Texte und
Reden
Reden,
Kurzinterventionen, Anfragen von Vera Lengsfeld im Deutschen
Bundestag finden Sie auf den Seiten „Arbeit in
Berlin“.
Vera
Lengsfeld, MdB
Rede zum
Tag der Deutschen Einheit
am 2.
Oktober 2004, Point Alpha
(Ort: am
Denkmal der deutschen Teilung und
Wiedervereinigung)
Meine sehr
verehrten Damen und Herren,
es ist eine
besondere Ehre an diesem hochsymbolischen Ort eine Festrede zum
bevorstehenden Tag der Deutschen Einheit halten zu
dürfen.
Das Denkmal
der Deutschen Teilung und Wiedervereinigung steht für die
düsteren und die glücklichsten Momente der Deutschen
Geschichte.
Die Teilung
als Folge des von Deutschen angezettelten schrecklichsten Krieges
der Menschheit schien 40 Jahre lang gerade hier, wo ein
tiefgestaffeltes Grenzsystem mit Stacheldraht, Wachtürmen,
Minen, Hunden und Scharfschützen 17 Millionen Deutschen zu
Gefangenen des SED-Staates machte, unüberwindlich.
Wir alle haben
Honecker geglaubt, dass die Mauer noch mindestens 100 Jahre stehen
würde. Diese Grenze trennte vor allem zwei Blöcke, die
sich bis an
die Zähle
bewaffnet gegenüberstanden und mit Atomraketen aufeinander
zielten. Die Landschaft um uns herum wäre in eine
Atomwüste verwandelt worden, wenn es zum Ernstfall gekommen
wäre.
Dies
möchte ich vor allem jenen in Erinnerung rufen, die sich
angeblich die Mauer zurück wünschen und damit die Zeit
des Kalten Krieges.
Immerhin 12
Prozent der Menschen im Osten und 24 Prozent der Westdeutschen
sollen ihre Sehnsucht nach den alten Verhältnissen
gegenüber Meinungsforschern bekundet haben. Auch wenn man
diesen Zahlen, wie ich keinen Glauben schenkt, muss man sich doch
fragen, warum sie so eifrig publiziert und kommentiert und damit
erst relevant gemacht werden.
„Das
sind die traurigsten Zahlen des Jahres“ räsoniert der
„Spiegel“, der sogleich ein „Jammertal Ost“
ausgemacht hat, obwohl die Zahl der Mauerfans bei den Westdeutschen
doppelt so hoch ist.
Bezeichnend
ist auch, dass nicht klargestellt wird, dass sich 80 % der
Deutschen, fast 90 % der Ostdeutschen und 76 % der Westdeutschen
die Mauer nicht zurück wünschen.
Warum lassen
wir uns Missstimmungen eigentlich von Minderheiten diktieren? Was
ist passiert, dass die
Deutschen so
wenig Kraft und Zuversicht aus dem glücklichsten Moment ihrer
Geschichte schöpfen?
Immerhin waren
wir die Initiatoren des gewaltigsten revolutionären Umbruchs
in der Geschichte der Menschheit. Noch dazu eines
friedlichen.
Lassen Sie
mich deshalb noch einmal auf die Vorgeschichte der Vereinigung
eingehen, denn ohne den Fall der Mauer hätte es keine
Architekten der Einheit gegeben.
Der Fall der
Mauer wurde durch einen bis dahin in der Geschichte beispiellosen
Massenaufbruch des Volkes bewirkt.
Ein Aufbruch,
hinter dem keine Partei und keine Vereinigung stand, nicht einmal
die Bürgerbewegung der DDR, deren maßgebliche
Repräsentanten anfangs eher verwirrt und ablehnend
reagierten.
Nein, es war
ein gänzlich ungeplanter, spontaner Aufbruch von Menschen, die
die Verhältnisse, in denen sie zu leben gezwungen waren, nicht
mehr länger hinnehmen wollten, die sich nicht mehr
vorschreiben ließen, was sie zu hoffen hatten, sondern sich
die unerhörte Freiheit nahmen, ihr Schicksal selbst zu
bestimmen.
Bis heute sind
die wenigsten Analytiker in der Lage,
die Rolle der
unbekannten Grenzöffner angemessen darzustellen, und es gibt
eine allgemeine Unfähigkeit zu begreifen, dass wir es mit
einem wahrhaft revolutionären Ereignis zu tun hatten: Der
massenhaften Selbstbestimmung von Menschen, die sich nicht mehr als
ideologische Manövriermasse benutzen lassen
wollten.
Ein Moment in
der Geschichte der Menschheit, der noch heute sprachlos
macht.
Das
Kommunistische System, das in seiner siebzigjährigen
Geschichte an die 100 Millionen Menschenleben forderte, brach fast
ohne Gegenwehr zusammen. Es hinterließ eine verwüstete
Gesellschaft und eine geschundene Natur.
Noch heute
rotten Berge von Atomwaffen vor sich hin, rosten Atom-U-Boote im
Nordmeer. Wir werden, besonders auf dem Gebiet der ehemaligen
Sowjetunion noch Generationen brauchen, um alle
Hinterlassenschaften des Kommunismus zu beseitigen.
In Deutschland
dagegen ist dieser Prozess weit vorangeschritten. Hier haben wir
heute tatsächlich blühende Landschaften. Wer noch das
Bild, das die Städte und Dörfer der DDR Ende der 80iger
Jahre boten vor Augen hat, weiß, dass selbst bereits
aufgegebene Wohnungsquartiere wieder auferstanden sind -
buchstäblich aus Ruinen.
Ich erinnere
an das Erfurter Andreasviertel, das Ende der 80iger Jahre bereits
leergezogen und zum Abriss freigegeben war. Glücklicherweise
fehlte dann das Geld und so können wir uns heute über
eines der attraktivsten Viertel unserer Landeshauptstadt
freuen.
Auch auf dem
Gebiet der Wirtschaft ist die Erneuerung bzw. Stabilisierung
durchaus vorangekommen.
An die Stelle
alter Produktionsstrukturen sind Unternehmen gerückt, die sich
im Wettbewerb bewähren und an den Weltmärkten
orientieren.
Es gibt in den
neuen Ländern etwa 500.000 den Industrie- und Handelskammern
zugehörige Unternehmen, damit erreicht die Dichte der
Unternehmungen im Osten bereits vier Fünftel des westdeutschen
Wertes.
Ein besonders
gutes Beispiel kommt aus Jena. Das Bruttoinlandsprodukt dieser
Stadt wuchs zwischen 1997 und 2001 um 24,7 Prozent, in ganz
Deutschland um 10,7 Prozent.
Wir
verfügen in den neuen Ländern mittlerweile über
Straßen, die besser sind als manche im Westen, über das
modernste Telekommunikationssystem Europas, gut ausgestattete
Krankenhäuser und Altersheime und modernste
Universitäten.
Warum spielt
das Bewusstsein über alle diese Erfolge eine so geringe
Rolle?
Bei der
Stimmung im Lande ist es wie mit dem Wetterempfinden. Es gibt die
wirkliche und die gefühlte Temperatur. Und so steht eine
inszenierte Mißstimmung seit Jahren bei uns auf der
Tagesordnung.
Mit dem
Zusammenbruch der DDR verlor nicht nur die SED ihre Macht, die
tatsächlich eine Allmacht war.
Die Linken der
alten BRD, die in der DDR, weil sie sie nicht aushalten mussten,
immer das bessere Deutschland sahen, verloren den Ort ihrer
ideologischen Sehnsüchte. Ich erinnere an die zahlreichen
Mahner und Warner gegen die Wiedervereinigung.
Die Teilung
galt den Linken als gerechtes und bequemes Resultat der nationalen
Geschichte.
Der Osten
hatte zu büßen, um Intellektuellen im Westen ein reines
Gewissen gegenüber der Geschichte zu verschaffen.
Der
DDR-Sozialismus wurde jenseits von Werra und Elbe in einem
unsäglichen Maße von Leuten relativiert, die heute zum
politischen Establishment gehören und dreist von den Fehlern
der Union beim Gestalten der Einheit reden.
Nationale
Selbstverleugnung war in der alten Bundesrepublik zu einem
intellektuellen Reflex geworden.
Was sich hier
zeigt, ist eine tiefe antihistorische und antipolitische
Einstellung.
Eine Bewegung,
die sich „Wir sind das Volk“ auf die Fahnen geschrieben
hatte, musste auf diese Linken sehr verstörend
wirken.
Diese
Vereinigungsgegner haben mehrheitlich ihre Haltung keineswegs
korrigiert.
Wenn die
Vereinigung Deutschlands schon nicht zu verhindern war, dann sollte
wenigstens die innere Einheit scheitern.
Hier treffen
sich die Interessen der Altlinken mit denen der
SED-Fortsetzungspartei.
Seit Jahren
wird in diesen Kreisen die Mauer in den Köpfen herbei
geschrieben, die Verklärung der DDR betrieben und die wahren
Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten in den Neuen
Ländern - der volkswirtschaftliche Bankrott, den die
SED-hinterlassen hat, verschleiert.
Wir kennen
alle die PDS-Parolen vom Abbruch Ost, der
„Kolonialisierung“,
„Entindustrialisierung“, „Plattmachen“
usw.
Es wurde der
PDS leicht gemacht, denn die Deutschen sind nach der Wende
über das Ausmaß der
ökonomischen und sozialen Verwüstung, die
das
Honecker-Regime hinterlassen hatte, nicht ernsthaft informiert
worden. So konnten die Folgen leicht als Fehler im
Vereinigungsprozess hingestellt werden.
Im Ausbeuten
von Gemütslagen lässt sich die PDS von niemandem
übertreffen. Sie ist die Partei, die mit großem Geschick
Vergangenheit und Gegenwart in den östlichen
Bundesländern verknüpft. Als Oppositionspartei betreibt
sie Populismus, der aus dem Gestrigen schöpft. Wo sie in der
Regierung ist, handelt sie pragmatisch. Sie demonstriert auf den
Straßen gegen Hartz IV, als Regierungspartei setzt sie das
Gesetz durch - welche Heuchelei!
Doch statt nun
die SED/PDS damit zu konfrontieren, dass sie die Wirtschaft
ruiniert und kaputtadministriert hatte, stimmen früher oder
später fast alle demokratischen Parteien in das Lamento
über die angeblich misslungene Einheit ein.
Die tiefe
Akzeptanz für einige Thesen der PDS in Teilen der
bundesrepublikanischen Gesellschaft zeigt,
dass die
Auseinandersetzung um die deutsche Teilungsgeschichte eine
identitätsstiftende Funktion für das vereinigte Land
hat.
Das ist
bedeutsam für die Antwort auf die Frage,
welches
politische Lager es in die Zukunft führen,
wer die
Meinungsführerschaft haben wird.
Wie sehr die
PDS das gesellschaftliche Klima vergiftet hat, zeigt, dass seit
Monaten die NPD erfolgreich mit Slogans, die sich von den Parolen
der SED-Fortsetzungspartei kaum unterscheiden, auf Stimmenfang
geht.
Das konnte man
auf jeder Anti-Globalisierungsdemo und auf den
Anti-Hartz-Kundgebungen der jüngsten Zeit immer wieder
beobachten.
Zwar wurde im
Vorfeld der Wahlen in Brandenburg und Sachsen diese
Ähnlichkeit von einigen Medien thematisiert.
Aber damit war
es am Wahlabend vorbei, trotz des Schocks, den der Einzug der
Rechtsextremisten in die Parlamente ausgelöst hat.
Bei den Wahlen
in Sachsen und Brandenburg hat sich noch ein anderer Trend
verfestigt, der sich schon bei der Europawahl und der Wahl im
Saarland abzeichnete: Die beiden großen Volksparteien
verlieren rasant an Wählerstimmen. Fast jeder zweite
Wahlberechtigte geht nicht mehr zur Wahl.
Zwar scheinen
die Grünen und die FDP zu profitieren, aber insgesamt wenden
sich die Wähler vom Angebot der etablierten Parteien ab. Im
Saarland gab es meines Wissens das erste Mal in der Geschichte der
Bundesrepublik eine absolute Mehrheit gegen die
etablierten
Parteien. (Nichtwähler + NPD + Sonstige machen ca. 56 % der
Wahlberechtigten aus).
In Sachsen und
Brandenburg sitzen ca. 30 % Vertreter extremistischer Parteien in
den Landtagen (PDS + NPD bzw. DVU). Zählt man zu diesen
Stimmen für die Extremisten die Nichtwähler und die
Sonstigen dazu, haben sich weit über 60 % der Wahlberechtigten
gegen die etablierten Volksparteien entschieden.
Das Schlimmste
daran ist aber, dass die Nachricht bei den Politikern und den
Kommentatoren nicht angekommen ist. Hier gab es vor allem teils
hysterische Reaktionen auf den Einzug von NPD. Das
größere Problem: Warum sich eine Mehrheit der
Wähler von den etablierten Parteien bewusst abwendet, wird
allerdings nicht thematisiert.
Die Stimmen
für DVU und NPD sind überwiegend Proteste gegen die
Politiker, von denen sich das Volk immer weniger vertreten
fühlt.
Zum Glück
gibt es (noch) keinen braunen Gysi, sonst wären die
Rechtsextremen in viel größerer Zahl gewählt
worden.
Hier hilft nur
eine konsequente Auseinandersetzung mit extremistischen Parolen.
Dazu gehört eben auch, wie sehr sich die Rechts- und
Linksextremen gleichen.
Bedingungsloses Grundeinkommen, statt Zwangsarbeit, stand auf
einem PDS-Poster bei der Berliner Anti-Hartz-Demo auf dem
Alexanderplatz.
Eine
Forderung, die weder sozial noch gerecht ist,
aber auf eine
Überdehnung des Sozialstaates hinausläuft, die
gesamtgesellschaftlich nicht mehr tragbar ist.
Schon der
Sozialstaat der alten Bundesrepublik war vor allem deshalb so
üppig ausgebaut worden, damit sich die Westdeutschen im Kampf
der Systeme gut versorgt fühlen.
Die alte BRD
war nicht zuletzt ein Reflex auf die alte DDR, ein Gebilde, das
sich unter dem Druck von Systemkonkurrenz entwickelte.
Mit der
Revolution von 89 ist neben der DDR auch die BRD untergegangen. Wir
mussten und müssen uns völlig neu orientieren.
Wir brauchen
dringend eine grundsätzliche Debatte, welche Werte wir in den
Mittelpunkt der zukünftigen Entwicklung stellen wollen; was
für ein Staat Deutschland werden will: Eine Gesellschaft von
missgelaunten Versorgungsbeziehern oder eine Gemeinschaft freier,
selbstbestimmter Bürger, die wissen, dass Freiheit mit Risiko
verbunden ist, die für sich selbst sorgen wollen, die neidlos
die Erfolge anderer anerkennen und als Ansporn für eigene
Leistungen nutzen können und für die Solidarität
nicht verordnet zu werden braucht.
Gestern habe
ich im Radio SAW gehört, dass schon am ersten Tag der
Einführung des so genannten 1 Euro-Jobs die Reaktion in
Sachsen-Anhalt sehr positiv war. Tausende haben sich beworben und
damit ein Zeichen gesetzt, dass sie nicht in einer Atmosphäre
der Missgunst und der Missstimmung leben, sondern mit anpacken
wollen.
Wir brauchen
den Blick nach vorn statt rückwärts gewandter
Ostalgie.
Wir brauchen
mehr Stolz auf das Erreichte, statt Nörgelei. Die Angleichung
der Lebensverhältnisse kann nur aus eigener Kraft, durch
eigene Leistung, nicht durch Transfers erreicht werden. Nur so
können wir die Probleme, vor denen wir heute stehen,
bewältigen.
Jahrelang sind
die Bürgerrechtler eher an den Rand gedrängt worden.
Bürgerrechtler bleib bei Deinen
Stasiakten,
wäre die freundlichste Umschreibung dieser Haltung, die
ausdrücken will, dass Bürgerrechtler nichts Konstruktives
für die weitere Entwicklung beizutragen hätten. Wirklich
nicht? Vielleicht ist es ja nur ein Zufall, dass ich heute als
ehemalige Bürgerrechtlerin hier stehe und zu Ihnen sprechen
darf - im Jahr 15 nach dem Mauerfall - an diesem Ort.
Für mich
hat es auch was Symbolisches.
Was
Deutschland heute braucht, ist etwas mehr von der
Risikobereitschaft, der aktiven Aufgabe von Sicherheit um
Veränderungen herbeizuführen, von dem Humor und der
Freude, mit der die Mauerstürmer von 89 so erfolgreich waren.
Damals ist der Volkswille zur sprichwörtlichen materiellen
Gewalt geworden.
Das hat uns
für einen Augenblick zum glücklichsten Volk der Erde
gemacht.
Wir sollten
uns nicht nur an einem Tag wie diesem dieses Glück, diese
Kraft, diese Energie, die vom Mauerfall bis zur Vereinigung in
unserem Land herrschte in Erinnerung rufen. Wir sollten es zu
unserem Leitmotiv machen.
Die
glücklichen Deutschen von 89 hat die ganze Welt geliebt, mehr
noch, diesen Deutschen hat die Welt erstmals wieder
vertraut.
Von den
missmutigen Mauer-Nostalgikern wenden sich nicht nur die
Engländer mit Schaudern ab, wie man dieser Tage im
,,Independant“ lesen konnte . Auch die Osteuropäer haben
für unsere Nörgeleien kein Verständnis - und es ist
ihnen nicht übel zu nehmen.
Die achtzig
Prozent der Deutschen, die froh über das Verschwinden der
Mauer und die Vereinigung sind, sollten die Atmosphäre in
unserem Land prägen, nicht die Minderheit der ewiggestrigen
Kalte-Kriegs-Nostalgiker.
Mit dem
Zusammenbruch der totalitären Regime in Mittel-Ost-Europa
endete nicht nur die blutigste Epoche in der Geschichte der
Menschheit, es begann ein neues Zeitalter mit einem ungeheuren
Entwicklungsschub.
Wir haben die
Freiheit, diese Chancen zu nutzen, diese Freiheit ist aber ohne
Risiko nicht zu haben.
Wir
müssen, wollen wir wieder erfolgreich sein,
die Kraft
finden und wieder an unser Land glauben!
Wir werden
bestimmen müssen, wer wir sind und was wir wollen.
Wir
müssen die Wahrheit sagen - und die ist nicht immer
angenehm.
Um die Zukunft
zu meistern, bedarf es eines klaren „Erkenne die Lage“,
eines gesunden Selbstbewusstseins.
Ich warne uns
davor,
sich in einer
Zeit der Umbrüche dem Zeitgeist anzupassen und dem Wunsch der
Menschen nach Verwurzelung, Beständigkeit und
Werteorientierung nicht mehr zu entsprechen.
