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Matthias Lohre
Der Weg zur UNO führt über die
ehemalige Hauptstadt
Internationales Flair: Bonn zieht mit dem Fach
European Studies Studenten aus der ganzen Welt an
Bonn ist besser als Tokio, sagt eine, die es wissen muss. Yuki
Itakura blickt entspannt auf die Menschen, die ringsum im sonnigen
Straßencafé ihre Milchkaffees trinken.
Frühlingsstimmung im Rheinland. Itakura ist in der japanischen
Hauptstadt aufgewachsen und wohnt seit zwei Jahren in Bonn. In
Tokio hat sie sich nie so wohl gefühlt. Die Rheinländer
sind viel mehr ihr Fall als die Menschen in der hektischen
Metropole Tokio, in der U-Bahn-Personal Fahrgäste in die
überfüllten Waggons drückt. Dass ihr Deutsch noch
nicht perfekt ist, scheint in Bonn niemanden zu stören. Und
mit den meisten Leuten spricht die Frau mit der ruhigen Stimme und
dem schüchternen Lächeln sowieso Englisch. Eine zweite
Muttersprache für sie und ihre 31 Master-Studienkollegen, die
hoffen, in siebeneinhalb Monaten den letzten Schliff zu bekommen
für eine Karriere bei EU, IWF oder UNO.
137 Studenten wie Yuki Itakura haben seit 1998 das Bonner
Programm durchlaufen. Anders als im zentralistischen Frankreich
können die Nachwuchs-Diplomaten hierzulande an mehreren
Universitäten den begehrten "Master of European Studies"
erarbeiten: in Berlin, Hamburg, Saarbrücken und Bonn. Neben
Politik und Wirtschaftswissenschaften zählt EU-Recht zu den
Seminarinhalten. Taufpaten der Ausbildung sind der Stiftungsverband
der Deutschen Wissenschaft, das Auswärtige Amt und das
Bundesbildungsministerium. Sie erhoffen sich kräftigen
Nachwuchs, der deutsche Interessen weltweit selbstbewusst vertreten
kann.
Dabei hat, wer wie Yuki Itakura im unscheinbaren
Bürogebäude nahe dem ehemaligen Regierungsviertel
studieren darf, schon mehrere Hürden auf seinem Karriereweg
gemeistert. Ein überdurchschnittlicher Studienabschluss ist
ebenso ein Muss wie fließendes Englisch. Wer Kenntnisse einer
weiteren europäischen Sprache hat und Berufserfahrungen in
internationalen Institutionen vorweisen kann, erhöht seine
Chancen. Graduierte aller Fachrichtungen können sich bewerben,
aber vor allem Politik und Wirtschaftswissenschaftler haben in den
vergangenen Jahren einen der begehrten Plätze bekommen. Ein
Drittel der Plätze ist für deutsche Bewerber bestimmt,
für die anderen gibt es keine Beschränkungen. In Yuki
Itakuras Jahrgang treffen acht Deutsche auf sieben Mitstudenten aus
Osteuropa, fünf aus Westeuropa sowie je eine
Führungskraft in spe aus Südkorea, der Ukraine und Chile.
"Die Länderquote spielt aber erstmal keine Rolle, an erster
Stelle steht die Qualifikation", sagt Programmleiterin Cordula
Janowski.
