|
|
Volker Müller
Nur wenig mehr Luft zum Atmen
Von der Gemeindefinanzreform blieb nur ein
Reförmchen
Als der Vermittlungsausschuss von Bundestag und
Bundesrat Ende vergangenen Jahres sein Paket zu den
Agenda-2010-Gesetzen geschnürt hatte, da befand sich,
eingewoben in dieses Reformknäuel, auch die
Gemeindefinanzreform darunter. Von der seit Jahren
angekündigten und von einer eigens dafür eingerichteten
Kommission vorbereiteten Neukonzeption kann man rückblickend
sagen, dass sie als Tiger sprang und als Bettvorleger landete. Aus
der Reform wurde ein Reförmchen, statt einer Umgestaltung
wurde wieder einmal nur an den Stellschrauben gedreht.
Immerhin: Die an ihrer Finanzknappheit
erstickenden Städte und Gemeinden haben wieder etwas Luft zum
Atmen bekommen. Jedenfalls erhalten die Kommunen die dringend
benötigte Entlastung um 2,5 Milliarden Euro, die ihnen der
Bund zugesagt hatte. Vom kommenden Jahr an steigt diese Entlastung
auf rund 3 Milliarden Euro mit leicht steigender Tendenz. Sie ist
vor allem auf die vom Bundestag beschlossene Senkung der
Gewerbesteuerumlage zurückzuführen.
Die rot-grüne Koalition hatte die Umlage
mit ihrem Steuersenkungsgesetz im Jahr 2000 stufenweise von 20 auf
28 Prozent angehoben. Diese Erhöhung wieder
rückgängig zu machen, war eine alte Forderung der
kommunalen Gebietskörperschaften. In ihr wurde eine
wesentliche Ursache für die dramatische Verschlechterung der
eigenen Kassenlage gesehen. Die Unionsfraktion im Bundestag hatte
sich die Forderung zu eigen gemacht.
Die Gewerbesteuerumlage wird aus dem
Gewerbesteueraufkommen errechnet, das den Kommunen zufließt.
Sie muss je zur Hälfte an Bund und Land gezahlt werden.
Bundesfinanzminister Hans Eichel hat die stufenweise Erhöhung
der Umlage vor gut drei Jahren durchgesetzt, weil er die
Städte und Gemeinden an der Finanzierung seiner Steuerreform
beteiligen wollte. Allerdings sollte die Erhöhung nach dem
Willen der Regierung nicht dazu führen, dass sich die
finanzielle Situation der Kommunen verschlechtert. Der Bund wollte
lediglich die Gewerbesteuermehreinnahmen der Kommunen
abschöpfen, die aufgrund der damals gestopften
Steuerschlupflöcher im Unternehmensbereich erwartet
wurden.
Diese Erwartungen sind jedoch nicht
eingetreten. Im zweiten Quartal des Jahres 2001 kam es zu einem
massiven Einbruch bei den Gewerbesteuerzuflüssen. In jenem
Jahr sank das Nettoaufkommen um gut 11,5 Prozent. Zu allem
Unglück ging damals auch der Gemeindeanteil an der
Einkommensteuer um 4,2 Prozent zurück, und die Länder
kürzten ihre Investitionszuweisungen an die Kommunen um 3,7
Prozent. Hinzu kam, dass ein wesentliches Element zur
Gegenfinanzierung der Steuerreform, nämlich die Neufassung der
branchenbezogenen Abschreibungstabellen, verschoben wurde. Aus
Sicht des Deutschen Städte- und Gemeindebundes war damit die
"Geschäftsgrundlage" für die Anhebung der Umlage
entfallen. Der Ruf, sie zurückzunehmen, wurde
lauter.
Die Bundesregierung kam dem Drängen
jedoch nicht nach und versprach, das Problem grundsätzlich
anzugehen. Eine umfassende Gemeindefinanzreform wurde
angekündigt und eine Kommission eingesetzt, die über ein
Jahr lang, vom 23. Mai 2002 bis zum 3. Juli 2003, tagte. Sie sollte
nicht nur die Gewerbesteuer und die kommunalen Einnahmen ins Visier
nehmen, sondern sich auch um das Projekt einer Verzahnung von
Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe kümmern. Während die
Kommission ihrer Arbeit nachging, formierten sich in der
Öffentlichkeit zwei Lager: Die Vorstellungen der Vertreter der
Kommunen konkurrierten mit denen der Wirtschaft.
