir von der engen Anbindung der Gesundheitskosten an die Arbeitskosten wegkommen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

   Nachhaltigkeit heißt weiter,

(Erika Lotz (SPD): Jetzt bin ich aber neugierig!)

dass wir der heute jungen Generation auf Dauer nicht wesentlich höhere Kosten zumuten dürfen, als die anderen Generationen heute zu tragen bereit sind. Deshalb brauchen wir eine Ergänzung der umlagefinanzierten Sozialsysteme durch mehr Kapitaldeckung.

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Jawohl! – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die Erkenntnis kommt spät, aber es ist nie zu spät!)

Wir müssen bereits heute vorsorgen, um morgen wesentlich höhere Beiträge vermeiden zu können.

   Sie reden zwar häufig von Nachhaltigkeit, hatten sogar eine Nachhaltigkeitskommission eingesetzt, aber Ihr Handeln ist durch das Gegenteil gekennzeichnet. Die gemeinsame Gesundheitsreform trägt den Charakter einer Notoperation, bringt aber nicht die Lösung des eigentlichen Problems. Die Lösung kann nur darin bestehen, dass wir die Einnahmen der Krankenkassen von den Arbeitskosten entkoppeln.

   Wir brauchen eine solide Finanzbasis, um sicherzustellen, dass die Erträge des medizinischen Fortschritts dauerhaft für alle zu bezahlbaren Preisen bereitgestellt werden können, ohne dass die Arbeitskosten explodieren. Genau das ist der Kern des Unionskonzept es einer solidarischen Gesundheitsprämie.

   Wir begrenzen die Belastung der Arbeitgeber auf 6,5 Prozent. Das bedeutet, sie haben eine planbare, langfristig voraussehbare Belastung, und sie sind an der Finanzierung des Gesundheitswesens beteiligt, allerdings nicht mehr mit einem steigenden Beitrag.

   Wir stellen sicher, dass die Krankenkassen für jeden Versicherten, egal ob er einen Arbeitsplatz hat oder nicht, egal ob er aktiv beschäftigt oder schon im Ruhestand ist, egal ob er ein hohes Einkommen oder ein niedriges Einkommen hat, eine feste Prämie bekommen, mit der die Gesundheitskosten für die Erwachsenen verlässlich abgedeckt sind. Wir stellen gleichzeitig sicher, dass Menschen mit niedrigem Einkommen nicht mehr bezahlen als heute

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist die Quadratur des Kreises, Herr Storm!)

und dass auch Besserverdienende, die nicht in der GKV sind, die Versicherung von Kindern mitfinanzieren.

   Schließlich schaffen wir auch die Voraussetzung für die künftige Einführung einer zusätzlichen kapitalgedeckten Vorsorge in der Krankenversicherung.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Besser ist, ihr macht mit uns, was wir vorgeschlagen haben!)

   Damit ist klar: Die Union hat die Karten auf den Tisch gelegt.

(Lachen bei der SPD)

Das Konzept macht deutlich, wie die Probleme gelöst werden können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben im Gegensatz zu Rot-Grün einen konkreten Vorschlag. Wer die Kollegin Lehn vorhin gehört hat, hat den Eindruck gewonnen, dass Sie von Rot-Grün erst einmal ein paar Klausurtagungen einlegen müssen, um zu überlegen, was Sie denn mit der Überschrift „Bürgerversicherung“ noch anfangen sollen, damit es wenigstens ein halbwegs verständliches Konzept wird.

(Beifall bei der CDU/CSU – Waltraud Lehn (SPD): So ein Quatsch!)

   Kommen wir zum nächsten Kapitel: zur Rentenpolitik. Das übliche Novemberfieber der Rentenkassen kennen wir ja.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Gestatten Sie noch eine Zwischenfrage?

Andreas Storm (CDU/CSU):

Gern, Herr Kollege Kirschner.

(Zuruf von der FDP: Der erklärt jetzt die Bürgerversicherung!)

Klaus Kirschner (SPD):

Herr Kollege Storm, in Ihrem Papier mit dem Titel „Reform der gesetzlichen Krankenversicherung – Solidarisches Gesundheitsprämien-Modell“ sagen Sie:

Dazu soll eine Absenkung des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent auf 39 Prozent statt wie bisher vorgesehen auf 36 Prozent erfolgen.

Können Sie mir zwei Dinge erklären? Können Sie mir erstens erklären, woher Sie das Geld, das Sie sowieso nicht haben, zur Senkung des Spitzensteuersatzes auf unter 42 Prozent nehmen? Zweitens. In Ihrem Parteitagsbeschluss von vor einem Jahr steht, dass der Spitzensteuersatz auch im Interesse der privaten Vorsorge in der Rentenversicherung gesenkt werden soll. Wenn ich daraus den richtigen Schluss ziehe, heißt das, dass Sie Geld verteilen, das Sie gar nicht haben, und dieses nicht vorhandene Geld auch noch zweimal verteilen. Können Sie mir das erklären?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Andreas Storm (CDU/CSU):

Herr Kollege Kirschner, mit den Beschlüssen ist das so eine Sache. Wenn man Parteitagsbeschlüsse konkurrierender Parteien liest, dann kann es natürlich schon passieren, dass man durcheinander kommt.

(Lachen bei der SPD – Dr. Uwe Küster (SPD): Jetzt wundert mich gar nichts mehr!)

Kollege Kirschner, Sie haben zu Recht darauf hingewiesen, dass die Union nach ihrem Konzept vom vergangenen Dezember eine Steuerreform mit einem Spitzensteuersatz von 36 Prozent machen wollte. Wenn wir nun den Spitzensteuersatz 3 Prozentpunkte höher legen,

(Peter Dreßen (SPD): 3 Prozentpunkte niedriger!)

dann bedeutet das, dass die Besserverdienenden mehr Geld in die Bundeskasse einzahlen und dieses Geld für die Krankenversicherung bereitgestellt werden kann. Zum ersten Mal beteiligen sich damit die Steuerzahler an der Finanzierung der Kosten für Familien im System der GKV. Das stellen wir mit unserem Konzept sicher.

(Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Sicherstellen?)

Das ist ein ganz entscheidender Fortschritt.

(Beifall bei der CDU/CSU – Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

   Meine Damen und Herren, ich komme zurück zum Thema Rente. Dass wir jedes Jahr im November ein Novemberfieber erleben, weil die von Ihnen vorausgeschätzten Daten hinten und vorne nicht stimmen, ist nichts Neues. Neu ist aber, dass diese Novemberfieberschübe inzwischen zu einer schweren Grippe geworden sind. An der Stelle muss ich Ihnen, liebe Kollegin Bender, schon sagen: Das, was Sie vorhin vorgetragen haben, entspricht nicht Ihrer sonstigen parlamentarischen Arbeit. Sie haben nämlich aus meinem Redebeitrag vom vergangenen Dezember unvollständig zitiert. Damals habe ich deutlich gemacht – das gilt heute unverändert –, dass vor dem Hintergrund der demographischen Entwicklung die künftigen finanziellen Lasten fair zwischen Jung und Alt verteilt werden müssen. Jetzt kommt der entscheidende Satz: Auf keinen Fall dürfen wir einseitig nur die Beitragszahler belasten, denn dann würde sich die verhängnisvolle Beitragsspirale in Schwindel erregende Höhen drehen und zahllose Arbeitsplätze vernichten. – DiesenTeil meiner Aussage haben Sie nicht zitiert. Da steht aber der entscheidende Punkt. Aus dieser Rede ableiten zu wollen, die Union liefere Ihnen ein Alibi dafür, die Haushaltslöcher im laufenden Rentenhaushalt dadurch stopfen zu dürfen, dass ersatzlos die letzten Reserven der Rentenversicherung, nämlich die Wohnungsbestände der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, veräußert werden, ist ein dreistes Stück aus dem Tollhaus.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Zuruf der Abg. Erika Lotz (SPD))

   Meine Damen und Herren, die tatsächliche Verfassung der Rentenfinanzen ist noch viel ernster, als es die offiziellen Bulletins aus dem Hause von Ulla Schmidt uns glauben machen wollen. Professor Ruland hat am letzten Montag vorgerechnet, dass für das nächste Jahr eigentlich ein Rentenbeitrag von 19,7  Prozent erforderlich wäre. Das bedeutet, Rot-Grün entlässt die Rentenkassen mit einem ungedeckten Scheck in das nächste Jahr.

   Nun ein Zitat; hören Sie gut zu.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Storm, Sie müssen zum Schluss kommen.

Andreas Storm (CDU/CSU):

Jawohl, das ist der Einstieg in die Schlussrunde.

(Lachen bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Der Einstieg in den Ausstieg – das geht nicht.

Andreas Storm (CDU/CSU):

Nun zu dem spannenden Zitat:

Die gesamte Gesellschaft ist auf ein verlässliches Rentensystem essentiell angewiesen.
(Peter Dreßen (SPD): Sehr wahr! Sie machen das Gegenteil!)

– Hören Sie nur gut zu!

Die finanziellen Bedingungen für die Rentenversicherung werden dieser Anforderung gegenwärtig nicht gerecht.

Kollege Dreßen, nun dürfen Sie raten, von wem das Zitat stammt. Es stammt weder von mir noch von einem anderen Kollegen aus der Unionsfraktion, sondern von jemandem, den ich normalerweise nicht zitiere, nämlich von Frau Engelen-Kefer.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Herr Kollege Storm, jetzt reicht es.

Andreas Storm (CDU/CSU):

Sie hat aufgrund des alternierenden Verfahrens neu die Funktion als Vorstandsvorsitzende des VDR übernommen.

(Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wen Sie schon alles zu Hilfe holen müssen!)

Wo sie Recht hat, hat sie Recht. Das ist der beste Beleg dafür, dass Ihre Politik die Rentenfinanzen systematisch gegen die Wand fährt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Parlamentarische Staatssekretärin Marion Caspers-Merk.

(Beifall bei der SPD – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Die zweite Stimme der Ministerin!)

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Herr Storm, Sie haben es mir sehr leicht gemacht. Bildlich gesprochen haben Sie mir mit Ihren Ausführungen gleichsam den Ball auf den Elfmeterpunkt gelegt. Das ist super.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Man muss ihn dann aber auch noch hineinbekommen!)

Sie haben sich mit Ihren Behauptungen absolut lächerlich gemacht.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Sie haben hier erklärt, die Union stehe dafür, dass im Prinzip für alle sozialen Sicherungssysteme Rückstellungen gebildet werden sollen. Sie haben hier erklärt, man brauche diesen Aufwuchs wegen der Sicherheit. Gleichzeitig nehmen Sie solche Ansätze aus all Ihren Modellen wieder heraus.

(Andreas Storm (CDU/CSU): Stimmt doch gar nicht! Steht doch ausdrücklich drin! – Hildegard Müller (CDU/CSU): Das ist doch gar nicht wahr!)

Was gilt denn jetzt? In Ihrem jetzt neu konzipierten Prämienmodell fehlt dieser Ansatz, denn eine Kopfpauschale würde normalerweise 169 Euro kosten. In den 109 Euro ist eine Rückstellung nicht mehr enthalten.

(Zuruf von der CDU/CSU: Durch Lügen wird es nicht besser!)

