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Josef Thomas Göller
"Ich wurde mit dem Schwert in der Hand zu euch
gesandt"
Bin Ladens Endlösung: Die
Steinzeit-Islamisierung der Welt
"Lob sei Gott, der das Buch (Koran) offenbarte,
in dem Er sagt: \‚bekämpft und erschlagt die Heiden, wo
immer ihr sie antrefft, packt sie, belagert sie, lauert ihnen auf
in jedem möglichen Krieg'; Friede sei mit unserem Propheten
Mohammed, der außerdem sagte: \‚Ich wurde mit dem
Schwert in der Hand zu Euch gesandt, um sicherzustellen, dass kein
anderer als Gott verherrlicht wird'". Mit diesem
religiös-verbrämten Satz beginnt die Fatwa des Fanatikers
und selbsternannten "Scheichs" Osama bin Laden, mit der er
offiziell am 23. Februar 1998 den "Heiligen Krieg aller Moslems
gegen die Juden und Kreuzritter" ausrief.
Mitunterzeichner dieses ellenlangen
Hass-Textes, der in der in London erscheinenden arabischen Zeitung
"Al-Kuds al-'Arabi" veröffentlicht wurde, sind seine so
genannte "Rechte Hand", der Ägypter Aynab al-Zawahiri, sowie
vier weitere "Scheichs" und Führer terroristischer
Islamistengruppen aus aller Welt.
Mit den Kreuzrittern sind in erster Linie die
Amerikaner gemeint. Bei Bedarf fügt Bin Laden aber auch
europäische oder asiatische Verbündete der USA hinzu, je
nach dem, welche Rechtfertigung für einen spektakulären
Terroranschlag gerade gebraucht wird. Schon in seiner nun sechs
Jahre alten "Fatwa" rief Bin Laden dazu auf, auch jene zu
bestrafen, "die hinter ihnen (den Amerikanern) stehen, damit sie
eine Lektion lernen". Kurz vor den spanischen Nationalwahlen, am
11. März, hat Bin Laden mittels seines Terror-Netzwerkes Al
Qaida in Madrid eine solche "Lektion" erteilt. Und Spanien hat
prompt so reagiert, wie es der pseudo-religiöse Fanatiker
erhofft hatte: Die Opposition gewann die Wahlen und hat sofort den
Abzug der spanischen Soldaten aus dem Irak
angekündigt.
In den USA sprechen deshalb namhafte
Kommentatoren davon, dass Al Qaida seine erste Wahl gewonnen habe.
"Die Spanier haben vor Bin Laden kapituliert", wie etwa Charles
Krauthammer in der an sich gemäßigten "Washington Post"
schrieb.
In Europa beharrt man indes auf einer
differenzierteren Ansicht. Differenzierung tut auch not: Dort, wo
es darum geht, zwischen dem Islam als bedeutender und
beeindruckender Religion und jenen, die ihn für ihre
selbstsüchtigen politischen Ziele schamlos ausbeuten, zu
unterscheiden. Diese Differenzierung geschieht in der westlichen
und sogar in der arabischen Welt längst nicht intensiv genug.
Im Westen nicht, weil wir das islamische "Heilige Buch", den Koran
und seine wertvollen Lebenshilfen - voller tiefgründiger
Philosophie sowie Toleranz und Achtung vor Mann und Frau in einem
Maße, wie es das Christentum jahrhundertelang nicht
praktizierte - gar nicht kennen und deshalb jeder dahergelaufenen
Interpretation, jedem islamistischen Fanatiker Glauben schenken, er
spreche für das, was Islam heißt.
