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Das Parlament
Nr. 09 / 23.02.2004

 
Bundeszentrale für politische Bildung
 

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K. Rüdiger Durth

Die Stunde der Gesellen

Die neue Handwerksordnung

"Meister wissen wie's geht." Unter diesem Motto hat das Handwerk eine Kampagne ins Leben gerufen, um für ihre Produkte und Dienstleistungen zu werben. Denn die am 1. Januar 2004 in Kraft getretene neue Handwerksordnung (HwO) liegt dem Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) schwer im Magen. Man fürchtet nicht nur die Konkurrenz der Betriebe, die neuerdings keinen Meisterbrief mehr nachweisen müssen. Vor allem aber durch Kleinstbetriebe und Ich-AG's. Und so will man der breiten Öffentlichkeit deutlich machen, dass der Meister eben kaum zu ersetzen ist, wenn es um Qualität geht.

Die Novellierung des Handwerksrechts - es handelt sich formal um das "Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und anderer handwerklicher Vorschriften" sowie um das "Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und zur Förderung von Kleinunternehmen" - führte im vergangenen Jahr zu harten Auseinandersetzungen zwischen der Regierungskoalition und der Opposition im Deutschen Bundestag, aber auch zwischen Rot-Grün und dem Handwerk. Letzteres hat schon längst keinen sprichwörtlich goldenen Boden mehr. Im Jahr 2002 ging der Umsatz des Handwerks um 4,5 Prozent zurück und verloren 300.000 Mitarbeiter in einem Handwerksbetrieb ihren Arbeitsplatz.

Vor allem Wolfgang Clement (SPD), der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, betrieb die Novellierung des Handwerksrechts, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aus seiner Sicht ist der Meisterbrief für viele Betriebe ein Hindernis. Beispielsweise dann, wenn ein Handwerksmeister keinen Meister als Nachfolger findet. Oder sich ein verdienter Geselle nicht um Aufträge bewerben darf, weil ihm der Meisterbrief fehlt. Im Vermittlungsausschuss hat man dann Ende des vergangenen Jahres einen Kompromiss gefunden:

Der Meisterbrief ist künftig für 41 Handwerksberufe erforderlich, in denen es um Dienstleistungen geht, die eine besondere Sorgfalt oder Sicherheit erfordern (etwa Elektriker). Aber auch um solche, in denen besonders viel ausgebildet wird (etwa Friseur). Allerdings kann einen solchen Betrieb auch ein Handwerker leiten, der mindestens sechs Jahre nach seiner Gesellenprüfung erfolgreich in seinem Beruf gearbeitet hat, davon vier in leitender Position. Diese 41 Meisterberufe sind in der Anlage A zur Handwerksordnung festgelegt.

Die Anlage B1 zur HwO enthält unter anderem die Handwerksberufe, für die bislang ein Meisterbrief erforderlich war. Insgesamt 53. Allerdings kann in diesen Berufen (etwa Fliesenleger) auch weiterhin der Meisterbrief erworben und als Qualitätsmerkmal für die Werbung verwandt werden. Von Bedeutung ist ferner, dass der Erwerb dieses Meisterbriefes staatlich durch das Meisterbafög gefördert wird. Die Anlage B2 zur HwO enthält all die handwerksähnlichen Berufe (etwa Schlagzeugmacher), die auch schon bislang keinen Meisterbrief erforderten.

Entscheidend ist für die Handwerksberufe nach Anlage B 1, dass sie nach Überzeugung des Gesetzgebers in drei Monaten erlernbar sind und damit neue Existenzgründungen möglich machen. Der ZDH freilich befürchtet, dass künftig immer mehr Leistungsträger aus Meisterbetrieben der Anlage A in artverwandte Berufe der Anlage B1 oder B2 abwandern, weil sie sich dort selbständig machen können. Und weil diese Handwerksbetriebe ihre Dienstleistungen dann billiger anbieten können, gerät der traditionelle Handwerksbetrieb immer mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Ganz abgesehen von den neuen Kleinstunternehmen und Ich-AG's.

Auch in Zukunft sind viele vertraute Handwerksberufe meisterbrief-pflichtig. Das gilt für den Beton- und Ofenbauer ebenso wie für den Zimmerer, Steinmetz, Gerüstbauer, Klempner und Schiffbauer. Aber auch für den Elektrotechniker, den Glasbläser und den Hörgeräteakustiker. Selbstverständlich auch den Bäcker, Konditor, Metzger, Friseur oder Kraftfahrzeugmechaniker. Das sind einige Beispiele aus der Anlage A der neuen HwO.