Auch in Ihrem Konzept zur Pflegeversicherung, das Sie als Alternative zu unserem Konzept vorgelegt haben, wird die Bildung einer Rückstellung nicht angesprochen. Auch Sie setzen, wie wir, nur das Verfassungsgerichtsurteil um.

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Kann man Ihr Konzept mal kriegen? Wir kennen es nicht!)

– Wir reden ja über die in diesem Haus vorgelegten Konzepte.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Legen Sie mal was vor, Frau Caspers-Merk! Wo sind denn Ihre Vorlagen?)

Natürlich reden wir auch über das, was die Opposition als „große Strukturreform“ vorlegt.

(Hildegard Müller (CDU/CSU): Wir reden über den Haushalt!)

Ebenso reden wir über die von Ihnen formulierten Anträge; auch darüber wird beraten.

   Interessant ist, dass Sie hier im Prinzip kneifen. Sie kneifen doppelt:

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Sie sind total gekniffen! Sie legen nämlich überhaupt nichts vor in Sachen Bürgerversicherung!)

Zum einen enthalten die Konzepte, die Sie jetzt im Deutschen Bundestag vorgelegt haben, keine Kapitaldeckung. Zum anderen haben Sie zu dem gemeinsam ausgehandelten Gesundheitskompromiss, mit dem wir mühsam versucht haben, die sozialen Sicherungssysteme wieder ins Gleichgewicht zu bringen, einen Antrag vorgelegt, der vieles infrage stellt und rückgängig macht. Wie passt denn das zusammen? Sie können doch nicht – nachdem Sie bei den Verhandlungen zunächst immer mehr Privatisierungen und Zuzahlungen fordert haben, was wir mühsam zurückgedrängt haben – erst mit uns gemeinsam einen Konsens aushandeln und anschließend im Rahmen der Haushaltsberatungen einen Antrag vorlegen, der vieles von dem Konsens rückgängig macht. Wenn wir diesen Antrag ernst nehmen würden, hätten wir deutliche Probleme bei den Beiträgen.

   Insofern kann ich nur sagen, dass Sie hier nicht ganz redlich argumentieren.

(Abg. Andreas Storm (CDU/CSU) meldet sich zu einer Zwischenfrage)

– Herr Kollege Storm, ich möchte den Gedanken im Zusammenhang vortragen, nachher erlaube ich die Zwischenfrage gerne. – Entweder sagen Sie, die sozialen Sicherungssysteme sind in Gefahr und es muss über neue Konzepte geredet werden. Dann müssen Sie hier aber auch einen Beitrag zur Konsolidierung liefern. Oder Sie haben ein neues System; dann müssen Sie dazu auch stehen. Aber so, wie Sie es machen, sind Sie nicht ernst zu nehmen.

   Ich will Ihnen das, Herr Kollege Storm, anhand eines anstehenden Parteitagsbeschlusses erläutern. Die CDU will auf ihrem bevorstehenden Parteitag eine so genannte Kombirente einführen. Danach soll zum Beispiel jemand, der mit 60 in Rente geht, nebenher beitragsfrei berufstätig sein können. Wenn man das ernst nehmen würde, bedeutete das, dass wieder Beiträge in der Rentenkasse fehlen würden. Wie passt das mit Ihrer Anklage zusammen? Sie haben uns doch gerade vorgehalten, dass die Rente auf Kante genäht sei. Das wissen wir. Aber ich verstehe nicht, wie man in einer solchen Situation auf einem Parteitag einen Vorschlag machen kann, der die Finanzen der Rentenkasse zusätzlich gefährdet. Das ist unredlich, Herr Kollege Storm.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordneten des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN – Zuruf von der SPD: Absurd!)

   Man könnte jetzt fragen, warum wir uns mit bevorstehenden CDU-Parteitagen beschäftigen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Weil ihr keine eigenen Konzepte habt! Deswegen müsst ihr euch mit den anderen beschäftigen!)

– Nein, Herr Kollege Kolb, ich erkläre es Ihnen. – Wir wissen ja, wie das bei Parteitagen der Union ist: Die, die anderer Meinung sind, dürfen bei der CSUnicht reden. Insofern wird die Kritik praktisch von vorneherein ausgeschaltet. Man hat zwar Herrn Kollegen Merz in dieser Haushaltswoche reden lassen, aber bei Herrn Kollegen Seehofer hatte man nicht so viel Anstand; ihn habe ich heute auf der Rednerliste vermisst. So viel Anstand hätte man doch wenigstens aufbringen können, dass der langjährige stellvertretende Fraktionsvorsitzende die Chance bekommt, in der Haushaltswoche zu reden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Vielleicht hat auch er die Stimme verloren!)

Sie haben hier ein Stück weit nicht redlich argumentiert, Herr Storm.

(Erika Lotz (SPD): Mit zweierlei Maß!)

   Zu der Frage, was wir bislang vorgelegt haben. Wir haben eine Gesundheitsreform, von Ihnen mitgetragen, vorgelegt. Diese Gesundheitsreform trägt die ersten Früchte. Das räumen Sie in Ihrem Antrag selbst ein.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Mitgegangen, mitgehangen!)

In Ihrem Vortext weisen Sie darauf hin, dass Sie erste Erfolge sehen. Es wird gelobt, dass die Strukturen sich verändert hätten.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Gott sei Dank! Sonst könnte ich nachts nicht mehr ruhig schlafen!)

Es wird gelobt, dass zum ersten Mal die Arzneimittelkosten zurückgehen. Es wird gelobt, dass sich die Beiträge nach unten statt nach oben bewegen. Außerdem wird gelobt, was wir an Strukturveränderungen vorgenommen haben.

   Im zweiten Teil des Antrags werden dann neue Forderungen gestellt, bei denen Sie der Redlichkeit halber hinzufügen müssten, was deren Umsetzung für die Beiträge bedeuten würde. Aber auch hier kneifen Sie. Auch hier argumentieren Sie nicht ehrlich.