Im Orient sind Stimmen, die zwischen den
wahren Religionsinhalten und den vermeintlichen der Radikalen
unterscheiden, nahezu verstummt, weil - mit Ausnahme der
Türkei - alle islamischen Staaten den Anschluss an die Moderne
verpasst haben. Durch moderne Medien ist den arabischen
Völkern in den vergangenen Jahrzehnten bewusst geworden, dass
sie in Armut leben, trotz des teilweise enormen Reichtums in ihren
Ländern. Statt die Schuldigen in den sich bereichernden Eliten
ihrer eigenen Länder zu suchen, hat sich ein kollektiver
Neidkomplex auf den reichen und noch dazu "ungläubigen" Westen
aufgebaut, der sich zunächst zwischen 1947 und 1972 einzig
gegen den westlichen Stellvertreter der Region, Israel, entlud,
seither aber zunehmend den Westen einbezog, beginnend mit dem von
Yassir Arafat befohlenen Überfall der Palästinenser auf
die Olympischen Spiele 1972 in München.
Als Wendepunkt hin zum "Religionskrieg", zum
"Kampf der Zivilisationen", wie es Bin Laden nennt, ist indes das
Jahr 1979 zu nennen, beginnend mit dem Sturz des Schahs im Iran und
der brutalen Islamisierung des Landes durch Ayatollah Khomeni. Er
förderte die Aus- und Aufrüstung von Terrorgruppen gegen
Israel, mit dem Ziel der "Vertreibung der Juden ins Meer". Zum
ersten Mal unterstützte ein moslemischer Staat ungeniert und
ungestraft Terrorismus. Die Hizbollah ist bis heute die namhafteste
vom Iran geförderte Staatsterroristengruppe. Im Dezember 1979,
als die Sowjetunion Afghanistan überfiel, gab es dann die
endgültige Wende hin zum pan-islamischen "Heiligen Krieg".
Dieser zehn Jahre dauernde Kampf der russischen Supermacht gegen
die afghanischen Stammeskrieger und ihre 10.000 islamischen
Söldner aus aller Herren Länder, mündete
letztendlich in die Gründung von Al Qaida. Der Sieg über
die Russen Ende 1989 machte Bin Laden glauben, dass auch ein Sieg
über die zweite Supermacht USA möglich sei, und damit die
Zerschlagung der Herrschaft der "Ungläubigen", wie alle
Nichtmoslems von den islamistischen Hardlinern genannt
werden.
Osama bin Laden, betuchter Sohn eines aus dem
Jemen nach Saudi Arabien eingewanderten Bauunternehmers, beschritt
den Pfad des "Jihadi", des "heiligen Kriegers", im Zorn über
die sowjetische Invasion des moslemischen Staates Afghanistan. Er
verlegte sein Baugeschäft - inklusive Hunderter von Arbeitern
und schwerem Gerät - umgehend in den bedrängten Staat am
Hindukusch, baute Verstecke in den Bergen, Nachschubwege,
Widerstandsnester, Trainingslager. Außerdem richtete er
zusammen mit der geheimen Organisation der 1928 in Ägypten
gegründeten "Moslembruderschaft" in allen islamischen Staaten
sowie in Europa und den USA Rekrutierungsbüros ein und
transferierte die angeworbenen freiwilligen Kämpfer auf eigene
Kosten in das Kriegsgebiet.
So entstanden seine ersten persönlichen
Bindungen zu Moslems in aller Welt, so knüpfte er über
die Moslembruderschaft hinaus Kontakte zu zahlreichen anderen,
zunächst unbedeutenden religiös-fanatischen
Untergrundorganisationen.
Der amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA
förderte damals mit 500 Millionen Dollar pro Jahr über
den pakistanischen Geheimdienst die Ausbildungslager für
moslemische "Freiheitskämpfer" in Afghanistan, nach dem Motto:
Der Feind meines Feindes ist mein Freund. Wie der
Terroristen-Fachmann Yossef Bodansky in seiner Biographie über
Bin Laden beeindruckend nachweist, hat es der damalige
pakistanische Geheimdienst verstanden, der CIA vorzugaukeln, sie
fördere die militärische Ausbildung von afghanischen
Mudschahedin. Von moslemischen Söldnern in Afghanistan habe
sie damals keinen "blassen Schimmer" gehabt.
