50. JAHRESTAG DER EUROPÄISCHEN MENSCHENRECHTSKONVENTION Mittel- und osteuropäische Staaten bei ihren Bemühungen unterstützen(mr) Die Bundesregierung soll mittel- und osteuropäische Mitgliedstaaten des Europarats unterstützen, die Menschenrechtssituation in ihrem Land zu verbessern, um einen einheitlichen Standard in Europa zu sichern. Dies beschloss der Bundestag am 26. Oktober einstimmig auf Antrag von SPD, CDU/CSU, Bündnis 90/Die Grünen und F.D.P. (14/4390) zum 50. Jahrestag der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK). Die Regierung müsse sich ferner dafür einsetzen, dass neue Europarat-Mitgliedstaaten die Konvention zügig ratifizieren und dass die Urteile des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte strikt befolgt werden. Ein Entschließungsantrag der PDS (14/4403), die Rolle des Europarats aufzuwerten und das Recht auf Asyl in der EMRK zu verankern, wurde mit den Stimmen aller übrigen Fraktionen abgelehnt. In der Debatte des Bundestages zum 50. Jahrestag der Unterzeichnung würdigte Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD) in ihrer Regierungserklärung die Konvention als das umfassendste und effektivste regionale Menschenrechtssystem, das gegenwärtig auf der Welt existiere. Die Konvention repräsentiere einen gesamteuropäischen Mindeststandard an Grund- und Menschenrechten und vereine in sich die unterschiedlichen Rechtstraditionen der 41 Mitgliedstaaten. Ehre und VerantwortungAls am 4. November 1950 neben den damals zehn Mitgliedstaaten des Europarats auch die junge Bundesrepublik Deutschland als Unterzeichner zugelassen worden sei, sei das, so kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, eine besondere Ehre, zugleich auch neue Verantwortung für das Land gewesen. "Das hat uns Deutschen ganz ohne Zweifel sehr dabei geholfen, unsere stabile rechtsstaatliche und soziale Demokratie aufzubauen", so Däubler-Gmelin. Nach der Überwindung des Kalten Kriegs bemühten sich heute über 800 Millionen Menschen, Menschenrechte und deren Schutz in ganz Europa zu verankern, erklärte die Ministerin weiter. Besondere Bedeutung komme dabei dem Europäischen Menschengerichtshof in Straßburg zu. In diesem Jahr seien bisher 15.000 Verfahren registriert worden. 2.500 davon entfielen auf die Türkei. Dies zeuge, so Däubler-Gmelin, von wachsendem Vertrauen der türkischen Bevölkerung in die EMRK, jedoch auch davon, "dass hier noch viel zu tun ist". Das 6. Zusatzprotokoll zur Abschaffung der Todesstrafe habe die Türkei bis heute nicht unterzeichnet. 50 Jahre EMRK wertete auch Bundesaußenminister Joschka Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) als großen Erfolg der Lehren, die Europa aus der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs gezogen habe. Der historische Ansatz grenzüberschreitenden Grundrechtsschutzes setze sich von der "perversen Rassenideologie" Nazi-Deutschlands klar ab. Im ersten Artikel des Grundgesetzes seien dann die notwendigen Konsequenzen gezogen, die Menschenwürde für unantastbar erklärt worden. Dieser Aspekt sei heute aktueller denn je. Kern europäischer VerfassungDie Bundesrepublik müsse sich jedoch immer wieder selbstkritisch fragen, inwieweit sie den Maßstäben der EMRK gerecht werde, so Fischer weiter. In der Geschichte sei die Demokratisierung nicht nur ein Prozess im Inneren Deutschlands, sondern auch eine "Verrechtlichung der Beziehungen zwischen den Staaten" gewesen. Bei der Aufarbeitung des Tschetschenien-Krieges habe der Europarat gezeigt, dass er ein wichtiges Instrument sei, um Russland zur Einhaltung seiner menschenrechtlichen Verpflichtungen zu bewegen. In Biarritz hätten die Staats- und Regierungschefs der EU eine auf der EMRK basierende Grundrechte-Charta angenommen. Die Charta solle zum Kern einer europäischen Verfassung werden. Christian Schwarz-Schilling (CDU/CSU) wies darauf hin, welch mühsamer Prozess sich hinter der Umsetzung der Rechte verberge. "Ständiges Argumentieren, Diskutieren und Appellieren an die Vernunft sowie das Wegräumen von Barrieren auch aus früheren Zeiten" seien erforderlich. "Wir können nur bestehen, wenn wir das, was wir in dieser Charta festgelegt haben, jeden Tag wieder mit neuem Leben erfüllen." Dabei falle Deutschland durch seine Lage im Kernbereich Europas besondere Bedeutung zu. Schwarz-Schilling machte die Verantwortung Deutschlands bei der Beurteilung menschenrechtlicher Tatbestände im Ausland, die Einfluss auf die innerdeutsche Rechtsprechung habe, deutlich. Für Menschen, die sich in einem Asyl- oder Bürgerkriegsflüchtlingsverfahren befänden, sei ein deutsches Urteil schicksalsentscheidend. Dieser Verantwortung werde sich Deutschland "manchmal nur sehr zögerlich bewusst". Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (F.D.P.) unterstrich die Unantastbarkeit der Würde eines jeden Menschen, unabhängig von Herkunft, Abstammung, Glaube oder politischer Überzeugung. In den 173 Konventionen und Vertragswerken des Europarats würde diese Unantastbarkeit dem Rassen- und Ausländerhass, dem Antisemitismus und der Fremdenfeindlichkeit gegenüber gestellt. Rassismus keinen Raum lassenDies sollte, so die Abgeordnete, die "europäische identitätsstiftende Wertordnung" ausmachen und prägend für die Kultur des europäischen Abendlandes sein. "Die Vielfalt der Kulturen, der Religionen, der Abstammungen und der politischen Überzeugungen sollen rassistischer Diskriminierung keinen Raum lassen. Das muss auch für uns Orientierungsmaßstab sein." Carsten Hübner (PDS) äußerte Kritik an der "repressiven Migrations- und Flüchtlingspolitik" der Bundesrepublik. Er zweifelte an der Konsequenz bei der Umsetzung der Konvention im eigenen Land. Gegen die Türkei, in der "die Menschenrechtssituation zum Himmel schreit", forderte er entschlossenere Schritte. Kleinwaffenexporte der EU-Staaten in alle Krisenregionen der Welt seien "ganz nach ökonomischer und strategischer Interessenlage, nicht etwa nach der Menschenrechtslage." |