Der
große deutsche Philosoph Immanuel Kant sagte einmal, in
schwierigen Situationen gebe es eine „Pflicht zur
Zuversicht“. Diese Kantische Pflicht zur Zuversicht ist es,
die ich Ihnen mit auf den Weg geben möchte.
Ein vereintes
und geeintes Deutschland muß seinen Platz in Europa und in
der Welt einnehmen als souveräner, demokratischer und freier
Staat.
Es geht um die
Freiheit unserer Nation - und daran haben wir nicht wenig zu
verlieren!
Können
wir von den Chinesen lernen? (September 2003)
Können
wir von den Chinesen lernen? Diese Frage wird mit Recht als
Provokation empfunden. Schließlich handelt es sich bei China
um ein Schwellenland, das zuerst durch einen Sozialismus
sowjetischer Prägung, sodann durch eine maoistische
Kulturrevolution in Armut und Elend gestürzt wurde. China ist
auch heute (noch) kein Rechtsstaat, und die Kommunisten sind immer
noch an der Macht. Sieht man sich das Reich der Mitte aus der
Nähe an - wie es kürzlich die CDU-Landesgruppe
Thüringen getan hat - stellen sich die Perspektiven anders
dar. Die Kommunisten sind noch da! Aber anders als unsere
heulsusige PDS bekennen sie sich zu den Fehlern, die sie gemacht
haben, und reden offen über die Konsequenzen, die aus ihren
verheerenden Irrtümern folgen mußten und
müssen.
Faszinierend
ist der moderne Geist, der China beflügelt. Von hier sieht
Deutschland alt und verbraucht aus. Das neue Nationalsymbol der
Chinesen ist der Baukran. Während Deutschland sich ein
Baurecht gegeben hat, das jeden Neubau zum Hindernislauf macht,
vergehen hier von der Auftragserteilung bis zum Baubeginn
höchstens 3 Monate. Während in Deutschland der
Bundesverkehrswegeplan immer wieder ins Stocken gerät, wird in
China sogar in den ländlichen Provinzen das Autobahnnetz
zielstrebig geschlossen. Maut ist hier nicht Gegenstand nervender
Erörterungen und peinlicher Fehlschläge, sondern
selbstverständlich. Die Provinzstadt Xi`an hat innerhalb von
zehn Jahren zwei Flughäfen gebaut. Im gleichen Zeitraum
schaffte es unsere Hauptstadt nicht einmal, zu einer Entscheidung
zu kommen. Während bei uns eine wachsende Zahl von
Jugendlichen abhängt von der „Stütze“ und mit
Graffiti und Scratching zur Verwahrlosung des öffentlichen
Raumes beiträgt, sorgt Chinas Jugend für sich selbst.
Allein in der Provinzstadt Xi'an gibt es über 600 private
Schulen, Colleges und Universitäten. Studiengebühren
werden als selbstverständliche Investition in die Zukunft
begriffen. Die Mehrheit der chinesischen Absolventen hat Science
and Technology studiert, um in ein Unternehmen einzutreten.
Deutsche Studenten drängen mehrheitlich in den
aufgeblähten öffentlichen Dienst. Deutschland sucht den
Superstar, China sucht seine IT-Talente und gibt seiner Jugend das
Gefühl, daß sich Leistung lohnt. Die benachteiligten
Provinzen im Landesinneren rufen nicht wie unsere Länder nach
Finanzausgleich, sondern überlegen, wie sie den
Küstenregionen erfolgreich Konkurrenz machen können.
Dabei setzen sie neben den IT-Branchen vor allem auf Industrien,
denen bei uns das Leben schwer gemacht wird: Chemie, Pharmazie,
Gentechnik. Alles Branchen, die aus Deutschland abzuwandern drohen.
Während hierzulande Politiker ihren Wert daran messen, wie oft
sie in welcher Talk-Show ihre Reformansätze zerreden durften,
zählen in China die Ergebnisse. Liberalisierung der Wirtschaft
führt zu immer weitergehender Transparenz politischer
Entscheidungsprozesse und damit zur Demokratisierung des
Gemeinwesens, wie umgekehrt, eine immer mehr
bürokratisch-gegängelte Ökonomie negativ auf die
offene Gesellschaft wirkt.
Die Warnungen
querdenkender deutscher Gutmenschen, die Chinesen dürften
niemals den Wohlstand westlicher Länder erreichen, erscheinen
bizarr. Der deutsche Angsthase wird nicht darüber befinden
können, ob der chinesische Drache an die Futterkrippe
darf.
Für
einen Abschied von der Ökoideologie in der
Energiepolitik!
Anmerkungen
zur jüngsten „Statuskonferenz Thüringer
Klimaforum“ im besonderen sowie zur Debatte um Treibhausgase
und Windenergie im allgemeinen
(September
2003)
Ende Juni 2003
fand in Gera die „Statuskonferenz Thüringer
Klimaforum“ statt. In der Thüringer Presse wurde
ausführlich darüber berichtet. Auf ängstigende Weise
wurde das Ergebnis verkündet und anschaulich beschrieben:
Thüringen ständen „rasante
Klimaveränderungen“ bevor. Die Jahrestemperatur habe
sich 1951-2001 in Westthüringen um 0,5 bis 1 oC erhöht,
in den jüngsten zehn Jahren habe die durchschnittliche
Jahrestemperatur immer über dem Spitzenwert des Jahrzehnts
zuvor gelegen, die Erderwärmung sei keine ferne Gefahr: Die
Durchschnittstemperaturen in Thüringen - so eine Prognose von
Dr. Enke vom Institut Meteo-Research in Stahnsdorf bei Potsdam -
würden in den nächsten 50 Jahren „über 3
oC“ ansteigen, in einer Presse-Veröffentlichungen
(„Thüringer Allgemeine“, 27. Juni) war sogar von
einem Anstieg der Jahrestemperatur um 5 oC die Rede. Der Freistaat
Thüringen, so die politische Schlußfolgerung, werde den
Ausstoß der ursächlichen Treibhausgase reduzieren,
deshalb u.a. die Windenergieerzeugung ausbauen.
Eine
kürzlich für Brandenburg erstellte Studie weist eine
Veränderung der Jahrestemperatur von 1,4 oC bis 2055 aus und
bewegt sich damit am oberen Rand der global vorausgesagten
Veränderungen (F.A.Z.,14. Juli 2003). Schon deshalb
dürfen bei den Thüringer Ergebnissen Bedenken angemeldet
werden. Problematisch sind vor allem die Thesen über die
Gründe der Erwärmung sowie die politischen
Schlussfolgerungen Auffällig ist zunächst, daß eine
Studie, die spezielle Thüringer Klimaveränderungen
belegt, offenbar nicht existiert. Es ist in den Unterlagen der
„Statuskonferenz“ die Rede davon, daß eine solche
Studie nötig wäre. Dr. Enke trug auf der Thüringer
Konferenz vor, daß das übliche Modell zur Vorhersage
globaler Klimaänderungen, das „gekoppelte
Ozean-Atmosphären-Modell“, wegen des kleinen
Vorhersageraumes nicht angewandt werden konnte. Er habe für
seine Vorhersage eine statistische Methode genutzt, die auf der
Zuordnung der atmosphärischen Zirkulationsmuster zu
Wetterlagen basiert. Sie baut auf Daten einer globalen
Klimasimulation, wie sie z.B. am Max-Plank-Institut für
Meteorologie in Hamburg gesammelt werden. Im laufenden
Forschungsvorhaben lägen für Thüringen nur
„erste Ergebnisse mit vorläufigen Daten“ vor.
Prof. Dr. Bernhofer (TU Dresden) sagte zudem, daß es
verschiedene Klimamodelle gebe, die „im regionalen
Maßstab erhebliche Unterschiede“ zeigten. Trotz dieser
vagen Basis wird für Thüringen eine Katastrophenszenario
gemalt.
Alle
Vorhersagen sind mit Relativierungen versehen. Trotzdem wird Angst
geschürt vor „dramatischen Entwicklungen“, wie sie
„die Menschheit noch nicht erlebt habe“. Und behauptet
wird, der Mensch sei selber daran schuld. Weil unter dem Vorwand
Klima- und Umweltpolitik weitreichende gesellschaftspolitische
Veränderungen angestrebt werden, sollten
„grüne“ Argumente sehr gründlich
überprüft werden. Klimaforschung ist Computersache. Die
Atmosphäre unseres Planeten wird in Millionen Planquadrate
zerlegt und berechnet. Die Verdunstung von Wasser, das Verhalten
von Eis, Luftdruck, alles Wissen über Physik und Chemie des
Wettergeschehens wird in mathematische Formeln gepackt. Und am Ende
langer Berechnung gibt der Computer Prognosen aus. Liefern die
Formeln zuverlässige Ergebnisse? Zu den wichtigsten
Treibhaus-Apokalyptikern zählt in Deutschland das Deutsche
Klimarechenzentrum in Hamburg (DKRZ). Mit einem Cray-Computer
rechnet das DKRZ die Klimazukunft aus. Bei den verwendeten
Klimamodellen handelt es sich um einfache physikalische Modelle,
die die komplexe, mehrdimensionale Koppelung und Rückkoppelung
von Atmosphäre, Ozean, Meeresströmung, Eisbildung und
Eisschmelze, Wolkenarten und Wolkenverbreitung sowie Interaktion
mit Spurengasen und Aerosolen nicht realitätsgetreu
beherrschen.
Noch 1994,
nach dem heißesten Sommer des 20. Jahrhunderts und dem
plötzlichen „Eintritt in die Klimakatastrophe“,
wurde vom DKRZ ein Temperaturanstieg von 3 oC für die
nächsten einhundert Jahre berechnet. Kurze Zeit später
reduzierte sich (wegen der Berücksichtigung der Aerosole:
Schmutz und Schwefelstoffe, wie sie Vulkane schon immer und nun wir
als Industriegesellschaft in die Atmosphäre pusten) die
Prognose auf 2 oC Erwärmung bis zum Jahr 2100. Das verwendete
Rechenmodell wurde an seit 1880 nur sporadisch und nicht
flächendeckend gesammelten Daten verifiziert. Dennoch gibt das
DKRZ bekannt, daß sein Computermodell sehr gut in der Lage
sei, die Temperaturbeobachtungen von 1880 bis heute gut
wiederzugeben. Die Vorausberechnung bis 2050 sei sicher. Noch 1970,
während des damaligen Abwärtstrends der Erdtemperatur,
hatte man Angst vor einer neuen Eiszeit. Teilweise dieselben
Wissenschaftler, die heute Angst vor dem Global Warming
propagieren, schürten damals Angst vor der drohenden Eiszeit.
Wie steht es um die Zuverlässigkeit globalen Prognosen? In den
letzten zwanzig Jahren hat sich die an der Erdoberfläche
gemessene mittlere Temperatur um 0,1 oC (was in einhundert Jahren
+0,5 oC entspricht) erhöht. Seriöse
Global-Warming-Verfechter wie deren Kritiker kommen sich in ihren
Prognosen mittlerweile nahe: Von minimaler Abkühlung über
gleichbleibende Temperatur bis hin zu 0,6 oC Erwärmung in
einhundert Jahren - alle bleiben im Zehntelgrad-Bereich.
Befürworter der Theorie des Global Warming äußern
sich meist an der Obergrenze. Die Skeptiker liegen bei den unteren
Werten. Sogar die Simulanten haben sich korrigiert und geben nur
noch 1,2 bis max. 2 oC Erwärmung bis zum Jahr 2100 an. In
Thüringen aber soll es aber 3 bis 5 oC wärmer
werden?
Computersimulationen auf der Basis mathematischer Modelle, die
die Erdatmosphäre als Glashaus (mit einem virtuellen Dach)
betrachten, sind nicht in der Lage, die treibende Kraft hinter
Klimaschwankungen in historischen und geologischen Zeiträumen
auszumachen. Eine ganze Klima-Welt mit unzähligen
Laubbäumen, Windströmungen, Meeresströmungen kann
man schwer modellieren. Modelle werden zwar ständig
verbessert, Rechnerkapazitäten ständig erhöht und
sicher kann man in 100 oder 200 Jahren eine ganze Welt simulieren,
aber bis dahin wenigstens sollte man Modelle als das nehmen, was
sie sind: unzuverlässig.
Wie und warum
es zu Warmzeiten und Eiszeiten kommt, ist bis heute nicht
verstanden. Die globale Erwärmung, von der heute gesprochen
wird, ist - in erdgeschichtlichen Maßstäben - kaum
erwähnenswert. Deutlich zu erkennen sind die zwei
„kleinen Eiszeiten“ um 400 - 500 n. Chr. und um 1700 n.
Chr. sowie die Klimaoptima um 500 Jahre v. Chr. und im Hohen
Mittelalter. Die griechische Demokratie blühte auf, als es 2,0
oC wärmer war als heute. Es geht in Zeiten von sogenannten
Klimaoptima der Biosphäre nachweislich gut, das letzte Optimum
im Hochmittelalter (mit +1,0 °C) gestattete Landwirtschaft in
Grönland, Weinbau in Schweden und bewirkte Baumwuchs in
Savannen durch erhöhte Niederschlagsmengen. Schlecht ging es
dem Menschen und der ganzen Natur in den Eiszeitphasen. Zwar trifft
es zu, daß die Durchschnittstemperatur in den letzten 150
Jahren gestiegen ist; vor dieser Periode der Erwärmung gab es
aber eine Zeit, die auch als „kleine Eiszeit“
bezeichnet wurde, in der die Winter hart und die Sommer kurz
waren.
Es herrschten
„irgendwann“ auf dieser Erdkruste fast schon an jeder
Stelle die extremsten Klimata, von arktisch bis tropisch. Vor 60
Millionen Jahren gab es üppige Wälder statt Eis in der
Arktis und in unseren Breiten vor 49 und 45 Millionen Jahren
Reptilien, Schildkröten sowie Flamingos. Und man braucht nicht
so weit zurückgehen, denn noch vor 20.000 Jahren waren
große Teile Nordeuropas von kilometerdicken Eisschichten
bedeckt, der Meeresspiegel lag ca. 150 Meter tiefer. Noch
während der kleinen Eiszeit von 1400 bis 1800 n. Ch. waren
zwei Drittel des europäischen Nordmeeres vom Packeis bedeckt,
der Fischfang kam weitgehend zum Erliegen, auf dem Festland gab es
zahlreiche Mißernten.
Wodurch kommt
es zu der prognostizierten leichten Erwärmung? In der
amerikanischen Klimaforschung werden mittlerweile high
sophisticated models eingesetzt. Man versucht, eine anthropogene
(vom Menschen verursachte) Erwärmung des Klimas herauszulesen,
allerdings wesentlich dezidierter und kritischer als in
Deutschland. Der menschliche Einfluß auf das Klima ist
vermutlich viel kleiner als die natürlich verursachten
Schwankungen. Klimawandel an sich ist also nichts Bedrohliches, er
ist ganz normal. Bedrohlich wäre es hingegen, wenn sich die
Durchschnittstemperatur nicht verändern würde. Schon
angesichts des geringen Datenmaterials, das allenfalls an wenigen
Punkten der Erde vielleicht 150 Jahre zurückreicht, ist es
anmaßend zu behaupten, unser Klima steuere wegen des vom
Menschen verursachten Kohlendioxyd-Ausstoßes auf eine
Katastrophe zu.
Es gibt
Hinweise, daß das Klima auf der Erde nicht nur
jahreszeitlich, sondern auch in Jahrhunderten betrachtet zu einem
großen Teil von Faktoren abhängt, die außerhalb
der Erde liegen. Vor der gegenwärtigen Periode, in der sich
die Erdatmosphäre erwärmt, lag eine Zeit, die als
„kleine Eiszeit“ bezeichnet wird: Bis ca. 1800 waren
die Winter sehr hart und die Sommer kalt. Und man hat
herausgefunden, daß etwa die Magnetfeldaktivität der
Sonne während dieser Zeit nur sehr schwach war.
Das
Zusammentreffen von Steigerung der Globaltemperatur mit der seit
dem 19. Jahrhundert ebenso zunehmenden Verbrennung fossiler
Energieträger ist Ausgangspunkt der Klimadiskussion. Sieht man
sich die Temperaturkurve an, erkennt man unschwer
Temperaturänderungen, die nicht der monoton steigenden
Verbrennungskurve folgen. Die untere Atmosphäre
(Troposphäre) zeigt nach NASA-Messungen keinen erkennbaren
Trend, weder aufwärts noch abwärts, während die
obere Atmosphäre sich sogar mit 0,2 oC in den zwanzig Jahren
(-1,0 oC in einhundert Jahren) abkühlte. Die thermische und
die dynamische Struktur von Lufthülle, Meeres- und
Landflächen scheinen wesentlich komplexer zu sein, als es
quasi-politische Treibhausgasmodelle vorspiegeln.
Die
Atmosphäre ist kein Treibhaus, sie ist oben offen. Wärme
wird in den Ozeanen gespeichert, nicht in der Atmosphäre. Der
Kohlendioxyd-Gehalt der Atmosphäre erhöht sich. Das seien
die Folgen der menschlichen Energie- (Kohlekraftwerke) und
Flächen- (Abholzen der Regenwälder) Nutzung, meint die
eine Seite. Umgekehrt sagen andere: der Kohlendioxyd-Gehalt der
Atmosphäre stieg auch vor der intensiven Kohleverbrennung,
deshalb verhalte es sich umgekehrt: Die Erde erwärme sich,
löse dabei verstärkt Kohlendioxyd aus dem Meerwasser, der
Mensch sei kaum an diesem Geschehen beteiligt. Ein anthropogener
Effekt konnte bisher nicht reproduzierbar signifikant nachgewiesen
werden.
Die Theorie,
daß die Anreicherung der Atmosphäre mit Kohlendioxyd
durch Dampfmaschinen, Kohle- und Ölöfen, Kraftwerke und
Kraftfahrzeuge und Industrieanlagen verursacht wurde, hat eine
entscheidende Schwäche: Die Erwärmung hatte schon
begonnen, bevor die Menschen begannen, in nennenswerter Weise Kohle
und Öl zu verbrennen. Das kann also nicht die Ursache für
die Erwärmung sein.
Das
Kohlendioxyd ist ein Stellvertreter für die anderen
wärmenden Spurengase: Methan, Lachgas, Stickoxyd,
Kohlenmonoxyd, Schwefeldioxyd), Ozon, FCKWs. Weil sie nur in
geringen Mengen in der Atmosphäre vorkommen, verwendet man die
Bezeichnung Spuren, aber trotzdem sind sie wirkkräftig. Bei
den Ursache-Wirkung-Diskussionen um das Treibgas wird das
relevanteste, Wasserdampf, meist unterschlagen.