Ich will ein Weiteres zu dem Thema Pflegeversicherungskonzept sagen, weil der Kollege Zöller das in seinem Wortbeitrag angesprochen hat. Wir wissen, dass die Pflegeversicherung in ernste Schwierigkeiten kommt, wenn wir nicht handeln. Aus diesem Grunde verknüpfen wir in unserem Gesetz zur Pflegeversicherung zwei Aspekte: Wir setzen zum einen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts um und wir sorgen zum anderen dafür, dass die Pflegekasse wieder gefüllt wird. Damit beseitigen wir die Unsicherheit bei den Menschen, die auf Pflege angewiesen sind. Darum geht es doch.

   Ihr Konzept zur Pflegeversicherung beruht auf dem Prinzip „linke Tasche, rechte Tasche“. Zunächst wird für alle der Beitrag zur Pflegeversicherung erhöht. Damit wird dann eine Prämie für diejenigen bezahlt, die Kinder erziehen. Das nenne ich unsolidarisch.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Die mit Kindern werden entlastet!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Frau Staatssekretärin, gestatten Sie jetzt Zwischenfragen?

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Aber selbstverständlich.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Bitte, Herr Kollege Bahr.

Daniel Bahr (Münster) (FDP):

Frau Staatssekretärin Caspers-Merk, Sie sagen, dass wir in der Pflegeversicherung handeln müssen. Ich möchte Sie daher fragen, warum die Bundesregierung das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nur dazu genutzt hat, um eine verkappte Beitragserhöhung durchzuführen. Die Fünf Wirtschaftsweisen haben darauf hingewiesen, dass die Rücklagen der Pflegeversicherung spätestens im Jahre 2007 aufgebraucht sein werden. Daher frage ich Sie: Wo ist das Konzept der Regierung – über eine verkappte Beitragserhöhung hinaus –, die Pflegeversicherung wirklich grundlegend zu reformieren?

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU – Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Butter bei die Fische!)

Marion Caspers-Merk, Parl. Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Gesundheit und Soziale Sicherung:

Lieber Herr Kollege, es liegen drei Konzepte auf dem Tisch. Ihr Konzept hat in den Anhörungen, die wir gemeinsam durchgeführt haben, nicht einmal das Attest „verfassungskonform“ bekommen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Was? Ich bitte Sie! Da waren Sie in einer anderen Anhörung!)

Sie wollen bei der Entlastung nämlich nur diejenigen berücksichtigen, die Kinder im Alter von bis zu 3 Jahren haben.

   Ihr Konzept ist außerdem unehrlich. Sie hätten die Entlastung steuerfinanziert.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist doch richtig!)

Sie werfen uns ständig vor, dass sich der Haushalt in einer Schieflage befinde. Andererseits fordern Sie, dass wir die Steuern senken sollen. Was, bitte schön, gilt nun? Sollen wir die Steuern erhöhen oder senken? Sie müssen sich schon auf eine Linie einigen. Sie machen sich unglaubwürdig, wenn Sie immer beides fordern.

(Beifall bei der SPD – Daniel Bahr (Münster) (FDP): Kein Konzept, Frau Caspers-Merk!)

   Ich will mich noch zu dem Punkt Gesundheitsprämie äußern, der von dem Kollegen Storm ausführlich dargelegt wurde. Mir ist der Begriff Kopfpauschale lieber, denn er ist ehrlicher. Was ist Ihr Konzept?

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Was ist denn Ihr Konzept?)

Ich bin als Staatssekretärin nach wie vor gesetzlich krankenversichert. Ich zahle an die AOK Baden-Württemberg einen Beitrag von 544 Euro pro Monat.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): So viel zahlen Sie nicht!)

– Ich spreche von dem gesamten Beitrag, also von dem Arbeitnehmerbeitrag plus dem Arbeitgeberbeitrag.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Sie zahlen die Hälfte!)

Das sind zusammen 544 Euro. Davon zahle ich die Hälfte.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Aha!)

   Ich komme jetzt zu Ihrem Konzept. Danach würde ich 169 Euro zahlen.

(Peter Dreßen (SPD): Nein! 109!)

– Moment. Das ist der Gesamtbeitrag. Ich zahle 109 Euro und der Arbeitgeber zahlt 60 Euro. – Warum werden nach Ihrem Konzept die Bezieher hoher Einkommen entlastet, während die Bezieher niedriger Einkommen belastet werden?

(Beifall bei der SPD – Fritz Schösser (SPD): Wer zahlt den Rest? – Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU): Frau Staatssekretärin, Sie haben es nicht verstanden!)

Diese Antwort bleiben Sie uns schuldig.

   Ich will an dieser Stelle sagen, dass nicht nur wir Ihr Konzept kritisieren. Es gibt keinen einzigen Experten, der Ihr Konzept unterstützt. Herr Oettinger – er ist der neue Stern am sozialpolitischen Himmel der Union, weil Sie keine anderen mehr haben; Ihr letzter Sozialpolitiker musste von Bord gehen; das ist der Sachverhalt – sagte laut „Handelsblatt“, dass das Konzept nicht so umgesetzt werden würde und dass eine Lücke von 8 oder 16 Milliarden Euro klaffen würde. Herr Ramsauer hat sich in der Presse dahin gehend geäußert, man müsse sich keine Sorgen machen; denn so, wie das Konzept aufgeschrieben sei, werde es nicht umgesetzt.

   Sie kennen die ablehnenden Stimmen. Niemand bejaht Ihr Konzept. Schauen Sie einmal in die „Süddeutsche Zeitung“ von heute. In dem Kommentar von Herrn Hoffmann wird ausführlich dargestellt, dass die Schweiz mit der Kopfpauschale keine guten Erfahrungen gemacht hat.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Da regieren Sie doch gar nicht!)