Die Anlage B 1 weist eine breite Palette von Handwerkern auf, die bislang ebenfalls immer mit einem Meisterbrief in Verbindung gebracht worden sind. Das ist nun nicht mehr unbedingt der Fall. Auch ohne Meisterbrief können solche Betriebe ihre Dienstleistungen anbieten - vom Schuster bis zum Raumausstatter, vom Fotograf bis zum Orgelbauer, vom Geigenbauer bis zum Fliesenleger, vom Urmacher bis zum Schneider, vom Kürschner bis zum Gold- und Silberschmied.

Handwerksähnliche Gewerbe sind in der neuen Anlage B 2 der HwO aufgelistet. Dabei handelt es sich um Berufe wie Betonbohrer und Bodenleger, Fahrzeugverwerter und Stoffmaler, Handschuhmacher und Gerber, Teppichreiniger und Maskenbildner, Bestatter und Klavierstimmer, aber auch Schlagzeugmacher.

Nicht wenige haben sich in den zurückliegenden Monaten gefragt, warum der Meisterbrief nicht komplett abgeschafft werde. Die Antwort der Bundesregierung lautet schlicht und einfach: "Wenn es um Leben und Gesundheit geht, brauchen wir hohe Standards. Diese sichert der Meisterbrief." Aus der Sicht der Bundesregierung lässt sich eine schlechte Frisur leicht korrigieren, mangelhafte Bauausführung dagegen nur schwer. Freilich bleibt der Friseur ein Meisterberuf, weil er viele junge Menschen ausbildet. Das ist ein Kompromiss aus dem Vermittlungsausschuss mit der Opposition.

Ein Grund für die Bundesregierung, mehr Berufe aus der Meisterpflicht zu entlassen, war unter anderem dieser: In zahlreichen Handwerksbetrieben werden die angeforderten Dienstleistungen ohnehin in der Regel von Gesellen erbracht, weil der Meister in erster Linie mit der Leitung des Betriebes beschäftigt ist. Ein weiterer Grund war ein Vergleich mit anderen Ländern in der Europäischen Union.

So besteht in Großbritannien, Italien, Portugal, Irland und Spanien, um nur diese Beispiele zu nennen, ein freier Marktzutritt. In Frankreich muss lediglich für drei Gewerbe ein besonderer Nachweis erbracht werden - darunter das Friseurhandwerk! In den Niederlanden sind Berufszugangsbeschränkungen für einige bestimmte gefährliche Tätigkeiten geregelt. Lediglich Luxemburg kennt ähnliche Berufszugangsschranken wie Deutschland.

Die Bundesregierung erwartete durch die neue Handwerksordnung, dass zahlreiche Dienstleistungen billiger angeboten werden können. Denn bislang konnten Unternehmer viele Produkte nicht aus einer Hand anbieten. Das hat sich geändert, weil ein Betrieb nach der Anlage A zur HwO nun auch Dienstleistungen anbieten kann, die sich aus der Anlage B 1 oder B 2 ergeben. Etwa im Blick auf den Hausbau.

Gleichzeitig erhofft sich die Bundesregierung mehr Wettbewerb durch Konkurrenz. Gerade bei Kleinaufträgen haben aus ihrer Sicht nun kleine, neue Unternehmen mit einem guten Preis-Leistungs-Vergleich gute Chancen auf dem Markt.

Die Gegner der neuen HwO halten dagegen. ZDH-Präsident Dieter Philipp, der 840.000 Betriebe mit 5,1 Millionen Beschäftigten in 55 Handwerkskammern und 43 Fachverbänden repräsentiert, geht davon aus, dass der Meisterbrief künftig noch wichtiger werden wird: "Mehr dann je wird der Meisterbrief künftig zum zentralen Unterscheidungsmerkmal, mit dem sich besonders qualifizierte Marktteilnehmer im Handwerk von ihren Mitbewerbern abheben. Mehr denn je wird der Meisterbrief zum Qualitäts- und Vertrauenssiegel."

Zum Glück braucht der normale Bürger dafür nicht den Paragrafen 1 der neuen HwO zu lesen: "Absatz 1: Der selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als stehendes Gewerbe ist nur den in der Handwerksrolle eingetragenen natürlichen und juristischen Personen und Personengesellschaften gestattet... Absatz 2: Ein Gewerbebetrieb ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er handwerklich betrieben wird und ein Gewerbe vollständig erfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten), keine wesentlichen Tätigkeiten sind insbesondere solche , die in einem Zeitraum von bis zu drei Monaten erlernt werden können..."

K. Rüdiger Durth arbeitet als freier Journalist in Berlin.

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