Modell des Städtetags
Im März vergangenen Jahres gingen die
kommunalen Spitzenverbände mit einem eigenen Modell
("Städtetagsmodell") an die Öffentlichkeit. Sie hielten
an der Gewerbesteuer und dem damit verbundenen Hebesatz für
die Gemeinden fest und verlangten darüber hinaus eine breitere
Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Steuer. So sollten
alle Zinsen zum Gewerbeertrag voll hinzugerechnet werden, ebenso
die Finanzierungsanteile aller Mieten, Pachten, Leasingraten und
Veräußerungsgewinne, wobei allerdings Freibeträge
eingeräumt wurden. Wesentliche Forderung aber war, alle
Selbstständigen in die Steuerpflicht einzubeziehen, der bis
dahin nur die Gewerbetreibenden unterlagen. Nun sollten auch die
Freiberufler wie Ärzte, Rechtsanwälte, Steuerberater oder
Architekten zur Kasse gebeten werden, nicht jedoch die
Bauern.
Die Wirtschaft, vornehmlich der Bundesverband
der Deutschen Industrie und der Verband der Chemischen Industrie,
konterte mit Gegenvorstellungen ("BDI/VCI-Modell"). Im Mittelpunkt
stand die Abschaffung der Gewerbesteuer, die 28 Milliarden Euro
gekostet hätte. Auch die Gewerbesteuerumlage wollten die
Unternehmer streichen und den Gemeindeanteil an der Einkommensteuer
auf Bund und Länder verteilen, was die Kommunen weitere 25
Milliarden Euro gekostet hätte. Im Gegenzug sollte ein
Kommunalzuschlag von durchschnittlich 22,76 Prozent auf die
Einkommen- und Körperschaftsteuer erhoben werden. Den sollten
aber nicht nur Gewerbebetriebe und Freiberufler zahlen, sondern
alle Einkommensteuer- und Körperschaftsteuerzahler einer
Gemeinde.
Gesetzesvorlage Eichels
In der Gemeindefinanzreform-Kommission hatten
nur die Vertreter der Wirtschaft das BDI/VCI-Modell bevorzugt.
Gegen die Zusammenführung von Arbeitslosenhilfe und
Sozialhilfe zur Arbeitslosenhilfe II in der Trägerschaft der
Bundesanstalt für Arbeit votierte lediglich der Deutsche
Landkreistag. Die Länderfinanzminister opponierten nicht gegen
das Städtetagsmodell. Der Bundesfinanzminister kündigte
daraufhin einen Gesetzentwurf an, der das Ziel haben sollte, die
Einnahmen der Kommunen zu verstetigen und zu
stabilisieren.
Eichels Vorlage zielte darauf ab, die
bestehende Gewerbesteuer zu einer Gemeindewirtschaftssteuer
weiterzuentwickeln und die Freiberufler ab 2004 ebenfalls zur Kasse
zu bitten. Zugleich sollte die Bemessungsgrundlage für die
Steuererhebung durch eine Reihe von Detailregelungen verbreitert
und eine weitere Verstetigung durch die Beschränkung der
Verlustverrechnung erzielt werden. Gerade bei größeren
Verlustvorträgen würde dies dazu führen, hieß
es aus dem Bundesfinanzministerium (BMF), dass jeweils zurmindest
die Hälfte des jährlichen Gewinns der
Gemeindewirtschaftssteuer unterliegt. Die Möglichkeit, die
gezahlte Gemeindewirtschaftssteuer auf die Einkommensteuerschuld
anrechnen zu können, sollte die Belastung von Freiberuflern,
Einzel- und Personenunternehmen mindern.
Gegen das Städtetagsmodell argumentierte
das BMF damit, dass die Kapitalgesellschaften zu Konstruktionen
greifen könnten, bei denen Personengesellschaften
zwischengeschaltet werden, um in den Genuss einer günstigeren
Besteuerung zu kommen. Da sich solche Konstruktionen nicht umgehen
ließen, könnte das Steueraufkommen gefährdet sein.
Beanstandet wurde auch die volle Hinzurechnung sämtlicher
Zinsen zum Gewinn sowie die Hinzurechnung des Finanzierungsanteils
von Mieten, Pachten und Leasingraten im Modell der Kommunen. Dies
würde die Steuerbelastung bei Kapitalgesellschaft teilweise um
über zwölf Prozent erhöhen.