   Die Schweiz ist das einzige europäische Land, in dem ein solches Konzept umgesetzt wurde. Dort gibt es massive Schwierigkeiten: Erstens wird die Pauschale auch in diesem Jahr wieder – um mehr als 7 Prozent – erhöht, weil die Ausgaben davonlaufen. Wir dagegen haben gemeinsam Maßnahmen gegen die steigende Ausgabenentwicklung auf den Weg gebracht.

   Zweitens sind mittlerweile viele Haushalte auf Transfereinkommen angewiesen. Jeder zweite Rentnerhaushalt muss ein Zubrot vom Staat bekommen, damit die Kopfpauschale gezahlt werden kann.

   Die Schweiz steht drittens auch beim Wachstum und der Beschäftigung nicht besser da als wir. Bei den Wachstumszahlen liegt sie vielmehr unterhalb des europäischen Durchschnitts. Also stimmen auch die Verheißungen, dass die Einführung der Kopfpauschale automatisch zu mehr Wachstum und mehr Beschäftigung führt, nicht.

   Stellen Sie sich bitte der Realität und versprechen Sie nicht irgendwelche theoretischen Konstrukte! Schauen Sie sich vielmehr um: Dort, wo die Kopfpauschale Realität ist, führt sie zu dem, was der Kollege Seehofer zu Recht beschrieben hat. Er sagt, sie sei unterfinanziert, bürokratisch und unsolidarisch. In allen drei Punkten hat er völlig Recht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

   Ich will noch auf das Thema Standfestigkeit eingehen, Herr Kollege Storm. Ich finde es interessant, dass bislang keiner Ihrer Redner zu dem Antrag gesprochen hat, den Sie in der Haushaltswoche vorgelegt haben.

(Wolfgang Zöller (CDU/CSU): Das kommt ja noch! – Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Wir sind eine freie Opposition! Wir dürfen sagen, was wir wollen!)

Deswegen will ich an dieser Stelle sagen: Wir lassen Ihnen nicht durchgehen, dass Sie den Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite in den Verhandlungen immer mehr aufbürden wollten. Auf der anderen Seite darf es jetzt, da wir das Ganze beschlossen haben, überall ein bisschen weniger sein und es wird an dem beschlossenen Konsens gerüttelt. Das ist aus meiner Sicht wenig standfest.

   Wenn ich mir Ihre Sozialpolitik anschaue, dann stelle ich Ähnliches fest, Herr Kollege Storm. Sie verschweigen ja, wie Ihre Konzepte wären. Was würden Sie in der jetzigen Situation tun?

(Georg Schirmbeck (CDU/CSU): Sie sind doch die Regierung! Sie müssen etwas tun!)

In einer Situation, in der die Rente auf Kante genäht ist, verlangen Sie neue Leistungen, die nicht gegenfinanziert sind. Nachdem es sehr mühsam war, einen gemeinsamen Gesundheitskonsens auszuhandeln, drücken Sie sich nun, indem Sie Anträge formulieren, um sich bei den Leistungserbringern lieb Kind zu machen. Sie haben mit Ihrem Konzept „rechte Tasche, linke Tasche“ nicht dazu beigetragen, dass die Pflegeversicherung bis zum Jahr 2008 finanziell einigermaßen auf den Beinen stehen kann.

   Deswegen meine ich, die Sozialpolitik ist bei uns in guten Händen. Wir würden eine solch unseriöse Politik nicht betreiben.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Jetzt wird es aber zur Märchenstunde, Frau Staatssekretärin!)

Meine Ministerin ist zwar heute stimmlos; aber unser Haus ist weder kopflos noch konzeptlos. Kopflosigkeit und Konzeptlosigkeit gibt es vielmehr bei Ihnen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Gesine Lötzsch.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Das ist doch eine Abgeordnete der PDS!)

Dr. Gesine Lötzsch (fraktionslos):

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mir wurde gerade von der FDP zugerufen: „Das ist doch eine Abgeordnete der PDS.“ – Das stimmt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Hoher Wiedererkennungswert!)

– Richtig.

   Ich möchte zunächst etwas zur Kopfpauschale der CDU/CSU sagen. Nach einer quälenden Diskussion und einem Rücktritt ist aus der Kopfpauschale der konservativen Opposition eine monströse Wasserkopfpauschale geworden.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Alle Experten sind sich einig, dass die Kopfpauschale eine Kopfgeburt ist. Wer wenig zahlt, hat mehr als bisher in der Tasche und wer mehr hat, zahlt weniger als bisher; von den Vorrednern wurden ja schon genügend Beispiele dazu genannt. Dieses Modell ist wirklich verfehlt und sollte von Frau Merkel schnell aus dem Verkehr gezogen werden. Sie schauen sich ja gern Umfragen an: Die Mehrheit der Bundesbürger sieht das übrigens genauso.

   Aber, meine Damen und Herren von der Koalition, die Bundesregierung sollte sich in Anbetracht des völligen Versagens von CDU und CSU in der Gesundheitspolitik nicht selbstverliebt nach hinten lehnen.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Dem kann ich uneingeschränkt zustimmen!)

Auch wenn das Kopfpauschalenmodell schlecht ist, heißt das nicht, dass Ihre Politik wirklich besser wäre. Die Bürgerinnen und Bürger in diesem Land haben im Moment augenscheinlich nur die Wahl zwischen einem sehr unsozialen Modell, das von CDU und CSU, und einem unsozialen Modell. Da kann man nicht wirklich von Wahlfreiheit reden.