Als das Ende der Sowjets in Afghanistan
abzusehen war, gründete Bin Laden 1988 aus Tausenden von
internationalen Ex-Mudschahedin und anderen Unterstützern die
Organisation Al Qaida, auf Arabisch "die Basis", von der aus er
beabsichtigte, seinen "Heiligen Krieg" in andere Länder zu
tragen. Erster Erfolg wurde ihm bereits ein Jahr später im
Sudan beschert, wo am 30. Juni 1989 die so genannte Nationale
Islamische Front einen Militärputsch durchführte und
seither einen Vernichtungskrieg gegen die Christen und
Naturvölker im Süden des Landes führt.
Bis zu seiner Vertreibung durch die
Amerikaner im Oktober 2001 betrieb Bin Laden die Ausbildung
multinationaler Freiwilliger in den unzugänglich gelegenen
afghanischen Trainingslagern, teils eigenfinanziert, teils durch
Mittel der saudischen Königsfamilie und anderer "Spender". Auf
diese Weise wurden auch moslemische Tschetschenen, Bosnier und
Kosovo-Albaner im Kleinkrieg ausgebildet. Es ist kein Zufall, dass
1994/95 in Tschetschenien mit entsprechender Brutalität und
Grausamkeit der "Freiheitskrieg" dieser "russischen Moslemrepublik"
gegen Moskau entfacht wurde. Er reiht sich vielmehr ein in die
Strategie Osama bin Ladens: "Jedes Land, in das je ein Moslem
seinen Fuß gesetzt hat, muss befreit werden auf dem Weg zur
Weltherrschaft des Islam".
Auch die Balkankriege der 90er-Jahre, wiewohl
entfacht von den nationalistischen Serben, boten dem großen
Terror-Drahtzieher im Hintergrund Gelegenheit, den "heiligen Krieg"
nach Europa zu tragen.
Träger sind stets die AA - die
"Arabischen Afghanen" oder "Afghanische Alumni" (afghanische
Schüler) - wie intern alle in Afghanistan ausgebildeten
Terroristen bezeichnet werden.
Ins gleiche Bild reihen sich die an
Grausamkeit nicht zu überbietenden Greueltaten radikaler
Islamisten (FIS) in Algerien ein. 1990/91 kehrten rund 3.000
kampferprobte Algerier aus Afghanistan in ihre Heimat zurück.
1991 begannen die ersten Terrorüberfälle auf die
sozialistische Regierung in Algier, dann, weil um ihren Wahlerfolg
geprellt, wahllos gegen jedermann im ganzen Land. Geschätzte
100.000 Tote hat dieses Gemetzel bislang gekostet - im Namen von
"Allah, dem Allbarmherzigen", wie die FIS zynisch mit dem Blut
ihrer Opfer an die Hauswände schmiert.
Zur gleichen Zeit, 1990/91, begann der
moslemische Bandit Aidid mittels künstlich erzeugtem Hunger
seinen nachweislich von Al Qaida unterstützten
Vernichtungskrieg in Somalia und führte 1993 vor, wie man die
USA besiegen kann: indem er einen der High-Tech-Hubschrauber des
Typs Black Hawk abschoss und die Leichen der Piloten medienwirksam
durch die Straßen von Mogadischu schleifen ließ.
US-Präsident Bill Clinton beendete daraufhin prompt das
Engagement der Amerikaner am Horn von Afrika, ursprünglich
begonnen, um Millionen von Verhungernden humanitäre Hilfe
zukommen zu lassen.
Die Amerikaner als Nation zogen den gesamten
Hass Bin Ladens auf sich, als Präsident Bush senior es wagte,
1991 das von Saddam Hussein überfallene Öl-Scheichtum
Kuweit zu befreien. Im August 1990 war der Iraker in Kuweit
eingefallen, und das militärisch schwache Saudi Arabien
fühlte sich dem Aggressor ebenfalls ausgeliefert. Bin Laden
bot damals der eingeschüchterten saudischen Königsfamilie
an, er werde seine AA um sich scharen, Kuweit von den Irakern
befreien und damit auch die Bedrohung von Saudi Arabien abwenden.
