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Claudia Heine
Durch die rosarote Brille: 200 Ikonen der
Moderne
Das Museum of Modern Art (MoMA) zu Gast in
Berlin
Man konnte sich vor den vielen Stars kaum retten bei der
Pressekonferenz am 18. Februar in der Neuen Nationalgalerie in
Berlin. Überschwänglich bewarben die Initiatoren das
"MoMa in Berlin", so der einfache Titel der Ausstellung. Der Name
ist Programm: "Das MoMa ist der Star", wiederholte der
Generaldirektor der Staatlichen Museen zu Berlin und Direktor der
Nationalgalerie, Peter-Klaus Schuster, immer und immer wieder. Im
Verlauf seiner Vorstellung des Projektes, das vom 20. Februar bis
19. September diesen Jahres 200 Meisterwerke aus der Sammlung des
New Yorker Museums of Modern Art in Berlin zeigt, wurde dann auch
noch die Neue Nationalgalerie zum Star. An solcher Euphorie stand
Glenn Lowry, der Direktor des MoMA, dem Berliner in Nichts nach.
Allerdings widersprach er Schuster in einem wesentlichen Punkt:
"Das MoMa ist nicht der Star! Die Kunst ist der Star!"
Ob man sie nun so betiteln muss oder nicht - wenn es um die New
Yorker Sammlung geht, handelt es sich zweifellos um eine Sammlung
der Superlative, die wie keine andere die Kunst des 20.
Jahrhunderts repräsentiert. Und selbst, wenn man ihr nur einen
kleinen Ausschnitt entnimmt, wie es für die Berliner
Ausstellung geschehen ist, gilt das natürlich weiter.
Thematisch ist sie in einen europäischen und einen
amerikanischen Flügel geteilt, beginnt mit den Malern der
Jahrhundertwende (van Gogh, Cézanne, Rousseau), führt
über die New Yorker Schule (Pollock, Newman) zur Pop Art
(Lichtenstein, Warhol) und endet schließlich mit dem Werk
eines deutschen Künstlers, mit Gerhard Richters RAF-Zyklus.
Was die Besucher erwartet, ist deshalb nichts sensationell Neues.
Der Kunst-Interessierte kennt nicht nur den "Tanz" von Henri
Matisse oder "Die Beständigkeit der Erinnerung" mit den
zerfließenden Uhren von Salvador Dali. Das Besondere ist, die
Originale sehen zu können, ohne dafür nach New York
fliegen zu müssen.
Dort ist das Museum längst dabei, seine Sammlung auf Werke
der zeitgenössischen Kunst auszudehnen. Mit dieser
inhaltlichen Erweiterung geht eine räumliche einher: Zur
Wiedereröffnung anlässlich des 75. Geburtstages des
Museums im Herbst 2004 wird sich seine Fläche verdoppelt
haben. Und nur die umfangreichen Umbau- und
Vergrößerungmaßnahmen boten die einmalige Chance,
Teile der Werke außerhalb der USA zu zeigen. Nie zuvor war ein
derart geschlossener Überblick über die Kollektion im
Ausland möglich und wird es wohl auch danach nicht sein.
Gemeinsame Wurzeln
Dass nun ausgerechnet Berlin als einzige europäische
Station den Zuschlag bekommen hat, begründeteten die
Ausstellungsmacher mit den gemeinsamen Wurzeln der beiden
Städte. Peter-Klaus Schuster sprach von einer "Rückkehr
zu den Quellen", einer "Rückkehr der Moderne", die zeigt, "was
in Berlin hätte sein können, ohne den Bildersturm der
Nationalsozialisten". Denn im Berlin der 20er-Jahre hat die
einzigartige New Yorker Sammlung tatsächlich ihre geistigen
Wurzeln. Insbesondere das Kronprinzenpalais Unter den Linden, als
Dependance der Nationalgalerie, beeindruckte damals den
Gründungsdirektor des Museum of Modern Art, Alfred Barr Jr.
