K. Rüdiger Durth
Die Stunde der Gesellen
Die neue Handwerksordnung
"Meister wissen wie's geht." Unter diesem Motto hat das Handwerk
eine Kampagne ins Leben gerufen, um für ihre Produkte und
Dienstleistungen zu werben. Denn die am 1. Januar 2004 in Kraft
getretene neue Handwerksordnung (HwO) liegt dem Zentralverband des
Deutschen Handwerks (ZDH) schwer im Magen. Man fürchtet nicht
nur die Konkurrenz der Betriebe, die neuerdings keinen Meisterbrief
mehr nachweisen müssen. Vor allem aber durch Kleinstbetriebe
und Ich-AG's. Und so will man der breiten Öffentlichkeit
deutlich machen, dass der Meister eben kaum zu ersetzen ist, wenn
es um Qualität geht.
Die Novellierung des Handwerksrechts - es handelt sich formal um
das "Dritte Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung und
anderer handwerklicher Vorschriften" sowie um das "Gesetz zur
Änderung der Handwerksordnung und zur Förderung von
Kleinunternehmen" - führte im vergangenen Jahr zu harten
Auseinandersetzungen zwischen der Regierungskoalition und der
Opposition im Deutschen Bundestag, aber auch zwischen Rot-Grün
und dem Handwerk. Letzteres hat schon längst keinen
sprichwörtlich goldenen Boden mehr. Im Jahr 2002 ging der
Umsatz des Handwerks um 4,5 Prozent zurück und verloren
300.000 Mitarbeiter in einem Handwerksbetrieb ihren
Arbeitsplatz.
Vor allem Wolfgang Clement (SPD), der Bundesminister für
Wirtschaft und Arbeit, betrieb die Novellierung des
Handwerksrechts, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Aus seiner
Sicht ist der Meisterbrief für viele Betriebe ein Hindernis.
Beispielsweise dann, wenn ein Handwerksmeister keinen Meister als
Nachfolger findet. Oder sich ein verdienter Geselle nicht um
Aufträge bewerben darf, weil ihm der Meisterbrief fehlt. Im
Vermittlungsausschuss hat man dann Ende des vergangenen Jahres
einen Kompromiss gefunden:
Der Meisterbrief ist künftig für 41 Handwerksberufe
erforderlich, in denen es um Dienstleistungen geht, die eine
besondere Sorgfalt oder Sicherheit erfordern (etwa Elektriker).
Aber auch um solche, in denen besonders viel ausgebildet wird (etwa
Friseur). Allerdings kann einen solchen Betrieb auch ein Handwerker
leiten, der mindestens sechs Jahre nach seiner Gesellenprüfung
erfolgreich in seinem Beruf gearbeitet hat, davon vier in leitender
Position. Diese 41 Meisterberufe sind in der Anlage A zur
Handwerksordnung festgelegt.
Die Anlage B1 zur HwO enthält unter anderem die
Handwerksberufe, für die bislang ein Meisterbrief erforderlich
war. Insgesamt 53. Allerdings kann in diesen Berufen (etwa
Fliesenleger) auch weiterhin der Meisterbrief erworben und als
Qualitätsmerkmal für die Werbung verwandt werden. Von
Bedeutung ist ferner, dass der Erwerb dieses Meisterbriefes
staatlich durch das Meisterbafög gefördert wird. Die
Anlage B2 zur HwO enthält all die handwerksähnlichen
Berufe (etwa Schlagzeugmacher), die auch schon bislang keinen
Meisterbrief erforderten.
Entscheidend ist für die Handwerksberufe nach Anlage B 1,
dass sie nach Überzeugung des Gesetzgebers in drei Monaten
erlernbar sind und damit neue Existenzgründungen möglich
machen. Der ZDH freilich befürchtet, dass künftig immer
mehr Leistungsträger aus Meisterbetrieben der Anlage A in
artverwandte Berufe der Anlage B1 oder B2 abwandern, weil sie sich
dort selbständig machen können. Und weil diese
Handwerksbetriebe ihre Dienstleistungen dann billiger anbieten
können, gerät der traditionelle Handwerksbetrieb immer
mehr in finanzielle Schwierigkeiten. Ganz abgesehen von den neuen
Kleinstunternehmen und Ich-AG's.
Auch in Zukunft sind viele vertraute Handwerksberufe
meisterbrief-pflichtig. Das gilt für den Beton- und Ofenbauer
ebenso wie für den Zimmerer, Steinmetz, Gerüstbauer,
Klempner und Schiffbauer. Aber auch für den Elektrotechniker,
den Glasbläser und den Hörgeräteakustiker.
Selbstverständlich auch den Bäcker, Konditor, Metzger,
Friseur oder Kraftfahrzeugmechaniker. Das sind einige Beispiele aus
der Anlage A der neuen HwO.