Dieses Angebot erschien dem Königshaus Saud indes als
unsicher. Es lud vielmehr die USA ein, von Saudi Arabien aus eine
Koalitionsstreitmacht gegen den Irak zu führen. Erbost
darüber, dass "Ungläubige" - also Amerikaner, Briten und
Franzosen - Saudi Arabien, das "Heilige Land der Moslems" mit den
wichtigsten Pilgerstätten des Islam, Mekka und Medina, durch
die Stationierung ihrer Truppen "entweihten", wandte sich Bin Laden
fortan auch gegen seinen eigenen König, übersiedelte in
den Sudan, dann wieder nach Afghanistan und führt seither
Krieg gegen das saudische Königshaus und dessen "Handlager",
die USA.
Viele Nahost- und Terroristenexperten sind
sich deshalb einig, dass die seither nicht abreißenden
Terroranschläge gegen die USA im Grunde genommen ein nach
Außen verlagerter Bürgerkrieg Bin Ladens gegen das
Königshaus Saud sind. Bin Laden weiß, dass er die USA
nicht besiegen, nicht islamisieren kann, wohl aber glaubt er, indem
er die Amerikaner herausfordert, würden diese Druck auf die
Saudis ausüben, um so, zwischen Amboss und Hammer - zwischen
Al Qaida und den USA - gestürzt zu werden. Seine Rechnung ging
bisher dahingehend auf, dass die Bush-Regierung tatsächlich
hinter den Kulissen die Saudis derart traktiert hat, dass viele
geschäftliche Beziehungen beendet wurden. Die
wöchentlichen Flüge aus Riad nach Disney World in Florida
sind eingestellt. Keine Woche, ohne dass in amerikanischen Medien
das saudische Wahhabiten-Regime als Drahtzieher und Finanzier des
radikalen Islams angeprangert wird. Die Amerikaner glauben an
keinen Zufall, dass 15 der 19 Attentäter des 11. September
Saudis waren. Sie werfen dem Wüstenkönigreich ein
Doppelspiel vor.
Bin Laden profitiert zudem von der
pro-israelischen Stimmung der Bush-Regierung. Bei Amtsantritt hatte
George Bush versucht, den Aussöhnungskurs seines
Vorgängers Clinton, wenngleich auf niedrigerem Niveau, im
Nahen Osten fortzusetzen. Nach dem Terror-Angriff auf die USA
hingegen wuchs in Washington Verständnis für die harte
Linie des israelischen Ministerpräsidenten Ariel Sharon.
Washington selbst ging dazu über, zwei "Exempel" in der
moslemischen Welt zu statuieren: es stürzte das grausame
Taliban-Regime in Afghanistan und beseitigte Saddam Hussein im
Irak. Mit beiden Fällen hat Bin Laden vermutlich nicht
gerechnet. Er dürfte vielmehr auf ein Kleinbeigeben der
Amerikaner gebaut haben. Ergebnis seiner Terror-Politik ist, dass
zwei moslemische Staaten nun gewissermaßen in der Hand des
Erz-Feindes sind. Die von ihm als Kreuzritter bezeichneten
Amerikaner haben seine Herausforderung militärisch angenommen,
allerdings mit Konsequenzen, die diesen bewusst von den Islamisten
herbeigeführten "Kampf der Zivilisationen" eher anstacheln als
befrieden, wie das Beispiel Madrid am 11. März bewiesen hat.
