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Hartmut Hausmann
Ziele des Wirtschaftswachstums endlich
energischer angehen
Vorbereitung auf
EU-Frühjahrsgipfel
Als Vorbereitung auf das
Frühjahrsgipfeltreffen der EU-Staats- und Regierungschefs am
25. und 26. März in Brüssel haben das Europäische
Parlament, die EU-Kommission und die irische
Ratspräsidentschaft am 25. Februar in Brüssel ihre
Forderungen und Erwartungen dargelegt. Übereinstimmend wurde
dabei die Besorgnis geäußert, dass das im Jahr 2000
erklärte Ziel, die EU bis zum Ende des Jahrzehnts zum
wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der
Welt zu machen, bisher unzureichend in Angriff genommen worden sei
und nur noch bei wesentlich größeren Anstrengungen
erreicht werden könne.
Notwendig seien vor allem mehr Investitionen
in die Förderung der Humanressourcen insbesondere bei Bildung
und Ausbildung, forderte die Luxemburgerin Viviane Reding als
für diesen Bereich zuständige EU-Kommissarin.
In der von den drei größten
Fraktionen gemeinsam eingebrachten Entschließung fordern
Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberale die EU-Staaten auf,
in ihrer mittelfristigen Finanzpolitik eine umfassende Strategie
für verstärkte Investitionen in den Bereichen
Humanressourcen, Innovationen, Forschung und Entwicklung zu
entwickeln und schnell umzusetzen. Ein besonderer Schwerpunkt soll
auf Bildung, lebenslanges Lernen und den Erwerb von praktischen
Fertigkeiten gelegt werden.
Die Mitgliedstaaten und der Privatsektor
werden zu mehr Zukunftsinvestitionen aufgefordert, damit die
Ausgaben für Forschung und Entwicklung bis 2010 drei Prozent
des Bruttosozialprodukts wie bei den unmittelbaren Wettbewerbern
USA und Japan erreichen. Bisher investiert Europa dafür nur
1,9 Prozent. Viviane Reding verwies darauf, dass ein Fünftel
der jungen Menschen die Schule oder ihre Ausbildung ohne
Qualifikation abbrechen.
Trotz aller berechtigter Kritik wegen der zu
geringen Fortschritte hob EU-Kommissar Pedro Solbes aber auch
hervor, dass in der EU trotz schwachen Wachstums sechs Millionen
neue Arbeitsplätze geschaffen worden seien. Der begonnene
Reformprozess habe immerhin zu einem halben Prozentpunkt an
zusätzlichem Wachstum geführt. Hemmend hätten sich
aber der immer noch zu sehr zersplitterte Binnenmarkt erwiesen, als
auch die zu zögerliche Umsetzung der Richtlinien. Solbes
setzte sich zusätzlich für eine Stärkung und
Liberalisierung des Dienstleistungssektors ein. Konkret
müssten in den kommenden Monaten die Gesetzgebungsprojekte
Gemeinschaftspatent und beruflicher Befähigungsnachweis
verabschiedet werden. Bereits vor einem Jahr hatte sich der
EU-Ministerrat grundsätzlich auf ein europäischen
Gemeinschaftspatent verständigt, wonach für den
europäischen Raum in Zukunft eine einzige Anmeldung
ausreichend sein soll. Damit würde die aufwendige Anmeldung in
jedem einzelnen Land entfallen. Der endgültige Beschluss
scheiterte jedoch bisher an der Sprachenfrage beziehungsweise den
Übersetzungskosten.
Der irische Europastaatssekretär Dick
Roche wies als amtierender EU-Ratspräsident darauf hin, die
Lissaboner Zielsetzungen sähen unter anderem bis 2010 auch
eine Beschäftigungsquote für Frauen von mindestens 60
Prozent vor. Dieses Ziel könne durchaus noch erreicht werden,
da der Anteil zur Zeit bei 55,6 Prozent liege. Schlechter sei die
Aussicht, das Ziel einer Beschäftigungsrate von 50 Prozent bei
den 55- bis 64-Jährigen zu erreichen. Hier lag die Quote 2001
bei 40,1 Prozent. Sieben Millionen neue Arbeitsplätze seien
nötig, um dieses Herausforderung zu
bewältigen.