Die Anlage B 1 weist eine breite Palette von Handwerkern auf,
die bislang ebenfalls immer mit einem Meisterbrief in Verbindung
gebracht worden sind. Das ist nun nicht mehr unbedingt der Fall.
Auch ohne Meisterbrief können solche Betriebe ihre
Dienstleistungen anbieten - vom Schuster bis zum Raumausstatter,
vom Fotograf bis zum Orgelbauer, vom Geigenbauer bis zum
Fliesenleger, vom Urmacher bis zum Schneider, vom Kürschner
bis zum Gold- und Silberschmied.
Handwerksähnliche Gewerbe sind in der neuen Anlage B 2 der
HwO aufgelistet. Dabei handelt es sich um Berufe wie Betonbohrer
und Bodenleger, Fahrzeugverwerter und Stoffmaler, Handschuhmacher
und Gerber, Teppichreiniger und Maskenbildner, Bestatter und
Klavierstimmer, aber auch Schlagzeugmacher.
Nicht wenige haben sich in den zurückliegenden Monaten
gefragt, warum der Meisterbrief nicht komplett abgeschafft werde.
Die Antwort der Bundesregierung lautet schlicht und einfach: "Wenn
es um Leben und Gesundheit geht, brauchen wir hohe Standards. Diese
sichert der Meisterbrief." Aus der Sicht der Bundesregierung
lässt sich eine schlechte Frisur leicht korrigieren,
mangelhafte Bauausführung dagegen nur schwer. Freilich bleibt
der Friseur ein Meisterberuf, weil er viele junge Menschen
ausbildet. Das ist ein Kompromiss aus dem Vermittlungsausschuss mit
der Opposition.
Ein Grund für die Bundesregierung, mehr Berufe aus der
Meisterpflicht zu entlassen, war unter anderem dieser: In
zahlreichen Handwerksbetrieben werden die angeforderten
Dienstleistungen ohnehin in der Regel von Gesellen erbracht, weil
der Meister in erster Linie mit der Leitung des Betriebes
beschäftigt ist. Ein weiterer Grund war ein Vergleich mit
anderen Ländern in der Europäischen Union.
So besteht in Großbritannien, Italien, Portugal, Irland und
Spanien, um nur diese Beispiele zu nennen, ein freier Marktzutritt.
In Frankreich muss lediglich für drei Gewerbe ein besonderer
Nachweis erbracht werden - darunter das Friseurhandwerk! In den
Niederlanden sind Berufszugangsbeschränkungen für einige
bestimmte gefährliche Tätigkeiten geregelt. Lediglich
Luxemburg kennt ähnliche Berufszugangsschranken wie
Deutschland.
Die Bundesregierung erwartete durch die neue Handwerksordnung,
dass zahlreiche Dienstleistungen billiger angeboten werden
können. Denn bislang konnten Unternehmer viele Produkte nicht
aus einer Hand anbieten. Das hat sich geändert, weil ein
Betrieb nach der Anlage A zur HwO nun auch Dienstleistungen
anbieten kann, die sich aus der Anlage B 1 oder B 2 ergeben. Etwa
im Blick auf den Hausbau.
Gleichzeitig erhofft sich die Bundesregierung mehr Wettbewerb
durch Konkurrenz. Gerade bei Kleinaufträgen haben aus ihrer
Sicht nun kleine, neue Unternehmen mit einem guten
Preis-Leistungs-Vergleich gute Chancen auf dem Markt.
Die Gegner der neuen HwO halten dagegen. ZDH-Präsident
Dieter Philipp, der 840.000 Betriebe mit 5,1 Millionen
Beschäftigten in 55 Handwerkskammern und 43 Fachverbänden
repräsentiert, geht davon aus, dass der Meisterbrief
künftig noch wichtiger werden wird: "Mehr dann je wird der
Meisterbrief künftig zum zentralen Unterscheidungsmerkmal, mit
dem sich besonders qualifizierte Marktteilnehmer im Handwerk von
ihren Mitbewerbern abheben. Mehr denn je wird der Meisterbrief zum
Qualitäts- und Vertrauenssiegel."
Zum Glück braucht der normale Bürger dafür nicht
den Paragrafen 1 der neuen HwO zu lesen: "Absatz 1: Der
selbständige Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks als
stehendes Gewerbe ist nur den in der Handwerksrolle eingetragenen
natürlichen und juristischen Personen und
Personengesellschaften gestattet... Absatz 2: Ein Gewerbebetrieb
ist ein Betrieb eines zulassungspflichtigen Handwerks, wenn er
handwerklich betrieben wird und ein Gewerbe vollständig
erfasst, das in der Anlage A aufgeführt ist, oder
Tätigkeiten ausgeübt werden, die für dieses Gewerbe
wesentlich sind (wesentliche Tätigkeiten), keine wesentlichen
Tätigkeiten sind insbesondere solche , die in einem Zeitraum
von bis zu drei Monaten erlernt werden können..."
K. Rüdiger Durth arbeitet als freier Journalist in
Berlin.
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