Der Annahme,
das bei Verbrennungsprozessen freigesetzte
„Treibhausgas“ Kohlendioxid spiele die Hauptrolle bei
der seit der Mitte des 19. Jahrhunderts registrierten Erhöhung
der bodennahen Durchschnittstemperatur über dem Festland,
fehlt gesichertem Wissen über ökologische
Zusammenhänge. Denn die Lebensbedingungen auf der Erde werden
in erster Linie vom Kreislauf des Wassers geprägt, das in Form
von Dampf das mit großem Abstand wichtigste
„Treibhausgas“ ist.
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erwärmen Sonnenstrahlen die Erdoberfläche, die daraus
resultierende Wärmerückstrahlung heizt die Spurengase in
der Atmosphäre auf, die ihrerseits als warme Körper zwar
auch an das All zurückstrahlen, jedoch nur mit verminderter
Leistung - und so einen Isolationseffekt bewirken. Wasserdampf
trägt zu dieser positiven Energiebilanz am stärksten bei,
dreimal mehr als Kohlendioxyd. Dies tritt besonders drastisch in
wolkenlosen Sommernächten auf, wenn Wüstentemperaturen
bis an den Gefrierpunkt absinken, während es in Ozean- und
Feuchtgebieten warm bleibt.
Die Erde ist
ein Wasserplanet. Wird es wärmer, beschleunigt sich der
irdische Wasserkreislauf, die Bioproduktivität erhöht
sich und die Bodenorganismen atmen vermehrt CO2 aus. Dieses kann
dann als „Treibhausgas“ die bereits von anderen
Faktoren verursachte Erwärmung verstärken.
Der
Kohlenstoffkreislauf ist nur drittrangig. Die Entwicklung des
„Erdsystems“ wird in der Hauptsache vom Wasserkreislauf
bestimmt. Dieser aber ist unendlich komplex. An zweiter Stelle
folgt der Kreislauf des Sauerstoffs. Dieser rückt erst
neuerdings etwas ins Blickfeld, weil festgestellt wurde, daß
der Sauerstoffgehalt der Atmosphäre sinkt. Beunruhigend ist
das aber nicht.
Vermutlich hat
sich die Klimaforschung vor allem deshalb auf den drittrangigen
Kohlenstoffkreislauf konzentriert, weil sich Kohlendioxyd im
Unterschied zu Wasserdampf ziemlich gleichmäßig in der
Atmosphäre verteilt und menschengemachte CO2-Emissionen das
einzige politische Schräubchen sind, an dem man drehen zu
können glaubt. Außer Deutschland ist denn auch bislang
kein Land der Welt Kyoto-Verpflichtungen in nachprüfbarer
Größenordnung eingegangen. Außer dem Verschwinden
bestimmter Industrien aus Deutschland und der Verwandlung des
Landes in einen unökonomischen Windpark dürfte das
Kyoto-Protokoll nichts bewirken.
Angetrieben
wird der alle Stoffströme überragende hydrologische
Kreislauf von der Sonne. Insofern liegt es nahe, die globale
Erwärmung mit Sonnenzyklen in Verbindung zu bringen.
Tatsächlich zeigt sich seit Jahrhunderten ein Gleichklang der
Temperaturentwicklung mit Schwankungen der Sonnenaktivität,
die sich unter anderem im bekannten elfjährigen
Sonnenfleckenzyklus ausdrücken, während deren Korrelation
mit dem Anstieg der globalen Kohlendioxid-Konzentration sehr
schwach ist.
Deshalb
tippten vor allem Geologen auf einen solaren Antrieb des irdischen
Klimageschehens. Dabei haben sie allerdings ein
Erklärungsproblem: Seit den 80er Jahren des vergangenen
Jahrhunderts divergieren die Temperatur- und die
Sonnenaktivitäts-Kurve.
Die
verfügbaren geologischen Daten wie insbesondere Bohrkerne aus
dem Eis der Antarktis weisen darauf hin, daß die Zunahme
Kohlendioxid-Konzentration in der Atmosphäre Wärmephasen
niemals vorausging, sondern dem Temperaturanstieg mit einer
Verzögerung von jeweils etwa 800 Jahren folgte.
Könnte es
sein, daß die Sonne unser Klima entscheidet mitgestaltet,
daß die Schwankung der Erdachse und die exzentrische
Umlaufbahn ihren Einfluß geltend machen wollen? Eine
vorsichtige Prognose zu Solarzyklen spricht von einem Sonnenminimum
im Jahr 2030, dann gehe es wieder aufwärts. Die Sonne ist kein
konstanter Stern. Sie strahlt unterschiedlich heiß. Es gibt
elfjährige Schwankungen, auch längere Schwankungen.
Solange wir nicht genau wissen, wie die Sonne das Klima
beeinflußt, können wir keine Vorhersagen machen. Es ist
bekannt, daß die Strahlungs-Intensität der Sonne im
11-Jahre-Rhythmus schwankt. Seit kurzem kennt man auch einen
längeren 80jährigen Zyklus. Im Verhältnis zur
Gesamtstrahlung der Sonne sind diese Schwankungen minimal. Aber wie
stark sind die Auswirkungen auf das Klima? Wir hatten im 20.
Jahrhundert eine Erwärmung von 0,5 oC, und die Schwankungen
der Sonne tragen da selbst in den Analysen der
Treibhausgas-Verfechter bis 0,2 oC bei, sind also kein bloßer
Zusatzeffekt.
Die Sonne
sorgte (durch interne Prozesse) seit der letzten kleinen Eiszeit in
einhundert Jahren für je 0,5 °C Erwärmung. Akzeptiert
man den solaren Effekt, bleibt für den sogenannten
anthropogenen Treibhauseffekt nichts zu tun übrig und man kann
sich tatsächlich im Fazit einigen: der Treibhauseffekt ist zur
Erklärung fast nicht notwendig. Akzeptiert man den solaren
Effekt nicht, hat man lediglich noch 0,5 °C
Temperaturerhöhung mit dem Treibhauseffekt zu erklären.
Im letzten Falle muß man sich aber dann der Frage stellen,
woher die 0,5 °C Erwärmung von 1700 - 1850 in der Phase
vor Nutzung fossiler Brennstoffe kamen.
Die Suche nach
Zusammenhängen zwischen den Solarzyklen und dem irdischen
Wasserkreislauf, dem Kohlenstoffkreislauf sowie der Entwicklung der
globalen Durchschnittstemperatur geht weiter. Und die
Datengrundlage wird breiter für die These, Klimaschwankungen
auf Solarzyklen zurückzuführen. Dabei war man bisher
davon ausgegangen, die kosmische Strahlung sei konstant und die
Erde werde lediglich durch das bei Sonnenfleckenmaxima
verstärkte solare Magnetfeld und den Sonnenwind zeitweise
dagegen abgeschirmt. Nun scheint es aber, daß der
primäre Antrieb für die irdische Klimaentwicklung in
Schwankungen der kosmischen Strahlung zu suchen ist.
Nimmt die
kosmische Strahlung zu, breitet sich die Wolkendecke aus, und es
wird kälter; nimmt die kosmische Strahlung ab, schrumpft auch
die Wolkendecke, es wird wärmer. Für die Schwankungen
sorgt die Sonne; denn bleibt sie ruhig, gelangt die Strahlung zu
uns, wird sie aktiv, dann fegt sie viel von der kosmischen
Strahlung weg, und es wird wärmer.
Der
Solareinfluß kommt in Perioden intensiver kosmischer
Strahlung am stärksten zum Tragen. Das seit 1980 beobachtbare
Auseinanderdriften von Sonnenaktivität und terrestrischer
Temperaturentwicklung findet möglicherweise seine
Erklärung darin, daß unser Sonnensystem gerade den
Sagittarius-Carina-Arm der Milchstrasse verläßt. Wir
müßten uns danach also auf der Erde auf eine über
100 Millionen Jahre anhaltende Wärmeperiode
einstellen.
Immer mehr
Forscher schreiben den Klimawandel auf der Erde zu zwei Dritteln
Schwankungen der kosmischen Strahlung zu. Damit leiten sie die
Klimadebatte auf eine sachliche Ebene. Die Wirkung anthropogener
Treibhausgase scheint klein zu sein. Auf eine natürliche
Ursache weisen auch die deutlichen Schwankungen des
Temperaturanstiegs seit 1860 hin. Während die Zunahme der
atmosphärischen Kohlendioxyd-Konzentration und anderer
Treibhausgase seit Beginn des industriellen Zeitalters einen
gleichmäßig ansteigenden Trend aufweist, erfolgt die
Temperaturerhöhung in mehreren Schüben.
Der
anthropogene Einfluß seit Beginn der Industrialisierung wird
gerne im kontinuierlichen Kohlendioxyd-Anstieg abgelesen. Aber es
gibt ausführliche Kohlendioxydmessungen erst seit Beginn der
1960er Jahre, so daß ein höchst interessanter Zeitraum
von 1940 bis 1970 - der Anstieg der mittleren Erdtemperatur
stagnierte nicht nur, sondern es gab einen Abfall - wenig Beachtung
findet. Aus dem 200jährigen Eiskern der antarktischen Station
SIPLE scheint belegbar, daß die Kohlendioxyd-Konzentration
weiter anstieg. Es verbleibt somit ein Erklärungsvakuum der
Wissenschaft, weshalb während dieser 30 Jahre trotz weiter
steigendem Kohlendioxyd die Welttemperatur stagnierte
beziehungsweise abnahm.
Der
Ausstoß industriellen und häuslichen Schwefeldioxyds
nahm allein schon durch weltweit ständig wachsenden
Energiebedarf und überwiegende Deckung durch fossile
Brennstoffe ständig zu, bis heute auf etwa 400 Millionen
Tonnen jährlich. Der industrielle Maskierungseffekt
müßte heute noch genauso oder sogar stärker wirken,
denn der verminderte Aerosoleintrag durch Abgasreinigung in
westlichen Industrieländern wird durch erhöhte
Schmutz-Emissionen in den Ex-Warschauer-Pakt-Staaten sowie den
Schwellen- und Tigerstaaten bei weitem übertroffen.
Klima-Prognosen für die nächsten 100 Jahre bleiben
Vermutung, solange der Klimaablauf in diesem anthropogen
geprägten Jahrhundert nicht ausreichend verifiziert werden
kann.
Das heute
belegte 20% bessere Pflanzenwachstum ist zurückzuführen
auf den eindeutig erhöhten Kohlendioxidgehalt unserer
Lufthülle. Schädliche Wirkungen auf Tier und Mensch
können nicht nachgewiesen werden. Im Gegenteil. Die
Bundesanstalt für Geowissenschaften hat gezeigt, daß der
Kohlendioxyd-Gehalt auch ohne menschliche Präsenz erheblich
höher war. Bezeichnenderweise haben sich Fauna und Flora in
diesen Zeiten sehr üppig entwickelt, die schwersten von der
Natur hervorgebrachten Tiere, die Saurier, zeugen davon.
Kennzeichnend
für die deutsche Klimaszene ist das Wort Katastrophe. Im
englischen Sprachraum taucht grundsätzlich nur das sehr
wertfreie Wort Climate Global Change auf. In den letzten
Jahrzehnten hat ein deutsches Angstszenario das nächste
gejagt. Die Thüringer sind nun dabei.
Der Club of
Rome hat das Ende des Wachstums wegen Erschöpfung der
Vorräte vorhergesagt und gefordert. Wir sollten längst so
weit sein. Die Realität hat den Club eindrucksvoll widerlegt.
Oder „Global 2000“, von Jimmy Carter in Auftrag
gegeben: Laut dieser Studie sollte es heute außer in
unzugänglichen Tälern auf der Welt keinen Wald mehr
geben. Prompt wurde in Deutschland das „Waldsterben“
entdeckt und in der Folge schossen
„Waldforschungsinstitute“ wie heute
„Klimaforschungseinrichtungen“ gleich Pilzen aus dem
Boden.
Es ist also
vermutlich so, daß es auf der Erde wärmer wird. Es ist
aber auch so, daß diese Erwärmung wenig mit
anthropogenem Kohlendioxyd noch überhaupt mit dem Menschen zu
tun hat, sondern viel mehr mit der Position unseres Sonnensystems
in der Milchstraße. Ob dieser Prozeß so weit gehen
wird, daß das „mittelalterliche Klimaoptimum“ mit
grasenden Kühen auf Grönland überschritten wird,
kann niemand sagen. Jedenfalls sollte sich die Menschheit auf eine
weitere Erwärmung einstellen. Aber wir können nichts
gegen das global warming tun. Wir sollten den Ökoideologen
nicht auf den Leim gehen. Deshalb müssen wird endlich die
Diskussion um die Windenergie ohne Vorbehalte führen.
Die Windenergie nämlich gewinnt ihren Bonus aus der falschen
These, daß anthropogene Gründe für eine
Klimaerwärmung ursächlich und entscheidend
seien.
Es sprechen
nicht nur ästhetische und landschaftspflegerische Gründe
gegen die Windenergie, sondern auch ökologische,
ökonomische und soziale. Die Möglichkeit der Nutzung der
Windenergie wird weit überschätzt.
Begrenzt sind
auch die sogenannten erneuerbaren Ressourcen: Wind ist zwar eine
erneuerbare Energie, aber der Mensch stößt bei der
Nutzung auf die Begrenztheit des Bodens, der Landschaft. Das ist in
Europa eine der aktuellesten Begrenzungen.
Die
Windenergie nimmt eine vernachlässigenswerte
Größenordnung ein. In Thüringen sind es sind es 4
Prozent des Strombedarfs. Und weite Teile der Landschaft sind schon
verschandelt. Wir müssen ohne öko-ideologische
Scheuklappen diskutieren, was uns die Windenergie kostet im
Verhältnis zu dem erkennbaren Schaden in
Landschaftsschutzgebieten. (Von der großen Unfallgefahr der
mittlerweile bis zu 160 Meter hohen Windkrafträder ganz zu
schweigen.) Und Thüringen ist eine schützenswerte
Landschaft. Der Zubau von Windkraftanlagen im Binnenland muß
aufhören.
Windräder
stehen still, wenn kein Wind bläst: so wie oft in diesem
Sommer. Die 14.000 Windräder in Deutschland haben einen
begrenzten Nutzen. Das unstete Windangebot führt dazu,
daß Windräder die konventionelle
Wärmekrafterzeugung in Deutschland nur zu max. 10 Prozent
ersetzen können. Die Konsequenz ist: 1.000 Megawatt
zusätzlicher Windleistung entsprechen energiewirtschaftlich
gerade 100 Megawatt. Sollen Kohle- und Gaskraftwerke mit einer
Leistung von 1.000 Megawatt durch Windkraft ersetzt werden,
müssen Windräder mit einer Leistung von 10.000 Megawatt
aufgestellt werden.
Die Effizienz
der Windkraft wird auch verringert durch zu viel Wind. Bei Orkanen
sind Windräder schwer zu beherrschen. Es kommt dann vor,
daß in wenigen Minuten die Leistung aller Windräder
sogar in einem Bundesland zusammenbricht (wie im Frühjahr 2002
in Schleswig-Holstein). Es gibt für solche Fälle in
Deutschland nicht genügend Reserven. Kohlekraftwerke
übernehmen diese Leistung. Dazu laufen sie die meiste Zeit des
Jahres gedrosselt. Das bedeutet aber, daß sie nicht den
optimalen Wirkungsgrad erreichen. Sie verbrauchen mehr Brennstoff
und produzieren mehr Kohlendioxyd pro erzeugter Kilowattstunde als
unter Vollast. Rund um die Uhr wird damit mehr Kohle und Öl
verfeuert, als das ohne Windräder notwendig wäre. Und je
mehr Windräder in Deutschland aufgestellt werden, um so
größer muß die Reserveleistung werden. Schon heute
muß jede durch Windkraft vermiedene Tonne Kohlendioxyd mit
mindestens 200 Kilogramm Kohlendioxyd aus den Schloten der
Reservekraftwerke „erkauft“ werden. Die indizierte
Umweltbelastung nimmt zu, die Kosten steigen. Bereits heute
verteuert sich jede Kilowattstunde Windstrom durch das Absichern
der Windkraft mit konventionellen Kraftwerken um rund 1,5 Cent. Der
mit dem Einspeisen der Windkraft verbundene größere
Regelungsaufwand schlägt mit rund 0,7 Cent je Kilowattstunde
zu Buche.
Windstrom ist
unverhältnismäßig teuer! Einschließlich des
im Erneuerbare-Energien-Gesetz festgelegten Garantiepreises von
derzeit 8,9 Cent für jede ins Netz eingespeiste Kilowattstunde
kostet eine solche aus Windstrom mehr als 11 Cent gegenüber 3
Cent aus konventionellen Kraftwerken. Hochgerechnet wurde damit im
Jahr 2002 die Windkraft mit rund 1,4 Milliarden Euro
„gefördert“ (die durch den Betrieb der
Windräder vermiedenen Stromkosten sind berücksichtigt).
Das Geld kommt von den Stromverbrauchern, nicht aus dem Bundesetat.
Jeder Arbeitsplatz in der Windbranche wird mittlerweile mit rund
35.000 Euro im Jahr bezuschußt. Das ist nicht viel weniger
als im Steinkohlebergbau! Unverhältnismäßig teuer
ist nicht nur der mit Windturbinen erzeugte Strom, sondern auch die
mit dieser Technik erzeugte Umweltentlastung. Rund 100 Euro kostet
gegenwärtig jede durch Windstrom vermiedene Tonne
Kohlendioxyd. Dieser Betrag liegt um den Faktor 7 über dem
für den geplanten Handel mit Emissionsrechten (für eine
Tonne Kohlendioxyd) anvisierten Preis.
Die
riesenhaften Windkraftanlagen in Deutschland sollen offenbar als
eine Demonstration grüner Macht gedeutet werden. Dabei sind
sie Zeichen ökologisch-ökonomischen Unsinns und
ideologischer Borniertheit. Wir geben Milliarden Subventionen
für die Windenergie aus Steuermitteln. Wir betreiben
ideologische Energieverteuerungspolitik!
Sobald man die Subventionen für die Windenergie drastisch
zurückführe, würde es überhaupt keine mehr
geben. Denn hier machen Anleger von Kapital das große Geld:
hoch subventioniert. Die Stromabnehmer werden durch Zwangsabgaben
gezwungen, die „Windmüller“ und die
Mitverdienenden zu bereichern. Früher wäre das ein Fall
von Wegelagerei gewesen, heute wird die schamlose Bereicherung mit
einem öko-ideologischen Mäntelein überdeckt:
Klimageld mit ökologisch gutem Gewissen.
Und Biodiesel?
Selbst wenn der Mais den Raps nicht verdrängte und auf allen
Feldern und in allen Gärten nur noch der Biodieselrohstoff
angebaut würde, könnte die Thüringer Autoflotille
nicht mit Biodiesel betrieben werden. Vor allem: Bei der oft
gepriesenen energetischen Nutzung landwirtschaftlich erzeugter
Biomasse ist nicht viel zu gewinnen. Bei der Erzeugung von
Rapsöl zum Beispiel geht der anfängliche Gewinn
größtenteils wieder durch die notwendige Methylierung
verloren.
