Wenn wir heute entscheiden, dass dieses Projekt nicht
verwirklicht wird, dann entscheiden wir auch, dass diese Hand
wieder zurückgezogen wird. Ich glaube, dies ist eine
Dimension, die wir bedenken sollten. Wir sind es gewohnt, dass Kunstwerke primär an unsere Gefühle, an unser unterbewusstes Assoziationsvermögen appellieren. Demgegenüber schafft Haacke die Herausforderung zur Aufklärung, zum Denken. Er zwingt uns regelrecht zur Selbstreflexion unseres Handelns. Meiner Meinung nach stellt er gerade uns Parlamentariern zwei Fragen und wirkt damit - ich habe damit keine Probleme, Herr Kollege Lammert - sehr wohl aufklärend. Er fragt uns: Für wen macht ihr Politik? Ausschließlich für deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger oder für alle Menschen, die auf deutschem Boden leben? Die zweite Frage, die er uns stellt, die schon Gegenstand der
Diskussion war, ist: Könnt ihr eigentlich mit dem Boden, der
uns alle trägt und nährt, natürlich und unverkrampft
umgehen oder steht ihr immer noch im Banne der
Blut-und-Boden-Mythen des Nationalsozialismus? Ich muss sagen, dass
ich nicht alle Antworten teile, die Haacke selbst mit seiner
Projektinterpretation gegeben hat. Zunächst einmal - das
möchte ich hier deutlich sagen, gerade auch in Richtung
Antragsbefürworter - bin ich nicht der Ansicht, dass die
Inschrift "Dem Deutschen Volke" durch den Faschismus so dauerhaft
entwürdigt worden ist, dass man das Wort "deutsches Volk"
nicht mehr aussprechen darf. Ich glaube schon, dass wir zu einer so
engagierten demokratischen Politikkultur gefunden haben, dass es
uns wieder erlaubt ist, auch selbstbewusst zu unserer deutschen
Identität zu stehen. Wenn das so ist - das sollten wir gemeinsam so sehen, egal, wie
wir zu dem Projekt stehen -, bin ich der Meinung, dass wir diesen
Denkanstoß, den uns Haackes Projekt gibt, wirklich nutzen
sollten; er ist richtig und wichtig. Denn die Diskussion der
letzten Wochen zeigt, wie viele Menschen immer noch
Identitätsschwierigkeiten haben. Deswegen müssen wir
über Begriffe wie "deutsches Volk" und "deutsche
Bevölkerung" weiterhin einen Dialog führen. |
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