   Die Bundesregierung spricht besonders gern über die geplante Bürgerversicherung. Leider geistert die nur als ein Phantom durch die Medien. Sie soll den Blick auf die gegenwärtige Gesundheitspolitik verstellen. Erinnern Sie sich: Von einer ganz großen Koalition aus SPD, CDU, CSU und Grünen sind die Gesetze zur Gesundheitspolitik und damit der Abschied von der solidarischen Krankenversicherung konstruiert worden.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Wir waren nicht dabei!)

– Ich habe Sie auch nicht genannt. – Ob Sie Ihre Modelle Kopfpauschale, Bürgerversicherung oder Bürgerpauschale nennen, Fakt bleibt: Alle Parteien außer der PDS wollen aus der paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung aussteigen. Die ersten Schritte haben Sie mit Krankengeld und Zahnersatz bereits gemacht, weitere werden folgen.

   Wir, die PDS, sind gegen die Kopfpauschale der CDU und warnen SPD und Grüne vor einem Etikettenschwindel. Machen Sie nicht aus der Bürgerversicherung eine verkappte Kopfpauschale.

   Sie fordern die Bürger gern zu mehr Eigenverantwortung auf, meinen aber mehr Zuzahlung und schröpfen die Bürger, ohne dass sie dafür mehr Gesundheit bekommen. Am Ende des Jahres 2004 wird es für jeden Beitragszahler deutlich: Die große Koalition von SPD, Grünen, CDU und CSU hat die Bürger getäuscht. Die versprochenen Beitragssenkungen kommen nicht und trotzdem tragen die Bürger zusätzlich zu ihrem hohen Kassenbeitrag die Praxisgebühr und die Zuzahlungen für Medikamente und Krankenhausaufenthalt.

(Dr. Heinrich L. Kolb (FDP): Leider auch wahr!)

   Da frage ich: Wo bleibt eigentlich das zusätzliche Geld der Bürger? Was machen die Kassen mit den Mehreinnahmen? Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie hat moderate Preiserhöhungen zum Jahresende oder zu Anfang 2005 angekündigt. Tatsächlich aber haben viele Hersteller bereits Mitte des Jahres die Herstellerabgabepreise deutlich erhöht. Moderat kann man Preissteigerungen um bis zu 60 Prozent wirklich nicht nennen.

   Das Preismoratorium für die Hersteller läuft Ende des Jahres aus und auch der Zwangsrabatt für die Hersteller wird wieder gesenkt. Nun versuchen einige Pharmaproduzenten durch wahre Preissprünge, das Preismoratorium und die Zwangsrabatte nachträglich zu kompensieren. Hier wäre das Handeln der Ministerin und aller anderen Verantwortlichen gefragt. Was tun sie? Bisher nichts. Sie schauen zu, wie sich einige Hersteller aus der Verantwortung ziehen und die Lasten der verunglückten Gesundheitsreform bei den Beitragszahlern abladen.

   Die so genannte Gesundheitsreform zieht den Patienten das Geld aus der Tasche und wird das Gesundheitssystem nicht billiger machen. Das schwerwiegendste Problem ist: Diese Reform bringt nicht mehr, sondern weniger Gesundheit für die Menschen. Die Gesundheitsministerin, Frau Schmidt, feiert – heute tut sie es zwar nicht, weil sie nicht sprechen kann – die Einsparungen bei den Krankenkassen und erklärt unermüdlich, dass die Gesundheitsreform jetzt greifen würde. Ja, sie greift; sie greift vor allem kranken Menschen in die Tasche. Die Gesundheitsreform hat bisher keinen Menschen gesünder, aber viele ärmer gemacht.

   Die Praxisgebühr und die Zuzahlungen für Medikamente haben wirklich eine Steuerungswirkung – wie von der Bundesregierung vorausgesagt –, sie steuern aber in die falsche Richtung, sie steuern sozial Schwache aus dem Gesundheitssystem heraus. Das ist weder gerecht noch solidarisch, wir, die PDS, lehnen das ab.

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Danke schön. – Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Annette Widman-Mauz.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Annette Widmann-Mauz (CDU/CSU):

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Staatssekretärin, Ihre heutige Rede war mehr als enttäuschend und weit unter dem Niveau, das Sie zumindest ab und an in diesem Hause präsentieren. Gerade Sie als Staatssekretärin und Abgeordnete des Deutschen Bundestages wissen ganz genau, dass Sie mit Ihrer Abgeordnetendiät und Ihrer Staatssekretärsversorgung bei einem um 3 Prozent höheren Spitzensteuersatz deutlich mehr in unser solidarisches Gesundheitsprämiensystem einzahlen würden, als Sie es heute tun.

(Beifall bei der CDU/CSU – Waltraud Lehn (SPD): Den wollen Sie doch auch senken! – Birgitt Bender (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Ihr wollt die Steuern doch senken!)

   Dass Sie unseren Antrag, unsere kritische Bestandsaufnahme, nicht gern hören, Frau Staatssekretärin, kann ich verstehen. Wir stellen Ihnen nämlich 23 unangenehme Fragen. Sie stellen sich diese Fragen nicht

(Beifall bei der CDU/CSU)

und das allein ist schon Beweis genug, wie wenig ernst Sie Ihre Regierungsaufgabe nehmen und wie wenig verantwortungsvoll Sie diesen Kompromiss umsetzen.

(Waltraud Lehn (SPD): Geht es auch ein bisschen weniger dumm?)

   Frau Schmidt, Sie haben eine zweite Chance erhalten. Einige Ihrer Kollegen aus der SPD-Fraktion meinten 2002, dass Ihre Berufung nur den fehlenden Alternativen zuzuschreiben gewesen wäre. Sie haben diese Chance erhalten, Sie wollten sie nutzen. Sie wollten alles anders und alles besser machen als in der letzten Legislaturperiode.