Die
eigentliche Katastrophe ist weniger das anormale Klima selbst, als
vielmehr das political correctness climate, in welchem
Unsicherheiten und Vorbehalte wissenschaftlicher Prognosen
verdrängt und Politiker zu weitreichendem Handeln nach
Zeitgeist-Szenarien verleitet werden. Die durch Rückkoppelung
von Wissenschaft und Politik entstandene Eigendynamik hat bereits
dazu geführt, daß zwischen Fakten und Vermutungen nicht
mehr unterschieden wird.
Zuwanderung
versus Familienpolitik? Zur Gefahr politischer
Glaubensbekenntnisse
Text in der
„Politischen Meinung“ (Nr. 394, September
2002)
Sozial- und
Familienpolitik in Deutschland stehen unter dem Zwang, das
„demographische Problem“ lösen zu müssen: Die
kollektive Alterung des deutschen Volkes könnten zu einem
Kollaps unserer sozialen Sicherungssysteme führen. Als
unumgängliche Lösung des Problems ist Zuwanderung im
politischen Gespräch. Als einhergehende Folge wird eine
multikulturelle und multiethnische Gesellschaft in Kauf genommen
oder sogar gewünscht.
Das
Propagieren einer multikulturellen oder multiethnischen
Gesellschaft ist eine Art Ideologie: ein politisches
Glaubensbekenntnis, das sich ungern an der Realität orientiert
- allerdings genau das Gegenteil vorgibt. Es scheint mir, als lebte
eine langfristige Sozialpolitik, die auf Zuwanderung hofft, um den
Zusammenbruch unserer sozialen Sicherungssysteme zu verhindern, von
Wünschbarkeiten. In der Diskussion fehlt, wenn ich es recht
überschaue, die klare Erwägung möglicher und
wahrscheinlicher Folgen der Zuwanderung. Die Einschränkung
innerhalb der politischen Debatte - die ohnehin möglichst
„intern“, fern der „Stammtische“, also
jenseits der Mehrheitsmeinung geführt werden soll - besteht
keineswegs darin, Einwanderung als Lösung des Geburtenproblems
ins Spiel bringen zu dürfen. Tabuisiert wird vielmehr eine
wirklichkeitsbezogene Erörterung dessen, was
„zuwanderungsbewußte Familienpolitik“ bedeuten
könnte. Die Debatte über mögliche
Fehleinschätzungen und übertriebene Erwartungen darf
nicht ideologisch geführt werden. Sie muß sich in ihren
Prognosen an Tatsachen orientieren. Auf einige Problemfelder
möchte ich hier aufmerksam machen.
Sollen die
sozialen Folgerungen der demographischen Entwicklung in Deutschland
durch Zuwanderung reguliert werden, muß davon ausgegangen
werden, daß die einwandernden Neubürger an dem
Gemeinwohl interessiert sind. Sie wandern in eine Solidar- und
Schicksalsgemeinschaft ein. Wer hier leben und am politischen und
sozialen Gemeinwesen teilhaben will, wird sich demnach integrieren
wollen. Oder ist das eine Voraussetzung, die wir nicht mehr machen
dürfen?
Zuwanderung
kann sich nur, will der Staat stabil bleiben, als Integration, als
Eingliederung vollziehen. Entscheidend für das Verhalten, die
Einstellung von Einwanderergruppen im Gastgeberland sind ihre
zahlenmäßige Stärke im Vergleich mit der
einheimischen Bevölkerung. Massenzuwanderung kann die
Integrationsfähigkeit eines Landes überfordern. In den
letzten Jahren hat sich Deutschland zum wichtigsten
Einwanderungsland der Welt entwickelt. Wir haben mehr Einwanderung
pro Kopf der Bevölkerung aufzuweisen als die traditionellen
Einwanderungsländer USA, Kanada oder Australien. Und einige
Folgen der bisherigen Einwanderung nach Deutschland sind wenig
ermutigend. Kann von Integration, von wirklichem Integrationswillen
die Rede sein?
Was
heißt Integration? Es geht eben nicht nur darum, Verfassung
und Gesetze einzuhalten, sondern auch ungeschriebene Normen,
letztlich traditionell gewachsene Verhaltensweisen, die einen Staat
erst zum Staat machen: Ich meine die Einstellung zu Rechten und
Pflichten, zum Dasein der Geschlechter, zum Verhältnis von
Politik und Religion, zum Eigentum. Kann es eine Anpassung von
Einwanderern geben, wenn grundsätzliche Unterschiede in
Wertefragen bestehen? Wie tragfähig ist ein bloßer
Verfassungspatriotismus? Daß wird sich entscheiden, wenn
ernsthaft Loyalität gefragt sein sollte.
Wenn
kulturelle Wertesysteme sehr unterschiedlich sind und der
Integrationswille in die Leitkultur fehlt, ist Ghettoisierung die
Folge, und zwar quasi freiwillige Ghettoisierung. Ethnisch
geschlossene Siedlungsmuster sind das Merkmal aller multiethnischen
Staaten. Versuche, diese Verhärtungen bei uns aufzulösen,
sind gescheitert. Die „Ethnisierung“ unserer
Großstädte ist ein Faktum. In Berlin hat sogar die
verbürgerlichte linksalternative Szene die Flucht aus einigen
innerstädtischen Gebieten ergriffen. Oft sind
Einwanderergruppen besonders in den sozial schwächeren
Stadtteilen angesiedelt. Die Ethnisierung ist - und darin liegt das
Problem - nicht schwächer geworden, sondern verfestigt sich.
Die „alte Heimat“ bleibt auch für
Einwandererkinder der dritten Generation die eigentliche Heimat. Es
entsteht eine Diaspora mit dem Anspruch, im Gastland das Recht auf
ein eigenes Milieu zu haben. Zahlreiche Politiker unterstützen
dieses Ansinnen.
Die zunehmende
Ethnisierung geht einher mit sozialer Differenzierung. Im
Wettbewerb um Arbeitsplätze, Wohnungen und Sozialleistungen
kommt es naturgemäß zu (Gefühlen der)
Bedrängnis und Benachteiligung sowie Interessengegensetzen.
Die wachsende Zustimmungen für radikales, religiöses,
nationalistisches Gedankengut unter den Einwandergruppen ist fester
und von Jahr zu Jahr umfangreicher werdender Bestandteil jedes
Verfassungsschutzberichtes. Damit einher geht die Abschottung und
Radikalisierung vor allem der jungen Einwanderergeneration. Die
Entwicklungstendenzen sind besorgniserregend.
Ist der
demographische Faktor eine begründete Rechtfertigung für
weitere Zuwanderung? Führt Zuwanderung zu
„Verjüngung“ einer rapide alternden
Bevölkerung: Auch fünfzehn Millionen Zuwanderer bis 2040
würden laut Berechnungen des Statistischen Bundesamtes das
Durchschnittsalter in Deutschland lediglich von 68 auf 65
vermindern. Der Bevölkerungswissenschaftler Helmut Birg von
der Universität Bielefeld stellt entsprechend fest: „Zu
glauben, Migration sei langfristig ein wirksames Mittel gegen
Bevölkerungsschwund, ist ein Trugschluß. Einzig und
allein höhere Geburtenraten dienen langfristig als wirksames
Mittel gegen die Überalterung der
Bevölkerung.“
Massenzuwanderung kann unser demographisches Problem nicht
lösen. Soll sie es überhaupt? Wie wird unserer
Gesellschaft in Zukunft aussehen? 1988 schrieb die Regierung Kohl
in der Begründung des Entwurfs für ein neues
Ausländergesetz: Die Zuwanderung von Ausländern bedeute
„Verzicht auf die Homogenität der Gesellschaft, die im
Wesentlichen durch die Zugehörigkeit zur deutschen Nation
bestimmt wird. (...) Die gemeinsame deutsche Geschichte, Tradition,
Sprache und Kultur verlören ihre einigende und prägende
Kraft“. Man kann das wollen und befördern, man soll das
aber auch so klar sagen, egal ob Wahlkampf ist oder
nicht!
Die
entscheidende politische Frage ist, ob ein Zuwachs von Millionen
von Ausländern - wieviel müßten es sein, um unser
demographisches Problem zu lösen? - zu integrieren und zu
administrieren wäre. Sicher nicht! Warum tun wir also so, als
bestände da keine Schwierigkeit? Die Ideologie der
„multikulturellen Gesellschaft“ hat ihre
Funktionsfähigkeit nicht einmal in fetten Jahren unter Beweis
gestellt. Was wird erst, wenn der Staat spürbar sparen
muß? Die Stabilität unserer Gesellschaft beruht nicht
zuletzt auf Wohlstand und sozialer Absicherung. Was geschieht in
Zeiten politischer, ökonomischer Krise? Eine multikulturelle
Gesellschaft in Deutschland birgt spezifische Konfliktpotentiale,
die bei scheiternder Integration Realität werden könnten.
Wir müssen das klar sehen. Zuwanderung kann positive
Auswirkungen haben, sie kann aber auch Staaten
destabilisieren.
Die UNO
berechnet den Bedarf an nötiger Immigration nach Deutschland
auf jährlich rund 500.000 Menschen pro Jahr. Im Jahr 2030
würden bereits 30 Prozent der Bevölkerung aus
Einwanderern und ihren Nachkommen bestehen. Ob diese
Bevölkerung sich um die Sicherung des deutschen Rentensystems
kümmern wird?
Ausländer
bereichern unsere Gesellschaft. Doch sollten wir deshalb in der
politischen Diskussion die Vorteile einer historisch gewachsenen,
relativ homogenen Gesellschaft ausblenden und die Nachteile der
multikulturellen Gesellschaft unbenannt, die Diskussion
darüber wegen zahlloser politisch-korrekter Bedenklichkeiten
und geschichtspolitischer Argumente meiden?
Es gibt
verschiedene Arten sozialer Bindungen. Kollektives Verhalten wird
offenbar auch durch die Zugehörigkeit zu einer Volksgruppe
bestimmt. Individualismus etwa ist ein typisch westlicher Wert -
und ich möchte ihn unbedingt erhalten wissen. Auch und gerade
das Modell der idealen Kommunikations- und Konsensgemeinschaft ist
im übrigen stark abhängig von europäischen Werten
und Denktraditionen.
Wir werden
hier nicht ausführlich darüber reden, daß es kaum
eine Deliktart der Schwerkriminalität gibt, an dem
Ausländer nicht mindestens dreimal häufiger beteiligt
sind, als ihrem Bevölkerungsanteil entspricht. Aber wir
sollten uns nicht vormachen, als gäbe es solche Statistiken
nicht. Auch die signifikanten Unterschiede zwischen EU- und
Nicht-EU-Ausländern sowie den Transfer von Konflikten aus dem
Heimatländern dürfen wir bei Debatten über
Einwanderung nicht vergessen, und alles andere als unerheblich ist,
daß das Gewaltmonopol auf den meisten Schulhöfen bei den
Kindern der Zugewanderten liegt.
Keineswegs
neigen Einwanderer dazu, sich sofort der Kultur des Gastgeberlandes
anzupassen, erst recht nicht, wenn sich diese Kultur alles sein
möchte, nur keine „Leitkultur“ im eigenen Land. In
Bevölkerungsdebatte geht es freilich zuvörderst um
ökonomische Fragen. Der Zuwanderer wird als „Steuer- und
Rentenzahler“ gesehen. Aber entspricht dem auch die
politische Argumentation? Wie sieht die Bilanz aus? Auf der einen
Seite stehen die erwirtschafteten und abgeführten Steuern und
Abgaben, auf der anderen Seite die in Anspruch genommenen
staatlichen Leistungen (wie Kindergeld), dazu gehören auch die
indirekten Kosten, also für Bildung, Justiz, Verwaltung,
Integrationsleistungen. Gibt es darüber Zahlen? Es wird
mittlerweile gefordert, Kindern ohne legalen Aufenthaltsstatus in
Deutschland einen Schulbesuch zu ermöglichen. Wer bezahlt das?
1998 wurden 23.3 Prozent des Sozialhilfebudgets für
Ausländer aufgewendet - bei 7 Prozent
Wohnbevölkerung.
„Die
Wurzeln von wirtschaftlichem Verhalten liegen im Bereich des
Bewußtseins und der Kultur“, schrieb Francis Fukuyama.
Diese Erkenntnis ist nicht neu. In den USA gibt es über dieses
Phänomen ausgiebige Studien. Es sieht nicht so aus, als
würden sich alle Ausländer unserer Kultur (und das eben
meint auch Kultur der Arbeitswelt) anpassen (wollen): stärker
werdende Sprachdefizite (die dritte Generation spricht schlechter
deutsch als die zweite), wenig berufliche Mobilität, relativ
niedrige durchschnittliche Schulabschlüsse...
Um die Sozial-
und Rentenkassen stützen zu können, müßten
sich die Zuwanderer im gleichen Verhältnis zu ihrem
Bevölkerungsanteil (und gemessen an der
Beschäftigungsquote der Deutschen) in
sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen befinden.
Da ist jedoch nicht der Fall. 1970 waren, bei einer
ausländischen Wohnbevölkerung von 2.976.000, insgesamt
1.839.000 Ausländer sozialversicherungspflichtig
beschäftigt. 1999 waren es lediglich 2.015.000 bei einer
Wohnbevölkerung von fast 7.350.000. Die relative Differenz
zwischen der Arbeitslosenquote insgesamt und der der Ausländer
beträgt mittlerweile 109 Prozent.
Ethnische
Bruchlinien erweisen sich als lange existent. Wirtschaftliche
Krisen führen schnell zu ethnischen Konflikten. Wir
müssen das auch in der politischen Diskussion um Rentensysteme
bedenken. Die Wirtschaft, die Einwanderung fordert, denkt an die
soziale und politischen Folgekosten der Einwanderung wenig. Und das
Modell einer selektiven Zuwanderung bedeutet tatsächlich eine
Ausplünderung der Dritten Welt. Offenbar besteht in einer
Familienpolitik, die eng verknüpft ist mit Wirtschafts- und
Arbeitsmarktpolitik und ergänzt wird durch moderat
Zuwanderung, die einzige Alternative.
Auszug aus dem
Buch:
„Von
nun an ging's bergauf... Mein Weg zur
Freiheit“,
Langen
Müller Verlag München 2002
„Parteiausschluß“ [S. 156
ff.]
Mein
berufliches Schicksal wurde von der Staatssicherheit unter Punkt 4
des „Zersetzungsplanes“ vom August 1983 besiegelt:
„Das führende Mitglied innerhalb der Leitung des
‚Friedenskreises' Vera Wollenberger, wird in Abstimmung mit
der Kreisleitung der SED Pankow (über den KD-Leiter Pankow)
aus der SED ausgeschlossen. Hierzu wird für die Genossen der
Kreisleitung Material zusammengestellt (Aktivitäten und
Äußerungen der Wollenberger, die sie öffentlich und
nachweislich getätigt hat). Nach dem erfolgten Ausschluß
aus der SED erfolgt in Zusammenarbeit mit der HA XX/2 eine
Entfernung der Wollenberger aus ihrer jetzigen Arbeitsstelle
(Lektor im Verlag Neues Leben). Hierdurch soll der Wollenberger die
Möglichkeit genommen werden, als Genosse feindlich negativ
aufzutreten und aus gesicherten materiellen Verhältnissen
heraus ihre zersetzerische Tätigkeit weiter zu
betreiben.“ Verantwortlich: Wieder Leutnant Kappis und
Oberleutnant Matthes, letzterer war zu diesem Zeitpunkt schon
Führungsoffizier des „IM Donald“. Termin: Ende
August 1983.
[...]
Nach der
Geburt meines zweiten Sohnes im September 1982 befand ich mich
damals am Ende des sogenannten Babyjahres. In der DDR wurde allen
Müttern nach der Geburt ihres zweiten Kindes ein bezahltes
Babyjahr gewährt. Die Arbeitsstelle blieb während dieses
Jahres erhalten. Im Verlag Neues Leben hatte ich zu arbeiten
begonnen, nachdem mir endlich der Absprung von der Akademie der
Wissenschaften geglückt war. Ich arbeitete gern dort. Der
Verlag war klein, im Ressort des Belletristiklektorats für
fremdsprachige Literatur arbeiteten nur vier Kollegen, die sich gut
verstanden und mich freundlich aufgenommen hatten. Ich freute mich,
mit meiner Arbeit bald wieder beginnen zu können. Eines Tages
erschien die Parteisekretärin der Wohngebietsparteigruppe bei
mir zu Hause. Wir kannten uns gut, sie wohnte unter mir. Sie war
eine alte Kommunistin, die ihren Mann in der Illegalität wegen
eines Parteiauftrages geheiratet hatte. Sie war eine kluge Frau,
die undogmatische Auffassungen äußerte und die meiner
Friedenskreisarbeit immer viel Verständnis entgegengebracht
hatte. Sie teilte mir mit, daß die Genossen der Kreisleitung
der SED mich unbedingt zu sprechen wünschten. Sie wußte
den Grund nicht und nahm an, ich solle für eine hauptamtliche
Parteiarbeit gewonnen werden. Sie riet mir dringend, auf keinen
Fall auf ein solches Angebot einzugehen. Zum Termin gingen wir noch
beide gemeinsam. Im Vorraum der SED-Kreisleitung trafen wir auf die
Parteisekretärin meines Verlages.
Ich stellte
die beiden Damen noch einander vor, dann wurden sie schon in den
Sitzungssaal gerufen, während ich draußen warten
mußte. Als ich hereingebeten wurde, sah ich mich einem
handverlesenen Gremium gegenüber: Der Parteikontrollkommission
der SED-Kreisleitung Pankow, ergänzt durch die genannten
Parteisekretärinnen und drei Vertretern der
Parteikontrollkommission der Bezirksleitung Berlin, unter ihnen der
Vorsitzende. Insgesamt saß ich etwa zwanzig Personen
gegenüber. Das war ungewöhnlich. Nach dem Statut der SED
mußte ein Parteimitglied von seiner Grundorganisation
ausgeschlossen werden. Es ehrt meine Mitgenossen vom Verlag Neues
Leben, daß eine beträchtliche Anzahl von ihnen als nicht
zuverlässig genug eingeschätzt wurden, um meinen
Ausschluß sicherzustellen.
