Helmut Heinzlmeir
Zwischen Krieg und Hoffnung
Das Afrika-Jahrbuch 2002
Bundeskanzler Schröder besuchte im Januar
2004 Afrika, genauer, das Afrika südlich der Sahara. Diese
Region zerfällt in 49 Staaten. Sie zählt weit über
600 Millionen Einwohner. Im Kanzleramt hieß es zu der Reise,
mit ihr solle ein Zeichen gesetzt werden, dass Afrika "uns
Europäer unmittelbar angeht". "Die Probleme Afrikas", so einer
der Kanzler-Berater, "können sehr schnell auch unsere Probleme
werden." Auch Deutschland müsse sich um die Stabilisierung des
Nachbar-Kontinents kümmern.
Afrika ist ein Schwerpunkt deutscher
Entwicklungshilfe. Im einzelnen lässt sich das in dem
empfehlenswerten Afrika-Jahrbuch des renommierten Instituts
für Afrika-Kunde in Hamburg nachlesen. Es enthält nicht
nur Artikel zu jedem einzelnen schwarzafrikanischen Land sondern
auch informative länderübergreifende Analysen. Deutlich
wird dabei, wie sehr Politik in Schwarzafrika im Wesentlichen von
Schwarzafrikanern zu verantworten ist.
Das schließt Einflussnahmen, nicht
zuletzt der USA und der beiden einstigen Kolonialmächte
Frankreich und Großbritannien, nicht aus. Ihre Interessen auf
dem Kontinent sind weit größer als jene Deutschlands.
Afrikas Anteil am deutschen Außenhandel liegt bei etwa zwei
Prozent.
Britische Truppen sorgten in Sierra Leone,
französische in der Elfenbeinküste dafür, dass es
mit den dortigen Bürgerkriegswirren wenigstens ein
vorläufiges Ende hatte. Westafrikanische Staaten werden - am
augenfälligsten in Liberia - von Despotie und Krieg
heimgesucht (Peter Körner/Andreas Mehler). Westafrika gewinnt
aber auch als Ölproduzent - nicht nur von Nigeria bis hinab
nach Angola, sondern auch im Golf von Guinea - an
Bedeutung.
Wegen der politischen Risiken rund um den
persischen Golf bemühen sich die USA um eine Diversifikation
ihrer Bezugsquellen. Bereits heute beziehen die USA rund 15 Prozent
ihrer Erdölimporte aus Afrika. Dieser Anteil soll auf 25
Prozent gesteigert werden. Neue Technologien erleichtern
Off-Shore-Förderung insbesondere in den westafrikanischen
Küstengewässern (Andreas Mehler).
Zur Linderung der Armut in Westafrika werden
die Milliardenerlöse aus dem Ölgeschäft jedoch kaum
beitragen. Die jeweiligen Regimes werden dies zu verhindern wissen.
Nigeria und Angola - Stichwort Korruption - sind
diesbezügliche Vorbilder (Peter Meyns). Während sich
internationale Entwicklungshilfe im kriegszerstörten Angola um
die Millionen Hungernden im Lande bemüht, schieben die
Regierenden die Milliardenerlöse aus dem Ölgeschäft
ins Ausland ab.
Nirgendwo auf der Welt stellt sich das
Problem des Staatszerfalls so drängend wie in Afrika. Auf dem
Kontinent ist vielerorts - nicht nur in Westafrika - das, was man
als "nation-building" bezeichnet, gescheitert. In Afrika sind
riesige Räume - von Angola bis zum Sudan, ungeachtet aktueller
Friedensbemühungen - bar jeder staatlichen Kontrolle, es
herrschen so genannte Warlords, Drogen-, Waffen- und
Diamantenschmuggel blühen. Am augenfälligsten stellen
sich diese Probleme in Zentralafrika, - in den Auseinandersetzungen
in und um Kongo/Zaire.
Mehr als ein halbes Dutzend Nachbarstaaten -
insbesondere Rwanda und Uganda, fokussiert auf die Kivu-Provinz -
waren beziehungsweise sind darin verwickelt. Die
Auseinandersetzungen haben mittlerweile zwischen drei und vier
Millionen Menschenleben gekostet. Damit zählt der Kongo-Krieg
mehr Todesopfer als jeder andere Krieg seit dem Zweiten Weltkrieg
(Denis Tull/Christiane Kayser). Und ein Ende der
Auseinandersetzungen ist, trotz vielfältiger
Vermittlungsbemühungen, nicht in Sicht. Es geht bei alledem
nicht nur um seltene Bodenschätze und Geld, sondern auch um
Macht an sich.
Mochte es nach dem Ende des Kalten Krieges
scheinen, als ob Afrika weithin an weltpolitischer Bedeutung
eingebüßt habe, so hatte es damit nach den
Terroranschlägen vom 11. September 2001 ein Ende. Insbesondere
Ostafrika wurde für die USA wieder von Interesse. Dort leben -
vom Sudan über Somalia und Kenia bis Tanzania - allenthalben
substantielle muslimische Bevölkerungsgruppen (Rolf Hofmeier).
Die Region kann als Zufluchtsort und Ausgangspunkt für
Terrorismus nicht ausgeschlossen werden.
Die USA wollen Israel und den arabischen
Ölquellen nahe sein. Washington vermittelt im sudanesischen
Bürgerkrieg und zwischen den verfeindeten Nachbarn
Äthiopien und Eritrea. Einen Staat Somalia gibt es seit runden
fünfzehn Jahren ohnehin nicht mehr. Deutlich wird: auch eine
Weltmacht tut sich schwer, am Horn von Afrika so etwas wie Frieden
herzustellen (Ulf Terlinden/Tobias Debiel). Es sind insbesondere
die länderübergreifenden Analysen, die dieses Jahrbuch
lesenswert machen.
Institut für Afrika-Kunde, Rolf
Hofmeier/ Andreas Mehler (Hrsg.)
Afrika Jahrbuch 2002.
Leske + Budrich Verlag, Opladen 2003; 467 S.,
35,- Euro
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