Wie bei der Wahl ihres Wohnorts, so hat sich Yuki Itakura auch
bei ihrem Arbeitsfeld für eine Nische entschieden. Ihr
Praktikum im Rahmen des Master-Studiengangs absolvierte sie im
vergangenen Jahr bei einer Institution, die wohl nur sehr wenige
kennen: dem Bonner UN-Sekretariat für das Abkommen zur
Erhaltung der Kleinwale in Nord- und Ostsee (ASCOBANS). Im
Anschluss hat sie im benachbarten Sekretariat zum Schutz
afrikanisch-eurasisch wandernder Wasservögel (AEWA) einen
Referentenjob bekommen. Sie ist zufrieden, die Arbeit gefällt
ihr. Yuki Itakuras Lebenslauf zeigt, dass viele Wege in
internationale Institutionen führen. Während die meisten
ihrer Kollegen zwischen 23 und 28 Jahren alt sind und den
Master-Studiengang im Anschluss an ihr Studium belegen, hat die
36-Jährige noch anderes erlebt: Nach der Schule arbeitete
Itakura sechs Jahre lang auf einem amerikanischen
Luftwaffenstützpunkt in Tokio, eine diplomatische Karriere war
damals nicht in Sicht. Danach folgten vier Jahre Studium an einer
von der US-Armee unterstützten Außenstelle der University
of Maryland - in Schwäbisch Gmünd. Die Umweltpolitik in
der Europäischen Union und das Kyoto-Protokoll zum Schutz des
Weltklimas haben es ihr seitdem angetan. "Wie die EU ist auch Japan
sehr an nachhaltiger Entwicklung interessiert", sagt Yuki Itakura.
Eine Erklärung dafür, warum sich eine Japanerin mit
amerikanischer Universitätslaufbahn auf einen Master of
European Studies einlässt. Jetzt, mit Mitte 30, ist sie auf
ihrem Marsch durch die Institutionen.
Die für deutsche Verhältnisse hohen Studienkosten von
6.500 Euro hat Itakura teilweise selbst gezahlt, den Rest steuerten
ihre Eltern bei. Zehn Studenten bekommen momentan ein Stipendium.
"Für unsere deutschen Studenten sieht es leider zur Zeit
bitter aus", sagt Cordula Janowski. Private Fördermittel
fließen hierzulande weit spärlicher als etwa in den
USA.
Seit dem vergangenen Sommer ist Yuki Itakuras Master-Ausbildung
zu Ende. Auf die Zeit mit den 31 Kollegen blickt die Japanerin gern
zurück. Die kulturellen Unterschiede hat sie stets als
Bereicherung elebt. "Ich fühle mich viel wohler, wenn ich mit
Leuten aus vielen verschiedenen Kulturen arbeite. Das ist bedeutend
besser, als nur von Menschen einer Nationalität umgeben zu
sein", sagt Itakura. Zu vielen Kollegen hält sie weiter
Kontakt. Ganz im Sinne der Programmleiterin Cordula Janowski, die
sich von der noch jungen Einrichtung ein wachsendes Netz aus
Kontakten erhofft: in Diplomatie, Politik und Wirtschaft.
Absolventen mit Jobs bei der Deutschen Botschaft in Belgrad, dem
Bundesverband der Deutschen Industrie und der Brüsseler
EU-Kommission bestärken sie darin. Hochrangige Dozenten, etwa
aus dem Auswärtigen Amt oder der Europäischen
Zentralbank, sollen das Übrige tun, um das Programm und seine
Absolventen bekannt zu machen.
Der so genannte Europa-Dialog des Programms ist darauf aus, die
jungen Führungskräfte von morgen schon heute den
Schaltzentralen der Macht nahe zu bringen: So stehen Besuche im
Auswärtigen Amt in Berlin ebenso auf dem Stundenplan wie eine
Exkursion ins Straßburger EU-Parlament und zur
Europäischen Zentralbank in Frankfurt. Die jungen Leute sollen
nach dem Wunsch der Programm-Macher Generalisten sein, die nicht
nur in einer Berufssparte Großes leisten können, sondern
flexibel einsetzbar sind.
Trotzdem hat sich für Yuki Itakura die Spezialisierung
bezahlt gemacht. Wenn es nach ihr geht, wird sie auch in fünf
Jahren in Bonn wohnen und für eine Umwelt-Abteilung der UNO
arbeiten. Mindestens genauso gut wie ihre Wahlheimat gefällt
ihr nur noch eine Station auf ihrem Lebensweg: Schwäbisch
Gmünd. Dorthin zurück will sie dann aber doch nicht. Bei
aller Liebe zur Nische.
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