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Karl-Otto Sattler
Minister Walter Döring unter Druck
Baden-Württemberg: Ermittlungen wegen
Verdachts der Vorteilsannahme
Was für ein Trubel, was für ein Wirbel. Pulks von
Pressefotografen und TV-Kameraleuten tummeln sich im Stuttgarter
Landtagsgebäude, Journalisten drängeln mit ihren
Schreibblöcken herum. Seit Wochen stehen in den Zeitungen
zahllose Berichte über das Spektakulum bei Sitzungen des
Flowtex-Untersuchungsausschuss oder bei hitzigen Plenumsdebatten.
Das gewaltige Interesse verwundert nicht, erleben Schwaben und
Badener im Vorfeld der Europa- und Kommunalwahl am 13. Juni doch
mit der "Umfrage-Affäre" des Wirtschaftsministers Walter
Döring (FDP), gegen den die Staatsanwaltschaft wegen Verdachts
der Vorteilsannahme ermittelt, ein brisantes Schauspiel. Das
Bemerkenswerte: Dieses Mal ist es vor allem das Parlament, das zum
Forum der Aufklärung und der politischen Kontroverse wird -
wenn der FDP-Politiker, CDU-Ministerpräsident Erwin Teufel und
alle anderen Beteiligten auftreten, wird jeder Satz genau
gewogen.
Die Ingredienzen dieser Affäre haben es in sich.
Milliardenschwere Gaunereien der Fata-Morgana-Firma Flowtex samt
Tochterbetrieben, in deren Kellernischen wackere Polizisten per
Zufall Belastungsmaterial finden. Filzklüngel aus dem
Bilderbuch: Ein Minister ist der Managerin einer innerhalb des
Komplexes des Betrugsunternehmens angesiedelten Firma bei
Geschäftskontakten behilflich - und diese Frau ist
zufällig die Nichte des einst für Flowtex aktiven
Ehrenvorsitzenden der Partei des Ressortchefs. Über das
Unternehmenskonto der Dame lief die Finanzierung einer 10.000 Mark
(rund 5.100 Euro) teuren Umfrage des Ministers, die wiederum von
der Agentur eines ebenso prominenten wie schillernden PR-Managers
vorgenommen wurde. Da liegt mehr als ein "Gschmäckle" in der
Luft.
Flowtex ist längst Legende: Der gigantische
Milliardenbetrug des einstigen "Erfolgsunternehmers" Manfred
Schmider mit nicht existierenden Bohrgeräten ist als Highlight
in die Geschichte der Wirtschaftskriminalität eingegangen. Der
Untersuchungsausschuss des Landtags spürt den Verbindungen
zwischen Flowtex und der Politik nach. Noch nicht als große
Nummer gilt, dass Schmiders Firma den Wahlkampf des früheren
Baden-Badener CDU-Oberbürgermeisters Ulrich Wendt
mitfinanzierte. Kein schwerer Fall war auch, dass sich Ulrich
Eidenmüller, Vizechef der Landes-FDP, seinen Wahlkampf
für das Amt des Karlsruher OB von Flowtex sponsern ließ.
Nun aber hat es mit Döring den Vorsitzenden der
Südwest-Liberalen erwischt, der zudem Vize der Bundes-FDP
ist.
Was die Oppositionsparteien SPD und Grüne dem Minister
politisch vorwerfen, ließ die Karlsruher Staatsanwaltschaft
wegen des Verdachts der Vorteilsannahme die Initiative ergreifen:
Dörings in mehreren Briefen dokumentiertes Engagement
zugunsten von Geschäftskontakten der Firma Flow Waste
könne eine Gegenleistung gewesen sein für die
betriebsintern mit einer Scheinrechnung verschleierte Bezahlung der
besagten Umfrage aus der Kasse dieses Flowtex-Tochterunternehmen im
Jahr 1999. Die Flow-Waste-Geschäftsführerin heißt
Bettina Morlok und ist die Nichte des FDP-Ehrenvorsitzenden
Jürgen Morlok, der sich mit seinen Kontakten zur Politik
für Manfred Schmider nützlich gemacht hatte. Die
positiven Erkenntnisse der Demoskopen bezüglich der
Beliebtheit des Ministers und seiner Politik hatten Döring und
die FDP damals gern herausgestellt. Organisiert worden war die
Erhebung vom Infas-Institut, das seinerzeit noch zum PR-Reich
Moritz Hunzingers gehörte.
