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Das Parlament
Nr. 47 / 15.11.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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Hermann Horstkotte

Großer Erfolg am Arbeitsmarkt

Bachelor als Jobmaschine

Sie werden oft als "geistige Dünnbrettbohrer" verspottet, ihr Hochschulabschluss gilt vielen akademischen Snobs als "Abbrecherdiplom" - wer heute an deutschen Unis oder Fachhochschulen ein Studium mit internationalem Bachelor-Examen absolviert, stellt sich jedoch am besten taub im Gezeter rückwärtsgewandter Bedenkenträger. Denn spätestens ab 2010 sind die gestuften Bachelor-Master-Studiengänge mit dem ersten berufsqualifizierenden Abschluss nach drei oder vier Jahren in der gesamten Europäischen Union die Regel. Diplom und Magister sind dann passé. Die Hochschulen hierzulande sind allerdings besonders langsam mit der unvermeidlichen Umstellung, die schon seit 1999 angesagt ist. Bislang werden nur 15 Prozent aller Studiengänge im neuen Format angeboten. Die Fachhochschulen etwa fürchten, mit dem bewährten Diplom (FH) ihr Alleinstellungsmerkmal gegenüber den Universitäten zu verlieren, und diese sorgen sich, mit dem Bachelor auf FH-Niveau zu "sinken". In Wirklichkeit aber waren die Chancen für Klasse statt Masse noch nie so günstig wie im gestuften Ausbildungssystem: Denn nur die besten Bachelor sollen hinfort zum ein- oder zweijährigen Masterstudium zugelassen werden. Mithin Studentenschwemme ade?

In diesem stürmischen Klima hat der Stifterverband jetzt durch das offizielle Hochschul-Informations-Sys-tem (HIS) die entscheidende Frage klären lassen: Wie kommen die Bachelor in der Welt der Arbeit unter? HIS untersuchte den Verbleib der 4000 Absolventen in den Jahren 2002 und 2003. Neun Monate nach dem Examen betrachteten sich nur vier Prozent der FH-Bachelor und sechs Prozent der Mitbewerber von der Uni als noch arbeitsuchend. Diese Quote entspricht der Akademikerarbeitslosigkeit überhaupt, die gegenwärtig bei fünf Prozent liegt. So gut wie alle Bachelor halten ihre Studienwahl nach wie vor für richtig. Mögen Hochschullehrer über die neuen Ausbildungsformate auch noch so lamentieren, ihre ehemalige Schüler stimmen in das Klagelied nicht ein.

Ein ganzes Drittel ist mit der ersten Stelle schon voll zufrieden, sowohl mit dem Aufgabenfeld und seiner Fachnähe wie mit der Position im Betrieb. Ein weiteres Viertel vermisst lediglich den engen Bezug zum Studienfach, eine Enttäuschung, die sich mit wachsendem zeitlichen Abstand vermutlich legt. Zwei von dreien arbeiten als ausgesprochen wissenschaftliche oder aber qualifizierte Angestellte. Hinter der hohen Quote von zehn bis 15 Prozent Freiberuflern je nach Branche verbergen sich oft kreative Pfadfinder für neue Produkte und Dienstleistungen beispielsweise im Computersektor.

Das Gerücht, nur internationale Großunternehmen sähen Bachelor gern, hat sich als falsch erwiesen. Jeder Zweite arbeitet bei kleinen und mittleren Firmen mit bis zu 100 Beschäftigten. Kleinbetriebe mit einem hohen Akademikeranteil sind typische Indizien für Start-ups in innovativen Wirtschaftszweigen wie etwa optischen Technologien für die Chip-Fertigung.

Unterschiedliche Erfolgsaussichten

Neun Monate nach dem Hochschulabschluss ist allerdings immer noch jeder Vierte mit seinem Job eigentlich nicht zufrieden, in einzelnen Berufszweigen reicht die Zahl der Frustrierten fast bis an die 40 Prozent-Marke. Insbesondere im öffentlichen Sektor mit seinen traditionellen Laufbahnvorschriften lassen sich Bachelor schwer einordnen. Im Übrigen sind beim Staat und in verwandten Bereichen Stellenstreichungen und Leistungskürzungen an der Tagesordnung. Zudem konkurrieren etwa in den Gesundheitsberufen Physio-, Ergo- oder Sprachtherapeuten mit Bachelor gegen Absolventen mit gleichartigem Berufsfachschulabschluss ohne Studium. Die Erfolgsaussichten des Bachelors sind so unterschiedlich wie die einzelnen Berufssparten überhaupt. Die Berufsberatung des Arbeitsamtes müsste künftige Abiturienten offenbar viel früher und intensiver als bisher über vielfältige Haupt- und Nebenwege zur Berufsqualifikation und die damit verbundenen Berufsaussichten aufklären.

Einstweilen herrscht allerdings noch große Angst vor dem Absprung in die Arbeitswelt. Denn 80 Prozent aller Bachelor studieren lieber weiter, um nach zwei oder vier Semestern den Master zu machen. Sie befürchten, sonst automatisch neben Stellenbewerbern mit herkömmlichem Diplom schlecht auszusehen. Die Hochschulen sehen diese hohe Zahl von Weiterstudierenden einfach deshalb gern, weil Masse zugleich Kasse bedeutet, Finanzzuschüsse von Land und Bund. Der Gesetzgeber kann diesem Spuk ein Ende bereiten, indem er das Nebeneinander alter und neuer Studiengänge zu einem fixen Datum vor 2010 beseitigt. In den Niederlanden beispielsweise gibt es bereits heute nur noch Bachelor-Master-Studiengänge.

Ein weiteres bildungs- und arbeitsmarktpolitisches Versäumnis: Die Hochschulen haben bislang weitgehend die Chance verpasst, mit der Einführung des Bachelors Hochschul- und Berufsbildung enger zu verzahnen. Und zwar bis zur Berliner Konferenz der europäischen Bildungsminister im vergangenen Jahr. Dort wurde allerdings vereinbart, bis zum Jahr 2005 nationale "Qualifikationsrahmen" aufzustellen, die Umfang und Tiefe des Wissens, Fach-, Methoden- und Sozialkompetenz auf den verschiedenen Ausbildungswegen im "tertiären Sektor" umreißen, also im Hochschulstudium wie in der beruflichen Weiterbildung. Mithin soll der Qualifikationsrahmen auch Übergänge zwischen beiden Bereichen aufzeigen. Bislang gibt aber nur einige wenige gute Beispiele dafür: So verkürzt sich der Bachelorstudiengang Informatik an der Uni Düsseldorf für "Mathematisch-Technische Assistenten" mit einem Berufsabschluss vor der Industrie- und Handelskammer um ein Jahr auf nur noch vier Semester. Um für dieses Modell zu werben, hat Bildungsministerin Bulmahn einen Wettbewerb zur "Anrechnung beruflicher Kompetenzen auf Hochschulstudiengänge" ausgeschrieben. Den einfallsreichsten Unis oder FHs winkt bares Geld.

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