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Experten fordern mehr Geld und weniger
Bürokratie
Arbeitsbedingungen an deutschen
Hochschulen
Bildung und Forschung. Nach Meinung von Experten
und Sachverständigen sind Forschung und Lehre in Deutschland
unterfinanziert. Die aktuellen Kürzungen in den Haushalten von
Bund und Ländern wirkten sich "katastrophal" auf Forschung und
Lehre und "demotivierend" auf die Wissenschaftler und das
nichtwissenschaftliche Personal aus, so die einhellige Meinung der
Fachleute bei einer öffentlichen Anhörung des Ausschusses
für Bildung und Forschung zu "Arbeitsbedingungen an deutschen
Hochschulen" am 22. März in Berlin.
Wir brauchen mehr Geld für das System",
forderte Professor Max Einhäupl, Vorsitzender des
Wissenschaftsrats (Köln). Dies sei auch für die
Verbesserung der Betreuung von immer zahlreicher werdenden
Studenten unerlässlich. "Die Grundausstattung an deutschen
Universitäten ist in den Naturwissenschaften seit Jahren
absolut unzureichend, um auch nur den Minimalbedarf eines
Lehrstuhls abzudecken", beklagte Professor Wolfgang Eberhardt von
der Berliner Elektronenspeicherring-Gesellschaft für
Synchrotronstrahlung "BESSY" in einer schriftlichen Stellungnahme.
Das Geld reiche vielleicht gerade für den Reparaturbedarf an
Praktikumsgeräten, Bürobedarf und die Telefonrechnung.
Dienstreisen zu Konferenzen würden sehr oft durch private
Zuschüsse mitfinanziert.
Kritik übten die geladenen Gäste
auch an der großen bürokratischen Belastung der
Universitäten durch das Schreiben von zahlreichen Gutachten
und Berichten. Die Berichtspflicht nehme immer mehr zu und habe
inzwischen einen "forschungsverhindernden" Charakter, so Professor
Hartmut Schiedermair, Präsident des Deutschen
Hochschulverbandes (Bonn). Durch die Einführung eines so
genannten Qualitätsmanagements im Hochschulbereich sei eine
Vielzahl von zusätzlichen Gutachterpflichten durch
Evaluationen und Akkreditierungen hinzugekommen. Die
Hochschullehrer seien ganz überwiegend der Auffassung, dass
der damit verbundene Aufwand nicht mehr in einem ökonomischen
Verhältnis zu den Ergebnissen stehe. Nicht ermunternd sei
dabei die Vermutung, "dass die Berichte meist im Papierkorb
landen", kritisierte Schiedermair. Daher sei eine
Kosten-Nutzen-Analyse für diese Arbeitslast dringend
notwendig.
Junior-Professor Philipp Ther von der
Europa-Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder
kritisierte die ausufernde Gremienarbeit an den Hochschulen. Sie
koste viel Zeit. Dabei müsse man "irgendwelche Kürzungen
abnicken". Dies sei unerquicklich.
Auch die Besoldung des Lehrpersonals und
befristete Arbeitsverhältnisse standen auf der Tagesordnung
der Beratung. Dabei waren sich die Experten überwiegend einig,
dass in beiden Bereichen mehr Flexibilität erforderlich ist.
Vor allem bei der Anwerbung von Spitzenkräften müsse eine
größere Differenzierung bei der Vergütung
möglich sein, so Hartmut Krebs, Staatssekretär im
Ministerium für Wissenschaft und Forschung
Nordrhein-Westfalen.
Es fehle an Mobilitätsbereitschaft,
beklagte Eberhardt. Wissenschaftler sollten verschiedene
Institutionen kennen lernen. Mobilitätszulagen könnten
diese Flexibilität erleichtern.
Befristete
Arbeitsverhältnisse
Professor Dagmar Schipanski, Ministerin
für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Thüringen,
plädierte für möglichst viele befristete
Arbeitsverhältnisse, die sich an den Bedürfnissen der
Hochschulen und der Lehre orientieren sollten. So müsse es
möglich sein, in Zeiten von Studentenboom in einem Fach mehr
Arbeitskräfte einzustellen, die aber eine Mindestbefris-tung
für den Abschluss ihrer Doktorarbeiten erhalten sollten.
Für die Befristung sprach sich auch Schiedermair aus. Dagegen
plädierte Barbara von Wnuk-Lipinski, Bundesvorsitzende vom
Ring Christlich-Demokratischer Studenten. Eine Befristungsdauer auf
zwölf Jahre bei befristeten Arbeitsverträgen sei "der
größte Schwachsinn", gehe an der Realität vorbei und
sei die Ursache für eine große Unruhe unter den
Mitarbeitern. Diese Regelung solle unbedingt gekippt werden, so von
Wnuk-Lipinski. "Der Hochschule sollte es überlassen bleiben,
wen sie wie lange, in welchem Lebensalter und zu welchem Zweck
anstellt."
Nach Meinung der Sachverständigen
müssen Hochschullehrer nicht unbedingt Beamte sein. Für
den Beamtenstatus spreche zwar die Unabhängigkeit der
Wissenschaftler, doch eine Alternative dazu sei das
Angestelltenverhältnis, meinte Professor Ulrich Preis,
Direktor des Forschungsinstituts für Deutsches und
Europäisches Sozialrecht (Köln). Dies garantiere die
gleiche Unabhängigkeit. Bei Spitzenforschern sei es besonders
deutlich: Sie müssten keine Beamte sein. Sie könnten
vielmehr als Selbstständige arbeiten. "Aber die sind teuer",
so Preis.
Als problematisch sahen die
Sachverständigen auch den Abwanderungsprozess junger
Wissenschaftler vor allem in die USA, aber auch in den
außeruniversitären Bereich an. Deutsche Hochschulen
bildeten zwar ausgezeichnet aus, so Professor Peter Gaehtgens,
Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (Bonn). Das Problem
sei aber: "Wir halten sie nicht im Lande." Um dagegen zu steuern
bedürfe es eines Quentchens Patriotismus und
zukünftsfähiger Positionen für den
wissenschaftlichen Nachwuchs in Deutschland.
Das Spannungsverhältnis zwischen der
universitären und außeruniversitären Forschung
thematisierte Einhäupl. Es sollte gut möglich sein,
qualifizierte Wissenschaftler aus außeruniversitärem
Bereich zu berufen. Doch gebe es hier Berührungsängste.
Es bedürfe eines "Kulturwandels", um dies zu ändern.
Daher müsste die Barriere zwischen diesen Einrichtungsarten
überwunden werden, um etwa gemeinsame Berufungen zu
ermöglichen. Die Politik sollte die Voraussetzungen dafür
schaffen, damit in diesem Bereich eine Balance hergestellt wird.
Ein Weg dahin führe über die Finanzierung. Dabei
schneiden die Universitäten schlechter ab als
außeruniversitäre Einrichtungen und seien daher für
Nachwuchskräfte nicht so attraktiv. Forschung und Lehre seien
eine Einheit und müssten besser vernetzt werden. Sonst "lehren
wir, was gestern gültig war", warnte Einhäupl.
Der Ausschuss diskutierte darüber hinaus
über die Auswahl von Studienbewerbern, die Situation des
wissenschaftlichen Nachwuchses, den Wissenschaftsvertrag und das
Hochschulrahmengesetz. Auch die Arbeitsbedingungen für
ausländische Hochschullehrer und Wissenschaftler, die
Bewertung der neu eingeführten Juniorprofessuren,
Gleichstellungsfragen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie
im Hochschulbereich wurden beraten. bes
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