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Hermann Horstkotte
Die Wünsche der Forscher könnten bald
in Erfüllung gehen
Die EU soll die Grundlagenforschung stärker
fördern
Die Förderung der Grundlagenforschung muss gestärkt
werden, einschließlich der Gründung eines
Europäischen Forschungsrates." Das unterstrichen Bundeskanzler
Schröder, Premier Blair und Staatspräsident Chirac nach
ihrem Berliner Treffen Mitte Februar in einem Brief an den
EU-Kommissionschef Romano Prodi. Erstmals ist damit von
höchster Stelle ein Wunsch der großen europäischen
Forschungsorganisationen aufgegriffen worden, die Bildung eines
gemeinsamen European Research Council (ERC) mit eigenen
Fördermitteln für Basisforschungen.
Dabei handelt es sich um die Suche nach Erkenntnissen, die nicht
gleich patentreif oder Betriebsgeheimnisse sind.
Grundlagenerkenntnisse sind vielmehr solche, die in
Fachzeitschriften veröffentlicht werden und allenfalls in
einem weiteren Schritt zu praktischem, anwendungsorientierterem
Wissen führen. Dieses Forschungsfeld, in dem neues Wissen
sprunghaft und nicht durch lineare Weiterentwicklung aus Altwissen
entsteht, ist bislang aber die Domäne der Amerikaner. "Das
sieht jeder, der sich die Herausgeber, Verlage und Autoren der am
häufigsten zitierten Fachjournale anschaut", sagte Bertil
Andersson von der Dachorganisation der europäischen
Forschungsförderer (ESF) auf eine gemeinsame Tagung von
Vertretern der Wissenschaften und der EU-Kommission beim
Europäischen Parlament am 23./24. Februar in Brüssel.
Die EU-Förderung in den "Rahmenprogrammen für
Forschung und technologische Entwicklung" konzentriert sich auf
direkt wettbewerbs- und wachstumsfördernde Vorhaben mit
Schwerpunkten beispielsweise in der Raumfahrt oder Genetik. Die
Kommission hat Fristen gesetzt, um die Zukunft der
Grundlagenforschung auf europäischer Ebene zu klären. Bis
Juni müssen die Gelehrten ihre Vorstellungen vorlegen, damit
in der zweiten Jahreshälfte der Zusammenhang mit dem "7.
Rahmenprogramm (2007-13)" politisch entschieden werden kann: Sollen
die Grundlagenwissenschaften stärker im Rahmenprogramm
untergebracht oder wirklich von einem eigenen Forschungsrat
gesteuert werden? Tatsächlich wird bislang schon im
Rahmenprogramm zum Beispiel mit Marie-Curie-Stipendien
Basisforschung unterstützt.
Das aber war unter den Teilnehmern des Brüsseler Symposiums
sonnenklar: Die Grundlagenforschung braucht ein autonomes, von
Wissenschaftlern beherrschtes ERC, weil sie keinen politik-,
sondern sinnvollerweise rein neugiergetriebenen Fragen nachgeht.
Dazu riet nicht auch der deutsche EU-Parlamentarier und
Forschungspolitiker Rolf Linkohr. Das einzige Kriterium für
die Mittelvergabe, darin waren sich alle weiterhin einig, kann nur
die fachliche Exzellenz sein - das heißt, kein einzahlendes
Land kann ein "juste retour", einen angemessenen Rückfluss
erwarten, wenn es sich mit wissenschaftlichen Spitzenleistungen
schwer tut. Besonders bemerkenswert: Das eindringliche
Plädoyer der Präsidenten der polnischen Akademie der
Wissenschaften, Jerzy Langer, für ein ERC, auch im Namen
seiner tschechischen und ungarischen Amtskollegen. "Im
technologieorientierten Rahmenplan haben wir weniger
Wettbewerbschancen, weil uns vielfach noch die technisch-apparative
Infrastruktur etwa für die Luftfahrtforschung fehlt. Aber in
den reinen Grundlagenfächern, wo man je nachdem schon mit
Bleistift und Papier weit kommt, fühlen wir uns doch ziemlich
gleichwertig. Das ERC ist die Chance für die
Beitrittsländer!"
Allerdings sind noch viele Detailfragen zu klären. Vor
allem, wie verhindert werden kann, dass der neue ERC-Topf nicht zu
Lasten der nationalen Förderungen geht. Viele Forscher
fürchten schon den Hinweis: "Holt Euch doch Euer Geld aus
Brüssel!" Doch soll das Brüsseler Geld nach Meinung der
Gelehrten "additiv" fließen. So einfach geht das aber nicht,
bemerkte ein Schweizer: "Erst einmal muss geklärt werden, was
einzelstaatliche Aufgaben sind, und dann, was subsidiär von
der Union getragen werden kann!" Gewiss aber wird die Politik auf
das grundlegende Prinzip der Subsidiarität pochen.
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