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Karl-Heinz Baum
Diskussion um die Frage der Steuererhebung durch
Bund und Länder
Zweite Anhörung der Bundesstaatskommission
in Berlin
Am 11. März kam die Bundesstaatskommission zu ihrer zweiten
Anhörung zusammen. Sachverständige gaben nach der
Anhörung zur Gesetzgebung im Dezember diesmal Auskunft, wie
die Finanzbeziehungen im Bundesstaat neu aufzuteilen wären. In
der Reformdebatte ging es zum Einen, welche Steuern künftig
der Bund und welche die Länder erheben sollten, wie
Gemeinschaftsaufgaben (Hochschulneubau, regionale
Wirtschaftsstruktur, Küstenschutz, Agrarstruktur,
Bildungsplanung und Forschungsförderung) auf Bund und
Länder zu verteilen seien.
Zur Steuerverteilung zwischen Bund und Ländern sagte der
Jurist Hans Meyer (Humboldt-Universität Berlin), wenn man alle
den Ländern und Gemeinden zukommenden Steuern auf die
Länder übertrage, könnte man das bisher bestehende
Zustimmungsrecht des Bundesrats ersatzlos streichen. Das
Zustimmungsrecht solle das Steueraufkommen der Länder sichern,
nicht aber die Steuerpolitik des Bundes mitbestimmen. Dann
wären die Länder künftig beim Steueraufkommen
völlig selbständig und vom Bund unabhängig.
Hans-Peter Schneider vom Institut für
Föderalismusforschung der Universität Hannover schloss
sich dieser Meinung an. Er plädierte dafür, jene Steuern
an die Länder zu verlagern, deren Ertrag ihnen zufließe.
In einer Demokratie müsse der Grundsatz gelten, wer Steuern
erhalte, müsse sie auch erheben. Wenn er im Ausland darauf
verweise, dass in Deutschland der Bund Gesetze über Steuern
mache, die den Ländern zuständen, sage man dort zuweilen:
"Dann seid ihr gar kein Bundesstaat!" Dieses System verstehe
außerhalb Deutschlands keiner.
Für ihn sei das kein Föderalismus- sondern ein
Demokratieproblem, sagte Schneider. Die Ebene, die über
Einnahmen und Ausgaben entscheiden könne, müsse
dafür auch politisch verantwortlich sein. Die
Steuergesetzgebung sei kein Instrument, um Unterschiede in der
Finanzkraft der Länder auszugleichen. Steuergesetzgebung
heißt: Ich verantworte vor meinen Bürgern das, was ich
als Steuern erhebe. Das habe ich zu begründen. Sind die
Bürger damit nicht einverstanden, wählen sie mich ab,
wählen eine neue Regierung und machen ein neues Gesetz. Eine
Änderung auf diesem Feld bringe Entscheidungen, die bisher
beim Bund lägen, näher an die Bürger heran. Die
Länder könnten sich bisher darauf berufen, der Bund sei
für die Steuern verantwortlich und könnten damit auch bei
Landtagswahlen mit der Bundespolitik punkten oder nicht punkten.
Dieses Grundübel müsse aber aufhören.
Der Finanzwissenschaftler Stefan Homburg (Universität
Hannover) will Verbundsteuern (Einkommen- und
Körperschaftssteuer) sowie Verbrauchssteuern bis hin zur
Biersteuer beim Bund belassen, alle andern Steuern wie
Erbschaftssteuer, Grundsteuer, Kfz-Steuer und Gewerbesteuer den
Länder übertragen - für ihn eine durchaus sinnvolle
Aufgabe dieser Kommission. Vor allem Verbrauchssteuern müssten
im ganzen Land einheitlich sein, das sei so seit Jahrhunderten,
weil sonst die Gefahr bestehe - etwa bei unterschiedlicher Tabak-
oder Branntweinsteuer - dass sich die Menschen damit nicht am
Wohnort eindeckten. Die Zuständigkeit des Bundes in diesen
drei Bereichen der Gesetzgebung werde aber wohl
zustimmungspflichtig bleiben müssen: Dieser Steuerverbund
zwischen Bund und Ländern sei eine Art Versicherung für
beide Seiten, an direkten und an indirekten Steuern teilzuhaben.
Niemand wisse schließlich, wie sich künftig Einkommen-
und Umsatzsteuer entwickelten. Seien Bund und Länder an beiden
Steuern beteiligt, minderten sie so ihr Risiko. Aber dann sei es
keine echte Reform mehr.
Pro-Kopf-Einkommen als Maßstab
Wenn die Länder mehr Steuern erheben könnten,
müsse das den Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern
verändern. Da einige Länder dann bestimmte Steuern nicht
erheben, andere neue einführten, könne man dann die
Finanzkraft eines Landes nicht mehr am Steueraufkommen messen. Der
steuerkraftgestützte Finanzausgleich müsse durch ein
anderes System ersetzt werden, durch das des Pro-Kopf-Einkommen des
Landes. Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen müssten also
in den Finanzausgleich einzahlen, Länder mit niedrigem
erhielten daraus Geld. Das sei ökonomisch vernünftiger
als ein Finanzausgleich nach der Steuerkraft. Denn gegenwärtig
wirke der Finanzausgleich bei steigender Steuerkraft wie eine
hundertprozentige Steuer auf steigende Steuereinnahmen und biete
deshalb wenig Anreiz zu weiterer Steigerung.
