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Gerlind Schaidt
Kapitulation vor dem Tag der Kapitulation
Nordrhein-Westfalen: Posse um den Wahltermin
für die Landtagswahl 2005
Als ob Nordrhein-Westfalen keine anderen Sorgen hätte,
spaltet ausgerechnet ein Streit um den Wahltermin für die
Landtagswahl 2005 die Fraktionen im Düsseldorfer Parlament.
Zwar geht es nur um ein paar Tage im Mai, aber die
Auseinandersetzung ist heftig und spitzt sich durch ein paar
gezielt boshafte Äußerungen zusätzlich zu. Gut ein
Jahr vor dem Urnengang können sich SPD, CDU, FDP und
Grüne nicht einigen, ob am 8. oder am 22. Mai gewählt
werden soll. Während Sozialdemokraten, Liberale und Grüne
für den 22. Mai plädieren, wollen die Christdemokraten
bereits am 8. Mai wählen lassen
In einem Schreiben vom Dezember letzten Jahres hatte
Innenminister Fritz Behrens (SPD) den Parteien die beiden Termine
vorgeschlagen. In dem Ministerbrief werden Vor- und Nachteile
beider Daten erläutert. Für den 8. Mai sprechen folgende
Gründe: "Der Landtag könnte sich bereits am Freitag, den
3. Juni, das heißt, am ersten Tag nach Ablauf der Wahlperiode
konstituieren." Außerdem heißt es in dem dreiseitigen
Brief: "Der neu gewählte Landtag könnte noch vor den
Sommerferien ohne Zeitdruck die notwendigen Regularien
abwickeln."
Ein Nachteil des frühen Datums: "Wegen des vorherigen
Feiertags am Donnerstag, dem 5. Mai (Christi Himmelfahrt), handelt
es sich um ein Brückenwochenende, das für Kurzurlaube
genutzt werden könnte. Nachteilige Auswirkungen auf die
Wahlbeteiligung können deshalb nicht gänzlich
ausgeschlossen werden. Erwartet wird aber, dass für
Kurzurlauber in erster Linie das sich unmittelbar
anschließende Pfingstwochenende genutzt wird."
Am 22. Mai habe man es dagegen mit keinem verlängerten
Wochenende zu tun. Der Minister führte jedoch auch die
Nachteile des späteren Termins an: "Durch die Nähe zum
Ende der Wahlperiode ist es nicht möglich - wie bisher
üblich - die konstituierende Sitzung bereits am Folgetag des
Ablaufs der alten Wahlperiode am Freitag, 3. Juli,
durchzuführen." Beginn und Ende der künftigen
Wahlperioden müssten aus rechtlichen Gründen dauerhaft
auf Mitte Juni verschoben werden.
Soweit die rechtliche Lage. Seither schwelt der politische
Konflikt. "Wir bleiben beim 8. Mai 2005", trompeten die
Christdemokraten. "Der 22. Mai ist unser Vorschlag", kontert die
SPD.
Blumen und Wahlschein
Ganz ist die offizielle Begründung der SPD für ihren
Termin nicht nachzuvollziehen. So fürchten die
Sozialdemokraten eine magere Wahlbeteiligung durch mögliche
Kurzurlaube und sprechen außerdem vom 8. Mai als einem
historisch stark belasteten Datum, indem sie auf den 60. Jahrestag
der Kapitulation der deutschen Wehrmacht verweisen. Dabei sollte es
sich auch bei der SPD herumgesprochen haben, dass der 8. Mai seit
der berühmten Weizsäcker-Rede als Tag der Befreiung
gewertet wird. Außerdem war es der sozialdemokratische
Ministerpräsident Johannes Rau, der 1980 - übrigens gegen
erheblichen Widerstand der CDU - erstmals den 8. Mai als Wahltermin
durchboxte. Damals galt bei Sozialdemokraten der Spruch zum
Wahltag: Die Blumen für die Mutter, die Stimme für den
Landesvater. Dabei ist es bis heute geblieben. Jetzt gefällt
den Christdemokraten der Termin recht gut. Sie meinen, am Muttertag
bleibt jeder gute NordrheinWestfale zu Hause, um Mutter zu
besuchen.
Hinter dem politischen Gezerre steckt eine durchaus
nachvollziehbare Erfolgskalkulation. Die Christdemokraten, die im
Augenblick gut drauf sind und nach fast 40 Jahren Opposition eine
reelle Chance für einen Regierungswechsel wittern,
signalisieren mit ihrem frühen Wahldatum: "Wir sind bereit
für den Machtwechsel. Je früher desto besser." Bei der im
Stimmungstief gefangenen SPD möchte man
verständlicherweise den Wahltermin so weit wie möglich
hinausschieben, um durch einen langen Wahlkampf die Chancen zu
verbessern.
Die Grünen beobachten den Streit der beiden Großen mit
Amüsement. Ein Sprecher: "Für uns ist das keine
Glaubensfrage." Dennoch stehen sie aus Koalitionsgründen an
der Seite der SPD und plädieren für den 22. Mai. Für
die FDP erklärte die Parlamentarische
Geschäftsführerin Marianne Thomann-Stahl zugleich
augenzwinkernd und realistisch: "Grundsätzlich sind wir der
Meinung, je früher die Landesregierung weg ist, desto besser.
Da sich aber abzeichnet, dass die anderen Fraktionen für den
22. Mai 2005 sind, tragen wir das mit."
Richtig in die Wolle gerieten sich SPD und CDU neuerlich, als
unlängst die Äußerung eines CDU-Mannes in
Düsseldorf die Runde machte. Danach soll der ungenannte
Christdemokrat erklärt haben "Das Kapitulationsdatum 8. Mai
passt gut zum Machtwechsel, den wir in NRW anstreben." Wütend
giftete SPD-Fraktionschef Edgar Moron zurück: "Die NRW-CDU
verletzt die Regeln des politischen Anstands." Moron sah die
Landesregierung durch die Formulierung in eine Reihe mit den Nazis
gestellt. Das sei eine bodenlose Unverschämtheit.
CDU-Fraktionschef Jürgen Rüttgers lehnte die geforderte
Distanzierung von dem anonymen CDU-Zitat ab. "Der Satz ist zwar
idiotisch", so Rüttgers, aber: "Ich kann eine Sache nicht
dementieren, von der ich nicht weiß, vom wem sie kommt." In
den nächsten Wochen will Innenminister Behrens der Regierung
einen Einigungsvorschlag vorlegen, der dann vom Kabinett abgesegnet
werden muss.
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