Ich stellte
gleich zu Beginn klar, daß ich mich sehr über die
Zusammensetzung des Gremiums wunderte. Die Antwort war, man
hätte von vornherein damit gerechnet, daß ich gegen mein
Parteiverfahren Einspruch erheben würde, und deshalb schon den
Vorsitzenden der Bezirkskontrollkommission dazugebeten, damit er
sich überzeugen könne, daß mein Verfahren fair
durchgeführt werde. Als das Wort „fair“ fiel,
lachte ich unwillkürlich auf. Daraufhin wurde mir eifrig
versichert, ich könne Personen meines Vertrauens dazubitten,
damit ich mich nicht so allein fühlte. Das war natürlich
nur ein Scheinangebot, denn jedem im Raum war es klar, daß es
unmöglich war in der nächsten halben Stunde einen
Menschen zu finden, der mitten an einem Arbeitstag die
Möglichkeit gehabt hätte, mir beizustehen. Abgesehen
davon hätte diese Person Schwierigkeiten bekommen. Ich lehnte
also dankend ab. Den Ton, der innerhalb der nächsten Stunden
mir gegenüber angeschlagen wurde, kannte ich bisher nur aus
der Literatur über stalinistische Tribunale. Nur fehlte hier
das Publikum. Auch war ich kein williges Opferlamm, sondern ich
verteidigte mich zäh, blieb „verstockt“ und
„uneinsichtig“. Tatsächlich wurde mir einen lange
Liste meiner Äußerungen mit Angabe von Ort und Stunde
vorgehalten. Sie war ziemlich vollständig. Bei jedem meiner
öffentlichen Auftritte der letzten Monate, waren meine Reden
sorgfältig protokolliert worden. Es war deshalb nicht
schwierig, meine „staatsfeindliche Hetze“ zu belegen.
Einen anderen Vorwurf konnte ich dagegen ad absurdum führen.
Ich hatte die Partei weder getäuscht, noch mit zweierlei Zunge
geredet. Die anwesende Verlagsparteisekretärin mußte
bestätigen, daß ich ähnliche Reden, wie auf den
kirchlichen Veranstaltungen auch auf der Parteiversammlung im
Verlag gehalten hatte. Ich hatte mich dort auch geweigert,
Bücher zu lektorieren, die „zum Hass gegen den
Klassenfeind“ erziehen, weil „Hass“ ein
produktives Gefühl sei. Für die Genossen war das
Verfahren ebenso schwer zu ertragen wie für mich. Mehrmals
wurden meine „feindlichen Hetzreden“ rüde
unterbrochen. Am Ende gaben ausgewählte Personen des Gremiums
ihre Einschätzungen ab. Auch die
Wohngebietsparteisekretärin ergriff das Wort. Sie blickte mir
fest in die Augen und sprach darüber, wie gefährlich,
schädlich und hetzerisch das gewesen sei, was ich im
Friedenskreis getan hätte. Wenn wir uns später im
Treppenhaus begegneten, tat sie so, als sei nie etwas gewesen.
Allerdings lud sie mich nicht mehr in ihre Wohnung ein.
Die
Versammlung endete mit der Festlegung, daß ich eine
„Stellungnahme“ zu schreiben hätte. In einer Woche
werde eine zweite Zusammenkunft stattfinden, auf der man eine
Entscheidung treffen wolle. Am nächsten Tag erhielt ich ein
Telegramm, das mich zu meinem Verlagsdirektor bestellte. Er
eröffnete mir im Beisein der Verlagsparteisekretärin ohne
Umschweife, daß ich vom Dienst suspendiert sei. Eine Frau mit
meiner ablehnenden Haltung zur Verteidigung des Sozialismus sei als
Lektorin eines Jugendbuchverlages, konkret des FDJ-Verlages,
untragbar. Daß auch dieser Verlag eigentlich SED-Eigentum
war, wurde erst nach der Wende ruchbar.
[...]
Bei meinem
endgültigen Rausschmiß aus dem Verlag gab es dann doch
etliche Schwierigkeiten. Man fand einfach keinen Vorwand, um mir zu
kündigen. Ich hatte mich sorgfältig auf diese
Eventualität vorbereite. Bei Arbeitsprozessen, die ich besucht
hatte, weil Freunde von mir vor Gericht standen, hatte ich
festgestellt, daß die eigentlichen
Rausschmißgründe, sofern sie politischer Natur waren,
nie genannt wurden. Es wurde immer nach Vorwänden gesucht, so
durchsichtig sie auch sein mochten. Mehrmalige geringfügige
Verspätung, eine nicht rechtzeitig fertiggestellte Arbeit, ein
schlecht entschuldigter Fehltag, wurden in der
Urteilsbegründung als Rechtfertigung für den Verlust der
Arbeit genannt. Deshalb hatte ich in meinem Berufsleben dafür
gesorgt, daß ich nie zu spät kam, oder nur mit einer
unabweisbaren Entschuldigung, daß ich alle meine Arbeiten
termingerecht ablieferte und Zusatzaufgaben übernahm, um das
Soll über zu erfüllen. Man fand einfach keinen Vorwand,
mir zu kündigen. Der Verlag versuchte es dennoch. Er begann
einfach, wie vom Gesetzgeber vorgeschrieben, mir drei
Alternativ-Jobs nachzuweisen, die ich antreten könnte. Alle
drei Jobs waren Hilfsarbeiterstellen: Abwäscherin beim VEB
Abwasserbehandlung, Hilfskraft in einer
Fernsehreparaturannahmestelle, Kassiererin bei der
Flaschenrücknahme. Allerdings verweigerte sich VEB
Abwasserbehandlung von vornherein dem Ansinnen, mich einstellen zu
sollen. Meine politische Einstellung lasse mich nicht geeignet
erscheinen, als Abwäscherin tätig sein zu dürfen.
Wahrscheinlich hatte man Angst, ich könnte beim Abwasch zu
gründlich vorgehen. Der Verlag drohte mir mit einem
ArbeitsProzeß, wenn ich keine der nachgewiesenen
Arbeitsstellen an nähme.
Der
Verlagsdirektor wurde von Tag zu Tag nervöser. Meine
Suspendierung hatte erhebliche Unruhe im Verlag ausgelöst.
Etliche Kollegen solidarisierten sich mit mir. Die Kaderleiterin
und der Cheflektor mußte mit Entlassungen drohen, um die
kleine Hausrevolte zu unterdrücken. Ich bin meinen damaligen
Kollegen heute noch dankbar für ihre Solidarität. Sie
konnten mir nicht helfen, aber es tat gut zu wissen, daß das
begangene Unrecht nicht unwidersprochen blieb. In diesen Wochen war
ich mit meinem dritten Kind schwanger. Das verschärfte meine
Situation erheblich. Die Aussicht mit bald drei Kindern auf einen
Hilfsarbeiterlohn angewiesen zu sein, war nicht gerade rosig. Die
Kaderleiterin des Verlages gab mir zu bedenken, ob es nicht besser
sei, einen Hilfsarbeiterlohn sicher zu haben als gar kein Geld. Es
kostete mich Nerven, aber ich blieb hart, denn in der DDR durfte
einer Schwangeren eigentlich nicht gekündigt werden,
außer es gab einen Grund für eine fristlose Entlassung.
War der gegeben, wenn ich die Hilfsarbeiterjobs ablehnte? Ich
brauchte dringend rechtliche Beratung.
Ich kannte
keinen Rechtsanwalt. Diese Berufsgruppe war in der DDR ohnehin
spärlich vertreten. Da vermittelte Katja Havemann, die ich in
meiner Not anrief, den Anwalt ihres verstorbenen Mannes, des
Regimekritikers Robert Havemann. So lernte ich Gregor Gysi kennen.
Ich bekam ohne Umstände einen Termin in seiner Anwaltskanzlei
in der Finowstraße in Berlin-Friedrichshain. Im Warteraum
traf ich einen ehemaligen Kollegen aus der Akademie der
Wissenschaften. Er lag gerade in Scheidung und wollte das
Sorgerecht für seinen Sohn. Er erzählte mir, daß
Gysi der Geheimtipp unter Männern sei, die ihren Frauen das
Erziehungsrecht für die gemeinsamen Kinder streitig machen
wollten. Gysi war selbst gegen seine erste Frau Jutta erfolgreich
gewesen und hatte seinen Sohn behalten.
Die
Rechtsauskunft bei Gysi war sehr frustrierend. Er versuchte mir in
immer neuen Redewendungen nahezulegen, einen Hilfsarbeiterjob
anzunehmen. Zwar wäre die Gesetzeslage einerseits eindeutig,
andererseits läge eine spezielle Situation vor. Zum Vorwurf
der Staatsfeindlichkeit war in der Begründung für meinen
Parteiausschluß noch antisowjetische Hetze hinzugekommen. Das
wog noch schwerer und machte, wenn er nicht zurückgenommen
wurde, eine Strafverfolgung unvermeidlich.
Jahre
später, als der Bundestag in einem Untersuchungsausschuß
dem verschwundenen DDR-Vermögen, insbesondere den
Aktivitäten des „Amtes für kommerzielle
Koordinierung“ von DDR-Devisenbeschaffer Schalck-Golodkowski
hinterher recherchierte, tauchte auch eine Stasi-Aktennotiz
über mein Gespräch mit Gysi in seiner Anwaltskanzlei auf.
Der inoffizielle Mitarbeiter resümiert darin, daß Gysi
nicht den Eindruck gehabt hätte, ich würde seinem Rat
folgen.
Damit hatte er
Recht. Tatsächlich erwies ich mich immer wieder als resistent
gegen Gysis rhetorische Fähigkeiten, die nach dem Mauerfall
halb Deutschland in Entzücken versetzten. Ich habe zu meinem
Glück immer mehr darauf geachtet, was er sagte, als darauf,
wie er es sagte. Gysis demagogischen Fähigkeiten sind zwar
enorm, aber nicht undurchschaubar. Ich glaube deshalb, daß
die Bereitschaft, Demagogen auf dem Leim zu gehen, etwas mit
entschlossener Oberflächlichkeit zu tun hat.
Während
ich von Gysi nur vergiftete Ratschläge erhielt, wurde mir
wirkliche Hilfe von einem jungen Arzt der Schwangerschaftsberatung
Pankow zu teil. Bei einer Routineuntersuchung, der sich jede
Schwangere der DDR einmal im Monat unterziehen mußte,
bemerkte er meine schlechte psychische Verfassung. Auf seine Frage,
was mit mir los sei, erzählte ich ihm spontan von meinen
beruflichen Schwierigkeiten. Er griff sofort zum Telefonhörer,
rief bei der Verlagsleitung an und drohte der Kaderleiterin mit
gerichtlichen Schritten, wenn sie es nicht sofort
unterließen, auf eine Schwangere Druck auszuüben.
Daraufhin wurde ich bis zum Ende des Babyjahres in Ruhe gelassen.
Dann versuchte es der Verlag mit einer Klage beim Arbeitsgericht,
die jedoch nicht angenommen wurde. Ich blieb Verlagsmitglied bei
vollen Bezügen, bis ich im Jahr 1985 von selbst kündigte,
um ein zweites Studium am Sprachenkonvikt in Berlin, eine der
unabhängigen theologischen Hochschulen der DDR, aufzunehmen.
Bis dahin machte ich mir einen Spaß daraus, mich auf
Veranstaltungen der Opposition als erste vom Staat bezahlte
unabhängige Friedensaktivistin vorzustellen Ich freute mich an
den Gedanken, wie wütend das die Staatssicherheit machte. Dies
war meine Art, mit Problemen umzugehen. Ich machte mich lieber
lustig über sie, als daß ich mich von ihnen unterkriegen
ließ. Während sich mit Hilfe des couragierten Arztes
meine berufliche Situation zu meiner Zufriedenheit klärte,
machte mir mein Parteirausschmiß noch Sorgen.
Eine Woche
nach dem ersten Gespräch wurde ich von der
Kreisparteikontrollkommission Pankow aus der Partei ausgeschlossen.
Damit verstieß dieses Gremium, das die Reinheit der Partei
kontrollieren sollte, selbst gegen das Parteistatut, nach dem
Mitglieder nur von ihrer Grundorganisation ausgeschlossen werden
durften. Über die Ausschlußbegründung war ich
allerdings erschrocken. Sie lautete „antisowjetische
Hetze“, was in der DDR strafwürdig war.
Unverzüglich schrieb ich, einen Einspruch an die Zentrale
Parteikontrollkommission, in dem ich den Ausschluß
akzeptierte, obwohl er statutenwidrig war, aber gegen die
Begründung scharf protestierte.
Den Einspruch
tippte Monika Haeger, IM „Karin Lenz“, ab. Monika war
Anfang 1982 in unseren Friedenskreis gekommen und schon Ende 1982
als Mitarbeiterin der Staatssicherheit entlarvt worden. Die
Staatssicherheit nutzte deshalb die Gelegenheit meines
Parteirausschmisses und Berufsverbots, um für Monika eine neue
Legende zu bilden. Sie erlitt offiziell das gleiche Schicksal wie
ich und wurde nach ihrem Parteirausschmiß aus dem Verlag
Junge Welt entfernt. Allerdings bekam sie am Abend nach ihrem
Rausschmiß ihr Parteibuch in aller Heimlichkeit feierlich
zurück. Die Legendenbildung hatte jedenfalls Erfolg. Als ich
zum Gebäude des SED-Zentralkomitees fuhr, um meinen Einspruch
abzugeben, begleitete Monika mich bis zum Alexanderplatz. Dort
trennte sie sich von mir, um an einer Aktion der „Frauen
für Frieden“ teilzunehmen, die an diesen Tag auf dem
Postamt Alexanderplatz schwarzgekleidet ihre Weigerung, sich im
Krisenfall zur Armee dienstverpflichten zu lassen, per Einschreiben
abgaben. Monika „wirkte“ dann bis zum Frühjahr
1989 als IM bei „Frauen für den Frieden“ - und
später im Kreis um Bärbel Bohley.
Als ich meinen
Einspruch bei der Poststelle des ZK abgab, wurde mir eine
Empfangsbestätigung verweigert. Dafür aber sagte die Dame
hinter dem Schalter den damals für mich merkwürdigen
Satz: „Die Genossen haben schon gefragt, ob das Schreiben da
ist. Sie warten oben, ich schicke es gleich hoch.“ Wenige
Tage später wurde ich vom Chef der Zentralen
Parteikontrollkommission empfangen. Bei dieser Gelegenheit betrat
ich das erste Mal in meinem Leben das „Große
Haus“, die heiligen Hallen des Zentralkomitees. Im Ergebnis
unseres Gespräches wies der Vorsitzende seine subalternen
Mitarbeiter an, die Ausschlußbegründung zu ändern.
Die bestand nur aus einem Satz: „Wollenberger weigert sich,
den Sozialismus mit allen Mitteln zu verteidigen.“ Eine solch
Begründung sei ihm in seiner fast vierzigjährigen
Parteipraxis noch nicht vorgekommen, sagte mir der Chef der
Pankower Parteikontrollkommission (PKK), bei dem ich am
nächsten Tag das Ausschlußdokument unterzeichnen
mußte. Er bemühte sich dabei kaum, seinen Hass zu
zügeln.
Hass war mir
auch tags zuvor vom Chef der Zentralen PKK entgegengeschlagen.
Bevor er mich entließ, hielt er mir eine kurze Rede, in der
er mir klarmachte, daß die Arbeiterklasse ihre Feinde
gnadenlos verfolgen würde, das solle ich allen meinen Kumpanen
sagen. Im Sommer 1991, als die SED längst zur PDS gewendet
hatte, bekam ich Besuch von einer kleinen Gruppe Genossen, die es
unternommen hatten, in ihrem Kreis die Parteigeschichte
aufzuarbeiten. Sie waren dabei auf meine Akten gestoßen und
kamen, um sich für die Täter von damals zu entschuldigen.
Wir tranken zusammen Kaffee, und sie erzählten mir von ihrer
Enttäuschung über die Unwilligkeit der alten Kader der
PDS, sich ihrer Vergangenheit zu stellen. Ich konnte ihnen keinen
Trost spenden und nur raten, die Partei so schnell wie möglich
zu verlassen, denn ich glaube noch weniger als sie an die
Fähigkeit der PDS, sich zu reformieren und zu
demokratisieren.
Wenn es nach
dem Willen des MfS gegangen wäre, hätten noch mehrere
andere Freunde mein Schicksal des Berufsverbots und der
Berufslosigkeit geteilt. Und so findet sich im
„Sachstandsbericht zum OV Virus“ vom 29. Juli 1985 eine
interessante Passage: „7. Maßnahme der Partei, des
Staatsapparates, der Betriebe. Im Sommer 1983 wurden über die
Bezirksleitung der Partei Aussprachen mit ausgewählten
Mitgliedern des Friedenskreises Pankow vorbereitet. Ziel dieser
Gespräche war es: Das Freizeitverhalten und die Tätigkeit
der betreffenden Personen im Friedenskreis auf der jeweiligen
Arbeitsstelle den Partei- und Betriebsleitungen bekannt zu machen,
disziplinierend auf die betreffenden Personen einzuwirken, die
negativ-feindliche Tätigkeit der betreffenden Personen bei
betrieblichen Einstufungen, Lehrgängen, Höherstufungen,
Prämierungen, gesellschaftlichen Auszeichnungen mit zu
berücksichtigen und zu prüfen, ob die betreffenden
Personen weiterhin in bestimmten Schlüsselpositionen
beschäftigt werden können. Zur gründlichen
Vorbereitung auf die Gespräche wurden der Bezirksleitung der
SED zu den benannten Personen Kurzcharakteristiken und
ausgewählte negativ-feindliche Aktivitäten
mitgeteilt.“
Das Ergebnis
dieser Bemühungen war allerdings mager. Frustriert
resümiert Berichterstatter Oberleutnant Kappis in
Stasideutsch: „Da aufgrund unterschiedlicher Probleme
(Krankheit, Urlaub, mehrfach nicht angetroffen, Arbeitsbereich
gewechselt) mit der überwiegenden Zahl der benannten Personen
keine Gespräche geführt wurden, muß die gesamte
Aktion als unzureichend eingeschätzt werden. Die gestellte
Zielstellung wurde nicht realisiert. Als uneffektiv hat sich auch
das kampagnehafte der Aktion herausgestellt. Die Gespräche
bildeten keinen Ausgangspunkt für eine langfristige
politisch-ideologische Einwirkung auf den genannten Personenkreis.
Im gesamten Jahr 1984 gab es keine uns bekannt gewordene
Auseinandersetzung mit diesem Personenkreis. Durch diese
ungenügend wahrgenommene Verantwortung gesellschaftlicher
Institutionen einerseits und den zuständigen Parteileitungen
andererseits führen die überwiegenden Mitglieder des
Friedenskreises ein ruhiges und beschauliches
Dasein.“
Diese kleine
prosaische Meisterleistung des dienstbeflissenen Herrn Kappis
würde er heute wegen seiner Kritik an der Trägheit und
Nachlässigkeit der verantwortlichen Institutionen und
SED-Organisationen sicher gern als Beweis seiner früheren
reformerischen Ambitionen verkaufen, wenn im Nachsatz nicht allzu
deutlich würde, wie sehr er den Friedenskreismitgliedern ihr
„ruhiges und beschauliches Dasein“ missgönnte. Wir
hätten noch ganz andere Höllen erlebt, wenn es nach dem
Willen und den Planungen der Staatssicherheit gegangen wäre.
