Klaus Walter
Zähneknirschender Verzicht
Mecklenburg-Vorpommern: Kein Verkauf der
Stralsunder Sparkasse
Aus der Traum vom schnellen Geld in der leeren Stadtkasse: Der
Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat den Verkauf der Stralsunder
Sparkasse gestoppt. Das Landesparlament verabschiedete Anfang
März kurzfristig ein neues Sparkassengesetz. Es schließt
genau jene Gesetzeslücke, die die Stralsunder Stadtvertreter
zum Verkauf ihres kommunalen Kreditinstitutes nutzen wollten:
Gerät nunmehr eine Sparkasse im Nordosten in Schwierigkeiten,
hat vor ihrer Auflösung immer eine Fusion mit einer anderen
Sparkasse den Vorrang.
Landesfinanzministerin Sigrid Keler (SPD) sieht in dem Beschluss
des Parlamentes ein "eindeutiges Signal" für die
Unverkäuflichkeit der Sparkassen im Land. Der Gesetzgeber
spreche sich klar für den Erhalt der Sparkassen aus, sagte
sie. Jetzt werde man alle Kräfte bündeln, um die
Sparkasse Stralsund wieder in ruhiges Fahrwasser zu bekommen.
Unbedingt müssten nun das Vertrauen der Stralsunder
Bürger und das Vertrauen der dortigen Sparkassenmitarbeiter
zurückgewonnen werden. Und dazu werde sie "auch", so betonte
Keler, mit dem Stralsunder Oberbürgermeister Harald Lastovka
(CDU) zusammenarbeiten, der den Verkauf voranbringen wollte.
Die PDS-Fraktionsvorsitzende, Angelika Gramkow, zugleich
finanzpolitische Sprecherin, sagte, man nehme "mit Genugtuung" zur
Kenntnis, dass es auf Initiative der PDS den Stralsundern gelungen
sei, das Ansinnen ihres Oberbürgermeisters zu verhindern. Die
Linkssozialisten hatten in Stralsund ein Volksbegehren initiiert
und mit Hilfe von Mitgliedern anderer Parteien binnen sechs Wochen
6.952 Unterschriften zusammengetragen. Für den Stralsunder
Landtagsabgeordneten Karsten Neumann (PDS) eine wichtige Erfahrung:
Man habe das richtige Thema aufgegriffen und die Politik gezwungen,
über die ureigensten Wünsche der Bürger
nachzudenken.
Selbst die CDU-Landtagsfraktion hatte sich letztlich
mehrheitlich gegen die Initiative ihres Parteifreundes Lastovka
gewandt. In der Abstimmung zum Sparkassengesetz enthielten sich nur
sechs der 25 CDU-Landtagsabgeordnete der Stimme. Alle übrigen
votierten gemeinsam mit SPD und PDS für den neuen Erlass.
Offene Kritik gab es lediglich am Gesetzgebungsverfahren. Der
CDU-Finanzexperte Wolfgang Riemann warf der Finanzministerin vor,
zu spät auf die Privatisierungsbemühungen der Stralsunder
reagiert zu haben.
Doch auch die Stralsunder Stadtvertreter haben ihr bundesweit
beachtetes Vorhaben offenbar aufgegeben. Noch bevor der Landtag in
Schwerin abstimmte, erklärten die Fraktionen von SPD und CDU
der Stralsunder Bürgerschaft die Einstellung des laufenden
Prüfverfahrens. Mit der Änderung des Sparkassengesetzes
sei der Verkauf ohnehin nicht mehr möglich, zeigte sich
SPD-Fraktionschef Thomas Haack einsichtig. Und sein CDU-Kollege,
Torsten Henning, begründete, die Sache an sich sei zwar
richtig gewesen, doch sei man damit zwei Jahre zu früh
gekommen.
Erst im Dezember hatte die Bürgerschaft mit den Stimmen
derselben Fraktionen das Prüfungsverfahren auf den Weg
gebracht, mit dem die Möglichkeiten des Sparkassenverkaufs
ausgelotet werden sollten. Ihr Interesse am Kauf des angeschlagenen
Institutes sollen zuvor mehrere in- und ausländische Banken
geäußert haben. Den Verkaufserlös - genannt wurden
30 bis 50 Millionen Euro - wollten die Stralsunder zur Sanierung
von Schulen und Kindertagesstätten nutzen.
Der Ostdeutsche Sparkassen- und Giroverband hat der Stadt
inzwischen Hilfe bei der Bewältigung ihrer Probleme angeboten.
Der Bundesverband deutscher Banken hingegen äußerte sein
Bedauern über das Scheitern des bundesweit ersten
Sparkassenverkaufs. Pressesprecher Oliver Wolfrum sagte, Stralsund
habe eine wichtige Diskussion über Verkrustungen im deutschen
Bankensystem angestoßen.
Bürgermeister Lastovka äußerte sich bisher nicht
zu den aktuellen Entwicklungen. Er war bis zuletzt von der
Rechtmäßigkeit seines Vorgehens überzeugt und hatte
- falls der Landtag den Sparkassenverkauf verhindern sollte - den
Weg vor den Europäischen Gerichtshof angekündigt. Die
Stralsunder Sparkasse verfügt mit ihren 38.000 Kunden in der
Hansestadt über einen Marktanteil von 65 Prozent. Eigenen
Angaben des Kreditinstitutes zufolge wurden zuletzt 32.000 Konten
geführt. 1999 waren es noch rund 11.300.
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