Bedauerlich auch, dass Sharon ohne Zügelung durch die USA
seine großisraelische Machtpolitik hemmungslos ausleben kann;
dass er sich mit Mord-Attentaten wie das auf den Hamas-Gründer
Jassin genau auf jenes nihilistische Niveau derer begibt, die es zu
bekämpfen gilt. "Ariel, mein Sohn", hätte wohl Golda Meir
zu ihm gesagt, "Ariel, nicht militärisch, sondern
ideologisch!"
Doch die große alte Dame Israels ist
leider schon seit 26 Jahren tot. Ihr politischer "Enkel" legt nun
selbst die Axt an das Lebenswerk jener großartigen
Nahostpolitikerin. Es geht hier nicht um Israel-Schelte! Wie
würde wohl Deutschland reagieren, wenn wöchentlich durch
Selbstmordattentäter Busse, Restaurants, Discos,
Geschäfte mit Frauen, Kindern und Jugendlichen in die Luft
gejagt würden? Es geht vielmehr darum, wie man diesen
selbstzerstörerischen Wahnsinn ein Ende bereiten kann. Und man
sage nicht, dies sei unmöglich!
Das fast 60 Jahre alte Nahostproblem ist
natürlich der Schlüssel zur Bekämpfung des
islamistischen Terrors. Wer dies leugnet, begreift die arabische
Welt nicht. Washington versteht dies zum Beispiel nicht. In der
amerikanischen Hauptstadt wird das Nahostproblem schlichtweg vom
"Kampf gegen den Terrorismus", von der Beseitigung Saddam Husseins,
von dem Demokratisierungsversuch des Irak abgekoppelt. Richtig ist,
dass der israelisch-palästinensische Konflikt keine
religiösen Ursachen hat. Der langjährige Erz-Terrorist
Arafat ist genauso als Sozialist großgeworden wie der
Kibuzznik Sharon. Nur: Bin Laden und seine "Basis"-Anhänger
benutzen den Nahostkonflikt längst genauso wie die ihnen
passenden Stellen im Koran, um ihrer Vision der Wiedererrichtung
eines Kalifats - von Rabat bis Riad, von Madrid bis Mogadischu -
mit der brutalen Scharia als Rechtssystem - in der moslemischen
Welt Gehör zu verschaffen.
Seitdem die arabischen Länder über
eigene Fernsehsender wie Al Dschasira verfügen -das ist erst
seit zehn Jahren der Fall - seitdem werden täglich Bilder des
Grauens und der Not aus dem Gaza-Streifen und West-Jordanland in
alle 22 arabischen Nationen gesendet. Nichts wirkt
überzeugender und ist von Demagogen einfacher auszunutzen als
Bilder.
Und die arbeitslosen Männer im Café
zwischen Marokko und Medina erfahren tagtäglich, dass ihre
eigenen Regierungen gegen diese "Ungerechtigkeit" nichts tun.
Plötzlich erscheint da ein prophetenhafter Retter, Osama bin
Laden, der von der Vereinigung aller arabischen Nationen spricht,
von der Wiedererrichtung einstiger Größe, um dann mit
Donnerhall und blitzendem Sarazenenschwert von Tanger aus erst
Spanien, dann ganz Europa aufzurollen. Solche Hirngespinste sind es
indes, mit denen dem arabischen Jedermann jenes
Selbstwertgefühl vermittelt werden kann, das er im Alltag
nirgendwo findet. Verwundert es, wenn der Heilsbringer Zulauf
insbesondere unter jungen, tatendurstigen Männern aller
islamischen Nationen findet?
Al Qaida, die Basis, kann nicht
militärisch am Hindukusch zerschlagen werden, oder, indem man
versucht, Bankkonten zu sperren. Die Eigeninteressen der
(Schweizer) Banken finden die nötigen Schlupflöcher. Auch
der Westen ist korrupt. Der Kampf gegen Al Qaida muss ideologisch
aufgenommen und geführt werden. Das beginnt damit, dass Europa
unter keinen Umständen Verständnis für Terrorismus
aufbringen darf. Der Satz: "Des einen Terrorist, ist des anderen
Freiheitskämpfer" ist Unfug. Er wird in Europa leider allzuoft
im Zusammenhang mit palästinensischen Terroristen
akzeptiert.
