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Volker Koop
Vermittlung ohne Quotendruck
Bisher nur in Berlin zu empfangen: Das
Parlamentsfernsehen
Wer will, kann sich über Satelliten
unzählige Fernsehprogramme aus aller Welt in sein Wohnzimmer
holen, um sein Informationsbedürfnis zu stillen. Nur eines
kann er nicht: Debatten des Bundestages in voller Länge
verfolgen, Anhörungen oder öffentliche Sitzungen der
Ausschüsse. Dies ist bisher etwa 9.500 Zuschauern vorbehalten,
die über das Berliner Breitbandkabelnetz ein bisher noch
exklusives Angebot nutzen. Denn was vielen Bürgern -
zwangsläufig - nicht bekannt ist: Ein Parlamentsfernsehen gibt
es in Deutschland längst, wenn auch weitgehend unter
Ausschluss der Öffentlichkeit.
Bisher sind es in erster Linie die
Abgeordneten, die Fraktionen und ihre Mitarbeiter, einige
Ministerien sowie eine Anzahl von Verbänden und Redaktionen,
die live und unkommentiert Politik über den Hauskanal des
Bundestages betrachten können.
Dabei war mit Umzug des Bundestages im
Jakob-Kaiser-Haus zugleich modernste Fernsehtechnik installiert
worden. Ein 100 Quadratmeter großes Studio und vier
angeschlossene Regien lassen das Herz eines jeden Fernsehmachers
höher schlagen. Plenardebatten sowie ausgewählte
Ausschusssitzungen, Anhörungen und andere wichtige
parlamentarische Ereignisse können aus bis zu fünf
Sitzungssälen übertragen werden. Ideale Voraussetzungen
also für ein bundesweites Parlamentsfernsehen?
Der CDU-Abgeordnete Wolfgang Börnsen ist
dieser Überzeugung und hat in einem Schreiben an alle
Abgeordneten einen entsprechenden Vorstoß gestartet. Er
plädiert für eine Ausstrahlung des Programms per
Satellit, durch den dann wiederum diverse Kabelanbieter und
Direktempfänger bedient werden könnten.
Schätzungsweise 16,7 Millionen Haushalte könnten auf
diese Weise erreicht und neue Zielgruppen erschlossen
werden.
Doch Börnsens Vision reicht über
die bloße Übertragung von Plenar- und Ausschusssitzungen
und anderen parlamentarischen Ereignissen hinaus: "In
Diskussionsrunden, Kurzmeldungen und Erklärstücken
könnte dieses Programm umfangreiche Information und
Dokumentation vermitteln, die in anderen Programmen aufgrund des
Quotendrucks zu kurz kommen." Das Parlamentsfernsehen betrachtet er
als "medialen Mittler" zwischen Parlament, Abgeordneten und
Bürgern. Wähler könnten Fragen stellen und
bekämen direkte Antwort von den politischen
Entscheidungsträgern.
Der Deutsche Bundestag verfüge als
einziges großes EU-Parlament über kein eigenes,
landesweit empfangbares Parlamentsfernsehen, so, wie es sich
beispielsweise in Frankreich und England, aber auch in den USA
schon längst bewährt hat.
Die Anregung scheint - mit Abstrichen - auf
Sympathie zu stoßen. So stellt Grietje Bettin, Abgeordnete von
Bündnis 90/Die Grünen, zunächst die Frage, ob zum
Beispiel Debatten über ein eigenes Parlamentsfernsehen
vermittelt werden sollten, wo es doch schon "Phoenix" gebe. Wenn
sie sich mit Bekannten oder Kollegen über Plenarsitzungen
unterhalte, höre sie immer wieder: "Die Zeit der großen
Debatten ist doch vorbei." Einen solchen Satz will Grietje Bettin
jedoch nicht gelten lassen und sagt: "Sicherlich, legendäre
'Redeschlachten' wie zu Zeiten Brandts oder Wehners gibt es kaum
noch, aber die mediale Präsenz von Politik hat zugenommen.
Für die Vermittlung und Transparenz von Politik gegenüber
der Öffentlichkeit spielen die Debatten im Plenum eine
zentrale Rolle. Selten kann Politik so anschaulich und lebendig
dargestellt werden, wie mit schlagkräftigen Argumenten in
einer gut pointierten Rede." Auf die Einspeisung des "Hauskanals"
mit seinem auf höchstem technischem Niveau produzierten "Live
aus dem Plenum"-Programm ins analoge Kabelnetz eingehend, meint die
Parlamentarierin, dies erscheine ihr wenig sinnvoll, da dessen
Kapazitäten begrenzt seien. Allerdings könnten die
Kapazitäten des sich verbreitenden digitalen Empfangs für
eine solche Ausstrahlung genutzt werden, und durch die Zunahme an
Breitbandanschlüssen seien auch Online-Übertragungen gut
vorstellbar. Ihre Einstellung fasst Grietje Bettin unter der
Voraussetzung, dass nicht nur Plenumsdebatten übertragen,
sondern auch öffentliche Ausschusssitzungen und
Anhörungen gezeigt werden, so zusammen: "Der Deutsche
Bundestag ist ein Herzstück unserer Demokratie, und ein
öffentliches Parlamentsfernsehen könnte viel zu einer
attraktiven Vermittlung von politischen Prozessen und Inhalten
beitragen."
Eine Reihe stichhaltiger Gründe für
ein landesweites Parlamentsfernsehen sieht auch Hans-Joachim Otto.
Mehr Haushalte, so der FDP-Abgeordnete, könnten erreicht
werden, und damit würden die parlamentarischen Vorgänge
im Bundestag wesentlich mehr mündigen Bürgern
zugänglich gemacht, als dies bisher durch das Phoenix-Programm
der Fall sei. Bestehenden Tendenzen der medial vereinfachten
Darstellung von Politik könne ebenso entgegen gewirkt werden
wie den wie den Vorwürfen mangelnder Transparenz. Das belegten
Vergleiche mit einigen europäischen Nachbarn. Zudem würde
die im Bundestag bereits vorhandene Fernsehtechnik effizienter
genutzt.
Dennoch aber gibt es für Hans-Joachim
Otto auch einige wichtige Punkte, die nach seiner Auffassung gegen
ein eigenständiges Parlamentsfernsehen sprechen. So geht er
von erheblichen Mehrkosten und davon aus, dass der bisherige Etat
des Bundestages für Öffentlichkeitsarbeit von 8,5
Millionen Euro um mindestens 50 Prozent erhöht werden
müsste. Außerdem seien Kabelkapazitäten derzeit
vollständig ausgelastet. Für den privaten Rundfunk
bestünde daher die Gefahr, durch das Parlamentsfernsehen vom
Markt verdrängt zu werden. Nach seiner Überzeugung
spreche deshalb viel dafür, statt der separaten,
kostenaufwändigeren Verbreitung des Parlamentsfernsehens in
Verhandlungen mit den Verantwortlichen von Phoenix eine
stärkere Parlamentsberichterstattung in diesem bereits
vorhandenen Programm durchzusetzen.
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