Die Neuverteilung der Steuern zwischen Bund und Ländern
dürfe nicht zu neuen Steuern führen. Dann werde man Jahre
beraten, aber kein Ergebnis haben, ist sich der Kieler Jurist
(Lehrstuhl für Öffentliches Recht) und frühere
FDP-Bundestagsabgeordnete Edzard Schmidt-Jotzig (FDP) sicher. Die
Wissenschaftler Rüdiger Pohl (Institut für
Wirtschaftsforschung Halle), Fritz W. Scharpf (Max Planck-Institut
Köln) und Joachim Wieland (Universität Frankfurt/Main)
warnten, das Kind mit dem Bade auszuschütten.
Pohl verwies auf "gewaltige Unterschiede" in der Steuerkraft der
Länder, vor allem erreichten die Ostländer nur ein
Drittel des Bundesdurchschnitts. Damit könnten sie ihre
Aufgaben wohl kaum angemessen erfüllen. Die Frage sei, ob
diese Länder wie beabsichtigt einen eigenständigen
Spielraum zur Gestaltung haben werden oder eher nicht. Sie
könnten ihn jedenfalls schlecht wahrnehmen, wenn darüber
hinaus wieder ein Finanzausgleich geschaltet werde. Deshalb
müsse man wohl sagen, das sei ein problematisches System, am
besten sollte es beim Verbundsystem bleiben.
Wieland meinte, die Länder hätten auch künftig
nur eine relativ begrenzte Autonomie über ihre Ausgaben. Doch
werde bei vielen Landessteuern der Druck auf ärmere
Länder steigen, ihre Steuern mehr als andere zu erhöhen.
"Kann wirklich gewollt sein, das ostdeutsche Länder
höhere Landessteuern haben als westdeutsche?" Sie müssten
sich so wohl den Anspruch auf Solidarität erkaufen. Die
Steuerlast müsste doch aber im Osten geringer sein, wenn
Deutschland möglichst schnell zusammen wachsen soll. Wieland
warnte deshalb davor, mehr Gesetzgebungskompetenzen auf die
Länder zu verlagern.
In der Debatte, wie es mit Gemeinschaftsaufgaben und
Mischfinanzierung von Bund und Ländern weiter gehen solle,
stimmten die Sachverständigen weitgehend überein. Die
einst große Aufgabe des Hochschulbaus sei im wesentlichen
abgeschlossen, auch in den neuen Ländern, so dass sie ohne
besondere Probleme den Ländern übertragen werden
könne; sie müssten für Ausbau und Erneuerung der
Hochschulen - auch mit Bundesmitteln - sorgen. Die
Gemeinschaftsaufgabe Förderung der regionalen
Wirtschaftsstruktur sei schon vom Namen her eine typische
Länderaufgabe. Ähnliches treffe auf die Förderung
der Agrarstruktur zu. Allerdings fragte die Bundesministerin
für Verbraucherschutz und Landwirtschaft Renate Künast
(Grüne), wie man eigentlich mit den Deutschland gewährten
EU-Mitteln für die Landwirtschaft umgehen solle. Sollten neun
Milliarden Euro einfach anderen EU-Ländern zufallen? Auf
diesem Feld müssten die Länder eben künftig
gemeinsam handeln. Mache da jeder für sich Politik,
würden wohl alle das Nachsehen haben, vermutet
Sachverständiger Pohl.
Selbst der Küstenschutz sei nicht als Gemeinschaftsaufgabe
vonnöten. Natürlich könne Schleswig-Holstein nicht
allein die finanziellen Lasten für den Küstenschutz
tragen. Dafür brauche das Land selbstverständlich
Ausgleichszahlungen oder Ergänzungszuweisungen aus der
Bundeskasse. Dennoch wüssten Landesbehörden vor Ort
besser als Bundesbehörden, an welchen Stellen der
Küstenschutz zu verbessern sei. Die einzige Sorge war, ob bei
einer weitgehenden Dezentralisierung der Gemeinschaftsaufgaben die
gleichen Lebensverhältnisse im ganzen Bundesgebiet gewahrt
werden könnten, was die meisten Sachverständigen durchaus
für möglich halten.
Einzig für die Forschungsförderung plädierten die
Sachverständigen dafür, diese Gemeinschaftsaufgabe dem
Bund zu übertragen. Es gebe zwar regionale Forschungsvorhaben,
die die Länder fördern könnten, sagte der
Finazwissenschaftler Homburg. Doch nach seiner Meinung müssten
zum Beispiel Max Planck-Institute, die Deutsche
Forschungsgemeinschaft oder die Kernkraftforschung an den Bund
gehen. Homburg geht davon aus, dass bei einer vernünftigen
Aufteilung etwa ein Fünftel der bestehenden deutschen
Forschungskapazitäten an die Länder gehen, vier
Fünftel an den Bund.
Schwierige Entscheidung
Der Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht,
Finanzrecht und Steuerrecht Ferdinand Kirchhof (Universität
Tübingen) findet es zwar schwierig zu entscheiden, ob ein
Sprachinstitut oder ein Duden-Institut eine regionale oder eine
nationale Aufgabe wahrnehme. Dennoch sieht auch er hier auf den
Bund großen Finanzbedarf zukommen. Er fürchtet auch
nicht, Länderkompetenzen könnten damit ausgehöhlt
werden. Zum einen will er dem jeweiligen Sitzland einer
Forschungsorganisation ein Mitspracherecht zugestehen. Zum andern
müsse man sehen, dass sich große Forschungsinstitute in
der Regel in der Nähe bedeutender, aber eben von den
Ländern kontrollierter Universitäten ansiedelten.
Die Bundesstaatskommission lässt die nächste
verabredete Klausurtagung am 1. April ausfallen. An diesem Tag
finden Sitzungen der Arbeitsgruppen statt. Die nächste
öffentliche Sitzung wurde auf den 14. Mai festgesetzt.
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