   Nach zwei Jahren wissen wir: Sie machen nichts anders und richtig besser wird es auch nicht. Sie haben die Wähler 2002 über die Finanzlage der Renten- und der Krankenversicherung getäuscht und das tun Sie jetzt wieder.

(Peter Dreßen (SPD): Wo denn?)

Schon im Frühsommer zeichnete sich doch ab, dass trotz Reform die Beitragssätze nicht in dem von uns erwarteten Umfang sinken werden. Ulla Schmidt im Juni dieses Jahres: Ganz sicher 13,6 Prozent. Im September dieses Jahres: Keine Bange; wir werden unter 14 Prozent landen. Auf Nachfrage im November, warum das denn nicht passiert, sagen Sie: Die Krankenkassen jonglieren mit falschen Zahlen. Frau Schmidt, die Menschen fragen sich, wer denn wohl mit den falschen Zahlen und Versprechungen agiert hat.

(Dr. Michael Luther (CDU/CSU): Hört! Hört!)

Jetzt, dieser Tage, räumen Sie ein: „Es könnten doch 14 Prozent werden“, obwohl der Schätzerkreis Ihnen 14,1 Prozent ins Stammbuch schreibt und die Krankenkassen von 14,2 Prozent ausgehen. Im nächsten Jahr: Tendenz steigend.

   Ich sage Ihnen – das zeigt ja auch unser Antrag auf –: Die hohe Verschuldung der Krankenkassen und die weiter wegbrechenden Einnahmen gefährden die Finanzen der gesetzlichen Krankenversicherung. Ihre miserable Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik hat die Einnahmebasis der Krankenkassen weiter geschwächt. Sie haben doch in den Konsensverhandlungen die Verschuldung der Kassen schöngerechnet. Statt 8 Milliarden Euro Schulden haben Sie 4 Milliarden Euro angegeben. Ihre Schulden sind mit verantwortlich dafür, dass wir die Maastrichtkriterien wieder einmal nicht erfüllen. Dazu kommt, dass Sie die Lasten auf zukünftige Generationen von Beitragszahlern verschieben.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Spätestens das Urteil der Wirtschaftsweisen, die das Wirtschaftswachstum wieder nach unten haben korrigieren müssen, müsste Ihnen doch zu denken geben. Deshalb fordern wir in unserem Antrag von Ihnen eine ehrliche Beurteilung der Finanzentwicklung der gesetzlichen Krankenversicherung bis zum Ende dieser Legislaturperiode. Der weitergehende Reformbedarf darf von Rot-Grün vor den Wahlen 2006 nicht ein weiteres Mal verschleiert werden. Frau Schmidt, wir werden es nicht zulassen, dass die Menschen vor der nächsten Bundestagswahl erneut von Ihnen getäuscht werden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

   Aber nicht nur die Einnahmen der Kassen sind instabil. Sie schaffen auch neue Verschiebebahnhöfe zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung. Ich hätte eigentlich erwartet, dass die Bundesregierung etwas zu dem so genannten Verwaltungsvereinfachungsgesetz sagt, dass wir ja heute mit beraten. Davon höre ich überhaupt nichts. Sie verschieben mir nichts, dir nichts den Auszahlungstag der Beiträge zur Krankenversicherung der Rentner um einige Tage, und das doch nur, um die Liquidität der Rentenkassen zu verbessern. Aber Sie verschweigen, dass dies allein die AOK 1 Milliarde Liquidität kosten wird.

(Waltraud Lehn (SPD): Ach!)

– Doch, so ist es.

   Frau Schmidt, Sie dürfen sich nicht wundern, wenn die Kassen das Geld der Beitragszahler vor Ihrer Politik in Sicherheit bringen.

   Darüber hinaus muss uns auch die Ausgabenentwicklung bei den Arzneimitteln besorgt machen.

(Peter Dreßen (SPD): Ärmlich, was Sie sagen!)

Gestern haben Sie den Pharmagipfel inszeniert und heute hören wir nicht ein einziges Wort der Bundesregierung darüber. Was haben Sie denn dort veranstaltet? Es war wohl so: Außer Spesen nichts gewesen. Dass die Kosten für Arzneimittel steigen, ist doch auf den Jo-Jo-Effekt Ihrer Politik zurückzuführen.

(Erika Lotz (SPD): Das ist unter Ihrem Niveau!)

   Sie machen in vielen Bereichen, was Sie in der Vergangenheit immer schon gut konnten, nämlich Bürokratie erweitern und knappe Beitragsmittel in eine bürokratische Gigantomanie stecken. Das beste Beispiel dafür sind doch die Disease-Management-Programme. Der Schätzerkreis der Spitzenverbände der Krankenkassen veranschlagt die Verwaltungskosten für diese Chronikerprogramme für das Jahr 2004 mit sage und schreibe 88 Millionen Euro. Dazu kommen Dokumentationskosten in Höhe von weiteren 79 Millionen Euro. Diese Tendenz wird sich in den kommenden Jahren fortsetzen. Dabei denke ich noch gar nicht an die bürokratischen Monster, die mit dem prospektiven morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleich – ein schönes Wort –

(Klaus Kirschner (SPD): Kopfpauschale: Denken Sie einmal an dieses Monster!)

auf uns zukommen, oder an das, was Sie im Präventionsgesetz alles planen. Wir sagen Ihnen klar: Setzen Sie das Geld der Beitragszahler für die medizinische Versorgung ein und nicht für immer mehr Bürokratie!