Unmittelbar vor der Gründung des Museums 1929 besuchte Barr
private Sammler und Museen in ganz Deutschland, reiste zum Bauhaus
nach Dessau und lernte dort Walter Gropius, Paul Klee und Lyonel
Feininger kennen. Hier kam er mit einer neuen Vorstellung von
moderner Kunst in Berührung, die alles einschloss, von Malerei
und Skulptur bis hin zu Architektur und Design. Mit Gropius und dem
letzten Leiter des Bauhauses, Ludwig Mies van der Rohe verband ihn
eine lebenslange Freundschaft. Die Neue Nationalgalerie von Mies
van der Rohe ist als Schauplatz für das Ausstellungsprojekt
von daher überaus geeignet.
Das MoMa wurde schließlich 1929 von drei Frauen
gegründet: Lillie P. Bliss, Mary Quinn und Abby Aldrich, der
Ehefrau von John D. Rockefeller Jr. Es sollte eine innovative
Ausstellungsplattform bieten und ein breiteres Verständnis
für die moderne Kunst schaffen. Das erste Gemälde, das in
die Sammlung kam und das nun auch in Berlin zu sehen ist, war "Das
Haus an den Bahngleisen" des amerikanischen Künstlers Edward
Hopper. Dass in New York eine weltweit einmalige Sammlung entstehen
konnte, war entscheidend der visonären Kraft Alfred Barrs zu
verdanken. Auch das "multi-departmental"-Konzept des MoMa, das
neben den traditionellen Abteilungen für Malerei, Skulptur und
Grafik auch Design, Architektur, Fotografie und Film umfasst, geht
auf seine Initiative zurück. Heute gehören zu der
Sammlung mehr als 100.000 Gemälde, Skulpturen, Zeichnungen,
Fotografien, Architekturmodelle und Designobjekte. Dazu kommen mehr
als 19.000 Filme, 140.000 Kunstbände und Zeitschriften, die
Teil der Museumsbibliothek sind. Das Herzstück des MoMa ist
jedoch das department for painting and sculpture, die
größte zusammenhängende Sammlung der Modernen Kunst
des 20. Jahrhunderts mit 3.200 Meisterwerken.
Kritiker bemängelten das Berliner Projekt schon im Vorfeld
als zu groß, zu teuer, zu einfallslos und als zu protzig
beworben. Die Sammlung sei "nur eine Art Fertigprodukt" schrieb die
"Zeit". Außerdem sei von dem bahnbrechenden Konzept des New
Yorker Museums, die verschiedenen Künste gleichberchtigt
nebeneinander zu präsentieren, nichts zu sehen.
Als resistent gegen solche Einwände erwiesen sich die
Initiatoren des Projektes auf der Pressekonferenz. Ihre Perspektive
schien genauso rosarot zu sein wie die Werbeplakate und der
Ausstellungskatalog. Insbesondere in den Worten Schusters lag eine
Gigantomanie, die teilweise über das Ziel hinaus schoss: Die
Präsentation in der Nationalgalerie sei "keine Ausstellung,
sondern die Verlegung des MoMa nach Berlin mit dem Kanon der
modernen Kunst".
Gigantisch klingen auch die Zahlen: 8,5 Millionen Euro kostet
das Projekt, mit Sponsorenunterstützung aufgebracht vom Verein
der Freunde der Nationalgalerie. Nicht zuletzt dem
Verhandlungsgeschick seines Vorsitzenden Peter Raue sei es zu
verdanken, dass Berlin den Zuschlag bekommen habe, hieß es aus
dem Munde Schusters, der den Anwalt als "Ermöglicher des
Unmöglichen" feierte. Damit sich die Kosten decken sind
ungefähr 700.000 Besucher notwendig. Schon jetzt wird vom
Kunstereignis des Jahres gesprochen, und so gehört "Das MoMa
in Berlin" in eine Reihe neben museale Highlights wie die
umstrittene Sammlung des Industriellen-Erben Christian Flick oder
das Museum für den Fotografen Helmut Newton.
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