Die Vorsitzende des Haushaltsausschusses des
Parlaments, Christa Randzio-Plath (SPE/Deutschland), erklärte,
die Lissabon-Strategie dürfe nicht weiter ins Stocken geraten.
Sie bedauerte den Vorwand der EU-Mitgliedstaaten, die angestrebten
Fortschritte seien nicht zu finanzieren. Durch eine stärkere
Koordinierung der Mitgliedstaaten, beispielsweise bei der
Bekämpfung der Steuerhinterziehung, ließen sich mehr
Einnahmen erzielen. Notwendig seien aber auch mehr Investitionen in
soziale Dienstleistungen. Der Frühjahrsgipfel müsse
Vertrauen schaffen und verdeutlichen, dass ein Mehrwert entstehe,
wenn alle an einem Strang ziehen. Europa müsse sich an den
eigenen Haaren aus dem Sumpf ziehen und dürfe nicht immer auf
die USA blicken.
An Stelle des angestrebten jährlichen
Wirtschaftswachstums von drei Prozent sei die Wirtschaftskraft der
EU rückläufig, wobei sich Deutschland, Italien und die
Niederlande in einer technischen Rezession befänden und
Frankreich zurzeit einen kräftigen Abschwung hinnehmen
müsse. Dadurch habe sich auch die Arbeitslosenquote auf 8,9
Prozent in der Eurozone und 8,1 Prozent in der gesamten Union
erhöht und liege trotz Anpassungen in den
Arbeitsmarktstatistiken um 0,5 Prozent höher als 2002. Der
Anteil der von Armut betroffenen Menschen habe 15 Prozent an der
Gesamtbevölkerung erreicht.
Obwohl sich das allgemeine Haushaltsdefizit
im Jahr 2003 in der Eurozone auf 2,8 Prozent des
Bruttoinlandsprodukts (BIP) der EU ausgeweitet und mit Ausnahme von
Belgien, Spanien, Österreich und Portugal in allen
Ländern zu einer Verschlechterung der Haushaltssituation
geführt habe, erklärte Randzio-Plath, seien die
öffentlichen wie die privaten Investitionen von 3,8 Prozent
des BIP in den 70er-Jahren auf nur 2,4 Prozent im Jahr 2002
gesunken. In den USA betrage der Vergleichswert 3,5
Prozent.
Allein 2002 sei das Gesamtvolumen der in
Europa getätigten Investitionen um 2,9 Prozent gesunken, ein
Trend, der sich auch 2003 fortsetzte. Damit würden die
Produktivität und die Wettbewerbsfähigkeit Europas in
Frage gestellt. Besonders dramatisch sei der Einbruch bei den
Risikokapital-Investitionen. Ihr Anteil sei um 0,7 Punkte auf nur
noch 0,029 Prozent am BIP geschrumpft.
Als wesentliche Voraussetzung für eine
Verbesserung der wirtschaftlichen Lage in der EU bezeichnet das
Parlament einen verantwortungsvollen Umgang mit dem
Stabilitätspakt. In diesem Zusammenhang war vom
Wirtschaftsausschuss in einem gesonderten Bericht auch die Klage
der Kommission gegen den Beschluss des Rates der Wirtschafts- und
Finanzminister vom 25. November 2003 vor dem EuGH begrüßt
worden. Diese Passage wurde jedoch auf Antrag der Fraktion der UEN
(Euroskeptiker) ebenso gestrichen wie die Aufforderung an
Frankreich und Deutschland, den Stabilitäts- und Wachstumspakt
zu respektieren und ihre öffentlichen Finanzen zu sanieren.
Statt dessen wurde auf Antrag der SPE-Fraktion die
Wachstumsinitiative der EU begrüßt. Die Kommission wurde
aufgefordert, eine intelligentere Anwendung des Stabilitäts-
und Wachstumspaktes vorzuschlagen.
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