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Die Umsetzung des GMG, also des Kompromisses des letzten Sommers, ist schlampig vollzogen worden. Die Stichworte lauten „Praxisgebühr“ und „Chronikerregelung“. Wenn ich mir überlege – das scheint Sie überhaupt nicht zu betreffen bzw. völlig an Ihnen vorbeizugehen –, wie viel Verunsicherung in der Bevölkerung allein beim Thema Sterbegeld herrscht – die Sozialverbände werden von Anfragen überschwemmt, ob es in diesem Jahr gestrichen wurde oder nicht –, dann kann man klar sagen: Das, was die Menschen beschäftigt, scheint diese Regierung nicht mehr zu beschäftigen.

(Beifall bei der CDU/CSU)

   Auch das ambitionierte Vorhaben der Einführung einer elektronischen Gesundheitskarte haben Sie von Anfang an falsch angepackt. Jetzt zeichnet sich ab, dass dieses Projekt überhaupt nicht mehr zu halten ist. So ist es auch bei der integrierten Versorgung, einem ganz wichtigen Herzstück dieser Reform, das auch wir als elementaren Bestandteil angesehen haben. Nur 20 Prozent der dafür zur Verfügung stehenden Finanzmittel sind bislang abgerufen worden. Die meisten Mittel fließen in die traditionelle „Hüfte“ und in Disease-Management-Programme. Von einer echten fächer- und sektorenübergreifenden bevölkerungsbezogenen Versorgung kann also noch keine Rede sein. Von Ihnen haben wir dazu heute kein einziges Wort gehört. Wenn dieses Projekt das Herzstück der Reform ist, dann sollten Sie endlich dafür sorgen, dass das Herz kräftig schlagen kann. Aber dazu hört man von Ihnen kein Wort.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

   Dass Rot-Grün nicht in der Lage ist, die aktuellen Probleme in der Gesundheitspolitik zu lösen, geschweige denn zukunftsweisende Konzepte zur Lösung der Probleme der sozialen Sicherungssysteme zu entwickeln, hat die heutige Debatte mehr als eindrucksvoll bewiesen. Sie setzen sich zwar mit den Konzepten der künftigen Regierungsparteien, der CDU und der CSU, auseinander, aber nicht mehr mit Ihren eigenen Vorschlägen; denn Sie haben keine, die tragen. Deshalb wird es Zeit, dass wir unsere Konzepte in die Realität umsetzen.

(Erika Lotz (SPD): Darauf könnt ihr noch lange warten!)

Sie haben am heutigen Tag keine einzige Antwort auf die wegbrechenden Einnahmen in unseren sozialen Sicherungssystemen gegeben; denn Sie haben keine Antworten auf die Probleme unserer Zeit. Daher ist es an der Zeit, dass Sie gehen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Heinrich L. Kolb (FDP) – Waltraud Lehn (SPD): Auf Wiedersehen!)

Vizepräsidentin Dr. Antje Vollmer:

Ich schließe die Aussprache.

   Wir kommen zur Abstimmung über Einzelplan 15, Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, in der Ausschussfassung. Wer stimmt dafür? – Wer stimmt dagegen? – Enthaltungen? – Einzelplan 15 ist mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen gegen die Stimmen von CDU/CSU und FDP angenommen.

   Tagesordnungspunkte I.20 und I.21. Interfraktionell wird Überweisung der Vorlagen auf den Drucksachen 15/4228 und 15/4135 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. Sind Sie damit einverstanden? – Das ist der Fall. Dann sind die Überweisungen so beschlossen.

   Ich rufe Zusatztagesordnungspunkt 3 auf:

Beratung der Beschlussempfehlung des Ausschusses nach Art. 77 des Grundgesetzes (Vermittlungsausschuss) zu dem Zweiten Gesetz zur Änderung der Vorschriften zum diagnoseorientierten Fallpauschalensystem für Krankenhäuser und zur Änderung anderer Vorschriften (Zweites Fallpauschalenänderungsgesetz – 2. FPÄndG)

– Drucksachen 15/3672, 15/3974, 15/4177, 15/ 4272 –

Berichterstattung:Abgeordnete Gudrun Schaich-Walch

   Hierzu liegt eine persönliche Erklärung der Abgeordneten Gisela Piltz vor, die wir zu Protokoll nehmen. Wird das Wort zur Berichterstattung gewünscht? – Das ist nicht der Fall. Wird das Wort für Erklärungen gewünscht? – Auch das ist nicht der Fall.

   Wir kommen zur Abstimmung. Der Vermittlungsausschuss hat gemäß § 10 Abs. 3 Satz 1 seiner Geschäftsordnung beschlossen, dass im Deutschen Bundestag über die Änderungen gemeinsam abzustimmen ist. Wer stimmt für die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses auf Drucksache 15/4272? – Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses einstimmig angenommen worden.

   Ich rufe Tagesordnungspunkt I.22 auf:

Einzelplan 10

Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft

– Drucksachen 15/4310, 15/4323 –

Berichterstattung:Abgeordnete Jürgen Koppelin Ernst Bahr (Neuruppin)Ilse Aigner Franziska Eichstädt-Bohlig

   Zu Einzelplan 10, über den wir später namentlich abstimmen werden, liegt ein Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU vor.

   Über den Änderungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Drucksache 15/4340, der sich auch auf Einzelplan 10 bezieht, ist bereits bei Einzelplan 08 abgestimmt worden.

   Des Weiteren liegen zwei Entschließungsanträge der Fraktion der FDP vor, über die wir morgen im Anschluss an die Schlussabstimmung abstimmen werden.

   Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für die Aussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. – Widerspruch gibt es nicht. Dann ist so beschlossen.

   Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat zunächst die Abgeordnete Gerda Hasselfeldt.

(Beifall bei der CDU/CSU)
[Der folgende Berichtsteil – und damit der gesamte Stenografische Bericht der 142. Sitzung – wird morgen,
Freitag, den 26. November 2004,
an dieser Stelle veröffentlicht.]
Quelle: http://www.bundestag.de/bic/plenarprotokolle/plenarprotokolle/15142
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