Der FDP-Ressortchef verteidigt sich wieder und wieder mit Verve:
"Mir war und ist nach wie vor klar, dass ich mir nichts habe
zuschulden kommen lassen." Zu vertuschen gebe es "nichts, aber auch
gar nichts". Er habe ein "absolut reines Gewissen", betont
Döring. Ob die Staatsanwälte bei den dubiosen
Vorgängen um die seltsame Umfrage die Vorteilsannahme als
erwiesen ansehen und die Affäre deshalb als justiziabel
einstufen, wird in Stuttgart weithin bezweifelt. Bettina Morlok
nahm auch ihre Behauptung zurück, Döring habe sich sogar
in einem persönlichen Brief an den FPÖ-Rechtsaußen
Jörg Haider für die Bewerbung von Flow Waste um den Bau
eines Müllofens in Kärnten stark gemacht. Aber auch
Jürgen Hofer, FDP-Abgeordneter im Untersuchungsausschuss
meint, eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens werde wohl nicht
dazu führen, "dass die politische Debatte beendet ist".
Politischen Zündstoff birgt die Affäre nach wie vor,
schließlich sind die Umstände der Bezahlung der Umfrage
immer noch ungeklärt. Döring selbst lieferte im Laufe der
Zeit mehrere Versionen. Als mehr und mehr herauskam, räumte er
ein, seiner mit der Regelung dieser Frage befassten damaligen
Büroleiterin Margot Haussmann, Ehefrau des einstigen
FDP-Bundeswirtschaftsministers Helmut Haussmann, als möglichen
Finanzier der Erhebung Bettina Morlok genannt zu haben. Zuletzt
deklarierte Döring die Überweisung der 10.000 Mark
für die auf ihn als Minister zugeschnittene Umfrage durch die
Managerin zur Parteispende für die Liberalen - die allerdings
beim FDP-Landesverband nicht verbucht wurde. Überdies steht
die These Hunzingers vor dem Ausschuss im Raum, die Erhebung habe
überhaupt nichts gekostet - weil er sie nämlich
Döring spendiert habe. Inzwischen hat die Staatsanwaltschaft
wegen des Verdachts der Falschaussage Hunzingers Wohn- und
Geschäftsräume durchsucht.
Politisch nicht unbedingt angenehm verlief für Döring
auch die Vernehmung Erwin Teufels vor dem Untersuchungsausschuss,
auch wenn sich der CDU-Politiker bislang vor seinen Minister
stellt. Bettina Morlok und Döring hatten Teufel gedrängt,
sich in Österreich für das Kärnten-Engagement von
Flow Waste einzusetzen. Doch der Regierungschef lehnte ab. Ans
Tageslicht kam der Vermerk eines Beamten der Staatskanzlei auf
einem Brief Morloks an Teufel: "Meines Erachtens ist die Sache
nicht koscher."
Den von der Opposition geforderten Rücktritt wegen der
Umfrage-Affäre lehnt der Wirtschaftsminister ab. Doch die
lässt nicht locker. Der "Geruch der Vorteilsannahme" bleibe
haften, kritisieren die Grünen. Die SPD spricht von einer
"unsäglichen Verquickung von Partei- und Regierungsamt sowie
von persönlichen Interessen". Der SPD-Fraktionsvorsitzende
Wolfgang Drexler: "Die moralischen Spielregeln sind nicht
eingehalten worden." Heikel ist der medienwirksame Zoff um
Dörings Affäre für die FDP auf jeden Fall wegen der
Wahlen am 13. Juni: Sie will dieses Mal den Einzug ins EU-Parlament
schaffen, und da zählen die Stimmprozente aus dem
baden-württembergischen Stammland besonders viel.
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