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Peter Manstein
Produkte als Nährstoffe nutzen
Eine Revolution ökologischen
Denkens?
Es überrascht schon, dass die amerikanische
Originalausgabe des Buches - anders als die "normal" auf Papier
herausgegebene deutsche Version - auf Kunststofffolien gedruckt ist
und dass dies die Autoren auch noch als besonders umweltfreundlich
ausgeben. Immerhin wird dafür die endliche Ressource
Erdöl eingesetzt. Des Rätsels Lösung liegt in dem
Kernanliegen des Buches: Es geht um ein neues Konzept von
umweltfreundlichen Produkten.
Produkte sollen von Anfang an so hergestellt
werden, dass sie gefahrlos verwendet und am Ende ihres Gebrauchs
problemlos entweder als Nährstoff des biologischen Kreislaufes
oder des technologischen Kreislaufes dienen können. Das
hört sich nicht gerade originell an, denn die Forderung etwa
nach einem recycling- gesundheits- und umweltfreundlichen Design
für industrielle Produkte ist an sich nichts Neues. Aber
dahinter steckt hier eine radikale Idee:
Die meisten sich selbst als
"umweltfreundlich" verstehenden industriellen Produkte - so
urteilen die Autoren nicht zu Unrecht - sind nur unter bestimmten
Aspekten umweltverträglich (sie sind frei von x und y), sie
enthalten jedoch immer noch Schadstoffe und/oder werden über
hunderte Kilometer (gar nicht so umweltfreundlich) transportiert
und /oder mit fossiler Energie hergestellt (um von Atomkraft zu
schweigen) und/oder ihre Materialien können nicht hochwertig,
sondern nur minderwertig recycelt werden
("Downcycling").
Es ist schon erstaunlich: Wirklich
umweltfreundliche Produkte konnten die Autoren für ihre
diversen praktischen Projekte etwa für Firmen wie Nike, Ford,
Unilever und BP meist nicht auftreiben, sie mussten sich also
selbst daran machen, eine solches Design zu entwickeln.
Braungart/McDonough nennen ihr Konzept
"Öko-Effektivität" und setzten sich damit von der
"Öko-Effizienz" ab, die in ihren Augen nur der Versuch ist,
grundsätzlich schlechte Produkte partiell zu verbessern: Indem
zum Beispiel durch ihre Verwendung letztlich doch ein
Schadstoffeintrag in die Umwelt erfolgt beziehungsweise sich ihre
Schadstoffe anreichern, würden
Öko-Effizienz-Anstrengungen nur den Niedergang der Umwelt
hinauszögern, gingen aber letztlich nicht an die Ursachen
dieses Niedergangs heran.
Zwar kann man sich über die
Begrifflichkeiten streiten, aber in der Tat ist eine wirklich
schadstofffreie und wirklich umweltfreundliche Produktion eine
wichtige Perspektive, um die - oft versteckten - Umweltbelastungen
der bisherigen Produktion und ihrer Produkte zu
erkennen.
Dieser Ansatz befördert also eine neue
"Denke": So geht es den "Konsumenten" doch häufig gar nicht
darum, industrielle Produkte materiell zu konsumieren. Was sie
dagegen eigentlich wollen, ist eine Dienstleistung: Sie wollen
fernsehen, aber nicht Kupferkabel verbrauchen (geschweige denn sich
eine Sondermüllansammlung von hunderten gefährlichen
Stoffen in das Wohnzimmer stellen, wie es heute noch der Fall ist).
Es wäre also sinnvoll, dass sie das Fernsehgerät nur
leihen, das dem Produzenten gehören könnte. Für
diesen ist das ausgeliehene Gerät aber nur von bleibendem
Wert, wenn es auch die darin enthaltenen Materialien sind, also
problemlos und hochwertig wieder als industrieller Nährstoff
dienen kann. In diesem Sinne haben die Autoren zum Beispiel an
einem Praxisprojekt "Miete dir ein Lösungmittel"
gearbeitet.
Klar und anschaulich
Neben der gedanklichen Klarheit zeichnet das
Buch aus, dass es immer wieder anschauliche Beispiele bringt:
Michael Braungart, Professor für Chemische Verfahrenstechnik
und Stoffstrommangement an der Fachhochschule Lüneburg, und
sein Partner William McDonough, Architekturprofessor in den USA,
haben nicht nur Theorie zu bieten, sondern mehrfach ihre Ideen
erfolgreich in die Praxis umgesetzt. Und das Konzept muss
keineswegs ökonomischen Erwägungen widersprechen, im
Gegenteil:
Ein von ihnen entwickeltes
Fabrikationsgebäude, das Licht und Luft hereinlässt und
vielfältige Perspektiven auf eine naturnahe Umwelt bietet, das
das Binnenklima unter anderem mit einem begrünten Dach
angenehm regelt, hat auch wesentlich zur Steigerung der
Produktivität der Mitarbeiter beigetragen. Das Beispiel zeigt
auch, dass es vielfach nur um einen - allerdings entscheidenden -
ersten Schritt geht: Denn es käme ja weiter darauf an, was
dort wie produziert wird.
Sehr sympathisch ist an dem Ansatz, dass er
dazu auffordert, ebenso verschwenderisch wie die Natur zu sein,
statt zugunsten der Umwelt Verzicht zu üben und in
Schuldgefühlen zu versinken, so als wären die Menschen
per se eine Fehlkonstruktion. Zu unserem vielfach schlechten
Umweltgewissen passt in den Augen der Autoren das von vielen
Umweltbewussten empfohlene mausgraue Recyclingpapier. Jetzt wird
klar, warum die amerikanische Version auf einem hochwertigen
Kunststoff gedruckt wurde:
Er lässt sich genau zu dieser
Buchproduktion recyclen und die Druckfarben ebenso. Damit das
funktioniert, müsste sich aber auch bei dem "Lesekunden" ein
Wandel einstellen: Er müsste gewillt und problemlos fähig
sein, das Buch als Nährstoff dem Buchproduzenten wieder
zuzuführen. Dieser Problemkreis bleibt in der Publikation
ausgespart.
Hat der Produzent ein Interesse daran, das
eingesetzte, hochwertige Material zurückzubekommen, verleiht
er es gar nur, dann ginge es auch nicht um möglichst
große Haltbarkeit der Produkte (die Autoren sprechen gar von
der "Tyrannei langlebiger Produkte"), sondern der Kunde könnte
"fröhlich" konsumieren und seinen Modevorstellungen folgen.
Der verschwenderisch blühende Kirschbaum und die
fleißigen, den Boden bearbeitenden Ameisen werden in dem Buch
vielfach als Sinn- und Vorbilder dargestellt, die nicht nur
für sich selbst Werte schaffen, sondern für ihre Umwelt
von mehrfachem Nutzen sind. Vitalität und Lebenslust sind
Schlüsselworte des an der Öko-Effektivität
orientierten Ansatzes. Eng verknüpft damit sind weitere:
lokale Verankerung / Vielfalt ("wir müssen wieder Eingeborene
werden") und regenerative Energien.Auch wenn neben anschaulichen
Praxisbeispielen vieles hier noch manifestartig als "großer
Wurf" formuliert ist - eine Auseinandersetzung mit diesem
anregenden Buch ist sehr zu empfehlen.
Michael Braungart / William
McDonough
Einfach intelligent produzieren,
Cradle to cradle:
Die Natur zeigt, wie wir die Dinge besser
machen können.
Berliner Taschenbuch, Berlin 2003;
267 S., 9,90 Euro
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