Zum Glück arbeitete die Stasi nicht viel effektiver als die
DDR-Wirtschaft, erfüllte niemals auch nur annähernd ihren
Plan, was der Opposition manches ersparte. Erstaunlich ist jedoch,
daß sich trotzdem hartnäckig die Legende von der
hocheffektiven Staatssicherheit hält. Angeblich soll die
Auslandspionage unter Markus Wolf sogar die beste der Welt gewesen
sein. Der Blick in die Stasiakten zeigt allerdings das Gegenteil.
Es gab jede Menge Pleiten, Pech und Pannen bei der
Staatssicherheit. Manchmal wurde sie durch schlampige
Berichtserstattung ihrer IM direkt in die Irre geleitet. In einer
„Information zur Wochenendfahrt der leitenden Kader des
Friedenskreises Pankow nach Neu-Schadow“ heißt
es:
„Vera
Wollenberger. Sie berichtete von einer Aussprache bei der
Bezirkskontrollkommission, in deren Verlauf die dortigen Genossen
zur Einsicht kamen, daß sie sich parteigemäß
verhalte und eine Parteistrafe oder ein Ausschluß
überhaupt nicht zur Debatte stände. Sie sei jedoch vom
Dienst suspendiert worden (bezahlt freigestellt) und ihr
Vertragsleiter habe dies mit dem Satz begründet: für
Personen mit parteischädlichem Verhalten sei kein Platz in
einem sozialistischen Verlag. Aufgrund des „Persilscheins von
der Bezirkskontrollkommission“, habe sie nunmehr gemeinsam
mit Monika Haeger eine mehrseitige Eingabe verfasst und abgesandt,
in der sie ihre Wiedereinstellung im Verlag
forderte.“
Auf der ersten
Seite dieses Berichtes, der auch von anderen groben Fehlern und
Einstellungen nur so strotzt, findet sich eine handschriftliche
Notiz vom 13. Oktober 1983. „Zu Wollenberger bitte um
Überprüfung bei der BPKK
[Bezirksparteikontrollkommission], dort hatten wir eine konkrete
Information vorgegeben. Darunter schrieb dieselbe Person fünf
Tage später: BPKK setzt unser Vorhaben konsequent um, es
erfolgt Ausschluß aus der SED.“ Diese kleine Notiz ist
höchst interessant. Immer wieder versuchen Stasi-Offiziere
geltend zu machen, sie seien lediglich befehlsausübendes Organ
gewesen, sie hätten nur die Anweisungen der Partei
ausgeführt. Diese Notiz beweist genau das Gegenteil. Die
Partei in Gestalt der BPKK setzte das Vorhaben der Staatssicherheit
konsequent um. Also war die Staatssicherheit nicht nur
„Schild und Schwert der Partei“, sondern ein
selbstständig handelndes, Weisungen erteilendes Organ, das
auch seine Partei im Kampf gegen die „Staatsfeinde“
dirigierte. In den Operativplänen zum „OV Virus“
findet sich kein Hinweis darauf, daß sie die nach Anweisungen
der Partei ausgearbeitet worden wären. Die Operativpläne
vom 14. Juli 1983 und 9. Februar 1984 haben folgende einleitenden
Bemerkungen: „Ausgehend von der politisch-operativen
Einschätzung zum ‚Friedenskreis Pankow' vom 16.6.1983
und entsprechend den Festlegungen auf der Kollegiumssitzung des
Genossen Minister, Armeegeneral Mielke, am 29.6.1983 ist der OV
„Virus“ konzentriert, unter Einsatz aller Kräfte,
Mittel und Methoden und beschleunigt zu
bearbeiten.“
Die Genossen
der Staatssicherheit waren also durchaus nicht nur Werkzeug, brave
Befehlsempfänger, sondern gaben anderen Befehle, Weisungen,
Empfehlungen. Im realsozialistischen Machtsystem der DDR
besaß das MfS auch die Funktion eines Antriebsmotors und
Transmissionsriemens. Nach seinem Gusto hatten sich die
Schräubchen in Staats- und Parteiapparat zu drehen. Eine
Schlüsselrolle in den Operativplänen bilden die
IM-Einsätze. Sie stehen immer an erster Stelle. Die Zahl der
auf den Friedenskreis Pankow abgesetzten IM stieg von einem IM im
Sommer 1982 auf sechzehn im Jahre 1985. Als die
„Zersetzungsmaßnahmen“ zu wirken begannen und der
Friedenskreis an Ausstrahlungskraft und politischer Wirksamkeit
verlor, verringerte sich die Zahl der IM wieder. Im Frühjahr
1989, als der „OV Virus“ abgeschlossen wurde, waren
drei IM übriggeblieben. Was diese IM zu leisten hatten, ist im
Operativplan zum „OV Virus“ vom 26. März 1985
nachzulesen: „Durch den koordinierten und differenzierten
Einsatz der IM ist zu gewährleisten die allseitige und
rechtzeitige Aufklärung der feindlichen Pläne und
Absichten des ‚Friedenskreises' sowie die
Persönlichkeitsbilder der Mitglieder der ‚Leitung',
sowie eine weitere Personifizierung von neu hinzugekommenen
Mitgliedern, die Einbeziehung in Maßnahmen zur Zersetzung des
‚Friedenskreises', das abgestimmte positive und
differenzierte Auftreten von IM während der
öffentlichwirksamen Veranstaltungen des
‚Friedenskreises' die Wirkung der Maßnahmen
gesellschaftlicher Kräfte einzuschätzen und die
Reaktionen des ‚Friedenskreises' zur Begegnung der
Maßnahmen staatlicher Organe und Institutionen vorbeugend
aufzuklären. Der Einsatz der Im ist zielgerichtet darauf zu
konzentrieren, möglichen strafrechtlich relevante Handlungen
oder Verletzungen gesetzlicher Bestimmungen von Mitgliedern,
insbesondere führenden, des ‚Friedenskreises'
aufzuklären und beweiskräftig zu dokumentieren.“ Es
folgen dann jeweils Details zum Einsatz der einzelnen IM. Es wurde
genau festgelegt, in welche Arbeitsgruppe welcher IM
„einzudringen“ hat und welche „feindlich negative
Person“ er aufklären muß. Nichts wurde dem Zufall
überlassen. Um Legenden hieb- und stichfest zu machen, wurden
auch oft Umwege nicht gescheut. Dafür steht folgender Fall: Im
Jahre 1984 erkrankte meine Freundin Silvia Müller schwer an
Brustkrebs. Sie wurde operiert und verweigerte sich
anschließend der Chemotherapie, von der sie das Gefühl
hatte, daß sie davon noch kränker würde. Ein
solches Verhalten war in den Augen der Ärzte unerhört.
Sie war mit ihrem Problem allein und suchte deshalb Frauen, die
sich in einer ähnlichen Situation befanden, um sich mit ihnen
auszutauschen zu können. Im Herbst 1984 hatten wir in der
„Teestube“ - eine eher kulturelle Veranstaltung, die
der Friedenskreis vierzehntäglich im Jugendraum der Pankower
Kirche durchführte, um seinen Wirkungskreis zu verbreitern -
einen Vortrag über homöopathische Medizin organisiert.
Wir hatten bei solchen Veranstaltungen ziemlich viel Laufpublikum,
das wir über bestimmte Themen für eine Mitarbeit zu
gewinnen hofften. Wir waren deshalb besonders aufmerksam zu uns
noch unbekannten Menschen. Bei diesem Vortrag kam ich mit einer
jungen Frau ins Gespräch, die den Referenten viele Fragen
gestellt hatte. Sie erzählte mir, daß sie nach
alternativen Behandlungsmethoden suche, nachdem ein Knoten in ihrer
Brust festgestellt worden sei. Ich berichtete ihr von Silvia und
bot ihr an, sie miteinander bekannt zu machen. Als ich das nicht
schnell genug tat, stand sie eines Tages vor Silvias Tür,
erzählte von ihrer Begegnung mit mir und gab an, Silvias
Adressen vom Verlag, in dem sie gearbeitet hatte, erfahren zu
haben. Nach der Wende fand Silvia die Berichte von
„Cora“, so lautete der Deckname von Marlis Peine, in
ihren Akten. „Cora“ hatte den Auftrag, Silvias Freund
Thomas Klein „aufzuklären“. Sie beschreibt in
ihren Berichten, wie sie in Silvias Wohnung Thomas' Bekanntschaft
macht und wie es ihr gelingt, sein Vertrauen zu
gewinnen.
Manchmal
schossen die IM in ihrem Eifer über das Ziel hinaus. So stand
eines Abends im September 1983 IM „Christine“, mit
bürgerlichen Namen Sylvia Bahro, vor meiner Tür. Sie
überbrachte mir einen Gruß von einem Bekannten, der sie
angeblich auf unseren Ökokreis aufmerksam gemacht hatte. Im
Verlaufe unseres Gespräches erwähnte ich, daß ich
ihrem Stiefvater, dem Regimekritiker Rudolf Bahro, auf einer Party
flüchtig begegnet war. „Christine“ wurde
regelmäßige Besucherin unseres Ökokreises. Als sie
ein paar Monate später von einer Westreise, bei der sie ihren
Stiefvater besucht hatte, zurückkam, richtete sie mir
Grüße von ihm aus. Sie hatte offensichtlich meine
Bemerkung mißverstanden und angenommen, Bahro und ich
hätten uns gekannt. Ich wußte, daß sie lügt,
und zog den Schluß, daß Frau Bahro eine
Stasi-Informantin war. Nach der Aktenöffnung stellte sich
schnell heraus, daß dieser Verdacht richtig war.
Wenig bekannt
ist, daß es durchaus möglich war, das Ansinnen der
Staatssicherheit, Informant zu werden, abzulehnen. Dabei
mußte man nicht einmal um seine berufliche Karriere
fürchten, wie die folgenden zwei Beispiele belegen: In Pankow
lebte ein Medizinstudent, der als „Einzelkämpfer“
unermüdlich versuchte, etwas für die Verbesserung der
Umwelt in seiner Umgebung zu tun. Wir hörten voneinander,
lernten uns kennen, ich besuchte ihn, und ein Teil unserer Gruppe
half ihm bei einer seiner Baumpflanzaktionen. Er kam dann zweimal
zu unseren regelmäßigen Treffen, blieb danach aber fern
und ließ unseren Kontakt wieder einschlafen. Als ich ihn
später zufällig noch einmal traf, erzählte er mir,
daß er von der Staatssicherheit angesprochen worden war. Er
sollte regelmäßig an unseren Treffen teilnehmen und die
Arbeit „positiv“ beeinflussen. Sie versuchten, ihn mit
der Versicherung zu ködern, daß er keinerlei
Informationen zu liefern hätte, denn sie wüssten sowieso
alles, was sie wissen wollten. Er lehnte ab und blieb unserer
Gruppe künftig fern.
Ähnliches
passierte einer Medizinstudentin im ersten Studienjahr, die eine
Zeitlang regelmäßig mit viel Engagement und Ideen in der
Gruppe arbeitete. Sie wurde eines Tages von zwei gutaussehenden
jungen Männern in der Universität angesprochen. Die
Herren wiesen sich aus und luden sie in ein Nobelrestaurant zum
Essen ein. Leider mißlang die geplante Imponiershow
gründlich, denn Katja war Vegetarierin, und außer einer
Blumenkohlsuppe enthielt die Karte nichts, was sie hätte essen
wollen. Auch Katja wurde angetragen, die Aktivitäten der
Gruppe „positiv“ zu beeinflussen: Unsere Arbeit sei
doch streckenweise von Unkenntnis geprägt, und wir würden
trotz unseres guten Willens objektiv viel Schaden anrichten. Sie
könne solchen Schaden durch Zusammenarbeit mit sachkundigen
Instanzen verhindern. Auch Katja lehnte dieses Ansinnen ab. Beide
konnten ihr Studium ungestört fortsetzen.
Es ist eine
immer noch weit verbreitete Legende, viele Menschen wären zu
einer IM-Tätigkeit gezwungen worden. Dies scheint in den
seltensten Fällen geschehen zu sein. Vielleicht kann man einem
Menschen noch unter Zwang eine Information abpressen, für eine
dauerhafte Zusammenarbeit ist dies aber keine Grundlage. Es wird
öfter vorgekommen zu sein, daß besonders junge Menschen
sich offensichtlich nicht getraut haben, das Ansinnen der
Staatssicherheit zurückzuweisen. Die Berichte, die solche
Menschen lieferten, waren in der Regel harmlos, und es wäre
verfehlt, ihnen ihre IM-Tätigkeit vorzuwerfen. Die meisten IM
aber, vor allem die langjährigen, waren mit Engagement dabei.
Ihre Berichte sind nicht nur voll von detaillierten Informationen,
sie selbst gaben auch Einschätzungen und machten
Vorschläge. In den seltensten Fällen haben diese IM ihre
Tätigkeit später zugegeben oder wahrheitsgemäß
beschrieben.
[...]
„Verhandlungen“ [S. 243 ff.]
Erst war ich
wie betäubt, dann zog sich mein lnneres zusammen. Ich fing an
zu weinen. Ich war fassungslos. Diesen Wortbruch der DDR-Obrigkeit
und ihrer Unterhändler hatte ich zwar befürchtet, aber
doch nicht erwartet. Wie die anderen das verkraftet hätten,
wollte ich wissen. Ich erfuhr jedoch nicht viel. In diesem Punkt
war Schnur auffallend zurückhaltend. Später erfuhr ich,
daß er den anderen gegenüber weniger zugeknöpft
gewesen ist. So schilderte er Lotte Templin ausführlich meinen
Schwächeanfall, und draußen wurde die Nachricht von
meinem Nervenzusammenbruch verbreitet. Hilflos und niedergeschlagen
kehrte ich in den Knast Hohenschönhausen zurück. Die
Lektüre der Zeitungen verstärkte meine
Ohnmachtgefühle. Fast täglich wurden neue Berichte
über die angeblichen Verbindungen der Friedensbewegung mit
westlichen Geheimdiensten abgedruckt, begleitet von
„Reaktionen“ aus der Bevölkerung, die eine
„härtere Bestrafung der Provokateure“
forderten.
Susi Liese
hatte an diesem Tag ebenfalls ein Gespräch mit ihrem Anwalt
Starkulla, der mir über sie ausrichten ließ, daß
er mir dringend zur Ausreise raten würde. Ich solle an meine
Zukunft denken, in der DDR hätte ich keine Chancen mehr und
meine Kinder auch nicht. Er bot mir seine Hilfe an. Ich verlangte,
meinen Vernehmer zu sprechen. Da der den Ahnungslosen mimte,
schilderte ich ihm Vogels Angebot vom Dienstag und das
darauffolgende Dementi. Die Psychofolter hätte in meinem Falle
zum Erfolg geführt. Ich hätte die Nase voll. Er fragte,
ob ich Zeitung gelesen hätte. - Ich bejahte das. „Ihre
Fraktion weiß hoffentlich, was sie tut. Ich überlasse
sie der historischen Schande.“ Danach schrieb ich an
Starkulla, daß ich sein Angebot annähme, und an meinen
Sohn Philipp, daß ich mich entschlossen hätte, auch in
den Westen zu gehen. Am Freitag teilte mir Schnur in der
Magdalenenstraße mit, daß die Templins ein Dauervisum
für einen „Studienaufenthalt“ in der BRD
angenommen hätten und ebenfalls schon im Westen
seien.
Wie wir erst
nach dem Mauerfall erfuhren, hatte sich die Kirchenleitung, oder
besser gesagt Konsistorialpräsident Manfred Stolpe, für
die aus gleichem Anlaß so getaufte
„Jurek-Becker-Lösung“ starkgemacht und
durchgesetzt, daß derjenige mit einem DDR-Paß versehen
wird, der sich bereit erklärt, das Land zu verlassen. Für
Ralf Hirsch kam die „Jurek-Becker-Lösung“ einen
halben Tag zu spät. Inzwischen hat Freya Klier die Rolle, die
Konsistorialpräsident Stolpe danach spielte, umfassend
recherchiert und ihre Ergebnisse in einem sehr lesenswerten Aufsatz
(in: „Aktenkundig“, Rowohlt Berlin, 1 992)
veröffentlicht. Freyas Ergebnisse sind ein wichtiger
Mosaikstein im Bild der Geschichte, die noch zu schreiben ist.
Bärbel Bohley und Werner Fischer, teilte mir Schnur weiter
mit, hätten ein Arbeitsvisum nach England akzeptiert. Ich
fragte nach Einzelheiten und erfuhr, daß Paul Oesterreicher,
dem ich als aktives Mitglied der englischen Friedensbewegung
mehrmals begegnet war, im Namen der anglikanischen Kirche für
die Inhaftierten eine Einladung nach England ausgesprochen
hätte. Also auch für mich? Ja. Mein Entschluß,
diese - angebliche - Einladung anzunehmen, stand augenblicklich
fest. Mit einem Schlag sah ich mich von den Qualen einer
eventuellen Ausbürgerung befreit. England war nicht die BRD,
mein Weggehen erschien mir dadurch leichter. Ich würde die
Haft nicht verbüßen müssen, sondern nach einiger
Zeit in die DDR zurückkehren können. Schnur versprach mir
auch, daß ich bald mit meinem Mann sprechen könne. Ich
war überzeugt, daß Knud zwar nicht begeistert sein
würde, aber letztlich diese Möglichkeit akzeptabel finden
mußte. Ich hatte mich getäuscht: Er reagierte mit einer
Ablehnung, die unüberwindlich war. Er blieb auch dabei, als
wir später noch einmal mit Schnur sprachen. Er hätte
Informationen von Konsistorialpräsident Stolpe, daß ich,
wenn ich bis Mittwoch aushielte, in die DDR entlassen würde,
weil ich als Delegierte von Berlin-Brandenburg im Podium der
Ökumenischen Versammlung in Dresden am Sonnabend, dem 13.
Februar, sitzen sollte.
Schnur
bestritt das alles heftig. Als klar wurde, daß es keine
Einigung geben würde, gingen wir auseinander. Knud wollte sich
die Sache mit England über das Wochenende überlegen,
Schnur sich bei der Kirchenleitung erkundigen. Ich hatte den Schock
über Knuds unnachgiebige Haltung zu verkraften.
