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Konrad Watrin
Editorial
Happy, Happy Afrika" lautet einer dieser unbeschwerten Songs
über den Kontinent schwarzer Exotik und Erotik. Hoffnungslos
scheint dagegen seit langem die Lage in vielen Ländern dort.
Afrika, verlorener Kontinent? Oder die letzte globale Inspiration
für Abenteurer und Künstler, vor allem die von hier
inspirierte Musik. Denkt man an die ganze Länder
überrollende AIDS-Pandemie, die sämtliche bescheidenen
Erfolge der vergangenen Jahrzehnte korrodieren lässt, an all
die Kriege, Korruption samt Kindersoldaten - was dann? Von
Entwicklungspolitik jedenfalls ist seit langem schon keine Rede
mehr. Afrika, Wiege der Menschheit! Afrika, unaufhörliche
Totenklage?
In einer konzeptionellen Mischung aus geographisch-politischem
und strukturell-thematischem Ansatz versucht "Das Parlament" in
dieser Themenausgabe, anhand von zwei Dutzend herausragenden Themen
die wichtigsten Eckpunkte der aktuellen Situation auf dem
rückständigsten der Kontinente zu setzen. Es soll ein
knapper Überblick sein über die Armutsprobleme und
Konflikte, aber auch über den Reichtum und die künftigen
Chancen Afrikas, über seine Kultur und Gesellschaft. Sowohl
der Grand Seigneur der Afrika-Wissenschaft, Franz Ansprenger, als
auch "Zeit"-Korrespondent Bartholomäus Grill sehen die
kolonialen Erblasten und die eigenen Verfehlungen in über 40
Jahren staatlicher Unabhängigkeit mittlerweile als nahezu
gleichgewichtig an. Ähnlich wie in der arabischen Welt kommt
auch der "Fluch der Ressourcen" hinzu, der heimische Wirtschaften
zu Rentiersystemen verkommen lässt, wie Axel Harneit-Sievers
von der Heinrich-Böll-Stiftung am Beispiel Nigeria aufzeigt.
Gewöhnung und Abhängigkeit ganzer Teile dieser
Volkswirtschaften von ausländischen Transferleistungen
(früher: Entwicklungshilfe) analysiert der Mainzer Ethnologe
Thomas Bierschenk. Von Aneignungsprozessen der Globalisierung
sprechen Soziologen oder Ethnologen, wenn heimische Kulturen und
Produzenten vernichtet werden, etwa wenn - wie der Bayreuther
Ethnologe Hans Peter Hahn zeigt - in West-Afrika aus unerfindlichen
Gründen fernöstliches Plastik die lokale
Lederwaren-Kultur verdrängt, weil ersteres plötzlich als
"schick" gilt.
Der Schlüssel zu den Kernproblemen des Kontinents - Armut,
Krankheit, Gewalt - und darüber hinaus dürfte sich in
einem Ansatz finden, wie ihn der Gießener Soziologe Trutz von
Trotha in seiner Untersuchung der demographischen Entwicklung
anwendet. Die Gegenfrage sozusagen, die Rainer Tetzlaff in diesem
Zusammenhang stellt, lautet indes, ob nicht zunehmend
Interventionen von außerhalb unerlässlich werden
angesichts der Gravität und offenkundigen Unlösbarkeit
der afrikanischen Sorgen und Probleme. Deren Auswirkungen wiederum,
unter maßgeblicher deutscher Beteiligung, beschreibt der
taz-Autor Dominic Johnson im Aufmacher anhand der prekären
Lage am Horn von Afrika, wo auch Bundeswehr-Soldaten nach Al Qaida
ausspähen.
Dennoch dürfte die soeben vom deutschen Bundeskanzler
aufgesuchte schwarze Welt, bisher der "Katastrophen-Kontinent"
schlechthin, für die entwickelte Erste und Zweite Welt
überhaupt erst "interessant" werden, wenn - wie Schröder
jüngst bei seiner Reise durch mehrere afrikanische Länder
anklingen ließ - die von dort ausgehenden Sicherheitsprobleme
diese ernsthaft tangieren. Spätestens jedoch dann, wenn alle
benötigten Reichtümer der heute umworbenen und
umkämpften Regionen in Nahen und Mittleren Osten, in Eurasien,
vielleicht auch dereinst die noch riesigen Vorräte Russlands,
endgültig und unwiderruflich zur Neige gehen.
Diese ziemlich hoffnungslose Situation könnte nach heutigen
Analysen frühestens in 50 bis 100 Jahren entstehen. Dann aber
wäre die Wiege der Menschheit unter Umständen doch deren
letzter verbliebener Ressourcenraum, vielleicht sogar deren
Rettung.
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