Ein wesentlicher Schritt hin zu einer
Unterbrechung der Gewaltspirale wäre hingegen, dass all die
vielen Millionen Euro, die die Europäische Union jährlich
der palästinensischen Autonomiebehörde zufließen
lässt, von den Europäern vor Ort selbst verteilt und
angewandt würden. Es bedürfte europäischer
"Entwicklungshelfer" in den Lagern des Gaza-Streifens, in Jericho,
in Dschenin, die jene Aufbauprojekte gemeinsam mit den
Palästinensern umsetzen, die den Menschen vor Ort materiellen
Wohlstand bringen. Dabei kann man auch ihre Herzen gewinnen. So
arbeitet Al Qaida - und hat deshalb großen Zulauf!
Warum den Gegner nicht mit den eigenen Waffen
schlagen? Der Westen kann und darf - zum eigenen Schutz - nicht
länger tatenlos zusehen, wie die arabischen Massen verarmen.
"Wandel durch Annäherung", die Maxime des einstigen deutschen
Außenministers Klaus Kinkel gegenüber dem radikalen Iran
ist im Nahostkonflikt ein ebenfalls passender
Schlüssel.
Ähnliches gilt für Israel. Der
jüdische Staat darf von Europa nicht länger nur dem
amerikanischen "Hegemon" überlassen werden. Letztlich tragen
Deutschland und Großbritannien die historische Verantwortung
für die Gründung Israels. Mehr als jeder andere Staat,
viel mehr als die USA jedenfalls, müssten Berlin und London
auf direkter bilateraler Ebene - nicht im schwerfälligen,
verwässerten EU-Verbund - Israels Sicherheit garantieren
helfen. Indem den Palästinensern zu Wohlstand verholfen wird,
ihre ölreichen arabischen Brüder jedenfalls tun dies
nicht. Die Emire, Könige und Scheichs haben vielmehr Interesse
daran, den Palästina-Konflikt aktuell zu halten, weil er von
den Schwächen ihrer Regierungen ablenkt. Noch. Denn der
Prophet Osama will auch sie hinwegfegen.
Umso größerer diplomatischer,
wirtschaftlicher und ideologischer Anstrengungen bedarf es, den
nahöstlichen Terrororganisationen die finanziellen Quellen
auszutrocknen. Erst wenn keine Eltern mehr bereit sind, für
die Gegengabe von 20.000 Dollar eines ihrer Kinder als
Selbstmordattentäter herzugeben, weil sie nämlich selbst
durch redliche Arbeit leicht 20.000 Dollar verdienen könnten,
erst dann scheint der Wendepunkt im Kampf gegen den islamischen
Terrorismus erreicht.
Die arabische Welt dürstet nach
ökonomischer Gerechtigkeit. Der Westen hat sich, und darin hat
Osama bin Laden leider recht, mitschuldig gemacht, dass die
autokratischen Eliten dieser Länder den Öl-Reichtum
persönlich verprassen, anstatt die Petro-Dollars dem Volk
zukommen zu lassen. Der Westen hat es fast 60 Jahre lang
versäumt, durch politisch tragbare und beide Seiten gerecht
berücksichtigende Strategien entscheidend mitzuhelfen, den
blutigen Nahost-Konflikt zu lösen.
Es ist mehr als skandalös, dass dieses
Problem seit den 40er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts die Welt
in Atem hält und Europa sich mit der Rolle des
besserwisserischen Zaungastes zufrieden gibt. Die Rechnung für
all diese historischen Versäumnisse wird heute durch den
Fanatiker Osama Bin Laden präsentiert. Alle heftig
eingeleiteten Fahndungs- und Geheimdienstaktivitäten greifen
zu kurz, wenn die Araber weiter in bitterer Armut leben
müssen.
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