Beim BDI/VCI-Modell befürchtete das BMF
eine Verschärfung der Stadt-Umland-Problematik mit der Folge,
dass sich die Finanzsituation der Kernstädte weiter
verschlechtern könnte und Wanderungsbewegungen in das Umland
begünstigt würden. Auch der mit diesem Modell verbundene
Verwaltungsaufwand schreckte Eichels Beamten ab. Der
Regierungsentwurf sah zudem einen Anstieg des Gemeindeanteils am
Aufkommen der Umsatzsteuer von 2,2 auf 3,6 Prozent vor, was den
Gemeinden bereits im Jahr 2004 ein Mehraufkommen von 1,9 Milliarden
Euro bescheren würde. Von der Zusammenlegung von Sozialhilfe
und Arbeitslosenhilfe (Hartz-IV-Gesetz) würden der Bund und
die Kommunen profitieren, vor allem aber die strukturschwachen
Gemeinden mit relativ hohen Sozialhilfeaufwendungen. Insgesamt, so
das BMF, würde die Gewerbesteuerreform zusammen mit Hartz IV
die Kommunen ab 2004 um rund 4,5 Milliarden Euro und ab 2005 um
mehr als 5 Milliarden Euro entlasten.
Initiative des Bundesrates
Der Bundesrat lehnte die Regierungsvorlage ab
und favorisierte statt dessen seine eigene Initiative eines
Soforthilfegesetzes für die Gemeinden. Darin verlangten die
Länder, den Vervielfältiger für die Berechnung der
Gewerbesteuerumlage rückwirkend ab 2003 zu senken. Die
Regierung zerstreute in ihrer Gegenäußerung die
verfassungsrechtlichen Bedenken, die der Bundesrat wegen der
Einbeziehung der Freiberufler in die Steuerpflicht
geäußert hatte. Die Berufsbilder der Gewerbetreibenden
und der übrigen Selbstständigen hätten sich in den
letzten Jahren so angenähert, hieß es, dass eine
Abgrenzung immer schwieriger werde. Große Arzt- und
Anwaltspraxen beschäftigten viele, auch akademisch gebildete
Angestellte. Kleine Handwerks- und kaufmännnische Betriebe
würden dagegen häufig vom Betriebsinhaber allein und ohne
Personal betrieben. Daher sollten beide Gruppen steuerlich gleich
behandelt werden.
Die Kontroverse hielt auch im Finanzausschuss
des Bundestages an. Dort setzte die Koalition eine Reihe von
Änderungen am Regierungsentwurf durch. Beispielsweise wurde
darauf verzichtet, die Hinzurechnungen zum Gewerbeertrag
auszuweiten, wie dies die Kommunen verlangt hatten. Gleichzeitig
sollten aber auch steuermindernde Gestaltungen zwischen verbundenen
Unternehmen noch gezielter verhindert werden. Die Steuermesszahl
wurde auf einheitlich 3,2 für alle Steuerpflichtigen
festgelegt. Lediglich für die Eingangszone eines
Gewerbeertrags zwischen 25.000 Euro und 35.000 Euro sollte die
Messzahl auf 1,6 halbiert werden. Die Steuermesszahl gibt den
prozentualen Anteil des Gewerbeertrags an, der zur
Bemessungsgrundlage für die Erhebung der Gewerbesteuer wird.
Darüber hinaus verzichtete die Koalition darauf, den
allgemeinen Freibetrag von 25.000 Euro abzuschmelzen, um kleinere
Personenunternehmen und Freiberufler zu schonen. Schließlich
setzten die Abgeordneten auch die Senkung der Gewerbesteuerumlage
durch, damit die finanzielle Entlastung der Kommunen bereits 2004
kassenwirksam werden kann. Am 17. Oktober kam es zur
Mehrheitsentscheidung im Bundestag über den so revidierten
Gesetzentwurf.
Zur Gewerbesteuernovelle
degradiert
Erst zwei Monate später stand die Reform
dann in der Fassung, in der sie am 1. Januar in Kraft getreten ist.
Im Vermittlungsverfahren konnten die unionsregierten Länder
ihre Vorstellungen in wesentlichen Punkten durchsetzen. Wichtigstes
Ergebnis war zweifellos, dass es die angepeilte
Gemeindewirtschaftssteuer nun noch nicht gibt, weil die rund
800.000 Freiberufler wieder aus dem Kreis der Steuerpflichtigen
entlassen wurden. Die Wirtschaft musste den Ausschluss der
Freiberufler mit Einschränkungen bei der Verlustverrechnung
und der Gesellschafter-Fremdfinanzierung erkaufen. Damit wurde die
groß angelegte Gemeindefinanzreform zu einer bloßen
Gewerbesteuernovelle degradiert. Dies bedeutet, dass der Umbau der
Kommunalfinanzierung nach wie vor auf der Agenda steht. Vielleicht
kann die seit November 2003 tagende Föderalismuskommission
neue Impulse geben.
Volker Müller ist Redakteur der
Wochenzeitung "Das Parlament" in Berlin.
Zurück zur Übersicht
|