Am Sonnabend
wurde ich schon am frühen Vormittag wieder aus der Zelle
geholt und in den Verhörtrakt gebracht. Wieder saß ich
einem Mann gegenüber, den ich zuvor noch nie gesehen hatte. Er
wäre von dem Posten informiert worden, der bei dem
Gespräch zwischen Knud und mir dabeigewesen sei, und habe das
große Bedürfnis, mir zu helfen. Er zeigte mir einen
Zettel, auf dem Bärbel Bohley ihr Visum unter bestimmten
Bedingungen beantragt hatte. Nach diesem Motto könne ich auch
verfahren. Im übrigen sei Bärbel schon mit Werner Fischer
und ihrem Sohn ausgereist. Und die beiden Jungen Till und Andreas
von der Umweltbibliothek, die nun mit mir die letzten im
Gefängnis waren? Die würden in die DDR entlassen.
Für mich sei das nicht vorgesehen.
Also schrieb
ich den Antrag für einen Studienaufenthalt in England unter
den Bedingungen, daß ich nur mit meinen Kindern ausreisen
würde, Philipp die Wahl hätte, mitzukommen oder zu
bleiben, im welchem Fall er aber ein Mehrfachvisum für Besuche
erhalten solle, und daß ich nach einem Jahr zurückkehren
dürfe. Ich wollte vorher aber unbedingt mit Knud und Philipp
sprechen. Am Nachmittag wurde ich erneut in die
Magdalenenstraße gebracht. Im Besucherraum saß wieder
der Mann vom Vormittag. Er solle mich von meinem Mann
grüßen und mich bitten, schon allein vorauszufahren. Er
käme dann mit den Kindern nach. Ich schüttelte den Kopf.
Ich würde nur mit meinen Kindern die Grenze passieren! In
diesem Falle müßten wir warten, bis Knud und Philipp
kämen. Er ließ mich erst in eine Zelle bringen, dann
aber bald wieder herausholen, weil er sich offensichtlich
langweilte. Ich hatte keine Wahl und mußte ihm Gesellschaft
leisten. Er erzählte mir, daß er der Bearbeiter von
Bärbel Bohley wäre, und dann: „Ich hätte nie
geglaubt, daß Sie die Letzte sein würden. Ich hab'
gewettet, daß es Bärbel ist.“ „Wie
bitte?“ Und etwas ungeduldig erklärte er mir, daß
die Bearbeiter untereinander eine Wette abgeschlossen hätten,
wer von uns es am längsten im Knast aushielte bzw. als letzter
ginge. Ich gebe zu, ich brauchte einige Zeit, bis ich die ganze
Ungeheuerlichkeit, die hinter dieser Mitteilung steckte,
begriff.
An jenem
Sonnabend konnte ich nicht lange darüber nachdenken, denn mein
damaliger Mann erschien in Begleitung von Rechtsanwalt Gregor Gysi.
Ich war aufs höchste alarmiert, denn mir fiel ein, was mein
ehemaliger Kollege mir seinerzeit über Gysi als
Hoffnungsträger geschiedener Ehemänner, die um ihrer
Kinder kämpften, berichtet hatte. Ich bestand deshalb darauf,
mit meinem Mann allein sprechen zu wollen. Wir kamen uns aber kein
Stück näher. Er war überzeugt, ich würde im
Westen depressiv und wäre dann nicht mehr in der Lage, die
Kinder zu versorgen. Unsere Familie würde im Westen
zerbrechen. Ich war fassungslos: Ob er glaube, daß eine
Mutter im Gefängnis förderlich für das Familienleben
sei? Ob er nicht gemerkt hätte, wie sehr mich die Repressionen
der letzten Jahre an den Rand meiner Kraft gebracht hätten und
daß ich eine Pause brauchte, um weitermachen zu können?
Schließlich schlug mein Mann vor, ich solle wenigstens bis
zum 22. Februar, dem Vorabend seines Geburtstages, im
Gefängnis bleiben. Er war überzeugt, wenn ich noch ein
paar Tage aushielte, würde ich in die DDR entlassen werden.
Ich war zwar nicht überzeugt, gab aber nach.
Ich ließ
Rechtsanwalt Gysi kommen, um die „Vereinbarung“
schriftlich zu fixieren. Es war ein absurdes, mühsames
Unternehmen. Bis zum 22. Februar sollte der Vater über den
Aufenthalt der Kinder bestimmen, danach sollte ich entscheiden
dürfen. Kaum hatten wir die Vereinbarung unterschrieben,
erklärte mir Herr Gysi, daß ich nun sofort ausreisen
könnte. Nach dieser Vereinbarung könnte ich ja ab 23.
Februar den Aufenthaltsort der Kinder bestimmen. Er persönlich
würde sie mir an jeden Ort der Welt nachbringen. In diesem
Augenblick glaubte die Staatssicherheit, ihre Sache gewonnen zu
haben. Mein Sohn Philipp wurde geholt, damit ich ihn von meiner
Ausreise unterrichten konnte. Statt dessen sagte ich ihm, daß
es nicht zu einer Ausreise käme. Ich dachte nicht eine Sekunde
daran, ohne meine Kinder das Land zu verlassen.
Ich habe
später oft darüber nachgedacht, was gewesen wäre,
wenn ich Herrn Gysi vertraut hätte. Ich hätte meine
Kinder verloren. Natürlich wären sie mir von Gysi nicht
„an jeden Ort der Welt“ nachgebracht worden. Die
„Vereinbarung“ war das Papier nicht wert, auf das sie
geschrieben war. Erstaunlich war nur, daß Gysi und die
Staatssicherheit geglaubt haben, mich auf diese Weise gefügig
machen zu können. Der Stasimann, der mich aufforderte, nun das
Gespräch mit meinem Sohn zu beenden und mich für die
Ausreise bereit zu halten, geriet jedenfalls sichtbar aus der
Fassung, als ich ihm sagte, daß ich nicht daran dächte.
Er stürzte in den Nachbarraum und brüllte, ohne die
Tür zu schließen, ins Telefon: „Sie will nur mit
den Kindern gehen“. Kurz darauf wurde ich von meinem Sohn
getrennt, ohne mich verabschieden zu können und nach
Hohenschönhausen zurückgebracht.
[...]
Susi und ich
machten uns den Sonntag besonders schön. Mein Mann hatte mir
zu den beiden Unterredungen reichlich Leckerbissen mitgebracht.
Unsere Tafel war so üppig, daß wir sogar die Oliven
vergaßen, die wir als Vorgeschmack auf Susis italienisches
Leben kosten wollten. Wieder mußten wir eine ganze Weile
warten; worauf, verriet mir Gysi nicht. Der Montag begann ruhig,
fast öde und trist, was auch irgendwie unsere Stimmung
bedrückte. Gegen Mittag wurde unsere Zelle aufgeschlossen und
ich herausgerufen. Intuitiv wußte Susi in diesem Augenblick,
dass ich entlassen wurde. Die Wärter gaben uns aber keine
Gelegenheit, uns zu verabschieden. An der „Schleuse“
kam mir der Bohley-Bearbeiter entgegen und fragte, ob wir ein
Stück miteinander fahren wollten. Ich zuckte mit den
Schultern, um anzudeuten, dass ich keine Wahl hätte. Er
führte mich zu einem Auto, in dem schon eine Frau saß,
die ihre Hände um eine Handtasche krampfte und mich nicht
ansah. Wir wurden zu einem Gebäude am östlichen Stadtrand
gefahren, von dem ich jetzt weiß, dass es ein Gästehaus
der Staatssicherheit in Hönow war. Ich mußte mit dem
Bohley-Bearbeiter in einer Mischung von Wohn- und Konferenzzimmer
warten. Nach einer Weile kam Gregor Gysi ins Zimmer. Während
des Gesprächs verließt er einmal den Raum und kam mit
einem Tablett, auf dem eine Thermoskanne Kaffee und zwei Tassen
standen wieder. Als er mir eine Tasse anbot akzeptierte ich mit den
Worten, daß mir seine Entwicklung vom Kinderklauer zum
Kaffeebringer lieber sei als umgekehrt. Dem routinierten Rhetoriker
fiel darauf keine Erwiderung ein. Wir tranken unseren Kaffee im
tiefsten Schweigen.
Als mein Mann
und Rechtsanwalt Schnur erschienen, eröffnete Gysi die
„Verhandlung“, indem er meinem Mann mitteilte, was ihm
am Vormittag angeblich in der Generalstaatsanwaltschaft in bezug
auf mich gesagt worden war: Auf all meine Bedingungen sei
eingegangen worden. Nach einem Jahr könnte ich
zurückkehren. Man erwarte allerdings, daß ich mich nicht
zur Anführerin einer Anti-DDR-Kampagne mache.
Anschließend sprach mein Mann. Er sei mit allem
einverstanden, er käme mit mir. Auf der
Generalstaatsanwaltschaft sei noch mal bekräftigt worden,
daß ich nicht in die DDR entlassen werde, er wolle nicht von
mir verlangen, daß ich im Gefängnis bleiben solle.
Danach ging es nur noch um Einzelheiten. Ich wußte, daß
mein Sohn Philipp auf jeden Fall in der DDR bleiben wollte. Er
befand sich mitten in den Prüfungen für den
Abschluß der 10. Klasse. Ich sollte nur für ein Jahr das
Land verlassen und dann zurückkehren dürfen. Für
diese Zeit wurde Philipp ein Paß mit einem Mehrfachvisum
zugesichert, damit er mich jederzeit besuchen könnte. Die
Staatssicherheit wäre noch andere Bedingungen eingegangen, nur
um mich loszuwerden. Ich schrieb Philipp einen Brief und ließ
mir von Gysi in die Hand versprechen, daß er ihn meinem Sohn
sofort persönlich bringt. Ich traute Gysi zwar nicht, nahm
aber an, daß ein Mann, dessen Sohn in etwa im selben Alter
war wie mein Sohn Philipp, so viel menschliches Mitgefühl
aufbringt, um nicht zuzulassen, daß mein Sohn von der
Abschiebung seiner Mutter aus den Medien erfährt. Aber genau
das war der Fall. Gysi hat entgegen seinem Versprechen den Brief
erst am nächsten Tag in den Briefkasten gesteckt. Mein Sohn
erfuhr aus dem Radio, daß seine Mutter und seine Brüder
bereits im Westen waren.
Während
ich mit Gysi die Details meiner Abschiebung besprach, schwieg
Rechtsanwalt Schnur auffällig. Er ließ sich lediglich
von mir in einem Brief bestätigen, daß er meine
Entscheidung nicht beeinflußt hätte. Zum Dank dafür
verbreitete er anschließend bei der Kirchenleitung und den
Freunden aus der Bürgerrechtsbewegung, meine Entscheidung, in
den Westen zu gehen, wäre von mir auf einem
„Waldspaziergang“ getroffen worden. Schnur, der damals
nicht nur der Vertrauensanwalt der Kirchenleitung war, sondern den
auch alle Bürgerrechtler vertrauten, hat erheblich zur
Desinformation beigetragen. Das Vertrauen in Schnur ging so weit,
daß weder Freya Klier noch mir geglaubt wurde, als wir von
seiner zwielichtiger Rolle bei unserer Abschiebung sprachen. Uns
wurde nicht geglaubt, daß er uns das Ausmaß der
Solidaritätsbewegung für unsere Freilassung verschwiegen
hatte. Schnur, der als tief religiös, gradlinig, ja, geradezu
unfähig zur Lüge galt, stieg im Herbst 1989 zu einer
Symbolfigur der Bürgerrechtsbewegung auf. Er gründete den
„Demokratischen Aufbruch“ mit und saß für
diese Organisation am „Runden Tisch“, der während
der Regierungszeit der letzten SED-Regierung Modrows offiziell als
Krisenmanager fungierte.
Erst viel
später wurde klar, daß der „Runde Tisch“
wenig zur Bewältigung der Krise beitrug, sondern vor allem als
Tarnung diente, um möglichst viele Spuren der SED-Herrschaft
zu beseitigen. So sorgten die unerkannten beziehungsweise
mutmaßlichen Inoffiziellen Mitarbeiter der Staatssicherheit
am Runden Tisch wie Ibrahim Böhme (SPD), Wolfgang Schnur (DA),
Gregor Gysi (SED), Lothar de Maiziere (CDU), um nur die wichtigsten
zu nennen dafür, daß die Hauptverwaltung Aufklärung
der Staatssicherheit, die mit Spionage und Subversion im westlichen
Ausland befaßt war, offiziell ihre Datenträger
vernichten durfte. Damit wurde die Aufklärung der Verbrechen
der HVA sehr erschwert, was ihrem früheren Chef Markus Wolf
ermöglichte, sich als sozialistischer James Bond zu
stilisieren. Mit Hilfe des Runden Tisches gelang es der SED auch,
die Frage nach ihrer Enteignung gar nicht erst aufkommen zu lassen.
Schließlich wollten alle „verantwortlich“ agieren
und jede „Eskalation“ vermeiden. Die
Bürgerrechtler sind mit allen Regeln der Kunst über den
Runden Tisch gezogen worden. Deshalb schwärmt die PDS noch
heute von Runden Tischen und möchte das ganze Land am liebsten
mit ähnlichen Konstrukten überziehen. Bei
Bürgerrechtlern mit der Fähigkeit, das eigene Verhalten
kritisch zu analysieren, löst die Erinnerung an den Runden
Tisch wenig Freude aus. Bemerkenswert ist, daß drei der
eifrigsten Akteure am Runden Tisch als Rechtsanwälte mit der
Abschiebung der Bürgerrechtler im Januar/ Februar 1988
befaßt waren. Neben Schnur und Gysi auch Lotzar de Maiziere
als Anwalt von Wolfgang und Lotte Templin.
Wobei Gysis
Rolle bei meiner Abschiebung am unklarsten ist. Er hatte weder von
mir ein Mandat, noch, wenn ich seinen Beteuerungen glauben darf,
ein Mandat meines ehemaligen Mannes. Warum er an jenem Montag bei
der Staatsanwaltschaft gewesen sein will, um sich nach dem Stand
meiner Angelegenheiten zu erkundigen, darüber schweigt sich
Gysi bis heute aus. Als ich im Jahre 1990 als
Volkskammerabgeordnete meine Rehabilitierung vor dem Obersten
Gericht der DDR betrieb, bekam ich meine Prozeßunterlagen zur
Einsicht. Aus den Unterlagen geht hervor, daß mein Richter
Wetzenstein-Ollenschläger schon am vorausgegangenen Sonnabend
eine Entlassungsanweisung für mich unterschrieben hatte. Meine
Strafe sollte auf Bewährung ausgesetzt werden, weil mein
Verhalten habe erkennen lassen, daß ich meine Tat bereue und
Hoffnung bestünde, daß ich künftig die
sozialistischen Gesetzlichkeit einhalten würde. Die
Staatsanwaltschaft kann also Gysi nicht mitgeteilt haben, daß
meine Entlassung außerhalb jeder Diskussion sei. Klar ist
jedenfalls, daß es den Willen der Staatssicherheit gab,
maßgeblich Bürgerrechtler aus dem Lande zu entfernen,
und daß alle drei Rechtsanwälte in diesem Sinne
gehandelt haben.
Als ich meine
Gerichtsakten 1991 in die Hand bekam, rief ich Gysi an. Wir waren
seit ein paar Wochen Kollegen in der ersten frei gewählten
Volkskammer und saßen nur durch einen Gang getrennt
nebeneinander, weil wir beide Vorsitzende unserer Fraktionen waren.
Gysi war nicht da, und so teilte ich seinem Sohn meine Entdeckung
mit und sagte ihm, daß ich eine Erklärung seines Vaters
wünschte. Gysi rief morgens gegen fünf Uhr zurück.
Er gab sich überrascht und empört. Das man ihm bei der
Staatsanwaltschaft belügen könnte, darauf wäre er
niemals gekommen. In der nächsten halben Stunde zog er wieder
alle Register seiner rhetorischen Fähigkeiten. Das
Gespräch endete mit einer merkwürdigen Offerte.
Bürgerrechtlerinnen wie Bärbel Bohley und ich wären
für den Vorstand der PDS genau das, was er brauche. Die Wahlen
hätten ja gezeigt, daß aus Bündnis 90/ Grüne
keine wirkliche politische Kraft geworden sei. Wenn PDS und
maßgebliche Teile der Bürgerrechtsbewegung gemeinsame
Sache machten, hätten wir wirklichen Einfluß auf die
Entwicklung. Das solle ich mir überlegen.
In diesen
Tagen erschien bei mir meine frühere Freundin Jutta Braband,
die sich mit einem Teil der Vereinigten Linken an die PDS
angeschlossen hatte. Sie wollte mich werben, Chefin einer Stiftung
zur Förderung „Linker Projekte“ zu werden. Das
Stiftungskapital, eine fünf mit einer schwindelerregenden Zahl
von Nullen daran, wollte die PDS zur Verfügung stellen. Ich
könne allein über die Verwendung des Geldes bestimmen,
oder, wenn ich wollte, andere Personen meines Vertrauens
beteiligen. Ich lehnte nicht gleich ab, weil ich hoffte, die
Papiere in der Hand zu bekommen. Aber das gelang mir nicht. Ich
sollte nicht einmal nach der Unterzeichnung eine Kopie erhalten.
Natürlich würde ich niemals behaupten, daß Gysi auf
diese Weise versuchen wollte, mein Schweigen zu erkaufen, aber
daß mir dieser Gedanke gekommen ist, kann ich nicht leugnen.
Ich weiß wenigstens von Bärbel Bohley, daß sie mit
ähnlichen dubiosen Angeboten geködert werden
sollte.
[...]
Marx ist
mies!
Rede im
Theater Kassel (Dezember 2001)
Als der
Staatskommunismus seinem endlichen Ende zuging, soll der polnische
Regimekritiker Adam Michnik zu Jürgen Habermas gesagt haben:
„... ich habe noch nie von Ihnen über den Totalitarismus
und den Stalinismus etwas Richtiges gelesen.“ Und Habermas,
der Staatsphilosoph der Bundesrepublik Deutschland, habe
geantwortet:
„Wir
kamen nicht auf die Idee, daß es wichtig war.“ Nun
sieht man allerorten - nicht zuletzt in der Bundesregierung -, was
dem 68er-“BRD“-Soziologen-Typus wirklich
„wichtig“ war: die eigene Karriere nämlich. Man
muß das akzeptieren! Aber mit welcher Skrupellosigkeit
für das Fortkommen Geschichte instrumentalisiert und eine
totalitäre Ideologie
(ein wenig ins
Liberale, Unverdächtige phrasiert) kritiklos genutzt worden
ist,
das darf
zumindest erstaunen.
Der Marxismus
war die größte politische Massenbewegung des 20.
Jahrhunderts.
Die
Universalität seiner Ansprüche war einzigartig! Die in
seinem Namen begangenen Verbrechen sind unvorstellbar! Heute werden
diese Opfer als unvermeidlicher Blutzoll für den
geschichtlichen Fortschritt abgebucht. Für manche ist Karl
Marx immer noch der größte Denker des
Industriezeitalters. Andere halten ihn gar für aktuell! Die
Faszination, die von der marxistischen „Weltanschauung“
und Machtpolitik ausging und ausgeht, ist ungeheuer. Es ist der
Wahn der absoluten Gleichheit! Beinahe mühelos konnte sich das
rote Gespenst in Europa ausbreiten und vor allem Intellektuelle, in
seinen pseudo-religiösen Bann ziehen.
