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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Susanne Sitzler

Die Sprache der Straße sprechen

Medien suchen die Jugend
MTV und Giga-TV, die Berliner Zeitung und Die Zeit, Eins Live und Das Ding - sie alle sind der Jugend auf der Spur. Aber was wollen Jugendliche überhaupt sehen, lesen, hören? Mit welchen Themen und Formaten kann man sie erreichen, und welches sind die Medien, die junge Leute nutzen?

Bei der ersten Jugendmedienkonferenz der Bundeszentrale für politische Bildung, vom 28. bis 30. Oktober in Potsdam, trafen sich Programmchefs aus TV, Radio, Online und Print, um sich gegenseitig schlauer zu machen. Ergebnisse der Trend- und Medienforschung halfen ihnen dabei auf die Sprünge.

"Es gibt kein anderes Medium, das so arrogant mit Jugendlichen umgegangen ist, wie die Tageszeitung", konstatierte Jens Lohwieser von der Berliner Zeitung gleich zu Anfang der Konferenz. "Werdet älter, dann lest ihr uns schon" - das habe man lange Zeit in der Zeitungsbranche geglaubt. Zu lange - denn die Abonnentenzahlen der meisten Tageszeitungen sind rückläufig oder stagnieren. Jugendliche Formate ließ man außen vor. Das kann und will sich heute in der Zeitungsbranche kaum einer mehr leisten. Eine "neue Ernsthaftigkeit" sei zu spüren, sagt Kerstin Goldbeck, die eine Studie für den Bundesverband deutscher Zeitungsverleger durchgeführt hat. Das Thema Jugend sei nicht neu, aber wieder aktuell. Nur sechs Prozent der 154 von ihr befragten Verlage hätten kein eigenes Jugendformat im Angebot, erklärte sie. Der lokale Bezug sei besonders wichtig, wenn man bei der Jugend punkten will, glaubt Lohwieser. Mit dem Taschenbuch "losleben" hat sein Verlag ein Produkt auf den Markt gebracht, das dieser Devise folgt: Infos und Ansprechpartner von A wie Altersvorsorge bis Z wie Zivildienst - alles für junge Leute in Berlin.

Auch das Wochenblatt Die Zeit, deren Durchschnittsleser 46 Jahre alt ist, macht sich auf die Suche nach dem Lesenachwuchs. Mit einem neuen Newsletter für Abiturienten - gratis und per Mail verschickt - versucht der Hamburger Verlag, Jugendliche zu erreichen. "Wir wollen dabei nicht besonders cool sein", sagt Carola Padtberg, die den Newsletter betreut. Das würde der seriösen Zeit auch wohl kaum jemand abnehmen.

Bernhard Heinzlmaier, Geschäftsführer bei tfactory, dürfte diese Zahl kaum überraschen. Das Internet ist die Informationsquelle Nummer eins bei Jugendlichen, so der Medienforscher. Das ist zumindest das Ergebnis der von ihm halbjährlich durchgeführten Studie timescout, für die 900 junge Meinungsführer im Alter bis zu 20 Jahren befragt werden. "Mit Printmedien werden Sie im Jugendbereich nicht reich", sagt er. Die unter 20-Jährigen würden zwar Magazine lesen - kaufen sie aber nicht. Freemags oder Infos über das Internet seien die Lösung, meint er, wenn man die junge Zielgruppe im Visier hat. Besonders interessant für junge Leute seien auch Schul- und Unizeitschriften, die Informationen aus ihrem ganz speziellen Nahbereich liefern.

Wofür interessieren sich Jugendliche besonders? Heinzlmaier meint, für Lifestyle und Trends. Die Selbstdarstellung spiele bei Jugendlichen eine enorm wichtige Rolle. In den Medien suchen Jugendliche nach Informationen über die Szene, mit der sie sich identifizieren. Am beliebtesten sei die Hip-Hop-Szene, gefolgt von Fitness und Fußball. Gerade die Fitness-Welle breite sich immer weiter aus. "Die Bedeutung des eigenen Körpers wird für Jugendliche immer wichtiger", sagt Heinzlmaier, "denn mit ihm präsentieren sie sich nach außen."

Dem entspricht das Ergebnis einer Studie von Maya Götz, Leiterin des Internationalen Zentralinstituts für Jugend- und Bildungsfernsehen in München. "Toll aussehen" ist für die befragten zwölf- bis 25-Jährigen der wichtigste Wert überhaupt. 88 Prozent stimmten dem zu. Insgesamt seien Jugendliche sehr leistungsorientiert, erklärt Götz. Karriere, Treue, Sicherheit - das alles sei für junge Menschen äußerst bedeutend, sagte sie. Sich politisch zu engagieren ist nach Götz' Umfrage demgegenüber bei nur 25 Prozent wirklich "in".

Wie lassen sich da politische Inhalte vermitteln, ohne zum Abschaltgrund zu werden? Das fragten sich die Teilnehmer der Konferenz. Im Fernsehen, nach wie vor dem meist genutzten Medium auch bei Jugendlichen, versucht man neue Formate zu finden. Der Spiele-Sender GIGA hat beispielsweise seit geraumer Zeit Politik im Programm. Begonnen hat das am 11. September 2001 - als bei GIGA die Online Diskussions-Foren zusammenbrachen. "Wir haben damals festgestellt, dass sich Jugendliche sehr wohl für Politik interessieren, und sie interessieren sich vor allem für die Frage ?Warum?'", sagt Ulrich Nitschke, Mitglied der Geschäftsleitung bei NBC GIGA. Seit Anfang dieses Jahres läuft nun ein Politik-Talk auf dem Sender: GIGA Real. Jeden Werktag um 20 Uhr stellt sich ein Politiker nicht nur den Fragen der Moderatoren, sondern auch denen der Zuschauer, die per Mail ins Studio gelangen. "Wir lassen die Zuschauer fragen, weil das viel direkter und weniger diplomatisch ist", so Nitschke. "Wir reißen den Politiker aus seiner Routine heraus - und meistens funktioniert das."

Auch beim Musiksender MTV, der Politik nicht im Programm hat, dafür aber offen sei, wie Susanne Wiesner von MTV networks betont, habe man schon Politiker in bestimmten Sendungen gehabt. Doch die hätten es nicht geschafft, sich auf Augenhöhe der Jugendlichen zu begeben. Bei MTV setzt man deshalb lieber auf die Vertreter aus dem Musik-Business: Mit den Söhnen Mannheims, den Ärzten, Silo oder Wir sind Helden lassen sich politische Themen auch vermitteln.

Und was muss man beachten, wenn man für ein junges Publikum schreibt, spricht, produziert? "Die Sprache der Straße sprechen" ist für Wiesner ein Muss, um die junge Zielgruppe zu erreichen: "?Ach du dickes Kanonenrohr!' würde bei uns keiner sagen". Nicht druckreif sprechen - auch grammatikalisch nicht - das gehört bei MTV zum Konzept.

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