Daß
„Karl Marx der größte Geist des zweiten
Jahrtausends“ sei, behaupteten „einige Tausend
Menschen“, die sich an einer Internet-Abstimmung des
britischen Senders BBC beteiligt haben sollen. Knapp hinter Marx
sei Albert Einstein auf einem guten zweiten Platz gelandet, teilte
die BBC mit. Die undurchsichtige Internet-Abstimmung,
mehr aber noch
der Eifer, mit der sie in den Medien tausendfach
vervielfältigt wurde,
beweisen,
daß Karl Marx, der Vater der kommunistischen Ideologie noch
immer viele Verehrer hat. Wie erklärt sich das?
1985 stellte
vor mehr als tausend in Göttingen versammelten Sprach- und
Literaturwissenschaftlern der damalige Bundespräsident Richard
von Weizsäcker den Kommunisten Marx an die Seite von Goethe,
als er erklärte; „Buchenwald lag in der Nähe des
Ettersberges, von dem Goethe so oft ins thüringische Land
geschaut hatte. Seine Sprache, die Sprache von Martin Luther und
Friedrich Hölderlin, von Karl Marx und Thomas Mann, von Hugo
von Hofmannsthal und Sigmund Freud wurde von Unmenschen und
Verbrechern mißbraucht und geschunden.“
Es ist zu
hoffen, daß der unappetitliche Sprachextremismus, in dem sich
Marx auszudrücken pflegte, dem Bundespräsidenten nicht
vollständig präsent war.
Nannte doch
der gelobte Klassiker Marx Menschen, die nicht in sein
ach-so-humanistisches Weltbild paßten, abwechselnd
„Menschenkehricht“, „erbärmliches
Gesindel“, „Lumpenbande“,
„Erzlumpen“, „Schweinehunde“,
„Saupack“, „Fortschrittsschweine“ oder
„Schufte“. So war denn auch dem
„größten Geist des zweiten Jahrtausends“ das
„Lumpenproletariat“ der „Abhub der verkommenen
Subjekte aller Klassen“.
Es gibt
unzählige Zitate wie dieses: „Weit entfernt, den
sogenannten Exzessen, den Exempeln der Volksrache an
verhaßten Individuen oder öffentlichen Gebäuden, an
die sich nur gehässige Erinnerungen knüpfen,
entgegenzutreten, muß man diese Exempel nicht nur dulden,
sondern ihre Leitung selbst in die Hand nehmen.“
Die
Herausgeberin der Zeit, Marion Gräfin Dönhoff, meinte
Marx richtig einzuordnen, als sie schrieb: „Vom 18.
Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg gab es ein gemeinsames
europäisches Bewußtsein: Montesquieu, Rousseau,
Voltaire, Goethe und Diderot, Hegel und Marx hatten es geschaffen.
Jeder kannte des anderen Werke. Jeder las jeden.“
Richtig
muß es heißen: Keiner las Marx. Denn als Goethe - der
alle anderen von der Gräfin genannten Heroen des Geistes
überlebte - starb, war Marx gerade 13 Jahre alt.
Aber was
soll's. Marx gehört eben „dazu“!
Die Briefe von
Marx sind zumindest wenig geeignet, die Legende vom liebenden Sohn
zu bestätigen. Kaum nämlich ist der umbettelte Vater tot,
wird die „Engelsmutter“ zur „Alten“, der
Marx schließlich den Tod wünscht. „Mit meiner
Alten ist É nichts zu machen, bis ich ihr direkt auf dem
Hals sitze.“ Als der Onkel seiner Frau verstarb („der
alte Hund“), war das für Marx ein very happy event. Die
Tochter Eleanor berichtet über die Ehe ihrer Eltern nur Gutes.
Natürlich, doch die Realität eines traurigen und bitteren
Lebens der Gattin an der Seite eines Egomanen spricht dieser
Schilderung Hohn.
Allerdings hat
Ehefrau Jenny sich selbst immer bemüht the real state of
things verborgen zu halten. Nun, die Beschönigung im
Familiären ist verständlich, wenn auch nicht redlich. Sie
gewinnt dadurch eine ungute Bedeutung, da sie den Beginn weiterer
Retuschen am Charakterbild von Marx abgibt. Marxens antisemitische
Ausfälle (Lassalle war für ihn „der jüdische
Nigger“), seine Bezeichnung der deutschen Nation als
„die Scheiße an und für sich“ und die
Aufrufe zur Gewalt werden ebenso ungern zitiert wie seine Hetze
gegen die slawischen Völker: die Südslawen werden als
„Völkerabfall“ bezeichnet.
Die
unverdiente Beförderung von Marx zum Urheber der deutschen
Arbeiterbewegung geht auf Engels zurück. Auch hinter der
unbelegten Behauptung, Marx habe die Internationale begründet
und sei der Spiritus rector beim Aufstand der Pariser Kommune
gewesen, steht Engels. Sobald die Arbeiter sich allerdings der
intellektuellen Führung nicht mehr willenlos unterordneten, so
geschehen im Arbeiterverein London, wurden sie zu
„Nullen“, „Eseln“ und
„Pack“.
Hinsichtlich
der Beurteilung von Marxens wissenschaftlicher Leistung gab es
frühzeitig tiefe und berechtigte Skepsis: Eduard Bernstein
schon bestritt kategorisch, daß Marxens Sozialismus
wissenschaftlich genannt werden dürfe. Aber nicht der
geschichtliche Marx und seine diffuse Lehre waren in der
„Bewegung“ gefragt, sondern eine integrierende Legende:
kultfähig und kulturwürdig, machttauglich vor allem! Mit
wachsendem Einfluß der sozialistischen Bewegung und dann dem
zunehmenden politischen Gewicht der Sowjetunion, wurde die
Verehrung staatstragend. Auch nach dem Zusammenbruch des real
existierenden Sozialismus blieb der Mythos Marx erhalten. Gesagt
wird nun von den Glaubenden: Nicht Marx sei das Problem, der
„Marxismus“ sei es. Marxismus aber ist bloß die
Summe der zahlreichen Irrtümer des Karl Marx.
Das Ziel des
Karl Marx war das „Vernichten“ der Bourgeosie und die
gewaltsam-revolutionäre Durchsetzung der „Diktatur des
Proletariats“. Wer sich am Marx-Kult beteiligt, huldigt
totalitärem Denken und fördert das daraus entstehende
Handeln. Denn Ideen haben Konsequenzen. Marx ist ein Vater des
roten Terrors! Und der Marxismus ist das Psychogramm einer ganzen
Epoche. Sowohl in der Philosophie als auch in der politischen
Theorie spielt der Marxismus immer noch eine große Rolle.
Doch der Satz Pierre Bourdieus trifft: „Jeder Fortschritt in
den Sozialwissenschaften ist gegen den Marxismus erkämpft
worden.“
Die inneren
Schwächen der Marxschen Theorie sind eklatant, und müssen
hier nicht in extenso erörtert werden: Warum etwa haben sich
die roten Revolutionen sich nicht in den hochindustrialisierten
Gesellschaften, sondern in den weniger entwickelten Gesellschaften
durchgesetzt? Warum mußte das „richtige“
Klassenbewußtsein der Arbeiter durch die dieser Klasse nicht
ursprünglich angehörenden Intellektuellen erweckt werden
- und zwar oft mit der Mauserpistole in der Hand. Eine tiefe Kritik
des Marxismus stammt von Hannah Arendt. Sie erkannte
Nationalsozialismus und Marxismus als zwei Formen ein und desselben
Übels: des Totalitarismus. Der Totalitarismus zeichne sich
durch Terror aus und durch die Herrschaft der Ideologie. Der
heideggernde Ausgangspunkt Hannah Arendts ist die Wurzellosigkeit
des modernen Menschen nach dem „Tod Gottes“. Der
moderne Mensch flüchte in Ideologien, um der Last seiner
metaphysischen Freiheit zu entgehen. Eine Ideologie erhebe den
Anspruch auf totale Welterklärung, sie mache aus einer Idee
eine absolute politische Voraussetzung. Arendt deutete die
Auszehrung aller Freiheiten und das Ende der politischen
Urteilskraft als einen Bruch mit abendländischer
Tradition.
In der DDR
wurde immer entschuldigend gesagt: die Theorie sei gut, nur die
Praxis...
Für die
Fehler waren die noch unüberzeugten, allzu schwachen
Individuen verantwortlich. Genau das ist das Problem des Marxismus:
Er ist unmenschlich! Weil die Menschen nicht so sind, wie Marx es
in einer Reihe angeblicher historischer „Gesetze“
festschreiben wollte, sollten die Menschen anders werden! Und im
extremen Falle mußten die Unbelehr- und Unüberzeugbaren
von ihrer irdischen Menschlichkeit befreit werden.
Die
marxistischen Terrorregimes schrieben ihr ungeheuerliches
Schwarzbuch im Namen der Gleichheit, Gerechtigkeit und
Humanität - und auf der Basis einer primitiven Anthropologie.
Marx wollte nichts weniger als eine radikalen Säuberung der
Welt von allen Urhebern des Unheils. Das lief auf die Produktion
eines neuen Menschen, eines sozialistischen Übermenschen
hinaus. Nicht daß er eine Utopie war, machte den Marxismus so
einzigartig in seiner Wirkung, sondern daß er diese Utopie um
jeden Preis realisieren wollte, sich mithin anschickte, daß
Unmögliche zu verwirklichen. Utopie wurde Politik!
Verbindliche
Absicht des Marxismus war der Bruch mit der Geschichte, die
Herstellung der unschuldigen Nachgeschichte, eines paradiesischen
Endzustandes. Es ging um die Verwirklichung des uralten Traums von
vollkommenem Glück Es war ein Aufstand gegen die schnöde
Realität des Menschseins, gegen die ungleiche
Wirklichkeit.
Marx
wähnte sich im Besitz einer wissenschaftlichen Weltanschauung,
glaubte, den Schlüssel zur Klärung des Weltenrätsels
gefunden zu haben. Der totalitäre Sündenfall seiner Lehre
bestand darin, daß Ideen auf Ideologien reduziert und
realisiert wurden.
Das
führte zur Unterwerfung der politischen Welt und des Humanen
im Rausch des politisch-soziologischer Machbarkeit. Der Wille, das
höchste Glück zu verwirklichen, endete im totalen und
sich dabei „rein“ dünkenden Verbrechen. Das
menschliche Wesen ist für Marx ein Ensemble der
gesellschaftlichen Verhältnisse, eigentlich deren
Produkt.
Wir sind
determiniert, bestimmt durch unsere Klassenzugehörigkeit. Jede
Individualität wird als sekundär zurückgewiesen. Und
jedes Abweichen von der Klassennorm kann als „unnormal“
bekämpft werden. Ein gleichförmiger
Sozialisationsprozeß hatte das Ziel, Individualität
auszulöschen. In diesem Sinne erstellte Walter Ulbricht im
Jahre 1958 zehn „Gebote der neuen sozialistischen
Sittlichkeit“, die konkrete Verhaltensvorschriften
enthielten: Vorschrift 4 besagte: „Du sollst gute Taten
für den Sozialismus vollbringen, denn der Sozialismus
führt zu einem besseren Leben für alle
Werktätigen.“
Gerade der
Marxismus erwies sich als reiner Konstruktivismus. Das Ziel, die
Herausbildung des Menschen zur „allseitig entwickelten
Persönlichkeit“, lief tatsächlich auf die
Abschaffung des Menschen hinaus, endete in Manipulation,
Entmündigung, Unterdrückung, Ermordung, in der
„Enthumanisierung“ im großen, im GULag, wie im
kleinen. Auch die DDR war nicht harmlos. Die Gesellschaft wurde
durch eine uniforme Parteigesellschaft ersetzt. Die Nachwirkungen
spüren wir heute noch! Die heute in PDS-Kreisen vertretene
Doktrin vom „Stalinismus“ als Entartung des an sich
humanen Marxismus, der Banalisierung der DDR als nur
„real-sozialistisch“ zielt darauf, die
tatsächliche Genese und die Konsequenzen dieses
grundsätzlich inhumanen Lehrgebäudes zu verschleiern. Es
könnte sich als fatal erweisen, das Thema Marx nach dem
ökonomischen und ökologischen Bankrott der
sozialistischen Systeme als erledigt zu betrachten.
Es hat den
Anschein, daß mit dem Verschwinden der abstoßenden
sozialistischen Realität sich den marxistischen
Träumereien wieder neue visionäre Räume
erschließen.
Sicher wird es
so bald keine Wiederkehr des Marxismus als Machtergreifungstheorie
geben. Auch die PDS lebt eher von der tumben Ostalgie und der
Abschottung gegen den Westen. Aber es gibt in Deutschland einen
tiefsitzenden antiliberalen Hang zum Sozialismus, zum Kollektiven,
zur Gleichmacherei. Vergangenheitsbewältigung im Hinblick auf
die blutige Geschichte des Marxismus-Leninismus findet kaum
statt.
Die Erfinder
der Trauerarbeit zeigen keine sonderliche Neigung, in eigener Sache
das vorzuführen, was sie bei anderen so schmerzlich vermissen.
Und mit der Durchsetzung des „Antifaschismus“ (unter
Einbeziehung der PDS!) gegen den bis 1968 herrschenden
antitotalitären Grundkonsens haben die Apologeten der
untergegangenen Diktaturen sich wieder ein Podest erobert - von dem
aus erstens Medienpräsenz gewährleistet und zweitens
moralische Unangreifbarkeit gesichert ist.
Stéphane Courtois schrieb: „Nach den wichtigen
Debatten, die das Schwarzbuch insbesondere in Deutschland
ausgelöst hat, versucht die extreme Linke, die kommunistischen
Verbrechen hinter der (angeblichen) Reinheit des marxistischen
Ideals zu verstecken. Nachdem sie sich jahrzehntelang
rechtfertigte, indem sie dem 'schlechten Stalin' den 'guten Lenin'
gegenüberstellte, verteidigt sie sich heute mit der
Gegenüberstellung des 'guten Marx' und des 'schlechten
Lenin'.“ Aber der Stalinismus ist keine Verzerrung des
Marxismus, sondern seine Entzerrung zur Kenntlichkeit. Viele
Marxsche Gedanken finden sich „transformiert“,
verbrämt, gestylt wieder. Nach Marx' kritischer Auffassung ist
der moderne Kapitalismus eine „verkehrte Welt“. Die
Welt des real existierenden Kapitalismus stellt sich dar als eine
Welt von „Sachzwängen“ oder „objektiven
Notwendigkeiten“. Das bietet viele bequeme Erklärungen.
Die Handelnden sind nicht Personen sind sondern mythische,
rätselvolle Wesenheiten: das Kapital, die Märkte, der
Arbeitsmarkt.
Die
Börse, die Konjunktur, manchmal auch der
„Weltmarkt“ regieren uns, die „Preise“, die
„Zinsen“, die „Kurse“ etc.. machen, was sie
wollen. Da ließe sich etwa in dem folgenden Marx-Zitat der
Begriff „Bourgeoisie“ durch
„Globalisierung“ ersetzen - und schon erscheint Marx
wieder aktuell. „Die Globalisierung hat durch die
Exploitation des Weltmarktes die Produktion und Konsumtion aller
Länder kosmopolitisch gestaltet. Sie hat [...] den nationalen
Boden der Industrie unter den Füßen weggezogen. (Diese)
[...] werden verdrängt durch neue Industrien, [...] die nicht
mehr einheimische Rohstoffe, sondern den entlegensten Zonen
angehörigen Rohstoffe verarbeiten und deren Fabrikate nicht
nur im Lande selbst, sondern in allen Weltteilen zugleich
verbraucht werden. An die Stelle der alten [...] nationalen [...]
Abgeschlossenheit tritt ein allseitiger Verkehr, [...] der Nationen
voneinander. [...] Die geistigen Erzeugnisse [...] werden
Gemeingut. [...] Die Globalisierung reißt [...] durch die
unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die
barbarischsten Nationen in die Globalisierung
[...].“
Und schon hat
„man“ auch seinen universalen Feind wieder. Der
Marxismus war eine universale Ideologie der Verheißung. Seine
geschichtlichen Folgen waren gewaltig,
seine
anhaltende geistige Ausstrahlung ist noch nicht überschaubar.
Man darf sich sogar fragen, ob der „Westen“ Europas
nicht durch egalitaristische, konstruktivistische Gedanken so stark
geprägt ist, daß die extreme Linke schon als
Normalität erscheint.
Wenn
„links“ interpretiert werden darf als Opposition gegen
ungerechte Realitäten, gegen menschliche Ungleichheit, als
Revolte gegen die Geschichte selbst, dann wäre die
„Linke“ die lebendige politische Form der Eschatologie,
die stets in bester Absicht zu unabsehbaren Handlungen neigt. Wir
haben es seit Jahren in der Bundesrepublik Deutschland mit der
Verschiebung von Begriffen und Paradigmen zu tun. Eine
Intellektualität hat sich entfaltet, die sich zwar dogmatisch
auf Vernünftigkeit und Vorurteilslosigkeit bezieht, aber nicht
willens und in der Lage zeigt, Erkenntnisse anzuerkennen, die ihre
Grundlagen in Zweifel zieht. Diese „Ideologie“ hat in
Deutschland längst die Züge einer unkritischen
Zivilreligion angenommen.
Botho
Strauß schrieb im Anschwellenden Bocksgesang: „Der
Widerstand ist heute schwerer zu haben, der Konformismus ist
intelligent, facettenreich, heimtückischer und
gefräßiger als vordem, das Gutgemeinte gemeiner als der
offene Blödsinn [...].“ Gegen offenen oder latenten
Dogmatismus und Spätmarxismus helfen nur die Leitbegriffe
abendländischer Tradition: Freiheit und Klugheit. Es waren der
deutsche Neuhumanismus und der britische Liberalismus, die gegen
das Denken einer idealen Menschheit das Recht des historischen
Menschen und seiner Individualität verteidigt haben. Grundlage
des demokratischen Wirkens und freiheitlichen Denkens kann nur die
grundsätzliche und antimarxistische Anerkennung der
Imperfectio Hominis, die Unvollkommenheit des Menschen sein. Der
individuelle „Mensch“ muß vor der
„Menschheit“, vor jeder „wissenschaftlichen
Ideologie“ und ihren konstruktivistischen Absichten stehen.
Der Marxismus als Gegenmodell wird so einerseits nicht siegen, weil
er der menschlichen Natur widerspricht. Aber kann nicht besiegt
werden, weil er das Paradies auf Erden verspricht.
aktualisiert: 05.10.2004
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